Euro 5,- / 2,50 ermäßigt für Studierende P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien Zul. Nr. 09Z038334M gift Von welchem Theater träumst du? träumst Theater Von welchem Wien – Salzburg – Berlin ... Dach am Feuer Von welchem Theater träumen wir? Billeteur der und Burgtheater Das politik Zwischen Utopie

zeitschrift für freies theater * Duden.de : Sachbezogenheit; (österreichische Amtssprache) Dienstordnung, Ordnung des Staatsdienstes des Ordnung Dienstordnung, Amtssprache) (österreichische Sachbezogenheit; : Tanzende Rasierklingen Büchner Georg Jahre 200 Denken in Bewegung Bitterli Milli diskurs und Pragmatik* Neu gelandet Im_flieger – Politik Partizipation – Praxis Wienwoche szene

01/2014 Premieren Inhalt

1 editorial 07.01. 17.01. 12.02. 24.02 politik Walter Reiterer/Dana Proetsch: Cavalleria rusticana: Pagliacci kunststoff: Eine Jacke ist eine portraittheater: Grrrimm Theater L.E.O. Wien Jacke ist eine Jacke Curie_Meitner_ Spielraum Wien 0680 335 47 32 Dschungel Wien, 01 522 07 20 20 Lamarr_unteilbar 2 kurz & knapp 01 713 04 60 60 Drachengasse Bar & Co Wien 3 Die freie Szene braucht endlich legale und professionelle Arbeitsbedingungen! 01 5121444 17.01. 13.02. 4 Burgtheater Wien, den 12. Oktober 2013: Die Billeteursrede 08.01. Esther Muschol: Luzid Theater Laetitia: 6 Das Burgtheater als Nucleus der Produktion nationalstaatlicher Ideologie Christian Diaz Theater im Bahnhof: Köche KosmosTheater Wien Hühnersuppe für die Seele. 05.03. 8 Ein Brief. Causa Michael M. gegen Group 4 Das Kochkabinett 01 523 12 26 Kleines Theater Salzburg Babett Arens: 0316 76 36 20 0662 87 21 54 Herzschritt 10 Arie vom Geld Warum die Salzburger Festspiele doch etwas mit der freien Szene zu tun haben KosmosTheater Wien Thomas Hinterberger 21.01. 01 523 12 26 13 Die Revolution der Künstler_innen und art but fair 14.01. Matti Melchinger: Sophie Scholl: 14.02. Roman Freigaßner: Ein Prozess Markus Steinwender: Heidi 14 Starker Tobak gegen Machtmissbrauch Interview mit Elisabeth Kulman Die Argonauten Spielraum Wien Theater des Kindes Linz 10.03. 16 Politisches Handeln in Gemeinschaft Die Koalition der Freien Szene aller Künste in Berlin Julia Wiegele Rabenhof Wien 01 713 04 60 60 0732 605255 Ernst M. Binder: 01 712 8282 Die Krankheit Tod dramagraz diskurs 23.01 15.02. 0316 26 22 42 15.01. Ioan C. Toma: Die Wahrheit Open House Theatre Company: 21 „Ich bin keine Vestalin“ Podiumsdiskussion an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien TheaterFOXFIRE: Theater Phönix Linz The Picture of Dorian Gray The Boys are Back in Town 0732 666 500 Theaterbrett Wien 11.03. Doris Ingrisch DSCHUNGEL WIEN 0680 225 12 90 SABA: Magda Goebbels. 26 Was ist los? Ich kenne mich nicht aus! Sit down and talk Milli Bitterli 01 522 07 20 20 Deutsche Mutter 30 Her Majesty the pressure cooker, or how to cook an independent theater The ACT Festival and international 25.01. KIP Kunst im Prückl Dahl ist brutal 18.02. 01 512 54 00 meeting in Sofi a 2013 Boris Zafi rov 15.01. Toihaus Theater Salzburg daskunst: Cubus 36 Ein Subject namens Büchner Stephan Lack und Jürgen Bauer Christine Eder: 0662 8744390 Dschungel Wien, 01 522 07 20 20 Unendlicher Spaß 12.03. Garage X Wien Thomas Gratzer: szene 01 535 32 00 11 31.1. 20.02. Das bin doch ich Verein Jugendstil: Hot Jobs Hakon Hirzenberger: The Lyons Rabenhof Wien 40 Wienwoche: Pratizipation – Politik – Praxis Ein Interview anlässlich des zweijährigen Bestehens Carolin Vikoler Lenautheater Stockerau Theater Phönix Linz 01 712 8282 15.01. 0699 133 900 01 0732 666 500 44 Die Europäische Theaternacht 2013 Ed. Hauswirth: 46 Entdecken, neu erfi nden, schneller sein Das Wiener Schauspielhaus unter Hans Gratzer Barbara Stüwe-Eßl Der diskrete Charme 19.03. 50 Blau Arbeit An den Schnittstellen von frei und institutionell in Linz und Salzburg Theresa Luise Gindlstrasser der smarten Menschen 11.02. 22.02. Dominic Oley: Mister Christo Tag Wien motschnik: Frosch und Tigerente Bernd Weissig: Tag Wien 54 Im_fl ieger gelandet Neuer Arbeits-, Veranstaltungs- und Diskursraum Barbara Stüwe-Eßl 01 586 5222 Dschungel Wien Der brave Soldat Schwejk 01 586 5222 01 522 07 20 20 Kleines Theater Salzburg info kurzrubriken 0662 87 21 54 16.01. 25.03 das.bernhard.ensemble: 12.02. Open House Theatre Company: 57 intern 20 rezension Eva Brenner: Anpassung oder Widerstand. Wiener.Wald.Fiction Peter Faßhuber: Der Vorname 22.02. The Time Keepers vernetzung Freies Theater heute. Vom Verlust der Vielfalt Off Theater Wien Theater Oberzeiring Peter Pausz: Der Streit KIP Kunst im Prückl 01 523 17 29 0664 834 74 07 Spielraum Wien, 01 713 04 60 60 0680 225 12 90 preise 33 rezension Augusto Boal: Widerstand revisited 58 ausschreibungen 35 bilderrahmen Anja Koehler 59 festivals 43 zeitfenster Hanna Berger 60 impressum 49 sandkasten Markus Kupferblum 61 premieren

Titelbild: FANS – Ein Streifzug durch die Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts. companie bewegungsmelder, 2013 Weitere Programm-Infos online auf www.theaterspielplan.at Aleksandra Vohl, Claudia Grava, Pascale Staudenbauer, Romeo Meyer © Anja Koehler editorial

Liebe Leser_innen,

die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums in der neuen der Republik über 68 Millionen Euro im Zusammenhang mit Regierung lässt die Nation zur Drucklegung in Fassungslosig- der Errichtung und Betreibung des Abschiebegefängnis Vor- keit. Töchterles Feststellung trifft: In diesem Land sind ande- dernberg, das mit Beginn 2014 in Betrieb genommen werden re Kräfte stärker als Argumente (Der Standard, 14.12.2013). soll. Der Flüchtlingsexperte Manfred Nowak mahnt: Sollte Josef Ostermayer, der neue Hybrid-Minister für Kultur im Bun- an einem derart privatisierten Ort Folter erfolgen, kann der deskanzleramt, hat einen Berg offen gebliebener Baustellen Staat nur noch indirekt, wenn überhaupt, dafür geahndet aus der letzten Legislaturperiode anzugehen – gut aufbereitet werden. Überall kommen Risse, Abgründe, bislang nicht öf- in der Broschüre des Kulturrats 42 Monate IMAG, eine Bi- fentliche Kehrseiten der Demokratie zu Tage und belegen de- lanz. Hat er auch einen eigenen Budgetansatz? Die Lage der ren Erosion und Zusammenwirken mit globalen Ereignissen. großen Mehrheit der Künstler_innen ist prekärer als vor fünf Die vor einem Jahr in der Wiener Votivkirche begonnenen Jahren. Der Stellenwert von gegenwärtiger Kunst, von freier Flüchtlingsproteste dauern an und erhalten vor Ort weiter nur Theaterarbeit muss endlich völlig neu verhandelt und bewer- begrenzt Aufmerksamkeit und Solidarität, während in Lampe- tet werden. Stattdessen spricht das Regierungsprogramm von dusa direkt nach der großen Katastrophe erneut Flüchtlinge „einem Investitionsprogramm für Bundestheater“. ertrinken. In Wien vergibt Stadtrat Mailath-Pokorny außerordent- In Bulgarien und Serbien protestieren Student_innen lich 4,9 Millionen Euro mehr an die höchst subventionierten und Bürger_innen gegen Intransparenz und Korruption ihrer Vereinigten Bühnen. Auch hier klafft die Schere zwischen den Regierungen. 500 Autor_innen warnen vor der digitalen Über- Großen und den Kleinen signifikant weiter auf, statt sich zu wachung und im Hintergrund wird weltweit um das internati- schließen. Eine Welle von Protesten ist die Folge, hoffentlich onale Handelsabkommen (TTIP) mit massiven Auswirkungen mit ernst zu nehmenden kulturpolitischen Konsequenzen. In auf die Kultur in Europa gerungen. Berlin und in Hamburg gründen sich Koalitionen der freien Es sind Kampf-Zeiten. Kulturpolitisch. Politisch. Es ist Szene, auch München gibt mehr Geld an die Freien. Der an der Zeit. Unsere Geduld ist am Ende. Mit Infos, Brenn- Deutsche Bundestag schlägt im Dezember 2013 die Einrich- punkten, regionalen Themen und globalen Diskussionen tung eines Kulturfonds für die freie Szene vor. werden wir im neuen Jahr in alle Bundesländer fahren und Im Burgtheater löst die Rede des Billeteurs Christian einmal mehr die Notwendigkeit einer grundlegenden Neu- Diaz eine Flut von Medienreaktionen aus: die Auslagerung bewertung und professionellen Budgetierung freier Theater- der Beschäftigten der Bundestheaterholding an den interna- arbeit ins Land tragen. „Von welchem Theater träumen wir?“ tionalen Sicherheitskonzern G4S wird aufgedeckt, weltweit Eine andere Welt ist möglich. Wir sind mitten darin. kommen unlautere Machenschaften von G4S zu Tage. In Ös- terreich schließt der Sicherheitskonzern einen Vertrag mit Sabine Kock

editorial 1 politik

kurz & knapp

Ein Manifest beim ietm meeting in Athen eine Mio. Euro mehr für die freie Theaterszene gefordert. Um Austausch, Diskurse und die erfahrene Solidarität am Die etwa 200 Gruppen und Einzelkünstler_innen der freien ietm Meeting in Athen 2013 festzuhalten und zu unterstrei- Szene erhalten ca. 550.000 Euro, das sind 1,2 % der Förder- chen, verfassten die Teilnehmenden ein gemeinsames Mani- mittel für Theater. Im Vergleich dazu werden 46 Mio. Euro fest der Solidarität. Das Manifest ist hier nachzulesen: http:// (plus Anteil der Kommunen insgesamt 81 Mio. Euro) an Lan- ietm.org/athens_manifesto desmittel für drei Staatstheater ausgegeben. Die Folgen der Unterfinanzierung: Abwanderung junger Künstler_innen in andere Bundesländer, Überforderung der Theatermacher_in- Mehr Geld für freie Szenen in München nen und der Kommunen bei der Kulturförderung, Konzen- tration von Künstler_innen in wenigen Städten, Initiativen Der Münchner Kulturausschuss beschloss im Oktober eine aus förderschwachen Kommunen und im ländlichen Raum Erhöhung der Fördermittel um 2,3 Mio. Euro. Ein Großteil sterben. der zusätzlichen Mittel fließt in den Erhalt und Ausbau von Infrastruktur – freie Bühnen, Plattformen, lokal und interna- www.laprof.de tional agierende Netzwerke. Die Festivals Dance, Rodeo, Tanzwerkstatt Europa und Figurentheater-Festival erhalten ab 2014 zusätzliche Mittel. Land Salzburg plant mehrere Millionen Euro im Kul­ Gastspiele, Wiederaufnahmen, aber auch Stipendien zur turbereich zu kürzen Vorbereitung neuer Projekte sind für die nachhaltige Ent- wicklung der Tanz- und Theaterszene wichtig, ihre Förde- Die Plattform Kulturland Salzburg sammelt Unterschriften rung wird weiter ausgebaut. Das Marionettentheater wird gegen angekündigte Budgetkürzungen. Hauptbotschaft an 2014 saniert und erhält nach seiner Wiedereröffnung eine Landesrat Dr. Heinrich Schellhorn: Nein zu Budgetkürzungen verbesserte finanzielle Unterstützung. bei Kunst und Kultur – Ja zum Kulturland Salzburg! In kei- nem anderen Budgetbereich wird mit dem Einsparen einer vergleichsweise so geringen Summe ein so großer Schaden laPROF fordert eine Mio. Euro mehr für die freien Dar­ angerichtet. www.kulturland-salzburg.at ist ein überpartei- stellenden Künste liches Netzwerk, vertreten sind u. a. der Salzburger Landes- kulturbeirat, Dachverband Salzburger Kulturstätten, Salzbur- In Hessen wurde in einer Onlinepetition des Landesver- ger Landestheater, Salzburger Volkskultur sowie zahlreiche bandes der professionellen freien darstellenden Künste Institutionen, Initiativen und Einzelpersonen.

2 gift 01/2014 OÖ: Gut dotierte Preise nur an Männer.

2013 gingen wieder alle „großen“ Kulturpreise des Landes Die freie Szene braucht OÖ an männliche Künstler. FIFTITU% weist darauf hin, endlich­ legale und dass Künstler_innen maximal in den Genuss der Talent- förderungsprämien kommen, was einen finanziellen Un- professionelle­ Arbeits­ terschied macht. 1961 wurde der Kulturpreis erstmalig bedingungen! vergeben, 1975 erhielt ihn die erste Frau, die bildende Künstlerin Waldtraud Cooper. Von 24 verliehenen „großen Pressemitteilung IG Freie Theaterarbeit, Kulturpreisen“ gingen sage und schreibe drei an Frauen. 11. Dezember 2013 Armes Oberösterreich.

1. In Wien stieg im letzten Jahrzehnt das Kulturbudget Proteste in Serbien signifikant: „Die Gesamtfördersumme der MA 7 stieg von 73 Mio. Euro im Jahr 2004 auf 101 Mio. Euro im Im Juni machten auch in Serbien in mehreren Städten Jahr 2010“.* Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen ihrer ange- 2. Es mangelt jedoch am sozialdemokratischen Gespür für stauten Wut und ihrer Unzufriedenheit Luft, in Belgrad, Verteilungsgerechtigkeit. „Der Großteil des Zuwachses Novi Sad, Niš and Vršac gingen sie auf die Straßen. Vor ging an Großbühnen“ *. Allein die Renovierung des Ro- allem demonstrierten sie gegen die massive Korruption nacher kostete einen zweistelligen Millionenbetrag und u. a. in der Verteilung der kulturellen Ressourcen, gegen die Eröffnung des Theater an der Wien wurde ebenfalls die bestehende Armut der Kulturarbeiter_innen, gegen mit Millionen dotiert. den Regierungswechsel von den Demokraten hin zu den 3. Die großen Effekte des Mehr an Geld sind jedoch Struk- Konservativen und das Beschneiden des Fonds für so ge- tur konservierend und kontraproduktiv zu den Zielen nannte „nicht-patriotische“ Kunst. der Theaterreform. 2013 wurde das Kulturbudget massiv gekürzt auf 0,6 4. Nach zehn Jahren Theaterreform liegt die finanzielle % des Gesamtbudgets. Das Kulturministerium reagierte Förderung freier Gruppen im Jahr 2013 unter dem Ni- mit der Aussage, dass die Töpfe leer sind und die globale veau des Jahres 2001. Finanzkrise daran schuld sei. Die Proteste werden wei- 5. Trotz der Ergebnisse der von der Stadt Wien beauftragten terlaufen. Studie, trotz diverser Arbeitspapiere, Pressemeldungen seitens der IGFT und seitens vieler Künstler_innen, weiß der Kulturstadtrat offenbar immer noch nicht, unter G4S: Billeteur_innen starten Protestblog welch bedrückenden Bedingungen die große Mehrheit aller Künstlerinnen und Künstler leben Unter anonymebilleteure.tumblr.com wurde ein Protest- und arbeiten. blog von einigen Billeteur_innen gestartet, die Kritik am 6. Prekariat betrifft auch die Besten unter ihnen. britisch-dänischen Sicherheitsdienstleister üben. Sie spre- 7. Die sich seit Jahren verschärfende Prekarität, eine chen sich „für die Arbeit im Theater, aber gegen die Arbeit auch im Kulturbereich immer weiter aufklaffenden bei G4S“ aus. Auslöser waren Unterschriftenlisten, die G4S Einkommens-Schere, mit dem Sager „Neidgesellschaft in den Theatern auflegen hat lassen, in denen sich die Mit- und Jammern auf sehr hohem Niveau“ abzutun, ist eine arbeiter_innen von Christian Diaz distanzieren und erklä- Realitätsverweigerung, die aus dem Mund eines Kultur- ren sollen, gerne für G4S zu arbeiten. Inzwischen wurden stadtrats sachlich schockiert und von einem Sozialde- ohne offiziellen Kommentar zur Causa die Listen von G4S mokraten besonders frustriert. wieder zurückgenommen. Die anonymen Billeteur_innen 8. Über die Medien wird das Versprechen einer Beschwich- fordern in ihrem Blog die umgehende Auflösung der Ver- tigungsmillion kommuniziert. Hinter den Kulissen ist träge zwischen Bundestheaterholding und G4S. || jedoch zu hören, dass ein großer Teil für Baukostenzu-

politik 3 schüsse und andere Strukturausgaben vorgesehen ist. Burgtheater Wien, den 12. Oktober 2013 Damit verschärft sich die Schere zwischen Produktiv- mitteln und Strukturen weiter, statt zu schrumpfen. Die Billeteursrede 9. Es geht nicht um Beschwichtigungsbeträge, sondern um endlich wirksame Strukturveränderungen, die Wien als Kulturstadt auch in 25 Jahren nachhaltig attraktiv für Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen Künstler_innen wie für Publikum machen. und Kollegen, sehr geehrtes Ensemble, sehr geehrte Di- 10. Es ist endlich ein auch budgetär ernst gemeintes Um- rektion, denken und eine auch budgetär angemessene Würdi- gung des freien Sektors wie der (Post) Migrantischen herzlich willkommen in der Utopie The- Kultur notwendig. ater! Mein Name ist Christian Diaz und 11. Wir fordern Produktionsbudgets, mit denen Theater- ich arbeite nebenberuflich seit zwei schaffende professionell und in legalen Arbeitsver- Jahren als Billeteur am Burgtheater. Ich hältnissen arbeiten und von denen sie leben können, stehe hier, weil ich eine gewisse Dring- Produktionsbudgets, die an den Richtgagen der IGFT lichkeit dafür empfinde, dass auf diesem orientiert sind und als ersten Schritt dafür eine Erhö- Theaterkongress auch über die Welt der hung der Projektförderung auf 5 Mio. Euro. Arbeit vor der Bühne erzählt wird. 12. Wir fordern eine strukturelle Reflexion und Umsetzung Der Kongress wird in wenigen Mi- von Instrumenten für junge Künstler_innen und neue nuten seinem geplanten Verlauf folgen. Karriereoptionen im Sektor jenseits eines Ritterns um Bis dahin bitte ich Sie herzlich um Ihre die Intendanz von Häusern. Aufmerksamkeit. 13. Wir fordern angemessene Ko-Produktionsbudgets in Ich bin einer von ca. 400 Arbeitneh- den Häusern der freien Szene. mer_innen, die in den Wiener Bundesthe- 14. Unsere Geduld ist am Ende: Diese grundlegenden Struk- atern als Publikumsdienst arbeiten. Als turveränderungen müssen jetzt geschehen, hier, heute, erste sichtbare Repräsentant_innen der auf Augenhöhe. Häuser tragen wir essenziell zur Insze- nierung des Gesamtkunstwerks Thea- * NPO-Studie zur Tanz- und Theaterszene in Wien, 2012 ter bei. Gegenüber den Besucherinnen und Besuchern inszenieren wir das, was architektonisch österreichisches Natio- naltheater, österreichische Hochkultur gift abonnieren zu sein behauptet. Auch wir sind Per- Bestellen Sie ein gift-Abo former_innen des Burgtheaters. »» 20 Euro für 4 Ausgaben pro Jahr Von welchem Theater träumen »» 10 Euro für Studierende wir? ist das Thema des Kongresses, zu »» 25 Euro Auslandsabo dem Sie heute hierher gekommen sind. Von welchem Theater träumen wir?, das Oder werden Sie IGFT-Mitglied fragte ich mich auch, als ich mir vor eini- im Mitgliedsbeitrag von 35 Euro ist gen Monaten bewusst wurde, dass ich das gift-Abo enthalten in Wirklichkeit nicht für das Burgtheater arbeite. 1996 nämlich gliederte die Bun- [email protected] destheater Holding den gesamten Publi- www.freietheater.at kumsdienst der Wiener Bundestheater 01 / 403 87 94 aus, an den größten Sicherheitsdienst- leister der Welt. Wir performen also das

4 gift 01/2014 Burgtheater, sind aber eigentlich Secu- stensparung und das heißt de facto: Per- Was bedeutet es für die Utopie oder rity Angestellte. sonalkosten-Einsparung. G4S wird von Heterotopie Theater, dass eine der re- Unser Arbeitgeber heißt G4S. Das einer Vielzahl von NGOs weltweit dafür nommiertesten kulturellen Institutionen steht für Group 4 Securior. G4S ist ein angeprangert, schlecht ausgebildetes dieses Landes schon seit vielen Jahren dänisch-britisches Securityunternehmen Personal stark unterbezahlt arbeiten zu unhinterfragt mit multinationalen Un- mit Hauptsitz in Großbritannien. Es ist lassen. In den letzten 7 Jahren zählt die ternehmen wie G4S, Novomatic, Agrana mit mehr als 600.000 Mitarbeiter_innen Research-Kooperative „Corporate Watch“ oder Casino Austria in einem Boot sitzt? der größte Arbeitgeber an der Eng- aus London Proteste und Streiks gegen Was sagen uns diese Fakten über eine lischen Börse. Es agiert in mehr als 120 die Unterbezahlungsstrategie des Unter- Politik, die diese Outsourcing-Praktiken Ländern auf der Welt. G4S Öster­reich nehmens in Nepal, Süd Korea, Namibia, fördert und forciert? Was bedeutet das hat ca 3.000 Mitarbeiter_innen und ist Mozambique, Süd Afrika, dem Kongo, Is- alles für die Glaubwürdigkeit dieses The- in Österreich einer der Marktführer in rael, den USA, Kamerun, Indonesien, Ma- aters? Outsourcing und Security-Solutions. rokko, Panama, Griechenland. Und das Von welchem Theater träumen wir? Das Dienstleistungsportfolio des Unter- sind nur die dokumentierten Proteste. Es ist dringend an der Zeit, dass sich nehmens ist sehr umfangreich. Hier eine 2006 zahlte G4S in den USA erst das Burgtheater der ungerechten, hier­ kleine Zusammenfassung: unter politischem Druck eine Million Dol- archischen und unsolidarischen Arbeits- G4S ist spezialisiert auf Outsour- lar Überstunden an seine Angestellten bedingungen am eigenen Hause stellt. cing Solutions. Das heißt, es profitiert aus, die es seit 1995 einbehalten hatte, Es reicht nicht aus, sich mit pompösen von der Übernahme ehemals öffentlicher so Corporate Watch. 2011 veröffentliche Charityveranstaltungen wie dem „Life- oder korporativer Dienste. Es leitet und G4S die Kampagne „Arbeitende Gefäng- ball“ in der Öffentlichkeit ein gutes unterhält private Gefängnisse in Eng- nisse, arbeitende Menschen", um eng- Image zu verschaffen. Es ist dringend land und den USA. Es organisiert Flücht- lische Unternehmen für Gefängnisse als an der Zeit, dass sich das Burgtheater lingsheime, Abschiebegefängnisse und Produktionsstätte zu begeistern. In den wieder um alle Menschen kümmert, die Sozialhilfe-Zentren in Nordengland. Au- G4S Gefängnissen in England arbeiten zur Realisierung des Gesamtkunstwerks ßerdem kümmert es sich um den Schutz mehrere hundert Häftlinge 40 Stunden Theaters beitragen! von Minen seltener Erden in Südameri- die Woche. Die Arbeitsstunden in den Ich träume von einem Burgtheater, ka und Afrika, es fährt Sicherheitstrans- Gefängnissen sind so günstig und profi- dass sich gegen das Unternehmen G4S porte, es sichert westliche Unternehmen tabel, dass Büromöbel für das Unterneh- positioniert. Ich träume von einem The- in Afghanistan, sichert Banken und Bot- men Norpro – zwischenzeitlich in Indien ater, das sich gegen die Politik stellt, schaften, Ölpipelines, Atomkraftwerke produziert – nun wieder in England her- welche Outsourcing, Privatisierung und und Flughäfen weltweit. Mitte Septem- gestellt werden, so Corporate Watch. damit wachsende Ungerechtigkeit in ber diesen Jahres hat G4S Österreich ei- 2010 gingen Security Angestell- unserer Gesellschaft fördert. Ich träume nen 68 Millionen Euro Vertrag mit dem te – meine Kollegen – bei der Abschie- von einem Theater, das sich gegen die österreichischen Staat unterschrieben. bung des Angolaners Jimmy Mubenga Abschiebung von Menschen wendet, die Das Unternehmen wird in den näch- in London gegen dessen Widerstand so in anderen Teilen der Welt unterbezahlt sten 15 Jahren ein Abschiebegefängnis aggressiv vor, dass dieser an Luftmangel und in Elend die Produkte unseres Wohl- in Vordernberg in der Steiermark unter- erstickte. Dieser Fall wird in England mo- stands herstellen. halten und leiten. mentan vor Gericht verhandelt. Aufzäh- G4S ist international in unzählige lungen von Kritiken und Kontroversen Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne ei- Kontroversen, Skandale und Anklagen um den multinationalen Konzern G4S nen informativen und produktiven rest- wegen Menschenrechtsverletzungen ließen sich fast endlos fortsetzen. lichen Jubiläumskongress! Vielen Dank und Verletzungen des Internationalen Was, meine sehr verehrten Damen für Ihre Aufmerksamkeit! Rechts verwickelt. Die Outsourcing Mo- und Herren, haben diese Fakten mit der delle des Unternehmens beruhen auf Ko- Theaterpraxis dieses Hauses zu tun? Christian Diaz ||

politik 5 Das Burgtheater als Nucleus der Produktion nationalstaatlicher Ideologie

Christian Diaz

Ich stieg als Billeteur auf die Bühne des Burgtheaters. Von welchem Theater träumen wir? war der Titel des Kongresses, in dem ich unangemeldet versuchte, eine „utopische Rede“ zu halten. Das Burgtheater als eines der renommiertesten Sprechtheater Europas hatte es sich zur Aufgabe gemacht, über utopische Potenziale des Mediums Theater heute zu de- battieren. Vergessen wurde dabei, auf die eklatanten Widersprüche einzugehen, die die Produktionsrealität des Hauses bestimmen. Meine Absicht war es, das Gebaren der prominenten Veranstaltungsorganisator_innen auf die Probe zu stellen und – ausgehend von meinem Anstellungsverhältnis – die Realität des Betriebes mit den eigenen Widersprüchen zu konfrontieren:

Ich war Produkt von „new public management” und neo- Burgtheater und nur dieses Unternehmen ist dir ein Dorn liberaler Outsourcing-Ideologie. Ich performte mit meinen im Auge?“ fragt mich ein Journalist am Telefon und erliegt Billeteurskolleg_innen das Burgtheater, war aber tatsäch- augenscheinlich selbst einem blinden Fleck. Jenes „Überse- lich Securityangestellter. Ich arbeitete für G4S, ein Unter- hen”, jenes falsche Bewusstsein, das davon ausgeht, es gebe nehmen, das weltweit in eine Vielzahl von Anklagen wegen ein homogenes, nationales Inneres, ein identitäres Zentrum, Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des interna- welches mit der postkolonialen Ausbeutungsrealität in ande- tionalen Rechts verwickelt ist. Ein Unternehmen, das dafür ren Teilen der Welt nichts zu tun hat. kritisiert wird, weltweit mit struktureller Unterbezahlung und Auch der Burgtheater-Intendant Matthias Hartmann rücksichtsloser Ausbeutung Profit zu erwirtschaften. Ich ar- sollte jetzt die Kulturscheuklappen abstreifen und genauer beitete für ein Unternehmen, das in den nächsten 15 Jahren hinsehen. Solidarisierte er sich doch bereits mehrfach öf- ein Abschiebegefängnis in der Steiermark unterhalten und fentlich mit meiner Aktion und proklamierte sogar in seiner leiten will. Laudatio bei der diesjährigen Verleihung des Nestroypreises: Als einfacher Arbeiter am unteren Ende der Hierarchie „…Christian Diaz, der dem Bundestheaterkonzern den dieses Theaters erkannte ich meinen Arbeitsort in einem grö- Spiegel der Realität vorgehalten hat, hat Recht!” Wenn Herr ßeren Zusammenhang: Nationalstaatlichkeit, hochkulturelle Hartmann sich nicht nur mit der Blume der „Billeteurskritik“ Produktion, EU-Anti-Migrations-Politik, globaler Kapitalis- schmücken will, sollte er den Ball der Verantwortung jetzt mus und neoliberale Prekarisierung von Arbeit. Am Burg- nicht wegspielen. Wenn das Burgtheater sich selbst als ernst theater sind diese Phänomene in einem Geflecht ineinander zu nehmender Ort der Kultur eine Chance geben will, dann verwoben. Mit „der Billeteursrede” klaffte dieses jäh ausei- muss es sich aktiv gegen die genannten Verhältnisse engagie- nander und sprang dem Publikum ins Gesicht. Seither hat die ren. Es ist meiner Meinung nach die Aufgabe des Theaters, Aktion ein breites Echo in den Medien hervorgerufen. Mit strukturelle Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und zu bekämp- großem Erstaunen beobachte ich, wie sich der kleine Riss in fen. Das Burgtheater muss sich ernsthaft befragen, inwieweit der glänzenden Oberfläche der scheinbar einwandfrei funkti- es diese selbst produziert. || onierenden Kulturmaschinerie weiter und weiter vergrößert. Und ich merke, wie leicht die Komplexität der Thematik in den Medien verkürzt wiedergegeben wird. Die Privatisierung Dieser Artikel ist auf der Grundlage eines Beitrags im Südwind Magazin des Abschiebegefängnisses Vordernberg zum Beispiel wird entstanden. isoliert aufgegriffen und kritisch beleuchtet. Die grauenhafte

Realität des Abschiebens sowie die skandalöse Abschottungs- Christian Diaz Orejarena politik der „Festung Europa” werden dabei nicht weiter in Frage gestellt. Genauso wenig wie die hierarchische Produk- war zwei Jahre am Burgtheater als Billeteur tätig. Er studiert im Ordinariat für Konzeptuelle Kunst an der Akademie der Bildenden tionsrealität des Juwels nationalstaatlich-hochkultureller Pro- Künste in Wien. duktion. „Du hattest also eine Leidenschaft für die Arbeit am

6 gift 01/2014 © Anja Koehler: reSearch präsentation Esther Kamp-Häusle tanzKollektion 2010

politik 7 Ein Brief Causa Michael M. gegen Group 4

Sehr geehrte Damen und Herren!

Vor wenigen Wochen habe ich von der destens 40 Jahren in den ehemaligen mutigen Rede von Christian Diaz und Bundestheatern so abgespielt hat. Nach seinem Aufschrei gegen die Firma G4S Erkundigungen bei der Arbeiterkammer, gehört und gelesen. Vor nunmehr 12 die den Billeteur_innen Recht gab, einen Jahren habe ich bereits eine Klage ge- Anspruch auf dieses Geld zu haben, in- gen die Firma Group 4, wie sie damals formierten wir die Geschäftsleitung der hieß, geführt. Es war der Kampf David Firma Group 4 und auch den damaligen gegen Goliath, wurde aber von mir bis Direktor der Wiener Volksoper, Klaus zum Obersten Gerichtshof in allen In- Bachler. Die Firma Group 4 lehnte eine stanzen gewonnen. Auch die Kündi- Fortbezahlung ab und Klaus Bachler gungsanfechtungsklage wurde von mir war mit einer eventuellen Klage von bis zum Obersten Gerichtshof in allen unserer Seite gegen die Firma Group 4 Instanzen gewonnen. Wer sich die Ge- einverstanden. richtsakten einmal durchliest, findet ein Durch Drohungen von Seiten der Fir- vernichtendes Urteil des Arbeits- und ma Group 4 eingeschüchtert, zogen sich Sozialgerichts über die Zustände in der immer mehr Billeteur_innen von der an- Firma Group 4. Leider habe ich damals fangs recht großen Zahl zurück. Übrig verabsäumt die Öffentlichkeit, im Stile geblieben bin ich, der nun diese Muster- eines Christian Diaz, zu informieren. klage alleine durchzog. Man muss dazu Vielleicht wäre dann manches anders erwähnen, dass ich zu diesem Zeitpunkt verlaufen. bereits 14 Jahre in der Wiener Volksoper Nun aber zu der Geschichte wie alles beschäftigt war und zur vollsten Zufrie- begann: denheit für bereits den vierten Direktor Nach der Übernahme des Personals gearbeitet habe. (Karl Dönch, Eberhard der ehemaligen Bundestheater durch Waechter, Ioan Holender und Klaus die Firma Group 4 wurde ein Jahr spä- Bachler). Es folgte nun eine Klage durch ter die Zahlung des sogenannten Zet- alle Instanzen. Zwei Jahre nach Beginn telgeldes eingestellt. Hierbei handelte der Klage hat mich die Firma Group 4 es sich um 10 % des Erlöses vom Pro- gekündigt, weshalb ich nun eine Kün- grammverkauf, der aufgeschlüsselt nach digungsanfechtungsklage wegen verpö- Arbeitstagen jedem/r Billeteur_in zum nten Motivs gestartet habe. Lohn dazu gezahlt wurde. Es handelte Nach dem erfolgreichen Gewinn des sich um eine Praktik, die sich seit min- Zettelgeldverfahrens bin ich zu meinem

8 gift 01/2014 Wer sich die Gerichtsakten einmal durchliest, findet ein vernichtendes Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts über die Zustände in der Firma Group 4.

damals fünften Direktor, Dominique sollten die Mitarbeiter_innen nicht Nach Christian Diaz’ Auftritt im Burg- Mentha, gegangen und dieser hat eine schlechter als unter den Bundestheatern theater fühlte ich mich angespornt, Versammlung der Billeteur_innen und verdienen. Doch nur wer die Differenz noch einmal auch auf mein Schicksal Group 4 Vertreter_innen in der Wiener von erhaltenem Gehalt und dem Soll aufmerksam zu machen, und habe mei- Volksoper einberufen. Dort hat Mentha einforderte, bekam dieses auch. Allein ne Geschichte Burgtheater-Intendant verkündet, dass in seinem Hause das da hat die Firma Group 4 sich viel Geld Hartmann und dem Chefdramaturgen Zettelgeld weiter wie bisher üblich aus- eingesteckt. Weiters wurden Kranken- Andreas Erdmann geschildert. Mir wur- bezahlt werden würde. Dies geschah un- stände nicht richtig abgerechnet. Wie- de geraten mit meiner Geschichte zur ter heftigsten Protesten der Firma Group der wurde nur denjenigen Mitarbeiter_ Zeitschrift Profil zu gehen, was ich auch 4. So war ich stolz für meine Kolleg_in- innen, die sich um ihren Teil rührten, mit Erfolg tat. nen das Zettelgeld erhalten zu haben, die Differenzbeträge ausbezahlt. Aber Was mich auch extrem verwundert, was bis heute Gültigkeit hat. leider gibt es viele Mitarbeiter_innen, ist, dass Georg Springer, Geschäfts- In weiterer Folge informierte ich von die einerseits nicht nachrechnen und führer der Bundestheater-Holding, in diesen Geschehnissen auch die Direk- andererseits sich nicht trauen, ihr Recht einem Profil-Interview behauptet, dass toren von Burgtheater und Staatsoper, zu fordern, was wieder Gewinn für die es niemals Probleme mit der Firma erhielt aber von den kaufmännisch Ver- Firma bedeutet. Group 4 gegeben habe. Vom Zeitpunkt antwortlichen zur Antwort, dass dies Wie ich erst jetzt von Herrn Witt- der Übernahme 1996 bis 2001, als alle in ihren Häusern nicht umsetzbar sei. mann (damals Group 4, später gekün- Anfragen und Klagen zu Ende gegangen Leider musste ich mich mit diesem Teil- digt) erfuhr, haben er und Roland Eck waren – der Bundestheaterverband war erfolg zufrieden geben. Besonders eigen- (damals Group 4, später gekündigt), bei- Nebenkläger – war Dr. Springer auf dem artig war, dass der Burgtheaterdirektor de zuständig für das Personal der Bun- Laufenden. Waren fünf Jahre an Anfra- Klaus Bachler hieß, der in der Volksoper destheater, den Vorstandsvorsitzenden gen, Beschwerden und Klagen gegen die Klage, zumindest moralisch, unter- Stefan Landrock gewarnt, nicht weniger die Firma Group 4 für Dr. Springer zu stützt hatte. Dominique Mentha wollte als 30 Millionen Schilling für den Auf- wenig? schon 1998 die Firma Group 4 loswer- trag pro Jahr von den Bundestheatern den und einen eigenen zur Volksoper zu fordern. Ansonsten würde sich der Mit der Bitte um eine Verbesserung der gehörenden Publikumsdienst haben. Auftrag nicht lohnen. Der Vertrag wurde Arbeitsverhältnisse für die Mitarbei- Was die Billeteur_innen jahrelang be- letztlich aber mit 25 Millionen Schilling ter_innen des Publikumsdienstes in den sonders an der Firma Group 4 gereizt abgeschlossen. Vielleicht liegt darin der Bundestheatern hat, waren die Verletzungen des Arbeits- Grund, warum die Abrechnungen für die rechts. Im Übergangsjahr 1996/97, dem Dienstnehmer_innen nicht stimmten. verbleibe ich mit freundlichen Grüßen, sogenannten Jahr nach AVRAG (Ar- Die Firma versuchte, sich das fehlende beitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz) Geld zu holen, wo es nur möglich war. Michael M. ||

politik 9 Arie vom Geld Warum die Salzburger Festspiele doch etwas mit der freien Szene zu tun haben Thomas Hinterberger

Gleich mal zu Beginn – es gibt gar nicht so wenige aus der freien Szene, die bei den Fest- spielen arbeiten, vor allem in der Technik – mich ein- geschlossen und das schon seit 15 Jahren. Die Kohle stimmt einstweilen noch im Vergleich zu freien Produkti- onen – zumindest in den Bun- desländern und wenn man mit einem verlorenen Sommer und ordentlich vielen Überstunden leben kann, bietet dieser Job die Möglichkeit, den Rest des Jahres nur das zu machen, wozu man Lust hat oder was man für wichtig hält, wenn man seine Lebenshaltungskosten auf Freie-Szene-Niveau hält.

Jede Abteilung der Festspiele Salzburg fasst im Sommer die Stimmung in einem Sujet auf einem T-Shirt zusammen. Das abgebildete stammt von den Lichtler_innen des Hauses für Mozart – das Barometer steht 2013 auf Tief. Copyleft liegt bei Peter Thalhamer und Julian Besch

Halt – stimmt nicht, da war noch was, nämlich vorher. Ich Salzburger Bürgertums. Die Festspiele verloren dadurch für habe damals die Demos gegen Herrn von Karajan mitorga- mich ihre Fratze und ich saß in jeder Generalprobe, für die ich nisert, habe mit Freunden die jedem neuen Jedermann – in Karten bekommen konnte. 1987 nach Taboris Buch mit den diesem Fall Klaus Maria Brandauer – zustehende ORF-Live- sieben Siegeln in der Kollegienkirche war ich selbst schon sendung Jedermann für Jedermann gestürmt und überlegt, fast verkauft, 1992 nach Janácˇeks Oper Aus einem Totenhaus wie man der betuchten Kundschaft im Festspielhaus mal so von Regisseur Klaus Michael Grüber dann vollkommen – ich richtiges „living theater“ bieten könnte. musste dabei sein. Wir wurden gekauft – Brandauer versprach ein Stück Mortier verließ das Haus, es wurde jedes Jahr langwei- mit uns zu erarbeiten – und später verkauft – ist natürlich nie liger und das Salzburger Bürgertum hatte immer weniger dazu gekommen, der Protest war aber schon abgeblasen, das Grund die Premieren auszubuhen. Und Jahr für Jahr empfand Gegenlicht und später das Kulturgelände Nonntal entstanden, ich die Kohle am Bankkonto immer weniger als gerechten Karajan schied dahin und Gerard Mortier wurde sein Nach- Lohn für gute Arbeit, sondern eher als eine Art Schweige- folger – der leibhaftige Gottseibeiuns des muffigen, spießigen geld. Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine

10 gift 01/2014 schrie „Halt's Maul, du verlierst den Job“, die andere tobte stellt. Das Spiel mit dem Risiko, ohne das mancher glänzende „Verräter, du hilfst mit, dieses System der Geldvernichtung Abend vielleicht nicht zustande gekommen wäre, konnte auch aufrechtzuerhalten“. zu unangenehmen Überraschungen führen.“

Das Spiel mit dem Risiko Die Salzburger Festspiele sind ein Rolls-Royce

Doch dann kam Alexander Pereira, „ein großer Zampano Und nun zum Fachlichen: Wir waren ja vieles gewöhnt, der Oper“ (Bürgermeister Heinz Schaden), „Sponsoring-Welt- Lichtdesigner, die keine Probe gesehen haben, Regieteams, meister“ (Kurier 21.07.2012), der einzige, der die Salzburger die nicht wussten, was sie wollten und in zehn Stunden Be- Festspiele vor der angeblich drohenden Pleite retten kann, da leuchtungsprobe zwei Lichtstimmungen zusammenbrachten, die Subventionen seit 1998 kaum mehr erhöht worden sind. Regieteams, die beim Aufbau nicht anwesend waren etc. etc., Wer sich in der Szene auskannte wusste schon, was also eigentlich Dinge, wenn man sich die im freien Bereich kommen würde – Premieren, Premieren und noch einmal Pre- erlauben würde, hätte man am nächsten Tag keinen Job mehr. mieren. Keine Wiederaufnahmen – weil nach seiner Ansicht Aber die Dispo, die Pereira dieses Jahr vorgelegt hat, toppte Wiederaufnahmen keinen Anreiz für Sponsoren darstellen. alles, was wir uns vorstellen konnten: tage- und nächtelanges Doch was eventuell für Zürich gestimmt hat, dass das ko- Umbauen für zwei Stunden Probe, zwei Opern mit vier Stun- stendeckende Abspielen einer Produktion nicht funktionierte, den Umbaupause an einem Tag, vier Opern im Haus für Mo- weil der Kreis der potenziell interessierten Zuschauer_innen zart, wovon zwei davon erst im Sommer produziert wurden. nämlich zu klein sei, hat für Salzburg noch nie gegolten. Franz Welser-Möst hat das einzig Richtige getan, als er diese Zum Beispiel erlebte der Don Giovanni zwischen 2008 Dispo zu Gesicht bekam – den Job einfach hingeschmissen, und 2011 21 Aufführungen, die immer voll waren. Diesen nämlich vorher. Der technische Leiter hat's auch getan, aber Sommer wurde keine Oper öfter als sechs mal gespielt – ein erst nach dieser Saison. Und viele von uns wären gefolgt, wäre ökonomischer und ökologischer Wahnsinn. Wer weiß, wie Pereira verlängert worden. viel die Bühnenbilder in diesen Häusern kosten und wie viele Gerard Mortier hat das in einem Interview im Stan- Menschen an den Proben beteiligt sind, die auch bezahlt wer- dard im Sommer so ausgedrückt: „Die Salzburger Festspiele den müssen, der weiß auch, dass eine Produktion erst im sind ein Rolls-Royce, was das Personal betrifft. Ich habe zweiten Jahr Geld hereinspielt – auch bei 2.179 bzw. 1.580 in keinem Theater gearbeitet, wo die Bühnentechnik bes- Sitzplätzen und Kartenpreisen bis zu 400 Euro. Eigentlich ser gewesen wäre. Da muss man aufpassen! Man darf den eine Milchmädchenrechnung. Ja und was den Festspielball Bogen nicht überspannen!“ Der Bogen wurde eindeutig angeht, gibt es im Haus das Gerücht, dass die Oper den Fest- überspannt. Auch die Sänger_innen stiegen dieses Jahr mit spielball sponsert, nicht umgekehrt. Nicht umsonst sind die großem medialen Erfolg auf die Barrikaden, nachdem ihnen Salzburger Festspiele 90 Jahre ohne Festspielball und jetzt Pereira in seiner Budgetnot die Probengagen gestrichen hat​ auch 14 Jahre ohne nennenswerte Subventionserhöhung (www.artbutfair.org). ausgekommen, jedes Jahr gab es ein positives finanzielles Die Frage ist, was hat das jetzt mit uns, den Freien zu Ergebnis. tun? Sehr viel. In Zeiten schrumpfender Staatsbudgets werden Die Frau Präsidentin unkte bereits, dass sich dieses po- die Kulturbudgets nicht erhöht werden. Da aktuell überall in sitive Ergebnis dieses Jahr vielleicht nicht ausgehen könnte. den großen Tankern die Intendant_innen und Geschäftsfüh- Auch für Salzburg gilt, was Peter Hagmann in der NZZ zu rer_innen das Lied von der wundersamen Geldvermehrung Pereiras Abgang in Zürich geschrieben hat: „Das alles hatte anstimmen und eine sofortige Subventionserhöhung um 10 % seinen Preis, nicht nur auf den Eintrittskarten, auch für die fordern, schrillen bei mir die Alarmglocken. Große Subven- öffentliche Hand. Die Subvention für das Opernhaus Zürich tionserhöhungen in großen Häusern bedeutete immer Kür- ist in mehreren Schritten erhöht worden, ohne dass das Ziel zungen im freien Bereich. Und das vernehme ich auch schon einer vollständigen Abdeckung der Fixkosten erreicht worden auf allen Ebenen: Aus Politiker_innenmündern fallen immer wäre; sie beansprucht heute den Löwenanteil der Kulturaus- öfter Sätze wie „Ihr habt ja keinen Auftrag“ oder „Tut uns leid, gaben im Kanton Zürich, was ein strukturelles Problem dar- das können wir uns in diesen Zeiten einfach nicht leisten“.

politik 11 Towards a poor theatre

Ich habe am Beginn der Wirtschaftskrise naiverweise immer – ohne Breitensport kein Spitzensport und ohne breit gefä- gedacht oder besser gehofft, dass das freie Theater die großen cherte freie Szene und Basiskultur keine Hochkultur. Aber ich Tanker übernehmen wird, einfach, weil es effizienter arbei- bin allergisch auf jene Egoman_innen, die eigentlich nichts tet, weil die Menschen aus der Szene die Erfahrung haben, anderes als ihr eigenes Spiegelbild kennen und um jeden Preis aus wenig viel zu machen. Mit viel Kohle gutes Theater zu ihre ganz persönlichen Vorstellungen durchboxen, völlig egal produzieren kann fast jede/r, aber es gibt nur wenigen Men- ob sie jetzt das Haus ökonomisch und/oder strukurell an schen die Möglichkeit, es zu tun. „Towards a poor theatre“ die Wand fahren und keine Rücksicht darauf nehmen, dass (Grotowski 1968) würde vielen Künstler_innen in Österreich es vielleicht auch andere Kultureinrichtungen und Personen die Möglichkeit geben, von ihrer Kunst zu leben. Wie oft bin gibt, die Subventionen benötigen. Und den Entscheidungs- ich dagesessen und habe irgendwelche Bühnenbildteile un- träger_innen würde ich gerne ins Stammbuch schreiben: gebraucht in den Müll wandern sehen, ohne dass diese je die „Wer sich gut präsentieren kann, ist noch lange kein guter Bretter, die die Welt bedeuten, erlebt hätten, einfach weil es Teamspieler. Und wer nur von Dollarscheinchen träumt läuft der Regie nicht mehr gefallen hat oder die Szene rausgeflogen Gefahr, von den Panzerknackern abkassiert zu werden.“ ist und ich habe immer ganz brav mitgezählt: das war jetzt Seit es die IG Freie Theaterarbeit gibt, fordern wir eine ein Solo und das eine ganze Produktion mit mindestens fünf Reform der Theaterlandschaft – zu mehr Transparenz, De- Schauspieler_innen ... mokratisierung und auch zu mehr Effizienz. Und seit es die Eigentlich habe ich die Salzburger Festpiele in der Ära IG gibt, verweigert die Politik diesen Diskurs, und wenn die „vor“ Pereira trotz aller Wenn und Aber als Vorzeigemodell Politiker_innen bei den jetzt klaffenden Budgetkratern die- empfunden, in welche Richtung sich große Häuser entwi- sen Diskurs weiter verweigern, werden ihnen die Theater, ckeln könnten. Es zogen von Jahr zu Jahr mehr „Freie“ in die aber auch andere Kultureinrichtungen nur so um die Ohren Häuser ein, es wurde an der Basis sehr effizient und kollegial fliegen! Wer Lust hat tiefer einzutauchen: Thomas Trenkler, gearbeitet und der Subventionsanteil der öffentlichen Hand „Verharren und verpulvern“ (www.phoenix-zeitschrift.at/ sank ebenso. Die reichste Gesellschaftsschicht Europas sollte files/ausgaben/PHOENIX_2012-01_web.pdf). doch eigentlich in der Lage sein, sich ihr Festival und auch Ich habe mich in diesem Artikel bewusst auf den Mam- ihre Stars aus der eigenen Tasche zu finanzieren. Aber im mon beschränkt – der Diskurs über die künstlerische Qua- Hier und Jetzt angekommen, bin ich viel pessimistischer. Die lität ist ein ganz anderer, der aber genauso dringend geführt Restauration zieht ihre Stricke immer enger und irgendwie werden muss. Viel Geld und gute Kunst stehen in keinem ist es nicht mehr weit zu jener Zeit, als unter Karajan jegliche direkten Zusammenhang – zu wenig ist tödlich, aber auch zu sonstigen Aufführungen während der Festspielzeit verboten viel kann tödlich sein. Wo zu viel Geld ist, wird aus jeder Idee waren und die Republik das Defizit der Festspiele und der auch schnell ein Geschäft – siehe Osterfestspiele-Skandal. Bundestheater zu 100% beglich, egal wie hoch es war. Statt eines Schlussworts zitiere ich aus dem Mail eines Im Prinzip halte ich nicht viel davon, sich gegenseitig den Freundes aus Zürich: „Pereira gehört an einen Marterpfahl Dolch in die Brust zu rammen, sondern glaube, dass uns So- auf die Salzburgbühne, wo er 100 Stunden lang die Arie vom lidarität, Austausch und Kooperation mehr helfen würden Geld singen muss, nonstop.“ ||

Thomas Hinterberger

Seit 1993 Regisseur und Lichtdesigner in Österreich und international, 2004 Bühnenkunstpreis OÖ, 1995 Christophorus-Preis für Nach Aschen- feld für bester Schauspieler und beste Bühnenmusik in Litauen, seit 15 Jahren im Vorstand der IG Freie Theaterarbeit

12 gift 01/2014 Die Revolution der Künstler_innen und art but fair

Nach dem Motto „Was lange gärt, wird und es wagte, Missstände in der „Ober- Die Revolution der Künstler_innen ver- endlich reif“, hat das Thema Präkarität liga“ des Kulturbetriebs öffentlich an- folgt laut Homepage folgende Ziele: bzw. Leben am Rande des Existenz- zuprangern, bekam art but fair einen minimums, das uns „Freie“ jetzt schon weiteren Aufmerksamkeitsschub. Kul- »» die Künstler_innen untereinander zu seit Jahrzehnten begleitet, Einzug in man kritisierte u. a. das Streichen der solidarisieren und zu vernetzen; die Hochkultur gehalten – der Musi- Probengelder bei mehrwöchigen Opern- »» die Öffentlichkeit auf die Missstände cal-Produzent Johannes Maria Schatz produktionen der Salzburger Festspiele hinzuweisen und Aufklärungsarbeit gründete am 19. Februar 2013 die Fa- durch Intendant Alexander Pereira, enge hinsichtlich des Berufsbildes Künst- cebook-Seite Die traurigsten & unver- Termindispositionen ohne Rücksicht auf ler_innen zu leisten; schämtesten Künstlergagen und Audi- die körperliche Belastbarkeit der Sän- »» die essentielle Bedeutung und den tionserlebnisse, und prompt posteten ger_innen und Inkompetenz und Korrup- einzigartigen Wert der Kunst und der jede Menge Künstler und Künstle- tion bei den Entscheidungsträger_innen. Künstler_innen ins Bewusstsein der rinnen ihre Erfahrungsberichte, die „Spätestens als sie am 16. März 2013 die Gesellschaft zu rücken; sie zu Genüge zu dem Thema beizu- Künstler zur ‚Revolution‘ aufrief, stürzten »» die am Kulturbetrieb Beteiligten – steuern hatten, auf der Seite. sich die Medien auf die heiße Story Künstler_innen, Veranstalter_innen, „Innerhalb weniger Stunden hatte (Opernnetz, Salzburger Nachrichten, Die Intendant_innen, Agent_innen, Leh- die Seite mehrere hundert Likes, nach Welt, Wiener Zeitung, Süddeutsche Zei- rer_innen, Kulturpolitiker_innen etc. dreieinhalb Monaten sind es nun über tung, Profil, Kurier, Artsjournalblog „Slip- – an einen Tisch zu bringen und ge- 11.000 Künstler_innen aller Sparten, ped Disc“, ORF, BR, WDR, NDR etc.).“ meinsam, im konstruktiven Dialog, die begannen ihre Erlebnisse zu ver- Durch diese öffentliche Kritik Kul- Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen, die die haarsträubenden mans ermutigt, äußerten sich weitere Situation zu finden und diese umzu- und entwürdigenden Bedingungen Kolleg_innen aus dem Opernbereich setzen. ans Licht brachten, unter denen und bekräftigten die Vorwürfe; von »» Eine Diskussionsplattform mit dem Künstler_innen arbeiten. Für einen einem „erkrankten System“, das den Ziel der Reform speziell des Opern- Großteil der Betroffenen ist ein finan- Künstler_innen schadet, ist die Rede. betriebs steht unter OpernReform. zielles Auskommen allein aus künst- „Eine rege, großflächige Diskussion ist com für alle Professionisten mit der lerischer Tätigkeit trotz jahrelanger mittlerweile in Gang gekommen, die den Einladung zur Beteiligung bereit. Ausbildung und hoher Qualifikation enormen Handlungsbedarf mehr als of- nahezu unmöglich. Erste Medienbe- fensichtlich macht. Die Vereine art but fair Deutschland, art richte über die ‚Künstler-Klagemauer' Das Logo des Gütesiegels art but fair but fair Schweiz und art but fair Öster- erschienen in der Berliner Zeitung und wurde am 1. Mai 2013 der Öffentlich- reich haben sich bereits für die Planung in der Frankfurter Rundschau.“1 keit präsentiert. Am selben Tag fand in weiterer Aktionen gegründet. || Als sich die bekannte österrei- Wien ein Aufmarsch der Künstler_innen chische Mezzosopranistin Elisabeth zugunsten von ‚Faire Gagen für Künstler‘ Kulman der Aktion im März anschloss statt.“ 1 alle Zitate http://artbutfair.org

politik 13 Starker Tobak gegen Machtmiss­ brauch

Auch im hochdotierten Kunstbereich kommt es immer öfter zu Einsparungen bei Gagen und Löhnen. Thomas Hinter- berger, Jury Everhartz und Sabine Kock führten daher ein Interview per mail mit Elisabeth Kulman, die sich mit vielen an- deren im Rahmen von art but fair gegen Lohndumping im Kunstbereich stark macht. © Andreas Kolarik gift: Frau Kulman, Ihr öffentlicher Aufschrei war am 13. März plin, verantwortungsvoll und uneigennützig Macht auszuü- dieses Jahres. In der Zwischenzeit sind fast acht Monate ver- ben. Jeder Mensch hat in einem gewissen kleineren oder grö- gangen – hat sich seitdem faktisch etwas verändert? ßeren Bereich Macht und wird das nachempfinden können: Elisabeth Kulman: Ja, einiges. Die wichtigste Änderung Wir alle sind keine Heiligen, sondern imperfekte Menschen. scheint mir zu sein, dass das Tabu des Schweigens endlich Wir alle sind mehr oder weniger verführbar, egoistisch oder gebrochen wurde und wir mit unseren proaktiven Initiativen labil. Deshalb wird es immer Fehler, Rücksichtslosigkeiten ein Klima des konstruktiven Diskurses etablieren konnten. und Missbrauch geben. Was wir dagegen tun können: Erstens uns selbst täglich ungeschönt im Spiegel anschauen und bei gift: Haben Sie persönliche Nachteile durch Ihren Gang an die der Nase nehmen. Zweitens: Wie es art but fair vormacht, Öffentlichkeit erlebt, bzw. haben Sie Ihren Schritt je bereut? anderen den Spiegel vorhalten und sie zwingen hineinzu- Kulman: Diese Frage bekomme ich dauernd gestellt. Um sie sehen. Starker Tobak, ja, aber erst dann kann eine Reflexi- kurz zu beantworten: nein. on über das eigene Tun erfolgen und ein konstruktiver Weg eingeschlagen werden. Alles Gute beginnt immer im Herzen gift: Bei der Durchsicht Ihrer Webseite sprang uns vor allem jedes/jeder einzelnen. folgender Punkt ins Auge: „Im allgemeinen Theaterbetrieb kreide ich […] vor allem die zunehmende Respektlosigkeit gift: Wie gehen Sie als Person mit den aus Sicht der freien und würdelose Behandlung der jungen aufstrebenden Künst- Szene extrem hierarchischen Strukturen um? ler_innen durch inkompetente oder gar korrupte Entschei- Kulman: Ich persönlich bin ein extrem freiheitsliebender dungsträger an. Es gibt auch positive Ausnahmen, aber die Mensch und achte akribisch darauf, immer möglichst auto- sind leider eben Ausnahmen.“ Ich kann die positiven Aus- nom entscheidungsfrei und vor allem im Kopf unabhängig nahmen nur bestätigen und finde es sehr spannend, dass die zu bleiben. Sänger_innen eigentlich mit den gleichen Problemen kämpfen wie die Techniker_innen. Gibt es Ihrer Meinung nach Mo- gift: Sie haben gleichzeitig mit Ihrem „Aufschrei“ die Platt- mente in der Struktur des Festival-/Opernbetriebs, die ein form opernreform.com gegründet. Eigentlich ein wunderbares derartiges Gebaren fördern? Instrument für eine Diskussion. Der Zulauf ist angesichts der Kulman: Das Problem ist immer die Macht. Nicht die Macht Umstände, die Sie beschreiben und des enormen Medien­ an sich, aber die mit ihr einhergehende Verführung zum echos, das es zu art but fair gibt, bislang eher klein geblieben. Machtmissbrauch. Es bedarf einer großen Demut und Diszi- Haben alle Angst um ihren Job oder ist kein Interesse da?

14 gift 01/2014 Kulman: Nein, das hat andere, ganz praktische Gründe. Fa- Entscheidungsträger_innen, des Publikums und der Künst- cebook ist von Anfang an unser erstes Medium gewesen – mit ler_innen selbst. Langsam greifen unsere Botschaften, und mittlerweile über 15 000 Likes! Nun aber tausende Leute von das freut uns sehr. A nach B – sprich von Facebook auf ein neues Forum – zu bewegen, ist schwierig. Ein Forum hat allerdings gewisse gift: Wie könnten aus Ihrer Sicht die Strukturen der großen Vorteile gegenüber Facebook, zum Beispiel die Übersicht- Festivals verändert werden, so dass einerseits die Budgets lichkeit und die Möglichkeit zur geschützten Anonymität. effizienter genutzt, andererseits die Arbeitsbedingungen der Wir bräuchten einen oder mehrere Redakteur_innen, die sich beteiligten Künstler_innen nicht verschlechtert werden? aktiv um das Opernreform-Forum bemühen würden, The- Kulman: Erstens sollte einmal ein Kassasturz gemacht und men anschneiden und zur Diskussion einladen. Uns fehlt es genau aufgedröselt werden, wohin welches Geld fließt. Hier schlicht an Mitarbeiter_innen. Ich habe versucht, es selbst zu herrscht derzeit eine völlige Intransparenz. Darüber aus der machen, aber meine Kapazitäten waren angesichts der vielen Unkenntnis ein mutmaßendes Urteil abzugeben, kann und Baustellen schnell erschöpft. Es liegt mir allerdings sehr am will ich nicht. Zweites brauchen wir ein klares Bekenntnis Herzen, und ich lade jede/n, der/die sich vorstellen könnte, der Politik zur Förderung der Kunst und der Künstler_in- diese Redaktionsaufgabe zu übernehmen, herzlich ein, sich nen! Die Freiheit der Kunst steht bereits in der Verfassung. bei uns zu melden. Wir wünschen uns aber, dass auch die Förderung der Kunst ein deklariertes Staatsziel ist, umso mehr als sich Österreich gift: Im Blog Spiele ohne Brot auf ihrer Webseite schreiben international als „Kulturnation Nr. 1“ brüstet. Sie: „Wir Künstler erwarten und wünschen uns vom neuen In- tendanten sowohl eine Rückkehr zur bezahlten Probenarbeit gift: Zuletzt eine persönliche Bemerkung und die Frage als auch eine Erstattung der notwendigen Reise- und Hotelko- nach Ihrer Einschätzung. Seit ich [Thomas Hinterberger] im sten zum und am Festspielort Salzburg“. Die Bezahlung der Vorstand der IG Freie Theaterarbeit bin – und das sind jetzt Probenarbeit ist festgeschrieben im Theaterarbeitsgesetz – mit schon fast 15 Jahre – versuchen wir etwas zu verändern. In welcher Begründung konnte Salzburg die Probenentgeltung den letzten Jahren waren wir zum Beispiel auch im weitläu- einfach aussetzen? figen IMAG-Prozess, der Erfolg ist nüchtern betrachtet sehr Kulman: Das hat man mir bis heute nicht schlüssig erklären marginal, wir können uns zumindest auf die Fahnen heften, können. Anscheinend ist dieses Gesetz nur für Festverträ- noch Schlimmeres verhindert zu haben. Aber ist die Krise ge gültig (also etwa fixe Ensemblemitglieder), nicht aber für der Kunst nicht hauptsächlich eine politische? Die Politik Gastverträge. wählt die, wie Sie schreiben, „inkompetenten oder gar kor- rupten Entscheidungsträger_innen“ aus, die Politik setzt die gift: Werden nur für die Solist_innen mit Exklusivverträgen Rahmenbedingungen für Kultur. Gibt es aus Ihrer Sicht eine keine Probengagen übernommen oder gilt dies für alle Künst- Chance? ler_innen? Kulman: Ja, wir haben einige Ideen, weiteren Druck aufzubau- Kulman: Sie meinen wohl Gastverträge? Im Gegensatz zu en, um die Revolution der Künstler_innen weiter so erfolg- Festverträgen? Das ist von Haus zu Haus, Festival zu Festival reich voranschreiten zu lassen. Man wird von uns hören! unterschiedlich. Die internationale Tendenz geht jedenfalls dahin, nur die Leistung am Tag der Aufführung, sprich den Ein wunderbares Schlusswort – uns bleibt nur hinzuzufügen, Event, zu zahlen, und die oft wochenlange Vorarbeit nicht dass sich möglichst viele an dem Diskurs und dem Verände- zu vergüten. Diesen Trend wollen wir mit unseren Initiativen rungsprozess beteiligen sollen: und Aktivitäten aufhalten und umkehren. artbutfair.org / www.opernreform.com www.facebook.com/kuenstlergagen || gift: Geht es nicht eigentlich darum, die Strukturen zu verän- dern, dass im Endeffekt mehr Geld bei den Künstler_innen Elisabeth Kulman ankommt? Kulman: Es geht vor allem um Bewusstmachung, um Auf- Mezzosopranistin und Altistin, tritt von Berlin, München und Schwet- klärung, um eine Sensibilisierung für die Problematiken! In zingen über Paris und Tokio bis zu den Salzburger Festspielen auf. www.elisabethkulman.com den Köpfen muss sich was verändern! In den Köpfen der

politik 15 Politisches Die Koalition der Freien Handeln in Szene aller Künste in Berlin Gemeinschaft Julia Wiegele

Protestfest der Koalition als „interventionistisches Stationendrama“ am 28. 09. 2013 Alle Fotos © Julia Wiegele

Im März 2012 haben Künstler_innen und Kulturproduzenten_innen, die in der so genannten Freien Szene1 Berlins tätig sind, die Koalition der Freien Szene aller Künste (KFS) gegründet. Die Koalition möchte auf die „eklatante Fehlentwicklung im Berliner Kulturhaushalt aufmerksam machen, die die Substanz des viel beschworenen und international gefeierten kreativen Berlin gefährdet“2. Man könnte die KFS als ‚symbolischen Zusammenschluss‘ oder als ‚strategisch-politisches Netzwerk‘ bezeichnen, das die gemeinsamen Forderungen an die politischen Vertreter_innen Berlins richtet.

Um in demokratischen Systemen eine Stimme zu haben, Dennoch, kann man den Akteuren_innen dies zum Vorwurf braucht es Zusammenschlüsse und Repräsentant_innen, die machen, wie es ansatzweise Thomas Ostermeier in seinem kollektive Anliegen vortragen. Die einzelnen Akteure_innen Essay Ein paar Narren im Dienst der Gesellschaft3 tut, oder würden im Schlachtenlärm der politisch-ökonomischen Aus- spielen sie einfach nur nach den Spielregeln der neoliberalen einandersetzung untergehen bzw. gar nicht wahrgenommen Gesellschaft? Jede/r Einzelne muss sich gegen andere Be- werden. Die Bedingungen der neoliberalen, globalisierten werber_innen durchsetzen, sich von ihnen absetzen, immer Marktgesellschaft gelten auch für die Kunstszene, wo die wieder sein Anders-Sein beweisen und aufführen. Nur so ‚Ökonomisierung‘ aller Lebensbereiche besonders spürbar kommt man an Fördertöpfe, nur so kommt man angeblich wird. So sehr, dass das neoliberale Vokabular sich bis in die im Leben voran. Das ist es, was die neoliberale Ideologie Argumentation der Koalition eingeschrieben hat. uns einredet.

16 gift 01/2014 Die Frage, die die Koalition den Berliner Abgeordneten entgegen schmettert ist: Was ist euch die Freie Szene wert?

Politisches Handeln nach Hannah Arendt „Um ihren ‚Zweck‘ erfüllen zu können, müssen sie sorgfältig vor aller Zwecksetzung und allen Daseinsinteressen, vor dem Dabei wird vollkommen verdrängt und vergessen, dass poli- Gebraucht- und Verbrauchtwerden geschützt werden […]. tisches Handeln, wie Hannah Arendt bereits wusste, nur über Auf alle Fälle bedürfen sie der Öffentlichkeit, sie finden den den Zusammenschluss in einer Gemeinschaft funktionieren ihnen zukommenden Platz nur in der gemeinsamen Welt. In kann. „Der politische Bereich im Sinne der Griechen [die der Verborgenheit des Privaten und des Privatbesitzes kom- Polis] gleicht einer solchen immerwährenden Bühne, auf der men sie nicht zur Geltung, und gegen private Lebensinteres- es gewissermaßen nur ein Auftreten, aber kein Abtreten gibt, sen müssen sie geschützt werden“ (Arendt 1994, 296). und dieser Bereich entsteht direkt aus einem Miteinander, dem ‚mitteilenden Teilnehmen an Worten und Taten'. So steht das Handeln nicht nur im engsten Verhältnis zu dem öffent- Haushaltspolitik des Berliner Senats lichen Teil der Welt, den wir gemeinsam bewohnen, sondern ist diejenige Tätigkeit, die einen öffentlichen Raum in der Welt Die Frage, die die Koalition den Berliner Abgeordneten ent- erst hervorbringt“ (Arendt 2005, 248 f). gegen schmettert ist: Was ist euch die Freie Szene wert? Das Handeln ist nach Hannah Arendt nur in Gemeinschaft kreative, hippe Berlin4 als Marketing Strategie lockt Massen möglich, denn um im Bereich des Öffentlichen zu erschei- von Touristen_innen und Besuchern_innen an. Selbst SPD nen, braucht es ein Publikum für die Worte und Taten, die und CDU haben in ihrem Koalitionsvertrag von 2011 auf den das Handeln ausmachen. Die Crux ist natürlich, wie diese „Mehrwert“ von Kultur für Berlin hingewiesen: „Berlin ist Gemeinschaft, ohne die das Erscheinen im öffentlichen Raum eine globale Kulturmetropole, unser kultureller Reichtum unmöglich ist, sich konstituiert. Am Beispiel der KFS zeigt ist unser Kapital. […] Kunst, Kultur und die Kreativszene sich jedoch, dass die Not erfinderisch macht, dass schwierige gehören zu den zentralen Grundressourcen der Stadt. […] Situationen anscheinend doch wieder die Gemeinsamkeiten Die Koalition will die Freie Szene verstärkt fördern [...]“ (zit. gegenüber den Einzelinteressen hervortreten lassen. Bei nach: Broschüre KFS, 4). knapper werdenden Mitteln und steigendem Konkurrenz- Den Worten sind jedoch bislang keine Taten gefolgt. Im druck schafft es die Koalition, die grundlegenden Fragen Gegenteil: bei Steigerung der institutionellen Förderungen anzusprechen. wurden die Mittel für freie Strukturen weiter gesenkt (Vgl. „Die Koalition der Freien Szene wehrt sich vehement Ebd.: 4). gegen eine Politik, die die Künste in freien Strukturen offen- In der Sitzung des Hauptausschusses des Abgeordne- sichtlich Verwertungszwängen aussetzt bzw. der Verdrängung ten Hauses am 20. 11. 2013 fiel die Entscheidung über die preisgibt und damit die Autonomie der Kunst beschädigt so- Aufstockung der Fördermittel für die Freie Szene. Für die wie die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst marginalisiert. darstellende Kunst ging es vergleichsweise gut aus. Der Kon- Die freien Künste mit Kulturindustrie gleichzusetzen, bedeu- zeptmitteltopf für die mehrjährigen Förderungen wurde um tet ihre Auslöschung“ (Broschüre KFS 2013, 3). 2,4 Mio. Euro erhöht. Damit werden Institutionen wie der Hannah Arendt wusste bereits um die Gefahr, die von Theaterdiscounter gerettet, es gibt positive Zeichen Richtung der Be-wertung (nach ökonomischen Kriterien) von Kunst- Gob Squad, für Sasha Waltz schaut es immer noch katastro- werken ausgeht, denn diese geht mit ihrer Ent-wertung einher. phal aus.5 Sie werden zu Gütern degradiert, zu einem Objekt das diesen oder jenen Marktwert aufweist (Vgl. Arendt 1977):

politik 17 Konkrete Forderungen der KFS an den Berliner Senat Das Problem der ‚Gerechtigkeit‘ in der Verteilungsfrage und die Frage des Geschmacks Die Forderungen aus dem 10 Punkte Programm bleiben auch nach der Sitzung aktuell: die Schaffung eines Eigenmittel- In der Diskussion um die öffentliche Förderung von Kunst fonds (1 Mio. Euro jährlich), mithilfe dessen auch Drittmit- und Kultur geht es immer auch um die ‚gerechte‘ Verteilung tel für die Freie Szene lukriert werden können, ein Etat für der Mittel. Sollen die etablierten Institutionen, die Produk- Wiederaufnahmen (0,5 Mio. jährlich) und ein Fonds für For- tionsstrukturen (Häuser, Fördertöpfe) oder Künstler_innen schung (1 Mio. Euro jährlich). direkt gefördert werden? Diese Frage tauchte auch bei der Po- Außerdem sollen Honoraruntergrenzen gewährleisten, diumsdiskussion zwischen Vertretern_innen der Institutionen dass Künstler_innen nicht in prekäre Arbeits- und Lebens- und der Freien Szene auf, die am 25. 9. 2013 im Plenarsaal der verhältnisse gedrängt werden (4,5 Mio. Euro jährlich). Für Akademie der Künste in Berlin stattfand. Die Polarisierung bildende Künstler_innen und Musiker_innen sollen extra zwischen Institutionen und Freier Szene wurde dabei auch Mittel zur Verfügung gestellt werden (insgesamt 5 Mio. Euro thematisiert: jährlich). Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Schaffung und „Vor dem Hintergrund eines gesellschaftlich immer vi- Förderung von Orten, damit sie Produktionsetats für freie rulenter werdenden, rein ökonomischen Verwertungs- und Gruppen zur Verfügung stellen (4,5 Mio. Euro jährlich) sowie Repräsentationszwangs stellt sich weiterhin die Frage, ob die der Ausbau der bezirklichen Kunst und Kulturförderung (1 gesetzte Polarisierung von Institutionen und freien Produk- Mio. Euro jährlich). tionsstrukturen nicht dringend als unzeitgemäß aufgegeben Ebenso soll die Liegenschaftspolitik der Stadt Berlin und darüber hinaus weisende Strukturen entworfen werden revidiert werden, da immer mehr Landesimmobilien an pri- müssen?“ (Text zur Podiumsdiskussion Gibt es das richtige vate Investoren verkauft und deren kulturelle Nutzung so Spiel im Falschen?, vom 25. 9. 2013, Plenarsaal der Akade- unmöglich wird. Ein weiterer Punkt ist die Evaluierung von mie der Bildenden Künste, Berlin) Förderstrukturen sowie Vergabeverfahren, mit dem Ziel un- Christophe Knoch, Sprecher der KFS und Moderator nötige Kosten einzusparen. der Diskussion, versuchte zu vermitteln, dass ein gegenseitiges Weiters sollen die Förderinstrumente für den Bereich Sich-Ausspielen der unterschiedlichen Kunstinstitutionen Literatur gestärkt werden (insgesamt 1,1 Mio. Euro jährlich). nicht zielführend sei und Wege des Nebeneinander und Mitei- Eine zentrale Forderung ist es, den Berliner Hauptstadtkul- nander gefunden werden müssten. Andererseits kann man die turfonds wieder gänzlich für die Freie Szene zur Verfügung zu Konkurrenzsituation bei Verteilungsfragen in der Praxis nicht stellen, wie es bei seiner Gründung angedacht war. Insgesamt ausschalten und letztlich läuft es bei den Entscheidungen für werden von der Koalition der Freien Szene 18,8 Mio. Euro jenes und gegen ein anderes Projekt oft darauf hinaus, dass jährlich an Mitteln gefordert, deren Einsatz und Zweck auch politische Entscheidungen nie wirklich objektiv sein können. detailliert bedacht wurde. Sie stützen sich, wie auch das ästhetische Urteil, auf ein ab-

18 gift 01/2014 Geist ist noch flüchtiger als Kapital, haltet ihn fest!

wiegendes Beurteilen, das allgemeine Gültigkeit beansprucht. Dieselbe. 1994. Übungen Im Politischen Denken. 1. Zwischen Vergan- Ob Mäzene oder mit Experten_innen besetzte Jurys besser ge- genheit Und Zukunft. München u.a.: Piper. eignet sind, eine ‚objektive‘ Entscheidung darüber zu treffen, Dieselbe. 2005. Vita Activa Oder Vom Tätigen Leben. München [u.a.]: Piper. welche Projekte ‚förderungswürdig‘ sind, bleibt dahingestellt. Wie der Kampf der KFS in Berlin um mehr Mittel ausgehen Fußnoten wird, ist schwer zu beurteilen. Klar ist aber, dass es politischen Willen braucht, um Kunst zu fördern, wo die Löcher in den 1 Die Freie Szene laut Eigendefinition der KFS meint Folgendes: „Die Budgets immer größer werden in Zeiten hoher Staatsverschul- Gesamtheit aller in Berlin frei produzierenden KünstlerInnen, Ensembles, Einrichtungen und Strukturen in freier Trägerschaft aus den Bereichen dung und dem Wegbrechen des Wohlfahrtsstaates. Das führt Architektur, Bildende Kunst, Tanz, Schauspiel, Performance, Neue Me- natürlich auch zu einer verschärften Konkurrenz innerhalb dien, Musik von Barock, Elektro, Jazz, Klassik bis zur Neuen Musik, der Kunstszene. Wenn der politische Wille besteht, wird ver- Musiktheater, Kinder- und Jugendtheater, Literatur sowie alle spartenü- hindert werden können, dass viele Künstler_innen Berlin bergreifenden und transdisziplinären Arbeiten“ (Broschüre KFS, August 2013: 2). verlassen, auf der Suche nach neuen Freiräumen und nach 2 www.koalition-der-freien-szene-berlin.com 6 noch nicht genutzten Potentialen. Diese Abwanderung hat 3 www.nachtkritik.de/index.php?view=article&id=8327%3Ath zuvor bereits in Paris, London und New York stattgefunden, omas-ostermeier-ueber-die-zukunft-des-theaters&option=com_ und es gibt keinen Grund zu denken, dass Berlin davor gefeit content&Itemid=60, Artikel vom 1. 7. 2013; erstmals erschienen in: sei. Der Kampf für Freiräume der Kunst spielt sich meist in TEXT+KRITIK, Sonderband Zukunft der Literatur, München 2013, S. 42-50; Diskursräumen ab, er schreibt sich dennoch in die realen 4 Vgl. dazu Klaus Wowereits (SPD Politiker, seit 2001 regierender Bürger- Strukturen der Gesellschaft ein und nimmt manchmal auch meister Berlins) berühmt-berüchtigten Sager Berlin sei „arm, aber sexy“ die Straßen ein, wie bei der Abschlusskundgebung der KFS (http://de.wikiquote.org/wiki/Klaus_Wowereit, Interview mit Focus am 18. 9. 2013 am Schlossplatz vor dem Berliner Rathaus. Money, November 2003). 5 Für den genauen Ablauf der Haushaltsdebatte 2014/15 siehe den Um mit einem Slogans der KFS zu enden: „Geist ist noch „Offene[n] Brief des LAFT Berlin anlässlich der 2. Lesung des Kultur- flüchtiger als Kapital, haltet ihn fest!“ || haushalts im Hauptausschuss am 20. November 2013 “, Homepage des Landesverbands freie darstellende Künste Berlin, e. V., laft-berlin.de. 6 Literatur siehe The Guardian „Let's move to Kreuzkölln, Berlin. It's the epicentre of cool“ vom 19. März 2011 zum Stichwort der Yukis = Young, urban, Arendt, Hannah. 1977. Between Past and Future: Eight Exercises in kreative international, www.theguardian.com/money/2011/mar/19/ Political Thought. Harmondsworth, Middlesex [u.a.]: Penguin Books. move-to-kreuzkolln-berlin

Julia Wiegele

studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft und Spanisch an der Universität Wien und an der Universidad Autónoma de Madrid, arbeitet derzeit an ihrer Dissertation zu Performance-Kunst heute: Politik, Ästhetik, Wahrnehmung

politik 19 rezension

Das Aufsammeln der Scherben des Widerstands, zu dessen Manifest informativ und pointiert formuliert, mal Stephan Lack das vorliegende Buch geworden ist. etwas zu vereinfacht und plakativ. Aber Brenner ist weniger daran in- „Kulturrevolution von oben“ teressiert, einzelnen Theatermacher_in- nen mit diesem Buch eine gemeinsame Ob Eva Brenner, Bert Gstettner, Hubsi Klagemauer zu bieten, vielmehr geht es Kramar, Josef Szeiler oder Emel Hein- ihr um eine Hinterfragung einer neolibe- reich – es ist kaum verwunderlich, dass ralen Umstrukturierung, die in Ramm- sich besonders viele jener Künstler_in- bock-Manier nicht nur die alternative nen unter den Opfern dieser „Kulturrevo- Theaterszene, sondern fast alle Bereiche lution von oben“ (Streeruwitz) wiederfan- der Gesellschaft durchdrungen hat. Dabei den, die Theater vor allem auch als ein hilft ihr der universitäre Schulterschluss Mittel zur Gesellschaftskritik verstehen. durch die Mitarbeit namhafter Geistes- So unterschiedlich ihre Ansätze zu Thea- wissenschaftler_innen und Kulturjourna- ter auch sein mögen, politisch bequemes list_innen. Die wissenschaftlichen Essa- Theater kam für sie alle nie in Frage. ys spannen den Bogen zu jenen großen Dass auch die nicht geförderte freie Themen, die sich durch unsere gesamte Szene noch immer eine lebendige Ader Kulturlandschaft ziehen: zunehmender der Wiener Theaterlandschaft ist, zeugt Verlust an Demokratie, Wiedererstarkung In Anpassung oder Widerstand. Freies von der Nachhaltigkeit ihrer Kunst und hegemonialer Machtausübung auf Kunst Theater heute. Vom Verlust der Vielfalt der Kraft ihrer Vertreter_innen. Grund und Kultur, Vereinnahmung und Anbie- versammelt Eva Brenner (Hg.in) Berichte, zum Optimismus sieht Eva Brenner je- derung der Künste an den Markt, Einspa- Interviews und Positionen bedeutender doch keinen und bezeichnet das Buch rungspolitik und Publikumsschwund. Kulturschaffender der freien Wiener so auch mehr als „Testament“ denn als Diese Beiträge – wie beispielsweise der Theaterszene. Es ist die Dokumentation Lebenszeichen. Nicht weniger drastisch Kommentar von Theaterpraktiker und eines permanenten Ausnahmezustandes schildert Marlene Streeruwitz die Situa- Hochschulprofessor Richard Schech- geworden. War die Wiener Theaterre- tion in ihrem Vorwort, gleichwohl sie im ner über die konservative Avantgarde form 2003 der sprichwörtliche Elefant Podiumsgespräch anmerkt, dass die Per- – sprengen den Rahmen der anfänglich im Porzellanladen der freien Szene, so spektive einer „kaum gespielten“ Theate- lokalpolitisch motivierten Fragestellung geben die Autor_innen des Buches erst- rautorin ohnehin nur die „aus dem Sarg“ von Brenners Projekt und bereichern das mals einen umfassenden Überblick über heraus sein kann. Tatsächlich gehört ihr Buch um sehr lesenswerte Analysen der das , das dieser (kultur) Vorwort zu den schärfsten Texten des gegenwärtigen Theaterwelt. politische Rundumschlag in den letzten Buches, eine schonungslose Offenlegung Bekanntlich wurde im Juli 2012 der zehn Jahren verursacht hat. Viele der des Umgangs der österreichischen Repu- vom Kulturstadtrat in Auftrag gegebene betroffenen Theatermacher_innen ver- blik mit ihren Kulturschaffenden. Evaluierungsbericht zur Wiener The- loren, gewissermaßen über Nacht, einen Die Erfahrungsberichte von Bren- aterreform als abgeschlossen und die Großteil beziehungsweise alle ihre finan- ners Mitstreiter_innen thematisieren Reform selbst im Februar 2013 als ge- ziellen Mittel – durch „ein Urteil ohne prekäre bis untragbare Arbeitsbedin- glückt erklärt. Bleibt nur zu hoffen, dass Gerichtsverfahren“, wie Schriftstellerin gungen, enthüllen das mangelnde Ver- das vorliegende Buch endlich eine breite Marlene Streeruwitz die Vergabepolitik antwortungsbewusstsein der politischen Diskussion ins Rollen bringt und weitere des Kurator_innensystems bezeichnet. Entscheidungsträger_innen, entlarven notwendige Initiativen nach sich zieht. Ihre sozusagen nicht förderungswürdige die Substanzlosigkeit und Überbürokra- Arbeit haben viele Künstler_innen in den tisierung der Förderungsmaschinerie Eva Brenner (Hg.in): Anpassung oder Widerstand. letzten Jahren trotz aller Widerstände und stellen dringliche Fragen und For- Freies Theater heute. Vom Verlust der Vielfalt. fortgesetzt – und bilden nun den Kern derungen an die Verantwortlichen – mal Wien: promedia 2013. ISBN 978-3-85371-364-8.

20 gift 01/2014 diskurs

„Ich bin keine Vestalin“ Eine Podiumsdiskussion an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Doris Ingrisch

Von links nach rechts: Vizerektorin Ulrike Sych, mdw und die Podiumsteilnehmer_innen: Margarethe Engelhardt-Krajanek, Anna Maria Krassnigg, Robert Reinagl, Anne Bennent, Anna Badora, Ali M. Abdullah, Sabine Kock. © Marlene Fröhlich

Am 19.11. 2013 fand im Fanny Hensel-Mendelssohn-Saal am gisseuren Geschlechtsimplikationen in diesem an der mdw Campus der mdw – Universität für Musik und darstellende im Max Reinhardt Seminar gelehrten Bereich in den Fokus Kunst Wien – im Rahmen der Veranstaltungsreihe Gender nahm. Die historische Entwicklung wie auch der Status Screening mdw eine Podiumsdiskussion zum Thema Schau- Quo des Faches SchauspielRegie sollten an diesem Abend spielRegie statt, die ausgehend von persönlichen Werde- unter besonderer Berücksichtigung der Kategorie Gender/ gängen und Berufskarrieren von Regisseurinnen und Re- Geschlecht unter die Lupe genommen werden.

diskurs 21 Es ist nicht genug, Frauen in Spitzenpositionen zu wissen, das ganze System muss neu bedacht werden. Anna Badora

Wozu dieses Thema, fragte gleich zu Beginn die Moderato- dantin des Grazer Schauspielhauses, ließ in ihrem Statement rin der Veranstaltung, Margarethe Engelhardt-Krajanek von aufblitzen, wie ein gendersensibler Blick den Theaterbetrieb der Ö1 Wissenschaftsredaktion, Bedenken vorwegnehmend, sehr wohl mit anregenden Impulsen versehen könnte. Män- wozu es denn heute nötig sei, die Frage nach geschlechtlichen ner als Sekretäre, eine Mischung der Geschlechter bei der Un/Gleichheiten in diesem höchst prestigegeladenen künst- Regieassistenz, Offenheit für weitere, über die Theaterarbeit lerischen Feld (noch) zu stellen. Ein Blick auf die Spielpläne hinausgehende Bedürfnisse der Mitarbeiter_innen sind dann größerer Häuser vergegenwärtigt die Aktualität des Themas als Versatzstücke einer neuen Kultur zu lesen, die genderde- jedoch sofort. Die Genderauswertung des Kulturberichts des mokratisch orientierte Qualitäten hervorbringt. Dass solche bmukk 2012 spricht für sich – am Burgtheater betrug im Jahr Versuche mit dem Grad der Institutionalisierung und Tradi- 2012 der Männeranteil im Bereich Regie 84 % (26 Männer, 5 tionsgebundenheit abnehmen, bleibt festzuhalten. Prekarität Frauen), bei den Autor_innen der gespielten Stücke stieg die- war dann auch das Thema, das die Geschäftsführerin der IG ser Anteil gar auf 90 %!1 Es ist also nach wie vor und erneut Freie Theaterarbeit, Sabine Kock in den Fokus stellte, als sie wichtig, den Blick darauf zu lenken. Im Gegensatz dazu, so eine Reihe exzellenter und mit Preisen ausgezeichneter Thea- das aussagekräftige Pendant, liegt der Prozentsatz weiblicher termacherinnen, u. a. Miki Malör, Nika Sommeregger, Barba- Souffleusen bei 100 %. Und die Schau der transportieren ra Kraus nannte, die, wie anregend ihre Arbeiten auch immer Bilder von Rollenklischees in manch älteren aber auch ak- sind, in der Theaterwelt an die gläserne Decke stoßen. tuelleren Stücken und Inszenierungen verdienten mehrere Dass das Potential da wäre, darüber waren sich die Podiumsdiskussionen. Diskutant_innen einig, dass das Theater aber eine an männ- 136 Länder bewertet der Global Gender Gap Report2 lichen Möglichkeiten orientierte Kultur entwickelt habe, die des World Economic Forum seit dem Jahr 2006. Wird die Künstlerinnen in leitenden Positionen nur unter Verzicht auf Aufmerksamkeit auf die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen einen Teil ihrer Lebensmöglichkeiten erfüllen könnten, da sie gelenkt, die Beschäftigungsquote von Fachkräften und Tech- in der Formulierung Irmtraud Morgners kein „Hinterland“ niker_innen betreffend, so liegt Österreich auf Platz 69. Beim hätten. Um die 40 % der Künstlerinnen in Österreich leben Anteil an weiblichen Führungskräften ist derzeit Rang 63 er- als Single, so der Befund der Studie zur sozialen Situation reicht. Bei den Gehaltsunterschieden nimmt Österreich Platz von Künstlerinnen und Künstlern.4 Ich bin keine Vestalin, 96 ein. Der Standard übertitelte einen kürzlich erschienen verlautete Anna Maria Krassnig, ich erfülle nicht die Erwar- Bericht dazu mit „Trippelschritte zur Gleichstellung“3. tung, die Opferschale zu tragen, d. h. allzeit bereit zu sein. Anna Maria Krassnig, Regisseurin, Schauspielerin, Aus ihrer Erfahrung, so Anna Badora, wären Netzwerke, in Theaterleiterin, Autorin und seit dem Jahr 2012 Universi- denen Frauen einander in höchstem Maße unterstützen, das tätsprofessorin für Regie am Max Reinhardt Seminar, die als Mittel zum Zweck, um den herrschenden Vorstellungen und künstlerische Leiterin des Salon5 das Zusammengehen von Strukturen entgegenzustehen. Das Aufbrechen der Wirkmäch- Theater, Musik, Literatur und Film erprobt, stellte ab dem Jahr tigkeit traditioneller Muster könne nur über neue Formen der 2000 – im Gegensatz zu ihrer eigenen Studienzeit – wieder Kommunikation erreicht werden. Doch es sei nicht genug, weniger Frauen im Fach Regie fest. Ein roll back also? Ali Frauen in Spitzenpositionen zu wissen, das ganze System M. Abdullah, Regisseur, künstlerischer Leiter der Garage X, müsse neu bedacht werden. Die Schauspielerin, Sängerin einem kritischen Verhandlungsraum politischer und gesell- und Rezitatorin Anne Bennent stellte dann mit klaren Wor- schaftlicher Fragen, bestätigte, dass es schwierig sei, Regis- ten das ganze auf Hierarchien basierende System in Frage. seurinnen zu finden, aufgrund seines speziellen Zugangs zum Mit „wozu brauchen wir eine regieführende Person“, „warum Theater würde er sie nämlich dezidiert suchen. Mitdiskutan- erzählen wir nicht zusammen eine Geschichte“, wurde der tinnen wie Anna Badora, die eine der ersten Frauen war, die Diskurs über das Pro und Contra des Regietheaters wie auch am Max Reinhardt Seminar das Regie-Studium belegte, Inten- den Geniebegriff angerissen. In dem Moment, wo es dann

22 gift 01/2014 Es ist nicht genug, Frauen in Spitzenpositionen zu wissen, das ganze System muss neu bedacht werden. Anna Badora

um neue Qualitäten ging, die durch Frauen in die Theaterar- genpole sich präsentiert als Fächerung betrachten zu können, beit eingebracht würden, blitzte kurz die Gefahr auf, durch die besteht, auch wenn der Wind stark bläst, bewegen sich geschlechtliche Zuschreibungen im Sinne von Frauen seien allesamt – unabhängig vom Geschlecht – in Richtung einer kompromissbereiter, strukturell durchlässiger und mehr am gelingenden Vereinbarkeit. Freilich darf dabei nicht vergessen Gemeinsamen interessiert als ihre männlichen Kollegen, das werden, dass dies Frauen systematisch von den Strukturen traditionelle Geschlechterbild erneut festzuschreiben. Fazit und gelebten Kulturen her schwerer gemacht wird. Was aber aber ist, dass von Künstlerinnen kommende Anstöße zu Qua- deutlich herauszuhören war, war die Anregung, eindimensi- litätsänderungen höchst notwendige Impulse für eine andere onale, teleologische Lebenskonzepte zugunsten einer Vielfalt Art von Theater bringen. und Polyphonie zu hinterfragen, traditionelle Geschlechter- Passt dies alles ohnehin perfekt zu der Annahme, Künst- vorstellungen hinter sich zu lassen, neue, auf individuelle ler_innen müssten leiden? Wie, so der Abschluss, sehen denn Bedürfnisse abgestimmte Strukturen zu entwerfen, mit de- die Perspektiven eines guten Lebens für die Teilnehmer_innen nen es auch in Schauspiel und Regie möglich wird, ein ge- der Diskussion aus? In der Diktion des Sängers, Sprechers sellschaftlich und privat reiches und verantwortungsvollens und Schauspielers Robert Reinagl wäre das, dass sich alles Leben zu führen. || irgendwie ausgeht und kein Lebensbereich zu kurz kommen muss. In diesem Sinne äußerten sich auch die weiteren Teil- nehmer_innen. Die Wünsche nach einem reichen, nicht zu- 1 Vgl. Sonja Ablinger, Schlag nicht so zaghaft, sagst du. Die Gläserne rückgenommenen Leben, in dem sich immer wieder Neues Decke in der Kunst, Fortgesetzte Recherchen (Wien 2013), www.sonja- zeigen darf, nach der Balance zwischen Projekten im Theater ablinger.at/?p=532 2 www.weforum.org/docs/WEF_GenderGap_Report_2013.pdf und in der Familie, also der Wunsch danach das, was als Ge- 3 DerStandard 25. Oktober 2013 4 Susanne Schelepa/ Petra Wetzel/ Gerhard Wohlfahrt, Zur sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich, Wien 2008 (unter Mitar- beit von Anna Mostetschnig)

Erstveröffentlichung dieses Textes in Österreichische Musikzeitschrift, 68. Jg. (2013), Heft 6: „Regisseurstheater“. Mit freundlicher Abdruckge- nehmigung des Böhlau-Verlags.

Koordinationsstelle für Frauenförderung und Gender Studies

an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien: www.mdw.ac.at/gender

Doris Ingrisch

ist Universitätsprofessorin für Gender Studies an der mdw – Univer- sität für Musik und darstellende Kunst Wien am IKM (Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft)

diskurs 23 © Anja Koehler: Trieb Werk zimmerfrei productions openSpace Bludenz 2013

24 gift 01/2014 diskurs 25 Was ist los? Ich kenne mich nicht aus! Sit down and talk

Milli Bitterli

Gekürzte Fassung eines Redebeitrages im Rahmen von NICHTSTUN. Ein faules Konzept im TQW im Mai 2013

Anfänge, die bewusst gesetzt werden, fallen schwer. Anfänge ein sich in Stellung bringen. „Wer eine derartige Schwelle werden mit Bedeutung aufgeladen, vor einem her geschoben überquert, wechselt nicht bloß den Boden, sondern er gerät oder vielleicht besser durch einen schnellen Sprung ins kalte ins Bodenlose, ins Unvertraute, ins Fremde“ (Waldenfels). Wasser hergestellt. Anfänge sind oft mit einem Kraftakt ver- Für eine künstlerische Arbeit „acts educate“ – in Zusam- bunden. Anfänge lösen Zögern, Zweifel und Schwellenängste menarbeit mit dem Tanzquartier Wien – habe ich gemeinsam aus. Anfängen geht etwas voraus, – weil etwas davor sein mit Andrea B. Braidt und Anette Baldauf ein Publikum be- muss, damit man nachträglich sagen kann: „Das war der An- fragt, das gerade aus einem zeitgenössischen Theaterstück fang. Da hat es begonnen. Das ist meine Praxis. So sehe ich herauskam, was es denn glaube, heute im Theater gelernt das.“ zu haben. Aus den Antworten wurde ein ABC von Publi- Aber noch baut man Einzelsätze, die zu Sequenzen ver- kumsstellungsnahmen erstellt. Eine Person ist mir besonders dichtet werden müssen – noch steht man im Studio und setzt in Erinnerung geblieben. Sie kam rein zufällig zum Theater- Bewegung an Bewegung, damit sich hoffentlich ein Prozess abend, ist einfach nur ihren Freunden nachgegangen und war einstellt, der zu etwas führt, der zu „etwas wird, was es nicht dementsprechend unvorbereitet auf zeitgenössische Kunst ge- bereits ist“ (Waldenfels 2008, S. 197). Deshalb sind bewusst stoßen. In der Publikumsbefragung hat sich herausgestellt, zu setzende Anfänge (wie dieser hier) kaum aushaltbar, weil dass sie rein gar nichts an diesem Theaterabend verstanden mit ihnen schon so viel gesagt werden will, das noch nicht hat. Dieses ‚Nichtverstehen’ war aber für diese Person derart zu sagen ist. aufwühlend, dass sie am nächsten Tag wieder zu diesem Stück Eine Arbeit fällt leichter, wenn man einfach damit begin- ging. Als wir sie das zweite Mal angetroffen haben, hat sie uns nt. „Es gibt ein Beginnen und Aufhören, aber keinen echten glücklich davon erzählt, wie anders sie heute das selbe Stück Anfang oder Abschluss“ (Dewey 1980, S. 52). erlebt habe. Was ist los! Ich kenne mich nicht aus! Sie hätte Könnte der Beginn doch genauso zielgerichtet und ge- sich auch abwenden, etwas abhaken, sich begnügen können radlinig verlaufen wie Startbahnen für Flugzeuge. Könnte man oder den Satz aussprechen und ihn wirklich meinen: „Ich sich doch mehr als Passagier anstatt als Pilot seiner eigenen kenne mich nicht aus!“ Vielleicht ist das ein Beginn? Arbeit fühlen. Könnte man sich doch hingeben, anstatt stän- Manchmal ist es hilfreich, wenn jemand einem dabei dig kontrollieren zu wollen. Könnte man doch einen Motor hilft, die Schwellen zu entdecken und zu genießen. Das Über- zum Laufen bringen, der einen vorantreiben und den intenti- schreiten muss man dann so und so selber tun. Aber welche onalen Akt des Tuns vergessen lässt. Eine Praxis ist allerdings Hürden, Widerstände und Stolpersteine trifft man in der Pra- keine sichere Fahrt, die einen an den gewünschten Ort bringt, xis an? – Entwickelt man eine Praxis, um nicht mehr so viel oder etwas, dem man sich unterziehen kann, das man hinter Hinfallen zu müssen, um eine Stütze beim Überschreiten der sich bringt. Eine Erfahrung, eine Hingabe, eine Suche kann Schwelle zu haben, um im Suchen dann doch nicht so viel nicht ‚halb’ durchlebt werden, denn sonst stellt sich nichts durchmachen zu müssen, oder – genau das Gegenteil – um ein. Man muss das planbare, routinierte Suchen aufgeben möglichst viel durchmachen zu können, weil man einordnen und an dessen Stelle das unplanbare und unvorhersehbare lernt? Weil man lernt, genau hinzuschauen, weil man auf- Finden treten lassen, das einen vorwärts bringt und an Orte greift, anschaut, weglegt, aufgreift, einordnet, tut, anschaut, treibt, wo man noch nicht hinsieht. tut, weglegt,... abzweigt, abschreitet, abzweigt, und das ent- Das reine Wissenwollen, das Wiederholen reicht nicht aus, um deckt, was einen eh schon immer umgibt, das man immer etwas in Gang zu setzen. Es braucht eine Selbstaktivierung, wieder entdecken lernt, dass man lernt, das Entdeckte so zu

26 gift 01/2014 Artificial Horizon / Milli Bitterli & Frans Poelstra: A donut has a hole. TQW, 2010 © Laurent Ziegler entdecken, als wäre es nicht nah, sondern etwas Entferntes reagiert, gleich losrennt oder gleich alles ganz spüren möchte. – das Nahe zum Entfernten zu machen, damit ich es aufgrei- Das Abwarten, das Widersetzen wird Teil der Praxis, ermögli- fen, anschauen, damit ich damit tun kann, damit abzweigen, cht einem – oder führt auch in letzter Konsequenz zu einem abschreiten und einordnen kann – als wäre es wie beim er- Stillstand, zu einem tatsächlichen Entfernen von sich selbst. sten Mal – also, bevor es eine Praxis wurde. Eine Amateurin In dem Stillstand und Innehalten sammelt sich die Kraft des in der eigenen Arbeit bleiben zu dürfen. Das ist dann meine Denkens, der Energie. Im Stillstand bemerkt man die aufkom- Praxis. Querfeldein zu ziehen, mit Lust und List – um mit menden Einsprüche, lernt man, sein Denken zu formulieren, dem Denken spielen zu können – um mit Bewegungen spie- in die Sichtbarkeit zu bringen und so das Selbstbewusstsein, len zu können – um zu entdecken um zu bewältigen... Die das Dasein zum Gegenstand der Reflexion zu machen. Also Bewältigung einer Sache ist oft keine bequeme Angelegenheit. mit dieser Reflexion im Kopf, mit dem Denken im Körper Es bedeutet auch eine Trennung, ein Loslassen von liebge- kann man ganz wesentlich anwesend sein und getrost Auftre- wordenen Vorstellungen – weil man dort hin will, wo man ten und gleich im nächsten Moment abzweigen. Aber dieser noch nicht hin sieht. Wie kann ich mich im Auftreten von mir Stillstand ist nicht eine fixe Form, eine fixe Größe – er muss selber entfernen? Und nach langer Praxis weiß man dann, das einen tatsächlich erreichen – und man muss es auch aushalten geht nur, wenn ich ganz da bin. Wesentlich anwesend bin, wollen. Nicht jeder Stillstand trägt in sich eine Kraft, denn mit meinem ganzen Denken. Ganz da, damit meine ich eine nur still auf der Bühne zu stehen ist noch kein Potenzial, um Verzögerungen aushalten kann, damit ein Vertiefen, ein sich ins Denken und Einlassen zu fallen. Es sind Momente, die Verlieren mehr als bloß eine Möglichkeit ist. Wenn man es einen noch tiefer in die Praxis führen, weil man aufgibt und aushält, nicht immer mit dem Denken schneller als die Bewe- abgibt. Weil es wie ein Atmen ist. Einatmen Gruppenarbeit, gungen sein zu wollen. Wenn man es aushält – und es auch ausatmen Solo – einatmen schreiben, ausatmen vorlesen – halten kann – im Sinne von performen können – sich einer einatmen etwas verlassen – ausatmen wieder zurückkommen, Bewegung zu öffnen. Da sind diese Schwellen zu finden, die ... Als Kind habe ich oft gespielt: Wie lange kann ich die Luft einen tragen, weil man nicht gleich auf einen Reiz im Affekt unter Wasser anhalten. Den selbstverständlichen Rhythmus

diskurs 27 Die Praxis darf zu keiner Routine werden, sonst wird sie mehr zu einer Begrenzung, zu einem Reservat.

des Atmens zu durchbrechen, das hat mich fasziniert. Etwas darf man sich, wenn sie immer wieder gleich und ‚richtig Selbstverständliches zu durchbrechen beendet geschäftiges dosiert’ verlaufen. Erledigen und bietet stattdessen eine Ordnung des Erkennens Praxis ist kein Uhrwerk, das sensationell gut tickt. Nicht an, ein Berührtwerden von etwas. Unser Gemüt wird auf eine alles ist logisch, nicht alles flutscht, nicht alles ist verständ- gewisse Weise affiziert, es entsteht eine Sinnlichkeit, mit der lich. Gerade die Momente wo es nicht gelingen möchte, wo Dinge in eine eigene spontane Ordnung fallen dürfen und man aufhört und anfängt, wo etwas sich widerstrebt, sind die nicht länger an der (Wasser)Oberfläche treiben. Momente des eigentlichen Beginnens. Man wird dazu getrieben, immer mehr Dinge zu erledi- Die Praxis ist vergleichbar mit einer Wanderung, die Tal gen, Punkte zu sammeln, im Subventionensranking einen gu- auf, Tal ab, querfeldein ihre Wege zieht. Eine Wanderung, in ten Platz zu erhaschen, um zu überleben, marktaufwertende der Gipfel gestürmt und Ruhepausen gemacht werden und Koproduktionen zu erlangen, Kooperationen aufzubauen und eine bunte Reihe von Veränderungen eintreten dürfen, die läuft sich selbst (seiner Praxis) davon. Man läuft seiner Praxis zu Ausgangspunkten für neue Entwicklungsprozesse werden. davon, weil man so tun muss, als gäbe es etwas vorauszupla- Man muss suchen, um zu finden. Man muss suchen, um das nen, vorauszudenken – und als gäbe es dann nachträglich Nahe zu sehen. Das ist die Last der Wanderung. etwas zu erfüllen. Oft geht man zu weit, oft tut man zu viel, oft produziert Auf der Bühne geht es für mich als Performerin nicht man Überschüsse, aber die, die das als unnütz und überflüs- um das Erreichen und das Erfüllen einer Perfektion, es geht, sig, als ein Zuweitgehen, als einen Umweg, als ein Abzweigen, und das ist das ‚Aussetzen’ das ich auf der Bühne empfinde, als ein Ende, als ein Aufhören bezeichnen, waren selber nie es geht – um alles. Das Ich muss anwesend sein. Wesentlich auf Reisen. da, mit dem ganzen Denken. Wesentlich da, nicht mit Wis- Es geht um Rhythmus, Abwechslung, Vordergrund und senwollen, oder Wissen vortragen wollen, oder Wissen zeigen Hintergrund. Um Spannung und Entspannung, Kontrolle und können, sondern so da, als wäre hier der Anfang, hier der Risiko, um Auf- und Abtritt, Anfang und Ende. Um eine Wie- Beginn, als wäre das, das Ende und das Aufhören. Das Jetzt derholung eines Wissens, das jedoch in jedem Moment be- versuche ich im Tanzen zu tanzen, als wäre es das letzte Mal, wusst neu erlebt werden muss, weil man sonst auf der Bühne als wäre es das erste Mal, als gäbe es nur diesen Moment, in vor dem Publikum ‚in die Knie’ geht. Es geht um hinführen diesem Moment, für diesen Moment, für den man alles gibt und loslassen, verzaubern oder entzaubern, Nähe und Di- – etwas, dass am Selbstverständnis rüttelt und dass Gewohn- stanz, um Betonung, oder um Kleinigkeiten, die nebenbei heiten des Denkens und Wahrnehmens aus den Fugen geraten fallengelassen werden. Es geht um einen ‚geheimen’ Plan der lässt (Meyer-Drawe 2008). In diesem Moment ganz da, damit Verführung. Man kann Zeit und Raum einfach nur ausfüllen meine ich: „Nicht das Wiederholbare zu suchen, nicht voraus oder Räume eröffnen, dehnen oder den Rändern einer Bewe- zu kalkulieren, auch wenn es nicht gelingt.“ gung Risse versetzen. Wer die ganze Praxis meint, darf sich vor chaotischen, Die Praxis darf zu keiner Routine werden, sonst wird lauten, spannungsvollen, aufreibenden, überraschenden, sie mehr zu einer Begrenzung, zu einem Reservat. Die Praxis ruhigen, unspektakulären, zögernden, lustigen, dummen, darf nicht zu einer Theorie werden und ich kenne mich nicht gefährlichen, offenen, netten, langsamen, köstlichen, alltäg- aus, was ich mit diesem Satz meine. Was ist los? lichen, traurigen, vergnügten, ambivalenten, stürmischen, Man kann nicht immer. Es gelingt nicht immer. Nur im ungeschickten, verpassten, schrillen, organisatorischen, Versuchen kann es glücken. trockenen, wertvollen, steilen, schrecklichen, schwierigen, Dort wo nicht versucht wird, ist nichts, auch nichts zu starken, verstimmten, gruseligen, platten, gequälten, pessi- verlieren. mistischen, phlegmatischen, ratlosen, ernüchternden oder Ich höre oft mit Ratlosigkeit den Satz: „Auch im Tanzen, wilden oder auch spontanen, zu engagierten, zu detaillierten, also der tanzende Körper, trägt Wissen in sich.“ Das macht zu ausufernden Momenten nicht schrecken. Schrecken aber mich ratlos, weil ich nicht verstehe, warum das Wort ‚auch’

28 gift 01/2014 Die Praxis darf zu keiner Routine werden, sonst wird sie mehr zu einer Begrenzung, zu einem Reservat.

in diesem Satz steht. Der tanzende Körper trägt Wissen in es schaffen sich einzugestehen, dass man Angst hat. Angst sich. Ob dieses Wissen nun für einen Theoretiker brauchbar nicht überleben zu können, nicht damit überleben zu kön- oder unbrauchbar ist, tut nichts zur Sache – so wie mir auch nen, Angst die Lust zu verlieren, Angst etwas Falsches zu die Theorie bei der Bewältigung einer Bewegung im Moment tun, aber wenn man dann nichts tut, nichts ändert, wenn auf der Bühne schwerlich helfen kann. Wohl aber davor in man deshalb nichts mehr gibt, weil es nichts gibt, weil nichts der Praxis. Da braucht es beide – davor – also vor einer Ver- verändert wurde und nichts mitgeteilt wurde, weil der Blick öffentlichung – sind sich Theorie und Praxis nicht unähnlich nicht wagte wo anders hinzuschauen, und damit nichts wei- – nehme ich mal an. teres auszusagen ist, als dass man auf der Stelle tritt, weil Im Tanzen lernt darauf zu achten, wo die eigene Be- man nachdenkt über etwas, was schon vorgedacht wurde, grenztheit und das eigene Selbstverständnis zuhause ist weil man denkt, dass man so das Richtige tut, weil das Rich- und wie man seinen Körper bewohnt. Mit einem schnellen, tige, das immer alles perfekt und logisch haben möchte, das selbstverständlichen „Ich denke“ stößt man auf der Bühne ist, was man sucht, weil die anderen das auch so tun (oder oder im Studio schnell an Grenzen und muss sich selber, sein vorgeben) und man sich deshalb immer im Recht fühlt, den Selbstverständnis, nochmals zum Gegenstand des Denkens Fehler des anderen zu suchen und darauf zu zeigen, anstatt machen. Denn sinnliches Einlassen und Durchleben meint ihn zu feiern und als Möglichkeit zu sehen, weil man selber nicht, dass das Denken abgeschafft wird, sondern viel mehr, so sehr versucht, immer das Richtige zu tun, dann wäre man dass ein ‚anderes’ Denken entstehen kann, ein Denken im ein Gefangener oder eine Gefangene an einem Ort. An diesen Affekt, das manches überblicken lernt. „Es denkt nicht mehr Ort ‚trägt man Gefühl’ wie ein Kleidungsstück. An diesem Ort ‚gegen’ den Affekt – sondern im Affekt, für den Affekt, inmit- werden Herrschaftsverhältnisse stur wiederholt. ten der Welt“ (Böhler 2011). An diesem Ort geht es um Übertragung und Anpassung. Dieses Fallen oder Befallenwerden vom Denken, das aus Es sind Orte der scheinbaren Sicherheit und Stabilität. Es Momenten für den Moment denkt, das den Affekt mitnimmt sind Orte, an denen der Mensch an einen (End)Punkt kom- im Denken und nicht wegschiebt, das die Lust mitnimmt im men muss. Zu diesem Ort darf die Praxis nicht werden. Die Denken, kann man immer wieder erleben, aber nie ganz er- Praxis ist keine Begrenzung, noch eine endlose Spielwiese. lernen. Je öfter man etwas erlebt, desto selbstverständlicher Man hat damit begonnen, ohne zu wissen, wann das genau kann man auf diese Momente achten, sie schätzen und aus war. Es gibt einen Anfang und ein Ende. Es gibt ein Beginnen ihnen schöpfen lernen. Desto eher könnte man es zulassen, und ein Aufhören. Es geht um alles. auf sie zu warten, weil man nun weiß (eine Vorstellung davon hat) auf was man ‚aktiv wartet’, was man auflauert. „... Ich bin ein Theil von Allem, was ich sah; Und vielleicht liegt man umsonst auf der Lauer. Und Doch die Erfahrung ist ein Bogen mir, obwohl man so da liegt und nichts geschieht – und man be- Durch dessen Thor die unbereiste Welt herglänzt; fürchtet, dass die Sätze, die man geschrieben hat nicht an das und, wenn ich nahe, stets erbleicht. herankommen, was man eigentlich sagen wollte, weil man Wie traurig ist es, ruhend nun zu enden, ...1 || die Sprache nicht hat, – selbst dann – beruft man sich auf seinen Verstand. Ich komme zum Ende und tausche die Frage aus: Nicht 1 Ein Ausschnitt aus dem Gedicht Ulysses von Alfred Tennyson (Tennyson mehr „Was ist los“, sondern „Was tun?“. Vielleicht kann man o.J., S. 91).

Milli Bitterli

ist Choreografin, Tänzerin, Performerin, Pädagogin

diskurs 29 Her Majesty the pressure cooker, or how to cook an independent theater

KNOCKOUT – Natalia Yordanova The ACT Festival and international meeting in Sofia 2013 Boris Zafirov

Perhaps the difference between totalitarianism and demo- cracy lies in the fact that in the first case, who goes around numerous offices and institutions is totally drained, and in the second case, is exhausted to the full. Even when there are no visual boundaries between the two states of political and social mechanisms (as is the situation in Bulgaria) the idea and the direction are always a personal decision.

white spots – Valeri Val

Despite the unstable cultural and economic environment in there, in the middle of the occupied University, The ACT Bulgaria, The ACT festival, a festival of independent theater festival took place. was held for the third time this year. Value adding was the theme of the current edition. As a result of the lack of suffi- cient funding, The ACT festival 2013 concentrated on only The ACT festival in the occupied University three performative interventions. The festival focused on in- ternational debates which were united in a single forum. The In 1968, students in Paris suspended university tuitions in main topics were the sustainable development of independent the Sorbonne and turned it into a barricade, where they esta- theater productions in Bulgaria and their marketing, interna- blished their department of protest and stated their position, tional collaborations of independent artists, the development saying that they wanted to teach themselves and to manage of new alternative spaces and, last but not least, the issue of their school alone. At that time, “Odeon” theater also stopped communication and attraction of a relevant and adequate its program under the pressure of protesters and even the latin audience. neighborhood was burned and busted. I would like to share The Association of Independent Theater and its many the pleasure of being a witness and a fellow of the students partners were able to organise this year's edition of the festi- in Sofia who also occupied the university, but unlike their val despite tendencies to reduce the need for cultural events colleagues in 1968 in France didn't close theaters – on the in Bulgaria; proving that the personal investment of an in- contrary: The conference hall of Sofia University "St. Kliment terested group can overcome even this kind of barrier. As Ohridski" was given to ACT and the first of the forums re- there are strikes and demonstrations against the government lated to the development of a independent theater was held taking place in Bulgaria and mainly in Sofia right now, stu- there. The international participants and guests invited to the dents joined the protests and occupied the University. Right festival were divided into three groups where the following

30 gift 01/2014 Alternative art is needed for the diversity and development of the cultural life in Bulgaria.

topics were discussed: international partnerships, spaces and jects but also because alternative art is needed for the diversity audience. For the still young independent scene in Bulgaria and development of the cultural life in Bulgaria. None of the each topic is equally important. In comparison with previ- organizers of the festival nor the members of ACT have the ous years, due to the membership in the European Union attitude of opposing or competing with municipal and state Bulgarian artists have a wider access to EU programs, funds theaters. Independent art is still underestimated. And on the and organizations. But there are still many funding systems other hand there are many people who see the festival as and mechanisms which are unknown and vague for a large something elite or pretentious. The truth is that we are in the percentage of people here. process of establishing a form of theater that is still looking Lithuania, for example, is a country we have much to for its image and its audience. learn from, given the fact that it is three times smaller than Our international guests shared some experience that Bulgaria but on top position when it comes to acquiring Euro- motivated us to think about and work on developing the Bul- pean Union funds. I sincerely hope that with every edition of garian independent theatre scene and its audience further. the festival for independent theater the number of Bulgarian This debate also provoked the question whether it is more artists who apply for EU cultural funding will increase. important to find new audiences, or to work on involving the The problems concerning theatre spaces are based on existing audience. Or in other words, to foster communication a local level and directly connected to our cultural policy. with the audience and to strengthen the mechanisms by which The difficulties, arise due to gaps between the state and the the stage acts provoke the consciousness of the audience and national support. Theaters and people who want to work in set off a process that continues after the show. independent theatre have no other option but to look for a Before the discussions, the Secretary General of ietm, stage outside state and national theaters. Dozens of former Nan Wang Hoyt and the chairman of ACT, Vesselin Dimov cinemas, factories and warehouses remain unused and are presented ietm (World Network for the Performing Arts) at potential locations for cultural events. In the best case, they the international meeting of its members in Bulgaria. Next will be turned into underwear stores, solariums or pop-folk year the ietm spring meeting will take place in Sofia for the venues. For already five months now, protesters against the first time. Then, the official foreign guests of the festival were current government are trying to make politicians and people presented: George Zakinis, who is one of the main organi- in power understand that culture and education are not an zers of the Athens ietm meeting, Sabine Kock who brought unnecessary luxury but both social and economic engines of in her experience in cultural policy work in Austria and in a country. But budget for culture seams to be unnecessary for networking through the European Off Network (EON), Bar- government and even the small budget amount is not payed bara Friedrich who told the exciting story of a huge rehearsel out. space in Berlin UFER Studios, Alexander Opitz who came as a longterm friend of The ACT festival and is related to the work of several Bulgarian artists, the German artist Bernhard Alternative culture and independent theatre Oysterschulte who shared his experiences as an independent theater maker, and Ioannina Benduski and Andrea Oberfeld The area of alternative culture is the main focus of ACT, not who talked about their self organised agency for Artists in only because there is no other place for its independent pro- Berlin called Ehrliche Arbeit.

diskurs 31 After having dedicated a lot of energy to the important is- fighting against a boxing bag which he didn`t stop punching sues of independent theatre, at the end of the festival day until his total exhaustion. During this “boxing match” an in- our guests witnessed a performative campaign called White terview with him telling different facts about the life as a boxer Spots by Milena Stanoevich. Twenty- five independent artists was played. The motto of the campaign was “The Participant from Bulgaria were dressed in costumes that represented their should lay down on the ground and cannot stand on his own. personal and creative characteristics. They were painted in The inability to fight forward“ which a sufficient element to white and were frozen like statues in positions that express make a modern theatrical form complete and grounded, even their states of mind. The campaign was all about provoking without looking for storylines or the characteristics of cha- the audience and making the spectators think about how of- racters. The audience began to leave at some moment of the ten nowadays art is exploited as a dead thing and evaluated performance, which became something normal. Those who only when it is in a museum or when it is transformed into left the theatre were perceived as "the losers", who didn`t ma- a monument on a square. Their attitude towards art, largely nage to hear the whole story: But the end of the performance reveals people's attitude towards life. The living statues made was the finest, the most personal part, when the audience me think about how we experience things post factum, in a could watch him boxing until the end. There were several time when their active influence has passed. Art gives the layers where the battle was situated: between the hardness of possibility to perceive the past here and now, and to relate it the boxer and his personal history as a vulnerable mand and with the current day. between the viewer and its own concept of theater. After this hard clash the festival audience was invited to A culture, that stands equal to that of other European the closing party where the professional obligations of guests countries and participants were left aside – somewhere in the boxing ring. It is also part of the ambitions of the community of On the next day, the festival continued with the final block of independent artists – despite the seriousness and the respon- the forum and the presentation of ietm and the International sibility which they give to art – to keep a sense of lightness Congress, which ACT prepared for the fourth edition of the of the human being and not to transform ourselves into too Festival of Independent Theater in October, 2014 – the begin- serious personalities. But that`s another story and shall be ning of the "Creative Europe" program, planned to continue told another time ... || until 2020. This was followed by a presentation of the project On The Move by Marie Le Sourds. All these are very important contributions to the de- ACTteam velopment of the Bulgarian independent culture (a culture, Bilyana Nesheva, Katrin Hrusanova, Martina Shopova, Julia Den- that stands equal to that of other European countries), in cheva, Veselin Dimov, Gergana Dimitrova, Idah Daniel, Svetozar relation to communication and experience exchange. Alter- Georgiev,Yavor Kostov,Vili Pragger, Alexander Manuilov native theatrical genres must not be perceived as something isolated and snobbish by journalists and common viewers who hitherto largely act with disdain because for them it is something new and incomprehensible. The expectations of Boris Zafirov theatrical spectators must change and must be a little more graduated at National Academy for Theatre and Cinema Art at 2012 objective and prone to challenge. in Theatre science and cultural management. He is working as cul- The last day of the festival ended with such a challenging tural journalist and PR Manager since his student years and is also action, Knockout by Miroslav Yordanov Nedazhda Moscovs- working as DJ and event manager in Bulgaria and he participates ka. In this performance, the boxer, Vladislav Georgiev was in film projects.

32 gift 01/2014 rezension

Augusto Boal: Widerstand revisited

Feld auch längst auf theoretischer Ebe- seines ursprünglichen historischen und ne. Diese Expertise belegt sie 2013 ein- gesellschaftlichen Kontexts im 21. Jahr- drucksvoll mit ihrer im Ibidem-Verlag hundert zur nachhaltigen Entwicklung veröffentlichten Dissertation Von Revo- von Gesellschaften und zur Entwicklung lution zu Autopoiese. einer aktiven Teilhabe beitragen kann. Darin setzt sie sich grundlegend Vor allem aber gibt sie den Leser_innen mit den Schriften und der Methodik des auch Raum und Lust, Gedankenfäden autopoietischen1 Theater der Unterdrü- aufzunehmen und selbst weiterzuden- ckten Boals im Kontext der revolutio- ken. (best) nären Theaterbewegung Lateinamerikas in den 1960er und 1970er Jahren ausei- nander und beleuchtet die Entwicklung des Theaters der Unterdrückten in Be- 1 Autopoiesis oder Autopoiese ist, zurückgehend zug auf die Lehren des Pädagogen und auf den chilenischen Neurobiologen Humberto Kämpfers für Alphabetisierung, Paolo Maturana, der Prozess der Selbsterschaffung und -erhaltung eines Systems. Freire.2 Hinsichtlich Methodik und Anwen- Boals Arbeit im Kontext der The- 2 Boal und Freire verband nicht nur ihr Einsatz dungsbereiche des Theater der Un- orien des kolumbianischen Begründers für Demokratisierung, sondern auch die groben terdrückten (TdU) Augusto Boals hat der partizipatorischen Aktionsforschung Züge ihrer Lebensgeschichte (Verfolgung, Exil, Rückkehr und späte Auszeichnung). Birgit Fritz schon länger einen aus- Orlando Fals Borda und des Theaterma- gezeichneten internationalen Stel- chers Enrique Buenaventura, dem Vater lenwert. Ihr 2011 herausgegebenes der Creación Colectiva, sowie der The- Die besprochenen Bücher Handbuch zur Praxis des Theaters der orie und Praxis von Moshé Feldenkrais Unterdrückten wurde 2013 für die reflektierend, bewegt sich Birgit Fritz Fritz, Birgit (2013): InExActArt – Das autopoie- tische Theater Augusto Boals. Ein Handbuch zur vielen weltweit tätigen Kolleg_innen hin zur Beantwortung ihrer wissen- Praxis des Theaters der Unterdrückten. Stuttgart, auch in englischer Sprache (im selben schaftlichen Kernfrage, ob und wie das Ibidem. Jahr in der deutschen Ausgabe be- Theater Augusto Boals im 21. Jahrhun- reits in zweiter Auflage) herausgeben. dert zur nachhaltigen Entwicklung von Fritz, Birgit (2013): Von Revolution zu Autopoiese. Auf den Spuren Augusto Boals ins 21. Jahrhundert. Ebenfalls im Jahr 2011 macht sie, in Gesellschaften beitragen kann. Das Theater der Unterdrückten im Kontext von Frie- alle Richtungen vernetzend, mit der Fritz findet u. a. in den Ausfüh- densarbeit und einer Ästhetik der Wahrnehmung. Übersetzung und Herausgabe von rungen John Paul Lederachs und dem Stuttgart, Ibidem. Sanjoy Ganguly’s Forumtheater und Kontext der Friedensstudien als auch im Demokratie in Indien die spannenden posthum, vorerst nur auf portugiesisch Fritz, Birgit (Hg.in)/Boal, Augusto (2013): Ham- let und der Sohn des Bäckers. Die Autobiografie. und konsequenten Forumtheater-Ent- erschienenem, letzten Werk Boals, der Wien, Mandelbaum. wicklungen in Indien für deutschspra- hier eine Ästhetik der Wahrnehmung po- chige Leser_innen zugänglich. Über stuliert, viele ergiebige Ansätze und be- Fritz, Birgit (Hg.in)/Sanjoy, Ganguly (2011): den lehrenden, praktischen Austausch legt überzeugend ihre Hauptthese, dass Forumtheater und Demokratie in Indien. Wien, Mandelbaum hinaus profilierte sich Fritz in diesem das Theater Augusto Boals auch jenseits

diskurs 33 © Anja Koehler: Die verlorenen Schritte Kompanie XTHESIS tanzKollektion 2010

34 gift 01/2014 bilderrahmen Anja Koehler

„Mich faszinieren Bühnen und Fassaden des Lebens – künst- liche und alltägliche. In Tanz, Theater und Architektur. Raum, der durch Bewegung entsteht, Bewegung an sich, umbauter Raum – als Skript, als etwas Theatralisches, als Skulptur, als Material. Meine Fotografie folgt Bewegung, Zeit und Raum. Un- terwegs zu sein mit der Kamera. Sich annähern an Orte, Menschen. Einfühlen. Wahrnehmung gestalten, intuitiv. Fotografie bewegt mich.“

Anja Koehler, geboren 1968, setzte als Fotoredakteurin einer überregi- onalen Tageszeitung 20 Jahre die ganze Bandbreite journalistischer Themen im In- und Ausland ins Bild. Sie arbeitet heute als freischaffen- de Fotografin mit Fokus auf Architektur und Kunst, Theater und Tanz, Portrait und Reportage. Für Magazine, Buchverlage und Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist langjährige Fotografin bei den Bregenzer Festspielen und am Vorarlberger Landestheater. Seit 2008 begleitet Anja Koehler fotografisch die Produktionen von tanzKol- lektion und openSpace. tanzKollektion ist das erste Format, mit dem netzwerkTanz zeitgenössischen Tanz made in Vorarlberg vor Publikum präsentierte. Bei openSpace, ebenfalls eine Plattform von netzwerkTanz, finden Tänzer_innen eine Bühne für die Präsentation von bereits ferti- gen Kurzstücken oder von Auszügen neuer Ideen und Konzepte (www. netzwerktanz.at).

Fotografie TanzTheater (Auswahl): Produktionen von Nico and the Na- vigators, Gob Squad, Cie. Toula Limnaios, brut@Bregenz, Les Ballets C de la B – Alain Platel, The Bakery und Danspace Project NYC, Ben Frost – alle für KAZ – Kunst aus der Zeit. Aufführungen von Alvin Ailey Dance Theatre, Aterballetto, Compañia Nacional de Danza aus Madrid, companie bewegungsmelder, Eva Yerbabuena Ballet Flamenco, Frederic Flamand und Charleroi/Danses – Plan K, Sidi Larbi Cherkaoui, Les Ballets de Monte Carlo, Pilobolus Dance Theatre u.a.

www.andereart.de

diskurs 35 Dantons Tod Inszenierung: Christoph Marthaler Wiener Festwochen 2005 Ein Subject namens Büchner © Leonard Zubler

Nicht nur Richard Wagner und Giuseppe Verdi kamen im Mit einem Dutzend BIC-Rasierern sollen den zum Tode ver- Völkerschlachtjahr 1813 zur Welt, auch Georg Bücher wur- urteilten Dantonisten die Haare für ihren Gang aufs Schafott de in diesem geschichtsträchtigen Jahr geboren. Anläss- geschert werden. Doch eine der Klingen fällt dem Schauspie- lich seines 200. Geburtstages widmen sich Jürgen Bauer ler Jürgen Kienberger scheinbar zufällig aus der Hand, gefolgt und Stephan Lack einem Werk, das zwischen Revolution von zahlreichen weiteren. Ihr Fallen jedoch erzeugt Töne, die und Melancholie pendelt und bis heute Anlass für vielfäl- sich langsam aber sicher zur Marseillaise aneinanderreihen. tige politische Vereinnahmungen bietet. Was als Slapstickszene beginnt, entwickelt sich zu einem der packendsten Momente in Christoph Marthalers Inszenierung Stephan Lack und Jürgen Bauer von Dantons Tod, die vor zehn Jahren bei den Wiener Fest- wochen zu sehen war. Für den Schweizer Regisseur ist alles an Büchners Stück Musik – selbst die Einwegrasierer, die kleinen Schwestern der totbringenden Guillotinen.

Der Sprachkomponist

Von Marthalers mit Revolutionsliedern und Chansons ge- spickter Inszenierung ist es gedanklich nur ein kleiner Schritt zu Gottfried von Einems Opernfassung von Dantons Tod.

36 gift 01/2014 Für Marthaler ist alles an Büchners Stück Musik – selbst die Einwegrasierer, die kleinen Schwestern der totbringenden Guillotinen.

Und Woyzeck diente nicht nur Alban Bergs Wozzeck als Vor- Frühkommunist, war er für die anderen ein Nationaldichter, lage, sondern auch der gleichnamigen Oper des deutschen der aufbegehrte gegen „die Ausbeutung und Erniedrigung Komponisten Manfred Gurlitt. Von Leonce und Lena exi- der Armen im Nebel eines metaphysischen Elends, dem der stieren Opernfassungen von Kurt Schwaen und Paul Dessau, Mensch schlechterdings ausgesetzt sei“, worauf auch Man- während sich Wolfgang Rihms Kammeroper Lenz Büchners fred Koch in der NZZ hinweist. Versuche, Büchner auf und großer Novelle widmet. Und auch Popkulturgrößen wie Tom hinter den Bühnen gar für den Nationalsozialismus oder das Waits, Herbert Grönemeyer oder unlängst die Tiger Lillies DDR-Regime zu instrumentieren, erwiesen sich zwar als weit- haben sich mit ihrer Musik Büchners Bühnengeschehen gehend erfolglos, zeigen jedoch, wie stark Werk und Person gewidmet. Diese Interpretationen beweisen nicht nur die des Dichters ineinanderfließen. Musikalität von Büchners Sprache, sondern auch die Wir- kungsmacht von Musik, um die Büchner genau Bescheid Blaupause eines jungen Revoluzzers wusste und die er ganz gezielt in seinem Werk einzusetzen verstand. „Büchners Briefe und auch seine Dichtung bersten Diese extremen Deutungen fußen dabei auf einem denkbar vor musikalischen Motiven,“ bringt es Corinne Holtz in der schmalen Werk, das in 23 Lebensjahren entstand. Doch wel- Neuen Züricher Zeitung auf den Punkt. Und Martin Selge che Fülle an historischen Entwicklungen fand Platz in dieser stellt im Programmheft von Marthalers Danton-Inszenierung kurzen Zeitspanne: Geboren direkt in die Völkerschlacht von die Frage: „Weiss man eigentlich, dass bei Büchner ziemlich Leipzig, in der die Truppen Napoleons eine verheerende Nie- viel gesungen wird?“, um die Antwort sogleich durch eine derlage einfuhren, waren Büchners Jugendjahre gezeichnet lange Aufzählung von Liedstücken in dessen Dramentexten von der Wiederherstellung vorrevolutionärer Verhältnisse. nachzureichen. Vielleicht erklären dieser bewusste Umgang Christoph Marthaler hat dieses Umschlagen klug erkannt mit dem (Volks)Liedhaften und die Musikalität der Büch- und seiner schon angesprochenen Danton-Inszenierung die nerschen Sprache die unmittelbare Wirkung seiner Dramen: Restauration in Form des Stücks O.T. – Eine Ersatzpassion Diese zielen auf großartige Weise nicht nur auf den Kopf, folgen lassen. Im ausgeweideten Bühnenbild des Büchner- sondern auch direkt auf den Bauch. stücks wurde da an der Neueinrichtung bürgerlicher Ver- hältnisse gearbeitet. Nur das Schild Napoleon über der Tür erinnerte – wie das immer wiederholte „Waterloo“ von Abba Büchner ist ein anderer! – an all das, was in diesem Raum einmal verhandelt wur- de. Schwermut und Revolution nannte denn auch Walter Die emotionale Wirkung seiner Werke verstärkt dabei noch Jens seinen Büchner-Artikel: Dantons Tod hier, Leonce und die ihnen innewohnende politische Sprengkraft, die vor allem Lena da. Jedoch: Die lebenslange Auseinandersetzung mit im zwanzigsten Jahrhundert dafür gesorgt hat, dass Büchner- Revolutions- und Gesellschaftstheorie prägte beide Werke. texte diversen Vereinnahmungsversuchen aus dem rechten Dass Woyzeck, Büchners drittes erhaltenes Werk, just 1913 ebenso wie dem linken Lager ausgesetzt waren. Zwar dauerte zur Uraufführung gelangte – in jenem Jahr, in dem auch das es fast hundert Jahre, bis die schockierend neuartigen Werke Völkerschlachtdenkmal in Leipzig eröffnet wurde – zeigt in ihren Weg auf die deutschsprachigen Bühnen fanden – Natu- einer Volte der Geschichte die Bedeutung der historischen ralismus und Expressionismus mussten erst den Boden ebnen Ereignisse für Büchners Werk. –, doch dann rückte man ihnen nicht nur theatral, sondern Ein Werk, das Büchner – so besagt es die wohl be- vor allem auch ideologisch zu Leibe. Galt er den einen als kannteste Anekdote aus seinem Leben – im Gepäck hatte,

diskurs 37 Fast scheint es, als würde Büchner die Form des reinen Sprechtheaters sprengen. Vielleicht mit ein Grund für den Mangel an bedeutenden Büchner-Inszenierungen in Österreich.

als er nach einer gerichtlichen Vorladung wegen seiner re- wieder begonnen, Büchner zu spielen. So zeigte etwa die jun- volutionären Aktivitäten nach Strassburg flüchten musste: ge freie Szene sehr erfolgreiche Interpretationen seiner Werke: Die Niederschrift seines Danton nämlich, die zum Drama Helmut Wagner inszenierte noch Ende der vierziger Jahre im gewordene Auseinandersetzung um Revolution und Schre- Studio der Hochschulen Woyzeck und Leonce und Lena, im ckensherrschaft. Diese Spannung zwischen Sinn und Sinnlo- Theater am Parkring machte dann Anfang der fünfziger Jahre sigkeit von Aufbegehren prägt auch das posthum erschienene ein gewisser Otto Schenk in Woyzeck auf sich aufmerksam Märchenspiel Leonce und Lena. Ganze Passagen des Stücks und Heinz Röttingers Leonce und Lena-Inszenierung war so lesen sich in ihrer Abrechnung des aristokratischen Schma- erfolgreich, dass sie sogar zu den Berliner Festwochen gela- rotzertums so, als entstammten sie direkt dem Hessischen den wurde. Auch am anderen Ende der theatralen Skala war Landesboten, jenem gemeinsam mit Friedrich Ludwig Weidig Büchner früh wieder in den Fokus gerückt: Die Salzburger verfassten Flugblatt, das offen zu Revolution aufrief: „Friede Festspiele zeigten schon 1947 Gottfried von Einems noch den Hütten! Krieg den Palästen!“ Und doch: Dem Wider- in Kriegszeiten entstandene Danton-Oper und machten den stand gegen die Staatsgewalt folgt der an der Sinnhaftigkeit Komponisten damit berühmt. Doch mit dem Erstarken der der Revolution zweifelnde Danton. Hier auch ein Selbstbild nächsten Regisseurs-Generation endete diese Neubeschäfti- Büchners zu sehen – auf der Flucht vor den brutalen Repres- gung mit dem Werk: „Peter Zadek, Luc Bondy, Peter Stein salien gegen ein aussichtslos wirkendes Revolutionsprojekt, (und auch Andrea Breth) inszenierten ihn nie, Peymann, Grü- das er selbst vorangetrieben hatte – ist nicht gänzlich abwe- ber und Neuenfels nur einmal“, wie Matthias Heine in der gig. Eine direktere Verarbeitung der Auswirkungen seiner Welt anmerkt. Über die Gründe hierüber kann nur gerätselt politischen Handlungen findet sich in einem handschriftlich werden, aber vielleicht war das Werk Büchners zu unsicher erhaltenen Stückfragment von Leonce und Lena, in dem er und uneindeutig für die Regisseure der politisierten sechziger zwei Polizisten gar nach einer steckbrieflich gesuchten Per- und siebziger Jahre. Erst eine Generation später waren diese son fahnden lässt, die sie als „ein Subject, ein Individuum, Vorbehalte vergessen: Michael Thalheimer, Nicolas Stemann eine Person, einen Deliquenten, einen Inquisiten, einen Kerl“ und Thomas Ostermeier – ihnen allen glückten bedeutende bezeichnen – eine bittere Anspielung auf Büchners eigenen Inszenierungen. Nur Frank Castorf brachte bislang noch Steckbrief, ausgestellt vom hessischen Hofgericht. Es ist diese kein Büchner-Drama auf die Bühne. Stattdessen inszenierte Auslegungsmöglichkeit seines ganz persönlichen politischen er 2008 mit Rihms Lenz lieber die einzige Prosa-Dichtung. Engagements, die das schon angesprochene Tauziehen um Und wieder ist es hier die Musik, die Büchners Sprache auf Büchner ermöglichte. der Bühne potenziert. Selbst Michael Thalheimer verfolgte 2011mit seiner formstrengen Methode in seiner wegwei- senden Leonce und Lena-Inszenierung einen musikalischen Vom Zaudern der 68er weil rhythmischen Ansatz. Fast scheint es, als würde Büchner die Form des reinen Sprechtheaters sprengen. Doch ausgerechnet die politisierenden Großregisseure der sechziger Jahre machten einen weiten Bogen um Büchners Werk. Gleich nach dem Krieg hatten sich so unterschiedliche Ich will alles im Leben Regisseure wie Gustaf Gründgens und Fritz Kortner seinen Stücken gewidmet – der erstere mit Dantons Tod, der zweite Vielleicht mit ein Grund für den Mangel an bedeutenden mit Leonce und Lena – und eine Büchner-Neuentdeckung Büchner-Inszenierungen in Österreich, zumal in letzter Ver- ohne die Verwerfungen der Nazi-Interpretationen schien in gangenheit. Sven Eric Bechtolf konnte 2001 am Burgtheater greifbarer Nähe. Auch in Österreich hatte man schon bald mit seiner Leonce und Lena-Version nur bedingt überzeu-

38 gift 01/2014 Fast scheint es, als würde Büchner die Form des reinen Sprechtheaters sprengen. Vielleicht mit ein Grund für den Mangel an bedeutenden Büchner-Inszenierungen in Österreich.

© Leonard Zubler gen, auch Michael Thalheimer glückte sein eiskalter Killer- Woyzeck bei den Salzburger Festspielen 2005 nicht völlig. Andreas Kriegenburg gelang 2001 mit seiner Kombination aus Dantons Tod und Heiner Müllers Der Auftrag im Akademie- theater immerhin ein interessanter Marathonabend, der die Frage stellte, ob der Begriff Revolution heutzutage wirklich nur mehr „politische Fernwärme zu erzeugen“ vermag. Doch schwierige Bühnenstoffe bleiben die Werke allemal. Für die freie Szene scheint vor allem Woyzeck eine Faszination aus- zuüben. Ob es an der möglichen Fokussierung auf die Haupt- figur liegt, oder aber an der sehr offenen Form des Werks, sei dahingestellt. Zumindest ermöglicht das Dramenfragment vielfältige Interpretationsmöglichkeiten. Die Wiener Gruppe God’s Entertainment etwa bat für ihre Version Messer-Mord: Klinge steckt noch in der Brust im Wiener brut gleich echte Strafgefangene auf die Bühne und schlug so einen Bogen zum Dokumentartheater. Dass jedoch ausgerechnet im Büchner- Jahr bis auf Tom Waits Woyzeck-Version im Volkstheater kei- ne Premiere seiner Werke angesetzt wurde, ist schade. „Ich will alles im Leben“, lässt Büchner sein Alter Ego Lenz in der gleichnamigen Novelle die eigene Tragik zusammenfas- sen. Vielleicht ist es diese programmatische Überforderung, die in allen seinen Dramen steckt, die eine risikoreiche, aber lohnende Herausforderung für künftige Inszenierungen dar- stellen könnte. ||

Jürgen Bauer

ist Autor und Theaterwissenschafter aus Wien

Stephan Lack

ist Autor aus Wien

diskurs 39 szene

Wienwoche: Partizipation – Politik – Praxis

Mit dem Leitungsteam der Wienwoche, Petja Dimitrova, Can Gülcü und Radostina Patulova, führte Carolin Vikoler per mail ein Interview anlässlich des zweijährigen Bestehens.

Das Leitungsteam der Wienwoche: Petja Dimitrova, Radostina Patulova, Can Gülcü © Foto: Verena Melgarejo

gift: Was ist die Wienwoche? Ist das Konzept der Wienwo- präsentiert, die in der Regel nach einer Ausschreibung im che nach Dublin exportierbar? Hat sie etwas speziell Wiene- Winter entwickelt werden. Wir verstehen Wienwoche als ein risches oder ist da ein Zwinkern dabei? partizipatorisch-politisches Projekt, worin Menschen, Grup- Wienwoche: Wienwoche ist ein Kulturprojekt, das in Wien pen und Initiativen ihre zum Teil langjährigen Erfahrungen seit 2012 jährlich im Herbst stattfindet. In zwei bis drei Wo- in verschiedenen gesellschaftspolitischen Feldern einbringen, chen werden dabei Projekte zu einem jährlichen Schwerpunkt Diskurse vorantreiben, mit oft wenig sichtbaren Themen Öf-

40 gift 01/2014 fentlichkeiten ansprechen bzw. wenig beachtete Positionen Erprobtem bzw. an Neuem weiterarbeiten können, ohne dafür zu viel diskutierten Themen aufzeigen. Wienwoche ist dabei Jahrzehnte lang warten zu müssen. kein „Best of“ von Projekten, die sich mit sozial-politischen Themen auseinandersetzen. Den Namen Wienwoche hat gift: Was seht ihr für Entwicklungen der Wienwoche in den sich der Vorstand des Trägervereins in der Gründungspha- ersten jungen zwei Jahren? Seid ihr zufrieden? Öffentlich- se einfallen lassen, klar mit einem Augenzwinkern auf die keitswirksamkeit, Diversität im Publikum, Qualität der Ein- Wien-Reisen von Schüler_innen aus den Bundesländern. reichungen? Hat sie sich schon als Marke etabliert? Wohl deswegen, weil durch das Projekt ein anderes Wien Wienwoche: Wir sind mitten in der Entwicklung. Es ist schon und viele Wiener_innen, die hier Kulturarbeit leisten, neu erstaunlich, wie schnell sich so ein Projekt bereits im zwei- entdeckt werden sollen. Das dürfte es aber auch schon sein ten Jahr weiter entwickelt, sowohl was Wirksamkeit in der mit dem speziell Wienerischen. Klar beziehen wir uns und die Öffentlichkeit angeht, als auch Publikumszuspruch, aber Projekte sich zum Teil stark auf diese Stadt und auf Themen, auch die internen Arbeitsabläufe, die ja erst mal installiert die uns darin beschäftigen. Allerdings gibt es überall, sicher und ausprobiert werden mussten. Unsere Ziele für dieses Jahr auch in Dublin, viele Menschen, die mit dem Ziel im Kunst- – (Teil-)Öffentlichkeiten für die Inhalte schaffen, Diskurse und Kulturfeld arbeiten, zur Änderung und Verbesserung der vorantreiben, (mehr) Publikum erreichen und zu Veranstal- gesellschaftlichen Situation für alle beizutragen. tungen mobilisieren, bestehende Netzwerke stärken und neue schaffen und Ressourcen umverteilen, konnten wir in der gift: Was ist das Konzept von Dimitrova, Gülcü und Patu- überwiegenden Mehrzahl der Projekte erreichen. Dabei ist lova? die Etablierung von Wienwoche im Mainstream noch nicht erfolgt bzw. müssen die Inhalte breiter gestreut und damit Wienwoche: Wir kommen alle drei aus dem Bereich politisch weitere Menschen erreicht werden, apropos Diversität im motivierter Kulturarbeit und haben uns – auch gemeinsam – Publikum. Diese Verankerung und Etablierung bleiben als in unterschiedlichen politischen Zusammenhängen und Kul- Ziele für die nächsten Jahre. turprojekten engagiert. Darauf beruht auch die Motivation, gesellschaftliche Fragen in den Vordergrund zu stellen und gift: Wie viel Projektbudget für künstlerische/diskursive/ak- Möglichkeiten für möglichst viele zu schaffen, sich selbstbe- tivistische Programmpunkte von den 453.000 Euro Gesamt- stimmt und aktiv am (Kultur-)Leben dieser Stadt zu beteili- budget bleibt übrig? gen. Vielfach bedeutet das auch, Normalitäten anzugreifen, Wienwoche: Den Projekten standen als reine Produktions- die zum Ausschluss vieler Menschen führen, und dabei mit budgets 180.000 Euro zur Verfügung, der finanzielle Rahmen anderen in Konflikte zu geraten. Der Wunsch nach der Ent- für die einzelnen Projekte wird dabei je nach Bedürfnissen wicklung von Formaten für die Sichtbarkeit und auch der in der Realisierung einzeln ausgemacht. Allerdings geht der Wirkmächtigkeit solcher Praxen ist sicher das bestimmende Rest nicht vollständig in den Betrieb, Wienwoche übernimmt Element unserer Arbeit bei Wienwoche. im Normalfall eine Gesamtfinanzierung des Projekts, d. h. viele Ausgaben und die meisten Arbeitsstunden von uns und gift: Ihr habt die Anfänge der Wienwoche mit eurem Konzept unseren Mitarbeiter_innen in Bereichen wie Produktion, Öf- geprägt. Werdet ihr die nächsten 12 Jahre im Amt sein? fentlichkeitsarbeit, Administration fließen direkt in die Rea- Wienwoche: Unsere Verträge sehen eine maximale Dauer von lisierung der Projekte ein. Die betrieblichen Kosten darüber vier Jahren vor, d.h. auch wenn wir wollten, werden wir nicht hinaus bewegen sich im Rahmen ähnlicher Kulturprojekte. so lange diesen Job machen können. Diese kurze Maximal- dauer ist eine zweischneidige Sache. Einerseits braucht man gift: Gratuliere euch zum Programm 2013! Ist für euch ganz – besonders bei neuen Projekten – wohl doch länger Zeit, um persönlich bei der Wienwoche 2013 etwas Unerwartetes/In- Verschiedenes auszuprobieren, ohne sich von Paradigmen wie tensives passiert? Dynamik und Mobilität beherrschen zu lassen, andererseits Wienwoche: Durch die Neu-Entwicklung fast aller Projekte macht es kulturpolitisch auch Sinn, dass andere an bereits und die Fokussierung mit dem Programm auf zwei, drei Wo-

szene 41 Wir versuchen das Beste mit unseren Mitteln zu machen, oft können das eben keine „großen“ Projekte sein.

chen nach einer relativ kurzen Produktionszeit kommen Konzepte. Wir versuchen das Beste mit unseren Mitteln zu viele solcher Momente zustande. Dieses Jahr waren wir im- machen, oft können das eben keine „großen“ Projekte sein, mer wieder positiv überrascht, wie gut manche Inhalte in aber solche, die mit einfacheren, aber schlauen Formaten die Öffentlichkeit durchkamen. Letztes Jahr gab es zum Teil gezielt Öffentlichkeiten erreichen und auch breitenwirksam banale Skandalisierungen, die der Ernsthaftigkeit, mit der sich werden wollen. Eine wichtige Perspektive ist die Etablierung die meisten Teilnehmer_innen inhaltlich mit ihren Projekten dieses Formats Wienwoche, das einen Bereich im Kunst- und beschäftigten, gar nicht gerecht wurden. Besonders aufregend Kulturfeld abdeckt, das sonst bei Kulturförderungen und auch waren Projekte wie jene von Bettellobby Wien oder der Ar- bei solchen Großevents durch die Finger schaut. beitsgruppe Wahlwexel, die sowohl diskursiv funktionierten, als auch zu Vernetzungen unter unterschiedlichen Akteur_in- gift: Habt ihr drei am demokratischen Instrument Stimmab- nen und Communities führten. gabe am 29.9.13 teilgenommen? Wienwoche: Wir haben uns an der Aktion Wahlwexel betei- gift: Mir hat für demokrazija-ja-ja eine Art Basislager, eine ligt und konnten so am Sonntag ausschlafen. || Arena, ein ständiger Versammlungs- und Austauschort gefehlt – habe ich etwas übersehen? Oder ist das ein ganz anderes www.Wienwoche.org/de/Wienwoche Konzept? Wienwoche: Das ist natürlich ein Thema, mit dem wir uns immer wieder beschäftigen. Wir haben uns letztes Jahr für Petja Dimitrova ein dezentrales Konzept entschieden, weil sich viele Projekte Praxis zwischen bildender Kunst, politischer und partizipativer Kul- ganz spezifisch mit einem Umfeld in der Stadt beschäftigen turarbeit. Lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien, ist und wir kein klassisches Festival mit einer Zentrale schaffen Vorstandsmitglied der IG Bildende Kunst, Mitglied von „Netzwerk wollten, in der entweder sowieso nur gefeiert werden kann, Kritische Migrationsforschung und Grenzregime“. Mitherausgeberin von Migrationsskizzen und Regime. Wie Dominanz organisiert und weil die Inhalte und Interventionen woanders stattfinden, Ausdruck formalisiert wird oder sich alle Gruppen ohne großen Bezug auf ihre Fokusse noch mal repräsentieren müssen. Dieses Jahr gab es mit Re- Can Gülcü belodrom am Karlsplatz schon einen Ort, an dem viele Pro- jekte zusammenkamen und der immer wieder Treffpunkt war, Teil des Leitungsteams der Shedhalle in Zürich, lehrte an der Akade- aber die meisten Projekte suchten und fanden ihre eigenen mie der bildenden Künste Wien und an der Karl-Franzens-Universität Räume, in denen Austausch stattfand. Ganz lässt uns aber Graz, Praxis zwischen bildender Kunst und politisch-partizipativer Kulturarbeit. Co-Autor von Beograd Gazela – Reiseführer in eine diese Frage nach einem zentralen Ort nicht los, auch wegen Elendssiedlung solcher Rückmeldungen.

Radostina Patulova gift: Perspektiven? Wie „groß“ / breitenwirksam / divers wird sie werden? Wird sie an das Donauinselfest als Marke rei- Kulturwissenschafterin, vielseitiges Schaffen an der Schnittstelle chen? von politischer Kulturarbeit, Antirassismus, Migration und Aktivis- Wienwoche: Diese „Marken“ wie Donauinselfest oder Wie- mus. Mitherausgeberin von fields of TRANSFER. MigrantInnen in der Kulturarbeit, Redaktionsmitglied von Kulturrisse – Zeitschrift für ner Festwochen entstanden über Jahrzehnte, verfügen über radikaldemokratische Kulturpolitik und www.migrazine.at ganz andere budgetäre Mittel und haben auch ganz andere

42 gift 01/2014 zeitfenster Hanna Berger Spuren einer Tänzerin im Widerstand

Andrea Amort

Amanda Piña will aus Hanna Bergers Solo Krieger aus dem fasster kritischer Text über die NS-Kulturpolitik, sprechen Jahr 1937 in ihrer Produktion WAR im Tanzquartier unter zu lassen. Anderem eine Geste zitieren. Das freut die Autorin, weil es Hanna Berger war viele Jahre mit dem Bildhauer Fritz bedeutet, dass das Interesse zeitgenössischer Künstler_in- Cremer zusammen, der später in der DDR Karriere machte. nen an der „modernen“ Tänzerin Hanna Berger (1910 – 1962) Ein weiterer Partner, mit dem sie ihr freies Tanz-Ensemble und an der politischen Persönlichkeit, die Wienerin war führte, war der Komponist Paul Kont. Bertolt Brecht bat Kommunistin und wegen ihres Widerstands sie um ein Tanz-Libretto, das dieser nicht während des NS-Regimes in Berlin im Gefäng- schrieb. In Walter Felsensteins legendärer nis, auch mehr als drei Jahre nach Erscheinen Inszenierung des Schlauen Füchsleins an meines Buches nicht abgerissen ist.1 der Komischen Oper in Ostberlin zeichnete Die Geste ist zitierbar, nicht nur, weil sie für die besonders gut rezensierte Bewe- es ein Foto gibt, sondern auch eine Beschrei- gungsregie verantwortlich; dort wäre sie gern bung des Solos. Die Künstlerin, die zwar früh Tanztheater-Chefin geworden. Bei Marcel Klavier spielen gelernt aber wenig Schulbil- Marceau in Paris studierte sie das damals um- dung genossen hatte, bildete sich in sozialis- schwärmte Ausdrucksnovum, die Pantomime, tischen Einrichtungen weiter. Mary Wigman die man später bei ihr in der Argentinierstraße hatte sie tänzerisch geprägt. Seit den 1940er lernen konnte. Sie überlegte sich die Bildre- Jahren schreibt sie an ihrem Werkkatalog und gie für die ersten im jungen ORF gezeigten arbeitet an einer Notationsmethode. Ihre Tän- Hanna Berger, Tanzproduktionen und sie studierte Film weil ze sollten erhalten bleiben, sie selbst wollte Anfang der 1930er Jahre. © Privat sie darin ihre Zukunft sah. Berger war eine auch Tänze Anderer tanzen, Wünsche, die für draufgängerische, emanzipierte Frau, die we- die Generation des freien Tanzes nicht üblich waren. Von der im Nachkriegs-Wien noch in der jungen DDR Fuß fassen Kulturstadtrat Viktor Matejka forderte sie vergeblich ein konnte. Hier war sie zu kommunistisch, dort zu individualis- Probenstudio, eine Tanzbühne und ein Tanzfilmmuseum. tisch. Trotzdem realisierte sie eine Vielzahl an Projekten und Einen weiteren unüblichen Akt setzte Berger 1958, als sie machte sich auch als Leiterin des Wiener Kindertheaters, in der Wiener Urania offiziell einige ihrer Soli an ehemalige in dem Kinder für Kinder improvisierten, einen Namen. Zu Schüler_innen übertrug. gern würde ich einen Film über sie machen. Am 5. Jänner 1958 stand unter Anderen Ottilie Mitter- huber, am Klavier begleitet von Gerhard Rühm, auf der Büh- ne der Urania und tanzte die „Unbekannte aus der Seine“ 1 Der Tanzabend Hanna Berger: Retouchings mit Choreografien von N. (Debussy). 1995 studierte sie mit der Wiener Tänzerin Esther Adler, M. Aichinger, B. R. Bienert, R. Breuss und W. Dorner war nach Koller dieses Berger-Solo ein. Der Tanz war in seiner inten- der Premiere im Festspielhaus St.Pölten u. a. in Washington und Braun- schweig, zuletzt 2008 bei meinem Festival Berührungen: Tanz vor 1938 siven Wirkung der Anfang für meine Suche nach Spuren der – Tanz von heute im Wiener Odeon zu sehen. damals nicht mehr bekannten Choreografin zwischen Paris, Berlin, Rom und Wien. Der Anfang für ein Buch, in dem ich Das Buch Hanna Berger. Spuren einer Tänzerin im Widerstand ist 2010 im versuchte, den Menschen Berger in vielen Originaltexten Verlag Brandstätter erschienen. Der deutsche Versand Frölich & Kauf- mann vertreibt vergünstigte Restexemplare. und Zitaten, darunter auch ihr 1936 unter Pseudonym ver-

szene 43 Die Europäische Theaternacht 2013

Wann waren Sie das letze Mal im Theater?

Am 16. November 2013 fand zum zweiten Mal die Europäische Theaternacht auch in Österreich statt – nachdem sie 2012 budgetbedingt zwangspausieren musste. In Wien, Graz, Bruck an der Leitha, Baden, Hall in Tirol, Innbruck, Klagenfurt und Salzburg und Hallein in Salzburg luden über 40 Theater- und Kultur­initiativen nach der Devise ‚pay as you wish‘ zu ihren Vorstellungen. Neben Kroatien, wo die Initiative als „Noć Kazališta“ gestartet wurde, und Österreich haben sich dieses Jahr Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Tschechien, Serbien, Slowakei und Slowenien beteiligt. Auch nächstes Jahr soll die Europäische Theaternacht wieder europaweit die darstellenden Künste fei- ern. Alle Infos: www.europaeische-theaternacht.at und europeantheatrenight. com

Theater Drachengasse: Oder Nicht Sein © Barbara Pálffy

44 gift 01/2014 KosmosTheater: Fressen, Kaufen, Gassi gehen oder Die Treue hat einen Hund © Patrick Kwa ´sniewski

Unten links: Werkstätte Kunstberufe © Charly und Diddl. Unten Mitte: brunnen- passage © Charly und Diddl. Unten rechts: Kos- mosTheater © Patrick Kwa ´sniewski

Ganz unten: Werkstätte Kunstberufe © Charly und Diddl

szene 45 Entdecken, neu erfinden, schneller sein Das Wiener Schauspielhaus unter Hans Gratzer Barbara Stüwe-Eßl

Die Kulturjournalistin Petra Paterno hat ihre Dissertation, eine wissenschaftlich ausgezeichnet aufgearbeitete Ausei- nandersetzung über Hans Gratzer und sein Schauspielhaus mit der Herausgabe des Buches Lichterloh einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht: Hervorragend recherchiert – enthalten sind zeitgeschichtliche Hintergründe, Kritiken und Interviews mit Wegbegleiter_innen Gratzers – abwechslungsreich und sehr Leser_innen freundlich.

Mitten im Studium aus dem Max-Reinhardt-Seminar hinaus- über Jahre hinweg aufgebauten Entscheidungsstruktur und katapultiert, versucht sich Gratzer als Schauspieler auch am Gruppendynamik des Hauses einzudringen“, was nach Pa- Burgtheater, gründet früh freie Theatergruppen – die zweite terno Gratzer selbst wohl bewusst war. Und immer wieder Gruppe, Werkstatt, kann sich u. a. durch die gemeinsame wurden Künstler_innen aus diesem Familien-, Vertrauens- Verortung mit Dieter Haspels Cafétheater im vom Burgthe- und Interesse-Kreis hinauskatapultiert. Was durchaus auch ater gemieteten Theater am Kärntnertor1 etablieren. Als der mit finanziellen Engpässen in Zusammenhang stehen konnte: Vertrag im Sommer 1976 nicht verlängert wird, sucht Gratzer Anfang 1979, als Hans Gratzer die Verschuldung des Schau- nach einer neuen Spielstätte, findet sie und eröffnet, kultur- spielhauses mit rund 350.000 Euro bekannt geben muss, gibt politisch gebremst, nicht ganz zwei Jahre später, am 4. Mai er gleichzeitig als Sparmaßnahme auch die Verringerung des 1978 das Schauspielhaus, das er mit Unterbrechung (Tabori Personalstands von 46 auf 26 Mitarbeiter_innen bekannt – die 1987-90) bis 2001 als Intendant führt. verbleibenden verzichten freiwillig auf ca. 15 % der Gage, Paterno zeichnet das Bild eines Menschen, der Theater gearbeitet wird ohnehin ständig auf Hochdruck. Wieder- lebt, es versteht andere mitzureißen, als Theaterfamilie bis zur kehrendes Handlungsmuster: Bei Entstehung eines hohen Erschöpfung zu produzieren, Theaterarbeit zum absoluten Außendrucks (Verschuldung aber auch andere Probleme) Lebensmittelpunkt zu machen und dabei immer wieder alle sucht Hans Gratzer nach Aufsehenerregendem; so bringt Beteiligten dazu zu verführen, neue Wege in der darstellenden er im Oktober 1979 Hamlet auf die Bühne „in zeitgemäßer Kunst zu beschreiten. Theaterfamilie bedeutete in Gratzers Ästhetik gelingt Hans Gratzer ein Bravourstück in Sachen Fall das Einbeziehen aller Beteiligten, eigenverantwortliches Regietheater, das Ende der 1970er-Jahre in Wien noch kei- Arbeiten, kaum hierarchische Arbeitsteilung und einen ganz nesfalls zum Theateralltag gehört“ – schon gar nicht in Wien, besonderen Zusammenhalt. Das Ermöglichen der Ideen der aber ausgezeichnet aufgenommen wird. Einzelnen, inkludierte vorbereitende „familienbildende“ Die Intendanz am Schauspielhaus hat Gratzer selbst Prozesse die helfen, gemeinschaftlich in eine Produktion zu nie ganz erfüllt und befriedigt. Immer wieder neue Heraus- gehen, Feste/Zusammensein nach Aufführungen, also kollek- forderungen suchend, versuchte er immer wieder Intendant tive Arbeit, fast schon kollektives Leben in produktivem, be- einer Großbühne zu werden, dieser Wunsch wurde ihm erst fruchtendem, aber auch extrem selbstausbeutendem Sinn.2 sehr spät in seinem Leben erfüllt.3 Paterno recherchiert und Hans Gratzer bezog Andersdenkende, Neues-Einbrin- erörtert die jeweiligen unterschiedlichen kulturpolitischen gende, das Alte-in-Frage stellende Menschen bewusst als Umstände – Abwendung von den Freimaurern, Gratzers of- wichtige Impulsgeber_innen mit ein. Dem Schauspielhaus fen bekannte Homosexualität bis hin zum massiven, langen als Ort, der in Fachkreisen im Gespräch ist, hat das sehr gut Lobbying von Ursula Pasterk für Claus Peymann – die Hans getan. Auch wenn es zunehmend schwierig wurde „in die Gratzers Bestellungen verhinderten. Glaubt man Peter Wecks

46 gift 01/2014 Gratzer krempelte die Theaterstadt Wien um – und scheiterte letztlich an ihr. Petra Paterno

AutobiografieWar’s das? war das kulturpolitische Auswahl- te sich der Impulsgeber Helmut Schödel 1996 mit der Idee, verfahren für die Ronacher-Intendanz im Jahr 1986 davon ge- Brechts Fatzer-Fragmente aufzuführen und Christoph Schlin- prägt, ihm, der bereits das Theater an der Wien leitete, gleich gensief darauf reagieren zu lassen, nicht durchsetzen. Und drei Bühnen aufzudrängen.4 Paterno sieht das, abgesehen von auch die Suche nach neuen theatralen Wegen und der Poli- diversen Spekulationen, die sie anführt, eher pragmatisch: tisierung von Theater durch Gerald Singer und Gin/i Mül- „Einiges spricht dafür, dass in einer insgesamt angespannten ler (1999) überschritten wohl die ästhetischen Grenzen von Situation kulturpolitische Entscheidungen favorisiert wurden, Teilen des Schauspielhaus-Teams zu sehr – Hans Gratzer die unverfänglich waren.“ beendete schließlich das absolut spannende Theaterexperi- Gratzer war neugierig, wollte Neues entdecken, Theater ment vorzeitig. 1999, mitten in der Saison, wird der Spielplan neu erfinden und dabei schneller als die anderen sein. Ideale geändert und „[…] das Erfolgsstück W;t von Margaret Edson Voraussetzungen um den „faden“ Wiener Großbühnen etwas angekündigt. Während das Land peu à peu eine Politisierung entgegenzusetzen. „Sein“ Schauspielhaus war in vielem den erlebt, die schließlich sogar zu einer Protestbewegung führt, Wiener Bühnen voraus und an der Umbruchzeit am Theater bei der kurzzeitig tausende Menschen auf die Straße gehen, ab den 1970er-Jahren maßgeblich beteiligt: Suche nach nicht- wird im Schauspielhaus das Projekt des politischen Theaters traditionellen Darstellungsweisen, extrem körperbetonter aufgegeben.“8 Spielstil, Suche nach einer anderen Ästhetik, Aufbrechen In Petra Paternos Lichterloh ist noch viel, viel mehr der Guckkastensituation. Das Schauspielhaus positionierte über Hans Gratzer, das Schauspielhaus in seiner Intendanz sich auch als Autor_innen-Theater, durch bewusstes Zeigen und die Wiener Theaterszene neu oder wieder zu entdecken. von Werken (junger) österreichischer Autor_innen wie El- Schade nur, dass Lichterloh ausschließlich mit Schwarz-Weiß friede Jelinek, Marlene Streeruwitz, Franzobel, Gustav Ernst Fotos bebildert ist – zu Hans Gratzers persönlicher und künst- oder Werner Schwab5, aber auch zeitgenössischer, am Puls lerischer Handschrift und Innovationskraft zählten vor allem der Zeit geschriebener Texte internationaler Autor_innen, auch ungewöhnliche Raum- und Lichtinstallationen. || wie das in der Reihe Best of British gezeigte ‚In-Yer-Face- Theater‘ junger britischer Autor_innen der 1990er-Jahre, die von Wiener Großbühnen lange nicht aufgegriffen wurden. Und es war die erste Bühne, die das Wiener Publikum mit Regietheater vertraut machte; es solidarisierte sich mit den 1 1973 bis 1976; erstmals ab 1973 verabredeten Bund und Stadt Wien sich Protesten in der Stopfenreuter Au/Hainburg6 und war in den zu einer gemeinsamen Kleinbühnenförderung, d. h. mit der Verortung 1990er-Jahren die einzige Bühne, die sich dem tabuisierten verbunden war die Möglichkeit, Förderungen zu erhalten.

Thema Aids widmete. In finanziellen Krisenzeiten finden sich 2 Den Kampf einiger Schauspieler_innen des Werkstatt-Ensembles die immer wieder Musiktheater-Produktionen auf dem Spielplan zukünftige Arbeit im Schauspielhaus nach dem Modell des Mitbestim- des Schauspielhauses, so auch im letzten Jahresprogramm, mungstheaters der Berliner Schaubühne zu gestalten entscheidet Gratzer das Schaufenster-/Autor_innen-Theater7 wird Beiwerk. für sich, das Schauspielhaus wird nicht zu einem Mitbestimmungstheater nach diesem Modell, dennoch ist sein Leitungsstil durchgängig als kol- Teilweise bedingt durch Hans Gratzer selbst, teilwei- lektiver Arbeitsstil zu bezeichnen. se durch eingefahrene Strukturen des Hauses wurden auch Chancen für zukunftsweisende, neue Theaterformen am 3 Hans Gratzer wäre fast zum Burgtheaterdirektor bestimmt worden, hätte Schauspielhaus in den späteren Jahren vergeben. So konn- fast das Ronacher – um dessen Erhalt er jahrelang gekämpft und für das

szene 47 Das Buch Paterno, Petra (2013): Lichterloh. Das Wiener Schauspielhaus unter Hans Gratzer von 1978 bis 2001. Wien, edition atelier, Edition Theater 3, ISBN: 978-3-902498-69-4.

er das Schauspielhaus 1986 abgab – zugesprochen bekommen und war 6 Innerhalb weniger Wochen reagiert Gratzer mit dem von Gabriel Barylli auch im Rennen um die Intendanz des Volkstheaters – Claus Peymann, eigens verfassten Stück Abendrot – einer wie er selbst meint „Partisanen- Peter Weck und Emmy Werner hatten jeweils mehr kulturpolitisches Ge- produktion“, das die Ereignisse in der Hainburger Au verarbeitet, ohne schick oder Glück. Schlussendlich erhält er als letzten Job die Intendanz den Ort namentlich zu nennen; Premiere 16. Januar 1985. einer Großbühne, des Theaters an der Josefstadt, setzt im Haupthaus ausschließlich Stücke österreichische Autor_innen an: „Und scheitert 7 Hannes P. Wurm erhielt freie Hand zur Entwicklung des Schaufensters katastrophal. Der neue Kurs wird von Kritik und Publikum überhaupt im Schauspielhaus, das allerdings auch den Eindruck eines finanziell nicht goutiert […]“ (Paterno, Seite 252). unterdotierten Nebenschauplatzes hinterlässt.

4 „Eines Tages rief mich der Finanzstadtrat und Vizebürgermeister Hans 8 „Das Volxtheater Favoriten gastiert etwa am 17. November 1999 mit Mayr an und wünschte ein Treffen mit mir. […] Mayr bot mir an, zu- der Produktion Schluss mit lustig: ein Land dreht durch, in dem die in- sätzlich zum Theater an der Wien zwei weitere Häuser zu übernehmen: nenpolitische Situation nach dem Wahlausgang als absurdes Kammer- das Raimund Theater […] sowie das ehemalige Varieté Ronacher […] In spiel dargestellt wird: Bei den Nationalratswahlen vom 3. Oktober 1999 meiner Lebensplanung hatte ich bis zu meinem Gespräch mit Helmut hat erstmals die FPÖ unter Jörg Haider mit einem ausländerfeindlichen Zilk nie in Erwägung gezogen, ein Theater zu leiten, geschwiege denn Wahlkampf 27 % der Wähler_innenstimmen erzielt, ist damit nach der drei, und reagierte daher keineswegs euphorisch. […] Doch er beharrte SPÖ zur zweitstärksten Partei geworden und hat die ÖVP auf den dritten in unerschütterlichem Vertrauen: ‚Sie können das, glauben S‘ mir, Sie Rang verwiesen. Mit Hans Gratzers Einverständnis veröffentlicht Gin/i können das!‘ […] Zu guter Letzt überwand ich nach einiger Bedenkzeit Müller im Nie wieder Friede-Programmheft ein Inserat der neu gegrün- mögliche Zweifel […] und stimmte zu.“ Weck, Peter (2010): War’s das? deten Initiaitve ‚get to attack‘. Die überparteiliche Vereinigung ist nach Erinnerungen. S. 283. den Nationalratswahlen ins Leben gerufen worden. ‚Das waren schon relativ bewegte Zeiten – zuerst die Omofuma Geschichte, dann der Wahl- 5 Dessen Texte von Burgtheater-Dramatiker_innen als unspielbar einge- ausgang‘, erinnert sich Gin/i Müller. ‚Die Protestkultur hat die damalige schätzt wurden. Stimmung aufgegriffen, es war an der Zeit, etwas zu unternehmen.‘“; Pa- terno, Seite 224.

Barbara Stüwe-Eßl

Kulturmanagerin, Theaterwissenschafterin und Mitarbeiterin der IGFT.

48 gift 01/2014 sandkasten Markus Kupferblum geb. 1964 in Wien, Opern- und Theaterregisseur, Autor und Clown, Gründer des Totalen Theaters und der Schlüterwerke in Wien und Experte für Commedia dell'arte und Maskentheater. Er ist mit zahlreichen Projekten international tätig, zuletzt mit der Oper Der Kaiser von Atlantis von Viktor Ullmann. Bei facultas ist gerade sein Buch Die Geburt der Neugier aus dem Geist der Revolution. Die Commedia dell'Arte als politisches Volkstheater: Ihr Handwerk und ihre Regeln erschienen. gift: Du bist Regisseur, Autor und Clown, wie lässt sich das durch seine eigenen Fehler gemacht hat. Ich lerne enorm vereinbaren, wo liegt momentan dein Schwerpunkt? viel von meinen Student_innen. Kuperblum: Regisseur zu sein ist meine Leidenschaft, Autor zu sein eine Notwendigkeit und Clown zu sein eine Weltan- gift: Was ist passiert, als du das erste Mal eine Maske auf- schauung. Ziel dabei ist, „Vollmensch“ zu werden. gesetzt hast? Was fasziniert dich daran? Kupferblum: Ich habe gespürt, dass sich mein Körper und gift: Wie wichtig ist dir die Arbeit in der freien Szene im meine Stimme verändert und ich plötzlich Dinge tue, die Vergleich zu hochgeförderten Projekten und warum? mir ohne Maske nie eingefallen wären. Es war in Paris, Kupferblum: In der freien Szene kann man radikal genau das wo ich bei einem Balinesischen Meister einen Workshop umsetzen, was einem unter den Nägeln machte. Ich spürte, dass mich die Arbeit brennt, was wichtig und notwendig ist, mit Masken weiter bringen könnte als ohne auf kulturpolitische Vorgaben ach- alle anderen Theaterformen, die ich bis ten zu müssen, sich über Auslastungs- dahin kennengelernt hatte. zahlen den Kopf zu zerbrechen oder die Gewerkschaft zu beschwichtigen. gift: Welche Rolle spielt Musik für dich? Kupferblum: Ich spiele amateurhaft meh- gift: Woraus schöpfst du Inspiration? rere Instrumente und höre leidenschaft- Kupferblum: Aus den Menschen, die mich lich gerne Musik. Am Schönsten ist es, umgeben, den Kunstwerken, die ich sehe/ mit Musik zu arbeiten, den ganzen Tag höre/fühle und der Welt, in der . mit Sänger_innen und Musiker_innen zu proben – das ist ein ungeheures Privileg. gift: Wie gehst du mit künstlerischem © Katharina Ganser Scheitern um? gift: Gibt es für dich Grenzen auf der Bühne? Kupferblum: Ich bin meistens sehr verzweifelt, wenn etwas Kupferblum: Den Plafond ... nur an guten Abenden fliegt er nicht funktioniert, probiere dann aber bald, es auf andere weg und wir können die Sterne sehen. Art umzusetzen, was jedoch wieder scheitern kann. gift: Darf über alles gelacht werden bzw. darf man über alles gift: Welche Erfahrungen haben dich geprägt? Witze machen? Kupferblum: Das Unverstanden Sein und die Einsamkeit. Kupferblum: Gute Witze kann man nur über sich selbst ma- chen – und da gibt es keine Grenzen. gift: Was sind deine Stärken/Schwächen? Kupferblum: Meine Emotionalität und das Fehlen jeder Di- gift: Nachteule oder Frühaufsteher? plomatie. Kupferblum: Nachteule gift: Was schöpfst du aus deiner Unterrichtstätigkeit? gift: Wie sieht dein perfekter freier Tag aus? Kupferblum: Ich liebe es zu unterrichten. Es stellt mich vor Kupferblum: Ich verstehe bei dieser Frage ein Wort nicht: die wunderschöne Aufgabe, Leidenschaft zu wecken, Hand- Was ist ein „freier Tag“? werk zu vermitteln und die Erfahrung zu teilen, die man Interview: Katharina Ganser

szene 49 Blau Arbeit An den Schnittstellen von frei und institutionell in Linz und Salzburg Theresa Luise Gindlstrasser

Dorit Ehlers ohnetitel © gold extra

Die freie Szene hat erprobterweise die Kompetenz sich gegenüber den Institutionen als jung und unkonventionell zu positionieren. Vielleicht aber ist das mit dem Mainstream und dem Underground doch nicht so einfach. Zwei Initiativen, einmal Linz, einmal Salzburg.

Über Facebook schon tausendmal davon gehört. Und tau- Die Stadt Linz sowie die Hauseigentümer XXLutz sinnen sendmal war nichts passiert. Immer immer Optionen über auf Rausschmiss und Renovierung. Im ersten Stock, der Saal Optionen. Dann aber war es Winter und ich war spät dran meist gut gefüllt mit etwa 40 Zusehenden, hat das Nachtspiel und war alleine unterwegs, Nachtspiel veranstaltet jeden einen festen Spielort gefunden. Der Verein zur Förderung der ersten Donnerstag im Monat ab 22:30 einen Theaterabend Initiativkraft künstlerisch tätiger Menschen wurde 2011 von im großzügigen Sinne. Meist heißt das: Sprechtheater und den am Landestheater Linz beschäftigten Schauspielern Aurel musikalisches Nachspiel des Nachtspiels. Und das um drei von Arx, Björn Büchner und dem damals noch am selben Euro. Und das in Linz. Im Grand Hotel zum Rothen Krebsen. Haus tätigen Regieassistenten Henri Hüster, der mittlerweile Da wo sich die Bohemiens und Kunstschaffenden der Stadt die Stadt verlassen hat, gegründet. die Klinke in die Hand geben. Da wo immer groß aufgekocht Und irgendwann ist dann doch etwas passiert. Grade wird, gemeinsam an der Utopisierung der Wirklichkeit gear- noch rechtzeitig mir am Boden einen Platz gesucht: Penthe- beitet wird und überhaupt trashig auch très chic meinen kann. silea eher nach als von Kleist. Regie führte Bastian Dulisch

50 gift 01/2014 Der Luxus besteht für das Publikum auch darin, Theater erleben zu können, das sich verschwendet, das verbrennt, weil es nichts und niemandem genügen muss.

(ebenfalls Schauspieler am LTL), Björn Büchner als Achill sozusagen außer Konkurrenz. Der Luxus besteht darin, frei und Jenny Weichert als Penthesilea. Studierende des Schau- von hierarchischem Druck arbeiten zu können, jedoch nicht spiellehrgangs an der Bruckneruniversität Linz als Heerscha- gleichzeitig in die Falle der freien Szene zu tappen und sich ren, Hunde und Helfende. Unkompliziert und lässig. Keine selbst das Management, die Buchhaltung und die public re- Bühne. Zwei Mikros. Text. Eine Gitarre. Ein Blutbad. Poin- lations sein zu müssen. Der Luxus besteht für das Publikum tiert und unnachgiebig: Ist Liebe möglich? Seitdem immer auch darin Theater erleben zu können das sich verschwendet, wieder Nachtspiel. Und so hat die Initiative innerhalb der das verbrennt, weil es nichts und niemandem genügen muss. Stadtgrenzen von Linz ein festes Publikum gefunden und ei- Der Spielplatz der beiden Schauspieler ist ein Geschenk an nen großen Bekanntheitsgrad erreicht. Jedes Monat soll eine die Stadt Linz (price dumping!), funktioniert aber auch als einmalige Produktion zur Aufführung gelangen. Von Hörspiel Aushängeschild für das LTL. Und „alle arbeiten für umme“, über Puppenspiel hin zu Operette und Selbstreflexion. Brecht, das heißt, auch Teilnehmende ohne Brotjob verdienen bei der Tschechow, junge Linzer Autor_innen. Die jeweils wechseln- Angelegenheit ganz und gar kein Geld. den agierenden Personen kommen aus der Umgebung des Während für Björn Büchner sein beruflicher Werdegang LTL, sind Studierende der Bruckneruni oder der Kunstuni in Richtung Stadttheater immer schon feststand, war für Dorit Linz. Meist entstehen die Abende in gemeinschaftlichen Ehlers immer schon klar, dass ganz oben in ihrem Selbst- kurzen und intensiven Probephasen. Da wird ausprobiert bild „freie Schauspielerin“ steht. Nach ihrem Weggang vom [6-Wochen-Probezeit-Schubladen-Schauspiel ist hier nicht], Toihaus Salzburg gründete Ehlers 2007 mit ehemaligen Kol- genussvoll überstürzt [der Mangel als Tugend] und verweigert leg_innen die Plattform ohnetitel. Zwar hatte es auch am Toi- [die Initiative ist weder von der Besuchendenzahl, den Ein- haus keine Fixanstellungen gegeben, das persönliche Risiko, nahmen oder der medialen Rezeption abhängig]. die Planungsunsicherheit ist seit Gründung des Netzwerkes Das Landestheater Linz unterstützt das Nachtspiel mit ohnetitel und mit der Initiierung von freien Theaterprojekten Technik und Material; alle Ausgaben werden durch die Ein- natürlich dennoch gestiegen. Auch, und für Ehlers vor allem, nahmen gedeckt. Somit muss auch nicht um Förderungen gestiegen sind: Verantwortung, Wahlfreiheit, Selbstbestim- von Stadt, Land, Bund angesucht werden. Was ist das also mung, die Möglichkeit mit dem eigenen Namen für etwas für ein interessanter Hybrid aus DIY Attitüde und finanzieller ganz und gar einzustehen und „der Luxus mit wenig Geld Rückendeckung? Von Arx und Büchner haben sich hier als auszukommen“. wirtschaftlich abgesicherte Berufsschauspieler einen Spiel- ohnetitel arbeitet hauptsächlich an Stückentwicklungen platz gebaut. Was im Stadttheaterbetrieb oft vernachlässigt und alle machen alles. Die Initiative lebt von Ausschrei- wird, kann hier ausgebreitet werden. Das Nachtspiel passiert bungen, Förderungen und Preisen. Es gibt keinen eigenen Ort,

szene 51 Ich bin Theater – Eine Kavalkade des Superhochintellektualismus, am Bild: Thomas DANDY B., am Bild: Angela Waidmann © Nachtspiel Hofer © Nachtspiel

keinen Hafen. Ein Atelier dient als Proberaum und manchmal ment, das sich auf die eine oder andere Art absetzt von einem auch als Spielstätte für Kleinformate. Die Arbeit besteht aus Theater, das auf bürgerliche Beruhigung und der Trennung wohlbekannter Regellosigkeit: Bürokratie, Kreativität, Zweit- von Theater und Wirklichkeit beruht. Ohne auf inhaltliche und Dritt-Jobs – eigentlich sollte ich zu viert sein. Ausrichtungen einzugehen, stellt sich doch die Frage, wo und Ehlers sieht am Theater vor allem das Potential sich wie eigenes Engagement für Theaterschaffende möglich sein lange und ausgiebig mit einem Thema vertraut zu machen, um kann. (Der Wille zur Verausgabung darf nicht mit dem Willen dann auch wirklich aus Gründen und mit Motivation auf ein zum Masochismus verwechselt werden.) Die österreichischen Publikum zugehen zu können. Die kurzen Probezeiten und Mittelbühnen offerieren ein durchwachsenes Bild: Frust und rigiden Erwartungen an einem Stadttheater ergeben jedoch oft Angst der 44jährigen Schauspielerin ab der nächsten Spielzeit keine fruchtbare Auseinandersetzung mit den jeweiligen Tex- keine Rollen mehr zu bekommen. Sparzwang und Kommer- ten. Persönliche Anteilnahme und eigenes Wollen an einem zialisierung. Abbau von Fixanstellungen, die Prekarisierung Thema brauchen für Ehlers Zeit, ohnetitel gibt und nimmt jetzt auch am Stadttheater. sich für die jeweiligen Projekte jede Menge davon, muss am Ganz oben und ganz unten am finanziellen Spektrum Ende des Jahres aber immer nach der eigenen Rentabilität scheint es sich künstlerisch am besten leben zu lassen. Auch fragen. Das Risiko einer Arbeit, die ins Blaue hinein geht. die großen Bühnen können jenen Luxus der langen Probezeit, Wenn Scheitern nicht nur schlechte Kritik bedeutet. des Ausprobierens auskosten. Es ist auch ganz egal, wer damit Was sich an nur zwei österreichischen Initiativen zeigt, angefangen hat. Vielleicht müssen wir aufhören in dualen spricht wohl für mehr als sich selbst: Es besteht hier ein Be- Begriffen von frei/unfrei zu denken und uns die Theaterszene gehren nach Verschwendung, Wirtschaftslosigkeit, Experi- im Ganzen als ein durchwachsenes Feld vorstellen. Orga-

52 gift 01/2014 CÓRDOBA KARAOKE, am Bild: Markus Pendzialek, Jenny Weichert, Aurel von Arx, Angela Waid- mann © Nachtspiel

nisatorische, personale und künstlerische Standpunkte ver- schieben sich hin und her und haben Einfluss auf das jeweils gesamte Feld. Und der Zusammenhang von Mainstream und Underground lässt sich genauso wenig inhaltlich umkämpfen wie die Begriffe Allgemeines und Besonderes. Binäre Oppo- sitionen? So einfach ist das alles nicht. Aber: Wir begehren das Theater. Und: Wir wollen davon leben. (Auf die eine oder andere Art und Weise.) || www.nachtspiel.at/werwirsind.html www.ohnetitel.at www.ifek.at

Theresa Luise Gindlstrasser

lebt und arbeitet in Wien. Macht dort Philosophie und performative Kunst.

szene 53 Im_flieger gelandet Neuer Arbeits-, Veranstaltungs- und Diskursraum Barbara Stüwe-Eßl

© Katrin Hornek

Performance/Tanz integrierend und befördernd, Freiraum zum Ausprobieren und Freiraum für die künstlerische Aus- einandersetzung mit Kunst, der eigenen und vor allem auch immer wieder mit der von anderen Künstler_innen – all das und viel mehr leistet Im_flieger seit dem Jahr 2000, als bewegliches und veränderbares Forschungs- und Entwick- lungslabor von Künstler_innen für Künstler_innen.

Jahrelang im WUK verortet, realisierte Im_flieger stückweise, (Wilhelm-Exner-Gasse). Das EU-Projekt terrains fertiles mit eingebettet in die Räumlichkeiten der TTP (Theater Tanz Per- französischer und rumänischer Beteiligung erhielt 2005 den formance) im WUK, die unkuratierte Präsentationsplattform Innovationspreis der IG Kultur Wien. Freiräume und Möglich- Wilde Mischung und entwickelte unterschiedliche künstler- keiten, im Rahmen von unterschiedlichsten Veranstaltungs-, ische und strukturelle Vernetzungsprojekte. Im_flieger setzte Recherche- und Produktionskonzepten in Kooperation mit der Institutionalisierung und damit einhergehenden Marktori- Künstler_innen und Raumpartner_innen, werden initiiert und entierung von Tanz/Performance Ende der 1990er-Jahre einen entwickelt und damit vielen Performer_innen/Tänzer_innen, Freiraum für Künstler_innen entgegen, der ab 2007 durchaus sowie auch bildenden Künstler_innen und Musiker_innen auch örtliche Ausweitungen erfuhr, wie etwa von Oktober ermöglicht, ihre Arbeiten und Arbeitsansätze zu zeigen, sich 2007 bis Oktober 2008 im WUK-nahen Schauraum @ Nuu diskursiv auszutauschen und zu vernetzen. Die viele Jahre

54 gift 01/2014 Weiter gearbeitet wird an der österreichweiten Vernetzung, die Wien, Graz, Linz und Vorarlberg künstlerisch näher zusammenrücken lässt.

sehr glücklich/produktiv verlaufene WUK-interne Vernetzung Ermöglichung, Wohlwollen und viel Vorschuss-Vertrauen geriet aus den Fugen: Im Jahr 2011 wurde die Trennung von steckt auch hinter den kunstfreundlichen – eigentlich hätte TTP und Im_flieger endgültig vollzogen. hier eine Galerie entstehen sollen – Nutzungsbedingungen Im_flieger hob ab, kreiste und gastierte nomadisch, u.a. durch den Eigentümer der Räumlichkeit Manfred Flener. Die in der ehemaligen LABfactory, NadaLokal, Port, brick5, Ka- Verschärfung der finanziellen Bedingungen durch das Ver- belwerk. Und ist, nach langer Suche nach einem eigenen Ort lassen der kostenfreien Räume im Werkstätten- und Kultur- 2013 schließlich glücklich im vierten Stock der ehemaligen zentrum können dadurch ein wenig abgefedert werden. Die Schokoladenfabrik der Firma Stollwerck im 12. Bezirk ge- zeitliche Perspektive orientiert sich an der 2-Jahressubvention landet. 2014/2015. Gefeiert wurde das vom Im_flieger-Team (Anita Kaya, Im_flieger hat viel vor. Im Jänner und Februar findetDas Katrin Hornek, Steffi Wieser, Brigitte Wilfing und Sabina Hol- fantastische Dritte im 2. Teil seine Forschungsfortsetzung. zer) am 16. November unter dem Titel Schokofliegerei, mit Anita Kaya invites Eleven – a tribut to Nigel Charnok, ein vielen Gästen aus der und rund um die Wiener Performance-/ weiteres Projekt im Schwerpunkt Living Archive, das anläss- Tanz-Szene. Mit künstlerischen, performativen und installa- lich des Todes von Nigel Charnok diskursiv für Begegnungen tiven Beiträgen von Katrin Hornek (Installation), Anita Kaya sorgt. Im Rahmen von Im_flieger PRESENTS wird Künst- (performative Eröffnungsrede – historisch in die Tiefen der ler_innen auf Anfrage Unterstützung bei der Veröffentlichung Firma Stollwerck, des Gebäudes und dessen Revitalisierung ihrer Projekte angeboten. Eine Ausschreibung für Residenzen schürfend), Brigitte Wilfing (Einweihung mit dem performa- von September bis November 2014 ist im Frühjahr geplant. tiven Ritual Anrufung der Performancekunst), Simon Mayer Weiter gearbeitet wird an der österreichweiten Vernetzung, (musikalische Soloperformance unter Mitwirkung der An- die in den letzten Jahren – soweit dies die vorhandenen Mittel wesenden) und David Ender, Jack Hauser & Sabina Holzer der Involvierten zulassen – Wien, Graz, Linz und Vorarlberg (David, Jack & Sabina präsentierten ONE PIECE – 5 scores künstlerisch näher zusammenrücken lässt, immer wieder auch of Yoko Ono); zu den Bassklängen von Tomate van Monte in Form von Produktionsaustausch und Residenzen. Und wurde der neue, großzügige Tanzraum würdig eingeweiht. vom 2.-8. Juni 2014 werden im Rahmen von Crossbreeds, Insgesamt wurde große Lust geweckt, hier weiter am Puls der Plattform für künstlerische Positionen im Dazwischen spannender künstlerischer Entwicklungen zu bleiben. Künstler_innen und Theoretiker_innen unterschiedlichster Eine warme, energiegeladene und positive Aufbruch- Sparten innerhalb einer einwöchigen Feldforschung in und stimmung ist angenehm spürbar, an diesem neuen Kunst-, rund um die Schokoladenfabrik am Gaudenzdorfergürtel Diskurs- und Austauschort. Zentral eröffnet sich ein offener, durch Beiträge zeitcollagierend tätig sein – die Ausschreibung flexibler und heller, klarer Raum, in dessen Zentrum zur Er- dafür läuft bis zum 6. Jänner 2014. öffnung Katrin Horneks awesomes Kunstobjekt das Beson- Und hoffentlich gibt es bald eine weitere Schokofliege- dere des Raumes unterstreicht und zum Verweilen einlädt. rei, damit das Feiern nicht zu kurz kommt! || Die vier statisch notwendigen Säulen sind zart genug, um keine brutalen Raumteiler zu sein und können auffüh- www.imflieger.net rungstechnisch im negativen wie positiven Sinn zur Heraus- forderung werden, sind jedenfalls für Showings kleinerer Barbara Stüwe-Eßl performativer Arbeiten durchaus geeignet. Die Nebenräume Kulturmanagerin, Theaterwissenschafterin und Mitarbeiterin der bieten einen Raum für Gäste, der die einladende Geste von IGFT. Im_flieger auch in praktischer Hinsicht ermöglicht.

szene 55 © Anja Koehler: 56 gift 01/2014 SOlo silvia salzmann, openspace 2012, kunsthaus bregenz info

intern

Wir begrüßen unsere neuen Mitglieder Informations- und Förderangebot für Residencies-)Austausch mit Im_flieger einige von uns mit einer sprachlichen in Wien, Share Your Darlings in der Andreas Gattringer (Vienna Theater Hürde beginnt. Steiermark und netzwerkTanz in Vorarl- Art), Himberg; Jury Everhartz (Sirene Thomas Kreiseder von choose one. berg. Außerdem findet ein nächstes Ver- Operntheater), Wien; Isabella Jeschke moderierte den Abend. Im Informati- netzungstreffen am 4. Februar 2014 in (E3 Ensemble), Wien; Gerald Walsber- onsteil zu „Möglichkeiten und Rahmen- Linz im Rahmen der Bundesländertour ger (E3 Ensemble), Wien; Daniel Floss, bedingungen für die Tanzszene“ waren der IG Freie Theaterarbeit statt. Linz. Klemens Pilsl von der KUPF und Ca- rolin Vikoler von der IGFT eingeladen, www.tanzhafenfestival.com das Angebot ihrer Institutionen vorzu- stellen. Im zweiten Teil des Abends wur- vernetzung den die weiteren Themenschwerpunkte für die Round Tables erarbeitet. Allen preise RedSapata: Round Table und Tanzha- voran beschäftigte die Teilnehmenden fenfestival die Frage nach „advantages of creating Österreichischer Kulturpreis 2013 für communities", wo macht es Sinn sich OHO RedSapata veranstaltete am 19. Novem- zusammenzuschließen? Wie kann man ber einen Round Table für die Linzer sich gegenseitig unterstützen, ohne sich Am 28. Jänner 2014 verleiht Bundes- Tanzszene in den Räumlichkeiten der dabei auf die Füße zu steigen? Koope- präsident Heinz Fischer den Österrei- Creative Region in der Tabakfabrik Linz. ration? Ja! Aber wie? Eine Möglichkeit chischen Kunstpreis 2013. Das OHO Dieses Format soll professionelle Tanz- zur Kooperation, die besprochen wur- (Offenes Haus Oberwart) wird als erster schaffende dazu animieren sich kennen de, ist das Tanzhafenfestival in Linz. österreichischen Kulturinitiative dieser zu lernen, auszutauschen und mögliche Die Ausschreibung für das Festival ist Preis zugesprochen. Der Preis wird für Kooperationen innerhalb der Tanzsze- bis zum 6.1.14 offen, derzeit läuft eine ein Lebenswerk vergeben. ne anzudenken. Aufgrund der Tatsache, Crowdfunding-Kampagne auf Startnext Diese Kategorisierung ist auf das dass die Linzer Tanzszene zu einem (www.startnext.de/tanzhafenfestival) OHO bezogen alles andere als einfach. großen Teil von internationalen Prota- für das Festival. Bei diesem Festival Aber doch: Es gibt ein „Lebenswerk“ gonist_innen vertreten war, wurde der 1. wurde 2013 außerdem die Kooperation namens OHO und es existiert mit und in Round Table in englischer Sprache ab- über die Bundesländer verstärkt und der Paradoxie, gegen die Mechanismen gehalten. Was auch aufzeigte, dass das RedSapata stand im (Produktions- und von Mainstream und Markt über drei

info 57 Jahrzehnte – beginnend vom Jugend- »» Krieg. Stell dir vor, er wäre hier / Ti- Preis der Wiener Vielfalt haus Oberwart – nicht nur überlebt, roler Landestheater (Herausragende sondern sich sukzessive mit eigenstän- Produktion für Jugendliche) … wird vergeben von einer Jury, die diger Kunst- und Kulturarbeit behauptet »» Das Team von werk89 für Katja und der Verein Wirtschaft für Integration und entwickelt zu haben. Der Impetus Kotja (Jurypreis) einsetzte. Preise erhielten unter ande- ist dabei stets derselbe geblieben: regio- »» Männer und Maschinen / TaO! The- ren die Schauspielerin und Regisseurin nale Themen aufzugreifen und sie durch ater am Ortweinplatz / Graz (Heraus- Sandra Selimovic´ in der Kategorie „Büh- künstlerische Bearbeitung zu überregio- ragendes partizipatives Projekt) nenstürmerInnen“ und der stets umtrie- naler Wertigkeit zu erheben. »» Irina Karamarkovic & Robert Le- bige Journalist bzw. die Verkörperung Das OHO legt Wert darauf zu be- penik für die Musik in Der Fuchs, des Kinder-Kuriers Heinz Wagner in tonen, dass es diesen Preis stellvertre- der den Verstand verlor / Follow der Kategorie Sonderpreis der Jury. Die tend für die vielen autonomen Kultur- the Rabbit / Graz (Herausragende Gewinner_innen erhielten eine von dem initiativen entgegennimmt, die in ihrer Musik) Künstler Farshid Larimiani gestaltete großen Mehrzahl mit den gleichen Wid- »» Das Team von Theater Ansicht für die Statuette sowie ein Preisgeld in Höhe rigkeiten – und wohl auch partiell er- Ausstattung in Pietro Pizzi / Theater von 2.500 Euro. fochtenen Erfolgen – zu kämpfen haben Ansicht / Wien (Herausragende Aus- und ihren Kampf um die Anerkennung stattung) www.vwfi.at der kulturellen Diaspora zwar mit funk- tionierender Überzeugung, nichtsdesto- www.assitej.at trotz aber unter steter Existenzangst und einem niemals versiegenden Raubzug an ausschreibungen den eigenen Kräften zu führen haben. ------Szenenwechsel www.oho.at Nestroypreis Einreichfrist: 15.02.2013

Über den Nestroypreis für die beste Zum zweiten Mal ruft die Robert Bosch ------Off-Produktion konnten sich die Wie- Stiftung gemeinsam mit dem Zentrum Stella13 Preisträger_innen ner Wortstaetten für die Inszenierung Deutschland des Internationalen The- von Habe die Ehre (von Ibrahim Amir) aterinstituts das 2012 initiierte För- Im Oktober wurde in Graz der Stella freuen, der Nestroypreis für die be- derprogramm Szenenwechsel aus, um – Darstellender.Kunst.Preis für junges ste Bundesländer-Aufführung ging an internationale Kooperationen in den Publikum verliehen. Die internationale Hakoah Wien von Yael Ronen & En- Darstellenden Künsten zu unterstüt- Jury, bestehend aus Frank Röpke (D), semble, inszeniert von Yael Ronen am zen. Peter Rinderknecht (CH) und Vigdís Ja- Schauspielhaus Graz. Szenenwechsel zielt auf die För- kobsdóttir (IS), entschied sich für: Während es leider kein Preisgeld derung des internationalen Austauschs »» Das Kind der Seehundfrau / make- mehr für die beste Off-Produktion gibt, und möchte anregen, aktuelle Diskurse make produktionen & Dschungel & wird der Akt der Preisverleihung immer und gesellschaftliche Veränderungen Wien Modern (Herausragende Pro- teurer und kostet inzwischen 195.000 in den Ländern Osteuropas und Nord- duktion für Kinder) Euro. afrikas aufzugreifen und in der gemein-

58 gift 01/2014 samen künstlerischen Reflexion sichtbar zentheater und Feuershow gesucht. Es szene bunte wähne Tanzfestival zu machen. Der Fokus des Programms gibt zwei Außenbühnen und ein großes 27.2. – 4.3.2014, Wien liegt auf der Unterstützung der direkten Freigelände. Bis zu drei Auftritten pro Zusammenarbeit zweier Kooperations- Tag sind möglich. Es gibt aber nur eine Unter dem Motto Das Mee(h)r in mir partner zur Neuentwicklung eines ge- kleine Aufwandsentschädigung, Über- findet das 17. internationale szene bun- meinsamen Projekts. Bestehende Ko- nachtung und eine Fahrtkostenbeteili- te wähne Tanzfestival für ein junges operationen können ausgebaut oder gung. Die Künstler_innen spielen „auf Publikum in Wien statt. An sechs Fe- neue Kooperationen angeregt werden. Hut“, für eine entsprechende Werbung stivaltagen werden im Dschungel Wien Die Partner_innen sollen sich auf Au- wird gesorgt. und im WUK acht Produktionen aus genhöhe begegnen und gemeinsam neue Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Erfahrungsräume und Arbeitsweisen er- www.grenzenlos.de Österreich und Deutschland für Kinder schließen. und Jugendliche ab zwei Jahren gezeigt. Die Ausschreibung richtet sich Das „Mee(h)r“ steht dabei einerseits für an Theater und freie Theatergruppen jenen Sehnsuchtsort, an den sich Men- aus allen Bereichen der Darstellenden festivals schen jeden Alters gerne träumen, um Künste wie Schauspiel, Tanz, Musikthe- dem alltäglichen Stress zu entfliehen ater, Puppentheater und Performance Theater Mummpitz: panoptikum und Ruhe zu finden, andererseits aber aus Deutschland, Österreich und der 4.-9.02.2014, Nürnberg auch für das Potential, das in jedem Schweiz. Die geförderten Projekte sol- Menschen steckt und nur darauf wartet, len im deutschen Sprachraum öffentlich Für das 8. Europäisch-Bayerische Kin- frei fließen zu können. präsentiert werden, eine Präsentation dertheaterfestival panoptikum lädt die im Partnerland ist gleichermaßen wün- vierköpfige Programmgruppe elf In- www.sbw.at schenswert. Es können 10-12 internati- szenierungen aus Belgien, Dänemark, onale Kooperationen mit bis zu 15.000 Frankreich, Großbritannien, Israel, Euro gefördert werden. Italien, den Niederlanden, der Schweiz, ------Spanien sowie Deutschland ein. Sechs www.szenenwechsel.org Theater aus Nürnberg, fünf aus Augs- Tanzplattform Deutschland 2014 burg, Dehnberg, Ingolstadt, Regensburg 27.02.-2.03.2014, Hamburg und Valley präsentieren die regionale ------Kindertheaterszene. Die Bandbreite der Eine Jury wählte 12 internationale Pro- Grenzenlos-Festival in Augsburg Genres reicht vom klassischen Schau- duktionen aus dem Bereich Tanz und Bewerbungsschluss: 31.03.2014 spiel über Tanz- und Objekttheater hin choreografische Performance für die zur theatralen Installation und zum fil- Tanzplattform Deutschland im Kamp- Das Grenzenlos-Festival findet vom 4. mischen Konzert. Es sind neue Theater- nagel aus. Zusätzlich sind zehn Choreo- bis 15. Juni 2014 zum 4. Mal in Augs- formen und -farben zu entdecken und graf_innen für das Nachwuchsformat burg auf dem Gelände des Gaswerks spannende, dramatische, komische und Pitching nominiert: statt. Für dieses Fest werden noch Stra- skurrile Geschichten zu erleben. ßenkünstler_innen aus den Bereichen www.kampnagel.de Comedy, Musik, Jonglage, Artistik, Stel- www.festival-panoptikum.de

info 59 Impressum: gift – zeitschrift für freies theater ISSN 1992-2973

Medieninhaberin, Herausgeberin, Verlegerin: IG Freie Theaterarbeit, ZVR-Nr. 878992823 Gumpendorferstraße 63B, A-1060 Wien Tel.: +43 (0)1/403 87 94 [email protected] www.freietheater.at

Redaktion: Jürgen Bauer, Katharina Ganser, Sabine Kock, Xenia Kopf, Stephan Lack, Barbara Stüwe-Eßl, Andrea Wälzl, Carolin Vikoler (koordinierende Redak- teurin); Layout: Xenia Kopf

Offenlegung lt. § 25 Mediengesetz: Blattlinie: Fachzeitschrift für Kulturpolitik, Diskurs, Vernetzung im Sektor Darstellende Kunst. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung der IG Freie Theaterarbeit wieder.

Geschäftsführung: Sabine Kock Vorstand: Katharina Dilena, Jury Everhartz, Thomas Hinterberger, Alexandra Hutter, Tristan Jorde, Asli Kislal, Sabine Mitterecker, Claudia Seigmann

Einzelverkaufspreis: Euro 5,- / 2,50 ermäßigt für Studierende Abo: Euro 20,- / 10,- ermäßigt für Studierende Erscheinungsweise: 4 Ausgaben pro Jahr

60 gift 01/2014 Premieren Inhalt

1 editorial 07.01. 17.01. 12.02. 24.02 politik Walter Reiterer/Dana Proetsch: Cavalleria rusticana: Pagliacci kunststoff: Eine Jacke ist eine portraittheater: Grrrimm Theater L.E.O. Wien Jacke ist eine Jacke Curie_Meitner_ Spielraum Wien 0680 335 47 32 Dschungel Wien, 01 522 07 20 20 Lamarr_unteilbar 2 kurz & knapp 01 713 04 60 60 Drachengasse Bar & Co Wien 3 Die freie Szene braucht endlich legale und professionelle Arbeitsbedingungen! 01 5121444 17.01. 13.02. 4 Burgtheater Wien, den 12. Oktober 2013: Die Billeteursrede 08.01. Esther Muschol: Luzid Theater Laetitia: 6 Das Burgtheater als Nucleus der Produktion nationalstaatlicher Ideologie Christian Diaz Theater im Bahnhof: Köche KosmosTheater Wien Hühnersuppe für die Seele. 05.03. 8 Ein Brief. Causa Michael M. gegen Group 4 Das Kochkabinett 01 523 12 26 Kleines Theater Salzburg Babett Arens: 0316 76 36 20 0662 87 21 54 Herzschritt 10 Arie vom Geld Warum die Salzburger Festspiele doch etwas mit der freien Szene zu tun haben KosmosTheater Wien Thomas Hinterberger 21.01. 01 523 12 26 13 Die Revolution der Künstler_innen und art but fair 14.01. Matti Melchinger: Sophie Scholl: 14.02. Roman Freigaßner: Ein Prozess Markus Steinwender: Heidi 14 Starker Tobak gegen Machtmissbrauch Interview mit Elisabeth Kulman Die Argonauten Spielraum Wien Theater des Kindes Linz 10.03. 16 Politisches Handeln in Gemeinschaft Die Koalition der Freien Szene aller Künste in Berlin Julia Wiegele Rabenhof Wien 01 713 04 60 60 0732 605255 Ernst M. Binder: 01 712 8282 Die Krankheit Tod dramagraz diskurs 23.01 15.02. 0316 26 22 42 15.01. Ioan C. Toma: Die Wahrheit Open House Theatre Company: 21 „Ich bin keine Vestalin“ Podiumsdiskussion an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien TheaterFOXFIRE: Theater Phönix Linz The Picture of Dorian Gray The Boys are Back in Town 0732 666 500 Theaterbrett Wien 11.03. Doris Ingrisch DSCHUNGEL WIEN 0680 225 12 90 SABA: Magda Goebbels. 26 Was ist los? Ich kenne mich nicht aus! Sit down and talk Milli Bitterli 01 522 07 20 20 Deutsche Mutter 30 Her Majesty the pressure cooker, or how to cook an independent theater The ACT Festival and international 25.01. KIP Kunst im Prückl Dahl ist brutal 18.02. 01 512 54 00 meeting in Sofi a 2013 Boris Zafi rov 15.01. Toihaus Theater Salzburg daskunst: Cubus 36 Ein Subject namens Büchner Stephan Lack und Jürgen Bauer Christine Eder: 0662 8744390 Dschungel Wien, 01 522 07 20 20 Unendlicher Spaß 12.03. Garage X Wien Thomas Gratzer: szene 01 535 32 00 11 31.1. 20.02. Das bin doch ich Verein Jugendstil: Hot Jobs Hakon Hirzenberger: The Lyons Rabenhof Wien 40 Wienwoche: Pratizipation – Politik – Praxis Ein Interview anlässlich des zweijährigen Bestehens Carolin Vikoler Lenautheater Stockerau Theater Phönix Linz 01 712 8282 15.01. 0699 133 900 01 0732 666 500 44 Die Europäische Theaternacht 2013 Ed. Hauswirth: 46 Entdecken, neu erfi nden, schneller sein Das Wiener Schauspielhaus unter Hans Gratzer Barbara Stüwe-Eßl Der diskrete Charme 19.03. 50 Blau Arbeit An den Schnittstellen von frei und institutionell in Linz und Salzburg Theresa Luise Gindlstrasser der smarten Menschen 11.02. 22.02. Dominic Oley: Mister Christo Tag Wien motschnik: Frosch und Tigerente Bernd Weissig: Tag Wien 54 Im_fl ieger gelandet Neuer Arbeits-, Veranstaltungs- und Diskursraum Barbara Stüwe-Eßl 01 586 5222 Dschungel Wien Der brave Soldat Schwejk 01 586 5222 01 522 07 20 20 Kleines Theater Salzburg info kurzrubriken 0662 87 21 54 16.01. 25.03 das.bernhard.ensemble: 12.02. Open House Theatre Company: 57 intern 20 rezension Eva Brenner: Anpassung oder Widerstand. Wiener.Wald.Fiction Peter Faßhuber: Der Vorname 22.02. The Time Keepers vernetzung Freies Theater heute. Vom Verlust der Vielfalt Off Theater Wien Theater Oberzeiring Peter Pausz: Der Streit KIP Kunst im Prückl 01 523 17 29 0664 834 74 07 Spielraum Wien, 01 713 04 60 60 0680 225 12 90 preise 33 rezension Augusto Boal: Widerstand revisited 58 ausschreibungen 35 bilderrahmen Anja Koehler 59 festivals 43 zeitfenster Hanna Berger 60 impressum 49 sandkasten Markus Kupferblum 61 premieren

Titelbild: FANS – Ein Streifzug durch die Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts. companie bewegungsmelder, 2013 Weitere Programm-Infos online auf www.theaterspielplan.at Aleksandra Vohl, Claudia Grava, Pascale Staudenbauer, Romeo Meyer © Anja Koehler Euro 5,- / 2,50 ermäßigt für Studierende P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien Zul. Nr. 09Z038334M

gift Von welchem Theater träumst du? träumst Theater Von welchem Wien – Salzburg – Berlin ... Dach am Feuer Von welchem Theater träumen wir? Billeteur der und Burgtheater Das politik Zwischen Utopie

zeitschrift für freies theater * Duden.de : Sachbezogenheit; (österreichische Amtssprache) Dienstordnung, Ordnung des Staatsdienstes des Ordnung Dienstordnung, Amtssprache) (österreichische Sachbezogenheit; : Tanzende Rasierklingen Büchner Georg Jahre 200 Denken in Bewegung Bitterli Milli diskurs und Pragmatik* Neu gelandet Im_flieger – Politik Partizipation – Praxis Wienwoche szene

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