Schaffhauser Reformation Und Täufer
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Schaffhauser Reformation und Täufer. Vortrag im Schaffhauser Münster vom 29. Juli 2017 von Erich Bryner Politisch exponierte Lage Schaffhausens Um die Schwierigkeiten der kirchlichen Erneuerung in Schaffhausen zu verstehen muss man sich vor Augen halten, dass sich Schaffhausen in einer politisch exponierten Lage befand. Stadt und Landschaft Schaffhausen wurden 1501, also wenig mehr als zwei Jahrzehnte vor der Reformation, als zwölfter Ort in die Eidgenossenschaft aufgenommen. Es war mit Zürich mit einer schmalen Rheingrenze verbunden. Auf mehr als drei Seiten war es von habsburgischen Landen umgeben, in denen die Reformation nicht Fuss fasste, mit deren Bevölkerung jedoch ein reger Handelsverkehr und viele persönliche Beziehungen (z.B. durch Ehen) bestanden. Mehrere Landschaftgebiete wurden durch Kauf erworben und hatten oft keine natürlichen Grenzen. Die bischöfliche Herrschaft Neunkirch-Hallau kam erst 1525 zu Schaffhausen. Darin lagen Gründe, warum die Schaffhauser Regierung in den Angelegenheiten der Reformation eine konservativ ausgerichtete Politik führte. Bekanntschaft mit Schriften Luthers Anfangs der 1520er Jahre wurden Schriften Martin Luthers auch in Schaffhausen bekannt, unter anderem im Benediktinerkloster Allerheiligen. Sein Abt Michael Eggenstorfer war ein gebildeter Theologe. Im seinem Exemplar von Predigten von Johannes Tauler, das in der Stadtbibliothek Schaffhausen aufbewahrt wird, finden sich Randnotizen und Lesezeichen, die ihn als einen typischen spätmittelalterlichen Mystiker ausweisen. So hat er beispielsweise notiert: "Ein Christenmensch allein uff Gott sich trösten soll" oder "Der Mensch soll Gott in ihm lassen würken", oder "Lass Gott in dir sein." Es verwundert nicht, dass Lutherschriften ihn ansprachen. Er korrespondierte mit Luther und Melanchthon und schickte Mönche zum Studium nach Wittenberg; ein Vorreformator war er allerdings nicht. – Dann gab es einen Lesekreis um den Schaffhauser Stadtarzt Johannes Adelphi. Adelphi war humanistisch gebildet und hatte das Werk "Handbuch des christlichen Streiters" von Erasmus von Rotterdam ins Deutsche übersetzt. In seinem Kreis las man Schriften Luthers. Von seiner Lutherbegeisterung zeugt eine Stelle in einem Brief an den St. Galler Humanisten und Reformator Vadian, in dem er schrieb, dass seiner Meinung nach alle Gelehrten Lutheraner und somit gute Christen seien. Die Stimmung in seinem Kreis ist in einem Zweizeiler überliefert: "Lutherus ist uff rechter ban / dem soltu frölich hangen an." Die erste Verbindung mit Zwingli wurde von Erasmus Schmid, erst Mönch und dann Leutpriester in Stein am Rhein, hergestellt. Doch bis Mitte 1522 war reformatorisches Gedankengut eine Angelegenheit von einigen wenigen Benediktinern und Gelehrten. Der Reformator Sebastian Hofmeister und seine Evangeliumsverkündigung Mit dem Auftreten des Franziskaners Sebastian Hofmeister und seiner an eine breite Hörerschaft gerichteten reformatorischen Predigt wurde daraus eine Volksbewegung. Hofmeister war Schaffhauser. Sein Geburtshaus ist das "Haus zu den drei Bergen " in der 1 Unterstadt; neuerdings erinnert eine Gedenktafel an ihn. Er war Franziskanermönch in Schaffhausen, wurde zum Studium nach Frankfurt am Main und Paris geschickt, wo er zu den Schülern des bekannten Bibelhumanisten Lefèvre d'Etaples (Faber Stapulensis) gehörte und zum Doktor der Theologie promoviert wurde. Als 1520 in Paris die Verfolgungen gegen die "Luthériens" begannen, musste er Paris verlassen, wurde dann Lesemeister in den Franziskanerklöstern Zürich, Konstanz und Luzern und trat mit Zwingli in engere Verbindung. In Luzern predigte er das Evangelium nach seinem "höchsten vermögen und flyss", "nit anders denn das Wort Gottes der göttlichen geschrifft", kritisierte die Marien- und Heilgenverehrung und die veräusserlichten religiösen Riten. Damit machte er sich viele Feinde, die ihn der Ketzerei angeklagten. Er floh nach Zürich und zog bald darauf in seine Vaterstadt Schaffhausen, wo er sich im Franziskaner- oder Barfüsserkloster niederliess. Zu den Kernaufgaben der Franziskaner gehört die aufrüttelnde Volkspredigt. Der gelehrte und sprachlich wie rhetorisch hochbegabte Hofmeister kam dieser Aufgabe energisch nach und predigte in der Kirche seines Klosters. Diese Kirche, die sich an der Stelle befand, wo heute das Stadthaus steht, soll nach einer damaligen Chronik "eine schöne, grosse und wohl gebaute Kirche" gewesen sein, etwa 62 Meter lang und 20 Meter breit, und damit grösser als der St. Johann. Ausserdem predigte er in der Stadtpfarrkirche St. Johann und im Nonnenkloster St. Agnes. Inhaltlich ging es ihm um das klare und einfache Wort Gottes ohne menschliche Zusätze. Die Bibel war für ihn die alleinige Autorität in Angelegenheiten des Glaubens, Christus der einzige Weg zur Seligkeit. Mit scharfen Worten griff Hofmeister das Papsttum an, kritisierte die Marien- und Heilgenverehrung und das Messopfer in der Eucharistie, nahm Stellung gegen eine Frömmigkeit, welche die Gnade Gottes durch das Leisten von guten Werken erkaufen wollte, und kämpfte gegen zahlreiche Missstände der kirchlichen Praxis. Demgegenüber stand die reformatorische Überzeugung von der Rechtfertigung des Gottlosen allein aus dem Glauben und eine Abendmahlslehre, die an diejenige von Zwingli erinnert: Es gebe keine leibliche Gegenwart des Herrn Christus auf Erden; Leib und Blut Jesu Christi werden "geistlicher weis durch den glauben genossen und empfangen", wie es auf einem handgeschriebenen Zettel Hofmeisters stand, der in einer Bibliothek im 17. Jh. noch vorhanden war, heute aber verschollen ist. Hofmeister setzte Gottesdienstreformen im Sinne der Reformation durch. Es verschwanden "allerlei Zeremonien und Zünselwerk" wie es hiess. Unterstützt wurde Hofmeister von seinem Ordensbruder Sebastian Meyer, der 1524 wegen seiner reformatorischen Lehre aus Bern ausgewiesen und nach Schaffhausen gekommen war. Hofmeister fand eine breite Anhängerschaft. Kurz nach Ostern 1523 schrieb er an Zwingli: "Bei uns wird Christus mit höchstem Begehren angenommen, Gott sei Dank", viele Schaffhauser, "die einst die schärfsten Feinde waren, kommen wieder zur Vernunft." Es kam aber auch zu wirren Situationen in Schaffhausen. Der Chronist Hans Stockar berichtete aus seiner distanzierten Sicht: "Die Mönche und Pfaffen waren gegeneinander mit dem Predigen und mit dem Wort Gottes. Sie schimpften einander Ketzer und jeder wollte mehr wissen als der andere." Bald schienen die Anhänger der Reformation in der Mehrheit zu sein. Ein österreichischer Beamter aus dem Hegau vermerkte Ende 1524, der Grossteil der 2 Schaffhauser sei "lutherisch". Zahlen hat man natürlich keine. Auch in der Landschaft breitete sich der reformatorische Glaube aus, so in Hallau, Schleitheim, im Reiat, in Thayngen und an anderen Orten. Von Ostern 1524 an wurde in Schaffhausen eine neue Almosenordnung geschaffen, Bilder und Altäre wurden aus mehreren Kirchen entfernt und die Gottesdiensttexte überarbeitet, die Gottesdienste wurden in deutscher Sprache gefeiert. Doch ein Reformationsbeschluss wurde nicht gefällt. Die politischen Behörden folgten den Reformatoren nicht. Der Kleine und der Grosse Rat waren – nicht zuletzt wegen der politisch exponierten Lage Schaffhausens – unentschlossen. Der Kleine Rat, der vor allem aus Vertretern der Oberschicht und der Kaufmannschaft bestand und die eigentliche Regierung bildete, führte eine konservative Politik. Er war durchaus bereit, den Neugläubigen ein Stück weit entgegenzukommen, wollte jedoch die Altgläubigen nicht verärgern und vor den Kopf stossen. Der Grosse Rat, in dem auch die Handwerker, Rebleute und Fischer vertreten waren, war eher proreformatorisch eingestellt, doch er hatte vorwiegend beratende Funktion und weniger Macht und Einfluss als der Kleine. Mit seiner Gelehrsamkeit und seinem Scharfsinn war Hofmeister auch ausserhalb Schaffhausen ein gefragter Theologe. So nahm er an der ersten und zweiten Disputation von Zürich im Januar und Oktober 1523 teil, an denen die Reformation in Zürich zum Durchbruch kam; an der zweiten Disputation war er am ersten Verhandlungstag Tagungsvorsitzender (für eine solche Aufgabe nahm man nicht irgendjemanden). Ein Bild von der dritten Disputation gegen die Täufer im Grossmünster zu Zürich im November 1525 zeigt Hofmeister am Tisch der Vorsitzenden (vgl. den Artikel von Martin Harzenmoser in der SN vom Mittwoch letzter Woche). Auch an den Religionsgesprächen von Ilanz 1526 und Bern 1528, die für die Einführung der Reformation in Graubünden und Bern entscheidend waren, nahm Hofmeister teil; die Berner beriefen ihn anschliessend auf eine Professur an ihrer neugegründeten theologischen Hochschule. Das theologische Profil Hofmeisters ist im Einzelnen nicht einfach zu bestimmen, da er nur wenig Schriftliches hinterliess. Bekannt ist eine kleine Schrift "Eine treue Ermahnung an die Eidgenossen, dass sie nicht durch ihre falschen Propheten verführt werden, die sich gegen die Lehre Jesu Christi stellten" (Basel, Adam Petri, 1523, 23 Druckseiten). Hofmeister plädierte für ein Ende der innereidgenössischen Zwietracht in Religionsangelegenheiten. Man solle sich in der Klarheit des Wortes Gottes einigen. Er verteidigte die Lehre Luthers und Zwinglis und griff den Papst scharf an. "Thound auff die oren euwer vernunfft / und bruchend die augen euwer weissheit", rief er ihnen zu. Die tapferen Eidgenossen von Zürich hätten sich dem Wort Gottes geöffnet, Luzern hingegen nicht: "O Lucerna, Lucerna, wie ist dein liecht so gar verloschen ... O Lucerna wie bist du gar verstockt." Jetzt gelte es Gottes Wort anzunehmen und Christi