Georg Kuphaldt — Gartendirektor Der Stadt Riga Und Gärtner Des Zaren
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RAKSTI 2020. gads 74. sējums 2. numurs GEORG KUPHALDT — Gartendirektor DER Stadt RIGA UND GÄrtner DES ZAREN Agnese Bergholde-Wolf [email protected] Schlüsselwörter: Kuphaldt, Riga, Ostseeprovinzen, Russland, Stadtgärtner, Landschafts- und Gartenkunst Der Beitrag gibt einen allgemeinen Einblick in das Werk Georg Kuphaldts, des ersten professionellen Stadtgärtners von Riga. Eine stilistische Einordnung seiner gartenkünst- lerischen Leistungen in den Zusammenhang der Gartenkunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Europa und in Russland ist bisher nur ansatzweise erfolgt. Eine umfas- sende Würdigung der Gartenkunst Georg Kuphaldts steht noch aus. Als der 27jährige Georg Kuphaldt verschiedenen Gartenthemen verfasst wor- (1853–1936) im Jahre 1880 nach Riga be- den, die uns heute einen Zugang zu seiner rufen wurde und die Stelle des Stadtgärtners künstlerischen wie gärtnerischen Denk- und annahm, ahnte er wahrscheinlich nicht, dass Arbeitsweise ermöglichen3. Ein Teil seiner er hier sein Lebenswerk schaffen würde und Zeichnungen zu Gartenprojekten in Riga wer- sein beruflicher Werdegang ihn sogar bis ans den in der Abteilung für Rara und Handschif- Schwarze Meer führen würde. So steil und ten der Lettischen Nationalbibliothek in Riga geschwungen wie die von ihm angelegten aufbewahrt, manche davon sind als Nach- Wege in dutzenden von Parks und Gärten in zeichnungen/Kopien seiner Mitarbeiter (Jānis den einstigen russischen Ostseeprovinzen, Apsītis, 1881–19434), auch in Privatbesitz d.h. im heutigen Est- und Lettland und in überliefert. Russland waren, verliefen auch seine persön- Nach einer Lehre in der großherzogli- lichen Lebenswege. chen Schlossgärtnerei in Eutin und der an- Das gartenkünstlerische Schaffen von schließenden Ausbildung am Pomologischen Georg Kuphaldt und seiner herausragenden Institut in Reutlingen erhielt Georg Kuphaldt Rolle für die Entwicklung der Gartenkunst 1876 die Möglichkeit, an der vom Gene- im heutigen Baltikum ist neben zahlreichen ral-Gartendirektor der königlich-preußischen feuilletonistischen Beiträgen in jüngster Zeit Gärten, Joseph Peter Lenné (1789–1866), insbesondere von zwei Forscherinnen inten- initiierten und geleiteten Königlichen Gärt- siver beleuchtet worden, Hemma Kanstein nerlehranstalt am Wildpark bei Potsdam eine (1998)1 und Anna Kavere (2007)2. Daneben zweijährige Gärtnerausbildung unter Ferdi- sind von Georg Kuphaldt selbst mehr als 30 nand Jühlke zu absolvieren. Die Gartenge- Beiträge zu seinen Gartenprojekten sowie staltung im sogenannten “gemischten Stil”, 86 GEORG KUPHALDT — GARTENDIREKTOR DER STADT RIGA UND GÄRTNER DES ZAREN d.h. regelmäßige und repräsentative (auch gartenbauliches Studium möglich war“.5 Der mit Kleinarchitekturen versehene) Partien Bedarf nach einem Stadtgärtner war akut ge- wechseln sich mit landschaftlich, organisch worden, nachdem der russische Zar Alexan- gestalteten ab, fand unter den Schülern der der II. 1856 für den Bereich der Altstadt von Potsdamer Einrichtung im 19. Jahrhundert Riga den Status einer militärischen Festung großen Anklang. An diese bedeutende zeit- aufgehoben hatte und anschließend die aus genössische Lehranstalt wandte sich 1879 dem 17. Jahrhundert stammenden Festungs- die Gartenverwaltung von Riga und bat um wälle binnen weniger Jahre “geschliffen“, die Empfehlung eines Garteningenieurs. Für d.h. abgetragen wurden. (Abb. 1). Es waren die Suche nach einem potentiellen, für das Freiräume am bisherigen äußeren Rand der Stadtgärtneramt von Riga geeigneten Kandi- Stadt entstanden, die günstige Vorausset- daten war wohl nicht zufällig sondern ganz zungen schufen für das räumliche und ge- gezielt die prominente Lehrstätte in Pots- sellschaftliche Wachstum, Ausdehnung und dam-Wildpark ausgesucht worden, hatte sie Entwicklung der Stadt zu einer modernen, sich doch seit ihrer Gründung 1823 zu ei- urbanen Großstadt. Eine noch im selben Jahr ner bedeutenden und “richtungsweisenden von der Stadtverwaltung unter Führung des Einrichtung entwickelt, an der erstmalig ein Bürgermeisters Grimm (E.V.T) einberufene Abb. 1. Stadtplan Riga, 1867. Herder-Institut, Marburg. Kartensammlung, Sign. K_46_ VIII_R_8_-_R 87 RAKSTI 2020. gads 74. sējums 2. numurs Kommission formulierte die Vorgabe, dass breiten zentralen Ost-West-Achse mit einem das freigewordene Territorium einer neuen runden Platz vor, in dem Straßen aus ver- Planung unterzogen werden muss und hier schiedenen Vierteln sternförmig münden.7 notwendige Neubauten für administrative, Zweireihige Alleen umrahmten die neuen kulturelle und Bildungseinrichtungen entste- Viertel und Straßen. Im Bereich des früheren, hen sollen, der frühere Festungsgraben soll nun begrünten Stadtgrabens wurden einzel- zum Kanal mit fließendem Wasser und Grün- ne Bauten vorgesehen. Auch wenn der Plan anlagen umgestaltet werden.6 in einer vereinfachten Version akzeptiert und Der Stadtarchitekt Johann Daniel Felsko umgesetzt wurde, behielt sie die von Felsko (1813–1902) wurde beauftragt, ein Projekt vorgesehene Grundstruktur mit der zentra- für die Umgestaltung dieses Territoriums zu len Verbindungsachse sowie weiteren gera- erarbeiten, das 1857 vorlag. (Abb. 2). Der den verbindenden Straßen und dem grünen wichtigste und weitsichtigste Vorschlag die- Gürtel um die Altstadt. Die zukünftige Be- ses Projektes war die Verbindung der Altstadt bauung beiderseits des Kanals wurde durch mit den Vorstädten zu einem Stadtgewebe. Baubestimmungen reglementiert, es durften Hierfür sah Felsko die Bildung eines neuen hier nur Steingebäude in einer Höhe von max. Stadtzentrums mit entsprechender Bebau- 6 Geschossen bzw. bis zu 21,3 m Traufhö- ung und einer beide Stadtteile verbindenden he errichtet werden. Um ein einheitliches Abb. 2. Stadtplan Riga, 1857, J. D. Felsko und O. Dietze mit begrüntem Kanalstreifen und Wöhrmannschen Garten. Rīgas Vēstures un kuģniecības muzejs 88 GEORG KUPHALDT — GARTENDIREKTOR DER STADT RIGA UND GÄRTNER DES ZAREN Abb. 3. Kaisergarten, Riga. Postkarte, vor 1909. Herder-Institut, Marburg. Bildarchiv, Inv. Nr. 191288 Straßenbild zu erhalten, sollten die Gebäude- zumal er nach Abschluss seiner Ausbildung fronten zur Straße hingewandt sein. Produk- gerade mal eine Arbeitspraxis von nur einem tionsstätten oder Speicherbauten waren hier Jahr aufweisen konnte. Doch wurde der jun- nicht zugelassen.8 Auch in den Vorstädten ge Gärtner aus Plön gleich im ersten Frühjahr wurde 1858 die bislang gültige Bestimmung seit seinem Dienstantritt mit der Umgestal- nur in Holz zu bauen aufgehoben. Außer dem tung bzw. Wiederherstellung des ältesten Kanal mit begleitenden Grünstreifen war eine Gartens in Riga, des Kaisergartens (heute weitere trapezförmige Grünfläche im Bereich Viestura dārzs, 8,1 ha) nördlich der einstigen der ehemaligen Vorstädte vorhanden, die Zitadelle in unmittelbarer Nähe des Flusses Kuphaldt zu Beginn seiner Tätigkeit in Riga Düna/lettisch Daugava beauftragt. Der auf vorfand. Es war der nach der Stifterin Anna Befehl von Zar Peter dem Großem im ersten Wöhrmann benannte Wöhrmannsche Garten Viertel des 18. Jahrhunderts9 eingerichtete (heute Vērmanes dārzs), der auf Anregung Garten wurde in dem damals verbreiteten re- des damaligen General-Gouverneurs Marquis gelmäßigem, so genannten holländischen Stil Filippo Paulucci (1779–1849) 1817 eröffnet durch den “Gärtner seiner Majestät auf der wurde. Der Garten war bei der Bevölkerung Vorburg” Nikolai Legeband angelegt und spä- beliebt, es besaß eine Mineralwasseranstalt, ter durch den aus Moldau stammenden Mi- und es wurden dort gegen Eintrittsgeld ver- chael Schindler vollendet und etwa 25 Jahre schiedene unterhaltende Veranstaltungen ge- lang gepflegt. In großem Stil und mit großem boten. Aufwand unter Heranziehung von 800 Solda- Womit Kuphaldt die Gartenverwaltung in ten als Arbeitskräfte und Heranschaffung von Riga für seine Kandidatur gegen drei andere Tausenden von Bäumen aus dem Ausland wie Bewerber überzeugt hatte, wissen wir nicht, auch aus den einheimischen Gütern entstand 89 RAKSTI 2020. gads 74. sējums 2. numurs der repräsentative Teil des Gartens mit “brei- te der Fürsten und Großen im Lande, deren ten schattigen Alleen, Laubengängen, Irrgär- freigebigem Kunstsinn wir viele herrliche ten, Fruchtgärten und Gartenhäusern”.10 Im Anlagen verdanken. […] Heute ist das Be- Boskettbereich soll Peter der Große eigen- wusstsein des Rechtes auf Luft und Licht in händig 1721 eine Ulme eingepflanzt haben, alle Bevölkerungsklassen einer Großstadt ge- ein Granitblock mit entsprechender Inschrift drungen und die Erkenntnis, dass städtische erinnert noch heute daran. (Abb. 3). Gartenanlagen nicht ein Luxus, sondern ein Der regelmäßig und symmetrisch angeleg- Bedürfnis für das Allgemeinwohl sind. Erst te Garten wurde von mehrreihigen Lindenal- mit dieser Erkenntnis tritt die städtische Gar- leen eingefasst und durch einen breiten Kanal tenkunst als vollberechtigter Teil in den Kreis quer in zwei Hälften geteilt, daneben gab es der Aufgaben des städtischen Gemeinwesens auch Blumenbeete und Obstgärten. Für den und gewinnt in den Großstädten wesentlichen Eigenbedarf wurde eine Baumschule (Recru- Anteil am Städtebau. Mit dem Recht auf Luft ten-Garten) eingerichtet sowie in einem nicht und Licht ist auch das Bedürfnis nach städ- öffentlich zugänglichen Teil des Gartens die tischen Gartenanlagen da, und stets sollte Sommerwohnung für den General-Gouver- bei Festlegung städtischer Bebauungspläne neur und dessen Adjutanten gebaut. Nach ein gewisser Prozentsatz der Grundfläche einer Zeit großer Beliebtheit des Gartens bei zur Bepflanzung freibleiben. […] Namentlich