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LINIENTREUE UND LIBERALITÄT Die Rezeption der zeitgenössischen österreichischen Literatur im kommunistischen „Tagebuch“, 1950-1960 Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophie an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien Eingereicht von Christina Zoppel Wien 1995 0 Inhalt Seite Vorwort 2 1. Einleitende Bemerkungen 3 2. Das neue Österreich. Skizzierung der politisch-gesellschaftlichen und kulturellen Situation in den ersten Jahren der Zweiten Republik 2.1 Die Wiedererrichtung der Demokratie 6 2.2 Die Entnazifizierung 8 2.3 Vom Wiederanknüpfen und wirklichen Anfängen. Kultur und Literatur 1945 bis 1950 11 3. Das Tagebuch 3.1 Daten, Fakten, Hierarchien. (1946-1989) 16 3.2 Profil, Programm, Themenschwerpunkte. (1950-1960) 21 3.3 Die Herausgeber. Biographische Notizen 25 3.4 Die Mitarbeiter 32 4. Die Rezeption der zeitgenössischern österreichischen Literatur im "Tagebuch" 4.1 Erste Phase: 1950 bis 1953 4.1.1 Zeitspiegel 37 4.1.2 Kalter Krieg in der Literaturkritik. Hans Weigels "Stimmen der Gegenwart" 40 4.1.3 Exkurs: Ernst Fischer, Georg Lukács. Marxismus und Literatur 47 4.1.4 Große Romanciers - der älteren Generation 50 4.1.4.1 Heimito von Doderers "Strudlhofstiege" 50 4.1.4.2 Martina Wied und Imma von Bodmershof 57 4.1.5 Bemühungen um die junge Literatur 60 4.1.6 Niemals vergessen! 62 4.2 Zweite Phase: 1954 bis 1956 4.2.1 Zeitspiegel 64 4.2.2 Kein Stiefkind der Literatur. Ludwig Fuchs´ Besprechungen österreichischer Lyrik 68 4.2.3 Der Zeitroman 76 4.2.3.1 Krieg und Nachkrieg 78 4.2.3.2 Schuld und Sühne 87 4.2.4 Exkurs: Das Jahr 1956. Der XX.Parteitag der KPdSU, die Ungarnkrise und die Auswirkungen auf das "Tagebuch" 93 4.3 Dritte Phase: 1957 bis 1960 4.3.1 Zeitspiegel 96 4.3.2 Die Ideologie der Ideologielosigkeit. Zu Heimito von Doderers "Dämonen" 101 4.3.3 Marlen Haushofer. Ein Talent mit Inhalt 111 4.3.4 Noch einmal zur österreichischen Lyrik 114 5. Zusammenfassung 122 6. Anhang 6.1 Abkürzungen 125 6.2 Literaturverzeichnis 125 1 6.2.1 Archive, Nachschlagewerke 6.2.2 Periodika 6.2.3 Literatur zu Geschichte, Politik, Kultur und Literatur der Zweiten Republik 6.2.4 Österreichische Prosa und Lyrik 6.2.5 (Auto-) Biographisches 6.3 Liste der im "Tagebuch" besprochenen österreichischen Literatur 132 2 Vorwort Von 1950 bis 1969 wurde in Wien eine kommunistische Kulturzeitschrift mit dem Namen "Tagebuch" publiziert. Für diese Bezeichnung dürfte eine in der Zwischenkriegszeit erschienene Zeitschrift Pate gestanden haben: das von Stefan Grossmann und Leopold Schwarzschild in Berlin herausgegebene "Tage-Buch". Doch ungleich seinem legendären Namensvetter - neben der "Weltbühne" die bedeutendste kulturpolitische Wochenschrift der Weimarer Republik1 - war es Viktor Matejkas, Ernst Fischers und Bruno Freis Wiener "Tagebuch" nicht gelungen, zuerst die Leser und später die Wissenschaft für sich zu gewinnen und zu interessieren. Das anhaltend anti-kommunistische und anti-intellektualistische Klima im Österreich der Nachkriegszeit dürfte dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. In dieser Arbeit soll nun - aus einer einmal anderen , aus der "linken" Perspektive des "Tagebuch" - ein Bild der österreichischen Literatur und eine Vorstellung von den Vorlieben und Abneigungen der Literaturkritiker im "Tagebuch" gewonnen werden. Zum Vergleich und als Maß werden gewichtigere Kritikermeinungen aus durchwegs angesehenen Zeitschriften herangezogen. Sozusagen durch die "Hintertür" der Rezeption der heimischen Literatur im "Tagebuch" wird es außerdem möglich sein, eine Ahnung vom Gesamtprofil des Blattes zu vermitteln. Eine kritische Würdigung dieser Zeitschrift, die durch ihre innere Widersprüchlichkeit, durch das Nebeneinander von ideologisch bedingten politischen und künstlerischen Ressentiments einerseits und einer liberalen Kunstauffassung und hellsichtigen Kulturkritik andererseits, zu überraschen vermag, wird nicht unterbleiben. An dieser Stelle möchte ich mich beim Betreuer der Arbeit, Dr. Murray G. Hall, bei Dr. Eckhardt Früh von der Sozialwissenschaftlichen Dokumentationsstelle in Wien und bei meinen Freunden Lydia Stanosevic, Wolfgang Paterno und Stefan Wagner für ihre fachliche Beratung und ihre moralische Unterstützung bedanken. 1. Einleitende Bemerkungen 1 Fritz J.Raddatz: Das Tage-Buch. Porträt einer Zeitschrift. Athenäum Verlag, Königstein im Taunus 1981. Seite 5. 3 Für Österreichs Nachkriegsliteratur spielten Zeitschriften - ausschließlich literarische ebenso wie allgemein kulturelle - eine ungleich größere Bedeutung, als sie es heute tun. Nicht wenige dieser Hefte2 boten den Schriftstellern und ihren Texten eine unmittelbare Plattform bzw. fungierten sie durch Literaturkritiken als Vermittlungsinstanz zwischen Werk und Leser. Auch das kommunistische "Tagebuch" und dessen Vorläufer, das "Österreichische Tagebuch", gehörten zu diesen Zeitschriften. Die Aufnahme und die Kritik der heimischen Literatur der fünfziger Jahre3 im "Tagebuch" wird das engere Thema dieser Arbeit und gleichzeitig auch der Ausgangspunkt für ein Gesamtprofil der Zeitschrift sein. Trotz zahlreicher einschlägiger Forschungsarbeiten über die österreichische Nachkriegszeit, ihre Zeitschriften und ihre Literatur4, wurde die linke Sichtweise auf Österreichs Geschichte und Kultur bislang kaum beachtet. Ebensowenig das "Tagebuch".5 Grundlage meiner Beobachtungen ist somit in erster Linie die Zeitschrift selbst, deren Jahrgänge von 1950 bis 1960 intensiv, die restlichen überblicksmäßig durchgesehen wurden. Unterlagen über redaktionsinterne Beschlüsse und Informationen sind nicht einsehbar . Sie werden - falls überhaupt existent - von der Dr. Alfred-Klahr-Gesellschaft6 verwaltet, der die Archive der KPÖ und des Globus Verlages eingegliedert sind. Die Gesellschaft hat ihre Bestände für die Öffentlichkeit noch nicht zugänglich gemacht. Greifbar sind Informationen über die relativ bekannten Herausgeber des "Tagebuch"; hingegen erweist sich die Suche nach biographischen und "Tagebuch"-spezifischen Details über die Mitarbeiter bzw. die Literaturkritiker der Zeitschrift etwas komplizierter. Um sowohl die Methoden als auch die Urteile der Literaturkritiker des "Tagebuch" besser einordnen zu können, werden ihre Besprechungen auf der Folie anderer Rezensionen betrachtet. Zum Vergleich wurden in erster Linie Tages-, Kultur- und Literaturzeitschriften herangezogen, die in Österreich wohl das vertraten, was man gemeinhin die herrschende Meinung nannte: "Die Presse", "Wort und Wahrheit", "Forum", "Wort in der Zeit" u.a.. 2 "Plan", "Turm" (beide 1945-1948), "das silberboot" (1935/36, 1946-1952), "Lynkeus" (1948-1952), "Wort in der Zeit" (1955-1965), "Wort und Wahrheit" (1946-1973) u.a. 3 Ich beschränkte mich hier auf Prosa und Lyrik österreichischer Autoren. Kinder- und Jugendliteratur und dramatische Literatur fielen der Eingrenzung zum Opfer. 4 Einige wichtige Sekundärwerke: F.Aspetsberger u.a. (Hgg.): Literatur der Nachkriegszeit und der fünfziger Jahre in Österreich. ÖBV, Wien 1984. H.Spiel (Hg.): Die zeitgenössische Literatur Österreichs. Autoren, Werke, Themen, Tendenzen seit 1945. Kindler Verlag, Zürich/München 1976. (Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart, Bd. 3). E.Weinzierl/K.Skalnik (Hgg.): Das neue Österreich. Styria Verlag, Graz/Wien/Köln 1975 u.v.a. 5 Weder von Historikern noch von Zeitungswissenschaftern fand ich Arbeiten über das "Tagebuch". Ein einziger Aufsatz, ein Überblick über die Jahre 1950 bis 1960, stammt von einem Germanisten: Norbert Griesmayer: Die Zeitschrift "Tagebuch". Ergänzende Beobachtungen zur kulturpolitischen Situation der fünfziger Jahre. In: F.Aspetsberger u.a. (Hgg.): Literatur der Nachkriegszeit und der fünfziger Jahre in Österreich. ÖBV, Wien 1984. Seite 75-111. 6 Dr. Alfred-Klahr-Gesellschaft, Archiv- und Bibliotheksverein, 1140 Wien, Drechslergasse 42. Vorstand der Gesellschaft: Dr. Hans Hautmann. 4 Für genauere Betrachtungen wurde das Jahrzehnt 1950 bis 1960 gewählt, da gerade in diesem Zeitraum das "Tagebuch" von ständiger Veränderung geprägt war. Grob gesehen zeichneten sich drei Phasen ab, die durch zeitschriften-interne, eigen-motivierte Entwicklungen und zum Teil durch äußerliche, politische Ereignisse7, die ihre Wirkung auf das "Tagebuch" nicht verfehlten, gekennzeichnet und abgegrenzt sind.8 Um ein profundes Bild der Zeitschrift und ihrer Literaturkritik zu gewinnen, wird es notwendig sein, das "Tagebuch" in den größeren Kontext des politischen, kulturellen und nicht zuletzt des journalistischen Klimas der fünfziger Jahre in Österreich zu stellen. Insbesondere die "Zeitspiegel", den drei Phasen jeweils einleitend vorangestellt, sollen näheren Aufschluß über "Tagebuch"-relevantes Zeitgeschehen bringen. Der Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia sprach davon, daß, habe ein Autor wirklich einmal etwas zu sagen, (...) liegt ihm also nicht irgendwelches harmlose belletristische Geklingel (...), sondern eine aktuelle Mitteilung auf der Zunge und will er Mißstände abstellen (...), so kommt er damit bei der Tagespresse wohl kaum zu Worte - nicht etwa weil jede Zeitung, selbst die unabhängigste, von einer ganz bestimmten Richtung abhängig ist, sondern weil im entscheidenden Moment alle Zeitungen (mit Ausnahme der extrem oppositionellen Winkelblätter) genauso unter einer Decke stecken wie die politischen Parteien (...).9 Auch das "Tagebuch" befand sich in Opposition zu dieser von Lernet-Holenia angesprochenen "journalistischen Koalition"10 und besaß eine daraus resultierende größere Ungebundenheit, was die Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung anlangte. Ob die Zeitschrift diese Chance zu