Eine Zersplitterte Landschaft
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und Markus Wilp (Hrsg.) Wilp Markus und Wielenga, CarlaFriso vanBaalen Friso Wielenga, Carla van Baalen und Markus Wilp (Hrsg.) Die politische Landschaft der Niederlande wurde viele Jahre lang von drei Strömungen – den Christdemokraten, den Sozialdemokraten und den Liberalen – dominiert. Die Lage veränderte sich ab Mitte der 1960er Jahre: An die Stelle der vorherigen Stabilität trat eine immer größere Unberechen- barkeit. Auch nahm die politische Zersplitterung zu und seit 2002 verzeich- EINE ZERSPLITTERTE neten populistische Gruppierungen wiederholt Erfolge. Die raschen Veränderungen im Parteienspektrum sorgen bei oberflächlicher Betrachtung für eine Überbewertung der Unterschiede zwischen „damals“ und „heute“: Der aktuellen Instabilität steht die erstarrte Unbeweglichkeit der Vergangenheit gegenüber. Ein solches Bild ist jedoch eine Vereinfa- chung, denn auch in früheren Jahren konnten die politischen Spannungen LANDSCHAFT eskalieren, und immer wieder scheiterten Kabinette vorzeitig. Neben allen Veränderungen sind somit auch Kontinuitäten und langfristig wirksame EINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE Traditionslinien in der niederländischen Politik zu beobachten. Der Sammelband Eine zersplitterte Landschaft geht auf diese Kontinuitäten UND GEGENWART und Veränderungen ein, indem er all jene Parteien betrachtet, die im Jahr ZERSPLITTERTE 2017 in die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments gewählt NIEDERLÄNDISCHER worden sind. Die älteste von ihnen existiert bereits seit beinahe 100 Jahren (SGP), die jüngsten Parteien (DENK und FvD) sind erst kurz vor der Wahl POLITISCHER PARTEIEN gegründet worden. Fast alle Beiträge sind von Vertretern der wissenschaft- lichen Büros der Parteien verfasst worden, wodurch ein einzigartiger Blickwinkel entstanden ist: wissenschaftliche Distanz kombiniert mit einer Betrachtung von „innen heraus“. Prof. Dr. Friso Wielenga ist Hochschullehrer und Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. LANDSCHAFT Prof. Dr. Carla van Baalen ist Hochschullehrerin für parlamentarische Geschichte und Direktorin des Centrum voor Parlementaire Geschiedenis der Radboud Universität Nimwegen. Dr. Markus Wilp ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Geschäftsführer des Zentrums für Niederlande-Studien der Westfälischen Wilhelms- Universität Münster. ISBN 978-94-629-8849-1 AUP.nl 9 789462 988491 Eine zersplitterte Landschaft Eine zersplitterte Landschaft Beiträge zur Geschichte und Gegenwart niederländischer politischer Parteien Friso Wielenga, Carla van Baalen und Markus Wilp (Hrsg.) Amsterdam University Press Originalausgabe: Een versplinterd landschap. Bijdragen over geschiedenis en actualiteit van de Nederlandse politieke partijen, Amsterdam University Press, 2018 [isbn 978 94 6298 848 4] © 2018 Friso Wielenga, Carla van Baalen, Markus Wilp (red.) Übersetzung: Annegret Klinzmann, Kathrin Lange und Frederike Zindler Umschlagabbildung: ANP Umschlaggestaltung: Suzan Beijer Satz: Crius Group, Hulshout isbn 978 94 6298 849 1 e-isbn 978 90 4854 064 8 doi 10.5117/9789462988491 nur 754 | 697 Creative Commons License CC BY NC ND (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0) F. Wielenga, C. van Baalen, M. Wilp (Red.) / Amsterdam University Press B.V., Amsterdam 2018 Some rights reserved. Without limiting the rights under copyright reserved above, any part of this book may be reproduced, stored in or introduced into a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means (electronic, mechanical, photocopying, recording or otherwise). Inhalt Einleitung 7 Friso Wielenga, Carla van Baalen und Markus Wilp 1. Die Christdemokratie in den Niederlanden 13 Lavieren zwischen Werten und Verantwortung Rien Fraanje 2. Die ChristenUnie: pluralistisch aus Prinzip 39 Rob Nijhoff 3. Zwischen Rebellion und Regierung 59 Die d66 als Faktor in der niederländischen Politik Joost Sneller und Daniël Boomsma 4. Grüner als die Summe ihrer Teile? 85 Entstehung und Entwicklung der Partei GroenLinks Jasper Blom 5. „Gegen die unmoralische Härte der Wirtschaft“ 107 Eine kurze Geschichte der Partij van de Arbeid Frans Becker 6. Die Schwächsten gegen das Recht des Stärkeren verteidigen 137 Die Bedeutung der Partij voor de Dieren Niko Koffeman 7. Die Stimme der Unzufriedenheit: die Partij voor de Vrijheid 157 André Krause und Markus Wilp 8. Die sgp: eine charakteristische Eiche in einer holländischen Weidelandschaft 181 Protestantisch, konservativ und stabil Jan Schippers 9. Der lange Marsch der sp 211 Tiny Kox 10. Das „Geheimnis“ der niederländischen Liberalen 237 Wie die vvd sich zu einem zentralen Machtfaktor entwickelt hat Patrick van Schie 11. Ein Paradies für Parteien 263 Die Niederlande und ihre kleinen politischen Parteien Koen Vossen Endnoten 279 Anlagen : Ergebnisse der Wahlen zur Zweiten Kammer, zu den Provinzparlamenten und zum Europäischen Parlament 323 Verzeichnis der Parteiabkürzungen und -namen 331 Abbildungsverzeichnis 333 Personenregister 335 Autorenverzeichnis 339 Einleitung Friso Wielenga, Carla van Baalen und Markus Wilp Vergleicht man das Parteienspektrum der Niederlande mit dem anderer europäischer Länder, dann fallen sowohl Übereinstimmungen als auch Unterschiede auf. Fast überall sieht man die traditionellen Strömungen der Liberalen, Sozial- und Christdemokraten, hinzu kamen in den vergangenen Jahrzehnten die grünen Parteien und in jüngster Zeit populistische Gruppie- rungen verschiedener Couleur. Ebenso wie in anderen Ländern treten auch in den Niederlanden seit einiger Zeit bei Wahlen erhebliche Verschiebungen auf, und die Vorhersagbarkeit, mit der bis zum Ende des zwanzigsten Jahr- hunderts Regierungskombinationen zwischen den traditionellen Parteien zustande kamen, gehört inzwischen in vielen Ländern der Vergangenheit an. Während die oben genannten Strömungen lange Zeit unangreifbar die politische Bühne beherrschten, hat diese Selbstverständlichkeit inzwischen ein Ende gefunden. Mit Blick auf die Niederlande wird in diesem Kontext häufig das Jahr 2002 genannt, als es zu gewaltigen politischen Umbrüchen kam: Die zuvor (1994-2002) an der Regierung beteiligten Parteien, die sozialdemokratische Partij van de Arbeid (pvda), die konservativ-liberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (vvd) und die sozialliberale Democraten66 (d66) mussten bei der Wahl im Mai herbe Stimmenverluste hinnehmen und die erst wenige Monate vor der Wahl gegründete Lijst Pim Fortuyn (lpf) wurde mit 17 Prozent zur zweitstärksten Fraktion in der Zweiten Kammer. Auch wenn der Schock im Jahr 2002 groß war, und auch wenn danach bei Wahlen immer wieder große Verschiebungen auftraten, ist festzuhalten, dass eine hohe Volatilität in den Niederlanden bereits bei den Parlamentswahlen des Jahres 1994 zu erkennen war. 1989 hatten die Christ- und Sozialde- mokraten mit 35,3 (Christen-Democratisch Appèl, cda) beziehungsweise 31,9 Prozent (pvda) gemeinsam noch eine komfortable Mehrheit erzielt, bei den Wahlen des Jahres 1994 erhielten sie zum ersten Mal in der par- lamentarischen Geschichte der Niederlande zusammen weniger als 50 Prozent der Stimmen (cda: 22,2 Prozent, pvda: 24 Prozent). Bezieht man auch Gemeinderatswahlen mit ein, dann fällt auf, dass es bereits 1990 zu einer großen Wählerwanderung gekommen war. So betrachtet ist in den Niederlanden bereits seit drei Jahrzehnten eine erhebliche elektorale Instabilität zu beobachten. Das immense Ausmaß der Verschiebungen wird unter anderem durch eine vor einigen Jahren vom Politikwissenschaftler 8 FRISO WIELENGA, CARLA VAN BAALEN UND MARKUS WILP Peter Mair durchgeführte Analyse von Wahlergebnissen aus verschiede- nen europäischen Ländern deutlich. Die Berechnungen führten zu dem Ergebnis, dass die Volatilität in den Niederlanden bei den Wahlen 1994, 2002 und 2006 sowohl in historischer als auch in komparativer Perspektive sehr groß war.1 Auf dieser Grundlage formulierte Mair im Jahr 2008 eine Einschätzung, deren Gültigkeit sich auch bei den Wahlen 2017 bestätigt hat: „Das einzig Berechenbare an der niederländischen Wählerschaft ist ihre Unberechenbarkeit. Ihr einziges stabiles Merkmal ist ihre Instabilität.“2 Daraus den Schluss zu ziehen, der niederländische Wähler tue nicht viel mehr, als sich vollkommen orientierungslos durch die Abstimmungsde- mokratie zu „zappen“, ist jedoch zu einfach. So volatil das Wahlverhalten vieler Wähler auch geworden ist, sie bewegen sich dabei doch innerhalb bestimmter politischer Cluster und gehen dabei auch rationaler vor als oftmals unterstellt wird.3 Neben den im Vergleich größeren Verschiebungen zwischen den Parteien sind im niederländischen Parlament auch traditionell mehr Fraktionen vertreten als in vielen anderen europäischen Ländern – eine Folge des niederländischen Wahlsystems, das es kleinen Parteien leicht macht, ins Parlament zu gelangen. Während es in der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments nach den Wahlen vom März 2017 dreizehn Fraktionen gibt, liegt die Zahl der Fraktionen in den meisten anderen eu-Ländern deutlich darunter. In der Vergangenheit fiel diese große Anzahl an Parteien in den Niederlanden weniger auf, weil das politische Hauptfeld von den dominierenden christdemokratischen, sozialdemokra- tischen und liberalen Parteien bespielt wurde, während andere Parteien für die Koalitionsbildung nicht oder kaum notwendig waren. In den späten siebziger und den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erzielten die Christ- und Sozialdemokraten zumeist (deutlich) mehr als 30 Pro- zent, während die vvd in jenen Jahren durchschnittlich etwa 18 Prozent erreichte. Gemeinsam erhielten diese drei Parteien