Treibsätze Der Geschichtspolitik. Die Gedenkfeiern Der Tiroler Erhebung 1909–2009
Treibsätze der Geschichtspolitik. Die Gedenkfeiern der Tiroler Erhebung 1909–2009 Hans Heiss Sandwirt: Büxenlader! Ös müeßts ladn. Grad was ös derladets. Der Hörtnagl (stachlig): Müeßn? (Hält in der Arbeit inne). Sandwirt: (begütigend): Na, na Hörtnagl, müeßen tuest nit. Der Hörtnagl (nimmt seine Arbeit wieder auf): Afn ganzn Berg Isl ist koaner, der mueß. Die Szene aus „Volk in Not“ von Karl Schönherr greift zwei Schlüsselmotive von 1809 auf: Freiheit und Zwang. Dem Sandwirt, der am Bergisel seine Schützen dazu verhalten will, aus vollen Rohren in den Kampf zu gehen, kontert der Hörtnagl: Wer die Freiheit wolle, müsse nicht müssen. Der Widerhall des Gedenkens 2009 wird es anders sein: Süd- und Nordtirol haben keine Wahl, sondern müssen die Tiroler Erhebung feiern, sie haben sich dem Gedenken zu stellen und nach einer angemessenen Form zu suchen. Die Offensive des Gedenkens läuft seit langem, angetrieben von landeskonservativer bzw. von rechter Seite, die ihre patriotisch-festgefügten Visionen bereits entwickelt hat. Die bewährten Mechanismen des Gedenkens kommen leicht in Gang. Ein musikalischer Vergleich aus der Populärmusik sei erlaubt: Die Amplifikatoren des Gedenkens gleichen einem Paar alter, oft benutzter Marshall-Verstärker, die man nur einzustöpseln braucht, um ihren bulligen Sound zu aktivieren. Die Beschallung hat bereits eingesetzt und wird sich bis Ende 2009 zum dröhnenden Crescendo steigern. Wer dagegen eine andere Tonlage historischer Erinnerung oder Traditionspflege wünscht, findet weit schwerer Gehör. Zudem scheint die Landespolitik in Nord- und Südtirol bis zur Stunde nicht in der Lage, programmatische Leitlinien und Rahmenvorgaben zu entwickeln, um den Automatismen der Tradition und dem darauf aufbauenden Wildwuchs wirkungsvoll zu begegnen. Die Virulenz und Lebenskraft des Hofer-Mythos, des Gedenkens an Anno Neun, gründen auf dem Erfolg und Verlauf der bisherigen Gedenkjahre.
[Show full text]