Rückkopplungen Aus Dem Zodiak Free Arts Lab
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BILDET NISCHEN! Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab HAU 21.–26.9.2021 Bildet Nischen! Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.–26.9.2021 / HAU1 Im Winter des Jahres 1967 begann der Musiker und Künstler Conrad Schnitzler, auf Einladung des Wirtes Paul Glaser in zwei Räumen unter der damaligen Schaubühne am Halleschen Ufer, dem heutigen HAU2, das Programm zu gestalten. Mit Mit strei - ter:innen betrieb er das Zodiak Free Arts Lab über ein Jahr lang als hierarchiefreien Raum für musikalische Experimente und interdisziplinären Austausch. Bis 1969 diente das Zodiak als künstlerischer wie sozialer Treffpunkt. Trotz des kurzen Be- stehens kann es als initiierender Ort für zahlreiche musikalische Entwicklungen ver- standen werden – vor allem für die kurze Zeit später entstehende “Berliner Schule”, deren Sound oft unter dem Begriff “Krautrock” zusammengefasst wird und der bis heute in diversen musikalischen Strömungen nachhallt. “Bildet Nischen! Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab” begibt sich auf Spurensuche und beleuchtet die Verbindungen aus politischen, sozialen und kultu- rellen Verhältnissen, die auf die Szene um das Zodiak einwirkten. Welche Gemenge - lagen setzen auch heute noch Energien frei, die sich in (pop-)kulturellen Entwick- lungen manifestieren? Wie findet sich Gegenkultur und welcher Räume bedarf es dafür? Lassen sich Spuren und Bezüge des Zodiak in der kulturellen Praxis späterer subkultureller Entwicklungen im Berliner Underground aufzeigen? Fragestellungen wie diese bleiben bis in die aktuelle Gegenwart für die Entwicklung künstlerischer Positionen relevant. In einem Programm aus Konzerten, Kollaborationen, Installa- tionen, Gesprächen und einer Lecture Performance geht das HAU ihnen nach. Ein Festival des HAU Hebbel am Ufer. Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds. Inhalt “Streifzug durch die Hallräume des Zodiak” von Tobias Schurig 4 “Wir haben die Dinge nicht bewahrt, wir haben einfach gemacht.” Elke Lixfeld, Alfred 23 Harth, Alexander Hacke und Andrea Neumann im Gespräch mit Jens Uthoff 7 “Namenlose Experimente” von Patrick Hohlweck 19 “Der glühende Raum” von Hendrik Otremba 23 Programm und Akteur:innen 26 Die Fotografien in dieser Publikation sind von Detlef Krenz, gelernter Büromaschinenmechaniker, später studierte er Zeitplan 30 Geschichte und Medienwissenschaften. Er war einst Gast im Zodiak, dabei sind die folgenden Bilder entstanden. Impressum 31 ➝ Während des Festivals wird auch eine Ausstellung mit seinen Fotos im Rangfoyer des HAU1 zu sehen sein. ➝ Parts of this publication will be translated into English and published on HAU3000: www.hebbel-am-ufer.de/HAU3000 2 3 Kulturelle Nischen sind vielfältig. Ihnen im- Mit “Bildet Nischen!“ begeben wir uns nun auf Dass unser Zodiak-Festival nun aufgrund von manent ist die Randständigkeit, eine Exis- eine Spurensuche in die Geschichte unseres Sanierungsarbeiten am und im HAU2 nicht in tenz jenseits dessen, was wir als Mainstream Hauses. Wir wollen einem Phänomen seiner den Originalräumen wird stattfinden können, bezeichnen. Bezogen auf das mensch liche Zeit nachspüren und seine Wirkung bis in un- empfinden wir nach einer kurzen Phase der Er- Zusammenleben im urbanen Raum sind sie sere Gegenwart hinein untersuchen. Wir wollen nüchterung schließlich auch als Erleichterung. gleichbedeutend mit der kreativen Nutzung genau hinhören auf das Echo einer Initialzün- Die Gefahr der Musealisierung, die Versuchung von Zwischenräumen – ebenjener Zwischen- dung, eines Schauplatzes nicht nur für eine Mu- des Nachstellens von Schauplätzen und Inhal- und Freiräume, deren Verschwinden mono- sik, die Popgeschichte geschrieben hat. Son- ten ist so von vornherein gebannt. Unser Ex- Streifzug kulturelle Ödnis hervorbringt. Das Wegfal- dern auch für einen Geist und eine Haltung, die kurs in den Mikrokosmos Zodiak nimmt zwar len solcher Räume ist ein aktuell drängen- sich weder von gesellschaftlichen Normen Vergangenes in den Blick, zielt aber auf Gegen- des Problem in vielen Städten, in Berlin ein noch von künstlerischen Gepflogenheiten ein- wart und Zukunft. Das Festivalprogramm stellt viel diskutiertes Politikum. Nicht allein des- schränken lassen wollen. Denen Freiheitsdrang dies in unterschiedlichen Facetten dar. Einen halb, weil Verdrängung und die Frage, wem und eine tief sitzende Skepsis gegenüber den Schwerpunkt bilden exklusive Kollaborationen, nun die Stadt gehört, hier allgegenwärtig verkrusteten Verhältnissen innewohnt, künst- etwa zwischen dem Noise-Duo die ANGEL (Dirk sind, sondern auch weil genau die Nutzung lerisch und auch politisch. Dresselhaus & Ilpo Väisänen) und dem Psyche- von Frei- oder Zwischenräumen, mithin die delic-Visionär Günter Schickert. Schickert war durch kreative Freiheit, selbst untrennbar zur Ber- Dieses Festival kann und soll nicht abbilden, damals dabei, ging im Zodiak ein und aus, liner Identität gehören. Sie sind es, die das wie es damals war. Statt einer musealen Auf- ebenso wie natürlich der Pionier Hans-Joachim Gesicht dieser Stadt und das Selbstver- bereitung wollen wir den Geist des Zodiak im Roedelius. Roedelius wird wiederum mit dem ständnis ihrer Bewohner:innen viele Jahre Austausch mit Akteur:innen der heutigen Ber- Gitarristen Manuel Göttsching ein gemeinsa- lang geprägt haben. Und die kulturellen Ni- liner Musikszene und darüber hinaus zum mes Set spielen. Der Schlagzeuger und Kompo- schen sind ihre Experimentierfelder und die Schwingen bringen. Wir suchen die Auseinan- nist Sven Åke Johansson kollaboriert mit dem Bühnen, auf denen sich ihre teils enorme dersetzung mit dem, was am Ende der 1960er- Elektroniker Jan Jelinek. Valentina Magaletti, Strahlkraft entwickelt. Das Zodiak war so Jahre in diesen Räumen passierte. Und wir stel- Andrea Belfi, Marta Sagnoli und Katharina Ernst eine Nische. Einer jener kurzzeitig genutzten len die Frage, was uns dieses kurze, intensive spielen das exklusive Projekt “merge/emerge”. die Orte, deren Echo dafür umso länger anhält. und kaum rezipierte Kapitel (West-)Berliner Und vieles andere mehr. Kulturgeschichte heute noch zu sagen hat. In- Ende der 1960er-Jahre entstand im Erdge- wieweit bestimmten urbane Freiräume die Ge- Die vorliegende Publikation versammelt Texte, schoss des heutigen HAU2-Gebäudes am Hal- staltungsmöglichkeiten der Akteur:innen von die sich der Wirkung und Geschichte des Zo- leschen Ufer in Berlin-Kreuzberg eine Musik, die damals? Wie tun sie dies immer noch? Welche diak auf verschiedene Weise und aus unter- bis heute nachhallt. Der Wirkungsmacht dieser Konstellationen sind es, die künstlerische Ener- schiedlichen Perspektiven annähern. Hendrik Musik, der künstlerischen Positionen ihrer Ma- gieentladungen ermöglichen, so wie sie da- Otremba, Künstler, Autor und Sänger der Grup - cher:innen und der gesellschaftlichen Relevanz mals im Zodiak stattfanden? pe Messer, hat dem Free Arts Lab einen essay- Hallräume von beidem widmen wir nun ein Festival. “Bil- istischen Text gewidmet. Mit der ehemaligen det Nischen! Rückkopplungen aus dem Zodiak Wir nehmen Protagonist:innen des Orts und Zodiak-Mitstreiterin Elke Lixfeld und den Musik- Free Arts Lab” setzt gewissermaßen eine Tra- der Zeit in den Fokus, u.a. Conrad Schnitzler. schaffenden Alfred 23 Harth, Alexander Hacke dition des Hauses fort. Schon die HAU-Musik- Schnitzler war so etwas wie der künstlerische und Andrea Neumann sprach der Journalist schwerpunkte “Detroit – Berlin: One Circle” Kompass des Zodiak, obwohl er sich selbst Jens Uthoff. Und eine zeitgeschichtliche Ein- (2018) oder “Nachtleben Berlin – 1974 bis wohl nie so bezeichnen würde. Er gab entschei- ordnung und Reflexion liefert der Literaturwis- heute” (2013) befassten sich mit dem vielfäl- dende Impulse, er hatte eine Antenne für Men- senschaftler Patrick Hohlweck. tigen musikalischen Erbe des Berliner Under- schen, die künstlerisch ebenso auf der Suche des grounds. Eine kritische Begleitung der aktuel- waren wie er selbst. Diese Menschen vernetzte Wir danken dem Hauptstadtkulturfonds für die len Stadtentwicklungsprozesse, die das kultu- er miteinander und setzte so Dinge in Bewe- großzügige Unterstützung, wünschen eine an- relle, aber auch das Alltagsleben in dieser gung. Die Interaktion, die Schnitzler und andere regende Lektüre und elektrisierende Rück- Stadt zunehmend unter eine kapitalistische initiierten, war nicht zielgerichtet, sondern kopplungen während der Konzerte! Logik stellen und damit einengen, ist fester Be- Selbstzweck. So gelang es, mit dem Zodiak für standteil des Programms. Die Reihe “Berlin einen kurzen Zeitraum ein kreatives Milieu an- Tobias Schurig (Kurator Musik) und das Team bleibt! #1–3” (2019–2021) stellte kontinuier- zulegen. Ein Biotop, das ohne jede Absicht rich- des HAU Hebbel am Ufer lich künstlerische und aktivistische Stimmen tungweisende Kunst hervorgebracht hat. aus Berlin und vor allem aus der direkten Nach- Zodiak barschaft des HAU vor. 5 “Wir haben die Dinge nicht bewahrt, wir haben einfach gemacht.” Was passierte im Zodiak Free Arts Lab? Wie inspirierten sich die unterschiedlichen Factory, wo es verschiedene intermediale Aktio- nen gegeben hatte. In Köln veranstaltete vorher Szenen gegenseitig? Welchen Einfluss hatte das Zodiak auf nachfolgende Genera - schon Mary Bauermeister in ihrem Atelier Bau- tionen? Um diese Fragen zu klären, haben wir mehrere Generationen an den virtuellen ermeister Anfang der 1960er-Jahre Happenings und intermediale Abende. Spätere Berühmthei- Zoom-Tisch gesetzt. Die Malerin Elke Lixfeld, die das Zodiak mitgegründet hat; ten wie Nam June Paik traten dort auf. Mit Karl- den