Newsletter Projekt »Lokale, regionale und internationale Dynamiken im Syrien- Konflikt«

SWP Hintergrund Syrien 24.03.2016 Petra Becker Stiftung WissenschaftStiftung Politik und

Freitagsmotti

04.03.2016: Die Revolution geht weiter

11.03.2016: Erneuerung des Schwurs Politik und Sicherheit und Politik

18.03.2016: Freitag der Würde Rund um den 5. Jahrestag des Ausbruchs der Revolution beschwören alle drei Motti den Geist dieser Revolution. Mit Schwur ist das Versprechen gemeint, dass die Revolutionäre auf ihren Demonstrationen seit 2011 den Märtyrern gegeben haben: „Ihr werdet nicht umsonst gestorben sein.“ Das Motto „Freitag der Würde“ entspricht dem Motto der ersten geplanten Freitagsde- monstration am 25.03.2011.

Demonstrationen kehren mit Feuerpause zurück Dass es eine neue Welle von Demonstrationen gibt, hat damit zu tun, dass es nach Inkraft- treten der Feuerpause nun an vielen Orten wieder möglich ist, auf die Straße zu gehen. Deutsches Institut für Internationale Auch wenn vielerorts weiterhin gekämpft wird (s.u. sonstige wichtige Entwicklungen), so ist in manchen anderen Orten vorsichtige Ruhe eingekehrt. Verschiedene Quellen berich- ten, dass am ersten Freitag im März landesweit in mehr als hundert Städten demonstriert wurde.

Proteste auch gegen Jabhat Al-Nusra Bei den Demonstrationen der letzten Wochen ging es um den Sturz des Regimes, auf man- chen auch gegen die Feuerpause und die Verhandlungen in Genf, weil man befürchtet, dass die Verhandlungen ein Versuch sein sollen, das Regime im Sattel zu halten. Manch- mal ging es auch um lokale Forderungen, z. B. um die Einbeziehung von Daraya in die Waffenstillstandsgebiete. Interessant ist, dass die Jabhat Al-Nusra (JN) am 07.03.2016 eine Demonstration in Idlib- Stadt auflöste und den Demonstranten verbot, die Revolutionsfahne zu schwenken. Auch Medienaktivisten, die die Demonstration filmten, wurden vorübergehend festgenommen. Am 13.04.2016 stürmten Kämpfer der Jabhat Al-Nusra einen Stützpunkt der zur Freien Syrischen Armee gehörenden 13. Brigade in der Stadt Maarat Al-Nuaman (Idlib). Daraufhin formierten sich Einwohner der Stadt, stürmten das Gefängnis der JN und befreiten einen Teil der Gefangenen. Auch hier ist Hintergrund der Streit um die Symbolik der Revoluti-

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onsflagge. JN will nur Flaggen mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis akzeptieren. Religiöse Autoritäten bemühen sich, die Lage wieder zu befrieden. http://bit.ly/1o1Bpuk http://syrianobserver.com/EN/News/30652/Aleppo_After_Truce_Peaceful_Protests_Return_t he_Forefront https://www.youtube.com/watch?v=bNToWzKbpLY&feature=youtu.be https://www.youtube.com/watch?v=XGwTt7bvDK4 http://syriadirect.org/news/nusra-deflects-blame-for-protest-suppression- %E2%80%98mandate-flag%E2%80%A6sows-division%E2%80%99/ http://alsulta-alrabi3a.com/2016/03/6185.html http://bit.ly/25fz0hC https://now.mmedia.me/lb/en/reportsfeatures/566746-why-did-nusra-front-attack-the-fsas- division-13 http://en.eldorar.com/node/1742

Sonstige wichtige Entwicklungen Rückzug Russlands und halbherzige Feuerpause Die Feuerpause, die am 27.02.2016 in Kraft getreten ist, wird nach wie vor nur in manchen Landesteilen eingehalten. Überall da, wo sich das Regime noch Geländegewinne verspricht, wird weitergekämpft. Das gilt für Aleppo, die östliche Ghouta, für Lattakia und für die Provinz Homs. Ein Bericht des „Syrischen Netzwerks für Menschenrechte“ vom 14.03.2016 verzeichnete seit Beginn der Feuerpause über 500 Waffenstillstandsbrüche, die zu über 90% auf das Konto der Regimekräfte oder Russlands gingen. Da die Feuerpause nicht für ISIS und die Jabhat Al-Nusra gilt, wird auch in Rebellengebie- ten weiter bombardiert. Außerdem gibt es neue Offensiven gegen ISIS und Kämpfe zwi- schen Rebellengruppen und der Jabhat Al-Nusra (s.o.). Sieht man sich allerdings die Opferzahlen an, so kann man z.B. an der Statistik des „Viola- tion Documentation Centres“ (vdc) ablesen, dass die Opfer unter Zivilisten seit Beginn des Waffenstillstandes um zwei Drittel zurückgegangen sind.

Russlands militärischer Rückzug Überraschend kam die Ankündigung Russlands am 14.03.2016, es werde sich militärisch weitgehend aus Syrien zurückziehen. Bleiben werden danach allerdings die alte Marineba- sis in Tartous und der neu eingerichtete Luftwaffenstützpunkt auf dem Flughafen Hmeimim bei Lattakia. Nach einem Bericht des „Institute for the Study of War“ (isw) hat Russland tatsächlich vor allem Kampfflugzeuge aus Syrien abgezogen. Gleichzeitig hat Russland aber auch zu ver- stehen gegeben, dass es jederzeit wieder eingreifen könnte, sollte die Situation es erforder- lich machen. Russlandexperten sehen, dass Russland sein Hauptziel in Syrien erreicht hat, nämlich im internationalen Kontext seine Rolle als Großmacht zurückzuerobern. Gleichzeitig wird darüber spekuliert, ob dieser Rückzug bedeutet, dass Russland Assad fallen lässt. Informiert dürfte das syrische Regime über den Schritt kaum gewesen sein, denn erst einen Tag nach Russlands Ankündigung beeilte sich das syrische Regime zu ver- sichern, dass der Schritt mit Syrien abgesprochen gewesen sei.

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Vielmehr ist davon auszugehen, dass Russland zumindest vorerst tatsächlich Druck auf das Regime ausübt, weil es sich von Assad nicht länger vorführen lassen will. Denn nachdem Russland und die USA nach der ersten Genf-III-Runde angekündigt hatten, dass am Fahr- plan einer politischen Transition festgehalten werden und eine Feuerpause beginnen solle, hatte Assad sowohl angekündigt, bis zum Ende kämpfen als auch im April Wahlen durch- führen zu wollen (vgl. Hintergrund v. 02.03.2016). Es ist anzunehmen, dass solche Äuße- rungen Assads Russland dazu veranlassen, zu demonstrieren, wo die Entscheidungen ge- troffen werden – schon allein, um der Weltgemeinschaft zu zeigen, dass es in der Lage ist, sich gegenüber dem Regime durchzusetzen. Insgesamt hat der russische Militäreinsatz Assads Chancen am Verhandlungstisch aber wesentlich gestärkt. Interessant ist auch, dass Russland erklärte, das Ziel der Militärintervention sei weitgehend erreicht worden – angetreten war Russland nämlich Ende September mit der Behauptung, die Intervention diene dem Kampf gegen ISIS. Hier wurden aber kaum Fortschritte er- reicht.

Politische Gespräche auf russischer Luftwaffenbasis Ein Indiz dafür, dass Russland seine Militärpräsenz auch weiterhin nutzen wird, um Ein- fluss auf den politischen Prozess zu nehmen, sind Berichte russischer Medien, nach denen Russland Vertreter der „patriotischen Opposition“ zu Gesprächen auf die Luftwaffenbasis Hmeimim bei Lattakia eingeladen hatte. Die eingeladenen Parteien und Gruppen aus dem Umfeld des Regimes haben aber keinerlei Einfluss in Syrien. Mindestens eine Partei de- mentierte öffentlich, überhaupt anwesend gewesen zu sein.

Offensive gegen ISIS in Tadmor (Palmyra) – Hilferuf der Zivilbevölkerung Eine neue Offensive der russischen Luftwaffe auf Tadmor geht mit großer Zerstörung zivi- ler Strukturen einher. Am 22.03.2016 berichtet die Internetzeitung all4syria, der Lokalrat der Stadt appelliere an die Weltgemeinschaft, ziviles Leben in der Stadt zu schützen. Da- nach wurden in den letzten zwei Wochen 900 Luftangriffe auf die Stadt geflogen, die Hälf- te davon mit international geächteter Streumunition. Es wird von Bombardierungen von Wohnvierteln, Märkten und der antiken Stadt Palmyra berichtet. Dabei befänden sich die Stellungen von ISIS außerhalb der Stadt. Opferzahlen liegen nicht vor. http://www.theguardian.com/world/2016/mar/04/we-feel-normal-for-once-lull-in-fighting- -ceasefire?CMP=twt_gu http://bit.ly/1M4OfOt https://www.facebook.com/dsi.forum/posts/929741047146773 http://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/In_its_15th_day_of_the_ceasefire_en.pdf http://syriadirect.org/news/checking-in-with-syria%E2%80%99s-ceasefire-%E2%80%98on-a- scale-between-terrible-and-bad-a-marginal-success%E2%80%99/ https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=970701712979406&id=49336800071 2782&substory_index=0 https://www.facebook.com/syriadirectorg/posts/1000860299984449 http://bit.ly/25fz0hC http://en.eldorar.com/node/1650 http://all4syria.info/Archive/297012 http://bit.ly/1RfR3g8 http://www.understandingwar.org/map/russian-airstrikes-syria-february-29-march-15-2016

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http://en.kremlin.ru/events/president/news/51511 http://www.tagesspiegel.de/politik/krieg-in-syrien-moskaus-plan-abzug-ohne- rueckzug/13326210.html http://www.nzz.ch/international/syrien-konflikt-russland-beginnt-truppenabzug-ld.7985 http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/warum-putin-seine-truppen- aus-syrien-abzieht/story/15599025 http://www.swp-berlin.org/publikationen/kurz-gesagt/russlands-syrien-rueckzug-gewinne- sichern-risiken-minimieren.html http://bit.ly/1PosR72 http://bit.ly/1RfR3g8 http://all4syria.info/Archive/298426 http://all4syria.info/Archive/301162 https://www.facebook.com/LCCSy/posts/1343098605717272

Kurden rufen Föderalstaat aus Die PYD, die die kurdisch dominierten Gebiete Nordsyriens faktisch kontrolliert, hat am 17.03.2016 nach einer zweitägigen Konferenz mit anderen Kräften aus der betroffenen Region die Bildung eines Föderalstaates binnen sechs Monaten angekündigt. Die PYD – der syrische Arm der türkischen PKK – sitzt nicht mit am Verhandlungstisch in Genf, weil die Opposition sie als zu regimenahe empfindet, als dass sie sie in der Oppositi- onsdelegation dulden könnte. Außerdem hatte die Türkei Druck ausgeübt, um die Teil- nahme der PYD in Genf zu verhindern. Der Schritt könnte ein Versuch sein, sich einen Platz am Verhandlungstisch in Genf zu erkämpfen. Russland hatte im Vorfeld der Konfe- renz vergeblich versucht, der PYD einen Platz am Verhandlungstisch zu sichern (vgl. letzte Ausgaben des Newsletters). Sowohl die Delegation des Regimes als auch die Oppositionsdelegation in Genf kritisierten den Schritt scharf. Das hat auch andere Bruchlinien offen zutage treten lassen. Der in der Oppositionsdelegation vertretene kurdische Nationalrat verteidigte die Idee des Föderal- staates, während Heitham Manaa, dessen Qamh-Bewegung gemeinsam mit der PYD die „Syrischen Demokratischen Kräfte“ bildet, den Schritt verurteilte. Schon in den Tagen vor der Bekanntgabe des Beschlusses hatte das Thema die Internetfo- ren dominiert. Die Debatte darüber wird sehr emotional geführt und von der Befürchtung dominiert, die Kurden könnten wie in Irakisch-Kurdistan auf lange Sicht einen eigenen Staat anstreben. Auch wenn die PYD dies ausdrücklich ausgeschlossen hat, gehen die kon- kreten Schritte, die dazu in den vergangenen Monaten getroffen wurden, deutlich in diese Richtung (kurdische Curricula mit Arabisch als Zweitsprache und getrennte Schulen für kurdische und arabische bzw. assyrische Kinder). Die Region ist wirtschaftlich wichtig, weil sie als eine der Kornkammern Syriens gilt und ein nicht unwesentlicher Teil der Ölvor- kommen Syriens in diesem Gebiet liegen. Außerdem befürchtet man, dass die PYD ihrem Föderalstaat gesamt Nordsyrien einverlei- ben will, inklusive Aleppo. Eine Karte „Rojavas“ hängt nach Presseberichten in der kürzlich eröffneten PYD-Vertretung in Moskau. „Rojava“ bedeutet „West-Kurdistan“. In Interviews macht die PYD zumindest keinen Hehl daraus, dass sie die bisher bestehenden „Kantone“ territorial verschmelzen will.

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Ähnlich wie bei der Debatte um Säkularismus verharrt die Auseinandersetzung aber in gegenseitigen Schuldzuweisungen und Verdächtigungen, ohne sich mit dem Konzept des Föderalstaates bzw. den konkreten Vorstellungen der jeweils anderen Seite zu befassen. Hinzu kommt – wie man im Kommentar der überregionalen Tageszeitung Al-Hayat gut sehen kann – dass die Debatte auch von Äußerungen Russlands und der USA mitbeein- flusst wird, die in den vergangenen Wochen vage von der Möglichkeit einer Teilung Syri- ens gesprochen hatten - ein Katalysator für Verschwörungstheorien.

Neue militärische Front? Die Internetzeitung „Al-Durar Al-Shamia“ berichtete einen Tag nach der Verlautbarung der PYD, arabische Stammesführer hätten sich in der Türkei getroffen, um eine arabische Mili- tärformation zu gründen, die die Abspaltung der kurdischen Gebiete verhindern soll. Die Armee nennt sich „Army oft the Eastern Tribes“. Man kann davon ausgehen, dass die Tür- kei eine solche Armee unterstützen würde, um ein kurdisches Staatenbildungsprojekt zu verhindern. http://civaka-azad.org/6913-2/ http://www.syrianobserver.com/EN/News/30730/Kurdish_Self_administration_Elects_Two_P residents_Federalist_System http://www.nzz.ch/international/autonome-region-ausgerufen-in-genf-unerwuenscht- schaffen-syriens-kurden-fakten-ld.8930 https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/syrian-kurds-declare-their-own-region- raising-tensions/2016/03/17/db762950-ec4c-11e5-a9ce-681055c7a05f_story.html http://www.enabbaladi.org/archives/69546 http://knc-geneva.org/?p=321&lang=en http://en.eldorar.com/node/1770 http://aranews.net/2016/03/arab-ally-kurds-turns-back-federalism/ https://www.facebook.com/osama.edward/posts/991514397607063 http://aranews.net/2014/03/syria-christians-form-sutoro-militia-to-fight-alongside-kurds/ http://www.alhayat.com/opinion/Hazem-Saghieh/14542090 http://www.all4syria.info/Archive/296732 http://en.eldorar.com/node/1783 http://www.all4syria.info/Archive/301601

Internationale Gemeinschaft / Friedensinitiativen

Zweite Runde der Genf-III-Gespräche Die Genf-III-Gespräche sind am 14.03.2016 in die zweite Runde gegangen und bis zum heu- tigen 24.03.2016 angesetzt. Die erste Runde, die am 29.01.2016 begonnen hatte, war nach wenigen Tagen abgebrochen worden. Hintergrund war eine gleichzeitig mit den Gesprä- chen begonnene Militäroffensive des Regimes auf die Provinz Aleppo mit russischer Luft- unterstützung (vgl. Sonderausgabe des Newsletters zum Auftakt der Genf-III-Gespräche (erster Link)).

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Nach der ersten Runde der Genf-III Gespräche hatte es am Rande der Münchner Sicher- heitskonferenz ein Treffen der „International Syria Support Group – ISSG“ gegeben, auf der die Einrichtung zweier Arbeitsstäbe beschlossen wurde. Einer sollte einen Waffenstillstand vorbereiten, ein weiterer humanitären Zugang zu den belagerten Gebieten durchsetzen. Der Waffenstillstand trat in Form einer Feuerpause am 27.02.2016 in Kraft. (vgl. letzte Aus- gabe des Newsletters vom 02.03.2016 (zweiter Link) und oben „Sonstige wichtige Entwick- lungen“). Der Humanitäre Zugang ist nach wie vor problematisch. Einige Vororte von Damaskus konnten nach langen Verhandlungen beliefert werden. Das Regime behinderte aber die Versorgung und unterband z.B. die Lieferung von lebenswichtigem Milchpulver nach Ma- daya (s.u. humanitäre Lage). Gleichzeitig mit dem Beginn der Verhandlungen kündigte Russland an, seine Luftwaffe aus Syrien zurückzuziehen. Dies kann als ein Signal an das Regime gesehen werden, dass es diesmal zu ernsthaften Verhandlungen bereit sein müsse. Allerdings haben die Gelände- gewinne, die das Regime durch die Luftunterstützung Russlands in den letzten Wochen machen konnte, die Verhandlungsposition des Regimes insgesamt gestärkt. (s.o. „Sonstige wichtige Entwicklungen“). Der UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura hatte vor der neuen Verhandlungsrunde angekündigt, dass es bei dieser Runde um substantielle Gespräche gehen müsse und es nicht nur um die Einhaltung der Waffenruhe oder humanitäre Hilfe gehen könne. Die Verhandlungsparteien seien aufgerufen, über die Bildung einer Übergangsregierung zu sprechen sowie über eine neue Verfassung und Wahlen. An der Zusammensetzung der Delegationen änderte sich nichts.

Konträre Positionen Daran, dass die Forderungen des Regimes und der Opposition sich konträr gegenüberste- hen, hatte sich bis zum Beginn der Verhandlungen nichts geändert. Der Chefunterhändler der Opposition, Mohammad Alloush, forderte den Abgang Assads, während die Delegation des Regimes verlauten ließ, dass sie nicht bereit sei, die Rolle Assads zu diskutieren. Auf einer Pressekonferenz am 15.03.2016 sagte de Mistura, die Oppositionsdelegation habe ein Papier eingereicht, in dem ihre Vorstellung von einem politischen Übergang dargelegt sei. Über den Inhalt wollte er sich nicht äußern. Auf einer weiteren Pressekonferenz am 18.03.2016 räumte er ein, dass die Regimedelegation noch kein entsprechendes Papier eingereicht habe, und bezeichnete das Papier der Oppositionsdelegation als sehr fundiert. Bei der nächsten Pressekonferenz am 21.03.2016 erwähnte de Mistura, dass das Regime zwar ein Papier eingereicht habe, räumte an anderer Stelle aber ein, dass es nach wie vor fundamentale Differenzen zwischen den Vereinten Nationen und dem Regime gebe, was den Begriff einer politischen Transition angehe. Der Abgleich beider Papiere habe ergeben, dass man sich in 12 Punkten einig sei. De Mistu- ra ließ aber offen, um welche Punkte es sich handele. Der einzige Punkt, den er erwähnte, war die Bereitschaft, die UN-Resolution 2254 – also die Transition und den Waffenstill- stand – umzusetzen, geht also über ein Lippenbekenntnis nicht hinaus, wenn man weiß, dass das Regime auch dem Genf-I-Plan zugestimmt, seine Umsetzung aber immer zu ver- hindern gewusst hat. De Mistura erklärt, dass er sich von dem gegenwärtig stattfindenden Besuch von US-Außenminister Kerry in Moskau weitere Fortschritte im Prozess erhoffe, ebenso wie von dem Anfang April angesetzten Treffen der ISSG.

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Russland und USA weiter uneins – Russland taktiert wie in der Ukraine Durch die Blume gab de Mistura zu verstehen, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen Russland und den USA für die Gespräche nicht hilfreich seien. Dass es nach wie vor tiefe Differenzen zwischen Russland und den USA über Syrien gibt, lässt sich daran ablesen, dass Russland den USA damit gedroht hat, Gruppen, die den Waffenstillstand brächen, im Alleingang abzustrafen, wenn die USA sich nicht auf eine gemeinsame Evaluierung der Waffenstillstandsbrüche einließe – wohl wissend, dass die meisten Waffenstillstandsbrü- che auf das Konto des Regimes gehen und es sich selbst solcher Brüche schuldig gemacht hat (s.o. sonstige wichtige Entwicklungen). Die USA erklärten, diese Erklärung Russlands habe einzig den Zweck, die Medien in die Irre zu führen. Eine gemeinsame Evaluierung habe stattgefunden. Dass dies aber nicht nur Geplänkel ist, zeigt, dass de Mistura sich auf seiner Pressekonferenz am 21.03.2016 über die Gefahr weiterer einseitiger Schritte Russ- lands sehr besorgt zeigte. Am 14.03.2016 hatte de Mistura angekündigt, er werde seinen Beraterstab um einen russi- schen und einen amerikanischen Berater erweitern. Der russische Berater sei bereits iden- tifiziert. Es handele sich um den Leiter des russischen Orient-Instituts, Vitaly Naumkin. Ein Berater von US-amerikanischer Seite müsse noch identifiziert werden. Dies werde ihm dabei helfen, ein besseres Verständnis des Konflikts zu entwickeln.

Inhaltliches Arbeiten hat begonnen Trotz aller Hindernisse beschreiben Beobachter die Gespräche in Genf als Fortschritt, da endlich inhaltlich – wenn auch sehr kontrovers – über Positionen gerungen wird. Auch in dieser Runde sind wieder Vertreter der Zivilgesellschaft ebenso eingebunden wie der Frau- enrat, der de Mistura berät. http://bit.ly/1RxtGlx http://bit.ly/1UMl9dQ http://bit.ly/1VDJxil http://www.syrianobserver.com/EN/Commentary/30706/Regime_Opposition_Advised_to_Ha ve_Serious_Talks_Geneva http://www.unog.ch/unog/website/news_media.nsf/%28httpNewsByYear_en%29/CB0CFAF89 632085FC1257F76005750B6?OpenDocument http://www.theguardian.com/world/2016/mar/09/syrian-peace-talks-release-of-political- prisoners-is-next-hurdle http://www.unog.ch/unog/website/news_media.nsf/%28httpPages%29/CFE6246D21809FEAC 1257F78002CF9C8 http://www.unog.ch/unog/website/news_media.nsf/%28httpPages%29/6F15590B7CB7CD76C 1257F7A0063A51F?OpenDocument http://bit.ly/1UFREeH http://www.unog.ch/unog/website/news_media.nsf/%28httpNewsByYear_en%29/64961DC01 F3DEE72C1257F6C005DEE25?OpenDocument http://www.alhayat.com/m/story/14636560 http://all4syria.info/Archive/301550 http://all4syria.info/Archive/301316 http://www.enabbaladi.org/archives/70664

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Opposition / Zivilgesellschaft

Neuer Vorsitzender der Nationalen Koalition Die Mitglieder der Generalversammlung der Nationalen Syrischen Koalition haben am 05.03.2016 einen neuen Vorstand gewählt. Nachfolger von Khaled Khoja, der nach zwei 6- monatigen Wahlperioden nicht mehr als Vorsitzender kandidieren durfte, wurde Anas Al- Abdeh. Für den 50 Jahre alten Al-Abdeh, der ohne Gegenkandidaten antrat, stimmten 63 der 103 Delegierten. Al-Abdeh kommt aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft (MB) und lebt in London. In den 00-er Jahren verließ er die MB und gründete mit anderen Mitglie- dern des Reformflügels eine eigene Partei, die Bewegung für Gerechtigkeit und Aufbau. Außerdem wurden drei neue Vizepräsidenten gewählt: Mouaffaq Nyrabia von der Mu- watana-Bewegung, Abdulhakim Bashar (Kurdischer Nationalrat) und die ehemalige Chef- redakteurin der staatlichen syrischen Teshreen-Zeitung Samira Masalmeh. Neuer General- sekretär ist Abdulilah Fahd. http://bit.ly/1UzmjJw http://bit.ly/1poaXMp

Neue Oppositionspartei gegründet Am 11./12.03.2016 wurde in Kairo eine neue syrische Oppositionsbewegung gegründet. Die „Morgen-Bewegung“ (Tayyar Al-Ghad)1 bezeichnet sich als demokratische, pluralistische Partei. Ihr Gründer, Ahmad Aasi Al-Jarba, der 2013/2014 den Vorsitz der oppositionellen Nationalen Koalition innehatte, bedankte sich in der Eröffnungsrede der Gründungsveran- staltung bei Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten, und dem Prä- sidenten der Autonomen Region Kurdistan, Masoud Barzani, für ihre Unterstützung. In der Partei aktiv sind auch der in Kairo lebende ehemalige Menschenrechtsaktivist Am- mar Qurabi sowie Qasem Al-Khateeb, der Vertreter der Nationalen Koalition in Kairo. In der syrischen Oppositionspresse wird die Gründung der Partei überwiegend misstrau- isch beäugt. Viele vermuten hinter ihr den Versuch Russlands, eine Oppositionspartei zu gründen, die aus Russland ferngesteuert an die Macht gebracht werden soll, um das bishe- rige System hinter einer neuen Fassade zu erhalten. In den vergangenen Jahren hatte es diverse Anläufe Ägyptens und Russlands gegeben, eine solche Oppositionspartei zu schaf- fen bzw. die Oppositionsbewegung in diese Richtung zu unterwandern. Jarba, der aus dem beduinischen Shammar-Stamm kommt, galt innerhalb der Nationalen Koalition als Mann Saudi-Arabiens. Anfang März wurde berichtet, dass er sich mit Vertre- tern der kurdischen PYD getroffen und vergeblich versucht habe, andere Stammesführer in Syrien dazu zu bewegen, sich den PYD-geführten „“ anzuschlie- ßen. Bei der Gründungsveranstaltung der „Morgen-Bewegung“ waren PYD-Vertreter aller- dings nicht anwesend, wohl aber Vertreter des kurdischen Nationalrats. Ein Sprecher des Kurdischen Nationalrats verneinte allerdings, in der neugegründeten Bewegung eine Rolle zu spielen. http://all4syria.info/Archive/298354 http://bit.ly/1RNHSRL http://bit.ly/1YZAS9O https://www.facebook.com/all4syria.org/posts/778020928998667

1 Zukunftsbewegung wäre eine bessere Übersetzung, ist aber schon durch die kurdische Zukunftsbewe- gung (tayyar al-mustaqbal) besetzt.

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http://www.sasapost.com/the-relation-between-ahmed-aljarba-and-russian-plans-over-syria/ http://bit.ly/1RkPLnq (eigene Recherchen)

Hochschulbildung in Rebellengebieten Die Internetzeitung Damascus Bureau berichtet über die Schwierigkeiten junger Menschen in rebellengehaltenen Gebieten, ihre Ausbildung fortzusetzen. Die Zivilverwaltung ver- sucht, so gut es geht, Schulen trotz Bombardement offenzuhalten und Schulabschlussprü- fungen abzunehmen. Leider werden die Abschlüsse aber nur von wenigen Universitäten anerkannt. Die Studenten haben die Möglichkeit, die Universität in Idlib zu besuchen, müssen aber auch dann damit rechnen, dass ihre Abschlüsse für Graduiertenstudiengänge an anderen Universitäten nicht anerkannt werden. https://damascusbureau.org/18699

Regime s.o. Internationale Gemeinschaft …

Regime organisiert Parlamentswahlen am 13.04.2016 Das syrische Regime macht Ernst mit der Ankündigung, im April Parlamentswahlen durchführen zu wollen. Aus Genf hieß es, diese Wahlen würden den Transitionsprozess nicht in Frage stellen. Unterdessen wird in Damaskus an der Vorbereitung der Wahlen gearbeitet. Nach Berichten von all4syria wird die Wahlliste in Damaskus von Mohammad Hamsho angeführt. Mohammad Hamsho ist ein sunnitischer Geschäftsmann, der durch seine Geschäfte mit dem Assad-Clan groß wurde. http://all4syria.info/Archive/300342

ISIS

Dichter in Deirezzor hingerichtet ISIS hat am 10.03.2016 den syrischen Dichter Bashir Al-Aani und seinen erwachsenen Sohn wegen Apostasie hingerichtet. Beide waren vor ca. sieben Monaten in Deirezzor festge- nommen worden. Al-Aani zählte zu den Kritikern des syrischen Regimes und war Mitglied des syrischen PEN-Clubs. http://www.theguardian.com/world/2016/mar/17/isis-kills-syrian-poet-who-opposed-assad- government http://www.middleeasteye.net/news/executes-respected-syrian-poet-and-son-apostasy- 1814154050

Kurdische Gebiete s.o. Sonstige wichtige Entwicklungen

Flüchtlinge / Nachbarländer

Türkei – EU- Abkommen zur Rückführung von Flüchtlingen Die EU und die Türkei haben am 18.03.2016 ein Abkommen geschlossen, nach dem Flüchtlinge, die von der Türkei aus nach Griechenland gelangen, wieder in die Türkei zu-

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rückgeführt werden. Für jeden rückgeführten Flüchtling nimmt die EU einen in der Türkei registrierten syrischen Flüchtling auf. Dies gilt für eine Höchstzahl von 72.000 Personen. Ist diese Zahl erreicht, muss ein neues Abkommen geschlossen werden. UNHCR und Pro Asyl haben das Abkommen kritisiert, weil Griechenland keine ausrei- chende Infrastruktur besitzt, um Flüchtlinge unterzubringen oder rechtsstaatliche Verfah- ren zu gewährleisten. Der Weg von Griechenland über die Balkanroute nach Mitteleuropa ist seit dem 10.03.2016 gesperrt. Da der Zustrom von Flüchtlingen über das Mittelmeer nach Griechenland aber nicht aufgehört hat, sitzen immer mehr Flüchtlinge in Griechen- land fest. UNHCR hat am 23.03. aus Protest gegen die faktische Internierung neu ankommender Flüchtlinge auf den griechischen Inseln seine Arbeit vor Ort eingestellt.

Tote an syrisch-türkischer Grenze Unterdessen riegelt die Türkei ihre Grenze zu Syrien immer weiter ab. In den letzten Wo- chen hat es mehrere Tote gegeben, weil türkische Grenzschützer auf Menschen geschossen haben, die versuchten, illegal über die Grenze zu gelangen. Am 21.03.2016 wurde der Onkel des bekannten Autors Amer Matar erschossen, als er mit seiner Familie aus Raqqa in die Türkei flüchten wollte. http://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2016/03/18-eu--statement/ http://www.tagesschau.de/ausland/eu-gipfel-241.html https://www.proasyl.de/news/warum-der-deal-mit-der-tuerkei-eine-schande-fuer-europa-ist/ http://www.deutschlandfunk.de/fluechtlingspolitik-oesterreich-besteht-auf- grenzschliessung.1818.de.html?dram:article_id=347933 http://www.fr-online.de/flucht-und-zuwanderung/unhcr--un-fluechtlingshilfe-stellt-aus- protest-arbeit-ein-,24931854,34000292.html http://bit.ly/22CaSnd https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=989621697793281&id=10000236379 8294&pnref=story

Situation der Flüchtlinge im Libanon Eine neue Studie des Londoner „Middle East Centre“ befasst sich mit der Situation der syri- schen Flüchtlinge im und den Auswirkungen auf den Libanon. Der Autor der Studie zeigt sowohl die enorme Belastung für die Institutionen im Libanon auf als auch die sozialen und politischen Folgen. In den Handlungsempfehlungen heißt es u.a., die internationale Gemeinschaft müsse den Libanon effektiver bei der Versorgung der Flüchtlinge unterstützen, ihn aber auch durch Resettlementprogramme entlasten.

Krise mit den Golfstaaten droht inneren Frieden zusätzlich zu belasten In der im Februar erschienenen Studie noch nicht berücksichtigt ist die aktuelle Ver- schlechterung des Klimas zwischen dem Libanon und den Golfstaaten. Der Golfkooperati- onsrat hatte die Hizbollah, die im Libanon ein Staat im Staate ist, am 02.03.2016 zur Ter- rororganisation erklärt. Saudi-Arabien hatte darüber hinaus drei Viertel einer bereits zuge- sagten Milliardensumme für das libanesische Militär zurückgezogen und saudische Bürger aufgefordert, den Libanon zu verlassen. Außerdem wurde angedeutet, dass man sich vor- stellen könne, libanesische Gastarbeiter aus den Golfstaaten auszuweisen.

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Noch sind diese Drohungen nicht wahrgemacht worden. Experten bezweifeln auch, dass die Golfstaaten auf hochgebildetes libanesisches Personal verzichten könnten. Sollte es aber so weit kommen, dass auch nur ein Teil der libanesischen Gastarbeiter in den Golfstaaten zurück in den Libanon geschickt wird und die Konkurrenz auf dem informel- len Arbeitsmarkt noch größer wird, könnte das zu einer drastischen Verschärfung sozialer Spannungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen führen. http://eprints.lse.ac.uk/65565/1/Dionigi_Syrian_Refugees%20in%20Lebanon_Author_2016.p df https://www.gcc-sg.org/index6884.html?action=News&Sub=ShowOne&ID=4272 (eigene Recherchen)

Neue Anordnung im Libanon verhindert Rückkehr von Flüchtlingen aus Europa Eine neue Anordnung der libanesischen Behörden hat für Unruhe unter syrischen Flücht- lingen in Europa gesorgt: Die syrische oppositionelle Internetzeitung „Syrian Observer“ berichtet, dass Syrern, deren Pass einen türkischen Einreisestempel aber keinen Ausreise- stempel aufweist und die deshalb nachweislich illegal aus der Türkei ausgereist sind, nicht mehr in den Libanon einreisen dürfen. Konkret soll es am 08.03.2016 eine Anweisung der libanesischen Innenbehörden an alle Fluggesellschaften gegeben haben, solche Personen nicht mehr zu befördern, weil ihnen am Flughafen Beirut die Einweise verweigert werde. Über den Zweck der Anweisung wird spekuliert. Oppositionskreise vermuten, dass syrische Innenbehörden ihre Hand im Spiel haben und so versuchen, geflüchtete Syrer an der Rückreise nach Syrien zu hindern. Betroffen sind vor allem Flüchtlinge, die aufgrund der langen Asyl- und Familienzusam- menführungsverfahren freiwillig nach Syrien zurückkehren wollen. Der Libanon ist das einzig verbliebene Transitland für diese Rückkehrer. http://syrianpc.com/?p=91496 http://www.syrianobserver.com/EN/News/30741/Assad_Hand_Extends_Beirut_Airport_Leba non_Blocks_Refugees_Arriving_From_Europe

Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Region (UN-Statistik)

Insgesamt: 4, 8 Mio davon in der Türkei: 2,7 Mio im Libanon: 1,1 Mio in Jordanien: 630.000 im (Nord)-Irak: 250.000 in Ägypten: 120.000 Nordafrika: 30,000 Binnenvertriebene: 6,6 Mio http://data.unhcr.org/syrianrefugees/regional.php http://syria.unocha.org/ (Daten vom 22.03.2016)

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Humanitäre Lage

Weitere Hungertote unter Kindern in belagerten Gebieten Die internationale Hilfsorganisation „Save the Children“ hat einen Bericht über die Lage der Kinder in den belagerten Gebieten veröffentlicht. Der Bericht beziffert die Zahl der betroffenen Kinder auf 250.000, berichtet von Kindern, die verhungern oder an einfachen Infektionen sterben, weil keine Medikamente durchgelassen werden, von Kindern, deren Alltag es ist, in zerbombten Häusern nach Verwertbarem und nach Brennholz zu suchen, und die nicht zur Schule gehen können. Auch aus Madaya, das es zum Jahreswechsel kurzfristig in die internationalen Schlagzeilen schaffte, sterben weiterhin Kinder an Mangelernährung. Ein aktueller Bericht der Inter- netzeitung Syria Direct beruft sich auf UN-Organisationen, die berichten, dass sie zwar die humanitäre Lage in Madaya dokumentieren dürfen, aber selbst für stark mangelernährte Patienten keine Medikamente in das immer noch belagerte Gebiet bringen dürfen. Ärzte in Madaya beziffern die Anzahl der Einwohner, die unter Hungerödemen leiden, auf 2000, darunter 600 Kinder. Hungerödeme (aufgeblähter Bauch und z.T. aufgedunsenes Gesicht) sind eine Folge von gravierendem Eiweißmangel. Auf Nachfrage teilten Mitarbei- ter von Hilfsorganisationen vor Ort mit, dringend benötigtes Milchpulver sei weder Teil der ersten noch der jüngsten Hilfslieferung nach Madaya gewesen. http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-250-000-kinder-in-belagerten-gebieten- hungern-laut-save-the-children-a-1081339.html http://www.savethechildren.org/atf/cf/%7B9def2ebe-10ae-432c-9bd0- df91d2eba74a%7D/CHILDHOOD%20UNDER%20SEIGE%20REPORT- %20EMBARGOED%20UNTIL%207PM%20EST%20MARCH%208-SM.PDF http://syriadirect.org/news/out-of-the-international-spotlight-madaya-civilians-dying-of- severe-acute-malnutrition/ http://en.etilaf.org/all-news/local-news/over-2-000-kwashiorkor-cases-recorded-in-besieged- madaya.html (eigene Recherchen) Lebenshaltungskosten seit Februar 2015 verdoppelt Die Lebenshaltungskosten in den regimegehaltenen Gebieten haben sich nach der syri- schen Wirtschaftszeitschrift “Al-Iqtisadi” seit Februar 2015 nahezu verdoppelt. Das Maga- zin bezieht sich auf eine Studie eines Wirtschaftswissenschaftlers, der dazu den Waren- korb des syrischen Amtes für Statistik zugrunde gelegt hat. Danach braucht eine Durch- schnittsfamilie monatlich mindestens 171.000 Syrische Pfund, um über die Runden zu kommen – bei einem Durchschnittseinkommen von 26.500 Pfund. Je ein Drittel des Ein- kommens müssen für Lebensmittel und Miete aufgewandt werden. Das syrische Pfund hatte im vergangenen Monat einen neuen Tiefststand erreicht. Derzeit steht der US-Dollar bei etwa 400 Pfund (2011 stand der Dollar bei 50 Pfund, das Durch- schnittseinkommen bei 11.000 Pfund, der Bedarf einer Durchschnittsfamilie bei 30.000 Pfund). http://bit.ly/1WsCQOm http://www.syria-report.com/

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Militärische Lage

Aktuelle Lagekarte https://pietervanostaeyen.wordpress.com/2016/03/13/syria-map-update-dd-march-13-2016/

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