Salaam Cinema! Salaam Cinema!
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SALAAM CINEMA! SALAAM CINEMA! KURZFILMPROGRAMM KAMRAN SHIRDEL SALAAM CINEMA! IRANISCHES KINO FR 04.11.16 21:30 THE BRICK AND THE MIRROR (KHESHT VA AYENEH) VOR UND NACH 1979 MI 02.11.16 18:00 * FR 11.11.16 21:00 SO 20.11.16 17:30 Teheran, wuchernde Metropole zwischen Arm und Reich, zwi- * Tagung: Mit einer Einführung von Ehsan Khoshbakht schen Tradition und Tabus, Schauplatz der Widersprüche und STILL LIFE (TABIATE BIJAN) der Zerrissenheit einer Gesellschaft – und Schauplatz eines auf- DO 03.11.16 21:00 * SA 12.11.16 17:30 regenden Kinos ... Von hier aus diktierte der Schah dem Land * Tagung: Mit einer Einführung von die Moderne, von hier aus vollzog sich 1979 die Islamische Re- Mehrnaz Saeed-Vafa SALESS: FAR FROM HOME volution, die die Mullahs an die Macht brachte. Vor wie nach Als Vorfilm zu Still Life dieser Bruchstelle hatten Filmemacher mit den Geboten und THE TRAVELER (MOSSAFER) SO 06.11.16 13:30 Verboten der jeweiligen Zensur zu kämpfen. Vor wie nach der FR 18.11.16 21:00 SA 26.11.16 20:00 Revolution liessen sich einige von ihnen nicht instrumentali- NARGESS sieren, sondern widersetzten sich mit poetischen wie sozialkri- SA 19.11.16 15:15 MI 23.11.16 18:30 tischen Filmen dem Diktat und sorgten mit ganz eigenen Form- SALAAM CINEMA DO 17.11.16 21:15 sprachen für neue Wellen. In Kooperation mit dem Seminar FR 25.11.16 18:30 für Medienwissenschaft der Universität Basel bietet das Stadt- MO 28.11.16 21:00 TEN kino Basel im November Gelegenheit, Parallelen und Zusam- (DAH) SO 13.11.16 15:15 menhänge im iranischen Kino vor und nach 1979 zu entdecken, SO 20.11.16 20:00 MI 30.11.16 21:00 und freut sich, mit Filmen von Ebrahim Golestan, Sohrab Sha- JERRY & ME hid Saless und Kamran Shirdel einige zentrale Werke der Ers- DO 03.11.16 18:30 * * Mit einem Einführungsvortrag von ten Iranischen Neuen Welle der 60er- und 70er-Jahre präsen- Mehrnaz Saeed-Vafa. Im Anschluss Q&A mit Mehrnaz Saeed-Vafa tieren zu können – Höhepunkte der internationalen Erzähl- A CINEMA OF DISCONTENT FR 04.11.16 16:00 * kunst. Ihnen gegenüber stehen Arbeiten jüngerer Autoren des * Tagung: Mit einem Einführungsvor- trag von Jamsheed Akrami. Im aktuellen iranischen Kinos wie Shahram Mokri oder Mehrdad Anschluss Q&A mit Jamsheed Oskouei, die sich auf diese Grossmeister beziehen. Vertiefend Akrami FISH & CAT ergründet eine internationale Tagung vom 2. bis 5. November (MAHI VA GORBEH) FR 04.11.16 18:30 * nicht nur die Besonderheiten der symbolhaften Filmsprache im * Tagung: Mit Einführung von und anschliessendem Q&A mit Shahram iranischen Kino, sondern auch die teils überraschend kreativen Mokri Auswirkungen der Zensur damals und heute. I’M NOT ANGRY! (ASABANI NISTAM!) FR 11.11.16 16:00 SA 12.11.16 22:15 Lange Zeit und vor allem nach dem Iran-Irak- Norden der Stadt ist nicht nur die Luft besser, SO 27.11.16 18:15 Krieg (1980-88) war das internationale Inter- sondern auch die Bevölkerung wohlhabender. STARLESS DREAMS esse am iranischen Kino auf nur wenige Sujets Zwischen Strassen, die zehn Gehminuten von- (ROYAHAYE DAME SOBH) beschränkt: ländliches Leben, abgeschiedene einander entfernt sind, können Welten liegen. SA 05.11.16 17:45 Dörfer, folkloristische Details und Kinderdar- Hochurbanisierte, reiche Gegenden verwan- MI 09.11.16 21:00 steller, die stellvertretend das ausagierten, was deln sich plötzlich in dorfähnliche Siedlungen SA 19.11.16 22:15 die Zensur erwachsenen Figuren nicht gönnte. mit engen Gassen, entlegenen Orten und eige- FILMFARSI Geht man heute in ein Teheraner Kino, wird nen soziokulturellen Regelsystemen. SA 05.11.16 15:15 * * Mit Einführung von und anschlies- deutlich, dass es ganz andere Milieus und Kon- Die filmische Verhandlung dieser Teheran- sendem Q&A mit Ehsan Khoshbakht flikte sind, welche insbesondere die grossstäd- spezifischen sozialen Ungleichheit und Zerris- tische Mittelschicht interessieren: Klassen- und senheit zwischen Moderne und Tradition kann Generationengegensätze, alltägliche Unterdrü- bis in die Zeit vor der Islamischen Revolution ckungserfahrungen, Drogensucht und die Fra- 1979 zurückverfolgt werden: In Ebrahim Go- ge nach der Sprengung des Gefüges traditio- lestans existenzialistischem Teheran-Noir The neller Geschlechterrollen. Brick and the Mirror (1965) werden verschiedens- Ein entschiedener Akzent der Retrospek- te Milieus und Institutionen durchquert, von tive «Salaam Cinema» liegt deshalb auf Teher- der Bar über einen Bazar zum Waisenhaus. Wie anfilmen und somit einem Schauplatz voller eine Echokammer fängt der Film das Zittern Widersprüche, sozialer Gegensätze und mit einer Gesellschaft ein, die in Angst vor der geschätzten 20 Millionen Einwohnern. Im Zensur, vor dem Geheimdienst, der SAVAK, 11 SALAAM CINEMA! und den Gewalten einer Moderne lebte, die im täglichen Leben passiert, nicht zeigen. (...) der Bevölkerung von der «weissen Revolution» Man zeigt nicht die Hochzeitsnacht, sondern des Schahs aufgezwungen wurde. Dank spezi- die Schuhe vor dem Zimmer.» (Bani-Etemad) fischen Institutionen zwischen privater und «Realismus» ist im iranischen Kino, mit der öffentlicher Finanzierung (wie die «Progressi- deutschen Filmessaystin Frieda Grafe gespro- ve Filmmaker’s Cooperative» und der «Golestan chen, immer schon «Neo-, Sur-, Super- und Film Workshop») konnte sich inmitten dieser Hyper-», eine Frage der Form, die gewählt wird, Propagandamaschinerie, die das Aufzeigen so- um etwas sichtbar und überdeutlich zu machen, zialer Missstände als revolutionären Akt wer- wenn auch indirekt. Es ist faszinierend, welche tete und unter Zensur stellte, ein widerständi- filmischen Schleichwege und Schlupflöcher die ges, vom italienischen Neorealismus beeinfluss- widersprüchliche Grossstadtrealität Teherans tes Autorenkino herausbilden. Zu dieser «Neu- gefunden hat, um sich auf der Leinwand arti- en Welle» zählen neben Golestans kafkaesker kulieren zu können. Gerade gegenwärtig ist im Grossstadtvision auch Dariush Mehrjuis The iranischen Kino eine neue sozialkritische Wel- Cow (1969) und die minimalistischen Filme von le anzutreffen, die von einer jüngeren Genera- Shohrab Shahid Saless, dessen Still Life (1974) tion von Filmemachern getragen wird und in im Rahmen der Retrospektive zu sehen ist: ein der Retrospektive abgebildet werden soll. Re- streng rhythmisierter Film, der jenseits von za Dormishians impulsiv montiertes, rastlos Symbolismus, konsequent materialistisch, von gefilmtes Sozialdrama I’m Not Angry! (2014) der stillgestellten Zeit eines Bahnwärters und über die Wut einer «lost generation» war der seiner teppichknüpfenden Frau erzählt und Publikumsliebling des 32. FAJR International hierbei die drastische Stadt-Land-Disparität Film Festival in Teheran, fand aber keine Er- mitverhandelt. laubnis, regulär in den Kinos anzulaufen. Um die Namenlosen am Rande der Ge- Ein weiterer herausragender Vertreter einer sellschaft, vor allem der Stadt Teheran, geht es neuen Generation ist Mehrdad Oskouei, der auch in den Avantgardedokumentarfilmen von 2006 mit einer Dokumentation über die in Iran Kamran Shirdel, vor allem über das Rotlicht- grassierende Epidemie der gesichtsverschönern- viertel Shahr-e No und ein Frauengefängnis den «nose jobs» Furore machte und dessen ak- in Teheran. Mit seiner radikal dialektischen tueller Film Starless Dreams im Rahmen der Kontrapunktik, die offizielle Erfolgsnarrative Retrospektive als Schweizer Kinopremiere zu und soziale Realitäten gegeneinandersetzt, hat sehen ist. Auch Oskouei versucht denen eine Shirdel einen Stil präfiguriert, der bis zu Mas- Stimme zu geben, die keine Stimme haben, in soud Bahkshis Tehran Has No More Pomegranates diesem Fall straffällig gewordenen Mädchen in (2006) weiterverfolgt werden kann. Anders in einem Teheraner Korrekturzentrum. Einem Shirdels von Jean Rouch beeinflusstem Film ganz anderen Filmstil und Genre zuzurechnen The Night it Rained (1967), der einer kolportier- ist Shahram Mokris 130 Minuten langer Digi- ten Heldengeschichte anhand verschiedener talkamera-Plansequenz-Zeitschleifen-Horror- Interviews nachgeht, bis sich der angebliche trip Fish & Cat (2013), der vom Teheraner Pu- Vorfall – ein Junge hat nächtens einen Zug auf- blikum mittlerweile kultisch verehrt wird, für gehalten, um ihn vor dem Entgleisen zu be- viel Gesprächsstoff auf Partys und Social-Me- wahren – in einem Kaleidoskop von Perspek- dia-Plattformen sorgt und wie kaum ein ande- tiven auflöst. Was mittlerweile zu einer Art rer Film in Hinblick auf sozialpolitische Impli- Trademark des iranischen Kinos geworden ist kationen entziffert wird. Was Mokri, Oskouei – das Spiel mit der Ununterscheidbarkeit von und Dormishian vereint und an Bani-Etemad Fakt und Fiktion –, lässt sich folglich bis in die anschliessbar macht, ist ihr Interesse daran, trotz Zeit vor der Revolution zurückverfolgen. internationalem Erfolg in innigem Kontakt mit Während die Filmemacher der «Ersten gegenwärtigen sozialen Realitäten in Teheran Neuen Welle» (vor 1979) Kritik am Diktat der zu bleiben. Modernisierung und Industrialisierung übten, «Kunst ist immer eine Lüge, mit der der lagen die sozialkritischen Filmemacher nach Künstler in Komplizenschaft mit dem Rezipi- der islamischen Kulturrevolution von 1979 im enten versucht, der Wahrheit näher zu kom- Clinch mit religiösen Autoritäten, die alles ta- men», hat Abbas Kiarostami einmal gesagt, der ten, um die Ideale der Revolution ungeachtet dieses Jahr verstorben ist und dem die Retro- der sozialen Missstände als verwirklicht zu be- spektive mit zwei Filmen aus der Zeit vor und haupten. Die vielleicht radikalste Vertreterin nach 1979 Tribut zollt. Filmen, die jeweils auf