In Naher Ferne. Lieblinge Und Stars Im DDR-Fernsehen
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Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen______ Literaturwissenschaft Herausgegeben von Reinhold Viehoff (Halle/Saale) Gebhard Rusch (Siegen) Rien T. Segers (Groningen) Jg.20 (2001), Heft 1 Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften SPIEL Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft SPIEL: Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Lite raturwissenschaft Jg.20 (2001), Heft 1 Peter Lang Frankfurt am Main • Berlin • Bern • Bruxelles • New York • Oxford • Wien Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Siegener Periodicum zur internationalen empirischen Literatur wissenschaft (SPIEL) Frankfurt am Main ; Berlin ; Bern ; New York ; Paris ; Wien : Lang ISSN 2199-80780722-7833 Erscheint jährl. zweimal JG. 1, H. 1 (1982)- [Erscheint: Oktober 1982] NE: SPIEL ISSNISSN 2199-80780722-7833 © Peter Lang GmbH Europäischer Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2001 Alle Rechte Vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft SONDERHEFT / SPECIAL ISSUE SPIEL 20 (2001), H. 1 Unterhaltende Genres in "sozialistischen" Medien - und anderswo Genres of Entertainment, Socialism, TV Channels, and Contexts. hrsg. von / ed. by Reinhold Viehoff (Halle) Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft Contents / Inhalt SPIEL 20 (2001), H. 1 Rüdiger Steinmetz (Leipzig) und Reinhold Viehoff (Halle) Unterhaltende Genres im Programm des Fernsehens der DDR 1 Perspektiven einer Programmgeschichte Wolfgang Mühl-Benninghaus (Berlin) Zum Verständnis von Unterhaltung in der Arbeiterbewegung der Weimarer Republik 44 Thomas Kramer und Rüdiger Steinlein (Berlin) Action, Nazis, rote Fahnen - antifaschistischer Widerstand und II. Weltkrieg in der DDR-Kinderzeitschrift “Atze" als Teil “sozialistischer Unterhaltung”. 63 Dieter Wiedemann (Potsdam) Medienkindheiten zwischen “Sandmännchen” und “Sesamstraße” - Aufwachsen in der DDR 88 Uwe Breitenbom (Berlin) In naher Feme - Lieblinge und Stars im DDR-Fernsehen 101 Michael Meyen (Leipzig) Haben die Westmedien die DDR stabilisiert? 117 Kathrin Fahlenbrach (Halle) Ereignisästhetik. Die Wechselwirkung von Medien- und Protestästhetik in der Studentenrevolte von '68 134 RUBRIC Laszlo Halasz, KarolyHantos und Balazs Faa (Budapest) A Study of the Effect of Reception of Works of Art through an Interactive CD-ROM 151 10.3726/80990_101 SPIEL (2001), H.1, 101-116 Uwe Breitenborn (Berlin) In naher Feme Lieblinge und Stars im DDR-Fernsehen Stars, as a personification of success, image and continuity, are a significant structural component of entertainment. Functionally and aesthetically similar processes, such as representation, extraor- dinarity or integration can also be found for the protagonists of TV programming in the GDR. In comparison with western star-phenomena the projection-opportunities of East German entertain ment differed, contingent upon the specific medial, social, cultural and political conditioning by European and German history. For this reason, the classic definition of the "star” is only partially applicable to these media-processes. The term "Femsehliebling" ("TV Darling"), as used by the East German media, describes this specific East German variant of star-phenomena more accurately. We can identify a regional, East- German-conditioned, and partially altered ’’star culture”, which was and continues mainly of im portance for and in its region of origin. The most important empirical sources for verification of this finding are the annual magazine-polls on the "Femsehlieblinge" from the sixties, seventies and eighties. Lieblinge und Stars im DDR-Femsehen Im Jahre 1996 startete die ostdeutsche Wochenzeitschrift "Super Illu" eine Umfrage mit dem Ziel, bei den Lesern telefonisch zu ermitteln, ob die ehemaligen Sprecher der Aktu ellen Kamera wieder "sendefähig" seien. Die Leserumfrage fand unter der nölenden Ü- berschrift "Angelika Unterlauf & Klaus Feldmann - Wollen wir sie schon wieder auf dem Bildschirm sehen?" (Super Illu 24/96) statt und erkundete den medienpolitischen Ge- fuhlshaushalt und das Erinnerungsvermögen der ostdeutschen Femsehgemeinde. Das zwei Wochen später veröffentlichte Umfrage-Ergebnis hatte folgendes Resultat: "Die Schatten der Vergangenheit haben sie abgestreift: Die einstigen Stars der Ak tuellen Kamera', Klaus Feldmann (60) und Angelika Unterlauf (48), haben im TV- Geschäft wieder Fuß gefaßt....Gut 2/3 aller Anrufer haben nichts gegen die beiden Ex-AK'-Sprecher auf dem Bildschirm. Im Detail: Fast 34% Zustimmung zu Ange lika Unterlauf, über 36% für Klaus Feldmann. Nur 30,2% sagten: 'Nie wieder.' " (Super Illu 26/96) Das Ergebnis ist aus heutiger Sicht kaum überraschend. In den letzten Jahren konnten wir die Rückkehr der ostdeutschen Femsehprominenz auf die Bildschirme beobachten. In retrospektiv angelegten Sendekonzepten, die vor allem nostalgisch, unkritisch und kaum ironisierend daherkommen, finden wir die recycelten Versatzstücke der ostdeutschen 102 Uwe Breitenbom Femsehkultur. Ihre Bruchstücke werden in "Gemsehabenden", Wunschsendungen und neuerdings auch in Komplettausstrahlungen alter Femsehshows dem Publikum angebo- ten. Ein neuer und transformierter Popularitätsschub ermöglichte darüber hinaus auch eine starke Bildschirmpräsenz der alten "Ost-Stars" in den Produktionen der öffentlich- rechtlichen Anstalten der ARD und des ZDF sowie in Serien und Shows privater Fern sehsender. Der Prozess der Wiederauferstehung nach Jahren erlittener Bildschirmabsti nenz ist auch ein medialer Rehabilitationsprozess, der bisweilen bizarre Formen annehmen konnte, wie das Beispiel Achim Mentzel zeigte. Im westdeutschen Fokus gern als fleischgewordene Verkörperung der ostdeutschen Seele gesehen, wurde dieser, wie in einer Freakshow (z.B. bei Oliver Kalkofe) als Medienattraktion hemmgereicht. Mentzel gehörte letztlich zu den Ostprominenten, die die Wende vollkommen unbeschadet und ohne künstlerischen oder beruflichen Kurswechsel überstanden. Neben seinen eigenen volkstümlichen Shows (Achims Hitparade usw.) hat Mentzel - welch Ironie - mittlerweile gar selbstreferentielle Auftritte in diversen anderen Shows und Medien (siehe die Filme "Helden wie wir" oder "Die Stille nach dem Schuß"1). Das Spektrum ostdeutscher Er folgs- und Misserfolgsgeschichten ist breit, was beispielsweise auch die Medienkarriere Wolfgang Lipperts zeigte. Starbegriffe Bevor die Betrachtung zu den DDR-Femsehlieblingen konkretisiert wird, sei ein kleiner Exkurs zu der Fragestellung, was denn ein Star ist, vorangestellt. Das Spektrum der Beg riffe, die Starphänomene beschreiben, ist groß. Von simplen Parametern wie Popularität und medialer Präsenz bis hin zu diffuseren Zuschreibungen wie glamourös, divenhaft und kultisch reichen die Begriffsassoziationen. Nicht nur Werner Faulstich beklagt in seiner Abhandlung über die deutschen Femsehstars, dass es nach wie vor keine übergreifende Theorie der Stars gebe. Er selbst fasst die verschiedenen Fokussierungen in drei theoreti schen Gruppen zusammen: psychologische Ansätze, soziologische Ansätze und medien wissenschaftliche Ansätze (vgl. Faulstich/Strobel 1998, Bd.l, S. 12). Letztlich bilden diese Betrachtungsweisen ein Konglomerat aus den Instrumentarien der jeweiligen Wis senschaftsdisziplinen, die damit auch ihre spezifischen Sichtweisen auf das Untersu chungsobjekt durchsetzen. Insofern ist die Abwesenheit einer kompakten Theorie, die sich ertragreich ausschließlich diesem Phänomen widmet, zu bestätigen. Aber so schlecht steht es um die wissenschaftliche Erkundung letztlich nicht. Zwei Gedankenstränge er scheinen hier plausibel: 1. Es existiert immer eine medienhistorische Beschreibung solcher Phänomene durch faktische Aussagen. Für jeden Star lassen sich konkrete Koordinaten seines Erfolges bestimmen. Hierzu zählen populäre und außergewöhnliche Sendungen (z.B. Einschalt- quoten), Gastauftritte in anderen Shows, Kontinuität des Erfolges, boulevardeskes Inte resse seitens des Publikums und andere. Darüber hinaus gibt es für jeden Star 1 In Schlöndorffs Film wird ein Filmeinspiel aus einer alten Fernsehsendung mit Achim Mentzel eingesetzt, in "Helden wie wir" hat er einen Miniaturauftritt als tätowierter Goldkettchen-Proll im Unterhemd. In naher Feme 103 Schlüsselereignisse, die die öffentliche Aufmerksamkeit und die darauffolgende Wahr nehmung seiner Person oder Figur (Rolle) exponentiell ansteigen lassen. Diese ’’Durch brüche” können künstlerischer oder inszenatorischer Natur (Skandale etc.) sein. Die kurze Sentenz ”a star was bom” erlangte durch das amerikanische Showbusiness welt weit metaphorische Kraft. 2. Sieht man den Star auch als ein medial konditioniertes Kunstwerk, als eine öffent liche Figur oder Figuration an, dann lässt sich schnell eine Brücke zu Walter Benjamins HAura"-Gedanken herstellen. In seinem 1936 erstmals veröffentlichten Aufsatz "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" sezierte Benjamin be kanntlich auch aufkeimende mediale Prozesse des 20. Jahrhunderts. In den Passagen, in denen Benjamin über kultische Aspekte in der Kunstrezeption schreibt finden sich Über legungen, die durchaus bedeutungsvoll für eine Erklärung von Starphänomenen sind. In der Anmerkung