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DIPLOMARBEIT

Titel der Diplomarbeit

„Zur Sprachkontaktsituation in der deutschen Kolonie Pozuzo,

unter besonderer Berücksichtigung des verpflichtenden Deutschunterrichts und der Tochtersiedlungen Santa Rosa, und Villa Rica“

Verfasserin Pia Maria Koch

angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag.phil.)

Wien 2010

Studienkennzahl lt. Studienblatt: A332 Studienrichtung lt. Studienblatt: Deutsche Philologie Betreuer: Hon.-Prof. Dr. Wilfried Schabus

2

INHALTSVERZEICHNIS DANKSAGUNG ...... 5 1. EINLEITUNG ...... 6 2. DIE „KOLONIE“ POZUZO ...... 10

2.1. GRÜNDUNGSGESCHICHTE ...... 10 2.1.1. Auswandererlied ...... 10 2.1.2. Die Auswanderung nach Peru ...... 11 2.1.2.1. Der Weg von nach Pozuzo ...... 14 2.1.3. Die Situation in der neuen Heimat Pozuzo ...... 14 2.1.4. Die zweite Auswanderergruppe von 1868 ...... 15 2.1.5. Gründe für die Auswanderung ...... 18 2.1.5.1. Die Situation in der alten Heimat Tirol ...... 19 2.2. DIE ANFÄNGE DER KOLONIE POZUZO ...... 20 2.3. GEOGRAFISCHE SITUATION ...... 22 2.4. KULTURELLES UND WIRTSCHAFTLICHES LEBEN IN POZUZO ...... 24 2.4.1. Kirche und Religion ...... 24 2.4.2. Schule ...... 25 2.4.3. Kultur und Tourismus...... 25 2.4.4. Verein „Gesundheit für Pozuzo“ ...... 27 2.4.5. Aktuelle Wirtschaftshilfeprojekte ...... 28 2.4.5.1. Lehrwerkstätte für Elektrotechnik ...... 28 2.4.5.2. Ausbildungsinitiative für die Krankenstation „San Camilo“ ...... 29 3. DIE SPRACHLICHE SITUATION HEUTE ...... 30

3.1. SPRACHVERWENDUNG IN POZUZO ...... 30 3.1.1. Spanisch, Tirolés, Deutsch und indigene Sprachen ...... 30 3.1.2. Deutschunterricht ...... 30 3.1.3. Probleme: Sprachbarrieren und Kulturkluft ...... 31 4. DIE DEUTSCHE SPRACHE IN POZUZO ...... 33

4.1. IHRE BEDEUTUNG FÜR IDENTITÄT UND „HEIMAT“ ...... 33 4.2. WECHSEL VOM DIALEKT TIROLÉS ZUR SPANISCHEN LANDESSPRACHE ...... 35 4.2.1. Gründe für den Sprachwechsel ...... 36 4.3. GRÜNDE FÜR DEN VERLUST DES DEUTSCHEN DIALEKTS ...... 38 4.3.1. Die Gründung von Tochtersiedlungen ...... 38 4.3.2. Das Verbot des Deutschen im 2. Weltkrieg ...... 39 4.3.2.1. Schule und Unterrichtssprache ...... 39 4.3.2.2. Die Rolle der Kirche...... 40 4.3.3. Die Regierungspolitik von Staatspräsident Juan Velasco Alvarado ...... 41 4.3.4. Zuzug und Abwanderung ...... 43 4.3.5. Sprachräumliche Heiratsbeziehungen ...... 45 5. DER POZUZO-TIROLISCHE DIALEKT (TIROLÉS) HEUTE ...... 47

5.1. WELCHE DIALEKTVARIANTE HAT SICH DURCHGESETZT? ...... 47 5.1.1. Gründe für die Dominanz des Tirolischen ...... 48 5.2. TIROLÉS ...... 49 5.3. SPANISCH ...... 51 5.3.1. Spanische Interferenzen ...... 51

3

5.4. GRÜNDE FÜR DEN LANGZEITIGEN ERHALT DES DIALEKTS ...... 54 5.4.1. Dialekt und Dialektpflege ...... 55 5.4.2. Sprachkompetenzbedingte soziale Netzwerke ...... 57 5.4.3. Die Einstellung zu solchen Netzwerken bei nicht aus der europäischen Linie abstammenden Pozucinern ...... 59 6. DEUTSCHUNTERRICHT IN POZUZO ...... 61

6.1. DAS SCHULWESEN IN PERU UND IN POZUZO ...... 62 6.2. PILOTPROJEKT FÜR DEN DEUTSCHUNTERRICHT IN POZUZO ...... 63 6.3. KULTURABKOMMEN DES ADKV UND DES KULTURVEREINS POZUZO ...... 64 6.4. FREUNDESKREIS FÜR POZUZO ...... 65 6.4.1. Die Deutschlehrer in Pozuzo ...... 65 6.4.2. Projekt „Hilfe zur Selbsthilfe“ ...... 66 6.5. AUSBILDUNG DER DEUTSCHLEHRER ...... 67 6.5.1. Goethe-Institut und Humboldtschule in Lima ...... 67 6.5.2. Ausbildung in Österreich ...... 68 6.6. DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE IN POZUZO ...... 69 6.6.1. Die Lehrpersonen ...... 69 6.6.2. Verankerung des Deutschunterrichts im Lehrplan ...... 69 6.6.3. Unterrichtsmaterialien und -lehrmethoden ...... 70 6.6.4. Erwachsenenfortbildung ...... 71 6.6.4.1. Motivationserhebung ...... 72 6.7. RESÜMEE ZUR QUALITÄT DES FREMDSPRACHENUNTERRICHTS IN POZUZO ...... 74 6.7.1. Interesse am Fremdsprachenunterricht ...... 74 6.7.2. Sprachbarrieren und Verständigungsprobleme ...... 76 6.7.3. Probleme beim Deutschunterricht und Lösungsansätze ...... 77 7. EXKURS: DIE SPRACHSITUATION IN DEN TOCHTERSIEDLUNGEN OXAPAMPA, VILLA RICA UND SANTA ROSA ...... 79

7.1. OXAPAMPA ...... 79 7.2. VILLA RICA ...... 81 7.3. SANTA ROSA ...... 84 8. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK ...... 85 9. LITERATURVERZEICHNIS ...... 89

9.1. SEKUNDÄRLITERATUR ...... 89 9.2. INTERNETQUELLEN ...... 94 9.3. SONSTIGE QUELLEN ...... 94 9.3.1. Filme über Pozuzo ...... 95 9.3.2. Pozuzo im Internet...... 95 10. ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... 97 11. VERZEICHNIS DER GEWÄHRSPERSONEN ...... 98

11.1. TEILNEHMER DER MOTIVATIONSERHEBUNG AM 20.10.2008 IN POZUZO CENTRO ...... 98

4

Danksagung

Diese Diplomarbeit wäre ohne die Hilfe von zahlreichen Menschen nicht zustande gekommen. An erster Stelle möchte ich Erich Egg Estrada aus Lima danken, der mir während meines gesamten Aufenthalts in Peru und Pozuzo stets zur Seite stand und der mir zu einem besonderen Freund geworden ist.

Den zahlreichen Interviewpartnern in Pozuzo danke ich für Ihre Kooperationsbereitschaft und die Zeit, die sie für mich und meine Arbeit aufgewendet haben. Besonders bedanken möchte ich mich bei der gesamten Familie Egg aus Lima, Oxapampa und Pozuzo, insbesondere Andrés und Maria Egg sowie Marias Tochter Johanny Zevallos Egg. Durch ihre stete Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft haben sie mir während meines gesamten Aufenthaltes sehr geholfen und meine Reise zu einer wundervollen Erfahrung gemacht. Ebenso danke ich meiner Gastgeberfamilie Köhel aus Pozuzo und der Familie Nössing, bei der ich ein stets willkommener Gast war. Außerdem bedanke ich mich bei allen, die mir während meines Aufenthaltes in Pozuzo in irgendeiner Weise zur Seite gestanden sind, insbesondere für ihre Freundschaft.

Für erste Kontaktaufnahmen in Peru, für die hilfreiche Unterstützung, Geduld und Zeit, die er sich stets für mich und meine Arbeit genommen hat, möchte ich meinem Diplomarbeitsbetreuer Dr. Wilfried Schabus herzlich danken.

Und nicht zuletzt bedanke ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden für ihre Unterstützung über all die Jahre meines Studiums.

5

1. Einleitung

Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit der aktuellen Situation der österreichisch-deutschen Kolonie Pozuzo in den östlichen Ausläufern der peruanischen Anden. Kernpunkt der Arbeit ist die derzeitige Situation des tirolischen Dialekts in der Kolonie mitsamt den Veränderungen, die er im Laufe der letzten Jahrzehnte durchlebt hat. Als weiterer Schwerpunkt soll die gegenwärtige Lage des seit wenigen Jahren verpflichtenden Deutschunterrichts in Pozuzo dargestellt werden.

Im März 1857 verließen rund 300 Emigranten aus Tirol und dem Rheinland ihre Heimat, um sich in Peru eine neue Existenz aufzubauen. Erst um die Mitte des Jahres 1859, mehr als zwei Jahre nach Beginn ihrer Reise, kamen sie endlich in dem für sie vorgesehenen Besiedlungsgebiet an. Zahlreiche Publikationen haben sich seither mit der beschwerlichen Reise der Auswanderer und den Hindernissen und Problemen der Gründungszeit der Kolonie beschäftigt, weswegen diese Thematik in die vorliegende Arbeit nur in kurzen Umrissen Eingang finden soll.

Einige allgemeine Informationen zur Reise und zur Situation in den ersten Jahren der Kolonie sollen einen kleinen Einblick über die in der neuen Heimat völlig ungewohnten und fremden Lebensbedingungen der Kolonisten bieten (Kap. 2.1.2. – 2.1.4.). Eine kurze Beschreibung der sozialen Situation in Tirol um die Mitte des 19. Jahrhunderts soll zum besseren Verständnis für die Gründe der Emigranten, ihre Heimat für immer zu verlassen, beitragen (Kap.2.1.5.).

Anschließend wird die Entwicklung der Kolonie Pozuzo von den Anfängen bis heute in groben Zügen umrissen. Maßgeblich für die Isolation, mit der sich die Kolonisten von Anfang konfrontiert sahen, ist die geografische Lage Pozuzos. Aufgrund fehlender Verkehrswege blieben die Einwohner für viele Jahre mit ihrer Sprache und den mitgebrachten Traditionen im Urwald Perus beinahe allein. Abgesehen von der indigenen Bevölkerung, die bereits vor der Ankunft der Kolonisten das Gebiet um Pozuzo bewohnte, kamen nur 6 sehr selten Besucher in diese abgelegene Region der peruanischen Selva Central. Diese Tatsache begünstigte natürlich lange Zeit den Erhalt des deutschen Dialekts, allerdings begründeten sich dadurch auch vielerlei Probleme, mit denen die Bewohner teilweise bis heute zu kämpfen haben. Erst durch die Herstellung einer Straßenverbindung mit Oxapampa im Jahre 1976 eröffneten sich neue wirtschaftliche und soziale Perspektiven für die Kolonie. Im Interesse der gebotenen Vollständigkeit wird in der vorliegenden Arbeit ein kurzer Überblick über das kulturelle und wirtschaftliche Leben bis heute gezeichnet (Kap. 2.4.). Auch werden die Bemühungen um den Erhalt der deutschen Sprache in Pozuzo, auch von österreichischer Seite aus, zusammenfassend dargestellt.

Die Kapitel vier und fünf bauen hauptsächlich auf den in Pozuzo durchgeführten Feldforschungen von August bis November 2008 auf. Der Aufenthalt diente vor allem dialektologischen und kontaktlinguistischen Erhebungen bei Personen in der Kolonie, welche noch heute Tirolés, den tirolischen Dialekt Pozuzos, sprechen. Es soll der Wechsel vom tirolischen Dialekt als (ehemalige) Muttersprache hin zum heute beinahe vollständig spanischsprachigen Alltag gezeichnet werden. Eingang finden sollen vor allem die Gründe für diesen Wechsel in all seinen Facetten, die Probleme von Identität und Heimat sowie etwaige Rassenprobleme und Diskriminierungen. Ein wesentlicher Auslöser für den Verlust des Deutschen als Alltagssprache in Pozuzo war das Verbot allen Deutschtums in Peru zweiten Weltkrieg. Das dadurch bedingte Verbot des Deutschen in der Schule erscheint mir als einer der Hauptgründe, weswegen die weiteren Generationen den Tiroler Dialekt nicht mehr erlernten. Darüber hinaus dürfen aber auch andere wichtige Gründe, wie etwa der vermehrte Zuzug spanischsprachiger peruanischer Bevölkerung, nicht außer Acht gelassen werden.

Schließlich wird in der vorliegenden Arbeit die heutige dialektale Sprachsituation in der Kolonie behandelt, die sich, trotz allen Widrigkeiten, als noch immer sehr lebendig darstellt. Rasch hat sich nach der Ansiedlung von den beiden ursprünglichen deutschen Varietäten der Emigranten,

7 nämlich dem sübairischen Tiroler Dialekt aus dem oberen Inntal und dem Südtiroler Vinschgau sowie dem rheinländischen Dialekt der Deutschen aus der Eifel und dem Westerwald, der tirolische Dialekt fast gänzlich durchgesetzt. Die Gründe dafür und die Frage, ob der Tiroler Dialekt den Rheinländischen wirklich völlig verdrängt hat, werden zu klären sein (Kap.5.1.). Des Weiteren werden der Dialekt sowie die Dialektpflege und die Sprechgewohnheiten der Dialektsprecher beleuchtet, sowie mögliche Gründe für den Erhalt des Dialekts, etwa sprachkompetenzbedingte soziale Netzwerke, besprochen. Auch die Einstellung zu solchen Netzwerken bei Pozucinern, die nicht aus der Linie der europäischen Einwanderer stammen, sollen berücksichtigt werden.

Wie bereits erwähnt, gab es in den letzten Jahrzehnten verstärkte Bestrebungen, die deutsche Sprache und auch den Dialekt in Pozuzo nicht völlig aussterben zu lassen. Besonders von Seiten Tirols wurden viele Initiativen ergriffen, in Pozuzo die Traditionen der alten Tiroler Heimat am Leben zu erhalten. Eines der wichtigsten Projekte in dieser Hinsicht war die Wiedereinführung und Förderung des Deutschunterrichts in Pozuzo. Nach etlichen Anfangsschwierigkeiten und langjährigen Versuchen und Überlegungen wurde schließlich im Jahre 2005 der verpflichtende Deutschunterricht für alle Schüler in Pozuzo Centro, in Prusia und in der Tochterkolonie Santa Rosa eingeführt. Als wichtiges Projekt sowohl für die Bildung und Zukunft der Jugend in Pozuzo wie auch als verbindendes Element zur alten Heimat in Europa soll daher auch dieses Thema in die Arbeit aufgenommen werden. Von den Anfängen und Bemühungen, einen Deutschunterricht in Pozuzo durchzusetzen, bis zur heutigen Situation des Unterrichts werden auch die Ausbildung des Lehrpersonals, die allgemeine Lehrsituation sowie die derzeit noch laufende, freiwillige Erwachsenenfortbildung beleuchtet. Zusammenfassend werden Probleme und etwaige Lösungsansätze besprochen.

In einem kurzen Exkurs wird darüber hinaus die heutige sprachliche Situation in den Tochtersiedlungen Oxapampa, Santa Rosa und Villa Rica skizziert.

8

In der vorliegenden Arbeit wird Pozuzo als eine „Sprachinsel“ gemäß der folgenden Definition verstanden:

Eine Sprachinsel [ist] eine als Sprachminderheit von ihrem Sprachmutterland geographisch getrennte und durch eine sprachlich/ethnisch differente Kontaktgesellschaft umschlossene und/oder überdachte Kommunikationsgemeinschaft, die sich von der Kontaktgesellschaft durch eine Reihe von die Sonderheit der Sprachinselbewohner begründenden objektiven Faktoren abgrenzt bzw. abgegrenzt wird, die eine besondere soziopsychische Sprachinseldisposition oder Sprachinselmentalität entstehen lassen, die ihrerseits wiederum die Ursache für eine verhinderte oder verzögerte sprachlich-kulturelle Assimilation an die Kontaktgesellschaft darstellt.1

In Bezugnahme auf die Erläuterungen in den vorangegangen Kapiteln soll am Schluss der Arbeit besprochen werden, ob und inwieweit in Pozuzo der Prozess, bei welchem entweder die eine „Sprachinsel“ ausmachende (ursprüngliche) Sprachlichkeit aufgegeben wird oder sich die Sprachinsel an die umgebende Kontaktsprache assimiliert, vonstatten geht, und ob man hinsichtlich dieses Prozesses von einem baldigen „Tod“ der Sprachinsel ausgehen kann oder nicht. 2

1 Mattheier (2003), S. 16. 2 Vgl. Mattheier (2003), S. 18. 9

2. Die „Kolonie“ Pozuzo

2.1. Gründungsgeschichte

2.1.1. Auswandererlied

Der Überlieferung nach soll der folgende Text in den 1850er Jahren von auswanderungswilligen Tirolern oft gesungen worden sein:

Es ist kein Leben jetzt nimmermehr in unserm Land Tirol, drum schicken sie von Peru her, dass man doch kommen soll. Es kriegt ein jeder sechzig Joch und Geld genug dazu, drum greifet froh zum Wanderstab und reiset nach Peru

Wenn einer fünfzehn Fratzen hat und um kein’n Kreuzer Brot, der packt sein’n ganzn Rumpel z’amm und sagt „adieu, o Not“. Er reiset nach Amerika, dort kriegt er Brot genug, drum greifet froh zum Wanderstab und reiset nach Peru

Wenn einer ein böses Weiberl hat, die ihn nur zankt und plagt, der nimmt sogleich den guten Rat, was ihm die Zeitung sagt. Er reiset nach Amerika und sagt: „schimpf du nur zu“, ich greife froh zum Wanderstab und reise nach Peru

Wenn einem recht vor seim Dirndl graust und kommt nicht leicht davon, der macht sich jetzt nur gar nichts draus, er weiß ein Mittel schon. Er reiset nach Amerika und sagt: „bleib z’Haus du Kuh“, ich greife froh zum Wanderstab und reise nach Peru

10

Drum lad ich euch jetzt alle ein hinüber ins schöne Land, denn nirgends kann es besser sein, das ist ja allbekannt. Der Teixel bleibet hier zurück und kommt uns nicht mehr zu, drum greift man froh zum Wanderstab und reiset nach Peru3

2.1.2. Die Auswanderung nach Peru

Im Jahre 1855 schloss der aus Nassau stammende gelernte Forst- und Kameralwissenschaftler Kuno Damian Freiherr von Schütz-Holzhausen mit der peruanischen Regierung unter Ramon Castilla einen Vertrag, der vorsah, 10.000 deutsche katholische Kolonisten nach Peru zu holen, um sie in den damals noch unerschlossenen peruanischen Gebieten am Rande des Amazonastieflands anzusiedeln. Hintergrund dieses Ansiedlungsprojektes war die Absicht der peruanischen Regierung, quer durch den südamerikanischen Kontinent einen Handelsweg vom Pazifik zum Atlantik zu schaffen, um den langwierigen und kostspieligen Weg über das Kap Hoorn – das darüber hinaus zu einem der meistgefürchteten Schifffahrtsrouten zählte - zu umgehen. Peru, das 18214 seine politische Unabhängigkeit von Spanien erlangt hatte, handelte zu dieser Zeit äußerst erfolgreich mit Guano, dem an der Pazifikküste entlang abgelagerten phosphorreichen Vogeldung. Der Panamakanal existierte damals noch nicht, und so sollte von Lima eine Eisenbahnstrecke über die Anden zu den ersten schiffbaren Wasserläufern des Amazonassystems führen. Die Strecke sollte über den in 4.800m gelegenen Ticliopass laufen und unter Einbindung der Minenstädte La Oroya und schließlich über Huánuco bis ins Tiefland zum Amazonashafen Pucallpa am Ucayali führen5. Von dort aus sollten die Waren verschifft und über Brasilien zu ihren Bestimmungshäfen nach Europa und Nordamerika verfrachtet werden. Die neuen Siedler sollten am Rande

3 Zit. nach Habicher (2003), S. 75. Sog. „Auswandererlied“ der Tiroler Kolonisten. Es wird auch heute wieder in Pozuzo vorgetragen, so geschehen bei meinem Aufenthalt in Pozuzo 2008. 4 Peru erhielt am 28. Juli 1821 seine Unabhängigkeit, aber erst im Jahre 1824 gelang es Simón Bolivar, eine endgültige Befreiung Perus von Spanien zu erwirken. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Peru#Unabh.C3.A4ngigkeit_im_19._Jahrhundert (30.12.2009). 5 Vgl. Peru durch die Jahrtausende (1983), S. 217. 11 des Amazonastieflandes angesiedelt werden, um das Land zu erschließen und die Infrastruktur für den geplanten Handelsweg vorzubereiten.6

Schütz-Holzhausen kehrte nach Deutschland zurück, um für das Projekt zu werben. Über den Tiroler Benediktinerpater Augustin Scherer erfuhr auch der Tiroler Seelsorger Josef Egg von dem Vorhaben. Dieser wurde ein überzeugter Anhänger des Projektes und warb demnach seinerseits für die Auswanderung nach Peru. So konnten innerhalb kurzer Zeit mehr als 300 emigrationswillige Tiroler aus dem oberen Inntal und Rheinländer aus der Eifel und dem Westerwald für das Vorhaben gewonnen werden, was mehr Personen waren, als eigentlich auf einem Schiff untergebracht werden konnten.7

Nichtsdestotrotz lief am 27. März 1857 der Guanofrachter „Norton“ mit 304 Emigranten, die zu etwa einem Drittel aus dem Rheinland, zu zwei Dritteln aus Tirol stammten, aus dem antwerpischen Hafen aus.8

Nach einer beschwerlichen 17-wöchigen Seefahrt über das Kap Hoorn kamen die Auswanderer im Hafen von bei Lima an, wo man sie allerdings nicht an Land gehen ließ. Sie wurden nach einer mehrtägigen Quarantänezeit auf der Insel San Lorenzo in den ca. 125 km weiter nördlich gelegenen Hafen gebracht, um schließlich zu erfahren, dass die vertraglich festgelegte Erschließung des Weges in das für sie vorgesehene Besiedlungsgebiet noch nicht einmal zu einem Drittel fertiggestellt war.9

In Lima selbst waren die dort bereits seit längerem ansässigen „Hamburger und Bremer Kaufleute“ dezidierte Gegner des großangelegten Kolonisationsprojekts, da sie darin eine gefährliche wirtschaftliche Konkurrenz für sich sahen.10 Der Weg der Kolonisten endete somit in

6 Vgl. Schabus (1990), S. 209-211 und: Schabus (1994), S. 222-223. Genaueres zu dem Eisenbahn- und Schifffahrtsprojekt s. Schabus (2010). 7 Vgl. Schabus (1990), S. 204-211. 8 Vgl. Schabus (1998), S. 252. 9 Vgl. Schabus (1997), S. 106. 10 Vgl. Schabus (1999), S. 6404. 12

Acobamba, und sie kamen erst Mitte des Jahres 185911, beinahe zweieinhalb Jahre nach dem Aufbruch aus der Heimat, in der „Colonia de Rio Huancabamba“, wie Pozuzo zunächst offiziell hieß, an. Durch die Beschwerlichkeiten und Probleme, die sich den Ankömmlingen auf ihrer Reise stellten, verließen am Weg viele die Gruppe, um sich in den größeren Städten nach einem Verdienst umzusehen.12 So blieben von den rund 300 Personen, die aus Antwerpen die Heimat verließen, nur 165, die tatsächlich im Siedlungsgebiet Pozuzo ankamen. Doch selbst nach der Ankunft in der Kolonie verließen noch einige die Gemeinschaft, sodass sich schließlich 150 Kolonisten, davon 85 Tiroler, in Pozuzo niederließen.13

11 Der offizielle Ankunftstag der Kolonisten ist der 25. Juli 1859, vgl. auch Schabus (1994), S. 222. Er gilt als der Gründungstag der Kolonie und wird jährlich als der „Kolonischtntåg“ begangen und gefeiert. Vgl. Schabus (1997), S. 105. In einem Gespräch mit Wilfredo Laura Contreras, Direktor der Secundaria „Tupac Amaru“ in Pozuzo Centro und Obmann des Kulturvereins Pozuzo, bei meinem Aufenthalt in Pozuzo, äußerte er Zweifel an einem gleichzeitigen Ankommen aller Kolonisten im Siedlungsgebiet und aufgrund dessen die Unmöglichkeit, einen genauen Ankunftstag in Pozuzo zu bestimmen. Vermutlich wurden Frauen und Kinder in Tingo Maria zurückgelassen, wo sich die Auswanderer eine vorübergehende Unterkunft geschaffen hatten, und erst nach und nach, nachdem das Gebiet zugänglich gemacht wurde, nach Pozuzo geholt. Laut Laura gibt es ein Dokument, das belegt, dass die zweite Einwanderergruppe (1868 kamen weitere Emigranten aus Österreich und Deutschland nach Pozuzo) am 25. Juli 1868 in Callao einlief und erst dann der Tag als Kolonistentag festgelegt wurde. Vgl. auch hierzu Habicher (2003), S. 273. Eine „Vorhut“ hat bereits ab 1858 von Santa Cruz aus in Pozuzo Anbau betrieben und für die spätere Besiedlung vorbereitet, s. Schabus (2010). 12 Zu genauen Daten über die Reise s. Traxler (1998). 13 Vgl. Schabus (1994), S. 222-224 13

2.1.2.1. Der Weg von Lima nach Pozuzo

Abb. 1: Der Weg von Lima nach Pozuzo14

 Weg der ersten Einwanderungsgruppe von Huacho nach Pozuzo  Weg der zweiten Einwanderungsgruppe 1968 von Huacho nach Pozuzo  heutige Straßenverbindung von Lima nach Pozuzo

2.1.3. Die Situation in der neuen Heimat Pozuzo

Bereits im Jahre 1861 besuchte Friedrich Gerstäcker die neue Siedlung Pozuzo. Er stellte die Lage der Kolonisten als sehr positiv dar, nach seinen Angaben bewohnten 143 deutschsprachige Siedler das Gebiet, wovon etwa zwei Drittel aus Tirol stammten. Die Tatsache, dass überwiegend Tiroler bei der Gruppe ausharrten, ist vor allem auf die Person des Pfarrers Josef Egg zurückzuführen, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die

14 Karte entnommen aus: Habicher-Schwarz (2008), S. 35. 14

Gemeinschaft nicht gänzlich zerfallen war. Die gesundheitliche Lage der Kolonisten schien gut und hinsichtlich der Lebensmittel waren die Pozuciner weitestgehend autark. Was bereits Gerstäcker bekümmerte, war die abgeschiedene Lage der Kolonie und die Aussichtslosigkeit, Verkehrswege nach außen bauen zu können.15 Dieses Problem sollte sich in einer mehr als 100-jährigen Isolation der Bevölkerung Pozuzos auswirken, denn erst 1976 wurde ein befahrbarer Weg von Oxapampa nach Pozuzo fertiggestellt, der allerdings noch heute gefährlich und während der Regenzeit teils unbefahrbar bleibt.

Ein weiteres Problem, mit dem sich die Einwanderer gleich zu Beginn konfrontiert sahen, war die Frage nach dem Absatzmarkt. Die Bergwerksstadt Cerro de Pasco lag für die Pozuciner sieben Tagesmärsche entfernt, weil es den Händlern aus Huánuco gelungen war, ihnen einen direkten Weg nach Pasco zu versperren. So wollten diese sich den Zwischenhandel nach Cerro de Pasco sichern, das sie bis zu diesem Zeitpunkt alleine mit ihren Waren versorgt hatten.16 Dennoch gedieh die Kolonie und ein hoher peruanischer Funktionär bescheinigte ihr 1889 glänzende wirtschaftliche Zukunftsaussichten, „wenn hier die Eisenbahn […] durchgehen wird“.17 Doch die Eisenbahn kam ebenso wenig wie die geplante Straße.

2.1.4. Die zweite Auswanderergruppe von 1868

12 Jahre nach dem Beginn des ersten Ansiedlungsprozesses in Pozuzo wurde eine weitere Einwanderergruppe nach Peru geholt. Es sollte wiederum Schütz-Holzhausen mit dem Projekt betraut werden, der es allerdings aus gesundheitlichen Gründen und auch aufgrund der bei der ersten Einwanderung aufgetretenen Probleme18 ablehnte, die Aufgabe zu

15 Vgl. Traxler (1998), S. 42-44. 16 Vgl. Traxler (1994), S. 43-44 und Schabus (1990), S. 213. 17 Schütz-Holzhausen, 1895, zit. nach Schabus (1990), S. 213. 18 Aufgrund einer Kritik an der peruanischen Regierung von Seiten Schütz-Holzhausens wurde diesem nach scheinbar intriganten Manövern die Regierungsvollmacht über das Kolonisierungsprojekt und die Oberaufsicht über den Wegbau entzogen. Vgl. Schabus (1990), S. 227. 15

übernehmen.19 So wurde die Verantwortung für Anwerbung, Überfahrt und Ansiedlung den peruanischen Konsuln in Antwerpen und Genf, Santiago Scotland und Juan P. Martin20 übertragen. Die neuen Ankömmlinge sollten in Puerto Mairo am Ufer des Río Mairo angesiedelt werden. Entgegen den Erwartungen stellte sich allerdings heraus, dass der Río Mairo an seiner Mündung in den Río Palcazú nur bei sehr hohem Wasserstand schiffbar war. Darüberhinaus kamen von den rund 320 Tirolern und Bayern wiederum nur knappe 200 in Pozuzo an. Der Weg, der sie von Pozuzo aus zu ihrem eigentlichen Bestimmungsort führen sollte, war jedoch nicht passierbar, sodass sich die Gruppe wiederum zerstreute. Schließlich ließen sich ca. 150 Personen am rechten Huancabamba-Ufer in Pozuzo nieder.21 Nur wenige verheiratete, kinderlose Paare und einige alleinstehende Personen machten sich auf den Weg nach Mairo, um sich dort anzusiedeln,22 die restlichen Gruppenmitglieder „vertheilten […] sich am Pozuzo, so weit noch freies Land vorhanden war“.23

19 Zu detaillierten Beschreibungen der Gründe des Scheiterns des großflächig geplanten Kolonisationsprojektes und auch des Eisenbahnprojektes vgl. Schabus 2010. 20 Vgl. Maas (1969), S. 149 und Walser (2005), S. 93. 21 Vgl. Riedler-Engl (2002), S. 19. 22 Vgl. Laura Contreras (2007), S. 17. 23 Joseph Schöpf, 1892 zit. n. Schabus (2010). 16

Abb. 2: Pozuzo und Umgebung24

Doch gab es alsbald Probleme mit den neuen Siedlern, da sie sich scheinbar nicht hinreichend in den Alltag und die Gemeinschaft der Siedler integrieren konnten. Die Gruppe von 1868 war ein „liederliches, sittenloses Gesindel, aus Tyrol abgeschobene Dörcher“25 (eigentlich „Tercher“: Landstreicher, Bettler)26. Das Problem war, dass keine ausreichenden Eignungskontrollen wie bei der ersten Gruppe – durch die beiden Pfarrer Scherer und besonders Egg, der ja selbst mit der Gruppe auswanderte – durchgeführt wurden. Den Werbern für die Auswanderung war es gleich, welche Leute sie ins Land holten. Josef Egg, der erste Pfarrer von Pozuzo, schrieb fünf Jahre nach Ankunft der zweiten Gruppe in einem Brief an den Benediktinerpater Scherer, dass er „in der Seelsorge der Colonie, besonders seit Ankunft der

24 http://www.pozuzo.at/lageplan.htm (28.09.2009). 25 Bericht im Tiroler „Andreas Hofer“ in seiner Beilage vom 8. August 1895, zit. n. Schabus (2010). 26 Dörcher werden auch „Karrner“, Jenische oder Lani(n)ger genannt. „[…] Sie zogen herum von Dorf zu Dorf, mit einem Einachskarren, oder dem „Loatawagele“, oft ein Hund vorgespannt. Sie flickten Pfannen und Regenschirme, machten Flechtarbeiten, betätigten sich als Messerschleifer und Hausierer… […] Beruflich waren sie auch als Besenbinder, Tagelöhner und Hausierer tätig. Manch einer bettelte. […] zit. nach Stöger 1998, S. 178-180. 17 zweiten Colonisten keinen Trost und keine Freude mehr finden könne.“27 Bald bürgerte sich für die Einwanderer der zweiten Gruppe die abwertende Bezeichnung „Gitanos“ (Zigeuner) ein. Tatsächlich ist historisch belegbar, dass während der großen Auswanderungswellen des 19. Jahrhunderts viele Gemeindeverwaltungen die Chance sahen, unerwünschte Leute auf elegante Weise los zu werden.28

Diese Diskrepanzen blieben teilweise sogar bis heute sichtbar, und noch immer werden die Familien häufig in erste und zweite Einwanderung unterschieden und daraus ihr Status in der Pozuciner Gesellschaft abgeleitet. Über die noch weitreichendere und bis heute bestehende Konkurrenzsituation zwischen den aus Tirol Eingewanderten, die sich im heutigen Pozuzo Centro niederließen, und den Rheinländern, die sich im 4 km entfernten heutigen Prusia ansiedelten, soll in den Kapiteln vier und fünf noch genauer eingegangen werden.

2.1.5. Gründe für die Auswanderung

Die bis ins 18. Jahrhundert geringe Einwanderung nach Südamerika erlebte ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine enorme Zunahme. Vor allem die neugewonnene Unabhängigkeit der lateinamerikanischen Länder führte zu einer verstärkten Einwanderungspolitik. Bis in die 1820er Jahre wurde hierbei lediglich die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben verlangt, ab der zweiten Hälfte des 19. Jh. bemühte man sich gezielt um nordeuropäische Einwanderer auch protestantischen Glaubens, um an die wirtschaftliche Entwicklung Nordamerikas heranzukommen. Die Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei und die damit einhergehende steigende Nachfrage nach Arbeitskräften sowie die sich ausbreitende Industrialisierung und die Beendigung der Bürgerkriege (sog. pull-Faktoren)29 brachten die amerikanischen Staaten dazu, sich verstärkt um europäische Einwanderer zu bemühen, um durch diesen eigenverantwortlich wirtschaftenden sozialen Mittelstand eine bessere Erschließung des Landesinneren und die

27 Zit. n. Schabus (2010). 28 Vgl. Schabus (2010). 29 Vgl. Pieper (2000), S. 128-131. 18

Überwindung der von den Kolonialmächten hinterlassenen feudalen Wirtschaftsstrukturen zu erreichen.30

In Europa herrschte stattdessen ein spürbarer Bevölkerungsdruck, hinzu kamen Missernten und eine durchgängig angespannte politische und wirtschaftliche Lage, die sich in den Revolutionen von 1848 entlud (push- Faktoren).

2.1.5.1. Die Situation in der alten Heimat Tirol

Die wirtschaftliche Lage Tirols war in den 1850er Jahren kritisch. So durften im Unterinntal aufgrund des dort vorherrschenden Anerbenrechts die vom Hof weichenden Bauernsöhne, die keine gesicherte Existenzgrundlage vorzuweisen hatten, keinen eigenen Hausstand gründen. Auch Dienstboten und anderen, deren Lebensunterhalt nicht gesichert schien, wurde die Heirat verweigert, weswegen sich unter den Auswanderern viele Brautpaare befanden. Im oberen Inntal hingegen wurde nach dem römischen Realteilungsrecht der Hofbesitz unter den Erbberechtigten gleichmäßig aufgeteilt, wodurch die bäuerlichen Betriebe oftmals keinem der Nachkommen mehr als ausreichende Existenzgrundlage dienen konnten und viele Familien ins wirtschaftliche Elend gedrängt wurden.31 Durch die Beseitigung der innerösterreichischen Zwischenzolllinien nach 1848 fielen spätestens nach der Weltwirtschaftskrise 1857 viele kleine Gewerbetreibende den ökonomischen Modernisierungsentwicklungen zum Opfer. Durch den Neoabsolutismus nach dem Jahr 1848 und der daraus resultierenden politischen Frustration kam es zu einer raschen und beständigen Entsolidarisierung mit dem Heimatland. Hinzu kam, dass sich die kaisertreuen Tiroler von Kaiser Ferdinand verraten fühlten, da sie es nicht ausreichend gewürdigt sahen, dass sie in Schützenverbänden die italienischen Revolutionäre in Schach gehalten hatten, bevor diese schließlich von Feldmarschall Radetzky besiegt werden konnten. Nun hatten die Menschen unter Teuerungen und Bürokratisierungen zu leiden, und vor allem die neueingerichtete bewaffnete Gendarmerie, die sogenannten

30 Vgl. Schabus (2010). 31 Vgl. Schabus (2010). 19

„Pickelhauben“, war den Leuten ein Dorn im Auge.32 Im Folgenden sollen einige Strophen von einem damals in Tirol sehr populären politischen Lied, das die Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen sehr gut darstellt, wiedergegeben werden:

Großmuth übt der gute Kaiser / dort im Walschland jetzt als weiser / Landes=Vater spat und früh / und ertheilt statt sich zu rächen / hier das größte der Verbrechen / Allgemeine Amnestie.

In Tyrol, dem Land der Treue / klagt der Menschenfreund aufs Neue, / daß man Arme grausam quält; / Salz, Tabak ist uns vertheuert, / Kleinigkeiten hoch besteuert, / Undank ist der Lohn der Welt.

Ach es sind jetzt zum Exempel / hier bey Aemtern Tax und Stempel / Armen unerschwinglich bald; / macht man es so fort im Lande / wird der Man vom Mittelstande / bald zum Bettler mit Gewalt.

Drum, wer arm, und brav ist wandere, / suche bald sich eine andere / Heimath in Amerika. / Eilet, wer nur kann, und fliehet, / eh‘ man euch die Haut abziehet / Schulden zu verzinsen da.

Schwer wird zwar der Abschied werden / um das Theuerste auf Erden, / wenn die Heimath uns entflieht: / doch verleidet sie den Armen, / der nur Schergen und Gendarmen, / Förster und Finanzer sieht.

Nach Peru tragt eure Arme / in das schöne Land, das warme, / wo euch winket die Natur; / Wirket dort für eure Kinder, / nicht wie hier für Bauernschinder / und für Bückelhauben nur.33

So also war die sozialpolitische Lage in Tirol, als die späteren Kolonisten sich zur Auswanderung nach Peru entschlossen.

2.2. Die Anfänge der Kolonie Pozuzo

Unzutreffend ist, wie bisweilen behauptet, daß die Auswanderer von 1857 und ihre Nachfahren gescheitert wären. Zutreffend ist vielmehr, daß sie sich unter widrigsten Bedingungen – man sage: in ihrer geographischen Abgeschlossenheit, weil die von Lima versprochene Straße erst jetzt Realität zu werden beginnt – behauptet haben und mit ihrer Einstellung sehr maßgeblich auf ihre „einheimische“

32 Vgl. Schabus (1999), S. 6404 u. Schabus (1990), S. 208. 33 Schabus (2010). 20

Umgebung abfärbten. Jeder Europäer, der Pozuzo besucht, kehrt beeindruckt von dort nach Lima zurück und plädiert dafür, die ausdauernden Tiroler und Rheinländer dieses Gebietes weiterhin zu unterstützen. Im friedlichen Pozuzo-Tal ist die Zeit irgendwie stehengeblieben, mit Vor- und Nachteilen für die Bewohner.34

Nach den vielen Problemen und Strapazen der mehr als zweijährigen Reise in die neue Heimat waren die Auswanderer endlich in dem für sie bestimmten Gebiet am Río Pozuzo angekommen. Als erstes ging man daran, das Land aufzuteilen. Die zahlenmäßig überlegenen Tiroler wählten das Gebiet nördlich des Río Límite, der als Grenzfluss bestimmt worden war. Die rheinländischen Kolonisten ließen sich daher am oberen Teil des Flusses nieder.35 Diese Aufteilung besteht bis heute. Wenn man von Oxapampa auf der Straße nach Pozuzo fährt, erreicht man somit als erstes die Siedlung Prusia, von den Rheinländern – das Rheinland stand zur Zeit der Auswanderung unter preußischer Herrschaft, daher der Name Prusia (span. für Preußen) – besiedelte Gebiet Pozuzos. Vier Kilometer weiter flussabwärts liegt das ehemalige Kerngebiet der Tiroler, das heutige Pozuzo Centro.

Obwohl sich die Kolonisten in einer denkbar schwierigen Situation befanden, erreichten sie schon nach wenigen Jahren einen guten Selbstversorgungsstand. Man pflanzte Mais und verschiedene Arten von Bohnen, Erdnüsse, Maniok, Bergreis und schließlich auch Kaffee, Baumwolle und Zuckerrohr. Sie selbst hatten Hühner aus der Heimat mitgebracht, und der in Lima ansässige Hamburger Johann S. Renner schenkte den Familien je eine Kuh, ein Mutterschwein und eine Ziege.36 So lebten die Pozuciner viele Jahre lang in Subsistenzwirtschaft, bauten sich ein neues Leben in einem ungewohnten Klima und unter völlig anderen Lebensumständen auf.

Unvorstellbar wäre all diese Entwicklung ohne den Tiroler Pfarrer Josef Egg gewesen. Er war es, der die Gruppe auf ihrem Weg zusammengehalten hatte, und auch in der Kolonie wäre das Leben ohne ihn nicht denkbar gewesen. Er war nicht nur der Seelsorger der Menschen, er war auch Tischler und Veterinär, Arzt und Berater in allen geistigen und irdischen

34 Nachricht der „Vereinigung der Österreicher in Peru“ an Anton Witting in Haiming im Oktober 1966. Zit. n. Gundolf (1972), S. 62. 35 Vgl. Oberkofler (1976), S. 34. 36 Vgl. Maass (1969), S. 37. u. Schabus (2010). 21

Belangen. Viele Jahre lang sollten die Pfarrer der Mittelpunkt des gesellschaftlichen und geistigen Lebens in Pozuzo bleiben.

2.3. Geografische Situation

Alle Kolonisten schildern die Gegend unüberwindlich zur Herstellung eines ordentlichen Weges. Deswegen geben sie alle Hoffnung zu einer jemaligen Communikation mit anderen Ortschaften auf, und stellen sich zufrieden, wenn sie es nur so weit bringen könnten, daß sie selbst einstens zu leben haben.37

Der Río Pozuzo ist einer der entfernteren Quellflüsse des Amazonas, dessen Name in der Sprache des Indianerstammes der Yanesha38 „der Fluß mit dem salzigen Wasser, Salzbach“ bedeutet. Pozuzo Centro selbst befindet sich auf ca. 750 m Höhe und liegt nicht direkt am Río Pozuzo, sondern an dessen größtem Nebenfluss, im engen Tal des Río Huancabamba.39

„Pozuzo“ umfasst das Dorf Pozuzo Centro, den Nachbarort Prusia sowie weitere 45 Ortschaften und Höfegruppen (Caseríos). Diese bilden den Distrikt Pozuzo, der seit 1972 verwaltungsmäßig zur Provinz Oxapampa (Departamento Pasco) gehört und für den die letzte Volkszählung im Jahr 2007 7.760 Einwohner ausweist.40

Als die Kolonisten im Jahre 1859 das Tal erreichten, gab es lediglich schwer zugängliche Urwaldpfade in die nächstgelegenen Orte. Wie bereits erwähnt, führte dies zu einer Isolierung nicht nur im geografischen Sinne, auch die wirtschaftliche Lage der Pozuciner litt unter diesem Umstand. Es gab keinen nahen Absatzmarkt für die landwirtschaftlichen Produkte der Einwohner und auch die Einfuhr von in Pozuzo benötigten Erzeugnissen war äußerst aufwendig. So waren die Menschen gezwungen, sich alles Benötigte selbst

37 Pater Josef Ueberlinger, zit. nach Schabus (1994), S. 224. 38 Ethnie, die bereits vor der Ankunft der Kolonisten und Kolonistinnen am Río Pozuzo lebte. Die ethische (Fremd-) Bezeichnung für das Volk der Yanesha lautet Amuesha. Vgl.: Zbinden (2009), S. 15. Die Yanesha selbst mögen die Bezeichnung „Amuesha“ nicht, ein Yanesha meinte zu Schabus „Amuesha es casi un insulto“ (Amuesha ist fast eine Beschimpfung). 39 Vgl. Schabus (1990), S. 205-206. 40 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 1. 22 zu verfertigen, seien es Schuhe, Kleider, Einrichtungsgegenstände oder auch Gebrauchsgüter und Werkzeuge.41

Eine Änderung dieser Umstände trat erst ein, als im Jahre 1976, fast 120 Jahre nach dem Eintreffen der Kolonisten in Peru, die versprochene Straße von Oxapampa nach Pozuzo mit Hilfe der Pozuciner fertiggestellt wurde. Das weitläufige Hinterland des Distrikts Pozuzo war hingegen bis noch vor kurzem nur durch Urwaldpfade erschlossen.42 Viele Bauern aus Pozuzo betrieben zur Zeit der Entstehung der Verbindungsstraße bereits eine erfolgreiche Rinderzucht, und so wurde außerdem in Delfín, etwa 10 km von Prusia entfernt, ein Rollfeld angelegt, wodurch eine Flugverbindung nach Codo del Pozuzo und Lima ermöglicht wurde (vgl. Abb. 2: Pozuzo und Umgebung, S.17). Die Flugverbindungen wurden für den Personen- und Kleinviehtransport genutzt, die Rinder selbst wurden von Codo del Pozuzo nach Pozuzo getrieben und mit den Rindern der Pozuciner Bauern von dort per LKW nach Lima transportiert.

Vor drei Jahren wurde auch die Straße von Pozuzo Centro nach Codo del Pozuzo fertiggestellt. Codo del Pozuzo, das in den 1970er Jahren als Tochtersiedlung von Pozuzo gegründet wurde, war bis dahin nur in einem mühseligen Zweitagesmarsch zu erreichen. Am 12. September 2008 wurde die neue Straße offiziell eingeweiht.

Die Straße nach Codo bringt aber, wie auch die Verbindungsstraße nach Oxapampa, viele Veränderungen mit sich. Auch damals brachte die Verbindung nach außen eine Umwälzung für Wirtschaft, Soziologie, Demographie, Alltagsleben und Lebensstandard. Die Leute sind diesen neuen Umständen gegenüber relativ skeptisch eingestellt, da Veränderungen natürlich nicht immer nur positive Seiten mit sich bringen. Befürchtet werden eine steigende Kriminalität, vermehrter Drogenverkehr und ein weiterhin steigender Zuzug peruanischer Bevölkerung.

41 Vgl. Oberkofler (1976), S. 38 u. Schabus (2010). 42 Vgl. Schabus (1994), S. 225. 23

Es ist allerdings nicht so, dass die Pozuciner ihre steigende Mobilität nicht auch zu schätzen wüssten. Vor allem im Tourismusbereich erhofft man sich weitere Steigerungen. So wuchs die Anzahl nicht nur deutschsprachiger Touristen in den letzten Jahren, auch viele Einwohner aus Lima nutzen die verbesserten Verbindungen, um etwa ihre Wochenenden in Pozuzo zu verbringen.

2.4. Kulturelles und wirtschaftliches Leben in Pozuzo

2.4.1. Kirche und Religion

Die Pozuciner leben bis heute nach dem römisch-katholischen Glauben. Die Kirche untersteht der Diözese Huánuco43, doch bis heute haben fast immer deutschsprachige Pfarrer in Pozuzo gewirkt. Allerdings haben die Geistlichen längst nicht mehr ihren ehemaligen gesellschaftlichen Stellenwert; sie sind heute ausschließlich für das geistige Wohl der Bevölkerung zuständig. Wurde früher Deutsch- und Musikunterricht von den Pfarrern übernommen, so bemerkt man heute eine deutliche Trennung zwischen geistlichem und kulturellem Leben im Dorf. Die Messen werden nur noch auf Spanisch abgehalten, lediglich in der 8 Uhr Messe am Sonntag in der alten Kapelle werden noch deutsche Kirchenlieder gesungen.

In Pozuzo Centro gibt es – neben zahlreichen Gotteshäusern anderer Religionen, etwa Anhänger verschiedener evangelikaler Kirchen, die auch immer häufiger in Pozuzo Einzug finden – zwei Kirchen. Die Iglesia San José, die bald nach Ankunft der Kolonisten unter der Leitung von Pfarrer Josef Egg errichtet wurde, und die Herz-Jesu-Kirche. Im Jahre 194944 wurde der Bau für diese zweite Kirche begonnen, da die ursprüngliche Kirche für die stetig wachsende Pozuciner Bevölkerung zu klein geworden war.

Außerdem wurde vor einigen Jahren mit dem Bau einer neuen Kirche in Prusia begonnen. Für den 9. November 2008 war die Eröffnung im Zuge

43 Vgl. Habicher-Schwarz (2001), S. 184. 44 Vgl. Habicher-Schwarz (2008), S. 204 u. Interview mit Solleder de Aumer, Eva in Pozuzo Centro am 20.10.2008. 24 einer Firmung geplant, doch konnte das neue Gotteshaus bis dahin nicht vollständig fertiggestellt werden. So wurde die neue Kirche vom anwesenden Bischof aus Huánuco lediglich gesegnet und eingeweiht und die offizielle Eröffnung auf das Jubiläumsjahr 2009 anlässlich der 150 Jahr-Feier der Kolonie verschoben.45

Neben diesen drei Kirchen gibt es im Einzugsgebiet Pozuzos mehrere Kapellen und eine weitere Kirche in der Tochtersiedlung Santa Rosa.

Auch wenn die Kirche in Pozuzo an Wirkungskraft und Wichtigkeit mit den Jahren verloren hat, so ist sie immer noch ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens in der Kolonie.46 Dies bezeugen nicht nur die unzähligen Prozessionen, die zu den verschiedensten Anlässen im Dorf begangen werden, auch die sonntägliche Zusammenkunft der älteren Generation nach der Messe besteht weiterhin. Hier treffen sich die Menschen in Fortführung der alten Tradition noch oft, um im alten Dialekt der Tiroler Ahnen miteinander zu plaudern. Auf diesen bestimmten Aspekt des sprachlichen Austausches soll später genauer eingegangen werden.

2.4.2. Schule

Auf das Schulwesen in Pozuzo wird ausführlich in den Kapiteln 3.1.2., 4.3.2.1. und Kapitel 6 eingegangen.

2.4.3. Kultur und Tourismus

Zu den wohl wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Pozuzo gehören die sogenannten Casas Típicas, die alten, oft zweistöckigen Holzhäuser der Kolonisten. Von ihnen gibt es noch einige in der Umgebung von Pozuzo. Allerdings werden die meisten der alten Häuser nicht mehr bewohnt, der Großteil der Bewohner ist über die Jahre in die Nähe des Zentrums gerückt. Dennoch sind die Casas Típicas, mit ihrer für die frühere Bauweise aus Holz

45 Interview mit Gstir Schmidt, Rosina in Prusia am 03.10.2008. 46 Wie sich die Pfarrer in Pozuzo um ihr gesellschaftliches Ansehen gebracht haben s. Schabus 2010. 25 typischen Art, meist noch in gutem Zustand. Für Besucher in Pozuzo stehen einige dieser Häuser zur Besichtigung offen und es gibt auch Ansätze, diese für Touristen noch anziehender und attraktiver zu machen. So gibt es etwa die Idee, Interessierten Übernachtungsmöglichkeiten darin zu bieten.

Im Zentrum selbst gibt es mittlerweile vielfache Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants. Die Straßen werden stetig verbessert und betoniert, das Ortsbild verschönert. So wurde im Jahr 2008 damit begonnen, den Park neben der Herz-Jesu-Kirche im Zentrum des Dorfes für die Feierlichkeiten anlässlich des 150 Jahr Jubiläums 2009 zu restaurieren.

Am 27. Mai des Jahres 1979 wurde die Asociación de Historia y Cultura de Pozuzo, der Historische Kulturverein Pozuzo, gegründet, dessen Bestreben es ist, das kulturelle und traditionelle Erbe der Kolonisten zu bewahren. Die Gründungsmitglieder des Kulturvereines waren Andres Schmidt Baumann, Augustin Egg, Delfina Randolf, Rudolf Egg, Carolina Egg und Franz Josef Köhle. Zu den Anliegen des Vereines zählt die Weitergabe historischen Kulturguts, wie etwa die dancas típicas, also alte Tänze wie die Bayrisch- Polka oder der Vierschritt. Seit der Gründung des Kulturvereines sind auch die Tiroler Dirndl-Kleider in Pozuzo populär geworden, erst in dieser Zeit wurden diese aus Tirol nach Pozuzo gebracht. Größtes Anliegen ist es, die alten Bräuche der Kolonisten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, da Pozuzo sich dadurch von jedem anderen Dorf in Peru unterscheidet47. Auch die Pflege und Einrichtung des am 19. September 1993 eröffneten Museo Schafferer48, das heute Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, Werkzeuge der Kolonisten sowie Foto- und Informationsmaterial über die Geschichte Pozuzos beherbergt, ist Aufgabe des Kulturvereines. Am 24. Juli 2004 wurde die Casa Cultural, das „Kulturhaus“, das in Zusammenarbeit mit der Tiroler Regierung und dem Tiroler Freundeskreis für Pozuzo erbaut wurde, eröffnet49. Dort finden heute diverse Veranstaltungen statt, Musik-, Tanz- und der Deutschunterricht für Erwachsene finden in den

47 Interview mit Solleder de Aumer, Eva in Pozuzo Centro am 20.10.2008. 48 Vgl. Laura Contreras (2007), S. 29. 49 Vgl. Laura Contreras (2007), S. 29. 26

Räumlichkeiten des Kulturhauses Platz. Darüber hinaus gibt es auch den Club Cultural Prusia sowie den Club Cultural Santa Rosa.50

Besonderes Augenmerk verdient auch die außergewöhnliche Pflanzen- und Tierartenvielfalt in Pozuzo. Hier sticht besonders das Vorkommen der sogenannten Gallitos de las Rocas, der Felsenhähne, hervor. Der peruanische Nationalvogel ist in den Wäldern Pozuzos beheimatet und kann von Besuchern zu bestimmten Zeiten im Jahr bestaunt werden.

Jedes Jahr am 25. Juli wird der Kolonistentag in Pozuzo gefeiert. Da der peruanische Nationalfeiertag der 28. Juli ist, wird in dieser Woche die sogenannte Semana Turística de Pozuzo51 veranstaltet. In diesem Rahmen wird auch seit dem Jahr 1994 jährlich die Miss Pozuzo gekürt. . Trotz allem ist der Tourismus in Pozuzo noch immer nicht mehr als bestenfalls ein willkommener Zuverdienst. Die Abgeschiedenheit der Kolonie und die noch immer sehr schlechten Straßenverhältnisse gereichen Pozuzo in dieser Hinsicht nicht sehr zum Vorteil. In den letzten Jahren gelangte Pozuzo zwar zu einer gewissen Bekanntheit im ganzen Land, und während meines Aufenthaltes waren nicht wenige Touristen auch aus Europa für ein paar Tage in der Kolonie. Doch misst man die anstrengende Reisezeit an den vorhandenen Attraktionen vor Ort, ist fraglich, ob sich Pozuzo in den nächsten Jahren tatsächlich als Touristenort wird etablieren können. Darüberhinaus ist auch die Reisezeit auf wenige Monate im Jahr beschränkt, da die Straße von Oxapampa nach Pozuzo in der Regenzeit aufgrund von Murenabgängen und Verschüttungen auch heute noch oft überhaupt nicht befahrbar ist und gefährlich bleibt.

2.4.4. Verein „Gesundheit für Pozuzo“

Im Jahr 1997 wurde in Tirol der Verein „Gesundheit für Pozuzo“ gegründet. Aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung in der Kolonie sollten die

50 Vgl. Laura Contreras (2007), S. 30-32. 51 Vgl. Laura Contreras (2007), S. 29. 27 technischen und sanitären Einrichtungen vor Ort verbessert werden. Nach einjähriger Projektvorbereitung in Tirol wurde im Jahre 1998 ein Partnerschaftsvertrag zwischen der Gemeinde Pozuzo und dem Verein zum Neubau des Krankenhauses San Camilo unterzeichnet. Im Juli 2004 konnte die neue Krankenstation in Betrieb genommen werden. Sie wird bis heute von Dr. med. Ricardo Zevallos Gomez geleitet.52

Durch den Bau der neuen Krankenstation konnten allerdings nicht alle medizintechnischen Probleme in Pozuzo beseitigt werden. Viele der notwendigen ärztlichen Maßnahmen können nach wie vor nicht in der Kolonie durchgeführt werden und Patienten müssen daher nach Oxapampa oder aber nach Lima gebracht werden. Darüberhinaus fehlt dem Personal vor Ort vielfach die technische Kompetenz, um die neu vorhandenen medizinischen Geräte fachgerecht zu warten und zu nutzen.

2.4.5. Aktuelle Wirtschaftshilfeprojekte

2.4.5.1. Lehrwerkstätte für Elektrotechnik

Aufgrund der oben genannten Probleme hat der „Freundeskreis für Pozuzo“ im letzten Jahr ein Projekt initiiert, welches die Einrichtung einer Lehrwerkstätte für Elektrotechnik und die Verbesserung der medizinisch- technischen Ausstattung sowie die Ausbildung des Krankenhauspersonals zum Ziel hat.53

Folgende Projektinhalte wurden festgelegt:

 Ausbau und Adaptierung eines Gebäudes für einen Lehr- und Praxisunterricht in Elektrotechnik (Lehrwerkstätte)

 Schulung von interessierten Personen in Elektrotechnik und Medizintechnik durch Fachleute aus Tirol und Lima

52 Vgl. http://www.pozuzo.at (02.10.2009). 53 Vgl. Pozuzo Aktuell (2009), S. 23. 28

 Verbesserung und Erweiterung der medizinisch-technischen Ausrüstung der Krankenstation54

Das Projekt wurde im Herbst 2008 begonnen und soll bis Ende 2011 abgeschlossen sein.

Der schulische Bildungsweg der Jugendlichen in Pozuzo endet mit dem Abschluss der Secundaria (Oberstufe). Weitere Ausbildungen können nur in Lima oder in geringem Umfang in den Provinzhauptstädten absolviert werden. Durch das neue Projekt soll nun die Möglichkeit für eine Ausbildung in Elektrotechnik direkt in Pozuzo ermöglicht werden, was bisher nur in Tarma oder Lima möglich war. Unterrichtet werden interessierte Jugendliche von José Egg Estrada, der seine Ausbildung zum Elektrotechnikingenieur in Österreich absolviert hat.55

Durch die elektrotechnische Qualifizierung erhofft man sich auch, die elektro- und medizintechnische Betreuung der Krankenstation in einheimische Hände legen zu können und sich somit nicht mehr Fachleute aus Lima oder Tirol nach Pozuzo holen zu müssen.

Der Erfolg dieses Projektes ist allerdings fraglich, da sich in einer Umfrage gezeigt hat, dass kaum einer der Schüler in Pozuzo geneigt ist, eine technische Karriere im Bereich der Elektrotechnik anzutreten.56

2.4.5.2. Ausbildungsinitiative für die Krankenstation „San Camilo“

Die Initiative möchte interessierten Personen der Krankenstation in Pozuzo eine Schulung in Anästhesie, Radiographie, OP-Betreuung, Sterilisation, Physiotherapie und Labortechnik in Universitäten und Instituten in Lima ermöglichen bzw. erleichtern. Die Ausbildungsverträge sind bereits ausgearbeitet und liegen in Pozuzo zur Unterzeichnung auf.57

54 Vgl. Pozuzo Aktuell (2009), S. 23. 55 Vgl. Pozuzo Aktuell (2009), S. 23-24. 56 Vgl. Laura in Schabus (2010). 57 Vgl. Pozuzo Aktuell (2009), S. 25. 29

3. Die sprachliche Situation heute

3.1. Sprachverwendung in Pozuzo

3.1.1. Spanisch, Tirolés, Deutsch und indigene Sprachen

Die sprachliche Alltagssituation in Pozuzo wird heute überwiegend von der spanischen Sprache bestimmt. Der Anteil deutsch- bzw. dialektsprechender Personen ist zwar immer noch relativ groß, allerdings finden sich in den jüngeren Generationen kaum noch Dialektsprecher. Somit reduziert sich die Anzahl der dialektsprechenden Personen auf die Generation fünfzig bzw. sechzig plus. Viele dieser älteren Personen leben nicht direkt in der Kolonie, sondern oftmals in abgeschiedenen Höfen an den Hängen der Berge rund um Pozuzo. Durch den Zuzug der peruanischen Bevölkerung wuchs der Anteil der Einwohner, die nicht von den deutsch-österreichischen Kolonisten abstammen, stetig an und die spanische Sprache behauptete ihren Vormachtanspruch immer mehr. Darüberhinaus wird in Pozuzo auch Quechua gesprochen und selbst mancher tirolstämmige Pozuciner hat die Sprache der Indianer teilweise erlernt. Heute findet man vorwiegend in kleinen Haushalten ältere Ehepaare, die sich noch teilweise auf Tirolés unterhalten, wobei sie willkürlich zwischen Spanisch und Dialekt zu wechseln scheinen. Auf der Straße, bei Veranstaltungen, Festen, in den Läden und auch vor und nach der Messe hört man beinahe ausschließlich spanische Konversation. Lediglich bei den sonntäglichen Zusammenkünften älterer Leute nach der Kirche wird noch häufig Tirolés gesprochen, doch auch dies ist aus verschiedenen Gründen immer seltener der Fall. Auf all diese Entwicklungen und deren Gründe soll in den Kapiteln vier und fünf ausführlich eingegangen werden.

3.1.2. Deutschunterricht

Im Jahr 2003 wurde in Pozuzo Centro, Prusia und der Tochtersiedlung Santa Rosa der verpflichtende Unterricht von Deutsch als Fremdsprache für alle Schüler eingeführt. Nach etlichen Jahren vergeblicher Bemühungen um einen festen Platz der deutschen Sprache im Bildungsweg der Pozuciner

30

Jugend hatte man sich schließlich auf eine Lösung festgelegt. Im sechsten Kapitel soll deshalb eingehend auf diesen besonderen Aspekt der Erhaltung des Deutschen in Pozuzo eingegangen werden.

Neben der deutschen Sprache wird in den Pozuciner Schulen auch Englisch gelehrt. Viele sehen die englische Sprache als den wesentlichen Punkt, um mit der Globalisierung mithalten zu können. Allerdings findet man ihn Peru selten jemanden, der das Englisch wirklich gut beherrscht. Viele meinen auch, dass es wichtiger wäre, die indianischen Sprachen, wie etwa Quechua, zu erlernen und sich damit wieder auf die eigene Identität und Herkunft der Ureinwohner Perus zurückzubesinnen. Und Quechua wird auch vielerorts unterrichtet und neu gelernt, doch gibt es ebenso Gegner, die es als Rückschritt erachten, indianische Sprachen zu erlernen, die einem „in der Welt“ keinen ersichtlichen Vorteil verschaffen.

3.1.3. Probleme: Sprachbarrieren und Kulturkluft

Was das Deutsche betrifft, konnten trotz der vielfältigen Bemühungen, die von verschiedensten Seiten in den letzten Jahrzehnten angestrengt wurden, um die deutsche Kultur und Sprache in Pozuzo zu erhalten, letztendlich nur Teilerfolge erzielt werden und diese gehen vielfach nur sehr langsam vonstatten. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass trotz allem gewisse Sprachbarrieren – sowohl zwischen den verschiedenen, in Pozuzo lebenden Ethnien wie auch zwischen den am Erhalt des Deutschen in Pozuzo interessierten Europäern und den deutschsprachigen Pozucinern vorhanden sind, weil die Realitäten und Gewohnheiten der beteiligten Kulturen sich dermaßen unterschiedlich gestalten. Es besteht oftmals ein Konflikt zwischen den Erwartungen der Menschen und den Dingen, die tatsächlich realisiert werden können. Was für österreichische Vorstellungen als unbedingt notwendig erachtet wird, bedeutet in der anderen Kultur vielleicht zwar eine Neuerung, jedoch eine, die nicht als Unverzichtbarkeit empfunden wird. Es bestehen andere Prioritäten, ein anderer Fokus auf Alltag und Leben, womit eine gewisse Kulturkluft und daraus entstehende Diskrepanzen vorhanden sind. Una diferencia en la mente – ein Unterschied im Denken - so hat es ein

31 gebürtiger Pozuciner formuliert, der viele Anstrengungen zunichte macht und selbst dann, wenn man dieselbe Sprache spricht, die Menschen daran abhält, einander wirklich zu verstehen. So sollte, bei allen positiven Aspekten der Bemühungen um die Erhaltung oder auch Wiederbelebung des Tiroler Dialekts und der deutschen Sprache in Pozuzo nicht vergessen werden, dass in den 150 Jahren seit der Einwanderung der Kolonisten eine weitgehende Assimilierung nicht nur an die spanische Sprache, sondern auch an die peruanische Kultur in Pozuzo vonstatten ging und die Pozuciner mit Tiroler Herkunft nur noch durch vereinzelte Aspekte der österreichisch- deutschen Kultur verbunden sind.

Im Weiteren soll nun dennoch der tirolische Dialekt Pozuzos im Mittelpunkt des Interesses stehen, wobei aber auch durchaus auf Probleme wie Identität, Heimat und Selbstwahrnehmung eingegangen werden wird.

32

4. Die deutsche Sprache in Pozuzo

Dieses Kapitel soll nun ausschließlich der deutschen Sprache und vor allem dem tirolischen Dialekt von Pozuzo gewidmet sein.58 Laut Steinicke und Neuburger sprechen heute im gesamten Distrikt Pozuzo noch 60-80 Personen Deutsch bzw. Tirolés.59 Diese Zahl deckt sich auch in etwa mit der Anzahl, die ich bei meinem eigenen Aufenthalt in Pozuzo im Jahre 2008 eruiert habe60. Ich habe während meines Aufenthaltes 27 Personen interviewt, davon waren nur drei Personen unter 50 Jahre alt, fünf von ihnen waren zwischen 50 und 60, alle anderen Gewährspersonen waren bereits älter als sechzig. Was das für das Tirolés bedeutet, soll in diesem Kapitel genauer ausgeführt werden.

4.1. Ihre Bedeutung für Identität und „Heimat“

Bleibet stark und sittenrein und bieder; In Peru ersteh‘ ein Neu–Tirol, Daß der Fremde den Tiroler wieder In dem fremden Land erkennen soll.61

Das Problem von Identität und dem Begriff „Heimat“ war eines der ersten, mit dem ich mich bei meinem Besuch in Pozuzo konfrontiert sah. Durch die (vorgegebene) Identifizierung der aus der Linie der Kolonisten abstämmigen Pozuciner in ihrer „einzigen österreichisch-deutschen Kolonie der Welt“62 mit ihrer alten „Heimat“ Europa, stellte sich mir die Frage, wie sich Menschen

58 Den Kapiteln vier und fünf liegen hauptsächlich Eigenerhebungen zugrunde, die im Zeitraum August bis November 2008 im Rahmen von qualitativen, insbesondere interpretativen Interviews gesammelt und aufgezeichnet wurden. Es handelte sich hierbei in der Regel um leitfadenorientierte, zum Teil auch narrative Interviewformen, die fast ausschließlich in Tirolés geführt wurden. (Manche Gewährspersonen wechselten während der Befragung mehrmals zur spanischen Sprache, sehr wenige konnten sich auch in deutscher Standardsprache ausdrücken). 59 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 1. 60 Allerdings muss angemerkt werden, dass vermutlich noch weitere Personen Tirolés sprechen könnten, es aber aus einem gewissen Schamgefühl heraus nicht verwenden (vgl. Kap. 5.3.1.) 61 Abschiedsgruß an die Auswanderer, zit. n. Stöger (1998), S. 104. 62 Pozuzo bezeichnet sich selbst als única colonia austro-alemana del mundo, also als die einzige österreichisch-deutsche Kolonie der Welt. Diese Identifizierung ist allerdings nicht haltbar, neben der Kolonie Pozuzo bestehen österreichisch-deutsche Gründungen z.B. auch in Brasilien und Chile und anderen Ländern. Vgl. dazu Schabus (2010). 33 nach so langer Zeit mit einer ihnen inzwischen weitgehend unbekannten Kultur und einem längst fremd gewordenen Lebensraum dahingehend identifizieren können, dieses Unbekannte „Heimat“ zu nennen, oder zumindest in dem Maße damit verhaftet zu sein, um beim Gesang des Tiroler Liedes „Tirol Tirol“ in Tränen auszubrechen.63

Eine meiner ersten Gewährspersonen, mit denen ich in Pozuzo gesprochen habe, ist in den letzten Jahren immer wieder in Tirol gewesen. Sie war diejenige, die mir sagte, dass, wäre ihre Familie nicht in Peru, sie ohne zu zögern ihr Leben dort aufgeben würde, um nach Tirol zu ziehen. Dies erschien mir in diesem Moment unverständlich und brachte mich auf den Gedanken, dass sich die Pozuciner – bedingt durch ihre „Andersheit“, was sich am augenfälligsten natürlich in Haut-, Haar- und Augenfarbe niederschlägt – in ihrer Heimat Peru nicht zuhause fühlen. Durch weitere Gespräche mit anderen Pozucinern konnte dieser Gedanke jedoch relativ schnell revidiert werden. Denn das Bewusstsein ihrer Andersheit ändert nichts an der Gewissheit, Peruaner zu sein, allerdings ein Peruaner mit einem gewissen „Mehrwert“.

Allen erwachsenen Deutschstämmigen, ob sie nun den Tiroler Dialekt sprechen oder nicht, ist ihre ethnische Herkunft bewusst. Es wäre jedoch unrichtig zu behaupten, dass sie sich deshalb als Tiroler bekennen würden. Trotzdem stehen sie in der Mehrheit dem Erhalt der alten Gebräuche – nicht nur aus ökonomischen Gründen allein – positiv gegenüber. Es geht um die Selbstidentifikation, ein Pozuzino und damit „mehr als nur ein Peruaner“ zu sein. Dieses „Mehr“ drückt sich etwa in Rückbesinnung auf alten Traditionen aus.64

Hier scheint eine kurze Reflexion über den Begriff „Heimat“ angebracht. Wie auch immer man Heimat definieren möchte, man kommt kaum an Heimat im geografischen Sinn vorbei, also Heimat als dem Ort, wo man geboren wurde und sich in diesem schon allein deshalb „heimisch“ oder sich diesem zumindest zugehörig fühlt. Doch lässt sich Heimat natürlich nicht nur in diesem Sinne verstehen. Vielen Menschen sind Gedanken, Rituale und Gebräuche, der Freundeskreis oder lediglich ein Verein, manchem vielleicht auch nur eine bestimmte Vorstellung „Heimat“. So gesehen wäre Heimat nicht an einen bestimmten Ort gebunden und ließe sich auch in der Fremde

63 Interview mit Egg Gstir, Maria in Pozuzo Centro am 02.09.2008. 64 Steinicke / Neuburger (2009), S. 13 34 finden. „Erst die Fremde lehrt uns, was wir an Heimat besitzen“, meinte Theodor Fontane.65 „Heimat“ betrifft das Innerste der Menschen und berührt die Kultur des Erinnerns. In diesem Sinne erscheint es vielleicht verständlicher, dass die Pozuciner auch heute noch an ihren europäischen Wurzeln festhalten, als einem Teil ihrer ereignisreichen und mühevollen Geschichte, die sich noch immer in ihrem Alltag widerspiegelt und aus verschiedenen Gründen stets präsent ist.

Im Mittelpunkt steht dabei [im aus Tirol importierten Brauchtum (Tänze, Tracht und Liedgut)] nicht der Erhalt der Tiroler Kultur, sondern das Symbol für die Identität der österreichisch-deutschen Kolonie, nunmehr des peruanischen Pozuzo. Dies könnte im weitesten Sinne auch als ein Ausdruck der „symbolischen Ethnizität“ verstanden werden, wobei die alten Gebräuche eine Art Hülle darstellen, deren Inhalt (z.B. der Tiroler Dialekt) allerdings mittlerweile zum allergrößten Teil schon verloren gegangen ist.66

Vieles dieser Problematik ist mir in unzähligen Gesprächen mit einem Peruaner, der heute in Lima lebt, aber in Pozuzo aufgewachsen ist, verständlicher geworden. Er selbst meinte, heute sei es nicht mehr die Sprache, die die Pozuciner mit den Leuten aus Europa verbindet, sondern die Hautfarbe. Früher wären es noch die Sprache und die Traditionen gewesen, zur Zeit seiner Großeltern, doch heute nicht mehr67.

Es ist die Frage: Was ist mir fremd und was mir „eigen“. Wer bin ich? Wo sollte ich mich suchen, und wo sollte das Fremde sein? Ich weiß es nicht, noch immer nicht – trotz jahrelanger Suche. In mir ist beides. In mir habe ich die deutsche Sprache, in mir suche ich die Muttersprache. […] Sollte ich etwa sagen, daß ich fremd bin, ohne Identität, oder daß ich bin – auch ohne grenzbare Identität?68

4.2. Wechsel vom Dialekt Tirolés zur spanischen Landessprache

Das Eindringen von spanischem Wortgut in den Alltag der Pozuciner hat bereits in frühen Zeiten der Kolonie begonnen. Schon vor Beginn ihrer Reise nach Peru müssen die Auswanderer mit bestimmten spanischen Wörtern in

65 Zit. n. Stöger in: Pozuzo Aktuell (2009), S. 10. 66 Steinicke / Neuburger (2009), S. 13. 67 Dies gilt natürlich vor allem für die jüngere Generation. Bei einem Gespräch mit einem Pozuciner, dessen Erstsprache noch das Tirolés ist und der bereits in Tirol war, betonte dieser, wie schön er es empfunden habe, dass in Tirol alle Menschen Dialekt gesprochen haben, ganz anders als in Pozuzo, wo nur mehr Spanisch gesprochen wird. 68 Nguyen T.M. geb. in Viet Nam, Saigon, als Kind nach Österreich geflüchtet, zit. n. Stöger (1998), S. 6. 35

Berührung gekommen sein, wie zum Beispiel bei Entfernungsangaben das Wort „Legua“ oder bei Gewichtsangaben den Begiff „Arroba“.69 Und bei ihrer zwei Jahre dauernden Reise in das Pozuzo-Tal sind sie durch den intensiven Kontakt mit den peruanischen Behörden und der indianischen Bevölkerung sowohl mit dem Spanischen als auch mit ersten Quechua-Wörtern vertraut geworden. Davon zeugen Hof- und Flurnamen, die sowohl spanische als auch Quechua-Elemente enthalten.70

Es gilt als unbestritten, dass die isolierte Lage Pozuzos in hohem Maße dazu beigetragen hat, dass sich der tirolische Dialekt so lange am Leben halten konnte. Viele indianische Landarbeiter, die in Pozuzo an den Höfen der Bauern beschäftigt wurden, erlernten in der Frühzeit der Kolonie sogar die Sprache der Pozuciner. In einem Bericht aus dem Jahre 1894 heißt es, die an den Höfen tätigen Indianer lernten „Deutsch verstehen, einige es auch sprechen“.71 Mit der Zeit wurden die indianischen Arbeiter aber immer zahlreicher und blieben mehr unter sich, wodurch sie auch kaum noch Dialektkenntnisse erwarben.

Heute dominiert die spanische Landessprache in allen Bereichen des Alltagslebens der Pozuciner. Nur in wenigen Familien wird noch Tirolés als Umgangssprache verwendet, und sein Gebrauch in der Öffentlichkeit beschränkt sich auf wenige Ausnahmefälle. Warum, wann und auf welche Art und Weise dieser Wechsel der Sprache vonstatten ging, soll in den folgenden Kapiteln dargelegt werden.

4.2.1. Gründe für den Sprachwechsel

[…] die vermehrte grenzüberschreitende Mobilität und Kommunikation, die es notwendig macht, im zwischenstaatlichen Bereich Regelungen für den öffentlichen Umgang mit sprachlicher Vielfalt zu treffen, Regelungen, die sicherlich nicht darin bestehen können, die existierende Pluralität der Sprachen einfach zu ignorieren. Dieses gilt […] vor allem für die vielen Regionen, in denen gesellschaftliche Zwei- oder Mehrsprachigkeit eine lange gelebte – heute jedoch zumeist rückläufige – Praxis ist, wobei dieser Rückgang vor allem durch die vielerorts geltende Staatsdoktrin von der sprachlich und kulturell einen oder zu einenden Staatsnation

69 Vgl. Schabus (2010). 70 Z.B. Pampa (Ebene) oder Tambo (Herberge) s. Schabus (2010). 71 Zit. nach Schabus (2010). Victor Condor, der heute den Hof Palmatambo betreut, kann auch heute noch bestimmte Wörter und Redewendungen des Tirolés verstehen. 36

bedingt ist, in der nur die dominierende Mehrheitssprache öffentliche Geltung haben soll und alle anderen innerhalb desselben Staatsgebietes gesprochenen Sprachen marginalisiert, zu Minderheitensprachen deklariert und ihre Sprecher einem stetig wachsenden Assimilationsdruck ausgesetzt werden.72

Die Verwurzelung einer Dorf- oder Regionalsprache in der älteren Generation und ihr allmähliches Ausdünnen bei den jüngeren Altersklassen ist ein bekanntes Phänomen in Gebieten mit ungeschützten sprachlichen Minderheiten. Dies ist auch in Pozuzo zu beobachten, wobei hinzukommt, dass in Peru in der Regel eine hohe Fertilität mit einer niedrigen Lebenserwartung einhergeht. Vor allem die hohe Geburtenrate bei indigenen Familien lässt die demographische Situation in Pozuzo von einer Sprachinsel beispielsweise in Europa stark abweichen. So ist der Anteil der älteren Generation in Pozuzo vergleichsweise gering, und dementsprechend wenige Personen verwenden das Tirolés noch im Alltag. Darüberhinaus ist seit dem Bau der Straße nach Pozuzo, die 1976 fertiggestellt wurde, eine starke Zuwanderung in die Kolonie zu beobachten, was die Bewohner mit Dialektverwendung immer weiter vermindert.73

Laut Steinicke und Neuburger ist die Assimilation an die sprachliche Majorität für die Entwicklung nach den angesprochenen demografischen Entwicklungsprozessen der zweite große Bestimmungsfaktor, wobei hier Kindergarten und Schule als zentrale Wirkungsinstanzen zu nennen sind. Weiters fungieren kulturpolitische Instrumente der staatstragenden Mehrheit, kulturelle Traditionen des Mehrheitsvolks und Wirtschaftswandel als wichtige Faktoren für Erhalt oder Zurückdrängung einer Minderheitensprache.74

In Pozuzo kommt besonders der Aspekt der Zuwanderung bzw. der Abwanderung junger Menschen in infrastrukturell günstigere Gebiete wie etwa Lima zum Tragen (siehe dazu auch Kap. 4.3.4). „Verkehrserschließung und Kommunikation, die Lage zum kulturellen Kernland, Sprachverwandtschaft, Religion, dialektale Aufsplitterung, Tourismusintensität oder bestehende Trends in der Jugendkultur“ sind weitere Faktoren, die eine Bereitschaft zu Assimilation verstärken oder

72 Cichon (2001), S. III. 73 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 4-5. 74 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 5. 37 verringern können. Auch die sprachliche und räumliche Herkunft der Erziehenden ist dafür ausschlaggebend75. Im Folgenden sollen diese Einflussfaktoren auf ihre Wirksamkeit/Gültigkeit in Pozuzo hin untersucht werden.

4.3. Gründe für den Verlust des deutschen Dialekts

4.3.1. Die Gründung von Tochtersiedlungen

Von den deutsch- bzw. österreichstämmigen Bewohnern aus Pozuzo wurden mehrere Tochtersiedlungen gegründet. Bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wanderten einige Familien aus Pozuzo nach Puerto Mairo ab, das in den ursprünglichen peruanischen Ansiedlungsplänen ebenfalls als Zielgebiet für die Einwanderer vorgesehen war. Rund 70 Jahre später, im Jahre 1976, begann die Besiedlung von Codo del Pozuzo. Diese beiden Tochtersiedlungen, die heute durch den Bootsverkehr über den Überlauf des Río Pozuzo und den Río Palcazú miteinander verbunden sind, wurden unmittelbar von Pozuzo ausgehend gegründet. Bereits im Jahre 1905 kamen die ersten Siedler auf dem Landweg von Pozuzo nach Puerto Mairo. Da diese Siedlung, genauso wie auch Codo del Pozuzo, bereits im peruanischen Tiefland liegt und somit zu Amazonien gehört, tauchten bald erste Fälle von Gelbfieber auf, und einige der Siedlungspioniere gingen wieder nach Pozuzo zurück. Heute leben nur noch wenige der ursprünglich deutschstämmigen Bewohner in Puerto Mairo. Die Besiedlung von Codo del Pozuzo in den 1970er Jahren verlief insofern günstiger, als damals bereits ein Impfstoff gegen Gelbfieber verfügbar war.76 Im Jahr 2008 wurde die Straße von Pozuzo nach Codo del Pozuzo eröffnet, eine fahrbare Verbindung nach Puerto Mairo ist bis heute nicht entstanden.

Ebenfalls sehr früh, bereits im Jahre 1891, wurde die verkehrsgeografisch und wirtschaftlich günstiger gelegene Tochtersiedlung Oxapampa von Heinrich Böttger gegründet. Ihm folgten weitere neun Familien aus Pozuzo in

75 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 5. 76 Vgl. Schabus (2010). 38 das neue Gebiet. Von hier aus folgte auch der Anstoß für die Gründung einer weiteren Tochtersiedlung: Villa Rica wurde im Jahr 1925 gegründet und von weiteren dreizehn Kolonistenfamilien aus Pozuzo und Oxapampa besiedelt.77 Oxapampa und Villa Rica wuchsen schnell, doch der tirolische Dialekt hat in beiden Siedlungen seine Bedeutung bis heute weitgehend verloren (vgl. Kap. 7.).

Obwohl bei jeder einzelnen Gründung einer neuen Tochtersiedlung nicht allzu viele Familien von Pozuzo weggezogen sind, ist es dadurch doch zu einer gewissen großflächigen Verteilung der Deutschstämmigen gekommen, und die Abwanderung hat in Summe eine Dezimierung der Bewohner mit österreichisch-deutschem Hintergrund im Distrikt Pozuzo bewirkt. So ist auch die Gründung der Tochtersiedlungen von Belang, wenn man dem Verschwinden des tirolischen Dialekts in Pozuzo auf den Grund gehen möchte.

4.3.2. Das Verbot des Deutschen im 2. Weltkrieg

Wesentlich schwerwiegender als die Abwanderung einiger Familien aus Pozuzo wog für das langsame Verschwinden des Tirolés die Tatsache, dass im Zuge des 2. Weltkrieges unter der Regierung von Manuel Prado alles Deutschtum in Pozuzo verboten wurde. Peru unterstützte die Alliierten mit Rohstofflieferungen, der Kriegseintritt Perus erfolgte im Februar 1945.78 Doch bereits im Jahre 1942 hatte Peru die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich abgebrochen.79

4.3.2.1. Schule und Unterrichtssprache

Bis zum erwähnten Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Jahre 1942 wurde in den Schulen Pozuzos in der deutschen Standardsprache sowie in Tirolés unterrichtet, nun wurde der Gebrauch der deutschen Sprache in Peru verboten. Dieses Verbot wirkte sich besonders nachhaltig auf den Gebrauch

77 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 9-10. 78 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Peru#20._Jahrhundert (04.01.2010). 79 Vgl. Maass (1969), S. 155. 39 des Dialekts als Alltagssprache bei den Pozucinern aus. Fast alle Kinder, die der Linie der Kolonisten entstammten, kamen bis damals erst mit ihrem Eintritt in die Schule mit der spanischen Sprache in Berührung. Da nun der Unterricht auf Spanisch abzuhalten war, verstanden die Schüler und Schülerinnen, die bis dahin ausschließlich Tirolés gesprochen hatten, die Unterrichtssprache nicht. Auch die Tatsache, dass manche Lehrerinnen, wie etwa Carolina Egg und später Delfina Randolf, dennoch hin und wieder mit den Kindern auf Tirolés sprachen, änderte nichts daran, dass sich die sprachliche Situation für die Schülerinnen und Schüler äußerst schwierig gestaltete. Auch lehrten nun immer mehr spanischsprachige Lehrerinnen und Lehrer, die etwa von Huánuco nach Pozuzo kamen, in den Schulen der ehemals deutschen Enklave. Hinzu kamen oftmals Hänseleien der spanischsprachigen Mitschüler, die damals bereits in der Mehrzahl waren. Dadurch entwickelte sich schnell eine gewisse Scham, die dazu führte, dass die Heranwachsenden ihren Dialekt nicht mehr benutzen wollten und sich rasch die spanische Sprache aneigneten80. Im Zuge dieser Entwicklung sprachen die Kinder dann auch innerhalb der Familie Spanisch, und sehr oft passten sich die Eltern an den Sprachgebrauch ihrer Kinder an. So geschah auch innerhalb von Familien mit dialektalem Hintergrund und Sprachgebrauch ein stetiger Wechsel vom bis dahin üblichen Gebrauch des Tirolés hin zur vermehrten Verwendung der peruanischen Landessprache.

4.3.2.2. Die Rolle der Kirche

Auch im kirchlichen Bereich hat sich mit dem Verbot des Deutschen in Pozuzo einiges verändert. So wurden die Messen nun ebenfalls auf Spanisch abgehalten und ab der Zeit Velascos (vgl. Kap. 4.3.3.) durften auch Kasualien, wie Trauung, Taufe oder Begräbnis, nicht mehr in der Muttersprache gestaltet werden, selbst dann nicht, wenn die betroffenen Personen sich das ausdrücklich wünschten. Obwohl bis heute fast ausschließlich deutschsprachige Pfarrer in Pozuzo praktizieren, ist auch in allen Bereichen des kirchlichen Lebens beinahe ausnahmslos die spanische

80 Von vielen Gewährspersonen wurde dieser Aspekt der Geschichte bei den Befragungen erwähnt. Dass das Problem der Andersheit und die mit ihr verbundene Scham bis heute problematisch sind, soll im fünften Kapitel weiter ausgeführt werden. 40

Sprache in Gebrauch. Außer in der Morgenmesse am Sonntag in der alten Kirche, wo auch heute noch deutschsprachige Lieder gesungen werden, und bei der Beichte, die auf Wunsch auch in der alten Sprache der Kolonisten abgenommen wird, konnte das Tirolés die Veränderungen, die die Zeit mit sich brachte, auch in der kirchlichen Domäne nicht überdauern.

4.3.3. Die Regierungspolitik von Staatspräsident Juan Velasco Alvarado

Juan Francisco Velasco Alvarado kam im Oktober 1968 in Peru durch einen Militärputsch an die Macht. Er war geprägt von einer langjährigen militärischen Laufbahn und baute schnell die mächtigste Streitmacht Südamerikas auf, die Rüstungsausgaben schossen in die Höhe. Seine linksorientierte Militärregierung ließ die gesamte Erdölindustrie verstaatlichen und die Pressefreiheit wurde eingeschränkt. Die von Velasco eingeleitete Agrarreform, die die Enteignung jeglichen Großgrundbesitzes vorsah und außerdem die Verstaatlichung der Schlüsselfaktoren der peruanischen Wirtschaft verfolgte, wirkte sich auch auf Pozuzo aus.81

Da sich in Peru, wie auch in den anderen Staaten Lateinamerikas, der Großgrundbesitz meist auf reiche Familien ausländischer Herkunft konzentrierte, wollte man mit der Enteignung die Verminderung von deren Macht erreichen und das zurückgeholte Land sollte an die peruanischen Staatsbürger verteilt werden. Durch diese Maßnahmen wurde bald „jede Art von Großgrundbesitz in Peru zum Markenzeichen von ‚weißen Invasoren‘, die man zugunsten der peruanischen Bevölkerung enteignen wollte“.82

Da sich einige Pozuciner bereits größere Flächen an Land angeeignet hatten, befürchtete man nun in Pozuzo, dass die Enteignung im Zuge der Bodenreform auch sie treffen könnte. So wurden Landteile verkauft, und dies war auch ein Grund dafür, dass viele Familien nach Codo del Pozuzo weiterzogen, um dort neues Land zu erwerben.83 Tatsächlich vertraten viele

81 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Juan_Velasco_Alvarado (08.01.2010). 82 Schabus (2010). 83 z.B. Don Alfredo Witting, vgl. Schabus (2010). 41

Peruaner in der Zeit Velascos kommunistische Ideen, vor allem waren viele linientreue Lehrer der Meinung, ein Land gehöre denen, die es bearbeiten.84

Was die Sprache betrifft, war es so, dass sich bei den Pozucinern, vor allem bei der jüngeren Generation, eine Art innerer Selbstzensur vollzog. Um nicht als „weiße Invasoren“ zu gelten, wurde das Tirolés aus Angst vor einer möglichen Enteignung weniger verwendet. Obwohl bei meinen eigenen Befragungen die Zeit Velascos für den tirolischen Dialekt als nicht relevant bezeichnet wurde, hat sich damals wahrscheinlich dennoch eine Veränderung in den Köpfen der Menschen vollzogen. Denn im Gegensatz zu der Zeit während des 2. Weltkrieges, wo eigentlich keine konkreten behördlichen Kontrollen hinsichtlich des Sprachgebrauchs durchgeführt wurden, hatte der Druck unter Velasco weitreichende ideologische Auswirkungen auf die Pozuciner Bevölkerung.85

Denn wenn sich auch das damalige staatspolitische Motto „Peru den Peruanern“ mehr gegen die reichen Zuckerbarone an der Küste richtete und weniger gegen Siedlergruppen wie die der Pozuciner, die damals gerade erst mit der Umstellung von eher kleinen Mischkulturen auf mittelgroße Rinderzuchtbetriebe begonnen hatten, führte die dadurch losgetretene Ideologisierungsdynamik trotzdem zu einer zumindest potentiellen ethnosozialen Stigmatisierung der alles andere als reichen Tiroler Urwaldkolonisten, die dann als „weiße Invasoren“ und „Ausbeuter der indigenen Bevölkerung“ ihre Enteignung durch unkontrollierte Hofbesetzungen befürchten mussten.86

In diesem Sinne hat die Zeit unter der Regierung Velascos etwas im Bewusstsein der Menschen verändert und dadurch bei den Pozucinern wesentlich zur Vernachlässigung des Tirolés und damit zu einer gewissen Distanziertheit mit ihren österreichischen und deutschen Wurzeln geführt.87

84 Vgl. Schabus (2010). 85 Vgl. auch Schabus (1994), S. 225-226. 86 Schabus (1994), S. 225-226. 87 Allerdings betonte der zur damaligen Zeit amtierende Bürgermeister Pozuzos, Augustin Egg, in einem Gespräch am 06. Nov. 2008 in Palmira die guten Beziehungen zur Regierung Velascos und dementierte jegliche Animosität des Präsidenten gegenüber dem Pozuciner Deutschtum. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass es damals bei manchen Pozucinern aus Angst vor möglichen Attacken durch ideologisch indoktrinierte Landarbeiter zu der oben zitierten „inneren Selbstzensur“ kommen konnte. 42

4.3.4. Zuzug und Abwanderung

Wie bereits erwähnt, entwickelte sich Pozuzo im Verlauf der Jahre zu einem attraktiven Zuwanderungsgebiet und unterliegt so seit etlichen Jahren erheblichen demographischen Veränderungsprozessen. Steinicke und Neuburger zufolge steht der Bedeutungsschwund des Tirolés unmittelbar mit dem Bevölkerungswachstum von Pozuzo in Zusammenhang. Von Beginn der Kolonie an war Pozuzo und seine unmittelbare Umgebung ein Zuwanderungsgebiet der indigenen Bevölkerung. Die Anzahl der sich ansiedelnden Indígenas unterlag zwar immer starken Schwankungen, doch spätestens nach der Gründung der Tochtersiedlung Villa Rica gegen Ende der 1920er Jahre, an der viele abwandernde Pozuciner beteiligt waren, überstieg diese Zahl in Pozuzo bereits die Anzahl der Deutschstämmigen. Ab Mitte der 1960er Jahre erlebte die Siedlung einen immer größeren Zuwachs von außen.88

Bis Mitte der 1960er Jahre blieb die Bevölkerungsanzahl unter 2.000. Die Umstellung auf eine intensive Viehwirtschaft, aber auch Intensivierungen im Kaffeeanbau sowie die mit dem plötzlichen Ansteigen des Cocapreises verbundene Ausweitung der Cocaproduktion verbreiterten die wirtschaftliche Basis, mit der verstärkte Zuzüge aus der nahen und weiteren Umgebung einsetzten.89

Hinzu kam die Fertigstellung der Verbindungsstraße nach Oxapampa im Jahre 1976. Die verkehrsgeografische Isolation war damit stark gemildert und die Absatzmöglichkeiten erweiterten sich maßgeblich; Pozuzo avancierte zu einem wirtschaftlichen Aktivraum.90

Zu einem Einbruch dieses stetigen Bevölkerungszuwachses kam es, als Pozuzo in den späten 1980er Jahren mehrere Male von Mitgliedern des Sendero Luminoso heimgesucht wurde.91 Nicht nur wanderten viele Pozucinos in dieser Zeit von Pozuzo ab, auch insgesamt beschleunigten die von den Senderos begangenen Terrorakte die Land-Stadt-Wanderung in Peru.

88 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 13-14. 89 Steinicke / Neuburger (2009), S. 14. 90 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 15. 91 Der Sendero Luminoso, zu Deutsch „Leuchtender Pfad“ war eine als „marxistisch- maoistisch“ bezeichnete Untergrundbewegung unter Abimael Guzmán, die von den 1980er Jahren bis 1992 weite Teile Perus gewaltsam kontrollierte. Zu genauen Informationen über den Sendero Luminoso und seinen Einfluss auf Pozuzo s. Schabus (2010). 43

Generell geht das Bevölkerungswachstum von Pozuzo auf den Zuwanderungsüberschuss, aber auch auf den Geburtenanstieg zurück. Ersterer spielt aber seit der Fertigstellung der Straße durch den wachsenden Zuzug die größere Rolle. Als sich mit der Zerschlagung der Guerilla- Bewegung durch die Gefangennahme von deren Anführer, Abimael Guzmán, im September 1992 die Situation langsam wieder beruhigte, kehrten auch einige der vormals geflohenen Pozuciner wieder in die Siedlung zurück.92

Folgt man Steinicke und Neuburger, erfuhr Pozuzo zwischen 1997 und 2007 einen überaus hohen Bevölkerungszuwachs, der sich weder mit der Rückkehr der Einwohner aus den Städten, noch mit dem Geburtenüberschuss erklären lässt. Sie bringen dies mit der Entwicklung des neuen Wirtschaftszweiges des Tourismus in Verbindung (vgl. Kap. 1.4.2.).

Die hier grob gezeichneten Bevölkerungsveränderungen von Pozuzo, besonders in Form von Zuwanderungen, führten dazu, dass die ohnehin schon sehr wenigen Bewohner mit dialektaler Umgangssprache ständig weiter minorisiert wurden und werden. Doch nicht nur die Neuansiedlung von außen ist im Migrationskontext von Pozuzo relevant. Seit einigen Jahren ist eine steigende Abwanderung junger Menschen aus Pozuzo in größere Städte wie Huancayo und vor allem Lima zu beobachten. Diese Entwicklung steht im Wesentlichen mit der zu geringen Zahl an Ausbildungseinrichtungen und Arbeitsplätzen im Distrikt Pozuzo in Verbindung. (Siehe auch Kap. 1.4.4.1.1). Einmal abgewandert, kehren die meisten jungen Leute auch nach abgeschlossener Ausbildung nicht mehr nach Pozuzo zurück.

Allerdings bedeutet das Verlassen von Pozuzo für alle Deutschstämmigen die definitive Assimilation, es sei denn, es wird ein Studium der deutschen Sprache in Lima angestrebt. Gleichzeitig bauen die Zuzügler das Castellano und Qechua [sic!] in Pozuzo weiter aus, was zu einer immer stärkeren Minorisierung der letzten Deutschsprachigen führt. Im knapp 900 Einwohner zählenden Pozuzo-Centro, dem Hauptzielgebiet der neuen Zuwanderungen, lassen sich heute nur mehr elf Familien ausmachen, in denen die Alten noch Tirolerisch sprechen. Das letzte Refugium des Tiroler Dialekts bilden noch einige Caseríos93.94

92 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 15-16. 93 Caserío = Aussiedlerhof, Weiler. 94 Steinicke / Neuburger (2009), S. 16. 44

4.3.5. Sprachräumliche Heiratsbeziehungen

In der Bevölkerungsstatistik des Pfarrers Egg vom Mai 1860 scheinen fast nur deutsche Familiennamen auf, also die Namen der Einwanderer, wie zum Beispiel Stadler, Walser, Rofner, Feierabend, Randolf, Heidinger, Witting oder Gstir. Doch schon bald werden in Pozuzo auch Namen wie Ballesteros, Zevallos, Saldani oder Andaluz heimisch, deren Träger bis heute zu den prominentesten Familien Pozuzos gehören.95

Wie in den vorhergehenden Kapiteln bereits dargelegt wurde, beschränkt sich heute die Verwendung des Tirolés fast gänzlich auf einige Vertreter der älteren Generation und wird als Umgangssprache von den jungen Pozucinern - bis auf sehr wenige Ausnahmen - nicht mehr gebraucht und auch kaum mehr verstanden. Diese Assimilation der Pozuciner an das Spanische, die man wohl als endgültig betrachten kann, begründet sich sehr stark in der sprachlichen und räumlichen Herkunft der Erziehenden, also in den meisten Fällen der Eltern. Die Gründe für diese Entwicklung, dass also selbst von Dialekt sprechenden Elternteilen keinerlei Kenntnisse an die Kinder weitergegeben wurden, liegen einerseits in den in den vorhergehenden Kapiteln besprochenen Entwicklungen begründet, andererseits sind sie auch mit den sprachräumlichen Heiratsbeziehungen verknüpft.

Durch die Enge der möglichen Heiratskreise vermischten sich bereits in den Anfängen der Siedlung die vorerst doch distanzierten Tiroler und Rheinländer bald untereinander (siehe dazu Kap. 4.1.). Und selbst Hochzeiten mit den zugewanderten Indígenas erfolgten vereinzelt bereits im 19. Jahrhundert.96 Dennoch herrschten bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts Heiraten innerhalb der Gruppe der Kolonisten vor, ab Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Verbindungen zwischen Peruanern und Deutschstämmigen aber allmählich an.97

Obwohl auch zu beobachten ist, dass in vielen Familien, in denen beide Elternteile Dialektkenntnisse aufweisen, mit den Kindern zumindest zu einem Teil auf Tirolés kommuniziert wurde, ist dies bei Familien, in denen lediglich

95 Schabus (2010). 96 Vgl. Schabus (2010). 97 Vgl. Steinicke /Neuburger (2009), S. 16-17. 45 ein Elternteil Tirolés spricht, beinahe zur Gänze unüblich. Oftmals war der spanischsprachige Elternteil dagegen, dass der jeweilige andere mit den Kindern im Dialekt kommuniziert, weil er sich dadurch ausgeschlossen gefühlt hätte und an der mit dem Dialektgebrauch verbundenen eigenen Lebenswelt der Kinder nicht hätte teilhaben können. Aufgrund der Tatsache, dass bis vor wenigen Jahrzehnten eine Pozuciner Familie sehr viele Kinder hatte – zwölf oder mehr Kinder bildeten keine Ausnahme – kann man auch beobachten, dass in Familien, in denen beide Elternteile Tirolés sprechen, die ältesten Kinder noch mit dem Dialekt aufwuchsen, bei den jüngeren aber bereits auf die Weitergabe des Tirolés verzichtet wurde. Vielfach können diese den Dialekt aber noch verstehen, und so ist auch nicht selten zu beobachten, wie Eltern im Dialekt mit ihnen sprechen und die Nachkommen auf Spanisch antworten.

Neben all den besprochenen Gründen für den Verlust des deutschen Dialekts in Pozuzo ist der Aspekt der Heiratsbeziehungen ein wesentlicher. Steinicke und Neuburger sehen gar sprachlich gemischte Ehen in Minderheitenregionen als Hauptträger des Verschmelzungsprozesses mit der Majorität, wodurch sich im Falle Pozuzos die Minorisierung der Deutschsprachigen in der Bevölkerung nicht nur durch Zuzug und Abwanderung, sondern auch durch das Heiratsverhalten erklären lässt. „Die Assimilation des Tiroler Dialekts an das ‚Castellano‘ ist daher nahezu abgeschlossen.“98 (vgl. auch hierzu Kap. 8)

98 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 5 u. 18. 46

5. Der pozuzo-tirolische Dialekt (Tirolés) heute

Auch wenn sich – in Bezug auf die im vorhergehenden Kapitel erläuterten Entwicklungen – die Prognosen für das Weiterbestehen des Tirolés weitgehend pessimistisch ausnehmen, der pozuzo-tirolische Dialekt ist trotz allem bis heute lebendig. In Anbetracht der kleinen Gruppe von Siedlern und den Umständen, unter denen die Kolonie Pozuzo gegründet wurde, wäre grundsätzlich anzunehmen, dass die Assimilierung an die Landessprache sogar sehr viel schneller vonstatten gehen hätte können, als es tatsächlich geschehen ist. Doch verschiedene Faktoren, wie Subsistenzwirtschaft, der späte Anschluss an die Außenwelt, auch das Heiratsverhalten und ebenso die Rolle des Schulunterrichts, haben zu einer retardierten Assimilation an die spanische Sprache geführt.

Eine Sprachinsel ist eine durch verhinderte oder verzögerte sprachkulturelle Assimilation entstandene Sprachgemeinschaft, die – als Sprachminderheit von ihrem Hauptgebiet getrennt – durch eine sprachlich/ethnisch differente Mehrheitsgesellschaft umschlossen und/oder überdacht wird, und die sich von der Kontaktgesellschaft durch eine die Sonderheit motivierende soziopsychische Disposition abgrenzt bzw. von ihr ausgegrenzt wird. […] Das Besondere, das die Sprachinselforschung aus den Problemkreisen der Sprachminderheiten bzw. Sprachkontaktforschung heraushebt, ist das Faktum, daß der erwartbare Assimilationsprozeß nicht oder nur sehr verzögert eintritt, so daß die Sprachkontaktkonstellation Dauer erhält.99

Wurden in Kapitel 4 vor allem die Gründe dargelegt, die für die Marginalisierung des Dialekts von Bedeutung sind, sollen nun die Faktoren, die für den Erhalt des Tirolés relevant und bedeutsam sind, seine Sprecher und deren Dialektgebrauch und –pflege, im Mittelpunkt stehen.

5.1. Welche Dialektvariante hat sich durchgesetzt?

Bei der Besiedlung der Kolonie Pozuzo im Jahre 1859 teilten sich die eingewanderten Tiroler und Rheinländer nach Herkunftsgebiet auf. Wie bereits bekannt, wählten die zahlenmäßig überlegenen Tiroler das Gebiet nördlich des als Grenzfluss erwählten Río Límite, die übrigen Rheinländer ließen sich also südlich dieser Grenze nieder. Trotz der räumlichen Trennung

99 Mattheier (1994), S. 334. 47 und des angespannten Verhältnisses zwischen den beiden Gruppen100 kam es – nicht zuletzt auch wegen der Mischehen (vgl. Kap. 3.3.5.) - rasch zu einer „Vermischung“101 ihrer Dialekte, wobei sich der Tirolische Dialekt fast gänzlich durchsetzen konnte. Obwohl man erwarten könnte, dass auch der alte Dialekt aus dem Rheinland gewisse Spuren im Sprachgebrauch der Pozuziner hinterlassen habe, hat das Pozuzotirolische das Rheinländische fast völlig verdrängt und es lässt sich kaum Sprachliches finden, das auf den Dialekt der Rheinländer verweisen würde.102

5.1.1. Gründe für die Dominanz des Tirolischen

Die Gründe für die Dominanz des Tiroler Dialekts, der die rheinischen Varietäten beinahe gänzlich verdrängte, sind zum größten Teil in den geschichtlichen Gegebenheiten der Kolonie zu finden. Die numerische Unterlegenheit der Rheinländer mit der hinzukommenden Tatsache einer vermutlich großen dialektalen Divergenz innerhalb dieser Gruppe103, ist wohl einer der Hauptgründe für die Verdrängung des Rheinländischen. Es waren auch vorwiegend Rheinländer, die sich in den – in Kapitel 4.3.1. besprochenen – neu gegründeten Tochtersiedlungen, vor allem 1891 in Oxapampa, niederließen, wodurch dieses Element in Pozuzo wiederum entscheidend geschwächt worden sein muss. Die bereits mehrere Male erwähnten „Mischehen“ zwischen Tirolern und Reinländern und nicht zuletzt die Person des Pfarrers Josef Egg dürften für die weiteren Entwicklungen bezüglich der Hegemonie des Tirolischen in Pozuzo ausschlaggebend gewesen sein. Wie aus der Siedlungsgeschichte hervorgeht, war Pfarrer Egg

100 Anfangs hatten beide Siedlungskerne eigene Verwaltungsbehörden, diese Trennung wurde aber bald aufgegeben. Trotz der raschen genealogischen Durchmischung, die es nicht mehr möglich macht, die Pozuciner in „Tiroler“ und „Rheinländer“ aufzuteilen, bleibt bis heute eine Rivalität zwischen dem „Zentrum“ und Prusia bestehen, die auf allen öffentlichen Ebenen erkennbar ist. Diese Trennung erfolgt nicht nach „Deutschen“ und „Tirolern“, Idee hinter den Streitereien ist der Stolz, einer sei besser als der andere. In Prusia gibt es oft reichere Bauern und es geht um politische Entscheidungsmacht. Interview mit Augustín Egg am 06.11.2008. 101 Von einer Vermischung im eigentlichen Sinne kann nicht die Rede sein, da der Tiroler Dialekt den Rheinländischen verdrängte. 102 Genauere sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu diesen Entwicklungen s. Schabus (1990) u. Schabus (1994). 103 „Die Rheinländer müssen auf Grund ihrer weit auseinanderliegenden Herkunftsgebiete sprachlich eine inhomogene Gruppe gebildet haben, während bei den Tirolern eine größere Einheitlichkeit anzunehmen ist.“ Schabus (1994), S. 235. 48 die Schlüsselfigur des Kolonisierungsprojekts. Aus seinem engeren Wirkungsgebiet in Tirol folgten ihm ganze Familien, die bei den Strapazen der Reise wohl am ehesten bei der Gruppe geblieben waren, sodass sich daraus die tonangebende Gemeinschaft in Pozuzo entwickeln konnte.104

5.2. Tirolés

[…] erstreckt sich doch das Herkunftsgebiet derjenigen, die 1857 die Reise nach Peru antraten, vom westlichsten Tirol um Pfunds, Landeck und Zams über Polling, Haiming, Silz, Obsteig, Seefeld und der Leutasch im Oberinngebiet, den Orten Schmirn, Trins, Matrei und Navis in der Wipptal-Gegend am Brennerpaß, über Innsbruck, Wattens weit ins Unterinngebiet bis nach Rattenberg, Wörgl und Häring in der Nähe von Kufstein; auch aus Bruck und Schwendberg im Zillertal sowie aus Enneberg im Gadertal in Südtirol sind Personen ausgewandert.105

Obwohl also das Herkunftsgebiet der ausgewanderten Tiroler sich über ganz Tirol, Teile Südtirols und auch über das mittelbairisch geprägte Unterinngebiet erstreckt, ist das heutige Tirolés in Pozuzo südbairisch- tirolisch geprägt und verweist mit wichtigen Merkmalen eindeutig auf den Oberinntaler Raum. Es dominieren die Strukturelemente des Dialekts der Gemeinden Silz und Haiming im oberen Inntal.106 Einige Lautungen des Pozuziner Dialekts zeigen zwar durchaus alemannische Lautverhältnisse, etwa kxo:ufn für „kaufen“, glo:ubm für „glauben“ oder so:um für „Saum“, die aber weit ins westliche Tirol hineinreichen und das Herkunftsgebiet somit auf Westtirol eingrenzen. Ein Ausgleich zugunsten dieser alemannischen Lautungen ist in Pozuzo allerdings nicht ausnahmslos vollzogen: umgelautete Formen weisen ein –e:i- auf, z.B. re:ihn für „etwas anräuchern“ bzw. „eine Zigarette rauchen“, daher müsste das von so:um „Saum“ abgeleitete Faktitivum *se:imәn bzw. bei Umlauthinderung *so:umәn heißen, in Pozuzo sagt man allerdings á:insa:mәn.107 Auf morphologischer Ebene besteht hingegen ein vollständiger Ausgleich, was die Infinitivendungen betrifft. So ist in Pozuzo wie im größten Teil Tirols bis zu einer Grenze knapp westlich von Silz und Haiming die Erhaltung des –n gebräuchlich, wie bei kxōufn, tōufn oder mǫxn. Somit lässt sich das Herkunftsgebiet auf das westliche Tirol östlich dieser beiden Orte weiter eingrenzen. Ebenso wie in

104 Vgl. Schabus (1994), S. 235-239. 105 Wencelides (1986) zit. nach Schabus (1990), S. 223. 106 Vgl. Schabus (1996), S. 11. 107 Schabus (1994), S. 237. 49 diesem Gebiet ist „-en“ auch in Pozuzo als Verbal- oder Substantivendung außerdem nach Wortwurzeln, die auf –m, -n oder –l enden, voll erhalten, z.B. ro:unәn „Ranen“ (rote Rüben), mǫ:lәn „mahlen“ und tra:mәn „träumen“. Auch ist laut Schabus vor allem die Form der alten jan-Verba vom Typ mhd. mӕjen „mähen“ ein sehr eindeutiger Verweis auf das Herkunftsgebiet. In Pozuzo haben diese Verben eine sozusagen „zusätzliche“ volle Infinitvendung, lauten also mānәn „mähen“, kxrānәn „krähen“ und sānәn „säen“, und genau diese Formen gibt es auch in Silz und Haiming.108 Diese beiden Orte bilden geradezu eine Insel mit mānәn innerhalb des Westtiroler mān-Gebiets. Die Gründe für diese Entwicklung und den ausgebliebenen Ausgleich nicht nur zwischen dem Tiroler und dem Rheinländer Dialekt, sondern auch zwischen den verschiedenen Tiroler Mundarten liegen wiederum in der Besiedlungsgeschichte Pozuzos und in der Schlüsselfigur des Pfarrers Egg, vormals Kaplan von Silz, begründet.

Ungeachtet des intensiven Kontakts des tirolischen Dialekts mit der peruanischen Landessprache (vgl. Kap. 5.3.), konnte sich das Tirolés dennoch in vielerlei Hinsicht eine hohe Eigenständigkeit bewahren. So zeichnet es sich heute durch viele spanische Interferenzen aus, konnte aber auch umgekehrt fremde Elemente in ihr deutsch-dialektales Laut- und Morphemsystem integrieren. Am häufigsten finden sich lexikale Interferenzen nach dem Muster von malogogrírn, wobei an die spanischen Verbwurzeln die deutsche Endung „-ieren“ angefügt wird:

malogrírn – span. malograr – ruinieren aprochvechírn – span. aprovechar – ausnutzen colabrírn – span. colaborar – zusammenarbeiten garantisírn – span. garantizar – versprechen, garantieren grabírn – span. grabar – (mit Tonband) aufnehmen intendírn – span. intentar – versuchen mezclírn – span. mezclar – mixen praktikírn – span. practicar – üben recomendírn – span. recomendar – empfehlen

108 Schabus (1990), S. 224-225 sowie Karte 4. 50

Ähnliche Bildungsmuster finden sich auch bei Substantiven, etwa „Der hat zu viel Sobraderheit“ (span. sobrado/-a, dt. übermäßig viel) für „Der besitzt zu viel Stolz“.

5.3. Spanisch

Obwohl viele Nachkommen der Einwanderer sich immer noch als die „Kolonischtn“ sehen und sich von den „Hiesigen“ bzw. den „Hieslern“, den „Tscholen“, „Schwarzen“, „Blauen“ usw. abgrenzen, scheint es auch bei ethnisch bewußten Siedlern keine Abgrenzung gegen die spanische Landessprache zu geben, in der man offenbar ein der eigenen Herkunft gemäßes europäisches Element sieht.109

In Pozuzo ist das heutige Medium aller schriftlichen und öffentlich- mündlichen Kommunikation beinahe ausschließlich die spanische Sprache. So sind auch spanische Interferenzen im Tirolés häufig zu finden. Die Pozuciner Dialektsprecher nehmen die spanische Sprache je nach Bedarf in ihre Rede auf, die dialektale Rede ist von spanischen Ausdrücken durchsetzt, wohingegen deutsche Ausdrücke in der spanischen Rede so gut wie nicht vorkommen. Dies veranschaulicht ein weiteres Mal, wie sehr die spanische Sprache auch bei den Dialektsprechern von Pozuzo bereits manifest ist.

5.3.1. Spanische Interferenzen

[…] Als gemeinsamer und für alle Sprachinseln gültiger Faktor, der die Sprachentwicklung von außen bewirkt, kann die Kontaktsprache oder die Sprache der Umgebung betrachtet werden. Das ist in der Regel die den Inseldialekt überdachende sprachliche Varietät […]. Der Sprachkontakt zur überdachenden Fremdsprache ruft in den Sprachinseldialekten verschiedene Sprachkontakterscheinungen hervor und kann letztlich zu einer Mischvarietät zwischen dem Inseldialekt und der überdachenden Fremdsprache führen […]. Diese infolge des Sprachkontakts entstandene Mischvarietät kann als letzte Vorstufe zum Sprachwechsel, d.h. zur Aufgabe des Sprachinseldialekts zugunsten der überdachenden Fremdsprache, betrachtet werden. […] Der Kontakt mit einer fremden Sprache ist also ein störender Faktor für die Existenz der Sprachinseldialekte.110

Bezeichnend für den Umgang mit der spanischen Sprache in Pozuzo ist die Tatsache, dass es im pozuzo-tirolischen Dialekt anscheinend schon seit

109 Schabus (1994), S. 228. 110 Berend (1994), S. 319. 51

Jahrzehnten keine Lehnübersetzungen und Lehnschöpfungen111 mehr gibt.112 Besonders seit der Fertigstellung der Straße nach Oxapampa drangen immer neue Wörter in die Kolonie, die etwa die steigende Technisierung oder wirtschaftliche Aspekte betreffen. Da die Pozuciner für neue Dinge dieser Art keinerlei entsprechende Wörter im Tirolés kennen können, werden deren spanische Ausdrücke in den Wortschatz des Dialektsprechers übernommen. Da heute alle Dialektsprecher das Spanische beherrschen, kommt es bei diesen Übernahmen auch zu keiner lautlichen Integration in den Dialekt mehr. Dies gilt für modernen Domänen, etwa: „Do hots kua microonda gebm“ („Da gab es noch keine Mikrowelle“); Vacunas (Impfungen); „so viel ruidos“ („so viel Lärm“); „In da television hob i des gheat.“ („Das habe ich im Fernsehen gehört.“). Somit beschränkte sich der dialektale Wortschatz in der Kolonie beschränkte sich bald auf Alltägliches und entwickelte sich, da eine Überdachung durch die deutsche Standardsprache fehlte, auch nicht mehr weiter. Diese Entwicklung, also die Übernahme von fremdem Wortgut für alles bisher nicht Gekannte, begann aber natürlich bereits bei Ankunft der ersten Siedler in Pozuzo und in manchen Fällen wohl schon bei den Vorbereitungen zur Auswanderung:

Das beginnt bei der Währung des Gastlandes und anderen Verkehrswörtern für die landesüblichen Maße, Gewichte, öffentlichen Einrichtungen und setzt sich fort mit der Übernahme von Benennungen von bisher nicht gekannten Tieren und Pflanzen oder von indianischen Hydronymen und Flurnamen wie zB. Huacamayo (quechua „Papageiengegend“) oder Yanahuanca (qu. „Schwarzer Felsendämon“).113

Andererseits haben Dinge, die in der neuen Heimat nicht vorkamen, die in der alten Heimat aber sehr wohl bekannt waren, bis heute ebenfalls ihren deutschen Namen verloren.114

Der Dialekt, den die Pozuciner heute verwenden, ist voll von spanischen Interferenzen auf allen Ebenen. Gleichwohl sind einige charakteristische Elemente des Tirolischen aber auch in die spanische Sprache der Dialektsprecher eingedrungen (vgl. Kap. 5.3.). Aufgrund der Tatsache, dass

111 Lehnübersetzung: das spanische Wort wird direkt ins Deutsche übertragen. Lehnschöpfung: Schaffung einer neuen deutschen Bezeichnung ohne formale Nachbildung der spanischen Form. 112 Vgl. Oberkofler (1976/77), S. 69-70. 113 Schabus (1996), S. 13. 114 z.B. Apfel, Eis, Schnee. Vgl. Oberkofler (1976/77), S. 71-72. 52 der Tiroler Dialekt naturgemäß vor allem mündlich an die Nachkommen weitergereicht wurde, kaum jemand in Pozuzo je eine deutsche Grammatik gelernt hat und auch nur sehr wenige Pozuciner Deutsch lesen und schreiben können und Tirolés nicht von der deutschen Standardsprache überdacht wird, haben sich im Laufe der Jahre auf allen Strukturebenen des Dialekts kontaktbedingte Veränderungen ergeben. So hat sich durch den Einfluss des Spanischen auch der Satzbau verändert: „Sie hom aufgeschnieten in Tabak auf die bloßen Knie“ („Sie haben den Tabak auf den bloßen Knien aufgeschnitten“)115, „Wenn du a Horn willscht hom, gehst dorthin“ (Wenn du ein Horn aufgesetzt bekommen willst, gehst du dorthin“116) oder „homs glaubt muas i varreckn“ („Sie haben gedacht, ich muss sterben“).

Oftmals werden bei bestimmten Verben Übersetzungsäquivalente der spanischen Sprache verwendet, etwa bei den Verben „sein“ und „haben“, z.B. „Ich habe 60 Jahre“ (span. „Tengo 60 años“) oder aber es passiert ein semantischer Transfer und lexikalische Bedeutungen aus dem Spanischen werden auf deutsche Wörter übertragen: „Als ich in die Schule kam, wusste ich kein Spanisch.“ (span. „saber español“), „(Durch eine Flugzeugverspätung) musstn mia zwoa Stunden verlírn“ (span. perder – versäumen, verlieren, vergeuden, verpassen), „Pillen trinken“ (span. tomar pastillas). Manchmal werden bei bestimmten Verben Übersetzungäquivalente spanischer Präpositionen verwendet, z.B. „Er hat mit einer Tante von uns geheiratet.“ (span. „casarse con alguien“). Neben der in der dialektalen Rede sehr häufigen Verwendung der als Diskursmarker117 gebrauchten Wörter „si“ und „no“ (dt. „ja“ und „nein“, auch im Sinne von „nicht wahr?“) und auch „ya“ (dt. „schon“)118 werden von den Dialektsprechern in

115 Zit. nach: Oberkofler (1976/77), S. 74. 116 Eine Frau setzt Männern durch Untreue „Hörner“ auf. 117 Wörter, die das Gespräch steuern und keine eigentliche semantische Bedeutung haben, z.B. dt. also. Riehl (2009), S. 93. 118 „Partikeln, die als Gesprächswörter dienen, werden umso eher entlehnt, je weniger durchsichtig ihre lexikalische Bedeutung ist und je mehr gestenhaften Charakter sie haben. Bei Sprachgemeinschaften, die einen intensiven Kontakt zur Zweitsprache haben, wie das bei fast allen Sprachinseln der Fall ist, durchziehen entlehnte Diskursmarker den ganzen Text und bilden eine ganz typische Textstruktur.“ Riehl (2009), S. 93. 53

Pozuzo auch häufig spanische Wörter in den dialektalen Satz aufgenommen, etwa „Er geht zum baño“ („Er geht ins Bad/zur Toilette“).119

Eine auffallende syntaktische Interferenz ist der Gebrauch des Dativs von Personalpronomen, zum Beispiel „i sik dir“ („ich sehe dich“), was dem spanischen Zusammenfall von Akkusativ und Dativ der Person entspricht, etwa „escribo a ti“ („ich schreibe dir“), „veo a ti“ („ich sehe dich“).120

Obwohl die jüngere Generation in Pozuzo heute bis auf ganz wenige Ausnahmen kein Tirolés mehr spricht und es nur von den wenigsten Mitgliedern dieser Generation verstanden wird, hat sich der Dialekt bei den Jungen zumindest in Rudimenten erhalten. Diese Kenntnisse der deutschen Sprache haben zwar keinerlei Alltagstauglichkeit und ermöglichen keinen kommunikativen Austausch, dennoch kann man beim Tirolés weiterhin von einem lebendigen Sprachinseldialekt sprechen, der auch mit dem allmählichen Verschwinden seiner aktiven Sprecher vorerst noch von seinem völligen Erlöschen („Sprachtod“) verschont bleibt (siehe auch Kap.8), obwohl auch bei guten Dialektsprechern selbst auf der lautlichen Ebene eine Entwicklung zu beobachten ist, die zu einem „dem deutschen und dem spanischen System gemeinsamen Lautinventar“ führen könnte121. Einige dialektale Wörter, die auch von den jüngeren Pozucinern, die sonst keinerlei Dialektkenntnisse besitzen, verwendet werden, sind etwa „Nala“ und „Nene“ („Oma“ und „Opa“), „Touta“ und „Täita“ („Taufpatin“ und „Taufpate“) oder auch „Låpp“ (für „beschränkter Mensch, Depp, Trottel“).

5.4. Gründe für den langzeitigen Erhalt des Dialekts

Wie bereits erwähnt, wäre in einer Sprachinselsituation grundsätzlich auch eine rasche Assimilierung der Bewohner an die umgebende Mehrheitssprache denkbar. Die Faktoren, die eine solche Assimilation in Pozuzo tatsächlich beschleunigt haben, wurden bereits in Kapitel 4

119 S. hierzu das Kapitel „Von einer Sprache in die andere wechseln: Code-Switching“ in: Riehl (2009), S. 20-32. 120 Vgl. Schabus (1990), S. 222. 121 Schabus (1990), S. 222. 54 ausführlich besprochen. Gleichzeitig fand aber auch eine Verzögerung der Anpassung statt, die wiederum in unterschiedlichen Faktoren begründet liegt.

Ein wesentlicher Grund für den Erhalt des Tirolés bis zum heutigen Tag ist die isolierte geografische Lage Pozuzos. Dadurch konnte der Dialekt trotz baldigem Kontakt zur peruanischen Bevölkerung und verschiedenen Verboten die deutsche Sprache betreffend über die Jahre hinweg erhalten bleiben.

Doch müssen viele andere Aspekte ebenso Beachtung finden. Die Bemühungen von verschiedenen Personen, das Tirolés nicht in Vergessenheit geraten zu lassen bzw. deren Weigerung, ausschließlich nur in der spanischen Sprache zu kommunizieren, hat natürlich ebenso seinen Teil zum Erhalt des Dialekts beigetragen. Im Folgenden sollen nun der Dialektgebrauch in Pozuzo, die Dialektpflege seitens seiner Sprecher und sozialkompetenzbedingte Netzwerke untersucht werden, die für die Bewahrung des Tirolés ebenfalls eine Rolle spielen.

5.4.1. Dialekt und Dialektpflege

Kommt man als deutschsprechende Person nach Pozuzo, erscheinen einem der Dialekt und die deutsche Sprache beinahe als allgegenwärtig im Dorf. Man kann immer jemanden finden, der gerne und auch mit Begeisterung im tirolischen Dialekt mit einem spricht. Und nicht nur das, selbst Deutsch als Hochsprache wird von manch einem Pozuciner zumindest teilweise beherrscht und gesprochen. Doch variieren der Gebrauch des Dialekts und der Wille zur eigenen Dialektpflege sehr stark unter den Personen, die in Pozuzo zu den Dialektsprechern zählen. Hat man als Besucher in Pozuzo Spanischkenntnisse, kann man leicht beobachten, dass einige Pozuciner hauptsächlich Tirolés als Umgangssprache benutzen und auch bevorzugen, bei anderen wiederum entsteht der Eindruck, sie benutzen ihre Dialektkenntnisse äußerst ungern und wirken beinahe dankbar, wenn sie sich mit ihrem Gegenüber auch auf Spanisch unterhalten können. Dies hängt sicherlich zu einem hohen Grad mit den tatsächlichen Dialektkenntnissen

55 und der Sprachsicherheit der einzelnen Personen zusammen. Tatsächlich ist die Bevorzugung der spanischen Sprache vermehrt bei Vertretern der jüngeren Generation zu beobachten. Darüberhinaus ist wohl auch die Einstellung zur Sprache der Ahnen, zu Gebräuchen und Traditionen der Tiroler Kultur ausschlaggebend. Obwohl prinzipiell ein hoher Identifizierungsgrad mit den nach außen getragenen Werten besteht und die Mehrheit der Pozuciner dem Erhalt der alten Gebräuche positiv gegenüber steht, kann man in manchen Situationen und Kommentaren doch auch skeptische Einstellungen dazu ausmachen.

Neben diesen aktiven Bestrebungen einzelner Pozuciner zum Dialog mit dialektsprechenden Personen von außen, findet man die bereits erwähnten wöchentlichen Zusammentreffen nach der sonntäglichen Messe. In den letzten Jahren wurde auch mehrmals der Versuch unternommen, geplante Treffen nach der Kirche zu organisieren, bei denen ausschließlich im Tirolés miteinander kommuniziert werden sollte. Leider scheiterten diese Versuche hauptsächlich an alten Verfeindungen verschiedener Familien untereinander, und die so gewollte verstärkte Wiederbelebung des Dialekts konnte nicht in gewünschter Weise umgesetzt werden.

Ein weiterer Punkt, der nicht unwesentlich ist in der Auseinandersetzung mit Dialektpflege und der Einstellung der Pozuciner zum Dialekt im Allgemeinen ist die Beobachtung, dass viele Pozuciner, die laut eigenen Angaben das Deutsche nicht beherrschen, dieses sehr wohl sprechen könnten. Neben der mangelnden Praxis, die natürlich ein wichtiges Element für die Sprachkompetenz darstellt, ist es offensichtlich ein gewisses Schamgefühl, das die Menschen am Gebrauch des Deutschen hindert. Hinzu kommt, dass viele der älteren Gewährspersonen während der Befragungen Tränen in den Augen hatten, besonders wenn es um den Gebrauch des Dialekts ging. Dies ließe darauf schließen, dass die Menschen im Laufe der Zeit eine Art Trauma erlitten haben, Angaben vieler Personen zufolge scheinen Hänseleien und Verspottungen den Dialektsprechern gegenüber überaus häufig vorgekommen zu sein. Erst in den letzten Jahrzehnten ist es über die Dorf- und Landesgrenzen hinaus zu einer umfassenden Kenntnis Pozuzos und

56 seiner Bewohner gekommen und, einhergehend mit dieser Entwicklung, zu einer positiven Neubewertung alter Traditionen und Gebräuche, einschließlich der dialektalen Sprache.

5.4.2. Sprachkompetenzbedingte soziale Netzwerke

Solche Gruppierungen, die durch Interaktion nach geteiltem Normensystem zusammengehalten werden, sind die sogenannten sozialen Netzwerke, die somit die Bausteine der Sprachgemeinschaften bilden. Ein soziales Netzwerk bildet innerhalb einer Sprachgemeinschaft den Kreis von Sprechern, der durch immer wiederkehrende geregelte Interaktionsbeziehungen miteinander verbunden ist. […] Der einzelne Sprecher ist in seiner sozialen Positionierung durch das Spektrum von Netzwerken festgelegt, in die er verstrickt ist.122

In einer jeden Gemeinschaft bestehen bestimmte soziale Netzwerke. In einem mehrsprachigen Umfeld gibt es folgerichtig auch solche Netzwerke, die weitgehend vom sprachlichen Aspekt oder der Sprachkompetenz abhängig sind bzw. sich dadurch definieren. In Pozuzo ist dies einmal das Netzwerk der von den Kolonisten abstammenden Personen und Familien. Da dieses Netzwerk im Laufe der Jahre kleiner und kleiner wurde, ist es durchaus überschaubar und die Menschen der einzelnen Familien kennen sich in der Regel überaus gut bzw. sind meist auch durch engere oder entferntere Verwandtschaftsverhältnisse miteinander verbunden. Dass die Menschen prinzipiell dazu tendieren, hauptsächlich in denjenigen Kreisen der von den Kolonisten abstammenden Familien zu bleiben, lässt sich sehr gut bei den Gruppenbildungen der Jugendlichen beobachten, die sich in der Regel nach diesen Herkunftskriterien bilden und gesellschaftlich definieren. Allerdings gibt es aber auch immer wieder Streitigkeiten innerhalb von Groß- und auch Kleinfamilien, die nicht nur für die Gemeinschaft, sondern auch für den Zustand der Sprache ein Problem darstellen können.123

Für Pozuzo von großer Bedeutung ist natürlich der Kontakt mit Deutschland und Österreich. Vor allem der ständige Kontakt mit Institutionen, die Pozuzo immer wieder in verschiedener Weise unterstützen, ist für die Kolonie von hohem Wert. Hierbei sind es einzelne Familien, wie etwa Egg, Gstir oder

122 Mattheier (1994), S. 340-341. 123 Interview mit Egg, Augustin in Palmira am 06.11.2008. 57

Randolf, die seit vielen Jahren im ständigen Austausch und Kontakt mit Tirol waren und sind.124

Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass in vielen Fällen nur gewisse Familien und deren Angehörige von den Kontakten nach außen profitieren. So wurde es beispielsweise mehreren Personen möglich gemacht, nach Tirol zu reisen und dort längere Aufenthalte zu verbringen. Gleichsam besteht auch in Pozuzo selbst vermehrter Kontakt von Personen bestimmter Pozuciner Familien zu Besuchern aus Europa. Dies hat auch Auswirkungen auf die Sprache und den tirolischen Dialekt. Der Dialekt von Personen aus Pozuzo, die häufig mit Touristen und Besuchern zu tun haben, unterscheidet sich teilweise doch recht deutlich vom Dialekt der Personen, die – meist auch auf Höfen außerhalb des Zentrums lebend – kaum bis gar keinen sprachlichen Kontakt zu Dialektsprechern außerhalb der Kolonie haben. Dabei sind der Lernwille und das Interesse an der Sprache von ausschlaggebender Bedeutung. Nicht nur, dass durch den Kontakt mit Besuchern der Wortschatz nahezu automatisch erweitert wird, sehr oft bekunden Pozuciner ihr Interesse an der Sprache des Anderen auch durch Fragen nach Aussprache und Bedeutung eines bestimmten Wortes im Dialekt des fremden Gegenübers. Manche Personen sind auch bemüht, Deutsch als Hochsprache zu erlernen und einige haben sich selbst erfolgreich Lesen und Schreiben beigebracht.125 Prinzipiell ist in Pozuzo wenig standardsprachliche Kompetenz vorhanden, da Deutsch als Hochsprache nur von wenigen Personen in Lima, meist am Goethe-Institut, erlernt wird. Personen, die nur mit Tirolés aufgewachsen sind, haben in der Schule nur Spanisch gelernt und können somit in der Regel weder Deutsch lesen noch schreiben.

124 Interview mit Schuler, Franz Josef in Pozuzo Centro am 04.11.2008. 125 Dies wurde oftmals durch Briefkontakte mit nach Österreich oder Deutschland ausgewanderten Familienangehörigen initiiert. Interview mit Solleder de Aumer, Eva in Pozuzo Centro am 20.10.2008 und Gstir Schmidt, Rosina in Prusia am 03.10.2008. 58

5.4.3. Die Einstellung zu solchen Netzwerken bei nicht aus der europäischen Linie abstammenden Pozucinern

Obwohl selbstverständlich Kontakt zwischen allen Bevölkerungsgruppen in Pozuzo besteht, können doch sehr klare Kontaktbeziehungen zwischen den einzelnen Gruppen ausgemacht werden. Wie bereits erwähnt, merkt man beispielsweise bei den sozialen Kontakten zwischen Jugendlichen, dass doch eine Tendenz zu herkunftsbezogenen Verhältnissen vorherrscht. Und so war es auch bei meinem Aufenthalt in Pozuzo derart, dass fast ausschließlich Kontakt zu den aus der europäischen Linie abstammenden Personen und Familien zustande kam.

Dass die Einstellung zu den in Kapitel 5.3.2. beschriebenen sozialen Netzwerken und somit auch zu Projekten, die von Österreich aus initiiert oder unterstützt werden, bei Pozucinern, die nicht von der Linie der Kolonisten abstammen, sich nicht immer positiv ausnimmt, kann anhand der Beziehungen auf Gemeindeebene dargestellt werden. Seit dem Jahr 2006 stellt die Gruppe der deutschstämmigen Einwohner Pozuzos nicht mehr den Bürgermeister. Aufgrund von Verfeindungen innerhalb der Familien und auch zwischen Pozuzo Centro und Prusia, stellten sich von den Familien, die noch als von den Kolonisten abstammend gelten, insgesamt drei verschiedene Kandidaten der Wahl zum Bürgermeister. Aufgrund der somit aufgesplitterten Wählerstimmen hinsichtlich der deutschstämmigen Pozuciner wurde schließlich der Peruaner Pedro Ubalde Polinar zum neuen Alcalde in Pozuzo gewählt. Nun wurden von Seiten der deutschstämmigen Pozuciner Stimmen laut, sie würden nicht entsprechend für ihre Leistungen in Pozuzo gewürdigt, würden als „Weiße“ und „Gringos“ herabgewürdigt und diskriminiert. Im Jahr 2007 gab es von österreichischer Seite eine Geldschenkung in beträchtlicher Höhe für das Krankenhaus. Allerdings wurde das Dokument von Seiten der Gemeinde nicht bestätigt und es soll geheißen haben, die Gringos sollten nur warten, es gäbe schließlich wichtigere Dinge zu tun.126 Und auch sonst scheint die Zusammenarbeit auf Gemeindeebene nicht immer reibungslos zu verlaufen. Dies alles hat wohl viel mit Macht und politischer Einflussnahme

126 Interview mit Egg, Augustin in Palmira am 06.11.2008. 59 zu tun, und die in Pozuzo immer größer werdende Gruppe von Einheimischen begrüßt nicht alles, was im Namen der Kolonisten für Pozuzo getan wird, vielleicht auch, weil sie nur am Rande oder gar nicht profitiert.

Neben derlei Problemen im sozialpolitischen Alltag Pozuzos konnte man sich allerdings vor einigen Jahren auf einen verpflichtenden Deutschunterricht für alle Schüler in Pozuzo einigen, worauf im nächsten Kapitel ausführlich eingegangen werden soll.

60

6. Deutschunterricht in Pozuzo

Der Deutschunterricht bzw. der Unterricht im tirolischen Dialekt in Pozuzo hat eigentlich eine lange Tradition. Selbst als im Zuge des 2. Weltkrieges alles Deutschtum in Peru verboten wurde, wurde von einer ansässigen Lehrerin auf privater Basis auch Deutsch unterrichtet. Im Laufe der Jahre allerdings ging die Anzahl der Schüler, die mit der Sprache der Auswanderer aufgewachsen waren, mehr und mehr zurück. Völlig verdrängt wurde die deutsche Sprache aus dem Alltag der Pozuciner aber nie. Wenn auch im Schulunterricht die spanische Sprache die Tiroler Mundart irgendwann völlig verdrängte, so wurden doch über Jahrzehnte hinweg die Traditionen der Ahnen hauptsächlich von ortsansässigen Lehrern und Geistlichen an die Kinder weitergereicht. Immer wieder wurde von verschiedenen Seiten versucht, die deutsche Sprache in Pozuzo aufrecht zu erhalten und neu zu beleben, sei es von Seiten der peruanischen Obrigkeit oder aber von Lehrern und Lehrerinnen, die in ihrer Freizeit kleine Lerngruppen von Freiwilligen und Interessierten unterrichteten127.

Ihren Höhepunkt fanden die Versuche zur Wiederbelebung der deutschen Sprache schließlich in einem Projekt des „Freundeskreises für Pozuzo“ mit Sitz in Tirol. Ab dem Jahr 1996 wurden österreichische Lehrkräfte für ein oder zwei Jahre nach Pozuzo geschickt, um vor Ort Deutsch zu unterrichten und österreichisches Kulturgut zu vermitteln. Diverse Probleme dieses Unternehmens, u.a. die mangelnde Koordination der Bemühungen der einzelnen Lehrenden, führten schließlich zur Umgestaltung des Konzepts. Ab dem Jahr 2002 sollten Lehrpersonen direkt aus Pozuzo ausgebildet werden, um Deutsch in den eigenen Schulen zu unterrichten. Seit dem Jahr 2005 ist der Deutschunterricht als Fremdsprache für alle Schüler in Pozuzo Centro, Prusia und Santa Rosa Pflicht. Dass noch immer nicht alle Probleme beseitigt sind, soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Ebenso die Frage, inwieweit der Deutschunterricht dem Erhalt des Dialekts dienen kann und vor welchen weiteren Problemen man in Zukunft stehen könnte.

127 Zur Geschichte des Schul- und Deutschunterrichts in Pozuzo siehe Schabus (1998) u. Schabus (1999). 61

6.1. Das Schulwesen in Peru und in Pozuzo

Der Eintritt in das Schulsystem erfolgt in Pozuzo mit etwa sechs Jahren. Nach drei Jahren Kindergarten wechseln die Kinder in die 6-jährige Primaria, die Grundschule. Anschließend wartet eine 5-jährige Ausbildung in der Secundaria, einer Mittel- bzw. Hauptschule. Die allgemeine Schulpflicht in Peru beträgt 11 Jahre, allerdings beenden viele Schüler ihre Schullaufbahn nicht. Nach Beendigung der Secundaria stehen den Jugendlichen zwei Wege offen, erstens eine Art Berufsschule oder aber die Universität, für deren Eintritt allerdings ein Examen abgelegt werden muss. Für dieses Examen gibt es die Möglichkeit einer Vorbereitung, preparatoria, die 3, 6, oder 12 Monate dauert. Nach fünf Jahren hat man die Universität abgeschlossen. Viele der Jugendlichen aus Pozuzo gehen nach Lima um zu studieren und kommen meist nicht mehr zurück. Die wenigen, die im Dorf bleiben, verdienen sich ihren Lebensunterhalt als Land- und Straßenarbeiter oder Rinderzüchter.

Derzeit gibt es im Distrikt Pozuzo vier Kindergärten und dreizehn PRONOEI‘s128 in Pozuzo Centro, Prusia, Montefuner und Buena Vista in denen im Jahr 2008 236 Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren untergebracht waren. In den vierzig Primarias und sechs CEGECOM’s129 wurden 2008 knapp 1.258 Kinder unterrichtet und die drei Secundarias in Pozuzo Centro, Prusia und Santa Rosa zählten 306 Schülerinnen und Schüler. Darüberhinaus gibt es eine Berufsschule für Tischlereiberufe, die im Schuljahr 2008 neunzehn Lehrlinge ausbildete, sowie ein Spezial- Erziehungszentrum mit 12 Schülern.130

Allerdings ist hervorzuheben, dass viele Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung zwar beginnen, sie jedoch oftmals in der Sekundärstufe

128 Programa No Escolarizado de Educación Inicial – Programm für nicht-schulische Einrichtungen für die Anfangsstufe. 129 Centros Educativos de Gestión Comunal – Erziehungszentren unter kommunaler Führung. 130 Quelle: Coordinación de Redes Educativas Distrital de Pozuzo. Consolidado de Matrícula de las Instituciones Educativas del Nivel Inicial/Primaria/Secundaria, 30.04.2008 und Laura in Schabus (2010). 62 abbrechen. So beendeten 2008 im gesamten Distrikt nur 49 Absolventen die Sekundärstufe erfolgreich.131

6.2. Pilotprojekt für den Deutschunterricht in Pozuzo

Nachdem im Jahre 1987 von Prof. Wilfredo Laura Contreras, Direktor der Secundaria „Tupac Amaru“ in Pozuzo Centro und heutiger Obmann des Kulturvereins Pozuzo, nach langjährigen Bemühungen erreicht wurde, im Bezirk Pozuzo Deutsch als Fremdsprache offiziell lehren zu dürfen, wurde im Jahre 1989 das „Pilotprojekt für den Deutschunterricht in Pozuzo“ ins Leben gerufen. Dieses „Kultur-Pilotprojekt“ entsprang der „Notwendigkeit und der Wichtigkeit, das kulturelle und sprachliche Erbe zu retten, das 1859 von den ersten Kolonisten aus Österreich und Deutschland nach Pozuzo gebracht wurde und von den Eltern den Kindern weitervermittelt worden ist“.132

Die Bemühungen um das Projekt erfolgten aus der Tatsache, dass heute die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in Pozuzo die deutsche Sprache weder beherrschen noch verstehen können. Von Seiten der zuständigen Behörden in Pozuzo wurde es als wichtig erachtet, die sprachlichen Kompetenzen der Pozuciner Jugend bis zur Bi- oder Trilingualität auszuweiten, um sich so „den Zugang zu Wissenschaft, Technologie und moderner Kultur sichern zu können“, besonders im Hinblick darauf, als die deutsche Sprache und der Tiroler Dialekt aus historischer Sicht in Pozuzo den Rang von Muttersprachen haben.133

Wie bereits mehrmals erwähnt, hielten die Tiroler an ihrer Abstammung fest, dennoch erfolgte der Deutschunterricht jahrzehntelang nur sporadisch und auf freiwilliger Basis. Die beiden Pfarrer José Egg und Franz Schafferer waren die beiden ersten Lehrer in Pozuzo. Sie unterrichteten Lesen, Schreiben und Religion auf Spanisch am Vormittag und am Nachmittag Deutsch. Diese Tradition wurde von den nachfolgenden Lehrern, etwa Juan

131 Vgl. Laura in Schabus (2010). 132 Kulturverein Pozuzo (1989), S. 1. 133 Vgl. Kulturverein Pozuzo (1989), S. 1. 63

José Randolf, Luis Egg Schöpf, Maria Egg Müller und Carolina Egg Johann fortgeführt. Doch allmählich wurde der Deutschunterricht vernachlässigt und beschränkte sich lediglich auf private Stunden in kleinem Rahmen an Sonntagnachmittagen.134 In den folgenden Jahren wurde in Pozuzo von Delfina Randolf Deutsch, Musik und Tanz für Interessierte unterrichtet. In Prusia übernahm diese Aufgabe Rosina Gstir und in Santa Rosa Zita Schuler135.

Nachdem Wilfredo Laura die offizielle Anerkennung von Seiten des peruanischen Unterrichtsministeriums für den Deutschunterricht in Pozuzo erwirken konnte, wurde ab dem Jahre 1987 in einigen Klassen Deutsch unterrichtet. So erhielten im Jahr 1987 106 Schüler Deutschunterricht in Pozuzo, im Jahr 1988 stieg die Anzahl auf 271. Das Hauptproblem lag aber an den fehlenden Lehrkräften. 1987 arbeitete Birgit Riedler-Engl aus Ebensee uneigennützig und ohne Bezahlung in den Pozuciner Schulen. Der Oberösterreicher Josef Sagberger und seine Frau Cornelia unterrichteten 1988, ebenfalls unentgeltlich. Darüberhinaus lehrten Pater Luis Aufderklamm und Prof. Satos Mariano Gil Cipriano, der seine Ausbildung zum Ingenieur in Deutschland absolvierte, Deutsch in den Schulen.136

6.3. Kulturabkommen des ADKV und des Kulturvereins Pozuzo

Im Jahre 1990 wurde das „Kulturabkommen zur Erhaltung und Förderung der Zweisprachigkeit im Distrikt Pozuzo, Peru“ zwischen dem Allgemeinen Deutschen Kulturverband in Wien und dem Kulturverein in Pozuzo beschlossen. Ziel dieses Abkommens war, den Deutschunterricht in Pozuzo für die kommenden Jahre zu garantieren. Dies sollte durch eine Ausbildung der Lehrer erfolgen, die mit einer Sonderentlohnung gefördert werden sollten. Das Projekt sollte sich zunächst auf die Schulen in Pozuzo Centro und

134 Vgl. Laura Contreras (2007), S. 4-5 u. Interview mit Schuler Egg, Zita in Santa Rosa am 10.10.2008. 135 Interview mit Solleder de Aumer, Eva in Pozuzo Centro am 20.10.2008. 136 Vgl. Laura Contreras (2007), S. 6. 64

Prusia und in weiterer Folge auf Santa Rosa und Codo del Pozuzo erstrecken. Voraussetzung für die Einrichtung bzw. Fortführung des Deutschunterrichts in den Pozuciner Schulen waren staatlich geprüfte Lehrer, die eine Ausbildung in Lima und einen Deutschlehrgang am Goethe- Institut in Lima absolvieren sollten. Das Kulturabkommen sah hierbei einen Zuschuss zu den Unterhaltskosten vor, jegliche Kontrolle zur Einhaltung der Bestimmungen erfolgte über die Österreichische Botschaft in Lima. Die Durchführung des Kulturabkommens kam Prof. Wilfredo Laura Contreras zu, Dr. Wilfried Schabus wurde von österreichischer Seite zum Berater des Kulturprojekts ernannt. Das Projekt wurde auf drei Jahre beschränkt.137

6.4. Freundeskreis für Pozuzo

Im August 1983 wurde der gemeinnützige Tiroler Verein „Freundeskreis für Pozuzo“ mit Sitz in Innsbruck gegründet. Er versteht sich als „Verein zur Pflege und Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Tirol und Pozuzo“.138 Die erklärten Ziele des Vereins sind:

 Pflege und Förderung der kulturellen Beziehungen und des wirtschaftlichen Erfahrungsaustausches zwischen Tirol und Pozuzo,

 Unterstützung von bestehenden (Silz und Haiming) und künftigen Partnerschaften zwischen den Auswanderergemeinden und der Gemeinde Pozuzo,

 Aufrechterhaltung der Zweisprachigkeit in Pozuzo (Spanisch/Deutsch).139

Neben etlichen Projekten und Zielsetzungen, die erst im Laufe der Jahre vom Freundeskreis für Pozuzo erarbeitet wurden (vgl. auch Kap. 3.2.), war dem Verein die Aufrechterhaltung und Weitergabe der deutschen Sprache von jeher ein großes Anliegen.

6.4.1. Die Deutschlehrer in Pozuzo

Um die Situation der fehlenden Deutschlehrer in Pozuzo zu verbessern, wurde erstmals im Jahre 1987 von Prof. Wilfredo Laura Contreras ein

137 Vgl. Allgemeiner Deutscher Kulturverband (1990). 138 www.pozuzo.at (13.10.2009). 139 www.pozuzo.at (13.10.2009). 65

Ansuchen an den Freundeskreis für Pozuzo gestellt, Reise, Aufenthalt und Deutschstudium in Österreich für die damalige Schülerin Violeta Neli Baumann Bautista zu finanzieren.140 Das Ansuchen wurde vom Freundeskreis für Pozuzo abgelehnt, allerdings wurde in Aussicht gestellt, der Kandidatin stattdessen eine Sprachlehrerausbildung in Lima zu finanzieren und ihr als Abschluss einen mehrmonatigen Aufenthalt in Tirol zu ermöglichen.141

Seit der Gründung des Freundeskreises für Pozuzo im Jahre 1983 wurde immer wieder diskutiert, wie man die deutsche Sprache in den Schulen von Pozuzo vermitteln könnte. Im Jahre 1996 schließlich wurde das erste Mal eine Deutschlehrerin aus Österreich, Barbara Wurnig, nach Pozuzo geschickt, die von März bis Dezember in den Pozuciner Schulen unterrichtete. Für die Kosten kam neben Subventionen des Landes Tirol und dem Deutschen Kulturverein Wien142, der Freundeskreis auf. Bis zum Jahre 2003 praktizierten nach diesem Modell die österreichischen Lehrer Clemens Pedarnig, Heidi Bacher, Dagmar Bergmann und Martin Ragger für ein bzw. zwei Jahre in Pozuzo. Im Jahre 2003 wurde das Projekt „Unterricht mit Lehrern aus Pozuzo“ gestartet.

6.4.2. Projekt „Hilfe zur Selbsthilfe“

Nachdem über sechs Jahre hinweg österreichische Lehrer an den Pozuciner Schulen Deutsch unterrichtet hatten, startete man 2003 das neue Schulprojekt. Denn obwohl die Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen, Schuldirektoren, Gemeinde und den Verantwortlichen in Tirol gut funktioniert hatte, hielten sich die schulischen Leistungserfolge in Grenzen. Ein großes Problem bestand darin, dass der Deutschunterricht nicht aufbauend organisiert werden konnte und jede/r Lehrende von Grund auf neu anfing, den Schülerinnen und Schülern die deutsche Sprache beizubringen. Aufgrund der Erkenntnis, dass ein Sprachprojekt nur dann nachhaltig erfolgreich sein könne, wenn es zum überwiegenden Teil von den

140 Vgl. Laura Contreras (1987). 141 Vgl. Habicher (1988). 142 Vgl. Walser (2005), S. 124. 66

Pozucinern selbst getragen wird, startete man das Projekt „Hilfe zur Selbsthilfe“, wodurch nun Lehrkräfte aus der Kolonie ausgebildet werden, um den Deutschunterricht zu gestalten.143 Helga Wilhelm, eine Lehrerin aus Deutschland und seit vielen Jahren in Pozuzo ansässig, übernahm die Betreuung der Pozuciner Deutschlehrerinnen und –lehrer und die Organisation des Unterrichts.144 Seit 2008 ist die Stelle der Koordinatorin von den beiden Pozuciner Lehrerinnen Cecilia Schmidt Schaus und Yeraldine Martinez Kroll besetzt.145

6.5. Ausbildung der Deutschlehrer

In Peru erfolgt die Ausbildung zum Volksschullehrer an den dafür vorgesehenen Instituten der Universität, die Lehrpersonen für die Mittelschule durchlaufen ein Fachstudium.146

6.5.1. Goethe-Institut und Humboldtschule in Lima

Im Rahmen der Deutschlehrerausbildung bildet das Goethe-Institut in Lima Lehrer für Deutsch als Fremdsprache (DaF) für den Erwachsenenbereich aus. Diese Ausbildung wurde bisher allerdings von den Lehrerinnen in Pozuzo nicht in Anspruch genommen. Sie haben lediglich an kürzeren Fortbildungen, die in Hospitationen des Unterrichts bei Lehrern des Goethe- Instituts sowie in Workshops zu Themen der DaF-Methodik bestehen, teilgenommen. Seit vergangenem Jahr gibt es eine Kooperation des Goethe- Instituts mit dem Instituto Pedagógico Nacional in Lima, wonach man die Befähigung als Lehrer oder Lehrerin für den DaF-Unterricht an peruanischen Schulen durch ein verkürztes Studium am besagten Institut in Verbindung mit der Deutschlehrerausbildung am Goethe-Institut erwerben kann. Doch auch davon konnten die in Pozuzo tätigen Lehrer und Lehrerinnen bisher noch keinen Gebrauch machen. Neben dem Absolvieren von

143 Vgl. Walser (2005), S. 124-125. 144 Emailkontakt Heinz, Rudolf und Koch, Pia, 19. März 2009 (unveröffentlicht). 145 Vgl. Laura in Schabus (2010). 146 Vgl. Walser (2005), S. 110. 67

Grundlehrerausbildung und Sprachaufenthalten in Österreich bilden sie sich in den wenigen Ferienmonaten in Lima weiter.147

Die Humboldtschule in Lima sucht derzeit nach Möglichkeiten, wie die deutsche Spracharbeit in Pozuzo unterstützt werden könnte. So reiste im Jahr 2008 eine Schülergruppe nach Pozuzo, um die Möglichkeiten für eine Schülerpartnerschaft auszuloten. Dies stellte aber noch nicht mehr als ein erstes Kennenlernen dar, die weiteren Schritte eines Schüler- Lehreraustausches sind derzeit in Planung. Bereits realisiert wurde ein Hospitationsprogramm an der Humboldtschule für Lehrer und Lehrerinnen aus Pozuzo, wobei Besuche in DaF-Klassen helfen sollen, die Unterrichtsmethodik an den Pozuciner Schulen zu verbessern.148

6.5.2. Ausbildung in Österreich

Die Lehrpersonen aus Pozuzo werden am Goethe-Institut in Lima, sowie an der Humboldtschule in Lima unterrichtet und ausgebildet. Durch das Goethe- Institut und den Freundeskreis für Pozuzo wurde es ermöglicht, dass einige der Auszubildenden nach Österreich kommen konnten, um hier ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. So kam Leni Nössing Schuler im September 2003 zur Deutschausbildung nach Tirol und hielt sich hier bis zum Juli 2005 auf. Ende Dezember 2006 verunglückte sie am Weg von Pozuzo nach Lima tödlich. Yeraldine Martinez Kroll kam auf Einladung des Goethe-Instituts im Jahr 2005 für zwei Monate nach Mannheim. Im Jänner 2007 reisten Yeraldine Martinez Kroll, Cecilia Schmidt Schaus, Maribel Gstir Cruz und Johanny Zevallos Egg für zwei bzw. vier Monate nach Tirol zur Deutschausbildung.149

147 Roll, Christian (Goethe-Institut Lima): Email an Koch, Pia, 05. Feb. 2009. 148 Emailkontakt Reitzig, Markus und Koch, Pia, Juni 2008 – März 2009. 149 Emailkontakt Heinz, Rudolf und Koch, Pia, 07. März 2009. 68

6.6. Deutsch als Fremdsprache in Pozuzo

6.6.1. Die Lehrpersonen

Zur Zeit meines Aufenthalts in Pozuzo von August bis November 2008 waren folgende Lehrkräfte für den Deutschunterricht tätig:

 Eva Solleder Aumer: Pozuzo Centro

 Yeraldina Martinez Kroll: Pozuzo Centro

 Katia Garcia Köhel: Pozuzo Centro

 Johanny Zevallos Egg: Pozuzo Centro und Kindergarten Montefuner

 Cecilia Schmidt Schaus: Prusia

 Rosa Müller: Santa Rosa

Für das Jahr 2009 sind einige Änderungen vorgesehen: So werden im neuen Schuljahr Eva Solleder, Katia Garcia und Rosa Müller nicht weiter unterrichten. Als neue Lehrkraft ist jetzt Alejandrina Martinez Kroll in Pozuzo Centro und Santa Rosa tätig.150

6.6.2. Verankerung des Deutschunterrichts im Lehrplan

Seit dem Jahr 2005 ist der Deutschunterricht für alle Schüler in Pozuzo Centro, Prusia und Santa Rosa Pflicht und somit fest im Lehrplan verankert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Schüler in Pozuzo mehr Unterrichtsstunden haben als andere Schüler im Land. Laut Lehrplan der peruanischen Schulbehörden gibt es eine gewisse Anzahl von Stunden pro Woche, sog. Arbeitsstunden, die von den Lehrenden nach eigenem Ermessen gestaltet werden können. In Pozuzo werden diese Stunden für den Deutschunterricht verwendet. Im Schuljahr 2009 wurden nicht nur beim Lehrkörper Veränderungen vorgenommen. Ein großes Problem beim Deutschunterricht ist die Tatsache, dass im Laufe des Schuljahres immer wieder neue Schüler, die erst nach Pozuzo gezogen sind, hinzukommen. Die Kinder können natürlich keinerlei Deutsch und so kommen die Lehrer mit

150 Emailkontakt Zevallos Egg, Johanny und Koch, Pia, Mai 2010. 69 dem Unterricht nur sehr schleppend voran.151 Daher wurden die Schüler und Schülerinnen im Schuljahr 2009 erstmals in Leistungsgruppen eingeteilt, um den Unterricht für die Lehrenden zu erleichtern und den Erfolg für die Schüler zu steigern. In der Primaria gibt es in den 1. und 2. Klassen jeweils zwei Leistungsgruppen, in den 3., 4., und 6. Klassen je vier und in den 5. Klassen je drei Leistungsgruppen bei 2 Stunden Deutschunterricht pro Woche. In der Secundaria wurden die Schüler in den 1. Klassen in vier Leistungsgruppen und in den 2. und 3. Klassen in drei Leistungsgruppen bei ebenfalls 2 Stunden Deutsch pro Woche eingeteilt. Die 4. Klassen der Secundaria sind in drei Leistungsgruppen, die 5. Klassen in zwei Gruppen unterteilt, allerdings bei nur noch einer Stunde Deutschunterricht pro Woche. Inwieweit sich diese Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in Leistungsgruppen auswirken wird, bleibt abzuwarten.152

6.6.3. Unterrichtsmaterialien und -lehrmethoden

Da es sich beim Deutschunterricht in Pozuzo weitgehend um einen Unterricht auf Anfängerniveau handelt, richtet sich das Interesse der Lehrenden in Pozuzo gemeinhin auf den Kindergarten und die Grundschule. Die Frage nach der Methodik entscheiden die Lehrpersonen in Pozuzo selbst und so wurden auch die Unterrichtsmaterialien von den Lehrenden selbst zusammengestellt. Bisher wurden folgende Unterlagen für den Unterricht verwendet: „Mein erstes Deutschbuch“ im Kindergarten, „Lernt mit uns“ in der Primaria, „Deutsch macht Spaß“ in der Secundaria und in den Erwachsenenklassen „Willkommen in Pozuzo“.

Erstmals für das Schuljahr 2009 wurden von der Humboldtschule im Rahmen ihrer Partnerschulinitiative mit Geldmitteln aus Deutschland didaktisch aufbauende und methodisch einheitliche Lehrmittel für die Pozuciner Schulen erworben. Die Lieferung umfasste auch Wörterbücher und Audiomaterial. Laut den Deutschlehrern in Pozuzo handelt es sich dabei um 140 Bücher, bestehend aus Lehrbuch, Arbeitsbuch, Wörterbuch und Testheft. Sie sind gedacht für die Primaria und die ersten beiden Klassen der Secundaria. Für

151 Interview mit Solleder de Aumer, Eva in Pozuzo Centro am 20.10.2008. 152 Emailkontakt Egg Zevallos, Johanny und Koch, Pia, 23. Mai 2009. 70 die dritte bis fünfte Klasse der Secundaria wird überlegt, neues Material zusammenzustellen, oder aber mit den bisherigen Unterlagen weiterzuarbeiten.

Nach dem derzeitigen Stand handelt es sich bei dieser Unterstützung durch die Humboldtschule in Lima um eine einmalige Aktion. Wie es in Zukunft weitergehen wird, ist noch vollkommen offen. Aus dem Budget der Humboldtschule werden jedenfalls keine weiteren Materialien für Pozuzo angeschafft.153

Zur praktischen Unterrichtsmethodik werden von den ausbildenden Instituten keinerlei Vorgaben für die Lehrenden in Pozuzo gemacht. Grundsätzlich orientiert sich der DaF-Unterricht an der Humboldtschule (vgl. Kap. 5.6.1) an der Vorbereitung der Sprachdiplome B1 und C1 der KMK (Kultusministerkonferenz)154. Im Rahmen eines handlungsorientierten und dem kommunikativen Ansatz verpflichteten Unterrichts stehen dabei die Fertigkeiten Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben im Mittelpunkt.155

6.6.4. Erwachsenenfortbildung

Neben dem Deutschunterricht in den Schulen werden auch Erwachsenenkurse für die Pozuciner Bevölkerung in Pozuzo Centro und Prusia angeboten. Die Kurse finden jeweils am Abend statt, um den durchwegs berufstätigen Personen die Möglichkeit zu geben, Deutsch zu erlernen. Anfangs herrschte diesbezüglich reges Interesse und es konnten einige Gruppen mit bis zu 20 Personen156 gebildet werden. Allerdings verringerte sich die Anzahl der interessierten Personen innerhalb kürzester Zeit, viele von Ihnen blieben schon nach den ersten Stunden dem Unterricht fern. Im Zuge meines Aufenthaltes in Pozuzo habe ich in einer der

153 Emailkontakt Reitzig, Markus. 154 Deutsches Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz: Sprachprüfung für Deutsch als Fremdsprache, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Sprachdiplom_der_Kultusministerkonferenz (31.08.2010). 155 Emailkontakt Reitzig, Markus. 156 Alleine in Pozuzo Centro waren 38 Personen für den Deutschkurs inskribiert. Interview mit Solleder de Aumer, Eva in Pozuzo Centro am 20.10.2008. 71 verbliebenen Klassen eine Motivationsbefragung durchgeführt. Als Gründe für das schwindende Interesse der Bevölkerung am Deutschunterricht wurde Langeweile und Unterschätzung der Schwierigkeit, eine Fremdsprache zu erlernen, genannt.

Diese Entwicklung ging schließlich so weit, dass von den zwei Gruppen in Pozuzo Centro nur noch eine Lerngruppe mit zehn Personen übrigblieb. In Prusia war es ebenso. Doch nicht nur mangelndes Interesse war maßgeblich für diese Entwicklung, es hatte auch der Freundeskreis für Pozuzo, von dem die Lehrpersonen ihr Gehalt bezogen, die Zahlungen für die Erwachsenengruppen eingestellt. Obwohl der Unterricht von Beginn an von der Gemeinde Pozuzo mitfinanziert worden war, konnte dadurch vor allem der Unterricht am Sonntag nicht weiter durchgeführt werden, nicht zuletzt auch wegen der schwindenden Teilnehmerzahlen. Zur Zeit meiner Abfahrt aus Pozuzo im November 2008 war noch nicht klar, wie man diese Probleme in den Griff bekommen wollte. Überlegt wurde ein Modell, nach dem die Teilnehmer der Kurse die Hälfte der Kosten übernehmen sollten, die andere Hälfte würde von der Gemeinde Pozuzo getragen.

6.6.4.1. Motivationserhebung

Hauptpunkt der Befragung der Teilnehmer am Deutschunterricht für Erwachsene war natürlich die Frage nach der Motivation. Vielfach wird man im Zusammenhang mit Pozuzo mit der Annahme konfrontiert, das Interesse der Pozuciner läge hauptsächlich im Tourismus und darin, aus ihrer deutsch- österreichischen Abstammung wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Die Kursteilnehmer waren großteils mittleren Alters zwischen 30 und 40 Jahren und beruflich im öffentlichen Bereich tätig. Einige von ihnen kamen aus der Abstammungslinie der Kolonisten, doch auch diese waren mit der spanischen Sprache aufgewachsen und sprachen vorher kaum bzw. kein Deutsch und auch kein Tirolés. Alle Teilnehmer lernten seit wenigen Monaten Deutsch.157

157 Alle folgenden Informationen entstammen der aufgezeichneten Motivationsbefragung in einem der Deutschkurse für Erwachsene in Pozuzo Centro am 20.10.2008. 72

Als Gründe für die Teilnahme am Deutschunterricht wurden allgemeines Interesse an der deutschen Sprache genannt und die Möglichkeit, dadurch mit Touristen, die von Österreich, Tirol158 und Deutschland nach Pozuzo kommen, Deutsch sprechen zu können. Außerdem sei Pozuzo eine österreichisch-deutsche Kolonie, doch es habe früher außerhalb der Schule keinerlei Möglichkeit gegeben, Deutsch zu lernen. Der bereits früher vorhandene Wille, die deutsche Sprache zu lernen, scheiterte am Fehlen von Abendkursen. Durch das jetzige Angebot wurde den Pozucinern eine gute Möglichkeit dafür geboten. Der Nutzen, den sie im Erlernen der deutschen Sprache sehen, geht tatsächlich in Richtung auf ein wirtschaftliches Interesse. Hauptsächlich sei es wichtig für den Tourismus, mit den Menschen, die nach Pozuzo kommen, auf Deutsch kommunizieren zu können. Dieselben Gründe wurden auf die Frage angeführt, ob die Erhaltung des Deutschen in Pozuzo wichtig sei, und wenn ja, warum.

Aufgrund der aktuellen Geldprobleme, mit denen sich die Organisatoren des Deutschunterrichts konfrontiert sehen, wurde auch gefragt, ob sich die Teilnehmer vorstellen könnten, für die Kurse aus eigener Tasche zu bezahlen. Die einhellige Meinung war, dass man durchaus bereit sei, für den Unterricht zu bezahlen, da dadurch auch die Motivation gesteigert werden würde. Einwände wurden dahingehend erhoben, dass nicht alle Bewohner Pozuzos es sich leisten könnten, für ihre Weiterbildung zu bezahlen. Da diese allerdings ohnehin kein Interesse am Fremdsprachenunterricht zeigen würden, erachtete man diese Diskussion als hinfällig und es wurde weitgehend bestätigt, dass anfallende Kosten nicht daran hindern würden, den Unterricht weiterhin zu besuchen.159

Mit dem Unterricht selbst zeigten sich die Teilnehmer weitgehend zufrieden, vor allem weil sie auf einige wenige reduziert waren und deshalb jedem genug Aufmerksamkeit geschenkt werden konnte. Lernerfolge und Fortschritte würden sich zwar noch in Grenzen halten und noch falle es

158 In Pozuzo wird prinzipiell zwischen Österreich und Tirol unterschieden. 159 Tatsächlich gab Eva Solleder im Jahr 2007 einer Gruppe von 8-9 Personen zwei Mal pro Woche privaten Deutschunterricht, wobei ein jeder der Teilnehmer 40 Soles pro Monat dafür bezahlte. Interview mit Solleder de Aumer, Eva in Pozuzo Centro am 20.10.2008. 73 schwer, Zusammenhänge zu erfassen und längere Gespräche zu führen. Der allgemeine Tenor aber war, dass ein gewisses Verständnis bereits vorhanden sei und man auch damit schon zufrieden sein könne.

Außerhalb des Unterrichts wird laut Angaben der Teilnehmer nur wenig bis nichts an Deutschkenntnissen erarbeitet. Hauptproblem sei hierbei der durch Beruf und Familie bedingte Zeitmangel. Manchmal wird mit den Kindern, die in der Schule ebenfalls Deutsch lernen, zuhause gemeinsam gelernt. Auf die Frage nach der Lernmethode wurde oftmals die Angabe gemacht, es würde mit dem Wörterbuch gelernt. Also ein Text gelesen und die Bedeutung der Wörter im Wörterbuch nachgeschlagen. Verbesserungsvorschläge für den Unterricht gab es kaum, außer eventuell mehr Lieder zu singen und vor allem die Anzahl an Unterrichtsstunden und -tagen zu erhöhen.

6.7. Resümee zur Qualität des Fremdsprachenunterrichts in Pozuzo

Die Qualität des Schulunterrichts in Pozuzo ist derzeit sehr schlecht, weil es kaum gute Lehrer gibt. So hat z.B. von den acht Lehrern des „Colegios“ nur einer (Laura) seine Ausbildung abgeschlossen und von den vier Lehrern der Grundschule im Zentrum ist nur der Leiter eine geprüfte Lehrkraft.160

Daran hat sich auch bis heute nicht viel geändert. Im Verlauf seines Berichts erörtert Schabus gewisse Mängel im Schulsystem, wobei wiederum die abgeschiedene Lage Pozuzos eine beträchtliche Rolle spielt. Hier soll aber lediglich auf den Deutschunterricht eingegangen werden, der trotz aller Bemühungen erhebliche Defizite aufweist. Für eine Steigerung der Effizienz des Unterrichts unerlässlich scheint eine bessere Qualifizierung der Lehrkräfte. Zu den Hauptproblemen zählen auch verschiedenste Motivationsprobleme, sei es von Seiten der Lehrenden, der Schüler oder auch der Eltern, die es zu beheben gilt.

6.7.1. Interesse am Fremdsprachenunterricht

Man kann eine Sprache nur lernen und sprechen, wenn man sie fühlt, wenn es für einen selbst Sinn macht. Anders geht es nicht, selbst wenn man sie vielleicht

160 Schabus im Jahr 1989 zit. n. Walser (2005), S. 111. 74

schon als Kind gelernt hat. Eine Sprache sprechen bedeutet nicht nur, sich mit anderen zu verständigen, sondern in ihre Welt und Kultur einzutauchen, einem Menschen nahe zu kommen, ihn wirklich kennen zu lernen.161

Wie bereits in Kap. 5.6.4. dargelegt wurde, beschränkt sich das Interesse am Fremdsprachenunterricht auf einige wenige Personen in Pozuzo. Naturgemäß sind dies jene Leute, die auf irgendeine Weise mit den Besuchern, die in die Kolonie kommen, zu tun haben, oder aus der Linie der Einwanderer stammen. Letzteres trifft aber nur noch auf einen kleinen Teil der Bevölkerung Pozuzos zu. Durch den verpflichtenden Deutschunterricht lernen aber auch die peruanischen Kinder Deutsch als Fremdsprache. Hierbei wurde oft mangelndes Interesse sowohl bei den Schülern selbst, als auch bei deren Eltern beklagt. Bei meinen Gesprächen mit verschiedensten Personen, deren Kinder noch zur Schule gehen, war herauszuhören, dass oftmals die Wichtigkeit, eine fremde Sprache zu erlernen, unterschätzt wird. Dabei darf natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass sehr viele Kinder die Schule überhaupt nicht beenden, weil Bildung in Pozuzo keinen besonderen Stellenwert hat, wenn eine Großfamilie ernährt werden muss. Doch auch bei Familien deutscher Sprachabstammung, in denen die Eltern der jetzigen Schüler noch teilweise mit dem Dialekt aufgewachsen waren, war eine gewisse Teilnahmslosigkeit zu beobachten. Den Schülern und Eltern müssten die Vorteile vor Augen geführt werden, die dem Erwerb einer Zweitsprache innewohnen. Manchmal begegnet man den Kindern auf der Straße und sie begrüßen einen auf Deutsch. Wichtig wäre es, den Kindern Motivationshilfen zur Verfügung zu stellen, sei es durch die Aussicht auf einen Schüleraustausch in Österreich oder Deutschland, oder auch durch einfachere Dinge wie beispielsweise Brieffreundschaften mit Partnerschulen aus Österreich. Auch der vermehrte Kontakt zu Besuchern aus Österreich könnte positiv auf die Kinder wirken. So könnten Besucher gebeten werden, die Schüler in ihren Klassen zu besuchen und ein wenig auf Deutsch mit ihnen zu plaudern.

161 Mündliche Aussage von Egg Estrada, Erich, Peru, Busfahrt von Lima nach La Merced am 21.08.2008. 75

6.7.2. Sprachbarrieren und Verständigungsprobleme

Interkulturelles Sprachlernen betrachtet sprachliche Aspekte nicht isoliert von kulturellen und ist daher bemüht den Wissenstand über andere Kulturen, in diesem Fall über die österreichisch-deutsche Kultur, zu erweitern. Dieser Wissenserwerb erfolgt im Kontext der gemeinsamen Bearbeitung interkulturellen Verstehens und Verständigung. Ausgangsbasis ist die kulturelle Herkunft der Kinder, auf die jedes stolz sein kann. Kulturelle Vielfalt und Bereicherung sowie das positive Erleben des kulturellen Pluralismus sind, neben dem Abbau von Vorurteilen, Nationalismus und Rassismus, Ziele im sozial verantworteten Sprachunterricht.162

Der heutige Deutschunterricht in Pozuzo ist zurückzuführen auf die Bestrebungen, die deutsche Sprache, wobei eigentlich der tirolische Dialekt im Vordergrund steht, sowie die österreichisch-deutsche Kultur nicht dem Vergessen anheim zu geben. Häufig habe ich mich bei meinem Aufenthalt in der Kolonie gefragt, worauf sich dieses teilweise intensive Rückbesinnen auf ihre europäischen Wurzeln eigentlich gründet. Anfangs hatte ich den Eindruck, dass zumindest einige der Pozuciner fast Wehmut bei dem Gedanken empfinden, dass sie, wären die damaligen Kolonisten nicht weggegangen von der Heimat, heute ein anderes Leben in Österreich oder Deutschland führen könnten. Doch rasch habe ich gemerkt, dass diese Vermutung nicht zu halten ist. Ein sehr guter Freund aus Pozuzo meinte, das, was die Leute in Pozuzo heute noch mit „drüben“ verbindet, ist nur mehr die Hautfarbe und keineswegs – oder nur noch in wenigen Fällen – die Sprache. Im Laufe meiner Untersuchungen wollte ich herausfinden, warum die Leute nun wieder mehr Dialekt und Deutsch sprechen, woraufhin er meinte, dies sei keineswegs so, im Gegenteil, es werde immer weniger und weniger gesprochen. Dies führte mich zu dem Gedanken, dass das Hauptinteresse an der Erhaltung der deutschen Sprache und Kultur hauptsächlich von österreichischer Seite kommt und die Pozuciner es als gute Gelegenheit betrachten, von ihrer Herkunft zu profitieren. Dieser Pozuciner meinte, dass die Leute kein wirkliches Interesse an der Sprache mehr haben, sonst würden sie sich anders verhalten, mehr Wert darauf legen und Eigeninitiative zur Sprachpflege ergreifen. Er meinte, was derzeit in Pozuzo passiert, sei etwas Natürliches und dem Menschen eigen: Nämlich etwas erhalten zu wollen, das eigentlich gar nicht mehr richtig existiert, ein letzter Versuch etwas zu retten, das unter Umständen bereits verloren ist.

162 Walser (2005), S. 128-129. 76

Noch existiert der tirolische Dialekt in Pozuzo, doch ob der Deutschunterricht hilft, ihn vor dem Aussterben zu bewahren, ist fraglich. Zu groß ist bereits die Kluft zwischen den Generationen, und der Gebrauch des Spanischen in den Familien zu verfestigt. Nur wenige Dialektsprecher sprechen noch mit ihren Kindern im Dialekt und selbst wenn sie es tun, antworten diese auf Spanisch.

Ein sehr gebildeter und für das soziale Leben im Dorf seit Jahrzehnten äußerst wichtiger Pozuciner hat mir gegenüber erwähnt, wie viel Unsinn von den Europäern über Pozuzo geschrieben würde. Die Hälfte davon sei keineswegs wahr, dass diese Leute denken, die Pozuciner wären aus der Steinzeit und dabei einfach nicht merken, dass es nur ein anderer Menschschlag ist, der eine andere Denkweise besitzt. Dies mag überspitzt formuliert sein, beschreibt aber dennoch, was einem vielfach begegnet, wenn man sich mit Pozuzo beschäftigt: der Unterschied zwischen den Kulturen, die bestehenden Sprachbarrieren und der Unwille der Akteure, diese zu sehen und darauf einzugehen; der Versuch, mit allen Mitteln eine Kultur zu erhalten, die, zumindest in der Art und Weise, wie es viele Beteiligte aus Österreich gerne hätten, längst nicht mehr oder sogar niemals existiert hat.

6.7.3. Probleme beim Deutschunterricht und Lösungsansätze

Wie bereits angedeutet, erscheint mir für eine Qualitätssteigerung des Unterrichts unerlässlich, eine Steigerung der Sprachkompetenz der Lehrkräfte anzustreben. Bei meinen Besuchen in den Klassen war zu erkennen, dass die Lehrpersonen vielfach nicht hinreichend geschult sind, ihrerseits oft erhebliche grammatische Fehler machen und diese an die Kinder weitergeben. Deshalb sollte kontinuierlich an der Sprachausbildung der Lehrkräfte gearbeitet werden und gegebenenfalls eine Entlassung von minder kompetenten Lehrern in Betracht gezogen werden (wozu es im Schuljahr 2009 auch teilweise gekommen ist). Neben Bestrebungen, die Motivation für das Erlernen der deutschen Sprache bei den Schülern zu erhöhen (vgl. Kap. 6.7.1), könnte man eventuell die Anzahl der Wochenstunden von zwei auf drei erhöhen. Der Vorschlag, die Klassen in Leistungsgruppen zu unterteilen, wurde bereits verwirklicht. Was man 77 ebenfalls als Problempunkt erwähnen muss, ist die Einteilung der einzelnen Stunden in der Wochenplanung. Sehr häufig hatten die Schüler den Deutschunterricht am späten Nachmittag. Dass dieser Umstand natürlich die Konzentration und somit die Aufnahmefähigkeit beeinträchtigt, steht wohl außer Frage. Auch was das Lehrmaterial betrifft, könnten noch einige Verbesserungen getroffen werden, was aber durch das neu angeschaffte Material der Humboldtschule vermutlich bereits geschehen ist (vgl. Kap. 5.6.3). Darüberhinaus sollte die Ausbildung weiterer Lehrer sowie die Weiterbildung der im Einsatz stehenden unbedingt im Zentrum der Bemühungen stehen.

78

7. EXKURS: Die Sprachsituation in den Tochtersiedlungen Oxapampa, Villa Rica und Santa Rosa

Im Rahmen meiner Untersuchungen der Sprachsituation in der Kolonie Pozuzo habe ich auch die Tochtersiedlungen Oxapampa und Villa Rica besucht, um auch dort die heutige Situation des Deutschen zu untersuchen. Allerdings waren meine Bemühungen letztlich nicht sehr ertragreich. Dies ist schlicht darauf zurückzuführen, dass keine oder kaum noch Dialektsprecher vor Ort zu finden waren. Dennoch sollen hier die derzeitigen Verhältnisse kurz Erwähnung finden. Darüberhinaus war ich auch mehrere Male in der Tochtersiedlung Santa Rosa, die schon allein wegen ihrer geringen Entfernung von Pozuzo Centro eine andere sprachliche Entwicklung als Oxapampa oder Villa Rica genommen hat.163

7.1. Oxapampa

Der Ort Oxapampa wurde im Jahr 1891 von Enrique Böttger Treu, einem Sohn deutscher Einwanderer, gegründet. Oxampampa ist heute der Hauptort der gleichnamigen Provinz Oxapampa. Diese Provinz gehört zum Departamento de Pasco und gliedert sich in die sieben Verwaltungsbezirke Oxapampa, Villa Rica, Chontabamba, Huancabamba, Pozuzo, Puerto Bermúdez und Palcazú. Die Provinz Oxapampa zählt etwa 65.000 Einwohner. Der Ort Oxapampa liegt auf ca. 1800 m Seehöhe und hat heute 14.190 Einwohner (2007)164. Oxapampa leitet sich aus dem Quechuawort Ocsha für „Stroh“ ab, der Name bedeutet somit „Strohebene“.165

Der Kolonist Enrique Böttger Treu heiratete eine Tochter Tiroler Emigranten aus Pozuzo, Margarita Müller Randolf. Gemeinsam mit seinem Bruder und einigen weiteren Nachkommen deutscher Einwanderer konnte er mit einem

163 Die Informationen dieses Kapitels entstammen meinen persönlichen Aufzeichnungen während meines Aufenthalts in Pozuzo und den genannten Tochtersiedlungen von August bis November 2008. 164 Vgl. Steinicke / Neuburger (2009), S. 9. 165 Vgl. http://www.oxapampaonline.com/show_articulo.aspx?art=19 (28.09.2009). 79

Franziskanerpater der Missionsstation Quillazú den Landerwerb aushandeln und die neuen Siedler ließen sich im Gebiet um den Río Huancabamba nieder.166 Durch eine starke Zuwanderung von Pozucinern wuchs der Ort Oxapampa schnell zu einer kleinen Stadt heran und so gehören die österreichisch-deutschen Kolonisten von Pozuzo auch in Oxapampa zu den Siedlungspionieren.

Frau Carolina Egg Gstir, eine direkte Nachfahrin der Tiroler Kolonisten aus Pozuzo, lebt heute in Oxapampa, wo sie ein Albergue (Beherbergungsbetrieb) für Touristen betreibt. Sie ist in Pozuzo aufgewachsen und ihre Eltern haben noch Tirolés gesprochen. Sie selbst beherrscht den Dialekt auch noch, aber laut eigenen Angaben nicht sehr gut. Auch bei ihr hat die spanische Landessprache den absoluten Vorrang. Da ihr Ehemann Peruaner ist, wurde mit den Kindern ausschließlich Spanisch gesprochen. Ihre älteren Geschwister, die ebenfalls mit dem deutschen Dialekt aufgewachsen sind, wohnen heute im ganzen Land verteilt, womit auch die Familie ihre Funktion als Ort der Sprachpflege verloren hat.

Daher habe ich versucht, einen anderen Ausgangspunkt in der Stadt zu finden und habe Mirko Frey besucht. Seine Familie übersiedelte von Pozuzo nach Oxapampa. Sein Vater – eigentlich ein Sohn späterer deutscher Einwanderer, die allerdings früh verstarben, sodass er mit dem Tirolés der Pozuciner aufwuchs – sprach Dialekt, seine Mutter hingegen Hochdeutsch. So konnten sich die beiden nur schlecht miteinander verständigen und es wurde faktisch nur Spanisch gesprochen. Erst durch seinen Onkel Hermann Frey, der viele Jahre später von Bayern nach Oxapampa gekommen war, lernte er Schriftdeutsch. Seinen eigenen Angaben zufolge spricht er selbst auch eher Hochdeutsch als Dialekt und er meinte, er sei der einzige noch verbliebene Einwohner in Oxapampa, der die deutsche Sprache beherrsche.

166 Das Land wurde vom Franziskanermissionar zum Nachteil der dort bereits ansässigen Yanesha verschachert; die neuen Siedler hätten danach den Wald geschlagen und die Yanesha verdrängt. S. Schabus (2010). 80

Bei meinen weiteren Nachforschungen fand ich seine Aussagen weitgehend bestätigt. Vielfach wurde mir gesagt, alle Einwohner, die noch Dialekt oder Hochdeutsch sprachen, seien bereits tot oder nach Lima gezogen. Einige Personen, deren Eltern noch Deutsch gesprochen hatten, beherrschen nach eigenen Angaben die deutsche Sprache nicht mehr. Einige Male wurde die Vermutung geäußert, sie könnten unter Umständen noch etwas verstehen, was sich aber nicht bestätigte.

Darüberhinaus wurden mir von etlichen Leuten einige wenige Namen von Pozucinern genannt, die heute in der Provinz Satipo, (Departamento Junín), leben. Allerdings war es mir nicht möglich, auch diese Menschen aufzusuchen. Weitere Personen, die möglicherweise auch heute noch Dialekt sprechen leben in Mairo, Puerto Inca und Yanahuanca.167

Abgesehen von Carolina Egg Gstir und Mirko Frey konnten in Oxapampa keine Personen ausfindig gemacht werden, die die deutsche Standardsprache oder den deutschen Dialekt beherrschen bzw. sich dazu bekennen. Somit kann man die deutsche Sprache und vor allem den deutschen Dialekt der alten Kolonisten von Oxapampa als nicht weiter existent und vor allem für die heutigen Gegebenheiten als nicht mehr relevant bezeichnen.

7.2. Villa Rica

Villa Rica (Provinz Oxapampa, Departamento Pasco) liegt ca. 40 km südöstlich von Oxapampa auf 1470 m Seehöhe im Antaz-Tal und wurde 1925 von Kolonisten aus Pozuzo und Oxapampa gegründet.168

Bereits in Oxapampa wurden mir Namen von möglichen Ansprechpartnern in Villa Rica genannt. Hans Brack Egg und Domingo Brack Egg, Brüder des derzeitigen peruanischen Umweltministers Antonio Brack Egg, waren zur Zeit meines Aufenthalts in Villa Rica leider nicht anwesend. Von mehreren Seiten

167 Siehe hierzu auch Schabus (2010). 168 Vgl. Steinicke / Neumann (2009), S. 9. 81 wurde mir allerdings bestätigt, dass die beiden noch Deutsch sprechen könnten. Bei einem kurzen Telefongespräch mit Domingo Brack meinte dieser, er spreche nur noch ein bisschen Deutsch, mas o menos („mehr oder weniger“).

Anita Egg Schuler, Schwester des Ex-Bürgermeisters von Pozuzo, Augustin Egg Schuler und eine Tante von Antonio Brack Egg, spricht entgegen allen Erwartungen ebenfalls keinen Dialekt mehr. Obwohl damit aufgewachsen, ging ihr die Sprache ihrer Vorfahren über die Jahre ebenso verloren wie vielen anderen, die sie nicht mehr gebraucht hatten. Ihr Mann war Juan Guillermo Frantzen Westreicher, seine Mutter, Teresa Westreicher, stammte aus Pozuzo. Auch in diesem Fall war das Problem aufgetaucht, dass Anitas Mann Juan nur Deutsch gesprochen hatte und sie nur Dialekt verstehen konnte. So wurde wiederum ausschließlich Spanisch gesprochen, natürlich auch mit den Kindern. Die beiden sind vor etwa 20 Jahren aufgrund des Terrorismus von Pozuzo nach Villa Rica übersiedelt. Sie kennt auch niemanden mehr in Villa Rica der noch Deutsch sprechen könnte, abgesehen von ihrem Neffen Hans Brack Egg.

Ebenfalls aus Pozuzo stammend ist die Familie von Imelda Contreras Ruffner und ihrem Mann Arnaldo Huevo Schuler. Seine Mutter war Teresa Schuler Staller aus Pozuzo, allerdings wurden beide bereits in Villa Rica geboren. Auch Imeldas Eltern kamen ursprünglich aus Pozuzo, und laut ihren eigenen Angaben hat sie mit ihnen auch Tirolés gesprochen und spricht es heute noch mit ihrer Schwester. Der Versuch, ein Interview mit ihr durchzuführen, ist leider gescheitert, da sie mich nicht gut verstand und auch im Gebrauch des Dialekts nicht sehr sicher schien, denn sie ist immer wieder sehr schnell ins Spanische zurückgefallen. Einige ihrer Cousins und Cousinen sind nach Lima gezogen, ein Cousin aus Villa Rica war zur Zeit meines Aufenthalts auf Reisen. Er könnte noch Dialekt sprechen meinte sie. Auffällig war, dass immer von „könnte“ die Rede war, niemals wurde mit Sicherheit bestätigt, dass jemand noch wirklich Deutsch spricht. Ein weiteres Zeichen dafür, dass auch in Villa Rica die deutsche Sprache keinerlei Rolle

82 mehr zu spielen scheint, was sich im weiteren Verlauf meiner Nachforschungen nochmals bestätigen sollte.

Imelda Contreras hat mich daraufhin zu Martha Nössing Schuler gebracht, bei der sie ebenfalls die Vermutung hegte, dass diese noch Dialekt sprechen könnte. Tatsächlich war bei Marta Nössing, die in Pozuzo aufgewachsen und mit 17 Jahren nach Villa Rica gegangen war, noch etwas von ihrer Dialektkenntnis vorhanden. Sie konnte mich relativ gut verstehen, allerdings hat sie das, was sie im Dialekt sagte, sofort auf Spanisch wiederholt. Sie meinte, sie könne mich teilweise verstehen, und hätte ihre Antworten darauf auch im Kopf, aber wenn sie es aussprechen möchte, fehlten ihr die Worte und sie könne es nicht mehr formulieren. Diese Beobachtung war überaus interessant und ich denke, dass es vielen Bewohnern aus Pozuzo durchaus ähnlich gehen könnte. Die Tatsache, dass eine Minderheitensprache nicht praktiziert wird, nimmt ihr die Selbstverständlichkeit und übergibt sie der Unsicherheit, die sich gegenüber der Landessprache auch schnell zu einer Scham entwickeln kann (vgl. Kap. 6).

Der verstorbene Mann von Martha Nössing Schuler, Luis Egg Müller, war ebenfalls aus Pozuzo, sie haben sich aber in Villa Rica kennengelernt. Der Grund, dass sie Pozuzo verlassen hat, war, dass sie sich laut ihren Angaben dort nie wohlgefühlt hat; sie mochte Pozuzo nicht und mag es auch heute noch nicht. Sie war seit vielen Jahren nicht mehr in der Kolonie, sie meinte, die Pozuciner seien Rassisten, außerdem kalt und gefühllos. Vielleicht war das der Grund, warum sie den deutschen Dialekt in Vergessenheit geraten ließ, neben Problemen in Villa Rica, die darin bestehen, dass kein Zusammenhalt in der Stadt besteht, die Leute sich gegenseitig nicht kennen und keiner über den anderen Bescheid weiß. Prinzipiell kann ich diesen Aspekt bestätigen, denn die Leute konnten kaum jemanden nennen, der die deutsche Sprache in Villa Rica spricht, und obwohl viele ursprünglich aus Pozuzo stammen, kennen sie einander nicht. Laut Martha Nössing haben sich die Leute immer über Geld definiert, wer mehr hatte, war mehr wert, und Freundschaften untereinander haben nie existiert.

83

Obwohl trotz allem noch einige Personen in Villa Rica – im Gegensatz zu Oxapampa – zu finden waren, die den deutschen Dialekt zumindest ansatzweise beherrschen und sprechen könnten, ist das sprachliche Wissen großteils bereits in Vergessenheit geraten. Wenn dies weiterhin so bleibt und die Sprache nicht praktiziert wird, die Übung und die Gewohnheit des alltäglichen Gebrauchs fehlen, wird es nicht mehr lange dauern, bis auch in Villa Rica der deutsche Dialekt vollkommen der Vergangenheit angehören wird.

7.3. Santa Rosa

Die Tochtersiedlung Santa Rosa liegt nur etwa 10 km von Pozuzo flussabwärts in Richtung Codo del Pozuzo entfernt. Durch die Nähe zur Kolonie wurden hier sowohl die sprachlichen als auch wirtschaftlichen und infrastrukturellen Veränderungen weitgehend mitvollzogen. Das Ortszentrum von Santa Rosa ist sehr klein, und es sind hauptsächlich Familien mit österreichisch-deutscher Abstammung in Santa Rosa zu finden. Somit ist auch die demographische Situation mit der von Pozuzo in früheren Jahren vergleichbar und es konnten auch einige Interviews mit Bewohnern aus Santa Rosa durchgeführt werden.

Darüberhinaus gibt es den verpflichtenden Deutschunterricht für alle Schüler auch in Santa Rosa, die Kirche wird von den beiden Pfarrern aus Pozuzo betreut und die Einwohner Santa Rosas sind in kultureller Hinsicht vollkommen in das Pozuciner Leben eingebunden.

Aus diesem Grund soll hier nicht weiter auf die Tochtersiedlung Santa Rosa eingegangen werden, alle relevanten Daten darüber finden sich in den vorhergehenden Kapiteln.

84

8. Schlussfolgerungen und Ausblick

Sprachinseltod – damit ist die soziolinguistische, linguistische und teilweise auch dialektologische Entwicklung angesprochen, durch die eine Sprachinsel eingegliedert wird oder sich eingliedert in die neue Kontaktgesellschaft, in die es die Sprachinselgemeinschaft verschlagen hat. Und Sprachinseltod, das scheint das Schicksal aller Sprachinseln zu sein […]169

Dass die Assimilation der Pozuciner an ihre Umgebung nicht nur auf kultureller, sondern auch auf sprachlicher Ebene bereits sehr weit fortgeschritten ist, wurde in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich dargestellt. Nun stellt sich die Frage, inwieweit man deshalb von einem baldigen Sprachtod beziehungsweise dem Tod Pozuzos als deutscher Sprachinsel ausgehen kann.

Den Normaltyp von Sprachtod bezeichnet man als „language shift“ oder „gradual death“, bei dem der Sprachverlust innerhalb der Sprachgemeinschaft oder der einzelnen Sprecher über drei Phasen abläuft. In einer ersten Phase kann man dabei von einer Monolingualität der gesamten Gruppe ausgehen, die zweite Phase ist von einer ausgedehnten Bilingualität gekennzeichnet. In dieser ist ein Trend hin zu den Kontaktsprachen festzustellen, die schließlich wiederum in einer monolingualen Phase endet, in der die Ausgangssprache vollständig oder in einzelnen Varietäten verloren gegangen ist.170

Die zahlreichen strukturlinguistischen Forschungsansätze setzen nun in dem bilingualen Feld des Übergangs an, um die sprachlichen Veränderungen zu erfassen, die sich in der Ausgangssprache über einen Zeitraum hinweg einstellen. Die Soziolinguistik nimmt als Ausgangspunkt des Sprachtodes immer einen komplexen Zusammenhang externer Faktoren an, wie beispielsweise allgemeine historische beziehungsweise sozialhistorische Prozesse. Nach Mattheier haben sich hierbei immer wieder vier Entfaltungsdimensionen erkennen lassen, über die eine Gemeinschaft von einer neuen Sprache/Varietät erfasst wird.171 Diese sollen nun kurz auf ihre

169 Mattheier (2003), S. 13. 170 Vgl. Mattheier (2003), S. 19-20. 171 Vgl. Mattheier (2003), S. 20-21. 85

Gültigkeit bezüglich der soziolinguistischen Situation in Pozozu erläutert werden.

Bei der im Vordergrund stehenden diastratischen Dimension, wird stets das Alter genannt, das die Sprachverdrängung steuert. „Alte Leute behalten die Ausgangssprache noch bei, während die jungen Leute schon die neue Sprache übernehmen.“172 Wie in den Kapiteln 4 und 5 dargestellt wurde, beschränkt sich die heutige Dialektverwendung in Pozuzo fast ausschließlich auf die älteren Generationen, vereinzelte Sprecher sind noch in der Gruppe der 30-jährigen zu finden, Jugendliche mit Dialektkenntnissen gibt es in Pozuzo kaum noch. Eine weitere Dimension ist die diaphasische, in der es um unterschiedliche Verwendungssituationen der beiden Sprachen, für welche immer wieder hauptsächlich die berufliche Sphäre genannt wird, über die die Kontaktsprache Einzug hält in die Sprachlichkeit der Sprachinsel. War es in der Anfangsphase der Kolonie so, dass die Indigenen, die auf den Höfen der Pozuciner arbeiteten, oft die Sprache der Kolonisten erlernten, ging die Entwicklung im Laufe der Zeit dahin, dass sich die Hofbesitzer die Sprache der Arbeiter aneigneten und bald Spanisch die hauptsächlich verwendete Sprache auf den Höfen und am Feld war.173 Die dritte, diatopische, Dimension erscheint mir für Pozuzo besonders bezeichnend.

Die Regionen etwa, in denen Minderheitensprachen zuerst abgebaut und aufgegeben werden, sind in der Regel die ökonomischen und industriellen Zentren, während man an einer Karte der letzten noch vorhandenen Sprachminderheiten zugleich auch die gesellschaftliche, ökonomische und kulturelle Isolation ablesen kann.174

Betrachtet man noch einmal die historische Entwicklung der deutschen Kolonie Pozuzo, so sieht man deutlich, dass vor allem die lange geografische Abgeschiedenheit, die im Weiteren eine soziale und auch wirtschaftliche Isolation verursacht hat, unter anderem ausschlaggebend war für die Erhaltung des Tiroler Dialekts bis heute. Dies führt auch über in eine vierte Dimension der medialen Verteilung von alter und neuer Sprache, in der die aktive und primäre Kontaktsprache in der Regel die neue Schriftsprache darstellt und die autochthone Sprache nur noch auf sprechsprachiger Ebene

172 Mattheier (2003), S. 21. 173 Mündliche Aussage von Egg Gstir, Maria in Pozuzo, Palmatambo, 12.09.2008. 174 Mattheier (2003), S. 21. 86 fungiert.175 Auch diese Entwicklung ist in Pozuzo sehr gut zu erkennen, kaum ein Dialektsprecher kann heute noch Deutsch lesen oder schreiben.

In diese vier Entfaltungsdimensionen eingegliedert ist ein Faktorenbündel, das entweder zu einem Aufgeben der Minoritätensprache (loss-Faktor) oder zu deren Erhaltung, einer language-maintainance-Konstellation, führt. Je nach Gesamtkonstellation, die die Sprachaufgabe fördert oder verhindert, kann die Entwicklung auch ambivalent sein. So wird bei Mattheier etwa die Übernahme der Kontaktsprache in den schulischen Bereich als eine Zurückdrängung der Minoritätensprache gesehen176, was auch im Fall von Pozuzo mit dem einstigen Verbot des Deutschen als Unterrichtssprache als eine der Schlüsselfaktoren für die Aufgabe des Dialekts in den jüngeren Generationen gesehen werden kann. Dieser Entwicklung möchte man nun mit dem verpflichtenden Deutschunterricht für alle Schüler entgegenwirken. Wie und ob sich dies auch auf den weiteren Erhalt des Tiroler Dialekts auswirken wird, bleibt abzuwarten. Tatsächlich könnten aber dadurch Brücken zwischen den Generationen geschlagen werden, Kinder und Jugendliche für die Herkunft und die Traditionen ihrer Vorfahren sensibilisiert und vielleicht auch ein gewisses Interesse an der Sprache der Großeltern geweckt werden.

Die Familie Nössing aus Huacamayo etwa ist eines der wenigen Beispiele in Pozuzo für einen solchen Entwicklungsprozess. Die Großeltern sind beide Dialektsprecher, ihre Kinder sind in früher Jugend noch mit dem Dialekt groß geworden, mit dem Schuleintritt aber ging die Konversation auch zu Hause zur spanischen Sprache über. Allerdings wurde, nicht zuletzt bedingt durch den verstärkten Tourismus, vor einigen Jahren der Dialekt im Hause wiederbelebt und Enkel Kevin lernt heute in der Schule Deutsch. Sein Interesse am Erlernen der Sprache ist groß und wird auch von seiner Familie erfreut aufgenommen. Selbst wenn er den Dialekt nicht oder nur sehr marginal sprechen kann, so versteht er doch sehr vieles und schlägt von selbst die Brücke zur deutschen Hochsprache, die er in der Schule erlernt.

175 Vgl. Mattheier (2003), S. 21. 176 Vgl. Mattheier (2003), S. 22. 87

Wenig weiß man bisher über den Umschlagpunkt, in dem eine stabile Sprachinselkonstellation übergeht in die Verfallsphase, in der sich die meisten deutschstämmigen Sprachinseln heute befinden. Sicherlich wird man durchgehend feststellen können, dass vorhandene isolationistische Tendenzen innerhalb der Sprachinseln abgebaut werden. Die allgemeine gesellschaftliche Modernisierung, die alle Gesellschaften seit dem 20. Jahrhundert umstrukturiert, führt in Sprachinseln in der Regel zu einer Assimilation an die Umgebungsgesellschaft.177

Wie ersichtlich wurde, sind die angenommenen Entfaltungsstationen, die eine isolierte autochthone Sprache durchläuft und langsam von der umgebenden Kontaktsprache erfasst wird, auch in Pozuzo vorhanden. Allerdings führten das Ende der geografischen Isolation und die infrastrukturelle Anbindung an die Außenwelt nicht nur zu einer erheblichen Zuwanderung und damit zu einem stärkeren Kontakt mit der spanischen Landessprache, sondern – auf touristischer und projektbezogener Basis – auch zu einem verstärkten Kontakt mit der alten Heimat in Europa. Wenngleich nicht alle initiierten Vorhaben zu einem erfolgreichen oder erfreulichen Ende führen, der verstärkten Auseinandersetzung mit der alten Kultur der Kolonisten, dem Versuch der Aufrechterhaltung der früheren Traditionen und der Wiederbelebung der deutschen Sprache ist dieser verstärkte Kontakt auf jeden Fall förderlich. Es bleibt zu hoffen, dass das Tirolés dem verstärkten Assimilationsdruck standhalten kann, Sprachkompetenzen vermehrt an die jüngere Generation weitergegeben werden, und Pozuzo nicht nach dem Tod als Sprachinsel nur mehr als Kultur- oder gar nur mehr als Folklorismus- bzw. Tourismusinsel erhalten bleibt. Ansätze und Bemühungen, vor allem die deutsche Sprache in Pozuzo zu erhalten, sind vielfach vorhanden, und so sollte man meinen, dass Pozuzo noch lange vom sogenannten „Sprachinseltod“ verschont bleiben wird.

177 Mattheier (2003), S. 29. 88

9. Literaturverzeichnis

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9.3.2. Pozuzo im Internet www.pozuzo.tk www.pozuzo.com www.pozuzo.at www.pozuzo.de www.pozuzo.org www.propozuzo.at www.peru-spiegel.de

95 http://www.deutschinallerwelt.net/CAAL/Pozuzo-2009.htm www.oxapampaonline.com www.villaricaperu.com www.sprachinselverein.at

Laura Contreras, Wilfredo: Pozuzo a través de su historia. Pozuzo 2007: http://www.espejodelperu.com.pe/ca/per-ale/Huellas/Pozuzo-Historia.pdf http://www.haiming.tirol.gv.at/system/web/zusatzseite.aspx?detailonr=20578 9

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10. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Der Weg von Lima nach Pozuzo ...... 14 Abb. 2: Pozuzo und Umgebung ...... 17

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11. Verzeichnis der Gewährspersonen

 Baumann de la Cruz, Theresa; 17.09.2008  Egg Gstir, Andres; 1.10 2008 und 03.11.2008  Egg, Augustin; 06.11.2008  Egg Gstir, Maria; 02.09.2008  Gstir, Juan; 08.11.2008  Gstir Schaus, Carlos; 18.09.2008  Gstir Schmidt, Rosina; 03.10.2008  Gstir Schmidt, Walburga; 27.10.2008  Gstir Witting, Nikolaus; 27.10.2008  Köhle Schaus, Johann; 09.09.2008  Müller, Bernhard; 02.10.2008  Nössing Crisanto, Luis; 24.09.2008  Nössing Witting, Betza; 24.09.2008  Randolf, Anna; 08.11.2008  Randolf, Delfina; 25.10.2008  Schaus Bauer, Ida; 24.10.2008  Schaus Frech, Anna Sabina; 07.10.2008  Schaus Frech, Clara; 15.10.2008  Schaus Witting, Edith; 26.09.2008  Schuler, Franz Josef; 04.11.2008  Schuler Egg, Zita; 10.10.2008  Schuler Köhle, Franz Josef; 26.10.2008  Solleder Aumer, Eva Maria; 20.10.2008  Villar Koch, Josefina; 04.11.2008  Villar Koch, Regina; 04.11.2008  Witting Schaus, Ida Rosalina; 24.09.2008  Witting Schuler, Edith; 10.10.2008

11.1. Teilnehmer der Motivationserhebung am 20.10.2008 in Pozuzo Centro

 Ballesteros Rios, Danny  Ballesteros Vasques, Evelyn  Cuya Martinez, Luis Alberto  Don Miguel  Espinoza, Lorena Isidora  Lara, Jaime  Poma Westreycher, Ruth  Schuler Leandro, Isabel  Schuler Vargas, Scheyla  Trujillo Ballesteros, Thelmo  Villar Schmidt, Melina Lizbeth

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Abstract

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Sprachkontaktsituation in der deutschen Sprachinsel Pozuzo in Peru. Die Kolonie wurde im Jahre 1859 von Auswanderern aus Tirol und dem Rheinland in der Selva Central gegründet. Die Kolonisten kamen erst nach einer mehr als zwei Jahre andauernden Reise in das für sie vorgesehene Gebiet am Andenostabhang Perus. Durch eine völlig isolierte geografische Lage lebten sie über 100 Jahre lang größtenteils abgeschnitten von der Außenwelt in Subsistenzwirtschaft. Durch die Straßenverbindung mit dem nächstgelegenen Ort Oxapampa im Jahre 1976 änderte sich die wirtschaftliche und soziale Lage Pozuzos. Vermehrte Zuwanderung, steigender Tourismus und wirtschaftliche Anbindung an günstiger gelegene Zentren veränderten das Leben der Bewohner nachhaltig. Vor allem der Tiroler Dialekt, der sich durch die isolierte Lage der Kolonie lange Zeit am Leben erhalten konnte, erfuhr letztlich auch durch den Straßenbau einen weiteren Niederschlag. Doch die Vernachlässigung des Dialekts und der Vormachtanspruch des Spanischen begannen schon in früheren Zeiten der Kolonie. Auf diese Ereignisse und die Gründe für die stete Zurückdrängung des Dialekts wird in dieser Arbeit besonders eingegangen. Darüber hinaus werden Besonderheiten des heutigen Pozuciner Dialekts, dem Tirolés, das trotz allen Widrigkeiten bis heute lebendig ist, behandelt und auf die Sprachkontaktsituation zwischen dem Tirolés und Spanisch eingegangen. Einen besonderen Punkt bezüglich Sprache und Dialekt in Pozuzo stellt der seit 2005 verpflichtende Deutschunterricht für alle Schüler Pozuzos dar. Deshalb wird in einem ausführlichen Kapitel auf den Unterricht in allen seinen Facetten und mit all seinen derzeit noch bestehenden Problemen eingegangen. In einem kurzen Exkurs wird auch die heute bestehende Sprachsituation in den Tochtersiedlungen Oxapampa und Villa Rica beleuchtet, in denen der Tiroler Dialekt allerdings keinen nennenswerten Stellenwert mehr besitzt. Tendenzen, die Pozuzo einen baldigen Untergang als deutsche Sprachinsel verheißen, werden am Ende besprochen und ein Ausblick in die Zukunft gezeichnet.

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Lebenslauf

Name: Pia Maria Koch Adresse: Engerthstraße 99-109/12/10 1200 Wien, Österreich Telefon: +43/699 111 66 456 E-Mail: [email protected] Geburtsdatum u. Ort: 13. März 1984, 2421 Kittsee

Ausbildung seit März 2009 Interdisziplinärer Universitätslehrgang für Höhere Lateinamerika-Studien (Master of Arts in Latin American Studies) am Österreichischen Lateinamerika-Institut in Zusammenarbeit mit der Universität Wien seit 2003 Studium der Deutschen Philologie an der Universität Wien Nebenfächer: Geschichte und Komparatistik 1. Diplomprüfung April 2006 1998 – 2003 Bundeshandelsakademie in 7100 Neusiedl am See, Bgld. Ausbildungsschwerpunkt: Marketing und Internationale Geschäftsbeziehungen

Auslandsaufenthalte

Nov/Dez. 2006: 3-wöchige Studienreise nach Guatemala und Mexiko „Kaffee in Mittelamerika“, ausgehend vom Institut für Geschichte der Universität Wien unter der Leitung von Prof. Martina Kaller-Dietrich September 2007 – Jänner 2008: Erasmusaufenthalt in Barcelona/Spanien August – November 2008: 3-monatiger Forschungsaufenthalt im Rahmen der Diplomarbeit „Zur Sprachkontaktsituation in der deutschen Sprachinsel Pozuzo, Peru“ in Peru. Im Anschluss daran einmonatige Reise durch Bolivien, Chile und Argentinien.

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