Diego Ortiz · Jordi Savall · Tobias Hume · Folias & Romanescas · Am 13.10.2007· Marin Marais · Pièces De Viole ·
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DIEGO ORTIZ · JORDI SAVALL · TOBIAS HUME · FOLIAS & ROMANESCAS · AM 13.10. 2007 · MARIN MARAIS · PIÈCES DE VIOLE · JOHANN SEBASTIAN BACH FANTASIE EN RONDEAU · MONSIEUR DE SAINTE-COLOMBE VATER · ThE FIRST PART OF AYRES · GIROLAMO FRESCOBALDI · GOOD AGAINE · LES PLEURS · SO KLINGT NUR DORTMUND. 2,50 E KONZERTHAUS DORTMUND · SAMSTAG, 13.10.2007 · 20.00 Dauer: ca. 2 Stunden inklusive Pause JORDI SAVALL VIOLA DA GAMBA ANDREW LAWRENCE-KING HARFE (ARPA DOppIA) Abo: Solisten II – Höhepunkte der Kammermusik Wir bitten um Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen während der Vorstellung nicht gestattet sind. 4I5 DIEGO ORTIZ (CA. 1510 –1570) MONSIEUR DE SAINTE-COLOMBE (SOHN) Folias & Romanescas (Lebensdaten unbekannt) Folia Fantasie en Rondeau Passamezzo antico Ruggiero MONSIEUR DE SAINTE-COLOMBE (VATER) Romanesca (geboren zwischen 1658–87, gestorben spät. 1701) Passamezzo moderno Les Pleurs TOBIAS HUME (CA. 1579 –1645) JOHANN SEBAstIAN BACH (1685–1750) Aus: The First Part of Ayres (»Musicall Humors«) Aus der Suite für Violoncello solo Nr. 4 Es-Dur BWV 1010 A Souldiers March Bourrée Nr. 2 Harke, harke Good againe RAOUL-AugER FEUILLET (CA. 1659–1710) A Souldier’s Resolution Aus: »Chorégraphie ou l’art de décrire la danse…« Suite »La Bourgogne« GIROLAMO FRESCOBALDI (CA. 1583–1643) Courante Aria mit Variationen über »La Frescobalda« Bourrée Sarabande MARIN MARAIS (CA. 1656 –1728) Passepied Aus: »Pièces de Viole« Prelude MARIN MARAIS Muzette I »Les folies d’Espagne« Muzette II Thema und Variationen Menuet I Menuet II La Sautillante -Pause- 6I7 PROGRAMM 8I9 FOLIA, ROMANESCA UND ANDERE TOLLHEITEN TANZMUSIK FÜR BASSGAMBE Wenn sich Jazzer zum gemeinsamen Improvisieren treffen, einigen sie sich oft auf das Blues- schema als Grundlage ihres Spiels oder auf einen bekannten Song, einen »Standard«, dessen Harmoniefolge den Soli unterlegt wird. Die Musiker der Renaissance und des Barock hielten es ganz ähnlich: Sie wählten bestimmte Tanzbässe – kurze Basslinien und Harmoniemuster, die sich beständig wiederholen. Auf ihrer Basis konnten sich die Oberstimmen virtuos entfalten. Unter diesen so genannten Ostinatobässen waren »Folia« und »Romanesca« besonders beliebt – sie geben Jordi Savalls Programm Titel und Rahmen. Typisch für die Folia ist außer ihren stan- dardisierten Basstönen das Metrum: ein Dreiertakt ähnlich der Sarabande oder Chaconne. Mit der Folia ist die Romanesca eng verwandt. Ihr Bass-Harmonie-Gerüst verbindet sich häufig mit einer bestimmten Oberstimme, nämlich der Melodie des spanischen Liedes ›Guárdame las vacas‹. Auch das bekannte englische Volkslied ›Greensleeves‹ basiert übrigens auf dem Roma- nesca-Bass. GELUNGENE VERBINduNG VON THEORIE UND PRAXIS DIEGO ORTIZ FOLIAS & ROMANESCAS Über Ostinatobässe wurde improvisiert, doch gelegentlich hielten Musiker ihre Improvisationen auch schriftlich fest, z.B. in Improvisationsanleitungen wie etwa Diego Ortiz’ »Tratado de Glosas« (Traktat über das Variieren). Der Spanier, der zwischen 1550 bis 1570 Kapellmeister des Vizekö- nigs von Neapel war, erklärt im ersten Teil seines Werks, wie man Melodien diminuiert (also verziert durch das Zerlegen eines Tones in mehrere kürzere) und lässt im zweiten Teil Beispiele folgen, darunter auch einige Stücke über Folia und Romanesca. Gerade wegen dieser gelungenen Verbindung von Theorie und Praxis gilt Ortiz’ »Tratado« heute als eine der aufschlussreichsten Musikabhandlungen des 16. Jahrhunderts. SOLDAT IM DIENst DER GAMBE TOBIAS HUME »MusICALL HUMORS« (AuszÜGE) Neben Ostinato-Variationen enthält Jordi Savalls Programm aber auch Tänze, die nicht notwendig mit wiederholten Bässen verbunden sind, außerdem einige Stücke mit programmatischen Titeln. Zu den letztgenannten zählen viele Nummern aus Tobias Humes 1605 erschienener Sammlung 10 I11 WERKE »The First Part of Ayres (or Musicall Humors)«. Der Engländer Hume war im Hauptberuf Söld- ner – er diente als Offizier in der schwedischen und der russischen Armee. Daneben galt er als vorzüglicher Gambist. Seine Musik zeugt zwar von wenig Gelehrsamkeit, aber umso größerer Originalität: So erfand er zum Beispiel ein Stück, bei dem zwei Musiker auf einer Gambe spielen, KOMMEN SIE DOCH NÄHER RAN! wobei der kleinere auf dem Schoß des größeren sitzt. WENN SIE DER MUSIK UND DEN KÜNSTLERN NOCH NÄHER KOMMEN Ein anderes Stück (›Harke, harke‹ aus dem heutigen Programm) enthält das erste bekannte MÖCHTEN, TRETEN SIE DEM FÖRDERKREIS DES HANDWERKS E.V. BEI! Beispiel der bei den Avantgardisten des 20. Jahrhunderts so beliebten »col legno«-Technik: »Drum this with the backe of your bow« lautet Humes Anweisung; die Noten sind also mit der hölzernen Rückseite des Bogens zu schlagen. MEIstER DER BAssgAMBE MARIN MARAIS »PIÈCES DE VIOLE« (AuszÜGE) UND NOCH ETWAS NÄHER! JETZT Marin Marais wurde als bester Bassgambenspieler seiner Zeit berühmt. Sein Lebenswerk ist in ERHALTEN SIE 10% KARTENRABATT den fünf Büchern der »Pièces de viole« enthalten: insgesamt mehr als 550 Kompositionen für BEI DEN EIGENVERANSTALTUNGEN, eine, zwei oder drei Bassgamben mit Generalbassbegleitung. Sie sind nach Tonarten in Suiten geordnet, deren einzelne Tänze oft nur allgemeine Gattungsbezeichungen (wie Gigue oder Menuett) WERDEN ZUM JAHRESEMPFANG, ZU tragen, manchmal aber auch besondere, charakterisierende Titel: »La Sautillante« zum Beispiel heißt »Die Hüpfende«. HAUSFÜHRUNGEN UND PROBENBE- Unter »Musette« verstand man einerseits einen ländlichen Dudelsack, der zeitweise auch am SUCHEN EINGELADEN. ALLE INFOS Versailler Hof in Mode kam; andererseits nannte man so auch einen Tanz, der den Klang dieses Instruments nachahmte. UNTER T 0231-22 696 261 ODER WWW. KONZERTHAUS-DORTMUND.DE DER GAMBIst ALS FILMHELD WERKE VON MONSIEUR DE SAINTE COLOMBE Der Lehrer des berühmten Marin Marais war ein gewisser »Monsieur de Sainte Colombe«, ein geheimnisumwobener Musiker, dessen Gambenkompositionen die seiner Zeitgenossen weit überragen. Über seine Lebensumstände weiß die Musikforschung fast nichts zu sagen. Förderkreis des Handwerks e.V. Man kennt weder seinen Vornamen noch die genauen Lebensdaten oder gar biografische zugunsten KONZERTHAUS DORTMUND Details. Nur dass er zwei Töchter und (mindestens) einen Sohn hatte, die alle auch Gambe spielten, ist überliefert. Zudem führte er den Quellen zufolge die siebte Saite der Bassgambe ein, die den Tonumfang des Instruments nach unten vergrößerte. Diese Behauptung entspricht zwar nicht ganz der geschichtlichen Realität (auf italienischen ÄHER WERKE Gemälden tauchen siebensaitige Gamben weit früher auf), zeugt aber von dem großen Ruhm, den TÄNZE DER »TOLLHEIT« MARIN MARAIS »LES FOLIES D’EspAGNE« Sainte Colombe seinerzeit genoss. Über den Meistergambisten drehte übrigens der französische Regisseur Alain Corneau 1991 den Film »Die Siebente Saite« (Originaltitel: »Tous les matins du Savalls Programm endet wie es begann: mit einer Reihe von Folia-Variationen, dieses Mal in Marin monde«) mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle. Die Handlung musste natürlich weitgehend Marais’ Version. Aus welchem Land die Folia eigentlich stammt, ist nicht ganz klar. Die vom Fran- spekulativ bleiben, doch allein schon die Filmmusik ist einen Kinobesuch wert – Jordi Savall hat zosen Marais (und vielen anderen) gebrauchte Bezeichnung »Les Folies d’Espagne« scheint jeden- sie mit einem seiner Ensembles eingespielt. falls in die Irre zu führen, denn noch früher als in Spanien tauchte der Tanz in Portugal auf, und dorthin wurde er möglicherweiseˇ aus Lateinamerika importiert. Überhaupt hatten erstaunlich viele Tänze der Zeit ihren Ursprung in den spanischen und portugiesischen Kolonien – u.a. auch Sara- NACHLAss EINES TÄNZERS RAOUL-AugER FEUILLET SUITE »LA BOURGOGNE« bande und Chaconne. Die iberischen Eroberer waren offenbar fasziniert von der Kraft und Vielfalt der indianischen Rhythmen und jenen der aus Afrika verschleppten Sklaven. Aus der Neuen Welt Raoul-Auger Feuillet war weniger Komponist als vielmehr Tänzer und Choreograf; doch natür- 5743verbreitete Anz_12_Tenoere_sw sich dann die »Tollheit« 01.09.2005 (die wörtliche Ü bersetzung12:34 Uhrvon »F olia«)Seite über 1ganz Europa. lich musste er als solcher auch über grundlegende musikalische Kenntnisse verfügen. Sein theoretisches Hauptwerk schrieb er im Jahr 1700: »Choréographie, ou l’art de décrire la danse par caractères, figures et signes démonstratifs«. Wie dieser Titel schon andeutet, war Feuillet der Erfinder eines Systems, mit dem sich Tänze mit all ihren Schritten und Bewegungen genau notieren ließen. Seine Notation trug maßgeblich dazu bei, dass sich das französische Tanzrepertoire rasch über ganz Europa verbreitete. Feuillet fügte außerdem jeder neuen Auflage seiner »Choréographie« eine Sammlung von Tänzen bei, die teils er selbst, teils sein Kollege Louis Guillaume Pécour komponiert hatte. In diesem Rahmen erschien auch die Suite »La Bourgogne« mit ihren vier Sätzen Courante, Bourrée, Sarabande und Passepied. Den Charakter dieser Tänze hat der deutsche Komponist und Musikgelehrte Johann Mattheson 1739 in seinem »Vollkommenen Kapellmeister« treffend erklärt. Die Courante, so schreibt er, »suchet ihrem Nahmen, durch immerwährendes Lauffen, ein völliges Recht zu thun, doch so, Die 12 Tenöre dass es lieblich und zärtlich zugehe [...] Die Leidenschafft oder Gemüths-Bewegung, welche in einer Courante vorgetragen werden soll, ist die süsse Hoffnung.« Von der Bourrée sagt Mattheson, »dass ihr eigentliches Abzeichen auf der Zufriedenheit, und einem gefälligen Wesen beruhe, dabey gleichsam etwas unbekümmertes oder gelassenes, ein wenig nachlässiges, gemächliches und doch nichts unangenehmes vermacht