eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Seite 45.560, Silvrettagruppe Internet: https://peter-hug.ch/45_0560

Main mehrBlick vom Flüela Schwarzhorn auf die Silvrettagruppe. nach N. und S. ab, die die kleinen Seitenthäler des Prätigaus, Montavon, Paznaun und Unter Engadin einschliessen. Besonders schön ist diese fiederförmige Gliederung in den beiden Flügelgruppen ausgebildet, doch tritt sie auch in der Zentralgruppe deutlich genug hervor. Sie kombiniert sich aber hier mit der radialen, indem z. B. aus der Gegend des die Gebirgszweige nach verschiedenen Richtungen ausstrahlen: über das Silvrettahorn und den Litznerstock nach NW., über das Verstanklahorn und den nach SW., über den Piz Fliana nach S. und über den Dreiländerspitz nach O. Im kleinen wiederholt sich diese radiale Gliederung noch mehrfach, so im Litznerstock und am Pillerhorn sw. vom Verstanklahorn. Gabelförmig ist sodann die Verzweigung am Rauhen Kopf (3093 m) n. vom Dreiländerspitz, ferner beim Fluchthorn, wo die beiden Zinken einerseits das Bielerthal, andrerseits das Lareinthal einschliessen. Von der weitern Betrachtung schliessen wir den Rätikon (s. diesen Art.) und die ausserschweizerische Ferwallgruppe aus. a) Der Zentralstock der Silvrettagruppe. Sein wasserscheidender Kamm zieht vom Flesspass und Vereinapass über das Verstanklahorn zum Silvrettapass und Signalhorn nach NO., dann mehr ö. über Piz Buin, Dreiländerspitz, Augstenberg und Piz Fatschalv zur Fuorcla Tasna, endlich wieder nö. über Piz davo Lais zum Fimberpass. Am Signalhorn vereinigt sich damit eine zweite Wasserscheide, die vom Schlappinerjoch über den Gross Litzner und das Silvrettahorn nach SO. zieht. Doch sind diese Wasserscheiden grösstenteils nur solche zweiter Ordnung. Einzig die kurze Strecke vom Flesspass bis zum Signalhorn und von da bis zum Dreiländerspitz trennt zwei Stromgebiete - diejenigen des Rheins und der Donau - voneinander und ist also erster Ordnung. Der nw. Arm trennt das Gebiet der Landquart von demjenigen der Ill, also nur Unterabteilungen des Rheingebietes voneinander, und der nach O. gehende Arm nur den Inn von einem seiner Zuflüsse, der Trisanna des Paznaun, die sich mit der Rosanna des Stanzerthals zusammen bei Landeck mit dem Hauptfluss vereinigt. Die Hauptwasserscheide geht vom Dreiländerspitz über die Bielerhöhe und durch die Ferwallgruppe nach N. zum Arlberg, kommt aber als ausserhalb der Schweiz liegend hier nicht weiter in Betracht. Die drei vorhin erwähnten, am Signalhorn zusammentreffenden Kämme stellen die Stammstücke der Silvrettagruppe dar, von welchen zahlreiche grössere und kleinere Seitenzweige abgehen. Dabei fällt auf, dass mehrere der höchsten Gipfel, unter ihnen insbesondere der Piz Linard und das Fluchthorn, nicht im Hauptkamm sondern in kleinen Seitenzweigen liegen, indem ersterer südwärts gegen das Engadin, letzteres nordwärts gegen das Paznaun vorspringt. Es fällt also die Verbindungslinie der höchsten Gipfel nicht durchweg mit der Wasserscheide zusammen. Auch die politische Grenze zeigt derartige Unregelmässigkeiten, indem sie vom Piz Fatschalv oder Grenzeggkopf über das Fluchthorn und den Gemsbleiskopf n. ausbiegt und dann das Fimberthal nach O. quert, um in der Nähe der Vesilspitze den Kamm wieder zu erreichen, so dass der obere Drittel des Fimberthals zur Schweiz, die untern zwei Drittel zu Oesterreich gehören. Eine Folge dieser Eigentümlichkeit ist es, dass die Heidelbergerhütte des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins im obern Fimberthal auf schweizerischem Gebiet liegt. Auch im Gebiet von Samnaun findet eine derartige Abweichung der politischen Grenze vom Gebirgskamm statt, indem jene vom Gribellakopf längs dem Malfragbach sö. zum Samnauner- oder Schergenbach zieht und dann diesem bis zur Mündung in den Inn folgt, so dass das Samnaunerthal ebenfalls teilweise zur Schweiz, teilweise zu Oesterreich gehört, welch letzterem allerdings nur die linke Seite der untern Thalstufe zukommt. Da aber das Strässchen sich an dieser linken Seite befindet, sind die Samnauner vorläufig noch genötigt, über österreichisches Gebiet mit der übrigen Schweiz zu verkehren. Für die weitere Betrachtung zerlegen wir die Silvrettagruppe in eine Anzahl kleinerer Stücke oder Glieder. 1) Die Gruppe des Piz Linard zwischen Flesspass und Vernelapass zieht im Bogen von den Ungeheuerhörnern über die Plattenhörner zum Pillerhorn nach O., dann sö. zum Piz Linard, wo sie sich in zwei kurze Arme teilt, die das Val Glims einschliessen. Eine kleine Vorlage dazu bildet die durch den Valtorta- oder Vereinapass vom Hauptstück getrennte Gruppe des Piz Fless zwischen Val Fless und Val Saglains. In der ganzen Gruppe herrschen nackte Felsgestalten, die mit ungeheurer Steilheit sich zu grossen Höhen emporschwingen. Insbesondere bildet der Piz Linard eine ungemein stolze Pyramide, die von allen Seiten sich als mächtiger Koloss darstellt und schier unersteigbar erscheint. Sowohl durch seine Höhe (3414 m) als durch seine massige Gestalt ist der Piz Linard entschieden das Haupt der Silvrettagruppe. Der Schnee haftet nur wenig an seinen steilen Gehängen, weshalb die Gletscherentwicklung eine geringe ist. Würdige Trabanten hat er in den Plattenhörnern (3221, 3219 und 3205 m), die ihm an Höhe nur wenig, an schreckhafter Steilheit nicht nachstehen, ja ihn darin noch überbieten und darum nur selten bestiegen werden. - 2) Die Gruppe des Verstanklahorns zwischen Vernela- und Silvrettapass bildet eine W.-O. streichende Kette, die im W. mit den schönen Pyramiden des Canard- und

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Weisshorns beginnt und im O. mit dem Verstanklahorn (3301 m) endigt. Dieses ist, besonders vom Silvretta- und Verstanklagletscher aus gesehen, wohl die schönste Gestalt der Silvrettagruppe, eine schlanke, regelmässige Pyramide, eines der schwierigsten, aber auch anziehendsten Objekte für den Bergsport in der gesamten Gruppe. Daran schliesst sich der ebenfalls schön gestaltete Schwarzkopf (3225 m) im Hintergrund des Vernelathals, am Gipfel breit abgestutzt und mit einer dicken Firnkappe gekrönt. Nordwärts vorgelagert sind dem Verstanklahorn der Gletscherkamm und die Krämerköpfe als Grenze zwischen Verstankla- und Silvrettagletscher. -

Quelle: Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902; Autorenkollektiv, Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg, 1902-1910;5. Band, Seite 550 [Suche = 45.560] im Internet seit 2005; Text geprüft am 29.3.2017; publiziert von Peter Hug; Abruf am 24.9.2021 mit URL: Weiter: https://peter-hug.ch/45_0561?Typ=PDF Ende eLexikon.

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