Wirklichkeitsphilosophie Sachlogik statt Positivismus

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All unsren Feinden gewidmet

1 / 130 2 / 130 Die Agonie der Kirche 1

(Nicht hinters Licht führen Lassen, Leute. Dühring war gegenüber der Dialektik der Aufklärung der Frühere.) ______

04. Oktober 2018 Wenn Constantin Frantz 1872 in: Die Religion des Nationalliberalismus, vom Missbrauch in der katholischen Kirche redete, um sie anhin zu entschuldigten, dass sie, trotz allen Missbrauchs in der Wahrheit sei, - also ich weiss nicht, ob ich mir das antun muss. Wir er- innern uns des Missbrauchs, der in der katholischen Kirche wieder aufscheint. Kapitel 5: Nationalliberalismus und die Kirche, ist deshalb jedem, der hierzu keinen Standpunkt hat, wärmstens empfohlen. Die ganze Welt, sagte er, sei vol- ler Trug und gibt einige Beispiele. Deswegen muss man den Trug nicht auch noch entschuldigen. Man soll mir nicht damit kommen, dass die Religion im Jahre 1872 eine andere gewesen sei; das ist absurd, denn Religion und Kirche waren zu Frantzens Zeiten die nämlichen.

05. Oktober 2018 - Constantin Frantz Des Juristen Rudolf Stammler(s) EntwicklungsPhase in Kirche und Recht gibt ein beeindruckendes Beispiel davon, wie man uns Modernen zu Hörigen der StaatsGewalten erniedrigte. Bei Frantz liegt zudem der Beweis vor, dass von einer Lohnabhängigkeit des Arbeiters und also des Proletariats, wie es die Kom- munisten predigen, keine Rede sein kann. Dafür müssen wir etwas ausgreifen. Frantz „Das Zweite ist, dass andrerseits auch die katholische Kirche selbst, seit dem Syllabus und dem Infallibilitätsdogma, wirklich eine andere Stellung zum Sta- ate eingenommen hat, als bis dahin der Fall war. Ich meine zwar nicht, dass die katholische Kirche dadurch aus der Continuität ihrer Entwicklung herausge- treten und ein ganz neues Wesen geworden sei, sondern so wichtig auch die Veränderung ist, so bildet sie doch allerdings nur eine Entwicklungsphase der Kirche selbst. Allein um deswillen bleibt nicht minder gewiss, dass eben diese neue Entwicklungsphase auch den Staat zu einer Änderung seiner bisherigen Haltung nöthigt. Sollten dann daraus wieder für die Kirche Schwierigkeiten ent- stehen, so hat sie das offenbar selbst zu verantworten, und sie wird die Folgen davon zu tragen haben.“ Die Infallibilität (Unfehlbarkeitsdogma): „Möchte es auch wahr sein, wie die Ultramontanen einwenden, dass die Infal- libilität in der Praxis schon längst gegolten habe, - ich erlaube mir darüber kein

3 / 130 Urtheil, aber der Einwand trifft die Sache gar nicht, weil gleichwohl die Neue- rung unbestreitbar bliebe. Sie bestände eben darin, dass die vorher bloss tat- sächliche Geltung der Infallibilität in eine verfassungsmässige und dogmatisch geheiligte verwandelt wurde. (Das der springende Punkt.) Sollte dies nicht als eine Neuerung anzusehen sein, so wäre wohl auch der Nordbund (Norddeut- scher Bund vereinte von 1866 bis 1871 alle deutschen Staaten nördlich der Mainlinie unter preussischer Führung) keine Neuerung gewesen, weil allerdings schon lange vor 66 die Thatsache vorlag, dass das ganze nördliche Deutschland strategisch von Preussen beherrscht wurde. Allein diese Thatsache wurde nach 66 in ein Recht verwandelt, - und ob das eine Veränderung war ?! So wird des- gleichen allgemein zugegeben werden, dass ein grosser Theil der Lohnarbeiter sich thatsächlich in vollständiger Abhängigkeit von ihrem Brodherrn befinden, würde aber solche Abhängigkeit zu einem gesetzlichen Zustande gemacht, so wären die Leute aus Freien, wie sie es rechtlich sind, kurzweg zu Hörigen geworden. Dazu ist eben das Recht, dass es die bloss thatsächliche Macht einschränkt und Schutz dagegen gewährt. Wird hingegen die thatsächliche Macht selbst zu einem Recht erhoben, so ist insoweit kein Schutz mehr dage- gen, sondern man kann höchstens noch gegen etwaigen Missbrauch des Rechtes klagen, nicht über die Ausübung des Rechtes selbst. Denn wer sich seines Rechtes bedient, ist eine alte Regel, verletzt Niemand.“ roma locuta res (i)acta est „Nun wohlan, welch ein unermessliches Recht hat das Papstthum durch das In- fallibilitätsdogma erworben! Beansprucht mag ja solche Infallibilität schon lange gewesen sein, und allermeist willige Anerkennung gefunden haben, nichts destoweniger konnte sie im gegebenen Falle bestritten werden, und der Be- streitende konnte sogar auf ein Concil provocieren. Jetzt ist dieser Ausweg ab- geschnitten. Roma locuta res (i)acta est das ist seitdem ein Rechtssatz gewor- den, und der Pabst braucht nur die cathedra zu besteigen, so hat er auch schon jeden Widerspruch darnieder geschlagen. Ja nicht nur das, sondern er kann auch ganz neue Sätze verkünden, welche eo ipso als unantastbare Dogmen gelten. Zu sagen nun, dass solche neuen Sätze sich doch nur auf Glaubenssachen beziehen würden, welche den Staat nicht berühren, würde kurzweg auf die schon früher in diesen Blättern als nichtig dargelegte Behauptung führen, dass die Religion für den Staat etwas ganz Gleichgültiges sei, was doch kein denkender Mensch zugeben kann, und am allerwenigsten die katholische Kirche selbst jemals zu- geben wird. Im Gegentheil, sie lehrt ausdrücklich, dass alle menschlichen Satz- ungen durch die Gebote Gottes aufgehoben würden; was aber Gebote Gottes seien, das wird man in Zukunft ex cathedra hören. Und seitdem gibt es keinen recursus ab abusu mehr, sondern usus (Verwendung) und abusus (Missbrauch) sind in der bodenlosen Tiefe des neuen Dogmas zu einer untrennbaren Einheit zusammengeflossen. Diese Perspective wird der Staat ins Auge fassen, und danach seine Stellung nehmen müssen.“ Die Religion des Nationalliberalis-

4 / 130 mus, 1872, Sn. 67 - 68. Wozu braucht es dann noch der Überzeugungskraft, wenn, wie oben erklärt, die Würfel gefallen sind? Wer wollte da noch behaupten, dass Staat und Kirche getrennte Wege gingen? Ja, das krasseste Gegenteil ist der Fall. Der Staat be- wegt sich im Kielwasser der Kirche, er nimmt ihr Anerbieten an, um es zu dem seinigen zu machen. Kirche und RechtsSystem bedingen sich, sie entspringen einer Quelle.

06. Oktober 2018 - Constantin Frantz Das Universalmittel. „Gilt doch als Universalmittel für alle Leiden der Völker schon längst das Frei- handelssystem, und wo gleichwohl damit nicht auszukommen wäre, da hilft dann die Armee. Das ist so ungefähr der Canon diplomatischer Weisheit, wozu andrerseits die Volksmänner auch nichts weiter hinzuzufügen haben als ihren Wahlschematismus. (Das Ergebnis war der Kolonialismus.) Damit steht man dann so sicher auf der Höhe der Zeit, dass die Kirche tief darunterliegt. Genug, man liess also die Dinge gehen, wie sie gehen mochten (laissez faire). Und so konnte der Ultramontanismus ganz ungehindert auch seine Militärorganisation, welche jetzt als vollendete Thatsache vor unseren Augen steht, und eine geistige Streitmacht geschaffen hat, die zu dem auf dem ganzen Continent herrschenden Militarismus das unverkennbare Gegenstück bildet. Centralisation gegen Centralisation (Kirche und Staat), - man kann die Analogie mit den Händen greifen! Der Priesterstand ist wie der Offizierstand, nur zu ei- nem viel festeren und weiterreichenden Zusammenhang organisiert. Hier wie dort, dasselbe Commando von oben herab, dieselbe Disziplin, dieselbe stan- desmässige Denkweise, dieselbe exclusive Bildung durch Seminare oder Cadet- tenhäuser. Und so ist diese Organisation auch auf dieselben Zwecke gerichtet, nehmlich auf Herrschaft, nur Herrschaft von verschiedenerer Art und in ver- schiedener Weise angestrebt. Hier eine ganz handgreifliche Herrschaft mit ebenso handgreiflichen Mitteln, dort alles spiritualistisch angelegt, obwohl auch die temporalia zur Ehre Gottes gar nützlich zu verwenden sind. Was sonst noch dem Staate wie der Kirche als Gegenstand der Sorge obläge (wie beispielsweise das arbeitende Volk), kommt wenig in Betracht, so lange nur die Herrschaft sicher gestellt zu sein scheint.“ Jetzt sage mir einer, Constantin Frantz wäre ein tumber KirchhofsFritze gewe- sen? Bewahre, das war er natürlich nicht. Frantzens umfassende Bildung und historische Erfahrung hätte man gerne. Heute machen die Arbeiterverräter die Politik.

07. Oktober 2018 - Constantin Frantz Subjekt ist immer das RechtsSubjekt, nicht der Mensch. Den „Gehorsam gegen die Staatsgewalt zu sanktionieren“ sind sie angetreten,

5 / 130 sagte Frantz. Zudem ist es so, dass der Staat sich Verdienste aneignet, die ihm nicht gehören, weil sie unsere PrivatAngelegenheit sind. Es ist nicht hinnehm- bar, dass der Staat sich anheischig macht, Erster zu sein unter den Blinden und der Bürger des Staates, dessen private Sache dabei verhandelt wird, der Letzte. Gehen wir noch einen Schritt weiter. Frantz nennt eine Enteignung ohne Entschädigung eine Rechtsberaubung, bzw. eine Beraubung der Selbständigkeit des RechtsSubjekts. Frantz: „So weit greift heute die Begriffsverwirrung und der Parteigeist, dass die anerkanntesten Grundsätze juristischer Interpretation beiseite geschoben werden.“ Ich musste sofort an den Merkelschen Freigeist und an dessen unabweisbare Folgen denken. „Überhaupt ist der Begriff der Wohlfahrt der dehnbarste und unbestimmteste, den es gibt, so dass sich keine positiven Rechte daraus ableiten lassen. Sonst kämen wir folgerichtig am Ende auf den Standpunkt des einst berüchtigten Wohlfahrtsausschusses (zu Bismarcks Zeiten), der wirklich nichts anderes that, als aus der Sorge für das öffentliche Wohl seine Ermächtigung abzuleiten sich über alles bestehende Recht hinweg zu setzen.“ Wenn wir da mal nicht wieder angekommen sind. „Das ist das Erste. Das Zweite, dass auch hier seitens der Reichsgewalt wieder dieselbe Maxime hervortrat, welche die ganze Politik seit 66 charakterisiert. Nähmlich mit Handlungen zu beginnen, welche das bisherige Recht umstossen, und dann auf Grund vollendeter Thatsachen ein neues Recht zu schaffen.“ Und ja, es gäbe, sagte Frantz, ohne die „Gewissenhaftigkeit“ keine Religiosität: „Möchtest du auch die ganze Dogmatik im Kopfe haben, so ist sie leeres Stroh, wenn sie keine Überzeugungstreue bewirkt.“ Nun, dann wollen wir das Stroh in den Köpfen unsrer Obern offenbar werden lassen, dass ihr Recht, auf das sie sich berufen, nicht aus dem Staat abzuleiten ist. Hierzu haben wir einen weite- ren Beleg: Das Christentum „gibt der Staatsgewalt keine neuen Rechte, aber es legt ihr allerdings neue Pflichten auf. So hat es auch keine Krone geschaffen, ausser nur die Dornenkrone; alle anderen Kronen hat der Goldschmied ge- macht.“ Das ist die Idee des christlichen Staates, nach Frantz. Stattdessen möchte man die Sache umkehren und aus dem christlichen Cha- rakter des Staates Rechte der StaatsGewalt ableiten, welche dadurch so hoch gestellt sein soll, dass ihr qua Infallibilität rechtlich nie beizukommen wäre. Gerade, als ob die Staatsgewalt etwas Göttliches sei, als was sie doch für den Christen nicht gelten kann und nur im Heidentum der Brauch war. „Unser Herrgott hat keinen Staat gestiftet, er hat den Menschen geschaffen. Den Staat aber haben die Menschen selbst zu Stande gebracht und er ist auch da- nach, mit allen Gebrechen und Sünden der Menschen behaftet. Wollte man hiergegen einwenden, dass die Mangelhaftigkeit des Staates seine göttliche Stiftung so wenig ausschlösse, wie die Mangelhaftigkeit des Menschen sein ge- schaffensein von Gott, so besteht nach biblischer Lehre dennoch eine unüber- schreitbare Kluft zwischen dem Einen und dem Anderen. Denn der Mensch war

6 / 130 ursprünglich rein geschaffen, er ist erst durch seine Schuld der Sünde verfallen, wie er auch der Erlösung harrt, der Staat hingegen, von unreinen Händen ge- macht, ist nie unschuldig gewesen, wie er auch nie erlöst wird. Er bleibt immer nur der Racker, wie einst Friedrich Wilhelm VI gesagt haben soll, und wenn diese Erde vergeht, so ist er überhaupt verschwunden. Es ist in Wahrheit nichts Unsterbliches in ihm. Nur die Rechtsideen, welche sich an die göttlichen Gebo- te anschliessen, haben in so weit selbst etwas Göttliches, nicht die Staatsfor- men. Deshalb steht auch das Recht über dem Staate, nicht aber ist es selbst erst aus dem Staate abzuleiten, noch weniger stehen Staatsinteressen über dem Rechte (…) Das ganze Gerede unserer Conservativen vom christlichen Staate ist aber eitel Sophisterei, und weit eher eine antichristliche als eine christliche Lehre zu nennen.“ Der Christ hat es nicht leicht, so dass selbst der unchristlichste Standpunkt, wie von Dühring vertreten, immer noch ein wenig christlicher wäre, als der offiziell gepredigte und ewig unerlöste Staatssozialismus! Kennen wir doch Kirchen- männer und -frauen, die in die Politik wechselten und umgekehrt. Eine Belehr- ung war darin nie erkennbar. Freilich, solche politische Frauen, wie sie Rita Süssmuth und Angela Merkel verkörpern, sie haben uns in die Pflicht genom- men. Folglich müssten wir danach fragen, in welche Pflicht sie uns denn haben nehmen wollen. Ich würde sagen, durch Frau Merkel ist das Ganze der an den Staat gehefteten Rechtsidee einmal mehr ad absurdum geführt worden. Das Menschliche hat, wenn ich Frantz richtig verstehe, in dem Satz: „ … die Reli- gion reicht unbedingt über den Staat hinaus“, seine Abgründe. Nun, Kriegs- parteien sind nicht allein bloss die Staaten, sie haben meist nur die schmutzigen Hände.

08. Oktober 2018 - Constantin Frantz Das Widersinnige in der christlichen Lehre von Frantz mit dem StaatsBürger heute. „Gleichwohl ist es richtig, dass der Staat zur Wissenschaft und zum Unterricht ein viel näheres Verhältnis hat, als zur Religion und Kirche. Denn ganz abge- sehen von ihrer auf das Überirdische zielenden Bestimmung, steht die Kirche schon ihrer realen Unterlage nach nur mit einem Fusse auf dem Gebiete des Staates, mit dem anderen darüber hinwegschreitend und die ganze Christenheit umfassend, wie dies in thesi auch für die evangelische Kirche gilt. Die Wissen- schaft ist zwar ihrer Tendenz nach, wenn schon in anderer Weise, nicht minder universal, allein die wissenschaftlichen Anstalten, so hoch sie sich auch erheben möchten, behalten immer den Charakter einer besonderen Existenz, als diese einzelne bestimmte Anstalt. Man kann sagen, sie stehen mit beiden Füssen auf dem Gebiete des Staates. Es gibt keine allgemeine Corporation der Gelehrten, oder es wäre nur eine unsichtbare Corporation. Ist ferner der Staat gar nicht betheiligt bei der Zweckbestimmung der Kirche, so ist er es allerdings in der

7 / 130 Zweckbestimmung der Lehranstalten. Ein thätiges Eingreifen des Staates, in- nerhalb gewisser Grenzen, ist hier so berechtigt wie geboten. Nach der Analogie des Staatskirchenrechtes gesprochen, hat er dabei nicht bloss ein jus circa sacra, sondern auch in sacra. Nur soll er wissen, dass auch in der Schule wirkliche sacra vorliegen, welche nicht nach blossen Staatsmaximen zu beurtheilen sind. Denn immer geht der Mensch hoch über den Bürger hinaus.“ Hoch, höher, immerdar aufwärts! Womit wir endlich informiert darüber sind, woher der politische Murks resultiert. Der mündige Bürger unsres Staats, wenn er denn je mündig gewesen sein sollte, ist der brave Untertan der Parteien, wel- che ihn genüsslich wie eine Weihnachtsgans mit Bildung stopfen, um ihn hin- terher auszunehmen.

Nun, ich mochte Constantin Frantz an den Anfang setzen, weil es mir wichtig schien, auf das real-existierende Missverhältnis im heutigen Bürgertum, und al- so zwischen der Kirche und dem Staat, hinzuweisen. Es ist gleichgültig, aus welchem katastrophalen Grund heraus man die halbe Welt zum Sozialfall er- klärt, um sie daraufhin nach Deutschland zu importieren, das widerspricht einer jeden socialitären Ordnung, wie wir sie verstehen. Der Staat des ancien regime ist gleichsam jenes Messer aus der Preisschrift Rousseaus, welches im Baum- Stamme steckt und woran der Baum schliesslich verbluten muss. Der Gewalt- Staat spielt hierin die Rolle des letzten Aufrechten. Denn es ist der feudale Ge- waltStaat des ancien regime, der eines nicht zu fernen Tages mit der Kirche ver- schwinden wird. Kirche und Staat sind Dioskuren.

09 Oktober 2018 - Constantin Frantz Nationalliberalismus und Judenherrschaft. „Die Berliner Kreuzzeitung (uns vom Geh. Rath Wagener her noch bekannt) hat von ihrem Anfang an eine markierte Antipathie gegen den Einfluss des Juden- thums kund gegeben, und um wie viel mehr gegen die Herrschaft solches Ein- flusses. Hatte sie sich doch ausdrücklich mit dem Zeichen des Kreuzes ge- schmückt, den christlichen Staat zu ihrer Parole gemacht, und in besonderer Be- ziehung auf Deutschland christlich-germanische Principien zu vertreten sich ge- rühmt. Wie viel Missbrauch nun auch mit solchen Begriffen getrieben werden mag, ist doch so viel gewiss, dass der Staat in demselben Masse aufhört christ- lich zu sein, als er dem Einfluss des Judenthums erliegt, wie es auch mit dem Germanismus nichts mehr ist, wo vielmehr judaisierende Tendenzen aufkom- men. Dass dies aber wirklich geschieht, darüber hat sich ja die Kreuzzeitung oft genug ereifert, und thut das gelegentlich bis heute. Hätte sie nur auch das alte Sprüchlein beherzigt: dass jeder allererst vor seiner eigenen Thür zu kehren ha- be. Denn gerade in Preussen ist es, von wo aus jetzt die Herrschaft christlich-ger- manischer Principien untergraben wird, und insbesondere muss wieder

8 / 130 als das eigentliche Centrum der deutschen Judenherrschaft gelten. Es ist in die- ser Hinsicht viel entscheidender als Wien, obgleich, bloss materiell betrachtet, das Judenthum dort eine noch breitere Basis haben mag als in Berlin, weil die österreichische Monarchie einen noch stärkeren Procentsatz jüdischer Bevölke- rung enthält als der preussische Staat. Allein diese Monarchie kann in ihrer heu- tigen Lage überhaupt keinen entscheidenden Einfluss auf das abendländische Europa mehr beanspruchen, welchen Preussen hingegen gar sehr beansprucht. Und solcher Anspruch wird dermalen durch glänzende Siege getragen. Auch ist ja Österreich kaum jemals ein Boden der Initiative gewesen, und während man in Wien immer nur sehr wenig mit geistigen Kräften zu operieren verstand, hat man darauf in Berlin seit lange einen besonderen Wert gelegt, und besitzt in Berlin dazu ohne Zweifel weit mehr Hebel als der österreichische Kaiserstaat. Das haben die Juden mit ihrem scharfen Blicke alsbald erkannt, sie wissen, wie viel jetzt auf Berlin ankommt. Wie sie daher Berlin zum Hauptstützpunkt jü- discher Wissenschaft und Literatur gemacht, so concentrieren sie dort auch je mehr und mehr ihre Capitalien, wozu noch ausserdem die Annexion von Frank- furt, wo bisher das jüdische Capital eine so grosse Rolle spielte, einen beson- deren Anlass darbot. Denn was ist das heutige Frankfurt, seitdem es aufhörte ei- ne freie Stadt und Sitz der Bundesversammlung zu sein? Eine verschwindende Grösse im Vergleich zu Berlin. Mit der ehemaligen Bedeutung der Frankfurter Effektenbörse ist es seitdem vorbei. War diese Stadt gleichwohl der Stammsitz des Hauses Rothschild, - und wie viel besagt dieser eine Name! - so ist wohl nichts natürlicher, als dass dieses Haus den Stützpunkt seiner Unternehmungen, sei es direct oder indirect, jetzt vielmehr in Berlin sucht. Und wie Vasallen sich an ihren Lehnsherrn anschliessen, so werden andere kleinere Bankhäuser das- selbe thun. Da muss die Berliner Börse rasch empor kommen. Schon haben Berliner Chauvinisten damit geprahlt, dass nicht nur für ganz Deutschland, sondern für den ganzen Continent das Börsencepter auf Berlin übergegangen sei, und die dortige Börse hinfort dieselbe Stelle einnehmen werde, welche so- lange die Pariser Börse einnahm. Nun wohl, so weiss man auch, was die Pariser Börsenherrschaft für Frankreich bedeutete, nehmlich kurzweg die Judenherr- schaft. Und was würde folglich die Berliner Börsenherrschaft in Zukunft für Deutschland bedeuten? Indessen datiert das Emporkommen des Judenthums in Berlin keineswegs von gestern. Die Anfänge davon reichen vielmehr bis auf den grossen Friedrich zurück. Den hatte die Noth des siebenjährigen Krieges dazu getrieben, ver- schlechterte Münzen prägen zu lassen, die dann mit Hülfe der Juden in Cours gesetzt wurden, - daher man diese schlechten Stücke nach dem Juden Ephraim „Ephraimiten“ nannte, - und damit war wohl die Bahn gebrochen, welche den Juden allmählig einen Einfluss auf die preussische Finanzverwaltung verschaf- fte. Sie hatten ihr eben zu tief in die Karten gesehen, als dass sie keinen Nutzen davon zu ziehen gewusst hätten. Dazu war durch die Erwerbung Schlesiens,

9 / 130 wie später West-Preussens und des Netzedistrikts, das jüdische Element, wel- ches vordem in Preussen sehr geringfügig gewesen, auf einmal ziemlich be- trächtlich geworden. Noch viel mehr aber wirkte die dem Christenthum abge- wandte, sogenannte aufgeklärte Denkart, die unter Friedrich zur Herrschaft kam. Auf dem Standpunkte solcher Aufklärung konnte der deistische Popular- philosoph Mendelsohn am Ende für einen ebenso guten Christen gelten als ein Nicolai, der vom positiven Christenthum ganz eben so wenig besass. Was nur irgendwie für aufgeklärt galt, floss seitdem in eine Brühe zusammen, in welcher gar bald der Judenverstand und Judenesprit als Fettaugen obenauf schwammen. Von da an also die geistreichen Juden und Jüdinnen, die dann eine so hervor- ragende Rolle in der Berliner Gesellschaft spielten, und deren Stamm bis diesen Tag immer neue Zweige trieb, obgleich der Esprit eher im Abnehmen als im Zunehmen begriffen war. That nichts, denn um so breiter wurde die Wirkung, in dem das Judenthum allmälig in alle Zweige der Kunst, Wissenschaft und Lite- ratur eindrang, und insbesondere die Tagespresse in Beschlag nahm.“ Es ist wichtig, dass wir von diesen Ereignissen hören, weil man die Deutschen undifferenziert des Antisemitismus bezichtigt. Dabei waren es doch ihre hohen Politiker, welche hauptsächlich verantwortlich für die Politik und das Recht des Reichs nach 1848/66 gewesen sind. Niemand sonst hätte sich an der Nase zu packen, als wie der politische Michel, welcher sich nun als moralische Instanz aufspielt, als wäre seine Mache gleichwohl eine andre als die damalige. Dabei ist der Ausgang des politischen Wesens immer derselbe: es geht um Macht. War die Macht damals etwa anders verteilt, als heute? Die Gesellschaft eine andere? Der Adressat der Politik ein anderer? Die Machtmittel andere? Der Mensch ein anderer? …

10. Oktober 2018 - Constantin Frantz Nationalliberalismus und Judenherrschaft 2 „Einen weiteren Fortschritt begründete nach dem Tilsiter Frieden (1807) die neue Gesetzgebung, welche den Juden im bürgerlichen Leben fast völlige Gleichstellung mit der christlichen Bevölkerung gewährte, womit sich sogleich eine allgemeine Gewerbefreiheit und Freizügigkeit verband, wie sie in dem übrigen Deutschland lange Zeit hindurch noch gar nicht oder nur in viel gerin- gerem Masse bestand. Überhaupt herrschte seitdem das liberale Ökonomie- system in Preussen, welches in dem übrigen Deutschland zum Theil erst nach 66 zur Geltung kam, und da dieses System thatsächlich zur Geldherrschaft führt, ist es begreiflich genug, wie das geldmächtige, und in allen capitalis- tischen Unternehmungen von Haus aus gewandte Judenthum dadurch auch eine viel einflussreichere Stellung in Preussen gewinnen musste, als ihm dies in den meisten anderen deutschen Staaten möglich war. Dem geistigen Einflusse des Judenthums schien zwar die mit den Freiheitskriegen angeregte Reaction gegen die Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts entgegen zu wirken, allein gerade

10 / 130 in Berlin hatten die damals proclamierten christlich-germanischen Principien am wenigsten Wurzel geschlagen. Der preussischen Bureaukratie blieb das für immer etwas Fremdartiges, und was den Berlinismus als solchen anbetrifft, so dürfte das specifisch christliche ein ebenso schwaches Element desselben bilden als das specifisch germanische, und sein Hauptbestandtheil vielmehr eine kos-mopolitische Cultur sein, mit welcher sich der jüdische Geist sehr leicht in Rap-port setzen kann. Die Hegelsche Philosophie war sogar durch ihre abstracte Di-alektik der jüdischen Denkweise durchaus congenial; sie brauchte nur die dog-matischen Phrasen fallen zu lassen, womit die Althegelianer sich noch christlich aufputzten, und das Junghegelthum stand mit dem literarischen Judenthum auf vertrautestem Fusse. Dann anderseits Schleiermacher - wie hätte die christliche Limonade, welche dieser Theologe in spinozistischen Gläsern auf platonischem Präsentierteller servierte, ein wirksames Antidot gegen den Einfluss des jü-dischen Geistes zu bilden vermocht? Die Verflüchtigung des positiven Christen-thums wurde dadurch nicht minder befördert als durch die Hegelsche Schule. Und welchen Erfolg endlich konnten die Versuche Friedrich Wilhelms IV. zur Erweckung eines christlich-germanischen Geistes nach solchen Präcedenzien noch haben? Vielmehr war es die Herrschaft abstracter Begriffe und rationalistischen Theo- rien, welche in Berlin immer mehr fortschritt, und im Jahre 48 ihren vollsten Triumph feierte. Ein Triumph, der nun am meisten wieder dem Judenthum zu Gute kam, weil nun die Juden damit das volle Staatsbürgerrecht gewannen. Erst von da an trat ihr Einfluss, der bisher doch vorzugsweise nur durch persönliche Verbindungen und im Stillen gewirkt hatte, ganz offen und sogleich mit den weitreichendsten Ansprüchen hervor.“

Dasselbe Laissez faire! und Es geht wieder Alles, wie Gott es will.

Man sieht im letzten Absatz aber doch sehr schön, was die Gesellschaft des ancien regime vom heutigen Bürokratismus auszeichnete.

„Die Verjudung , auf dem geistigen wie auf dem materiellen Gebiete, schritt von da unaufhaltsam fort. Weder das Ministerium Manteuffel noch die neue Ära trat dem entgegen. Beide waren selbst mit dem Judenthum liiert. Dass aber die christliche Staasidee rundweg bei Seite geschoben, und so der Judenherrschaft wie ausdrücklich alle Thore geöffnet wurden, - das datiert doch erst von 66, und das darauf begründete neue Reich hat mit seinen Milliarden auch sofort die wirksamste Unterlage gegeben. Wie die Juden die ihnen damit gebotene Gelegenheit zu nutzen wussten, davon zeugen die Gründungen, davon zeugt die Presse, davon zeugt das ganze heutige Preussen, und obenan das ganze Leben des heutigen Berlins. Schon ist es dahin

11 / 130 gekommen, dass dort überhaupt kein öffentliches Unternehmen irgend welcher Art mehr möglich ist, wobei nicht Juden ihre Hand im Spiele hätten und bald das grosse Wort führten. Um den Juden willen sind dann aber alle Beziehungen zu dem Christenthum von vornherein ausgeschlossen, nur die sogenannte neue Humanität darf sich noch äussern, und so ist der christliche Geist thatsächlich für impotent erklärt. Angesichts dessen mag jetzt die Kreuzzeitung darüber lamentieren, so viel ihr beliebt. Was bedeutet solches Lamento einer Partei, die hingegen zu den Ereig- nissen von 66 applaudierte, wo doch gerade alles darauf angekommen wäre, dass die angeblichen Repräsentanten der christlichen Staatsidee mit allen ihren Kräften für diese Idee eintraten, um sie vor dem vollen Untergange zu retten? Statt dessen ist durch den Machiavellismus von 66 der christliche Staat zu Hohn und Spott geworden, und diese Partei hat Bravo dazu gerufen! Bravo also, wenn ein Reich gegründet wurde, welches vom Christenthum so rundweg abstrahiert, dass es selbst die Existenz desselben ignoriert, und damit eine Verfassung ent- stand, welche ganz eben so gut für Türken und Heiden als für ein christliches Volk gelten könnte! Ist es denn so verwunderlich, dass in demselben Masse, als das Christenthum aus dem öffentlichen Leben hinausgewiesen wurde, statt sei- ner dann um so mehr das Judenthum einzog, und sich alsbald um so behaglicher darin einrichten konnte, als die neue Gesetzgebung noch obendrein die Grün- derfreiheit brachte, und die Milliarden und die dazu erforderlichen Specula- tionsmittel gewährten? Da sitzen nun die Kinder Israel in dem neuen Reiche wie in Abrahams Scho- osse, und wer ihnen in Zukunft noch vom christlichen Staate reden sollte, dem werden sie die Antwort ins Angesicht speien. Sie haben das unbestreitbarste Recht dazu, sie können es mit der Reichsverfassung in der Hand demonstrie- ren, wie Shylock sprechend: ich bestehe auf meinem Schein. Denn inhaltlich dieses Scheines ist das neue Reich deutscher Nation nicht berechtigt, noch irgendwie christliche Allüren anzunehmen, und wäre es auch nur um des äus- seren Anstandes willen. Dass aber dieser für die Kinder Israel denkbar wünsch- enswertheste Zustand eingetreten ist, das verdanken sie dem Hrn. v. Bismarck, der mehr für sie gethan, als jemals in Deutschland geschehen ist. Sie dürften ihm eine goldene Ehrensäule errichten, er hat das wohl um sie verdient.“

Machen wir uns nichts vor, in groben Zügen ist das die Signatur unsrer Epoche. Wir haben den inneren Zusammenhang der hier hervorgehobenen Tatsachen und Begebenheiten von damals zu heute darzulegen, um auf den Standpunkt zu gelangen, von welchem aus allein die Judenfrage - hier 1874, und wenigstens sechs Jahre vor Dühring (1881) - richtig zu beurtheilen ist. Es hat sich gezeigt, dass es nichts andres als die Principien des Nationalliberalismus sind, welche die Judenherrschaft zur unabweisbaren Folge hatten. Wohlan, sind noch Fragen

12 / 130 zur Charakteristik des nationalliberalen Staatsguts von ehedem? - Nein? Dann können wir, mit einem Dank an Constantin Frantz, diese erste Sitz- ung beenden.

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13 / 130 Dühring und das linksfaschistische Milieu ______

Beginnen wir mit einem Stoss ins Herz der Restauration. 23. Oktober 2018 - evangelii gaudium

Dührings Anti-Hegelianismus positiver Art. „Wir brauchen eine von der mannigfaltigen Thatsächlichkeit unabhängige Norm, ja in den gesteigerten Bethätigungen sogar etwas unbedingt Mustergül- tiges für das Seinsmoralische Urtheil. (…) Wen die starke Betonung der Nothwendigkeit innerer Muster befremden sollte, der möge sich mit der theoretischen Parallele dazu vertraut machen. Auch die letzten Urtheile über den Schematismus von Sein, Welt und Natur stammen aus einer gedanklich maassgebenden Nothwendigkeit, nicht aus Thatsachen. Unser Gesetz der bestimmten Anzahl und die nächsten daran geknüpften Folgerungen waren gedankliche Satzungen und nicht etwa Auffassungsbilder (Phänomene) oder auch nur Abstraktionen (Kategorien) vom Thatsächlichen. Wäre dem nicht so, so gäbe es überhaupt nichts, was über die Empirie hinausreichte, und wir hätten kein Mittel, die empirisch unzureichenden Seinsbegriff auch nur formell zu ergänzen und abzuschliessen. Analog würde uns in der universellen Seins- moral jeder prinzipielle Ausgangspunkt fehlen und hiemit diese ganze Art von Werth und Unwerthbestimmungen in Nichts zusammenfallen, wenn wir nicht in den Beschaffenheiten und in dem Strebensinhalt besserer Subjectivitäten die Entscheidungsnormen anträfen. Theoretisches und praktisches Urtheil haben daher dieselbe Quelle; wie über Wahrheit und Unwahrheit, so wird auch über Güte und Schlechtigkeit entschieden, und es liegt hier durchaus keine Hypothe- se eines rätselhaften oder gar mystischen Urtheilsvermögens vor. Wer die eine Art der Nothwendigkeit begreift und den theoretischen Widerspruch nicht duldet, der kann auch in die andere Art der Nothwendigkeit eindringen und den praktischen Widerspruch ausschliessen. Bedurfte es zu jenem Act des nöthigen Verstandes und der entsprechenden logischen Zugänglickeit, so bedarf er zu diesem sozusagen eines Charakterverständnisses, welches selber wiederum nur vom ausgeprägten Charakter ausgeht.“

Sein und Charakterkunde. Für uns Alle konstatierbar, dass Dühring der theoretischen sowohl, als auch der praktischen Zwiespältigkeit den Abschied gibt. Er wollte sich auf die Winkel- fechtereien eines Kant (Metaphysik) gar nicht erst einlassen. Was reicht er uns stattdessen? Er dringt ins Herz der Charakterkunde. Die Welt ist eine Notwen-

14 / 130 digkeit und doch ist sie eine Komposition aus den mannigfaltigsten Dingen und Stoffen, vom Kleinsten bis zum Grössten, in der Freiheit besteht, sonst bräuch- ten wir von Freiheit nicht reden. Was in der Natur, das ist in uns, das geschieht mit uns! Doch merke: Wir haben hier nicht dem Naturalismus das Wort geredet. Der Mensch ist nicht von Natur, wenn er auch ihr historisches Produkt ist, so steht er doch der Natur gegenüber. Wir würden sonst keine Erkenntnisse über die Natur beziehen. Wir haben hier den Beweis angetreten, dass Dühring für die Vielen nach ihm, einerseits Quelle der Inspiration und genausogut aber auch des Plagiats gewor- den ist, und er sich bei der Elite von der Universität womöglich für seine alles überragende Urtreilskraft, ob seines Anti-Anti-Semitismus und Anti-Chauvinis- mus (Jud und Junker), welchen er euch entgegenschleuderte, auch noch zu ent- schuldigen hätte? Der Bücklinge gegen dieses Gewerbe hat es gar viele gege- ben, doch zum Bessern gereichten sie nicht. Es ist seit Jahrzehnten das Gleiche. Die jüdischen, als wie die reichs-deutschen Epigonen, die nach ihm kamen, sie alle blieben aussen vor, oder sie wurden ignoriert und heute will man zudem nicht wahrhaben, dass es jüdische Epigonen gegeben hat, die um Dührings Sa- che besser informiert waren, weil sie freiere Menschen waren, als die gemeinen Kohlschwärzer.

26. Oktober 2018 - „Unrecht soll zu Recht umgemünzt werden ...“, Alice Weidel. Diesen Satz sagte Frau Weidel im Bundestag. Heute ist diese Aussage ende- misch zu nennen. Dühring benennt denn auch die Hauptquelle allen Unrechts, an dem wir heute überwiegend kranken. Ich möchte sie euch nicht vorenthalten: „Bisweilen hat man schon die blosse Existenz von Individuen als einen noth- wendigen übeln Umstand angesehen. Man hat sich dabei scholastisch vorge- stellt, es habe einen Übergang von einer ursprünglich ungetheilten Einheit des Seins zu individueller Zersplitterung stattgefunden. Diese Meinung wurzelt in Gedanken, denen eine ursprünglich Alles absobierende Einheit überlieferungs- und gewohnheitsmässig als Nothwendigkeit erschien. (So das Christentum.) Sie verwechselt überdies Einheit mit Einigkeit; letztere kann auch zwischen Indivi- duen vorhanden sein, während erstere, wenigstens in dem gemeinen Sinne, alle Selbständigkeit und Freiheit des Daseins vernichtet. Vor falschen Einheitsvor- stellungen muss man daher auf der Hut sein; durch einen in der fraglichen Wei- se aufsaugenden Zusammmenhang würde mehr aufgezehrt, als je von Seiten der Individuen unter sich möglich ist ...“ Das der GewaltStaat, wir setzen das Wort für das Wort Recht. Dühring setzt dieses Wort sogar für das Wort Rache. Kurz: ohne Chance auf einen gerechten Ausgleich gegenüber dem Staat, muss das Individuum verlieren und vernichtet werden. Was früher den jüdischen Münzfälschern vorbehalten (siehe oben),

15 / 130 nämlich das MünzGeld zu verunreinigen und zu strecken, das erledigen nun die Kredit- und Zettelfälscher der Banken. Es war eben immer die Politik, die Sel- biges in Umlauf setzte.

27. Oktober 2018 „Es ist stets die Beschaffenheit und nicht etwa die Handlung, was uns obigen Satz vom Unrecht, welches zu Recht soll umgemünzt werden“ erklärt. Es gibt ein leichtfertiges Gerede davon, das man sie an ihren Taten erkenne soll. Oder wie sagte Dühring in die „Quelle des seinsmoralischen Urtheils: (Die) blosse Thatsächlichkeit an sich (ist) nie maassgebend für das Seinsollende. (Eine) bessere Subjektivität (ist hierfür) wesentlich“, ja die Voraussetzung. Dies gilt dann freilich auch für alle Urteile, die wir treffen. Zumindest begründet dies ein Weniges, warum wir bereit sind Urteile zu fälschen oder gar zu verfälschen. „Ein Fundamentalpunkt bei jeder moralischen und umsomehr bei einer weltmoralischen Betrachtung ist der Widerstand gegen den Einfluss des bloss Thatsächlichen auf die Vorstellung. Der Umstand, das etwas Thatsa- che, dass es zur Wirklichkeit geworden ist, darf uns nicht im Mindesten impo- nieren. Ausgeführte Verbrechen sind auch vollendete Thatsachen, und gelun- gene Schlechtigkeitsvollführungen, womöglich mit auch übrigens glücklichem Ausgang für die Thäter, sollten unser Urtheil nur noch mehr schärfen.“

28. Oktober 2018 - fetor judaica … 29. Oktober 2018 - Es ist eine falsche Rede vom Antisemitismus. Unser Freund Oswald Külpe. „Die Probleme mehren sich, statt zusammenzuschrumpfen und jeder Anstieg eröffnet neue Blicke in bisher unbekannte ...“ - Gefahren, so Oswald Külpe. „Von dem Positivismus ist die wirksamste philosophische Opposition gegen die Hegelsche Philosophie (und Theologie) ausgegangen, weil er nicht dies oder je- nes Resultat derselben bestritt oder eine andere Metaphysik an ihre Stelle zu setzen suchte, auch nicht den Kampf auf das praktische Gebiet hinüberspielte, sondern einfach und schlagend die Methode und die Voraussetzungen der abso- luten Philosophie in Zweifel zog. Es gibt nach dem Positivismus in der Philo- sophie keine andere Methode, als die in den Einzelwissenschaften geübte und anerkannte Methode der Forschung und Darstellung, und die Grenzen des Wis- sens, die für diese Disziplinen bestehen, sind auch die Grenzen der Philosophie - in diesen beiden Sätzen haben wir das allgemeine Bekenntnis des Positivis- mus. Nun sind aber die Grenzen der Einzelwissenschaften, sofern sie nicht lediglich formaler Natur sind, durch die Erfahrung bestimmt und durch alles, was dazu gehört, die Erfahrung denkbar oder verständlich zu machen. Darum wird auch die Philosophie nach dem Positivismus, sofern sie überhaupt Wis- senschaft sein soll, durch die Erfahrung begrenzt werden müssen, d.h. aber ent- weder selbst eine Erfahrungswissenschaft neben anderen oder eine Theorie der

16 / 130 Erfahrungswissenschaft sein.“ Eine Theorie der Erfahrungswissenschaften kann ich nicht leisten, dazu habe ich die Voraussetzungen nicht. Meine theoretische als praktische Fachausbil- dung kommt aus dem Druckbereich (Rotationsdruck). Von daher kommt meine Neigung zu Papier, Zeitungen und Zeitschriften, Büchern und Philosophie. Desweiteren Oswald Külpe zu Dührings Philosophie „Ausgangspunkt für die Philosophie ist die Wirklichkeit und die Wissenschaft vom Wirklichen, die Naturwissenschaft. Darum nennt Dühring sein System eine Wirklichkeitsphilosophie oder ein natürliches System. (In diesem Fall wäre dies die Natürliche Dialektik, 1865.) Als Vorgänger in der Richtung seines Denkens rühmt er Schopenhauer und Feuerbach, daneben auch Comte. Der Wirklichkeit gegenüber aber hat die Philosophie die Aufgabe, sie aufzufassen, wie sie ist, nicht aber das unmögliche Ziel, sie zu erklären, und etwas, was sie nicht wirk- lich wäre abzuleiten. Beschränkt man sich auf eine solche schematische Dar- stellung des in der Wirklichkeit Gegebenen, dann ist eine volle Erkenntnis möglich und jede skeptische oder kritische Anwandlung überflüssig.“

30. Oktober 2018 Oswald Külpe, die Klimarette und Hermann Schmitz. Entweder ich gehorche den Gesetzen der Natur, oder ich gehorche den Gesetzen der Menschen. Welche Rolle der Dühringsche Positivismus und der Külpesche Naturalismus, alias die Lebensphilosophie in der Theorie Dührings spielt, wer- den wir gleich gewahr. Die Einsicht verdanken wir Külpe: „Mit einer eigentüm- lichen Regelmässigkeit stellt sich von Zeit zu Zeit die Forderung ein, man solle natürlich sein und leben, sich als Glied der Natur fühlen und betrachten, den Gesetzen der Natur gehorchen und sie als Normen für das eigene Verhalten an- erkennen.“ Dühring sagte, dass die Natur dies von sich aus jedenfalls nicht tut. Külpe: „Dabei hängt es selbstverständlich von der besonderen Art des Unnatürlichen oder Naturwidrigen ab, was man in seinem Kampf gegen dasselbe als das Nor- male oder Ideale proklamiert.“ Da hat Külpe sicherlich den Nerv getroffen. Es liegt selbstverständlich an uns, was wir als natürlich oder naturwidrig empfin- den. Wir sind der Ausgangspunkt (Person), insofern ist Dühring, wie ich denke hiermit bewiesen zu haben, kein Naturalist. Für mich ist er der erste konse- quente LebensPhilosoph auf dt. Boden und daher rührt, ob wir es wollen oder nicht, sein Antisemitismus. Desweiteren lässt sich von Külpe lernen, dass Her- mann Schmitz philosophischer Urvater Ludwig Feuerbach gewesen ist. Külpe zählt Feuerbach zu den Naturalisten.

31. Oktober 2018 Mit dem Wohlstand wächst die soziale Korruption. Als ich zur schönsten Oktoberfest-Wiesen 1998 nach München kam, war wenig

17 / 130 später in Fürstenried, im Münchner Süden, eine Veranstaltung der CSU, bei der Peter Gauweiler, er ja kein Geringer in der Partei, zugegen war. Mir ist in Er- innerung geblieben, das man sich bei ihm ob der Schulklassen mit z. T. 80% Ausländeranteil beschwerte. Wir sind im Jahr 2018 nach der Bayerischen Land- tagswahl und nach über 10% StimmenVerlusten für die CSU und etwa ver- gleichbar auch für die SPD, die mit insgesamt 9-KommaPunkten noch unter die historische Marke von 10% Stimmenanteil nach dem Krieg rutschte. Das sind jetzt über zwanzig Jahre her, wo ich nach München gekommen war, um dort in der DruckIndustrie zu arbeiten. Was ist seither passiert? Was haben die Christ- Sozialen seither gemacht? Nun, sie haben nichts von Bedeutung gemacht, um dem EinwanderungsDruck abzuhelfen. Im Gegenteil, er ist, dank Merkel, noch angestiegen. Das der poli- tische Wohlstand Bayerns, eines der wirtschaftstüchtigsten Bundesländer der Republik. Die Hintanhaltung bzw. Verdummung der Bevölkerung durch die Po- litik ist in dieser Hinsicht ebenso gewachsen, als wie der wirtschaftliche Wohl- stand, indem man dem laisser faire-Prinzip genügte. Was aber sagte Peter Gauweiler nach der Schlappe der Lantagswahl von vor zwei Wochen? Er sinnierte laut darüber nach, dass es mit der Alternative keine Gespräche geben werde. Er war übrigens nicht der Einzige, denn die gesamte CSU-Führung redete denselben heillosen Schmarren. Na dann, Herr Gauweiler, wenn das ihr Verständnis für eine Politik für die Bayern ist. Man mag nicht hinschauen, was bei uns derweil an Unzumutbarem abgeht. „Unrecht soll zu Recht umgemünzt werden.“ (Alice Weidel) Wer wirtschaftliches Unrecht be- geht, der kann sich nicht auf das Recht berufen. Was in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Gründerzeit, das ist am Anfang des 21. Jahrhunderts die Niederreissung der Grenzen durch Politik und Wirtschaft. Für eine Alternative in der Politik wurde es höchste Zeit. Sind wir frohen Mutes, dass wir die Alter- native haben.

01. November 2018 - Raben, und ein verschwundenes Aas. Wo vor Tagen ein graufelliger todter Fuchs im Gras lag, schleichen die Raben umeinander und beäugen den Boden, als ob es dort etwas gäbe, was wir nicht sehen. Das todte Tier selbst ist verschwunden. In der Natur kommt nichts um. Selbst die Verwesung hat gleichsam einen Nutzen für andere. Weiter unten nach Grabow hin, streckt ein Huhn sein Arschloch in die Luft und als ich ran bin, rennt es wie gestochen weg. Dühring. Bewusstsein. „Nur was wirklich als sich selbst gleich beharrend festgestellt werden kann, eignet sich auch dazu, in jeden Zustand und gleichsam in jede Vergangenheit zurückverlegt zu werden. Wenn es nämlich wirklich etwas absolut Veränder- ungsloses ist, so kann von Acten und und zeitlich aneinandergereihten Zahlen bei ihm keine Rede sein.“

18 / 130 Dühring. Leitfaden. „Die Materie, sowie auch jeder besondere Stoff ist der Träger von Allem, was sich bethätigen mag; ohne den Leitfaden der Materialität gibt es im Thatsäch- lichen keine Erkenntnis und kein sicheres Urtheil, welches gespenstischen un- wirklichen Vorstellung entginge. Dieses Beharrliche ist unser Orientierungs- mittel, an welchem wir die Identitäten und Reproduktionen unmittelbar erken- nen, während das Bereich des Kräftespiels erst Untersuchungen erfordert, damit in ihm das beharrliche Substrat erkannt und von den wandelbaren Kräfteformen unterschieden werde.“ Wirklichkeitsphilosophie.

02. November 2018 „Das eintägige Geschlecht“ (…) „zwischen Ost und West vollzieht sich die Weltgeschichte“, sagte Constantin Frantz. Er meinte in einem offenen Brief an Richard Wagner (Bayreuther Blät- ter, Juni 1876), dass die antike Welt durch die Christianisierung „unaufhaltsam in sich selbst abstarb.“ Gerade deswegen starb das alte Rom und die Welt um es herum, und übrig blieb die Heiligung der KreuzGeburt. Man darf gespannt sein, bis wann es der Hebrä- erwurm endlich geschafft hat, aus dem alten Europa ein Schmelztiegel für die Dritte Welt zu machen, wo die Einheimischen bloss die Sklaven für die Steuer- eintreiberei sind. Ich höre die Hiebe auf die Rücken peitschen; - nun, bis anhin wird sämtliche Freiheit zwecks der Wohlfahrt und der ihr notwendig anhangen- den Verwaltung, welche die Münder zu stopfen hat, erstorben sein. Drum also, fleht zu Gott, um Gnade! Nordkirchen LandesSchafsGesicht Gerhard Ulrich hat dazu aufgerufen, eine gnädige Gesellschaft zu bauen: „Wir könnten versuchen, unsere Urteile über die Welt und den Nächsten nicht zuerst aus dem zu gewinnen, was ihm oder ihr al- les fehlt“, sagte er vor Gästen auf dem Reformationsempfang der Nordkirche in Greifswald. Als Beispiel für die „herrschende Gnadenlosigkeit“ führte er den Rückgang des Respekts gegenüber anderen an. Er kritisierte, dass Menschen, und also keine SchafsKöpfe, wie er, sich im Schutze der Anonymität sozialer Medien zunehmend ermutigt fühlten, „mal so richtig die Sau rauszulassen, dem anderen mal so richtig die Meinung zu geigen und dem Hass freien Lauf zu las- sen - ungebremst.“ (SVZ) Da frage ich mich: was ist wohl trauriger zu nennen, der Zustand der Welt oder nicht viel eher der des Herrn? Man restauriert die Mecklenburgischen und die Pommerschen Klöster, aber es wohnt niemand mehr darin. Und Europa wird es ebenso ergehen. Es restauriert die Klöster, es wird aber niemand mehr darin sein, von dem man sagen könnte, er sei ein Christ. Frantz zu Wagner. „Endlich aber, diese Reichsidee hatte sie nicht selbst wieder ihre Grundlage in der christlichen Weltsicht? Damit war erst recht die universale Tendenz gege-

19 / 130 ben, durch welche das Christentum in der Tat erst seine welterneuernde Kraft bewähren konnte, während die antike Welt trotz ihrer Christianisierung unauf- haltsam in ich selbst abstarb, so machte es sich wieder ganz natürlich, dass das Kernland des Germanentums zur besonderen Stütze der Kirche wurde, an deren Herrschaft, nach damaliger Lage der Dinge, die christliche Entwicklung ge- bunden war. Darum hiess das Reich das heilige. Wurde infolge dessen auch der Kaiser zu einer halbgeistlichen Gestalt, so spielten noch mehr die kirchlichen Gewalten in die Reichsverfassung hinein, in einem Masse, wie sonst in keinem andren europäischen Lande geschehen. War es nicht wieder die natürliche Folge davon, dass nun umgekehrt die deutsche Nation sich hinterher für berufen und befugt hielt, die allgemeine Kirchenreform in die Hand zu nehmen? Denn allge- mein sollte sie sein. Hatten sich mit den Reformbestrebungen eines Huss spe- zifisch czechische Tendenzen vermischt, so verfolgte Luther hingegen keine spezifisch deutschen Tendenzen, sonst würde vielleicht die Reformation in Deutschland zur vollen Herrschaft gelangt sein. Stattdessen schlug das Unter- nehmen nach seiner allgemeinen Tendenz fehl, und endete selbst in Deutsch- land in konfessioneller Spaltung. In das Reich war damit der Todeskampf gelegt, es war fortan eine gebrochene Existenz. Von einer deutschen Nationalentwicklung im vollen Sinne des Wortes, konnte überhaupt keine rede mehr sein. Was folgt aber daraus? Nichts andres, meine ich, als dass die Geschicke der deutschen Nation nur um so mehr an die geschicke des Christentums gebunden sind, da diese Nation eins nur wieder werden kann, wenn der christliche Geist sich auf einen Standpunkt erhebt, für welchen die konfessionelle Spaltung verschwindet, nachdem drei Jahrhunderte genügend gezeigt, dass eben so wenig der Protestantismus sich rekatholisieren, als der Katholizismus sich protestantisieren lässt. Töricht daran zu denken. Es handelt sich vielmehr um eine Entwicklung, die über den Gegensatz hinaus führt, und zu welcher dann die Reformation selbst nur ein Durchgangsstadium gewesen sein wird. An solcher geistigen Entwicklung zu arbeiten, dazu muss die deutsche Nation sich eben so um ihrer selbst willen getrieben fühlen, als um der ganzen abendländischen Christenheit willen, durch welche seitdem die Spaltung hindurch geht. Ich kann diesen Gedanken hier nicht weiter ausspinnen, die politische Er- örterung würde sonst zur religionsphilosophischen werden. Aber auch so schon fällt damit das hellste Licht auf das Wesen des heutigen neudeutschen Reiches, und so ist das entscheidendste Urteil darüber gesprochen. Denn weit entfernt, jener grossen Aufgabe irgendwie dienen zu wollen, charakterisiert dies soge- nannte Reich sich gerade dadurch, dass es vom Christentum, als einer für seine Zwecke gänzlich gleichgültigen Sache, von vorn herein abstrahiert. Es ge- schieht dies so sehr, dass aus dem Inhalt der Reichsverfassung in keiner Weise zu ersehen wäre, ob dieselbe für eine christliche, oder etwa für eine moham- medanische oder heidnische Bevölkerung bestimmt sein möchte, sie scheint

20 / 130 vielmehr für eine überhaupt religionslose Bevölkerung bestimmt zu sein.“ Noch sind wir nicht fertig. „Weil nun aber mit dem blossen Ignorieren des Christentums nichts getan ist, sondern in der Welt zuletzt immer nur das Positive gilt und sich durchsetzt, kon- nte es auch kaum anders geschehen, als dass damit, an Stelle des ehemaligen heiligen römischen Reiches deutscher Nation, ein Reich entstand, welches tat- sächlich schon im vollen Zuge ist, sich als ein deutsches Reich jüdischer Nation zu entpuppen, welches allerdings in Berlin, wo schon heute das Kommunalle- ben, wie das wirtschaftliche und das geistige Leben, ganz unter jüdischem Ein- fluss steht, die geeignetste Herrschaft finden dürfte. Das ist die Perspektive. Was hätte das damalige deutsche Kaisertum solcher Wendung der Dinge entge- gen zu setzen? Jedenfalls keine geistigen Kräfte, da es prinzipaliter selbst nur als ein Heermeistertum auftritt, verbunden mit dem Generalinspektoriat über Posten, Telegraphen und Eisenbahnen, dazu aller geschichtlichen Grundlagen entbehrend, lediglich ein Resultat der Siege in Böhmen und Frankreich.“

03. Oktober 2018 Die Probleme von heute lassen sich sicherlich von verschiedenen Seiten her be- leuchten. Dabei scheinen mir die kontradiktorischen Aspekte der Herren Frantz und Dühring noch am geistreichsten, weil am zutreffendsten. Doch ein Aspekt trifft alle Probleme gleichermassen: keines der Probleme von heute ist gänzlich neu. Frantz ist ein Charakter. Nach der europäischen Organisation scheint ihm die soziale der Massen im Innern ein noch viel dringlicheres Bedürfnis, um der Repression durch die Reaktion zuvorzukommen: „…so leuchtet doch ein, wie jede tiefgreifende soziale Reform unmöglich bleibt, so lange der aus dem Man- gel einer internationalen Ordnung entspringende Militarismus den Völkern im- mer grössere Lasten auferlegt, und die öffentlichen Gewalten in die Richtung drängt, dass ihnen die Militärorganisation für wichtiger gilt, als die Organisa- tion der Arbeit.“ Was ist der Arbeiter ohne eine militärische Führung? Er ist ein Anarchist. Und das will niedergehalten werden, da sei Gott vor. Was also sagte Frantz? „Ein Staatsmensch, wozu ihn die akademische Theorie machen wollte, ist der Deutsche nicht, der Staat hat für ihn nur eine sekundäre Bedeutung. Man hat aber die Sache umgekehrt, indem man prinzipaliter auf Staatsverfassungen aus- ging, in deren Ausbildung die praktische Tätigkeit der Nation sich konzentrie- ren sollte, indessen die internationalen wie die sozialen Fragen weit in den Hin- tergrund traten. So von unsrer wahren Bestimmung abgelenkt, gerieten wir in eine Richtung, in der sich hervorzutun das Deutschtum am allerwenigsten be- rufen ist, und wodurch gerade den dringensten Bedürfnissen kein Genüge zu leisten war. Denn wie wenig bei unsrem Parlamentarismus herauskam, dürfte allmählich allgemein empfunden werden.“ Wenn ich Kanzelerin Merkel und deren Koalition anschaue, dann empfinde ich

21 / 130 dieses Ungenügen mindestens genauso, wie Frantz zu seiner Zeit. Den Bau des Nationalheiligtums, Berliner Reichstag, hat er in seinen letzten Jahren noch er- lebt. Was also wird er empfunden haben, als die Bildung des Dt. Reichs durch eine absorbierende Verwaltung und Militarisierung. Ich kann versichern, dass Dühring hierin kaum anders dachte. Die Sache ist zu eindeutig. Die Zentrali- sation und Monopolisierung auf den Staat ist der Todt einer jeden geistigen Bil- dung.

06 November 2018 Die Diebe von heute schreien: Haltet den Dieb! - Haltet den Dieb! - wie in den biblischen Zeiten zu Judäa, da schrie man das auch. Die Analyse des biblischen Kalbs aus Gold ist mir ebenfalls gelungen. Das Kalb steht in ihrer Mitte, unauffällig, worum sie aber ausgelassen tanzen und schreien: Mehr! … Mehr! … Mehr! … Mehr! … Mehr! … Mehr davon! … und so ins Unaufhörliche fort.

18. November 2018 Nach 3wöchiger Übersetzungsarbeit am Laptop. Francoise Wiersma-Verschaffelt: „Een Tragische Vriendschap. Ludwig Klages en Theodor Lessing“, Selbstdruck, Leiden 1968, steht im Internet. Die Broschüre ist meines Erachtens nicht übersetzt. Mir ist keine Übersetzung ins Deutsche zu Gesicht gekommen. Man benutzt Wiersma-Verschaffelts Titel in schönster Reihenfolge, man plustert sich auf, doch niemanden ist es einge- fallen, danach zu fragen: was steht denn darin? ...

WebAdresse: eugen-duehring.com

19. November 2018 Ein NZZ-Journalist sagt die Wahrheit. A la une: Aufruhr in ganz Frankreich. Kommentar: Wutbürger gegen Macron. „Zu Hundertausenden blockieren die Gilets jaunes Strassen im ganzen Land. Sie wehren sich gegen neue Steuern auf Treibstoffen, gegen einen Staat, der nach ihrer Wahrnehmung immer mehr fordert und immer weniger bietet, und ganz persönlich gegen Präsident Macron, der ihnen als Präsident der Reichen erscheint.“

SVZ. Der böse Bube. Fast noch wichtiger ist mir hiesige Nachricht aus der SVZ von heute. Wir haben es sozusagen mit der Intelligenz von Kolkraben zu tun. Titel: Kolkraben schlim- mer als der Wolf. Die Killer warten in Bäumen: Vögel töten frisch geborene Lämmer. Sternberg. Der Wolf gilt als der Bösewicht, der überall Schafe reisst, doch verlieren die

22 / 130 Schäfer im Lande viel mehr Tiere durch einen anderen Räuber - Kolkraben. In diesem Jahr haben Tierhalter in MV mehr als 100 von Wölfen gerissene Schafe, Kälber oder Dammhirsche gemeldet. Dabei hat allein die Landwirtschafts- gesellschaft Gross Raden bei Sternberg nach eigenen Angaben mehr als 300 Lämmer durch Kolkraben verloren. Wie Geschäftsführer Dietmar Schulz berichtet, hält das Unternehmen nahezu 4000 Mutterschafe. Jedes Tier wirft in der Regel ein Lamm. Die Hauptlammzeit ist im April und im Mai. Je später, desto mehr Kolkraben warten in den Bäumen am Rande der Koppeln auf die Lämmer. Noch während der Geburt stürzen sich die Kolkraben auf die Tiere, erzählt Schulz. Die Mutter hat kaum eine Chance, ihr Neugeborenes zu verteidigen. Die Vögel hinterlassen ein wahres Blutbad, beschreibt der Schäfer die Situation. Die Lämmer sind sofort todt, ihnen werden die Augen ausgehackt oder die Leiber aufgerissen. In den Ställen reicht der Platz nicht für alle Schafe und ihren Nachwuchs. Dort lammen nur die Muttertiere mit Zwillingsgeburten und die allerersten, wenn es noch kalt ist. Schulz sieht die Gefahr, dass es im kommenden Jahr noch mehr todte Lämmer geben wird. In den vergangenen jahren hat er genau Buch geführt: anfangs wa- ren es nur einige wenige Kolkraben, die seine Herden bedrohten. Den Bestand schätzt er inzwischen auf vielleicht 300 Vögel. Stürzte sich anfangs lediglich ein Vogel auf sein Opfer, so sind es jetzt ganze Scharen. Das sichert den An- greifern vollen Erfolg, wie Schulz und seine Mitarbeiter in diesem Sommer wiederholt beobachteten, ohne erfolgreich einschreiten zu können. Das geht alles rasend schnell. Zu Zeiten der Jäger und Sammler machten Mensch und Vogel einst gemein- same Sache. Die Kolkraben führten die Menschen (?) zu den grasenden Tier- herden. Waren die Jäger erfolgreich, wurde das Wild noch vor Ort zerlegt und der Rest für die wartenden Fährtengeber zurückgelassen. Inzwischen sind die längst zu Selbstversorgern geworden. Vor rund 80 Jahren waren die Kolkraben in Deutschland nahezu augerottet. Inzwischen haben sich die Bestände auf- grund von Schutzbestimmungen erholt, auf bundesweit 9000 Brutpaare. Für Schulz ist eine vertretbare Bestandsgrösse damit längst überschritten. Er fordert seit Jahren, die Jagd wieder aufnehmen zu dürfen.

21. November 2018 Jupiters Spruch habe ich von Johann Jakob Bachofen abgeschaut: Nec metas rerum, nec tempora pono, Imperum sine fide deni. „So war jede auf Repräsentation des Volkes gegründete Verfassung dem Alter- thum völlig fremd und seinem Geiste entscheiden zuwider. Wie ganz anders zeigt sich die auf dem Christenthume und den ursprünglichen Anlagen des germanischen Geistes beruhende neuere Zeit! Religion, Staat und Sitte vereinigen sich, jedes in seinem Gebiete, alles individuelle, persönliche,

23 / 130 scharf gezeichnete, einzelne Auftreten in den Hintergrund zu drängen, zu ver- nichten. - Die Sitte verlangt vor allem eine absolute Unterordnung des Einzel- nen unter die Ordnung der Gesamtheit. Der Staat verschlingt in sich alles; Indi- viduum, juristische Person, Corporation. In dieser Idee des Staats löst sich alles Einzeldaseyn; das ist das A(lpha) und O(mega) unseren heutigen Staatsrechts, das Republiken und Monarchien gleichmässig beherrscht. Die Religion vol- lends macht es uns zu einer heiligen Pflicht, nicht uns selbst zu leben, sondern stets nur der grossen Gemeinschaft, als deren unmerklichen Theil sich der Ein- zelne zu betrachten hat.“ Schuld, und wenn sich die Leichenberge noch so hoch stapelten, war das Chris- tenGeschwerl nie. Das die dunkle Seite ihres Gottes. „Welche dieser Zeitansagen ist nun die Entwicklung des Privatrechts günstiger, in welcher wird dieses sich zu grösserer Vollkommenheit ausbilden können, in jener, welche uns das Prinzip des individuellen Übergewichts zeigt, oder in die- ser, die das Individuum recht eigentlich vernichtet? - Täuschen wir uns nicht. Erhaben und grossartig ist das Gebot unserer Religion, nach einem Backen- streiche auch noch die andere Backe zum Schlage hinzuhalten. Aber ebenso gewiss ist es, dass die Herrschaft aber alles menschlichen Rechts da aufhört, wo die jenes moralischen Prinzips beginnt.“

25. November 2018 Dühring. Wie man uns unter die Natur zwingt. „Das Gesetz ist eine Regel, die nicht blos einen Einzelfall zum Gegenstand ha- ben kann; denn sonst würde es blos eine einmalige Satzung und sozusagen ei- nen einzigen Verwaltungsact der Natur bedeuten. Eine Wiedervollziehug des- selben Vorgangs unter denselben Bedingungen ist das Merkmal jeglicher Regel- mässigkeit oder Gesetzlichkeit. Schon aus dieser Eigenschaft der Naturgesetze können wir entnehmen, dass sie uns zunächst in der Richtung nach vorwärts, als dann aber auch in derjenigen nach rückwärts, nichts weiter lehren können, als was sich später etwa wiederholen wird oder früher schon ebenso vollzogen hat.“ Dühring. Indem man wirkliche Neuerungen durch Gesetze verhindert. „Wollten wir über den Kreis blosser Wiederholungen hinaus, so müssten wir überhaupt über das Gebiet blosser Regeln in dasjenige von Einzelbestimmun- gen hinübergreifen (…) Dem eigentlich Geschichtlichen steht in der Natur die Entwicklung der organischen und lebendigen Welt am nächsten; aber eben hier bestätigt es sich auch am handgreiflichsten, dass Veränderungswiederholung noch nicht die Einführung eines wirklich neuen Typus in sich schliesse. Der letztere ist eine hinzukommende Thatsache; denn unter den früheren Gebilden kann sich noch kein Gesetz ergeben haben, welches die Erstehung eines noch nie gekannten Typus aus der thatsächlichen Erfahrung abstrahiert enthalten hät- te.“

24 / 130 Dühring. Bedeutung der Wirklichkeitsphilosophie. „Währen wir darauf angewiesen, in der Erkenntnis bei lauter Naturgesetzen stehen zu bleiben, die blos das Wiederkehrende angeben, und gestatteten wir uns überdies, das ganze Naturspiel durch einen Inbegriff solcher Naturgesetze gedeckt zu denken, so kämen wir aus einem Kreislauf ewiger Wiederholungen nicht heraus. Dieser Kreislauf wäre obenein ein abgeschlossener oder wenig- stens erschöpfbarer Schematismus, und wenn alles Sein ausschliesslich in ei- nem System wiederkehrender Regelmässigkeiten bestände, so wäre sein Inhalt ein verhältnismässig dürftiger. Es trüge alsdann keine Fähigkeit in sich, aus dem einmal gesteckten Rahmen hinauszutreten, und die ewige Vorhaltung von blosser und bekannter Gesetzmässigkeit würde selbst für den bemessendsten menschlichen Sinn etwas Betäubendes und Abstumpfendes haben.“

26. November 2018 Das Positive in Dührings Theorie. „Die Freiheit unserer Ausblicke auf die Natur gewinnt, indem wir die Be- schränkung abthun, die uns auf den Gesichtspunkt blosser Wiederkehrgesetze bannt. Wir werden inne, dass die Hinnahme von Thatsachen, auch wenn diese nicht einem Wiederholungsmechanismus anzugehören scheinen, zur vollstän- digen Naturkennzeichnung unentbehrlich sei. Es zeigt sich also auch, dass der Begriff des Naturgesetzes nicht der letzte ist, wobei wir uns beruhigen können. Die Einzelthatsache, richtig festgestellt, ist der fundamentalste Ausgangspunkt; ob sie etwas Vorübergehendes oder Beharrliches enthalte, ob etwas ihr Gleiches oder Ähnliches wiederkehre, das sind zufällige Umstände und Eigenschaften zweiter Ordnung, die über das Wesentliche jenes Stücks Naturbethätigung nicht entscheiden.“ Wie man sieht, gibt Dühring sich nie mit dem blossen Allgemeinheiten, oder den Allgemeinbegriffen, zufrieden. Er will anhand einer Aussage etwas erken- nbares festgestellt wissen. Er lässt keine Regel gelten, die uns nicht direkt auf die Tatsache führt. Das ist das Prinzip der bestimmten Anzahl. „Der Gedanke ist es, der die Regel festsetzt“; entgegen den Naturalisten ist es also keineswegs et- was in der Natur vorgefundene, welches den Gedanken determiniert. „Diese ideelle Festsetzung oder Regel ist ohne Rücksicht auf einen bestimmten Zeit- ablauf oder eine bestimmte Raumdurchmessung, also schrankenlos für alle Zeit und allen Raum vorgeschrieben.“ Phantasten wissen das anders, besser. Ich benutzte eingangs das Wort Theorie, und nicht das Wort Philosophie. Dühring war vielmehr Theoretiker, als wie Philosoph. Man kann das nicht oft genug erwähnen, denn es ist und bleibt für Dührings Charakter massgebend. In seinen Worten gesprochen, hat der Düh- ringianer eine socialitäre Botschaft neben der theoretischen. Um unsre Sache zu krönen, werden wir jetzt einen echten Dühringschen Satz anfügen: „Wir beanspruchen hiemit nicht, das reale Princip rein gedanklich aus blossen

25 / 130 ideellen Bewegungsconceptionen bewiesen zu haben, sondern meinen nur, dass sich im Verhalten des Denkens und in demjenigen der Natur ein übereinstim- mender Typus enthüllt habe.“ Den Stellenwert, welchen Dühring in seinem Jahrhundert hat, kann man nicht hoch genug veranschlagen. Er übertrifft in Theorie und Scharfsinn das allgemeine Niveau. Der Marxismus wird uns weiter nicht tangieren; dessen Grab ist mit dem liberalen Bürgertum geschaufelt.

27. November 2018 Dühring. Der Mensch, der die Natur ergründet. „Erst wenn man die Natur concreter und grundsätzlich ohne falsche Scheu vom Standpunkt menschlicher Bestrebungen aus auf ihre Gesammtleistungen und ihren Charakter ansieht, kann es sich zeigen, wie jene eindringlicher geartete Naturergründung vor den gewohnheitsmässig beengten Naturansichten Erheb- liches voraushabe. Aus diesem Grunde müssen wir aber, ehe wir zur sozusagen moralischen Naturauffassung übergehen, das Wesen der gewöhnlichen Naturge- setze und deren Beziehung zu den Denknothwendigkeiten noch weiter untersu- chen.“

29. November 2018 Baal Müller und der letzte der Römer. Was das GutmenschenGeschrei Rassismus nennt, speiste sich vornehmlich aus dem Kolonialismus, jener modernen Eroberungsstrategie fremder Völker. Hier die Herren, die Eroberer und Guten, und dort eben die Untermenschen, die Min- derwertigen, die Neger, Schlitzohren und Schlitzaugen, die Mongolen und Hun- nen. Rassismus ist seither (!) eine politische Verantwortlichkeit. Auch wenn ich das jetzt nicht beweisen kann, habe ich hierüber eine feste Überzeugung gewon- nen. Was viele der Gutmenschen, und Gutmaschinen, die immer und überall be- scheid wissen, auch wenn sie nie dabei gewesen sind, vergessen: Rassismus ist insofern keine Idee, sondern eine durchaus handgreifliche Strategie der Gewalt. Deshalb bin ich der Meinung, dass, wer Dühring Chauvinismus und Rassismus vorwirft, dessen Intention in der Sache, und Dührings Sache war die socialitäre Gesellschaft, nicht verstanden hat. Ihr klebt an Begriffen, wie Rassenantisemi- tismus, Rassentheorie und dergleichen, welche längst überholt sind, weil es eben keine Theorie war, sondern ein Gewaltakt, dessen Ausdruck der Kolonia- lismus des 19. Jahrhunderts war. Eugen Dühring: „Anstatt stets blosse Thatsächlichkeiten hinnehmen zu müssen, vermag das Denken sich entwerfend, d.i. Ideell schaffend, zu verhalten und so etwas hervorzubringen, was, soweit die Operationen fehlerlos waren, auch dem Verhalten der Natur entsprechen muss.“ So, wie wir bedenkenlos bereit sind, biologische Triebe mit der Natur zu ver- wechseln, kennt die Natur Ähnliches nicht. Dass der Irrtum, wir wären von Na-

26 / 130 tur. Ich bin keinem Ei entschlüpft. Ich bin kein Pfau. Kein Känguru ist mein Zeuger. Genauso gedankenlos sind wir bereit, unser Denken an Begreiflichkei- ten zu heften. Solches sind Kategorisierungen, die wir errichten, aber es ist kein, wie Dühring sagte, entwerfendes Denken. Was soll uns das Buch von Baal Müller? „Alfred Schuler. Der letzte Römer. Neue Beiträge zur Münchner Kosmik: Re- ventlow, Schuler, Wolfkehl u.a.“, einer Publikation der Stiftung Castrum Pere- grini, bereits 2000 in Amsterdam erschienen. Schuler soll von den jungen Ger- manisten, Historikern und Philosophen wiederentdeckt worden sein. Sechs Bei- träge beschreiben Schulers Dichtung und Welterfahrung zwischen Archaik und Avantgarde, Positivismus und Esoterik, Naturalismus und Expressionismus. Nun, es sieht darnach aus, dass man vorweg schon ein Esoteriker sein muss, um die genannten weltanschaulichen Komplikationen alle unters Rad der Sonne zu zwingen. Schaut her, der Schuler war mit einer Menge weltanschaulicher Dinge behaftet, die wir, versteht sich, nachträglich, an ihm entdeckt haben. Die Frage wäre aber doch, ob Schuler, was die jungen Esoteriker bemühen, auch entsprechend gesehen und gehalten hat. Und da habe ich meine Zweifel. Schu- ler wird sich mit solcherlei Philosophatsch (Dühring) nicht abgegeben haben. Denn eines war Schuler gewiss nicht, - er war nicht der letzte der Römer. Das ist die Legende, die er übrigens selbst gestrickt hat und die Nachbeter des Mystagogen beten sie flott her. Schuler studierte in München Jurisprudenz und Archäologie. Er hat das Studium nach kurzer Zeit wieder abgebrochen. Alles, was man ihm vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nachsagen kann ist, dass er Bereiche der Literatur und Mystagogie beeinflusste. Was das aber mit rö- mischer Rechtsprechung zu tun haben soll, die für die gesamte abendländische Welt bis heute massgeblich ist, und mit dem römischem Leben selbst, das auf etwas gegründet war, ist unerfindlich. Vielmehr wird es wohl so gewesen sein, dass sich die Münchner Kosmik mehr dem Zufall der Begebenheiten und der daran Beteiligten verdankt. Siehe mein Essay: Diesseits des Völkermords. Theodor Lessing und Ludwig Klages.pdf.2018. Bei Klages war es stets so: hatte er mit eine Sache gebrochen und wollte er mit Sache und/oder Person nichts mehr zu tun haben, dann liess er sie schnöde beiseite, er wurde ignorant. Nachdem er sich einmal für die Lebens- philosophie ausgesprochen hatte, war ihm Dühring kein Pfifferling mehr wert. Die zwei spärlichen Äusserung, die es von ihm zu Dühring gibt (Registerband Gesamtausgabe), sagen immerhin, dass Dühring gute Kenntnisse übers Alter- tum besessen habe. Das ist mehr, als eine lapidar hingeworfene Notiz. Er hat Dühring nicht mehr beachtet, weil es ihm nicht tunlich schien, nachdem er sich einmal für Nitzsche entschieden hatte. Ich gehe davon aus, dass die tieferen phi- losophischen und weltanschaulichen Streitereien und Kämpfe des 19. Jahrhun- derts nicht kennt, der Dühring aussen vor lässt. Nur allein schon die Kategorie Antisemitismus verhindert hier vieles. Ich für meinen Teil, würde den Titel des

27 / 130 letzten Römers Eugen Dühring geben. Wenn jemand eine Ahnung von altrö- mischer Rechtssprechung hatte usw., dann gewiss er.

Sonntag, d. 02. Dezember 2018 Wirklichkeitsphilosophie. „... ein Zweck, der mit grossen Verlusten erreicht wird, bleibt darum doch noch ein Zweck (…) Man hege keine falsche Scheu, in der Weise des angegebenen Beispiels zu denken, sich also, wo es möglich ist, auf den Standpunkt der Ge- sammtnatur zu stellen und die Einrichtung im Lichte aller verfügbaren Verstan- desbefgriffe zu betrachten. Verstandeskategorien zu ächten“, wie man es bei uns heute macht, „weil sie gemissbraucht worden sind, zeugt von einem Mangel an Kritik“ … weil: ignorantia legis non excusat. „Der Missbrauch selber ist zu verwerfen, also beispielsweise die falsche, er- dichtende Theologie, aber nicht der Verstand und dessen Ausrüstung mit an sich unschuldigen Begriffen. Ein entgegengesetztes Verhalten ist die Abirrung neu- erer Jahrhunderte gewesen. Sie hat der Lahmlegung des Verstandes in die Hän- de gearbeitet; sie hat seine Bethätigung kahl und fahl gemacht, ja schliesslich in Wesentlichem auf Null reducirt. Demgegenüber ist es an der Zeit, mit dem le- bendigen Denken über die Gesammtnatur wieder vorzugehen und jene öde Epi- sode einer vermeintlichen Erkenntnistheorie (Kant), durch die allzu voreilig die Verstandestragweite bestritten wurde, als abgethan zu betrachten ...“ Wir kennen das von der gross-koalitionären Symbolpolitik, der man nicht zu entraten können meint. Wirkung gleich null, sie verschlimmert alles nur noch, weil man MissStände behebt, die man zuvor selbst verursachte. „Der Mensch hat überdies alle Mittel seines Geistes, also nicht bloss diejenigen seines abstrakten Verstandes, in Anwendung zu bringen, wenn er wirklich auf einen Weg der Naturergründung kommen will.“ Denn: „Sogar der Anschein von Anthropomorphismen darf hier nicht gleich abschrecken; denn zwischen den falschen Andichtungen des Menschlichen, also dem Missbrauch menschlicher Eigenschaften zur Charakteristik von Naturthat- sachen, und den zutreffenden menschlichen Analogien besteht ein ähnlicher Unterschied, wie zwischen einer kindischen und albernen Zwecklehre einerseits und einem Constatiren wirklicher Zwecke andererseits. Schliesslich müssen doch alle tieferen Ergründungselemente aus dem menschlichen Wesen entnom- men werden; denn woher sollten sie sonst kommen? Alle Denker von leben- diger und tief eindringender Geistesart sind unwillkürlich dahin gelangt, die Charakteristik von Sein und Natur mit den Mitteln menschlicher Wesensele- mente zu bewerkstelligen. Wo man auf diese Erkenntnisquellen verzichtete, verurtheilte man sich zugleich der Leerheit und Unfruchtbarkeit. Wir empfehlen also grundsätzlich ein menschliches Analogisiren und nur Vorsicht insofern, als bei jeder Vergleichung von Wesenselementen des menschlichen Innern und der Natur festzustellen ist, ob sie auf der richtigen Abstraktionsstufe gewählt seien

28 / 130 und daher einander auch wirklich entsprechen.“ Das ist im Prinzip eine Vorwegnahme der Lessingschen SphärenTheorie und also der Kategorisierung der Begriffe unter allgemeinere, wie es beispielsweise Idee, Bewusstsein und Leben sind. Dühring vermeinte ganz lapidar, dass das Denken das einzige sei, was uns bleibt und wer die Tasachen der Natur, wie beispielsweise den Todt, verneint, mehr als bloss verrückt sein muss. „Der Zweck wird am unmittelbarsten sichtbar im Organischen, und hiemit betreten wir ein Naturgebiet, in welchem bereits die Unterlage für das empfindende und bewusste Leben formirt ist. Letzteres führt aber schon zu derjenigen Betrach- tungsart die sich mit den moralischen Gesichtspunkten berührt. Wir werden demgemäss versuchen, den Weg zur Naturergründung unbedenklich auch von den moralischen Ansprüchen und Kategorien her zu beleuchten.“ Wer Eins und Eins zusammennehmen kann, der weiss um den theoretischen Ansatz.

Montag, d. 03 Dezember 2018 Wer Eins und Eins addieren kann, der weiss um den theoretischen Ansatz. Dühring. Die Moral wacht über die Tatsachen. „Die(se) Umstempelung der schlechten Mittel in angebliche Wege zum Guten ist das Äusserste an moralischer Ungesundheit, was das 19. Jahrhundert aufzu- weisen hat, und worin es eine traurige Auszeichnung vor andern Epochen su- chen mag (...) Solange nämlich die corruptiven Zustände dauern, wird es für die allem Mo- ralwidrigen und Verbrecherischen günstige Deutung der Thatsachen auch viele wahlverwandte Elemente geben, die im eignen Interesse geneigt sind, derartige Lehren als wahr und gut anzuerkennen und zu verbreiten.“ Das Corruptive erstreckt sich nicht bloss auf unsre eignen Gesellschaften, son- dern darüber hinaus ins unabsehliche. „Was unter solchen Verhältnissen ent- scheidet, ist nicht überhaupt das Maass der Fähigkeit, sondern es findet die Aus- wahl der Fähigkeiten nur unter Denjenigen statt, die dem herrschenden Schlech- ten dienstbar sein wollen. Hiemit ist aber nicht bloss das Gemüth, sondern auch schon der Verstand degradirt ...“ Dem ist aus unsrer Sicht nichts anzufügen, denn: „Der Verfall gesunden Wis- sens und genauen Denkens ist naturgemäss und verdientermaassen die Folge der gekennzeichneten Zustände.“

Mittwoch, d. 05. Dezember 2018 Dühring. Die Entwurzelung des Egoismus. „Erinnern wir uns noch, dass es auch Systeme gegeben hat, von denen der Ego- ismus in seinem verwerflichen Charakter darum nicht erkannt werden konnte, weil sie ihn selber zum Prinzip hatten. Dahin gehört unter den speculativen Sys- temen besonders das Spinozische; denn nach diesem ist der Machtegoismus

29 / 130 jedes Einzelwesens gleichbedeutend mit seinem Recht, und ein eigentlicher Ge- rechtigkeitsbegriff fehlt ganz, wie überhaupt in der hebräischen Überliefer- ung.“ Das könnte immerhin bedeuten, dass wir im Zeitalter des Spinozismus leben. Ich denke, dass das in Ordnung geht und Dühring der karrierebedachten Polit- Krapüle noch immer eine Menge an Kenntnissen der Rechtswissenschaft, der Ökonomie und vor allem deren Geschichte voraus hat. „Wer ganz wüst und ohne weitere Unterscheidung im Egoismus nur die Be- jahung des Ich sieht, wird ihm nichts entgegensetzen können, als eine ent- sprechend unkritische Verneinung des eignen Selbst und ein ebenso grundloses angebliches Eintreten für das Ich des Andern. Beides muss natürlich hohl und meistens auch heuchlerisch gerathen, wie es ja bereits unter einem entsprech- enden Volksstamm einst als besondere Lehre zur Welt gekommen. Der neueste Altruismus ist vollends eine reine Erdichtung, der in der menschlichen Natur, der rohen wie der cultivierten, Nichts entspricht. Obenein ist es komisch, die Endung „ismus“, die vielfach eine Entartung oder doch übermässige Bethä- tigung andeutet, grade da zur Markirung zu benützen, wo sie im gegensätz- lichen Ausdruck, nämlich im Worte Egoismus, jene so häufig stigmatisirende Rolle am entschiedensten aufweist. Ein wirklicher Altruismus wäre, wenn er eben mehr als blosse Fiction sein könnte, sozusagen eine richtige Anderssucht und hiemit eine tolle Parodie der Ich- oder Selbstsucht. Man hat also die Wahl zwischen Tollhäuselei, Heuchelei, Niaiserie, um sich jenes Gewächs zu deuten, das man allenfalls auch auf den Namen Nächstensucht taufen könnte.“ Bei der Tollhäuselei sind wir angelangt: zwei Diktaturen, die braune und die rote, gilt es zu bewältigen, da haben die Klugscheisser bei uns Arbeit genug für ein Jahrhundert, um ihrem Egoismus Sinn zu verleihen. „Es gibt eben in der menschlichen Natur kein besonderes und zugleich um- fassendes Princip, welches als Gegenstück zum Egoismus figuriren könnte. Der Egoismus ist ein Gebilde der Entartung und Verderbnis; wird letztere fernge- halten oder abgethan, so tritt ein natürliches und berechtigtes Princip hervor, und man bedarf durchaus nicht eines ausdrücklichen Gegensatzes oder Wider- parts. Die Fiction eines solchen Antiprincips ist stets etwas Künstliches und Un- natürliches gewesen.“

Donnerstag, d. 06. Dezember 2016 Dühring. Das Recht ist mit dem Unrecht gemischt. „Der Gewinn aus der Aufklärung über eine rationelle Interessenwahrnehmung mag aber noch so bedeutend ausfallen, er wird mit der Dämpfung des Egoismus nichts zu schaffen haben. Ja man muss hinzufügen, dass es auch eine Interes- senraffinirung geben kann, die auf einer zutreffenden Orientirung beruht, sich auf die Verhältnisse und besten Vortheile ganz wohl versteht, aber erst recht in eine eigentlich egoistische Haltung ausschlägt. Richtige Überschau und vielsei-

30 / 130 tig bethätigter Verstand können also hier zweiseitig und in einem doppelten Sin- ne wirken; sie können die Übel, die aus Unkunde und Unwissenheit entsprin- gen, allerdings vermeiden lassen, und zwar nicht bloss zu Gunsten der auf der einen, sondern auch der auf der entgegengesetzten Seite Betheiligten; sie schliessen aber auch zugleich die Fähigkeit ein, den eigentlichen Egoismus und hiemit die Ungerechtigkeit zu raffiniren und zu steigern.“ Für die Ära der Ehr- und Geldverdiener, also der Karrieristen am Vaterland, wie wir sie seit dem 19. Jahrhundert haben, war Dühring der am weitesten voraus Schauende. Ideologisch brauchte er dabei gar nicht sein. Ihm fiel es leichter, wenn er das moralisch-juristische Korsett der liberalsten aller Gesellschaften, und sozusagen die beste aller Leibnizschen Welten, auf Herz und Nieren über- prüfte. Im Rechtsstaat wird über das Unrecht stets mitverhandelt. Und so ist auch heute wieder das Recht mit dem Unrecht gemischt, weil das historische Unrecht fortbesteht. Das ist eine der wichtigsten Lehren Dührings. Deshalb ist das Meiste zu Dühring Geschwätz von Wichtigtuern, die in der Sache keinen Verstand beibringen, weil sie ihn von den staatlichen Einrichtungen her nicht haben, und haben dürfen. Der Staat selbst verzehrt mehr, als er schafft. Dühring. Nationalegoismus. „Unter den egoistischen Gestaltungen ist der Nationalegoismus einer der schäd- lichsten. Er deckt sich überdies mit dem Scheine des Gegentheils, indem sich das Individuum als Verfechter eines allgemeinen nationalen Interesse aufspielt und glauben zu machen sucht, das es statt einer Facon der Selbstsucht einem Ausbunde von Opferwilligkeit das Wort rede.“

Freitag, d. 07. Dezember 2018

Nicht Schwein, nicht Mensch, nicht Herr noch Tier Doch experimenteln können wir

Samstag, d. 08. Dezember 2018 Dührings personalistisches Schema 1 „Stehen sich also zwei Personen von national verschiedener Beschaffenheit ge- genüber, und gehört diese Beschaffenheit nicht etwa ausnahmsweise in die- jenige Kategorie von Wesens- oder Charakterelementen, durch welche an sich schon ein Unrecht oder eine Unfähigkeit zum Verkehr begründet wird, so bleibt die Nationalität für die gegenseitigen Rechtsbeziehungen gleichgültig. Jede von beiden hat sich mit der andern in Bezug auf Gerechtigkeit so zu benehmen, als wenn gar kein Unterschied vorhanden wäre. Nur auf dieser Grundlage können Freiheit und Friede zwischen beiden aufrecht erhalten werden. Solange also die nationale Mannigfaltigkeit menschlicher Eigenschaften im Bereich des Gutarti- gen bleibt, oder doch mindestens nicht selber die Ausprägung ungerechter Ge- sinnung einschliesst, muss der Grundsatz gelten, dass sich alle Rechte zwischen

31 / 130 den beiden Theilen ebenso bestimmen, wie wenn es sich einfach und in abstrac- ter Weise um Beziehungen zwischen Mensch und Mensch handelt. Das allge- meine Menschenrecht (zu diesem Zeitpunkt war von einer Charta der Men- schenrechte noch keine Rede) gilt ausnahmslos an erster Stelle, und die beson- dern Modificationen, die es in seinem Rahmen selbst zulässt, gründen sich stets auf natürliche Ableitungen und auf solche Schlussfolgerungen, wie wir sie schon früher für besondere Fälle dargelegt haben. Das Prinzip der absoluten, d.h. auch internationalen Ausdehnung aller Gerechtigkeit muss für die aufge- klärte Menschheit stets obenanstehen und für alles Weitere maassgebend blei- ben. Dieses Princip ist es aber auch, welches selbst dahin führt, schlechte natio- nale Eigenschaften, insbesondere die auf Verletzung der allgemein mensch- lichen Gerechtigkeit bezüglich, zu verurteilen und zu ächten.“ Man sollte wissen, was Dühring unter dem Wort der allgemein menschlichen Gerechtigkeit verstanden wissen wollte. Um das Sytem Dührings, d.h. dessen Personalismus zu verdeutlichen, setze ich folgenden aussagekräftigen Absatz hintenan: „Weit entfernt also, dass es etwa ein falscher Nationalismus wäre, der die Geg- nerschaften gegen schädliche Beschaffenheiten bestimmter Volksstämme er- zeugte, ist es vielmehr das Gegentheil nationaler Beschränktheit, was zu den im Interesse der Gerechtigkeit nothwendigen Gegensätze führt. Bornirter, um nicht zu sagen blinder Nationalismus ist nie etwas Anderes, als eine Form des Egois- mus, und zwar eine von meist sehr roher und sehr hässlicher Art. Er unterschei- det in der Bethätigung oder auch nur Vorwendung der nationalen Eigenschaften nicht zwischen übeln oder gar unberechtigten auf der einen und guten oder aus gerechter Gesinnung entspringenden auf der andern Seite. Auf zwei isolierte Personen bezogen, nimmt er sich so aus, als wenn er in Gestalt der einen, die jede von beiden sein kann, für diese das absolute Recht in Anspruch nähme, sich mit allen ihren Eigenschaften, guten und schlechten, mit rechter oder mit rechtswidriger Gesinnung, voll geltend zu machen und über die andre Person und deren Ansprüche hinwegzusetzen. Die verkehrte Meinung, zwischen Völ- kern und Völkern oder Staaten und Staaten gäbe es weder Moral noch eigent- liche Gerechtigkeit, hat viel davon verschuldet, dass auch heute die Brutalitäten des Nationalismus (hier grift unsere Kolonialismus-Theorie) noch nicht allge- mein als das durchschaut werden, was sie im Grunde sind. In der That gleichen sie nämlich den Übergriffen, Vergehungen oder gar Verbrechen, wie sie zwi- schen Person und Person statthaben und in diesem besondern Fall auch meist ziemlich zutreffend als solche erkannt werden.“ Haben wir es hier etwa mit dem Antisemiten, Rassisten und Nationalisten Eu- gen Dühring zu tun? Klar ist, der Fall Dühring liegt wesentlich tiefer, als man es uns weismachen möchte. Die Politik in ihrer Allgemeinheit wird zwar auch be- rührt, dies liegt aber nie im Bereich eines parteiischen Ermessens. „Stellt man die Person einzeln der Person nationalistisch gegenüber, so lässt sich gleichsam

32 / 130 mit Händen greifen, was ausbeuterische Absicht oder auch nur irgendwelche Überhebung dem andern Theil gegenüber zu bedeuten haben (...) Das Streben nach Verletzung, namentlich als stehende Eigenschaft, erzeugt auf der andern Seite dauernden und gerechten Hass und, wenn es noch obenein mit bornirter Überhebung auftritt, auch entsprechende Verachtung.“ Man kann gewiss sein, dass hier nicht bloss stehende Heere angesprochen sind, sondern vielmehr noch die moralische Übermacht gemeint ist, die in Form von Staat und Kirche die MenschenNatur niederdrückt - und die Fahne der Moral oben hält!

Sonntag, d. 09. Dezember 2018 Dührings Personalismus 2 „So wird z.B. der Antihebraismus, wenn er nicht selbst missrathen soll, Cha- rakterAntihebraismus sein müssen. Im Materiellen das Ausbeuterische (Gewalt) und im Geistigen das entsprechend frech Überheberische (Moral) werden die Haupteigenschaften sein, um deren willen man den fraglichen Volksstamm (es könnte genauso gut unser eigener sein) in auserwählter Weise zu zeichnen und demgemäss auch zu behandeln genöthigt ist.“ Denn siehe: „Hiebei ist schon die allgemeine Moral, nicht aber erst die bessere Beschaffenheit anderer Völker das Maassgebende. Am wenigstens wird aber der blinde Nationalismus anderer Völker ein Recht haben, von seinem Stand- punkt aus gegen die Hebräer aufzutreten. In der nationalen Selbstsucht ist er ih- nen mindestens ähnlich, wo nicht ihr Nachahmer. Der beschränkteste National- ismus, den die Welt kennt, ist eben der judäische.“ Wie aber kommt der judäische Nationalismus in den unsren? Richtig, dadurch dass wir ihn übernehmen und ihn zu unsrem Credo machen. Dühring ist hier der am konsequentesten und am ehrlichsten auftretende Kritiker der Juden und den Nationalisten und also den Nachahmern der Juden. Man kann nicht alles haben. Kein Philosoph und kein Theoretiker mit System, wird alle Zeit gänzlich ohne Fehler bleiben. Es liegt deshalb oft nur am Auf- nehmenden, dass er die Dinge analysiert, sondiert und zurechtrückt. Die Diffa- mierung und Pauschalierung ist freilich die Regel für solche, die sich der Mü- hen, einen Geist zu verstehen, entziehen, weil sie Scharlatane sind und weil der moralische Status quo danach ist. „Ein Vaterland als eigentliches Land hat er zwar nicht mehr, und auf ein solches ist es ihm auch nie dauernd angekommen; wohl aber hat er in der über die Erde verbreiteten Personenschaft das zum Gegenstand und Rückhalt, was immer die Hauptsache bildet.“ Nun denn, wir kennen die Schimpftirade vom vaterlandslosen Gesellen. Der ist von nationaler Seite aus wiederum der Widerpart zum Juden: „Das judäische Volk ist ihm mehr als Vaterland, statt auf einem Lande will es auf der ganzen Erde fussen und gleichsam die Welt zu einer Nationaldomäne machen. Es will

33 / 130 den Parasitismus überall ausüben und könnte daher als parasitisch national gel- ten. Es bekämpft allen andern Nationalismus, weil sich eben mit einem fal- schen, um nicht zu sagen verbrecherischen Nationalismus kein anderer verträgt. Es erscheint auf diese Weise dem Nichtkenner, der obenein durch die Einseitig- keit des geographischen Gesichtspunktes getäuscht wird, als international, während es doch nur die andern Nationalitäten als nichtberechtigt ansieht und unter der Maske des Kosmopolitismus, statt einer Ausgleichung der Nationen, theils instinctiv, theils aber auch bewusst, nur Hebräerpolitik betreibt. Ange- sichts dieser nationalistischen Zuspitzung hiesse es dem Judäerwesen (in dem wir selbst stecken) gegenüber eine Blösse herauskehren, wenn man die schwächlichen und dürftigen Angriffe, die auf dasselbe seitens irgendwelcher Spielart modernen, aber chauvinistischen Nationalismus gemacht werden, als etwas Ernstzunehmendes gelten lassen wollte.“ Die zwieschneidige Richtung des nationalen JudäerWesens müsste nach dem Obigen feststehen. Es ist das, über den eigenen historischen Staat hinausdrän- gende Wesen des nationalen Egoismus - und Kolonialismus, welches sich andre Völker unterjocht. „Im Gegentheil liegt in derartigen Stellungnahmen, gelinde gesagt, etwas Hoch- komisches. Nationale Bornirtheit und Eigensucht rennt hiebei gegen ihr eigenes Urbild an; mit einer vielleicht geringern Dosis versucht sie sich gegen einen Bereich, wo die schlechten Eigenschaften, mit denen sie selber gegen andere Völker kämpft, in ähnlicher Weise, aber in den hässlichsten Ausprägungen und in den grössten Dimensionen vertreten sind. Um modern zu reden, so will ein Chauvinismus nicht nur jeden andern abführen, sondern sich auch noch gar da- hin wenden, wo der auserwählte Nationalismus, ja der auserwählt schlechteste aller Nationalismen durch die ganze Geschichte sein Wesen getrieben hat und über die ganze Erde hin weitertreibt. Das wird nun geradezu possierlich, wenn eine moralische Missgestalt die andere zurecht setzen will! Ob es nun der Brutalismus (Kolonialismus) ist, der für sein plumpes und ungerechtes Drein- schlagen ein nationales Monopol in Anspruch nimmt, oder ob eine schleichend raubgierige Katzenhaftigkeit (Demokratismus) die Welt zum Schauplatz ihrer Schliche haben will, das läuft im Punkte der Ungerechtigkeit so ziemlich auf dasselbe hinaus. Vergewaltigung und Unterdrückung von der einen Form des Nationalismus, Beraubung und Betrug von der andern her, - diese Früchte sehen einander ziemlich ähnlich.“ Somit haben wir die theoretischen Grundlagen für Dührings Antisemitismus, der sich, wie bemerkt, um einiges weiter erstreckt, als bloss auf die Judäer des gleichen Bluts, gekennzeichnet. Der Judäerabkömmlinge vom Herrn gedenken wir an geeigneter Stelle.

Montag, d. 10. Dezember 2018 Rede Merkels zur Unterzeichnung des MigrationsPakts in Marrakesch.

34 / 130 „Es ist mir eine grosse Freude, heute hier bei ihnen in Marrakesch zu sein, und ich möchte den marokkanischen Gastgebern ganz herzlich danken, genauso wie den Vereinten Nationen (UN) und allen andern, die diese Konferenz ermöglicht haben. Ich glaube, heute ist ein sehr bedeutender Tag, denn wir treffen erstmals, auf globaler Ebene, eine umfassende politische Vereinbarung zur Migration. Es war richtig, dass sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2016 mit zwei Themen beschäftigt hat: auf der einen Seite mit dem Thema der Flucht, wo die rechtliche Grundlage ja die Genfer Flüchtlingskonvention ist, und auf der anderen Seite mit dem Thema der Migration, das ein genauso mil- lionenfaches Thema unserer Welt ist. Es ist auch klar unterschieden worden zwischen Flucht und Migration, was besonders wichtig ist und deshalb sind zwei Pakte daraus entstanden, und beide werden ja im Dezember jetzt von der Vollversammlung angenommen. Und gerade heute, am 70ten Jahrestag der Ver- abschiedung der Erklärung der Menschenrechte, vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, ist es ein gutes Zeichen, dass wir uns auch mit dem Schicksal der vielen Millionen Migranten auf der Welt beschäftigen und ganz natürlich noch einmal festhalten, dass die universellen Menschenrechte, für jeden Menschen, in jedem Land, auf unserer Erde gelten. Meine Damen und Herren, es ist heute so, dass wir diesen Pakt verabschieden, der ausdrücklich sagt, und das zeigt der Titel schon, dass es um sichere, geord- nete und reguläre Migration geht. D.h. dieser Pakt beschreibt mit seinem Titel sein Ziel ganz klar, und es zeigt sich, und es ist auch ganz natürlich, dass dieses Ziel nur durch multilaterale Zusammenarbeit erreicht werden kann. Und des- halb kann man eigentlich sagen, dass es hohe Zeit ist, dass 70 Jahre nach Verab- schiedung der Menschenrechtscharta nun endlich wir uns auch gemeinsam ein- mal mit dem Thema der Migration beschäftigen. Migration ist etwas, was ganz natürlich und immer wieder vorkommt, und wenn es legal geschieht auch gut ist. Ich will darüber berichten, dass Deutschland ein Mitgliedsstaat der Europä- ischen Union ist. Wir kennen innerhalb der Europäischen Union die Freizügig- keit, die ist zum Zwecke der Aufnahme von Arbeit, das ist ein Teil unseres Bin- nenmarktes und das schafft uns mehr Wohlstand. Deshalb ist die Arbeitsmigra- tion innerhalb der Europäischen Union klar geregelt, auch entsprechend der Prinzipien dieses Paktes. Es geht um gleiche Bezahlung, gleiche Arbeit, es geht um vernünftige Standarts. Das alles ist also für uns selbstverständlich innerhalb der Europäischen Union. Deutschland ist ein Land, dass auf Grund seiner demographischen Entwicklung auch in Zukunft vermehrt Fachkräfte auch aus Ländern ausserhalb der Europäischen Union brauchen wird. Also haben wir ein Interesse an legaler Migration, - aber natürlich in souveräner Selbstbestimmung, was in unserem Interesse liegt, - und das sagt der Pakt ausdrücklich,. Er sagt, die Mitgliedsstaaten bestimmen souverän ihre Politik, und gleichzeitig ist er auch rechtlich nicht bindend. Wir werden also im Fachkräfte-Bereich auf solche

35 / 130 legale Migration angewiesen sein, und mit anderen Ländern darüber sprechen, was in unserem Interesse liegt. Allerdings wissen wir, dass es auch im Rahmen der legalen Migration, wie sie heute auf der Welt vorkommt, z. T. Menschen ausgesprochen unfairen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind. Kinderarbeit ist heute immer noch Realität. Schlechteste Arbeitsbedingungen sind Realität, und dagegen geht der Pakt vor, und das ist auch richtig so. Und dann haben wir den grossen Bereich der illegalen Migration, und hier sagt der Pakt, dieser illegalen Migration ganz klar den Kampf an. Er bekennt sich zum Grenzschutz, er be- kennt sich zur Bekämpfung von Schleusern, er spricht dafür, dass alle Men- schen mit vernünftigen Personaldokumenten ausgestattet sein müssen, und er redet über die Rückübernahme von Staatsangehörigen, die sich illegal in einem anderen Staat aufhalten. Und wir alle wissen doch, welchen Gefahren sich Men-schen aussetzen, wenn sie in die Hände von Schleppern und Schleusern geraten. Und ich möchte an dieser Stelle der internationalen Organisation für Migration, die ja auch eine grosse Aufgabe im Zusammenhang mit der Um- setzung dieses Paktes haben wird (das muss, wenn ich richtig informiert bin, das Internationale Rote-Kreuz-Kommitée mit Sitz in Genf sein) einmal danken für ihre Arbeit, die sie in so vielen Ländern tut und damit Schlimmeres für Menschen verhindert. Und wir Staaten untereinander können doch nicht akzep- tieren, dass über die Frage, ob jemand von einem Land in ein anderes kommt, Schlepper und Schleuser entscheiden. Dabei werden Gelder abgepresst armen Menschen, dabei werden diese Gelder eingesetzt zum Schluss in Schmuggel von Drogen oder im Kauf von Waffen, und sie verstärken die Unsicherheit in Ländern, und es muss doch unser Anspruch sein, dass wir miteinander unter den Staaten legal solche Fragen der Migration regeln. Und deshalb ist es zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger wichtig, diese illegale Migration gemeinsam zu bekämpfen. Und jedem ist doch klar, dass nationale Alleingänge dieses Problem nicht lösen werden, sondern dass es nur durch multilaterale Kooperation geht, und dass dies der einzige Weg ist. Und ich möchte mich ausdrücklich beim Königreich Marokko bedanken, dass es innerhalb der Afrikanischen Union eine grosse Verantwortung auch gerade für die Fragen der Migration übernommen hat, denn gerade die Partnerschaft zwischen Europa uns Afrika ist ja von grosser Bedeutung bei der Umsetzung der Ziele, dieses Paktes. Wir wissen alle, illegale Migration werden wir nur bekämpfen können, wenn alle Staaten auf der Welt Entwicklungschancen ha- ben. Deshalb steht dieser Pakt ganz unmittelbar im Zusammenhang auch mit der Umsetzung der Agenda 2030. (Die 2013-Agenda für nachhaltige Entwicklung, die am 25. September 2015 beim UNO Nachhaltigkeitsgipfel der Staats- und Regierungschefs verabschie- det worden. Mit den 17 Nachhaltigkeitszielen, den Sustainable Development Goals (SDGs), hat sich die Weltgemeinschaft erstmals auf einen universalen

36 / 130 und alle 3 Nachhaltigkeitsdimensionen einschliessenden Katalog von festen Zeitzielen geeinigt, der die internationale Zusammenarbeit in zentralen Politik- bereichen in den nächsten Jahrzehnten massgeblich prägen wird. So das Bun- desministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.) Es ist hier heute schon gesagt worden, wenn die Bildungsziele nicht erreicht werden, die Gesundheitsziele, die Ziele auch für die Sicherheit von Menschen, die Ziele der vernünftigen Ernährung, dann wird es nicht gelingen dieser ille- galen Migration Herr zu werden, und sie wirklich zu stoppen. D.h. Entwicklung und Umsetzung dieses Paktes und seiner Inhalte gehören untrennbar mitein- ander zusammen. Und das heisst eben, dass Globalisierung, wenn sie mensch- lich gestaltet werden soll, nur so gestaltet werden kann, dass alle Lander auf der Welt faire Entwicklungschancen haben. So wissen wir alle, dass die illegale Migration wegen der unterschiedlichen Entwicklungschancen auf der Welt, in unseren Ländern z. T. sehr grosse Ängste verursacht. Und diese Ängste werden jetzt benutz von den Gegnern dieses Paktes, um Falschmeldungen in Umlauf zu bringen. Aber im Kern geht es bei der Auseinandersetzung um diesen Pakt und seine Wichtigkeit, um das Prinzip der multilateralen Zusammenarbeit. Und meine Damen und Herren, es lohnt sich noch einmal daran zu erinnern, dass die Vereinten Nationen gegründet wurden als Ergebnis des 2. Weltkrieges. Und als deutsche Bundeskanzlerin stehe ich hier vor ihnen, als Repräsentantin eines Landes, das in der damaligen Zeit durch den Nationalsozialismus unend- liches Leid über die Menschheit gebracht hat. Und die Antwort auf puren Nati- onalismus war die Gründung der Vereinten Nationen, und das Bekenntnis zur gemeinsamen Lösung der Fragen, die uns bewegen. Und deshalb geht es bei der Auseinandersetzung um diesen Pakt, und deshalb bin ich auch sehr bewusst heute hier nach Marokko gekommen, um nicht mehr und nicht weniger, als die Grundlagen unserer internationalen Zusammenarbeit. Und deshalb lohnt es sich, um diesen Pakt zu kämpfen, einmal wegen der vielen Menschen, die da- raus (darauf?) ein besseres Leben bekommen können, aber zum anderen auch wegen des klaren Bekenntnisses zum Multilateralismus, nur durch den werden wir unseren Planeten besser machen können, - und dem fühlt sich Deutschland verpflichtet. Wir haben eine umfangreiche Diskussion in unserem Parlament geführt. Es gab eine grosse Mehrheit im Parlament, diesen Pakt zu unterstützen, und Deutschland wird sich auch an seiner weiteren Umsetzung eng einbringen, zum Wohle der Menschen auf unserem Planeten. Herzlichen Dank.

Moral wiegt schwerer als Blut. Ich sagte schon, weshalb ich den Migrationspakt ablehne. Die Grossen führen Krieg, und wir spielen die Heilsarmee. Das finde ich reichlich naiv.

37 / 130 Eugen Dühring: „Geradezu absonderlich nehmen sich die religionistischen Be- schönigungen der verschiedenen Chauvinismen neuerer Völker aus. Hier wird oft ein förmlicher Wetteifer sichtbar, die geistige Erbschaft (die Weltherrschaft) desjenigen beschränkten Völkchens anzutreten, das sich am ungenirtesten als das auserwählte angepriesen und den andern Völkern auch theilweise wirklich als solches aufgedrängt hat. Was neuere Völker an eigener Eingebildetheit und Anmaassung aufzuweisen haben und was bei ihnen nur irgend an schlechten Eigenschaften sich absolut und rücksichtslos regen will, wird noch obenein religionistisch bestärkt und verbrämt durch die leichtfertige Draufsetzung der palästinensischen Denkart. Auf diese Weise ist es schliesslich dahin gekommen, dass verschiedene grosse Völker, darunter auch namentlich die Russen, sich jedes für das auserwählte, und zwar für das von Religionswegen zur Herrschaft über die andern bestimmt ausgeben. Man sieht dabei, wie die Urauserwähltheit neue Auserwähltheiten erzeugt, die nun untereinander und mit der ältesten darüber markten mögen, welche die richtige sei.“ Jedenfalls verträgt sich weiland das historische Unrecht mit dem menschlichen Unrecht, und die nationalen Beschränktheiten mit der Beschränktheit der Men- schen recht gut. Besonders, wenn der Religionismus der Verkommenkeit der Nationen keine Grenzen setzt, ist fast alles möglich. Die Russen, die USA und die Chinesen hatten und haben keinerlei Hemmungen ihre Einflusszonen mit Gewalt zu überziehen. Die Grossen betrachten die UN als Bühne für ihre eignen Interessen und scheren sich ein Dreck darum, wie es um die Bevölkerung der von ihnen heimgesuchten Städte und Landstriche steht. Frau Merkel war immer gern gesehener Gast im Weissen Haus. Von den poli- tischen Gipfeln, die sie mit den Grossen abhielt, wollen wir nicht reden. Das war doch selbstverständlich. Frau Merkel hat repräsentiert, wie alle anderen Kanzler vor ihr, woran man die Beschränktheit, die der Politik voranleuchtet, ersehen mag.

Mittwoch, d. 12. Dezember 2018 Was der Philosoph und Hegelianer Günter Rohrmoser immer wieder mal durchblicken liess, und was man aus menschlicher bzw. his- torischer Naivität nicht wissen wollte, das war die internationale der Faschisten, und überhaupt. NZZ: Der Holocaust war nicht nur deutsch. Deutschland war Initiator und Haupttäter; aber in Rumänien und Kroatien wurde der Mord an den Juden aus eigenem Antrieb organisiert. Er war ein internationales Projekt. Im Sommer 1941 kam es vom Baltikum über Ostpolen und die heutige West- ukraine bis zum Schwarzen Meer zu Pogromen, bei Tausende von Juden von ihrem Nachbarn getödtet wurden. Diese Nachbarn blünderten jüdischen Besitz, besetzten Wohnungen, Häuser, Geschäfte und Fabriken und profitierten so oft langfristig wirtschaftlich vom Holocaust. Sie handelten selten bis nie unter

38 / 130 Zwang, sondern aus Eigeninitiative, angetrieben von Antisemitismus und Hab- gier. Die mit Deutschland verbündeten Armeen beteiligten sich im Rahmen des Kriegs im Osten an der Ermordung der Juden. Weder die Ghettoisierung noch die Aktionen der Einsatzgruppen, die Massenerschiessungen, Massendeporta- tionen und auch der Betrieb der Konzentrations- und Vernichtungslager wären derart reibungslos vonstatten gegangen, hätten die Deutschen nicht auf die Un- terstützung von Ortsansässigen zählen können. In allen besetzten Gebieten er- wiesen sich einheimische Polizisten als willige Helfer. Zehntausende dienten in den ausländischen Freiwilligenverbänden der Waffen-SS. Der Holocaust spielt in den aktuellen Auseinandersetzungen um Geschichte und Erinnerung in Mittel- und Osteuropa eine zentrale Rolle. Dabei ist unbestritten, dass der Völkermord ein deutscher und von Deutschen umgesetzter Plan war und die allermeisten Täter Deutsche waren. Ebenso ist klar, dass auch grosse Teile der nichtjüdischen Bevölkerung in Zentral- und Osteuropa Opfer von Na- zideutschland waren und unermessliches Leid erfuhren. Dass sich polnische Regierungen schon lange daran stossen, wenn immer wieder von polnischen Vernichtungslagern gesprochen wir, obwohl Auschwitz, Treblinka, Sobibór oder Belzec deutsche Vernichtungslager im besetzten Polen waren, ist vor diesem Hintergrund durchaus verständlich. Aber es ist auch eine historische Tatsache, das Regierungen in Zentral- und Osteuropa weitgehend freiwillig, ja bisweilen enthusiastisch mit dem Hitler- regime kooperierten. Der in Bern lebende Historiker Christian Gerlach hat zur nichtdeutschen Gewaltpolitik festgehalten, dass Rumänien der Staat war, der in absoluten Zahlen die meisten Juden umbrachte, während Kroatien prozentual die mörderischste antijüdische Politik betrieb. Eine Minderheit zwar, aber Zehntausende in den von Deutschland okkupierten Gebieten waren Kollabora- teure und Mittäter, und Hunderttausende von Juden wurden nicht von Deut- schen ermordet. Dies festzuhalten bedeutet in keiner Weise, die deutsche Schuld zu minimieren. Aber die Umsetzung der Endlösung war ein internationales Projekt. Das wenig bekannte rumänische Beispiel ist in diesem Zusammenhang illustra- tiv. Rumänien war Deutschlands wichtigster Verbündeter und Truppensteller im Ostfeldzug. Anschwellender, staatlich geförderter Antisemitismus und eine im- mer schärfere antijüdische Gesetzgebung in den 30er Jahren legten den Grund- stein für die weitgehend autonome Politik des Massenmords an den Juden, die Rumänien ab Sommer 1941 verfolgte. Ende Juni 1941 kamen in der Stadt Iasi und in Todteszügen rund 13.000 Juden um. Als die rumänische Armee am 2. Juli 1941 zusammen mit der Wehrmacht die Invasion der Sowjetunion an der südlichen Front startete, begann in den Frontgebieten der Bukowina und Bes- sarabiens eine erste Welle von Massenmorden an Juden. Die Täter waren rumä- nische Soldaten und Gendarmen, bisweilen aber auch Ortsansässige, die das Vakuum nach dem sowjetischen Rückzug nutzten, um ihre jüdischen Nachbarn

39 / 130 zu tödten. So wurden alleine im Juli und August 1941 in rumänisch kontrollier- ten Gebieten 45.000 Juden getödtet. Im Herbst 1941 begannen die massiven Deportationen aus der Bukowina und Bessarabien nach Transnistrien. Im schmalen, von Rumänien besetzten Land- streifen jenseits des Dnjestr hatten die Rumänen rund 200 Ghettos und Lager errichtet. Tausende von Juden kamen auf den Deportationsmärschen und in den folgenden Monaten und Jahren in den transnistrischen Lagern um. Zehntausend wurden in und um Odessa von rumänischen Soldaten umgebracht, teilweise un- terstützt von der lokalen Bevölkerung und von Deutschen. Insgesamt wurden im Zweiten Weltkrieg über 300.000 Juden in rumänischen Gebieten getödtet. Die Verantwortung für diese Taten anerkannte der rumänische Staat Ende 2004, als Präsident Iliescu den Schlussbericht einer hochkarätigen internationa- len Historikerkommission entgegennahm, die unter der Leitung von Eli Wiesel gestanden hatte. Zwölf Jahre später bekannte sich auch der moldauische Parla- ment zu den Befunden der Wiesel-Kommission. Dass der rumänische Staat sich damals bereit erklärte, unabhängige Experten mit der Ausarbeitung dieses Be- richts zu beauftragen, hing auch damit zusammen, dass das Land den Beitritt zur NATO anstrebte. Die Propagierung eines tendenziösen Geschichtsbildes und die Leugnung der Beteiligung am Holocaust hätte die Westintegration ver- zögern oder gar blockieren können. Doch das rumänische Beispiel zeigt auch, dass Geschichtsbilder nicht von aus- sen oder von oben oktroyiert werden können und die Erinnerung an den Ho- locaust kein linearer Prozess ist. Umfragen in Rumänien zeigen eine grosse Lücke zwischen den Erkenntnissen der historischen Forschung und dem Wissen der Bevölkerung. Dasselbe gilt für die im Zweiten Weltkrieg von Rumänien kontrollierten Gebiete in der heutigen Republik Moldau und in der Ukraine. Die grosse Mehrheit der Rumänen ist noch heute der Ansicht, Rumänien habe mit dem Holocaust direkt nichts zu tun gehabt. Es gibt dazu kaum je öffentliche Debatten, und in den Schulbüchern wurde der Holocaust bis vor kurzem gar nicht oder verzerrt abgehandelt. Der Umgang mit dem Holocaust ist für die nationalistische und ethnozentris- tische Geschichtsschreibung in Zentral- und Osteuropa ein grundsätzliches Pro- blem. Vor dem Zweiten Weltkrieg war nicht ethnische Homogenität, sondern vielmehr Diversität der Normalität in den historischen Landschaften Ost- und Zentraleuropas. Das Judentum spielte dabei soziokulturell, politisch und wirt- schaftlich eine wichtige Rolle. Einer ethnozentrischen Geschichtsschreibung ist diese Heterogenität ein Dorn im Auge. Darüber hinaus bedeuten die Mittäter- schaft und Kollaboration, die regional unterschiedlich stark waren, Mitverant- wortung und Mitschuld. Das sind dunkle Schatten, die niemand gerne wahrha- ben will - besonders jene nicht, die von der reinen Nation träumen. Einige der zentral- und osteuropäischen Staaten befinden sich bald 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion noch immer auf Identitätssuche. In solchen

40 / 130 Zeiten ist der Drang nach historischer Eindeutigkeit besonders ausgeprägt. Überhöht wird das Leiden des eigenen Volkes als Opfer des Nationalsozialis- mus und dann des Kommunismus. Die Juden und der Holocaust passen schlecht in dieses Narrativ. Noch schwieriger ist es, eine Mitschuld am Holocaust einzu- gestehen, denn dies würde den eigenen Opfermythos untergraben. So wird die Shoah entweder ignoriert, trivialisiert oder umgedeutet als externe Tragödie den Deutschen allein in die Schuhe geschoben. Die Juden, so heisst es bisweilen, seien selber schuld gewesen. Sie hätten als Parteigänger des Kommunismus - so die alte und falsche These des Judö-Bolschewismus - einen angeblichen Geno- zid an der nicht-jüdischen Bevölkerung zu verantworten Der Externalisierung der Verantwortung gereicht es zum Vorteil dass die End- lösung in der öffentlichen Wahrnehmung oft auf Auschwitz und andere Ver- nichtungslager reduziert wird. Das Argument lautet dann: Auschwitz liegt an- derswo. Es war ein deutsches Lager, folglich haben wir mit der Shoah nichts zu tun. Oder wie es Timothy Snyder ausdrückt: Wenn der Holocaust nur Auschwitz ist, kann der Rest der Shoah aus Geschichte und Erinnerung ausgeschlossen werden. Tatsache ist aber, dass rund die Hälfte der sechs Millionen Juden nicht in Vernichtungslagern getödtet wurden. Sie wurden irgendwo in Osteuropa er- schossen, erschlagen oder zu Todte gehetzt. Sie verhungerten in den Ghettos oder starben an Krankheiten.

Donnerstag, d, 13. Dezember 2018 Personalismus versus Egoismus. „An die Spitze alles Reformatorischen stellen wir das personalistische Prinzip. Dieses besteht darin, die Beschaffenheit der Personen als die Hauptsache anzu- sehen, die in erster Linie berücksichtigt werden muss. Im Gegensatz zu diesem Prinzip, ist das 19. Jahrhundert voll gewesen von einem andersartigen Wider- hall, nämlich von der Betonung oder vielmehr der fast ausschliesslichen Gel- tendmachung des Besitzes als der angeblich alles erklärenden Schadensursache. Die Ungleichheit des Vermögens, namentlich aber die Unterschiede in der Capi- talmacht und hiebei wiederum der Gegensatz von wesentlich capitalloser Arbeit und capitalreicher Wenigthuerei und Ausbeuterei, haben für alle Übelstände der Gesellschaft als hinreichende Erklärungsgründe gelten sollen. Überdies hat man sich darein verfahren, immer collective und ausserhalb der Einzelmacht bele- gene Gesammtumstände für die Übel verantwortlich zu machen und von den Einzelpersonen alle Zurechnung auf allgemeine Verhältnisse und deren ver- meintlich einzig maassgebenden Zwang abzuwälzen. Auf diese Weise ist das Verständnis für den persönlichen Schwerpunkt alles menschlichen Verhaltens zunächst so gut wie unmöglich gemacht worden; denn fast ausnahmslos hat man die Besitzinstitutionen angeklagt und die Einbildung, um nicht zu sagen den Wahn gezüchtet, es müsse mit ihrem Verschwinden, d.h. mit der Einführung eines Besitzcommunismus, auch wesentlich alles wegfallen, was die Menschen

41 / 130 veruneinige und unglücklich mache. Man hat sich auf socialistischer und anar- chistischer Seite so angestellt, als wenn es nur eine einzige Triebfeder und sozu- sagen Gelegenheitsursache zu Verbrechen und Unmoral gäbe, und als wenn bei genügender Fütterung die Menschenthiere die allerfriedlichsten Heerden bilden würden.“ Raub auf offener Bühne. Wer den Staat unter sich hat, der verfügt über die Einnahmen. Dem Landraub des Kolonialismus des 19. Jahrhunderts, folgt nun die soziale Ausplünderung durch den nationalliberalen Staat, - also die Kolonialisierung nach Innen. Demnach war der HitlerStaat nicht bloss ein Militärstaat, wie es sich für die Liberalen fügt. Das ist mir denn doch alles zu phrasenhaft und nie wirklich durchdacht. Hitler war insofern ein Teil jener Kolonialmächte und dies beinhaltet dann auch die Brutalität der Ausbeutungspolitik. Auf hintersinninge Weise betreiben unsre Liberalen, die man gestern noch ManchesterLiberale genannt hat, die Täuschung des Publikums. Die Sozialisten wollen wir nicht vergessen. Opfer der Nazis sind sie plötzlich alle geworden. Die Sozialisten folgen aber nur ihrem Meister, dem Kapital auf den Fersen. Wir dürfen uns nicht einbilden, dass es mit dem Kolonialismus zu Ende ist. Das technische Know how ist hier nur Beiwerk. Kolonialismus heisst Ressourcen und auf die Ressourcen, seien dies nun Ressourcen, wie Länder und Menschen oder Res- sourcen in Form von Rohstoffen und Energie, haben sie es abgesehen.

Freitag, d. 14. Dezember 2018 Dühring. Nationales 1 „Ein blosses Zurückgreifen auf Nationaleigenschaften und Nationalitäten kann allein nichts Genügendes ergeben. Auch die bessern modernen Völker sind sämmtlich so beschaffen, dass es eine falsche Romantik, wo nicht geradezu Heuchelei ist, ihnen einen moralischen Kern anzudichten, der fähig wäre, Sit- tenzersetzung und Verfall zu überwinden und eine Regeneration des Mensch- heitslebens zu bewirken. Es ist in der That schon genug, wenn man nur irgend- wo in zerstreuter Weise noch nationale oder sonstige Anlagen zum Bessern vorfindet. In diesen Anlagen lebt das Erhebliche am modernen Völkergeist; keineswegs sind aber die Völker in ihrer unmittelbaren und durchschnittlichen Beschaffenheit, sich oder gar die Menschheit von den versumpften Seiten des Daseins zu befreien. Im Gegentheil, scheint selbst bei den besten Nationen die Erinnerung an gute Nationaleigenschaften theilweise dahin auszuschlagen, den blinden Nationalwahn und die Herauskehrung der schlechten Nationaleigen- schaften zu nähren. Meist ist es Nationalitätsheuchelei, die von schlechten Ele- menten für schlechte Zwecke betrieben wird, was sich als urwüchsiges und zur Wiedergeburt befähigendes Volksthum aufspielt. Wenn unter modernen Ver- hältnissen beispielsweise deutscher Geist auf diese Art parodiert und geschändet wird, so ist das sicherlich keine Ermunterung, an ein Aufleben wirklich sitt-

42 / 130 licher Elemente des Deutschthums zu glauben. Alte Rohheiten werden hervor- gesucht und alte Beschränktheiten werden angepriesen; dies heisst aber, die deutschen Fehler zu Vorzügen umzulügen und das wirklich Gute im Geiste der Nation als unbequem zur Seite lassen.“

Sonntag, d. 16. Dezember 2018 Dühring. Nationales 2 „So hat auch der Religionsphilosoph Ludwig Feuerbach in einem allerdings nur ganz gelegentlichen Spiel mit Worten, gerade als wenn sich die Sache platter- dings von selbst verstände, den Communismus dem Egoismus entgegengesetzt. Es klingt dies noch etwas nach religionistischer Überlieferung und nach jener uralten Zumuthung, das Sondervermögen in die Gemeinschaft einzuwerfen, bei Strafe, für die Vorenthaltung todt niederzufallen, wie ja die Apostelgeschichte so warnungsvoll und so drohend gegen alle Nichtcommunisten berichtet. Nun hat allerdings jener religionsradicale Philosoph seine Idee nur ganz im Allge- meinen und nicht etwa im Hinblick auf jene apostolische Exempelstatuierung ausgesprochen, so dass er offenbar überhaupt meinte, eine communistische Ge- sinnung sei der Gegensatz der egoistischen. Es lag dabei aber auch der Gedanke nicht fern, dass, wer nicht Egoist sein wolle, Communist sein müsse. Von un- serm Standpunkt aus, der oberhalb der Nebelreligion liegt und eine klare Um- schau verstattet, muss es als völlig unstatthaft gelten, den Egoismus, wie er thatsächlich ist, und die communistischen Velleitäten und Begehrlichkeiten als einander widerstreitende Dinge aufzufassen. Ganz überwiegend und fast in allen Gestalten ist der Communismus sichtlich genug eine maskirte und heuch- lerische Form des Egoismus. Nur wenn man das Wort Communismus auch noch in einem so weiten Sinne verstehen wollte, dass es gerade im Widerspruch mit seinen gewöhnlichen Anwendungen eine mittheilsame Gesinnung be- zeichnete, enthielt jene Entgegensetzung eine Art von Sinn. So war sie aber nicht gemeint, sondern galt dem Communismus in der ordinären Bedeutung des Worts. Communistische Gesinnung findet sich natürlicherweise immer nur bei denen, welche von der Gemeinschaft her mehr zu gewinnen hoffen, als sie selber ein- legen. Es sind also die egoistisch interessierten Element, welche durch den Communismus ihre Selbstsucht zu nähren und durch die Ungerechtigkeit, die sie auf diese Weise an Andern begehen, sich zu fördern suchen. Hienach ist der Communismus handgreiflich eine Form des Egoismus; denn das Eigeninterese macht ungerechte Übergriffe in die Anspruchssphären Anderer. Hätten wir an dieser Stelle schon mit den politischen Specialitäten zu thun, so würde zu zeigen sein, dass sogar die moderne Gesellschaft sammt dem moder- nen Staat viel zu communistisch ist, indem sie die am besten und vorzüg- lichsten Thätigen, dabei auch in einem gewissen Maasse den ganzen Arbeiter- stand Viel für die Gemeinschaft leisten lässt, was nicht zulänglich zurückerstat-

43 / 130 tet und nicht gehörig ausgeglichen wird. Wir wollen jedoch hier diesen Ge- danken nur gestreift haben ...“

Die Agonie der Kirche

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Freitag, d. 21. Dezember 2018 Constantin Frantz: Der Föderalismus als des leitende Princip für die sociale, staatliche und internationale Organisation, unter besonderer Bezugnahme auf Deutschland, Erscheinungsjahr 1879.

Zur Kritik der Reform der Staatsverfassungen.

S. 109: „Wie wenig unsere modernen Constitutionen für die Beförderung der reellen Wohlfahrt zu leisten vermochten, tritt am augenfälligsten durch die Thatsache hervor, dass gerade unter dem constitutionellen Regime sich die schreienden MissStände in der Volkswirtschaft entwickelt haben, welche hin- terher die socialistischen Tendenzen hervorriefen, die nun selbst die schlagend- ste Kritik des constitutionellen Systems bilden. Auch war von diesen Consti- tutionen überhaupt kein besseres Resultat zu erwarten. Es folgte schon aus den Grundansichten, wonach sie eingerichtet wurden, dass sie für die reelle Wohl- fahrt unerspriesslich bleiben mussten. Man braucht zu diesem Ende nur in Montesquieus Esprit des loi das berühmte Capitel über die englische Verfassung zu lesen, und die Sache ist mit einem Schlage klar. Nämlich dass die S. 110: modernen Constitutionen principaliter nur dazu bestimmt sein sollen, die politische Freiheit zu sichern, worin dieser Autor den specifischen Zweck der englischen Verfassung gefunden zu haben vermeinte, freilich dieselbe im Ganzen sehr unrichtig beurtheilend. Gleichviel, die angeblich aus der Analyse der englischen Verfassung abstrahierte Lehre Montesquieu`s ist seitdem wie zum Evangelium geworden, und allen seit zwei Menschenaltern geschaffenen Constitutionen steht es wie an der Stirn geschrieben, dass der Geist, welcher ihre Urheber inspirirte, der Esprit des loi war. Daher insbesondere die überall zu Grunde liegende schematische Theilung der sogenannten Staatsgewalten. Ich sage absichtlich „sogenannte“ Staatsgewalten, weil thatsächlich allmälig ganz andere Potenzen einen viel entscheidenderen Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten erlangten. Dass dies aber so ge- schah, ist selbst durch jene Gewaltentheilung und den infolge dessen unver-

44 / 130 meintlichen Widerstreit zwischen der sogenannten Legislative und Exekutive am meisten befördert worden. Duobus litigantibus tertius gaudet (während dreier Tage argumentierens), und hier waren sogar zwei tertii (dritte): die Mili- tärmacht und die Geldmacht, welche seitdem so empor kamen, dass sie heut- zutage das ganze Staatsleben beherrschen. Müsste der Doctrin nach das ent- scheidende Gewicht in der Legislative liegen, da die Exekutive nur die Be- schlüsse derselben auszuführen hätte, - wie wenig bedeuten in Wirklichkeit unsere gesetzgebenden Körperschaften gegenüber der Militärmacht und Geld- macht! Und wie misslich steht es desgleichen, trotz alles Geredes von dem Rechtsstaat, um die Unabhängigkeit der in der Doctrin als dritte Staatsgewalt figurirende Justiz! Auch kann es kaum anders sein, wo doch alle Richter von der Regierung ernannt und von da aus ihre Beförderung zu erwarten haben. Die ganze trias politica (politische triade) wird zur fable convenue (vereinbarten Fabel), indem der ganze constitutionelle Apparat schliesslich keine andere Be- stimmung mehr zu haben scheint, als die Herrschaft der Kaserne und der Börse mit gefälligen Decorationen zu umgeben. Staatsgewalten müssen ja sein, ehe man aber an die Verfassungsmacherei ging, hätte man hübsch erst die reellen Grundlagen des Volkslebens untersuchen sol- len, wodurch man zuvörderst auf die trias oeconomica gestössen sein würde, von Ackerbau, Fabri - S. 111: kation und Handel, worin die Existenzbedingungen der Staatsgesell- schaft selbst liegen. Oder was hülfe noch das rechte Verhältnis zwischen den Staatsgewalten, wo hingegen diese trias oeconomica in Unordnung geriethe? Die Menschen wollen unter allen Umständen leben; dass sie aber leben können und möglichst gut leben können, dazu ist der Staatsverband da, wie schon Ari- stoteles lehrt. Möchte doch also das ganze constitutionelle Getriebe im besten Gange sein, - es wäre für nichts, wenn inzwischen die Volkswirthschaft in Zer- rüttung verfiele. Für nichts das von der Doctrin geforderte Gleichgewicht der Staatsgewalten, ohne das Gleichgewicht der ökonomischen Faktoren, indem vielmehr das Capital alle anderen beherrschte. Ein intelligenter und volks- freundlicher Absolutismus müsste dann whrlich für besser gelten als der cor- recteste Constitutionalismus, unter dessen Schirm das Capital die ganze Gesell- schaft ausbeutet.“

Freitag, d. 21.Dezember 2018 Was Frantz voraussah, ist nunmehr eingetreten. Die Religion des Nationalli- beralismus, ist offenbar geworden: es regiert das Geld und das Militär.

S. 111, Fortsetzung: „Soll aber der Staat die sociale Wohlfahrt befördern so muss auch seine Verfassung darnach eingerichtet sein. Allein dem entspricht das constitutionelle System so wenig, dass es vielmehr die reellen Existenzbeding- ungen des menschlichen Lebens rundweg ignoriert, indem es überall nur das

45 / 130 Spiel der Staatsgewalten und abstrakte Staatsbürger vor sich sieht, deren poli- tische Rechte gesichert werden sollen. Darnach allein sind die constitutionellen Verfassungen zugeschnitten. Insbesondere ist darnach die Repräsentation orga- nisirt, die wieder für den Charakter des ganzen Constitutionalismus so ent- scheidend ist, dass um deswillen der Constitutionalismus auch das Repräsenta- tivsystem heisst. Darum aber ist es auch gerade der Repräsentationsmodus, wo- ran die sociale Leistungsunfähigkeit des Constitutionalismus am deutlichsten hervortritt, und worüber um deswillen zuvörderst ein Weiteres zu sagen sein wird. 1.

Kein grösserer Humbug, als dass durch unsere dermaligen repräsentativen Kör- perschaften der Volkswille zum Ausdruck oder gar zur Geltung käme. Freilich wird dabei als selbstverständlich vorausgesetzt, dass es sich überhaupt nur um den Willen der Majorität handeln könne, dem die Minorität sich fügen müsse, was doch an und für sich schon eine sehr bedenkliche Sache bleibt. Könnte S. 112: nicht unter Umständen die Minorität der Majorität gleichkommen und dabei der Gegensatz der beiderseitigen Tendenzen von so einschneidenden Fol- gen sein, dass dann fast die Hälfte des Volkes geradezu der Unterdrückung ver- fiele? Aber auch dieses Bedenken ganz beiseite gelassen, - ist denn selbst nur so viel wahr, dass die Beschlüsse unserer repräsentativen Versammlungen jeden- falls den Willen der Majorität zum Ausdruck brächten? Im Gegentheil, ich sage: durchschnittlich können die parlamentarischen Beschlüsse nur als der Willens- ausdruck der Minorität angesehen werden. Gewiss ein sonderbares Resultat, dass eben das Repräsentativsystem, welches angeblich den Volkswillen und also doch zum wenigsten den Willen der Majorität zur Herrschaft bringen soll, that- sächlich vielmehr zur Unterdrückung der Majorität führt und regelmässig die Minorität zur Herrschaft bringt. Eine Minorität, welche sogar unter Umständen sehr klein sein kann, wie wir folglich sehen werden. Angenommen nämlich, dass durchschnittlich 4/5tel der Wähler zur Wahlurne träten - was erfahrungsgemäss schon zu hoch gegriffen ist, - angenommen fer- ner, dass die in den einzelnen Wahlkreisen erwählten Abgeordneten durch- schnittlich 3/4tel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen, - was wegen der überall eintretenden Concurrenz verschiedener Parteien wieder entschieden zu hoch gegriffen ist, - angenommen endlich, dass die parlamentarischen Be- schlüsse durchschnittlich von 2/3tel der gesetzlichen Gesammtzahl der Parla- mentsmitglieder gefasst würden, - was, da das Parlament fast niemals vollzählig ist, jedenfalls die Maximalannahme sein dürfte, - so ergibt die Rechnung: 4/5tel x 3/4tel x 2/3tel = 24/60tel = 2/5tel. Es zeigt sich demnach, wie selbst unter sehr günstigen Annahmen von dem Ge- sammtquantum des Volkswillens duchschnittlich nur die kleinere Hälfte zum Ausdruck käme. Was wäre erst das Resultat, wenn die hier angenommenen

46 / 130 Zahlenverhältnisse in Wirklichkeit sich ungünstiger stellten, wie doch oft genug geschieht! Sinken die vorstehenden Quotienten auf 3/4tel, 2/3tel und 3/5tel her- ab, so haben wir dann: 3/4tel x 2/3tel x 3/5tel = 18/60tel = 3/40tel. Und selbst damit stehen wir noch lange nicht an der Grenze s.113: des rechtlich Möglichen und nicht selten wirklich Geschehenden. Unter Umständen dürfte die Rechnung sich auch so stellen: 2/3tel x 3/5tel x 1/2tel = 6/30tel = 1/5tel. Sehen wir die Sache näher an, so wird sie sogar noch schlimmer. Denn ganz ausser Frage blieben einstweilen die allgemeinen principiellen Voraussetzung- en, welche dieses System nothgedrungen macht. Erstens nämlich, dass jeder Wähler nach reiflicher Erwägung und eigener Überzeugung stimme. Zum Zweiten, dass er den Charakter und die Leistungsfähigkeit des Candidaten, dem er seine Stimme gibt, auch genügend kenne. Zum Dritten, dass er wenigstens über die Hauptfragen, um die es sich in der jedesmaligen Legislaturperiode han- deln wird, im voraus unterrichtet wäre, da er sonst nicht sicher sein könnte, für einen Candidaten gestimmt zu haben, der in jenen Hauptfragen in seinem (des Wählers) Sinne handeln würde. Allein wie steht es wirklich mit diesen drei so wesentlichen Voraussetzungen? Ad 1 ist es ein Allerweltsgeheimnis, wie die Wählerschaft bearbeitet wird, so dass es bei der grossen Majorität der Wähler weit weniger die eigene freie Überzeugung ist, von der ihre Wahl Zeugnis gibt, sondern das Endresultat weit mehr dem Geschick, von der Energie und den Machtmitteln der Comités ab- hängt, welche die Wahlen leiten, und sogar ausdrücklich in solcher Stellung auftreten. Schöner Ausdruck: die Wahlen leiten! Richtiger gesagt: den soge- nannten Volkswillen an der Nase herumführen. Trotzdem geschieht es überall so, und damit hat unter der Firma des Repräsentativsystems ganz unversehens zwischen der Regierung und dem Volke sich eine Zwischengewalt gebildet, von welcher zwar das System selbst kein Wort spricht, die aber nichtsdestoweniger einen solchen Einfluss übt, dass dadurch schon die Grundidee der Repräsen- tation von vornherein zur Täuschung wird, weil nicht sowohl die Erwählten des Volkes, als die von den Wahlcomité`s Empfohlenen in das Parlament kommen. Ad 2 ist es nicht minder eine Thatsache, dass die Wähler zum grossen Theil ihren Erwählten nicht einmal von Angesicht kennen. Er wird ihnen von den Co- mités octroyiert und die Wähler lassen S. 114: sich das um so eher gefallen, als sie durchschnittlich weder Zeit noch Gelegenheit hätten, die Würdigkeit und Fähigkeit des Candidaten selbst zu prüfen. Ad 3 sind zwar die regulären Geschäfte des Parlaments, wie insbesondere die Budgetberathung und die Erledigung der Petitionen oder Beschwerden im vor- aus bekannt, anders aber steht es mit den speciellen Angelegenheiten. Nun setze man, es handele sich etwa um tief einschneidende Kirchengesetze, welche Ge-

47 / 130 wissensfragen berühren, - würden da nicht die kirchlich gesinnten Wähler, wenn sie das im voraus wüssten, sich keineswegs damit begnügen, dass der ihnen empfohlene Candidat den Ruf eines rechtschaffenen und kenntnisreichen Mannes hätte, sondern würden sie nicht noch ganz insbesondere über seine re- ligiöse Denkweise versichert sein wollen? Oder es handele sich um die Be- gründung eines neuen Zolltarifs, - würden nicht die dabei unmittelbar interes- sierten Wähler vor allem zu wissen verlangen, ob der Candidat freihändlerische oder schutzzöllnerische Ansichten hege? Oder endlich, wenn es sich gar um Veränderung des Wahlgesetzes handelte? Darf man da bei einiger Logik suppo- niren, dass der Wähler für einen Candidaten stimmen würde, der ihm nicht die Garantie böte, dass er nicht etwa hinterher ihm selbst sein Stimmrecht absprä- che? Wäre es Ernst damit, dass durch die Repräsentation der Wille des Volkes zur Geltung kommen sollte, so wäre unerlässlich, dass jedenfalls die wichtigeren Gesetzentwürfe - das sogenannte Etatgesetz ist der Sache nach überhaupt kein Gesetz - wenigstens drei Monate vor dem Wahlacte zur allgemeinen Kenntnis gelangten, damit sich ein öffentliches Urtheil darüber bilden könnte, welches dann auch dem Wähler zur Orientierung diente. Dass damit der Gang der Ge- setzgebung einigermassen verlangsamt werden möchte, ist kein Einwand. Im Gegentheil, gut Ding will Weile haben, und gute Gesetze bedürfen ebenso einer sorgfältigen Vorbereitung, als hinterher einer sorgfältigen Prüfung. Stattdessen scheint man heute nicht schnell genug damit fertig werden zu können und da- rum die Zeit zur Prüfung möglichst knapp bemessen zu sollen. Erhalten doch selbst die erwählten Abgeordneten erst im Parlament Kenntnis von den beab- sichtigten neuen Gesetzen, und sehen sich dann bald mit so vielen Vorlagen überschüttet, dass die Möglichkeit zu einer eingehen- S. 115; den Prüfung überhaupt verschwindet. Schon durch die fortwährenden Sitzungen fast ausser Athem gekommen, werden sie wohl gar zu guterletzt noch mit einem neuen, plötzlich wie aus den Wolken gefallenen Gesetzentwurf überrascht, - wovon wir im vorigen Frühjahr im deutschen Reichstag ein haar- sträubendes Beispiel mit dem Socialistenvertilgungsgesetz erlebten, - welcher dann schleunigst noch durch den Geschäftsgang hindurchgepeitscht werden soll, damit die Session endlich geschlossen werden kann, wonach die Parla- mentarier sich selbst am meisten sehnen. Es sieht wahrlich so aus, als würde die Gesetzgebung nach den Grundsätzen kriegerischer Manöver betrieben, wobei ja allerdings die Schnelligkeit der Be- wegung von entscheidenster Bedeutung und den Feind zu überraschen das Al- lerwirksamste ist. Wer wäre aber hier der durch Überraschung zu bewältigende Feind, wenn nicht der gesetzgebende Körper, d.i. die Volksvertretung? Nicht nur dass bei solchem Gebahren die Gesetzgebung alle Würde verliert, dass sie in baare Lüderlichkeit und Principlosigkeit verfällt, sondern das ganze Reprä- sentativsystem wird thatsächlich zur Comödie. Zur Komödie umsomehr, als

48 / 130 auch das parlamentarische Theater seine Coulissen hat. Und schon ist es ein Al- lerweltsgeheimnis, wie gerade die wichtigsten Angelegenheiten durch geheime Verhandlungen hinter den Coulissen entschieden werden. Wie sich also zwischen dem wählenden Volke und der Regierung die Wahl- comités als Zwischengewalten einschoben, so wieder zwischen dem Parlament und den Ministerien die parlamentarischen Cliquen (Lobbyisten), deren Stimm- führer schliesslich den sogenannten Volkswillen monopolisiren. Ganz zu schweigen von den geheimen Verbindungen mit der Börse, wodurch manches Monopol zugleich zur materiellen Rentabilität für die Monopolisten gelangt. Vivat der Volkswille! 2.

„Schreibt man dem Kanzler (Bismarck) die Äusserung zu, man müsse den Par- lamentarismus sich durch sich selbst vernichten lassen, so ist diese Absicht in vollem Zuge zum Ziele zu gelangen. Denn schon ist es dahin gekommen, dass nicht wenige und nicht schlechte Leute am liebsten den ganzen parlamenta- rischen Spuk verschwinden sähen. Allein was an seine Stelle setzen? Das Zeit- alter des aufgeklärten S. 116: Absolutismus ist unwiederbringlich vorrüber. Monarchen im vollen Sin- ne des Wortes gibt es überhaupt nicht mehr, und wenigstens im abendlän- dischen Europa wird keiner wieder auftreten. Die Republik hingegen änderte im Wesentlichen auch nichts, so gewiss als sie selbst wieder im parlamentarischen Gewande erscheinen würde. Ohne Volksrepräsentation geht es einmal nicht mehr, selbst wenn man die Gesetzgebung auf allgemeine Volksabstimmung ba- siren wollte, was in grossen Ländern überhaupt undurchführbar bleiben möchte, oder höchstens rücksichtlich einiger grossen Fragen geschehen könnte, wo dann die Leute einfach Ja und Nein zu sagen hätten, indessen der materielle Inhalt der Gesetze doch von anderswoher kommen müsste. An eine directe Volksre- gierung wäre erst recht nicht zu denken. Ist also die Repräsentation schlechterdings unentbehrlich, so bleibt auch nichts Anderes übrig, als sie zweckentsprechend einzurichten, während die heutige Repräsentation nicht nur zweckwidrig zu nennen ist, sondern von vornherein auf einer blossen Fiction beruht, deren Bodenlosigkeit zu erkennen die Vorbe- dingung der Reform bildet. Wir meinen nämlich die Fiction, dass durch den Wahlact die Wähler ihren Wil- len auf den Erwählten, und so wieder in dem Parlamente sich der ganze Natio- nalwille concentrirte. Was ist aber einleuchtender, als dass der Wille überhaupt nicht übertragbar ist? Denn was ist der Wille, wenn nicht das Allereigenste des Menschen, der innerste Kern seiner Perönlichkeit, sein Ich oder sein Selbst? Wohl mag ich einen Anderen zum Vollstrecker meines Willens bestellen für diese oder jene bestimmte Angelegenheit, nicht aber kann ich ihm meinen Wil- len selbst übertragen, oder es hiesse meine eigene Persönlichkeit aufgeben,

49 / 130 mich zum Sklaven machen. Und so steht es heute in der That. Erscheinen die Wähler im Momente der Wahl in vollster Selbständigkeit, so haben sie, ist der Wahlact vorrüber, in dem Erwählten sich einen souveränen Herrn gesetzt, der hinfort ihren ganzen Willen in der Tasche hat, um damit zu machen was ihm beliebt. Der gewählte Abgeordnete ist an keine Instruction gebunden (ausser seinem Gewissen), seinen Wählern für nichts verantwortlich, noch können sie ihn zurückberufen. Das besagen alle modernen Constitutionen. S. 117: Seltsamer Widerspruch - unverantwortliche Volksvertreter, wo man doch vor Allem ein verantwortliches Ministerium fordert! Können denn nur Mi- nister an der Volkswohlfahrt sündigen, nicht aber Volksvertreter, von deren Be- schlüssen die ganze Gesetzgebung und Besteuerung abhängt und die mehr oder weniger auch den Gang der Verwaltung beeinflussen? Trotzdem unverant- wortlich! Nun, so wundere man sich auch nicht, wenn sie so oft ein unverant- wortliches Spiel mit der Volkswohlfahrt treiben und, anstatt für das Volk zu wir- ken, ihr Vertreteramt vielmehr zu ihrem eigenen Vortheil ausnutzen. Was bedarf es dazu der Beispiele, denn wer wüsste heute nicht, wie viele Gründer in unse- ren Parlamenten sitzen! Müssten nicht also ganz umgekehrt die Verfassungsur- kunden besagen: „Die Abgeordneten bleiben ihren Wählern verantwortlich und können von denselben zu jeder Zeit zurückberufen werden“. Ach, prahlen wir doch nicht mit unserer Aufklärung, das Zeitalter der reinen Vernunft ist noch lange nicht angebrochen. Es scheint vielmehr, dass, gerade wie die Sünde in der Welt bleibt, so auch immer dasselbe Quantum von Blöd- sinn in der Welt fortwirkt, indem die Veränderung nur darin besteht, dass der Blödsinn in immer neuen Gestalten auftritt. Denn wie das geschehen kann, dass fünf-, zehn- oder zwanzigtausend Leute ihren Willen auf einen Abgeordneten übertragen, der noch dazu den meisten persönlich unbekannt ist, und wie solche Willensübertrageung durch eine einfache Abstimmung zu Stande kommen soll, wird ewig unerfindlich bleiben. Auch zweifle ich nicht, spätere Jahrhunderte werden sich ganz ebenso verwundert fragen, wie solche Geistesverwirrung je möglich war, als uns heute etwa die in früheren Jahrhunderten grassirenden Hexenprocesse wie unerklärliche Dinge erscheinen. Ja, ganz ernstlich gespro- chen: etwas von Hexerei muss wirklich bei dem Wahlact stattfinden, in bloss natürlicher Weise kann es dabei nicht zugehen. Bliebe doch sonst auch dies noch unerklärlich, wie der Erwählte, der oft nichts weiter als ein Phrasenmacher ist, durch den Wahlact auf einmal zum Universalgenie wird, so dass er sich auf alles versteht, was nur irgendwie in dem Parlament vorkommen mag. Ein offenbares Wunder! Aber das ist es eben, wir sind durch die repräsentative Theorie wie behext, so dass uns die ungeheuerlichsten Dinge schon so selbst- S. 118: verständlich erscheinen, als ob sie gar nicht anders sein könnten. Oder man sage doch, welche reelle Bedeutung das noch haben kann, wenn z. B. in ei- nem berliner Professor der Wille eines rheinischen Wahlkreises stecken soll,

50 / 130 wie desgleichen der Wille eines thüringer Wahlkreises in einem berliner Re- formjuden? Ich sage vielmehr: man braucht so etwas nur auszusprechen, und der Blödsinn liegt zu Tage. Meinetwegen der sogenannte höhere Blödsinn, da wir doch so ungeheuer fortgeschritten sind. Wodurch sich aber solcher höhere Blödsinn von dem niederen und ganz ordinären unterscheiden möchte, wird bil- lig dem Urtheil der Fachmänner überlassen bleiben.

3.

Menschenhaufen, welche lediglich zu dem Wahlact zusammenkommen sind überhaupt nicht vertretungsfähig. Was vertreten werden soll, muss schon an und für sich einen lebendigen Körper bilden, in welchem durch den persönlichen Verkehr der Glieder, duch die Gemeinschaft der Sitten und Gewohnheiten, wie andererseits der Bedürfnisse und Interessen, sich wirklich auch ein gemein- sames Wollen und Streben erzeugt. Mit einem Worte: vertretungsfähig sind nur organisirte Körperschaften. Das wäre das erste. Zum Zweiten kann jede Körperschaft nur aus ihrer eigenen Mitte vertreten wer- den. Denn der Vertreter muss selbst von dem Geist der Körperschaft durch- drungen sein, deren Wollen und Streben er zum Ausdruck bringen soll. Allge- meine Ansichten aufzustellen und zur Anerkennung zu bringen, ist Aufgabe der Wissenschaft und damit der Gelehrten und Schriftsteller, nicht der Volksvertre- ter. Wie kann es aber bei dem heutigen Vertretungssystem anders geschehen, als dass unsere Parlamentarier am liebsten sich in einem allgemeinen Gerede erge- hen, in sogenannten Principienfragen, indessen die concreten Landesangele- genheiten am wenigsten Pflege finden. Zum Dritten vertritt jeder Abgeordnete primo loco (erstens) auch nur die Kör- perschaft, welche ihn erwählt hat. Statt dessen aber schreiben unsere heutigen Verfassungen dem Abgeordneten vielmehr von vornherein den Beruf zu, die ganze Nation oder das ganze Land zu vertreten. Ei, hätte er das ganze Land zu vertreten, so S.119: müsste er wohl auch von dem ganzen Lande erwählt uns beauftragt sein. Und wozu hätte ihn dann seine Wählerschaft gewählt, wenn er nicht primo loco sie vertreten sollte, nicht aber das ganze Land? Die innere Sinnlosigkeit liegt auf der Hand. Nur secundo loco und mittelbar, d.h. als Mitglied des ganzen Parlamentes, vertritt jeder Abgeordnete auch das ganze Land, während doch die Basis seiner Stellung immer seine Wählerschaft bleibt. Man meine nicht, es handele sich hier um eine bloss theoretische Distinction. Die Sache hat ebenso weitreichende Folgen, als andererseits der dabei zu Grun- de liegende Irrthum tiefreichende Wurzeln hat. Sagt man den Abgeordneten von vornherein, sie hätten das ganze Land zu vertreten, nicht aber primo loco ihre Wählerschaft, so müssen sie sich auch im Parlament getrieben fühlen, alle Lan- desangelegenheiten in einen Topf zu werfen, alles zu egalisiren und durch all-

51 / 130 gemeine Gesetze zu reglementiren. Nichts mehr von Autonomie der Gemein- den, Kreise und Provinzen, oder besser gesagt Landschaften, denen vielmehr von oben herab ihre Lebensordnung vorgeschrieben wird. Ein eigenes Recht besitzen sie schon überhaupt nicht mehr, sondern nur ein von oben herab allergnädigst verliehenes und darum auch nach Belieben veränderbares Recht. Gerade, als ob zuerst der heutige moderne Staat dagewesen wäre, der dann hinterher, etwa aus Verwaltungsrücksichten, sich in Landschaften, Kreise und Gemeinden zertheilt hätte, die vordem gar nicht dagewesen. Den Thatsachen wird dabei rundweg ins Angesicht geschlagen. Der wirkliche Verlauf der Ge- schichte auf den Kopf gestellt. Denn alle grösseren heutigen deutschen Staaten sind durch Zusammenschmelzen vordem selbständiger Elemente enstanden. Dass diese in Folge dessen einen Theil ihrer früheren Autonomie, wie ihrer frü- heren Einkünfte, an die Gesammtgewalt abzutreten hatten, war unvermeidlich, was ihnen hingegen verblieb, musste fortan als ihr eigenes, nicht etwa erst von der neuen Gesammtgewalt verliehenes, Recht gelten, und in der Ausübung die- ses Rechtes hatte ihnen kein Dritter darein zu reden. Welche Ungeheuerlichkeit statt dessen, wie heute namentlich in Preussen so häufig vorkommt, wenn es sich z.B. um eine Gemeindeordnung oder Kreisordnung für die Rheinlande han- delt, oder für Hechingen und Sigmaringen, dass da in dem preussischen Land- tage auch die Pommern S. 120: oder Schlesier ihren Senf dazu geben, während sie doch von den eigen- thümlichen Zuständen und Bedürfnissen jener Landschaften gar nichts wissen, noch überhaupt dabei interessiert sind. Welche Gemeindeordnung den Rhein- ländern passt, darüber haben allein die Rheinländer zu entscheiden, was schiert es die Pommern oder Schlesier? Ähnlich aber wie in Preussen geschieht es wohl in allen grösseren deutschen Staaten, nur dass natürlich, je grösser der Staat und je verschiedenartiger seine Elemente, auch die Sinnlosigkeit um so handgreiflicher wird. Selbstverständlich, dass bei solchem Verfahren nichts Kluges herauskommen kann. Noch mehr aber wäre zu sagen, dass damit den Leuten überall gewaltsam ihr Heimathsgefühl genommen wird, welches doch so viel zu ihrer sittlichen Haltung und zu ihrer inneren Zufriedenheit beiträgt. So soll dann alles, was heute unter preussischen Scepter steht, sich promo loco preussische fühlen, oder was unter bayerischem Scepter steht, bayerisch usw. An ihre Landschaft, oder an ihre Vaterstadt, sollen die Leute sich nicht gebunden fühlen, sondern ledig- lich an ihren respectiven Staat. Staatsbürger sollen sie sein, und sonst nichts weiter. Sieht es nicht so aus, als ob sich im Staate vor Allem um die flottirende und vagabundirende Bevölkerung handle, welche nach solchen Maximen als die feste Stütze und die eigentliche Basis des Staates gelten müsste, wofür man doch sonst vielmehr die sesshafte, aber darum auch durch Gewohnheit und Pi- etät an ihre Heimath gebundene Bevölkerung hielt. Ist daran nicht gelegen, so müssten ja freilich die Juden, welche nirgends eine wahre Heimath haben, als

52 / 130 die allerbesten Staatsbürger gelten, der Judengeist als das Ideal des modernen staatsbürgerlichen Geistes. Endlich die Sache nach ihrer letzten Tiefe betrachtet, so läuft sie auf nichts Ge- ringeres hinaus, als auf die grosse Frage: ob Unification oder Förderation? Wur- de also in den deutschen Einzelstaaten mit allen Kräften die Egalisirung und Unification ihrer verschiedenen Bestandtheile betrieben, so war ja freilich nichts natürlicher, als dass hinterher dieselbe Tendenz ganz Deutschland ergriff. Besass nun offenbar Preussen die bei weitem mächtigsten Handhaben zur Ega- lisirung und Unification, so musste es schliesslich wohl zu dem System von 66 kommen, wonach dieses Geschäftsgang S. 121: heute im grössten Styl betrieben wird. Eine Wendung der Dinge, die in den grösseren deutschen Einzelstaaten überall schon verbereitet war, so dass jedenfalls die betroffenen Regierungen sich nicht darüber beklagen dürfen, wenn sie schliesslich ernten, was sie selbst mit gesäet.

4.

Ist es zuvörderst das örtliche Zusammenleben, welches die Menschen vereinigt, so entstehen andererseits nicht minder wichtige Verbindungen durch Stand und Beruf. Und hier wie dort liegt die bindende Kraft nicht bloss in den materiellen Interessen, es schliesst sich auch gemüthliche Bande daran an. Beides muss im- mer ineinander greifen, um eine lebendige menschliche Gemeinschaft zu bil- den, gerade wie in jedem einzelnen Menschen Natürliches und Geistiges un- trennbar verbunden sind. Stände und Berufsarten aber entwickeln sich im Lauf der Geschichte. Ihr Cha- rakter, ihr relatives Gewicht, ihre Stellung in der Gesellschaft, verändern sich mit der Zeit. Will man also darauf eine Organisation begründen, so muss man die Dinge nehmen, wie sie sind. Hier vor Allem gilt das Wort: „der Lebende hat Recht“. Gleichviel darum, was ein Stand früherhin gewesen, es kommt darauf an, welche reelle Bedeutung er in der Gegenwart hat, und in wie weit er in dem allgemeinen Bewusstsein Anerkennung findet. Ganz unbrauchbar wäre folglich das alte Schema von Adel-, Bürger- und Bauernstand. In gewissem Sinne sind heute alle Stände bürgerlich geworden, weil bei uns das Stadtbürgerthum, als das Bürgerthum im specifischen Sinne, die Brücke zu dem allgemeinen Staats- bürgerthum gewesen ist. Wie desgleichen auch in der äusseren Erscheinung die bürgerliche Tracht schon fast zur allgemeinen geworden ist, indem sie allmälig auch die bäuerlichen Trachten verschwinden macht, nachdem die specifisch adelige Tracht schon längst abgekommen war. Unmöglich, diesem Umbildungs- process Halt zu gebieten, thöricht ihn hemmen zu wollen. Es ist ganz naturge- mäss, dass die allgemeine Rechtsgleichheit nach allen Seiten hin ihre Wirkung äussert, und todt geboren ist Alles, was heutzutage nicht von dieser Basis aus- geht.

53 / 130 Will der Adel sich noch immer als eine besondere Menschen- S. 122: classe ansehen, - so weit das innere Gesinnung bleibt, kann man es frei- lich nicht ändern. Dass er an seinen Familientraditionen festhält, ist seine Privatsache, wobei ihm niemand darein zu reden hat, woraus aber kein An- spruch auf eine besondere rechtliche Stellung des Adels folgt, die überhaupt keinen realen Anhalt darböte. Denn er hat als Stand nichts Greifbares mehr, was ihm eigenthümlich wäre, als den leeren Titel. Im Staatsdienst wie in der Volks- wirthschaft kommt darauf nichts an, für Kunst, Wissenschaft und Literatur ex- istiert es gar nicht. So weit die rechtliche Seite. Etwas anderes ist der Vortritt im geselligen Leben, welche die Sitte dem Adel gewärt, nur eben von Rechtsansprüchen ist dabei keine Rede. Und so war es, beiläufig bemerkt in altgermanischer Zeit gewesen, wo der Vorzug des Adels vor den Gemeinfreien auch nur auf freiwilliger An- erkennung beruhte, was sich erst mit dem beginnenden Feudalismus verän- derte. Doch wie dem auch sei, so gewährt solche Stellung dem Adel noch im- mer den erheblichen Vortheil, dass ihm dadurch jedes Auftreten im öffentlichen Leben sehr erleichtert ist, weil es ihm von vornherein eine gewisse Sicherheit gibt, wie ihm andererseits auch von vornherein eine gewisse Achtung entgegen- kommt, zumal wenn es sich um einen Mann aus einer altangesessenen im Lande bekannten Familie handelt. Ein solcher Mann wird dann leicht Einfluss im öffentlichen Leben gewinnen können. Um so gewisser, je mehr er sich aller feudalistischen Marotten entschlägt, sich unbefangen auf den Boden der heutigen Rechtsgleichheit stellend, während hingegen nicht mehr dem Adel selbst geschadet hat, als wenn er sich zum Vertreter unfreier reactionärer Ten- denzen machte. Dies anerkannt, so beruht dann der reale Boden für die Wirksamkeit des Adels auf der Thatsache, dass die grossen Landgüter noch so überwiegend in seinem Besitz sind. Will er aber daraus einen besonderen socialen oder politischen Be- ruf ableiten, so ist dies nur möglich, wenn er mit den bürgerlichen Gutsbesit- zern gemeinsame Sache macht. Unter dieser Voraussetzung tragen wir dann keine Bedenken, es für sehr wichtig zu erklären, dass die grossen Grundbesitzer als ein besonderer Stand erhalten bleiben, oder respective sich neu dazu consti- tuiren. Als der Stand nämlich, welcher die besondere Aufgabe hat, das Landle- ben mit der höheren Bildung zu vermitteln, S. 123: und der, soweit er solcher Aufgabe entspräche, auch wie von selbst eine gewisse Führerschaft über das Landvolk gewinnen würde. Ohne dies erliegt das platte Land - wie man heute in Frannkreich sieht - dem Einfluss der überwie- genden städtischen Bildung und des städtischen Capitals, weil ihm die Organe fehlen, um sich in seiner Selbständigkeit zu behaupten und seine eigenthüm- lichen Interessen sicher zu stellen. Wohl zu beachten aber, dass die ländliche Bevölkerung, seitdem sich die städti- schen Gewerbe und das Fabrikwesen auf dem Lande angesiedelt, nicht entfernt

54 / 130 mehr mit dem ehemaligen Bauerstande identisch ist. Auch bildet der Bauer- stand schon selbst keine homogene Masse mehr. Der Grossbauer unterscheidet sich sehr merklich von dem Kleinbauer, der wieder den blossen Häusler und den Einlieger unter sich hat, oder wie diese Leute anderer Orten heissen mö- gen. Soll hier eine ständische Organisation eintreten, so muss sie sich überall den gegebenen agrarischen Verhältnissen anpassen, und wird daher nicht gleichmässig sein können. Noch weniger bildet der ehemalige Bürgerstand eine homogene Masse. Zwi- schen dem Kaufmann und dem Handwerker hat sich der Fabrikant eingescho- ben, neben welchem je mehr und mehr der reine Techniker als ein besonderes Element hervortritt, indessen der Kaufmannsstand selbst sich in Banquiers, Grosshändler, Detailisten, Krämer und Hausirer unterscheidet. Unter allen die breite Masse der sogenannten Arbeiter. Eine Specialität bilden in vieler Hinsicht die Bergleute. Anders nun, als diese durch die besondere Art ihres materiellen Erwerbs cha- rakterisirten Elemente, sind wider die geistigen Berufsarten gestellt. So zu- nächst Sachwalter und Ärzte, ihnen zur Seite Künstler und Schrifsteller. Am meisten ins Gewicht fallend aber der dem Communal- und Staatsdienst einge- fügte Lehrstand, der doch um deswillen, dass er von den Communen oder vom Staate besoldet wird, - insoweit sein Einkommen nicht aus Stiftungen fliesst, - und dass er mit den öffentlichen Beamten gewisse Rechte theilt, keineswegs als ein Organ der Communal- oder Staatsgewalt anzusehen ist. Ihn dazu machen zu wollen, würde die Zwecke der Lehranstalten verfälschen und die Freiheit der Wissenschaft zerstören. Im Kern der Sache ist vielmehr der Lehr- S. 124: stand als ein gesellschaftlicher Stand anzusehen, der als solcher auch seine besondere Vertretung fordert. Noch viel einleuchtender, als dasselbe von dem geistlichen Stande gilt, so lange man nicht etwa behaupten will, dass für das gesellschaftliche Leben die Religion nichts zu bedeuten habe. Hingegen sind professionelle Staatsbeamte aller Art, wie insbesondere auch die ständigen Officire und Unterofficire, nicht als gesellschaftliche Stände anzuse- hen, sondern wie sie ihrem Berufe nach Organe der Staatsgewalt sind, so liegt auch der Schwerpunkt ihrer Existenz im Staate, nicht in der Gesellschaft. In der Volksvertretung finden sie darum keine Stelle, es kommt ihnen weder das active noch das passive Wahlrecht zu. Ein Parlament in welchem Staatsbeamte das grosse Wort führen, ist überhaupt keine Volksvertretung mehr, und wenn das heute dennoch geschieht, so ist dies selbst das augenfälligste Zeichen der Be- griffsverwirrung, in welcher wir uns befinden. Denn welch` ein Widerspruch, - da man doch allgemein fordert, dass die Gesetzgebung von der Handhabung der Gesetze getrennt sein müsse, - wenn gleichwohl dieselben Leute im Parlament die Gesetze machen, die sie hinterher handhaben sollen? Und welchen Sinn hat es noch, dass dieselben Leute die Steuern bewilligen, die sie als Staatspensio- närs selbst verzehren? Zugleich wird dabei das Beamtenthum corrumpirt, und

55 / 130 wie von selbst dahin geleitet, das parlamentarische Treiben zu seinem Avance- ment auszunutzen. Sind Staat und Gesellschaft grundwesentlich verschieden, so sind die Vertret- ungskörper eben dazu da, dass die Gesellschaft im Staate zu ihrem Recht kom- me, und darum müssen folglich alle gesellschaftlichen Elemente im Landtage oder Reichstage ihre Vertretung finden. Man sage nicht, dass doch thatsächlich überall schon Leute von den verschiedensten Berufsarten gewählt würden, denn ganz abgesehen von der grossen Anzahl von Staatsbeamten, welche heute unge- höriger Weise in den parlamentarischen Versammlungen sitzen, ist es gewiss eine viel andere Sache, ob etwa Landwirthe, Fabrikanten, Kaufleute oder Ge- lehrte usw. durch allgemeine Wahlen in das Parlament kommen, oder ob sie von ihren Standesgenossen als ihre Vertrauensmänner und als Sachverständige ent- sandt werden. Vollends nichtig wäre der Einwand, dass solcher- S. 125: weise nur die Sonderinteressen zur Geltung kämen, nicht aber die all- gemeinen Landesinteressen. Woraus entstehen denn diese allgemeinen Lan- desinteressen, als aus dem Ensemble aller Sonderinteressen? Und eben damit die Sonderinteressen sich zu einem harmonischen Ganzen fügen, darum treten die Abgeordneten der verschiedensten Berufsclassen im Landtage oder im Reichstage zusammen.

5.

Einerseits die örtlichen Organisationen, nach Gemeinden, Kreisen, Landschaf- ten oder Provinzen, andererseits die ständischen und Berusgenossenschaften, - das allein sind die Grundlagen, von wo eine wahre Volksvertretung ausgehen kann. Wie wenig dem das heutige Kopfzahlwahlsystem entspricht, bedarf kei- ner Worte. Nur ist leider nicht minder klar, wie schwierig es unter den obwal- tenden Umständen sein möchte, eine auf wirklich lebendigen Körperschaften beruhende Volksvertretung einzuführen. Jedenfalls wird dahin nicht mit einem Schlage zu gelangen sein. Mit dem alten System privilegirter und übereinander geschichteter Stände ist es unwiederbringlich vorbei. Die Rechtsgleichheit und das allgemeine Staatsbür- gerthum wollen schlechterdings anerkannt sein. Das aber zugegeben, ist freilich nicht zu leugnen, dass das Kopfzahlwahlsysten das einfachste Mittel zu sein scheint, um die Rechtsgleichheit zum Ausdruck zu bringen. Durch seine arith- metische Klarheit stellt es sich dem gemeinen Verstande als das richtige dar, und es wird erst noch Zeit dazu gehören, ehe die Überzeugung von seiner Un- zulänglichkeit allgemein durchdringt. So viel dürfte indessen schon heute aner- kannt werden, dass das Wesentliche dabei doch eigentlich nur die Forderung ist, dass keine Unterschiede nach Geburt, Reichthum oder Bildung gemacht werden sollen, nicht aber, dass etwa die einzelnen Wahlkreise immer genau dieselbe Wählerzahl enthielten, was ja in der Praxis überhaupt kaum zu erreichen sein

56 / 130 möchte. Einen gewissen Spielraum für mehr oder weniger muss man da schlechterdings statuiren. Selbst die hitzigsten Vertreter des allgemeinen Stim- mrechts können das nicht bestreiten und fügen sich auch darin, weil solche Unterschiede sich im Ganzen wieder ausgleichen, und so die grosse Masse da- durch nicht beeinträchtigt wird. S. 126: Damit wäre nun ein Mittel zur Correctur gegeben, von welchem man den ausgiebigsten Gebrauch machen sollte. Dergestalt nämlich, dass die Bild- ung besonderer Wahlkreise ad hoc überhaupt unterbliebe, indem man sich über- all an die schon bestehenden örtlichen Organisationen hielte, wenn dabei auch hier oder da die Wählerzahl gegen die Normalzahl um das Doppelte zu klein oder zu gross ausfiele. Trotzdem würde das Resultat ein besseres sein als heute, insbesondere bei den Reichstagswahlen, wo die Abgeordneten fast niemals von einer wirklichen Corporation ausgehen, sondern, rund herausgesagt, von Men- schenhaufen, die nur für den Zweck der Wahl zusammenkommen, und ist der Wahltag vorüber, durch nichts mehr zusammengehalten werden. Was haben solche Abgeordnete hinter sich, was ihrem Auftreten eine reellen Nachdruck zu geben möchte? Nichts. Die hohen Worte „hinter uns steht das Volk“ verhallen eben in den Wind, weile es selbst nur Wind damit ist. Die Wählerhaufen zer- fallen nach ihrem Wahlact in ihre Atome, und hätten sie auch einen gemein- samen Willen, so besässen sie doch kein Mittel, denselben geltend zu machen. Daher die reale Ohnmacht der Kopfzahlparlamente. Nur negativ können sie wirken, durch Verweigerung ihrer Zustimmung, wo dieselbe verfassungsmässig erforderlich ist, positiv durchsetzen können sie gegenüber einer resoluten Re- gierung, welcher neben der Armee der ganze Verwaltungsapparat zu Diensten steht, so viel als nichts. Es bleibt nur die agitatorische Wirkung ihrer Reden und Resolutionen, wodurch man zwar das Volk in Unruhe versetzt, aber praktisch nichts erreicht. Wie dem aber auch sei, so kann das allgemeine gleiche Stimmrecht jedenfalls nur durch örtliche Wahlkreise zur Ausführung gelangen, und ist die Sache dann leicht genug, weil doch Jedermann irgendwo seinen Wohnsitz hat. Die Wahl nach Berufsarten hingegen könnte in unserer aufgelösten Gesellschaft über- haupt nicht allgemein sein, weil einigermassen lebendige Berufsgenossen- schaften heute kaum bestehen, sondern allermeist dergleichen erst neu zu be- gründen wären. Die berufsartige Volksvertretung ist daher zur Zeit nur möglich als eine neben der allgemeinen Volksvertretung stehende besondere Körper- schaft. So kämen wir damit auf das Zweikammersystem, welches ja in unseren grösseren Par- S 127: ticularstaaten überall besteht. Nun aber wollen wir nicht etwa noch eine dritte Kammer dazu schaffen, sondern unsere Meinung geht vielmehr dahin, dass die jetzt sogenannten Ersten Kammern, Reichsräthe oder Herrenhäuser, selbst zu berufsmässigen Vertretungskörpern umgebildet werden müssten. Anders wäre hier keine Hilfe.

57 / 130 Allerdings ein grosse Veränderung, worauf einzugehen den jetzigen Ersten Kammern, Reichsräthen oder Herrenhäusern, vielleicht wie ein Selbstmord er- scheinen dürfte. Fragen wir doch aber: was diese Institute eigentlich sind? Offenbar nichts weiter als der Versuch, das Princip der Reichsgleichheit, nach- dem man es in thesi anerkannt, dann hinterher so viel als möglich wieder lahm zu legen, indem man den Überresten des alten Feudalstaates noch ein sicheres Asyl verschaffen wollte. Begreiflich genug, dass man darauf verfiel, auch an- erkennen wir gern, dass, um den Übergang aus der alten Zeit in die neue zu ver- mitteln, dieser versuch eine gewisse Berechtigung hatte. Allein allmälig haben sich nun die Überreste des alten Feudalstaats schon dergestalt ausgelebt, dass die Ersten Kammern unvermeidlich immer ohnmächtiger werden. Von vorn- herein mit dem Odium der Reaction belastet, haben sie in dem Bewustsein des Volkes fast nirgends Wurzel geschlagen, und daher auch nirgends einen nen- nenswerten Einfluss auf die grosse Volksmacht zu gewinnen vermocht. Wie sollten sie heute in unseren Particularstaaten noch lange fortleben können, wäh- rend es im Reiche keine ähnliches Institut mehr gibt? Thatsache jedenfalls, dass sie für die sociale Reform noch viel weniger leisten, als die Kopfzahlkammern. Als Repräsentanten des grossen Grundbesitzes, und damit der agricolen Grosswirthschaften würden gleichwohl die vornehmen Herren der Ersten Kam- mern auch in einer berufsmässigen Vertretung noch ihren Platz finden, aber als etwas anderes dürften sie darin nicht gelten wollen. Ob sie Fürsten, Grafen oder Barone heissen, ist dabei gleichgültig. Diese feudalen Titel bezeichnen heut- zutage ebenso wenig einen staatlichen als einen socialen Beruf, worauf es hier allein ankommt. Natürlich also würden sich die Herren auch gefallen lassen müssen, dass neben ihnen Repräsentanten aller anderen Berufsclassen sässen, insoweit sich dergleichen zur Zeit organisiren lassen. S. 128: Zunächst wird man sich dabei auf die grossen Hauptzweige der Volks- wirthschaft beschränken müssen, eine weitere Specialisirung der Zukunft vor- behaltend. Man wird daher neben den schon bestehenden Handelskammern Ackerbaukammern einrichten, an deren Bildung aber ausser den Grossgrundbe- sitzern auch die Gross- und Kleinbauern Antheil zu nehmen hätten. Desgleichen Handwerkskammern und Fabrikkammern. Diese Kammern würden sich für ihre respectiven Amtssprengel ebenso mit den sachlichen Interessen der betreffen- den Wirthschaftszweige zu beschäftigen haben, als andererseits mit den persön- lichen Verhältnissen der arbeitenden Bevölkerung, so dass von da aus die prak- tische Regulirung dieser Verhältnisse in Angriff zu nehmen wäre. Weiter dann würden diese Kammern selbst die Wahlcollegien sein für die Vertretung in der hier in Rede stehenden neu zu bildenden parlamentarischen Körperschaft. Wür- de man nun von jenen Kammern aus vorzugsweise die materielle Seite des Volkslebens ins Auge fassen, so würden hingegen die Vertreter der gelehrten Professionen, wie desgleichen der Kirche, - für welche beide Wahlcollegien ein- zurichten nicht gar schwierig sein dürfte, - sich umso mehr auf die intellectuel-

58 / 130 le und moralische Seite des Volkslebens zu richten haben. Keine Frage, dass eine derartig gebildete parlamentarische Versammlung zur Behandlung der socialen Angelegenheiten unvergleichlich viel geeigneter sein müsste, als unsere Kopfzahlkammern. Dass aber das neue Institut zu Ansehen und Einfluss gelangte, würde dann lediglich von seiner eigenen Thätigkeit ab- hängen, und in demselben Masse, als es sich bethätigte, würde sich auch seine innere Einrichtung vervollkommnen, und damit allmälig das ganze Volk um- fassende berufsmässige Organisation entstehen. Ein apriorisches Schema dazu liesse sich kaum aufstellen und würde jedenfalls nichts nützen. Erst durch die Praxis wird man recht erkennen, worauf es dabei ankommt. Lebendige Ein- richtungen erschafft nur das Leben selbst. Ist aber der Trieb zu genossenschaft- lichen Bildungen in unserem Volke nie ganz erloschen, und offenbar wieder neu erwacht, so bedarf er nur noch eines Organes, um sich praktisch geltend zu ma- chen. Das soll ihm hiermit gegeben werden.

6.

S. 129: Den Regierungsabsolutismus gebrochen zu haben, ist das unstreitige Verdienst des Liberalismus. Wirkliche Volksfreiheit war aber damit noch lange nicht begründet. Im Gegentheil, der Absolutismus nahm damit nur eine andere Gestalt an: er wurde zum Staatsabsolutismus, der in vieler Hinsicht unter dem liberalen Regime erst recht emporgekommen ist. Zumeist nämlich dadurch, dass nun statt der Regierung die Gesetzgebung ab- solut wurde. In der grossen französischen Revolution, in welcher das liberale System zuerst zum vollen Durchbruch kam, trat dies sogleich in prägnantester wie abschreckendster Gestalt hervor. Der dabei zu Grunde liegende Gedanke war offenbar, dass alles Recht auf Gesetzen beruhe und wiederum alle Gesetze vom Staat ausgingen. Das einmal zugegeben, so könnte durch die Staatsge- setzgebung am Ende auch das Eigenthum, oder die Ehe, oder die Religion abgeschafft, oder andererseits wohl gar ein neuer Gott decretirt werden, wie doch Letzteres unter Robespierre wirklich geschah. Man sieht in welche Ab- gründe solche Principien führen, und wie jedenfalls der Liberalismus conse- quenter Weise kein Recht hätte, dem Socialismus gegenüber entrüstet zu thun, wenn der im Wege der Gesetzgebung die Aufhebung des Privateigenthums for- derte. Nur eine socialistische Parlaments-Majorität gehörte dazu, und die Sache würde ganz ordnungsmässig erledigt. Selbstverständlich, dass vor solcher allmächtigen Staatsgesetzgebung von ei- nem eigenen Rechte der Gemeinden, Kreise und Landschaften überhaupt keine Rede sein kann. Das aber wieder zugegeben, verliert damit die Volksfreiheit von vornherein ihren realen Boden. Denn für den bei weitem grössten Theil des Volkes verläuft sich das ganze Leben der Menschen in ihrem Geburtsort und dessen nächster Umgebung; da liegen die Wurzeln ihrer materiellen Existenz,

59 / 130 daran knüpfen sich ihre Lebensgeschicke, ihre Freuden und Leiden. Sollen also die Leute wirklich frei sein, so müssen sie vor allen Dingen das Recht haben, ihre heimathlichen Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten. Dass sie durch die Wahl der Abgeordneten einen winzigen Antheil an der allgemei-nen Staatsgesetzgebung gewinnen, damit ist hier wenig geholfen. Nicht sowohl auf der Gesetzgebung als auf der Verwaltung S. 130: beruht zumeist die wirkliche Volksfreiheit, wie seinerzeit schon Niebuhr gesagt. Selbstgesetzgebung des Volkes bleibt in unseren heutigen Staaten unter allen Umständen eine Chimäre, da vielmehr gerade die Gesetzgebung eine Auf- gabe ist, welche Kenntnisse und Einsichten fordert, die immer nur sehr Wenige besitzen. Fehlt aber der grossen Masse jedes Urtheil darüber, - wie soll sie doch die rechten Gesetzgeber wählen können? Der Misserfolg ist unvermeidlich, und halten wir uns dabei nur an unsere eigenen Erfahrungen, denn welche Qualität von Gesetzen hat infolge dessen unsere Reichsgesetzgebung geliefert? Mit der Verwaltung hingegen, so weit es nämlich die heimathlichen Angelegenheiten anbetrifft, steht es viel anders. In der Gemeinde, und selbst noch innerhalb eines Landkreises, kennen sich die Leute einigermassen, und die zur Besorgung der allgemeinen Angelegenheiten tauglichen Männer treten genügend hervor. Oder richtiger gesagt: es könnte so sein, die Sache hätte ihre innere Möglichkeit. Ver- hält es sich leider in Wirklichkeit doch allermeist anders, so werden wir später sehen, wie es in dieser Hinsicht besser werden könnte. Nur für den Gemeinderath also und für den Kreistag - oder wie derartige Kör- perschaften heissen mögen - wären verständiger Weise Urwahlen am Platze, nicht aber für den Landtag und gar für den Reichstag, sondern da müsste die Vertretung aus den Kreistagen und Landtagen selbst hervorgehen. Niemand dürfte dann für den Kreistag gewählt werden, der nicht schon vorher im Ge- meinderath gesessen, Niemand zum Landtag, der nicht schon im Kreistag ge- sessen, Niemand zum Reichstag, der nicht vorher Mitglied eines Landtags ge- wesen. So baute das Ganze sich stufenmässig auf, es wäre damit die nöthige Garantie gegeben, dass in der höchsten Versammlung nur gereifte und erfahrene Männer einträten. Steht doch die Art und Weise, wie man heutzutage die parlamentarische Car- rière macht im auffälligsten Widerspruch zu all den Grundsätzen, die anderer- seits für den Staatsdienst gelten, wonach Niemand zu den höheren und höchsten Stellen gelangen kann, der nicht durch die unteren Stufen hindurchgegangen wäre. Bei unserem heutigen Wahlwesen hingegen geschieht es häufig genug, dass Leute, die sich noch durch nichts im öffentlichen Leben bewährt haben, mit einem Schlage Mitglieder des Reichstages S. 131: werden. Es gehört nichts weiter dazu, als neben einigem Redetalent und der nöthigen Dreistigkeit, insbesondere einflussreiche Empfehlungen, so ist man auf einmal eine gewaltige Personage geworden, ein unverantwortlicher Volksvertreter und Gesetzgeber. Fürwahr, wo träfe das sarkastische Wort Oxen-

60 / 130 stierna`s „Du weisst nicht mein Sohn, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird“, - wo träfe es so zu, als bei unseren Parlamentswahlen“ (...)

Dienstag, d. 25. Dezember 2018 Beten für die Staatswohlfahrt. So ist das in Deutschland: die sogenannten Werte und Parteiideologien, ersetzen die Worte. Redebedarf, Diskussion und Problemlösungen über die Parteigren- zen hinweg, wie sie vorherrschen sollten, gibt es nicht, - hat es wohl auch nie gegeben. Wenn man den Staatsgläubigen frei heraus sagte, dass sie faschistoid sind, würden sie vor Entrüstung aufschreien. Das änderte freilich nichts. Staat heisst Staatsabsolutismus, Gewaltstaat, Menschenverachtung. Kommen wir nochmal auf folgende Stelle zurück: „Den Regierungsabsolutis- mus gebrochen zu haben, ist das unstreitige Verdienst des Liberalismus. Wirk- liche Volksfreiheit war aber damit noch lange nicht begründet. Im Gegenteil, der Absolutismus nahm damit nur eine andere Gestalt an: er wurde zum Sta- atsabsolutismus, der in vieler Hinsicht unter dem liberalen Regiment erst recht hervorgekommen ist ...“ In der Theorie ist alles, was man sich wünschen kann, da. Nichts ist völlig neu. Es müsste nur umgesetzt werden. Worum geht es in obigem Zitat? Es geht, wie jeder sehen kann, um das Staatsverständnis der Parteien, vor allem der Politiker. Entgegen der Europa-Hype liegt hier nämlich das Problem begraben. Die Po- litiker und ihre Parteien sind von gestern und wenig liberal, und vor allem, sie kleben am Staat und dessen Institutionen, die ihnen ihre Pfründe sichern. Düh- rings „Futterfrage“ ist nicht bloss die der Arbeiter. Der Fisch stinkt vom Kopf her.

Mittwoch, d. 26. Dezember 2018 Fortsetzung: (…) „Wird denn die Sache dadurch besser, dass es freilich in allen mit dem Repräsentativsystem beglückten Ländern ganz ebenso geschieht? Es ist nur ein neuer Beleg dafür, wie viel Blödsinn in diesem System steckt. Oder wollte man uns einwenden: es könne doch Leute geben, die sich sehr wohl für den Reichstag qualificirten, indessen sie für ein Gemeindevertretung oder Kreisvertretung nicht passen würden, und dass dadurch hervorragende Capaci- täten der Weg zum Reichstag allzu sehr erschwert wäre, so soll dies zwar nicht überhaupt bestritten werden, offenbar aber würden es Ausnahmen sein. Keine Regel ohne Ausnahme, und wäre hier leicht genug die Auskunft gefunden, dass die betreffenden Körperschaften selbst die Befugnis erhielten, in gewissen Fäl- len Dispensation zu ertheilen. Endlich aber - muss man denn durchaus im Reichstage sitzen, um sich geltend zu machen, oder bieten nicht auch noch die freien Versammlungen und die Presse ein Organ dazu? Unser Grundgedanke ist mit einem Wort: dass die höheren Vertretungskörper durch Delegation zu bilden wären, als der unerlässlichen Bedingung um der

61 / 130 unteren Körperschaften, von welchen dann die Vertretung ausginge, die nöthige Selbständigkeit zu sichern. Vor allem gilt dies heute im Verhältnis der deutschen Einzelstaaten zum Reiche. Besteht da ein Reichstag, dessen Mitglieder schlechtweg das sogenannte deutsche Volk (freilich einschliesslich gegen drei Millionen Slawen, wie ausschliesslich acht Millionen Österreicher!) zu vertre- ten haben, gerade als ob es besondere deutsche Staaten überhaupt nicht mehr gäbe, - worauf kann das hinauslaufen, als das solcher Reichstag wie mit innerer Nothwendigkeit zur Absorbirungsmaschine wird, welche die den Einzelstaaten einstweilen noch verbliebenen Competenzen Stück für Stück verschwinden ma- cht, so dass zuletzt ganz Deutschland sich in eine uniforme Masse verwandelt? Das ist hier die Perspective. S. 132: Es ist dies um so mehr das unvermeidliche Endresultat, als auch in Preussen selbst, welches nach seinem heutigen Umfang allein schon 2/3tel des neuen Deutschlands umfasst, die Volksvertretung eben so wieder, ohne alle Rücksicht auf die grosse Verschiedenheit der Provinzen kurzweg auf die ganze Volksmasse basirt ist, so dass natürlich die Provinzalversammlungen gegenüber dem allgemeinen preussischen Landtag, in welchem die Provinzen als solche gar nicht vertreten sind, nie eine reelle Bedeutung erlangen können. Für den preussischen Landtag gibt es keine Rheinländer, keine Westphalen usw., son- dern lediglich Preussen. Ähnlich gibt es für den bayerischen Landtag keine Franken oder Rheinpfälzer, sondern lediglich Bayern. Ob die Leute in Franken oder in der Rheinpfalz auch dadurch, dass man so thut, als ob ihre Stammeigen- schaft nicht bestände, zu wirklichen Bayern werden? Ich glaube nicht, sondern wahrscheinlich noch weniger, als die Rheinländer oder Westphalen, oder die annectirten Hannoveraner und Hessen, durch den gemeinsamen preussischen Landtag je kurzweg zu Preussen werden dürften. Vielmehr wird der Versuch, eine der Natur der Dinge widersprechende Einerleiheit herzustellen, hinterher ins Gegentheil umschlagen. Was ist es aber, woraus alle solche Verirrungen ent- springen? Nichts weiter als der Staatsabsolutismus.

7.

So geringschätzig sich so nennende Praktiker von aller Theorie zu denken pfle- gen, - sie wissen nur allermeist nicht, wie sehr sie selbst davon beherrscht wer- den. Denn was in dem heutigen Staatsabsolutismus hervortritt, sind eben nur die praktischen Folgen der aus dem abstrakten Staatsbürgerthum abgeleiteten Theorien. So verhängnisvolle Folgen, dass es wohl der Mühe lohnt, zu fragen: wie man auf solche Theorien gerathen konnte? Dies dann erkannt, wird auch die Sinnlosigkeit um so deutlicher ins Auge springen. Zumeist hat also gewiss das missverstandene Vorbild der antiken Republiken dazu verleitet. Missverstanden nämlich, weil die heutige Welt auf ganz anderen Lebensbedingungen beruht als die antike, deren Staatsbürgerthum offenbar eine

62 / 130 doppelte Voraussetzung hatte. Erstens, dass der Staat seinem Kerne nach nichts S. 133: anderes war als die Stadt, daher die Staatsbürgerschaft auch wirklich einen einheitlichen Körper bildete. Zweitens aber, dass die Bürger für die ma- teriellen Arbeiten Sclaven hielten, in Folge dessen sie Mittel und Muse hatten, ihre Hauptthätigkeit auf den Staat zu richten, und damit der Schwerpunkt ihres Wesens eben in ihrem Staatsbürgethum lag. So handgreiflich nun ist, dass in der modernen Welt von beidem keine Rede sein kann, geschah es trotzdem, dass seit der Renaissance, wodurch sich die Köpfe mit antiken Ideen erfüllten, auch das politische Denken dadurch beeinflusst wurde. Um sich davon zu überzeu- gen, braucht man ja nur den Macchialvelli zu lesen, als den ersten Bahnbrecher der ganzen modernen Staatswissenschaft, auf welchen dann Bodinus folgte. Und dieser Einfluss dauert noch bis heute fort. Kann es doch nicht ohne Wirkung bleiben, dass unsere Jurisprudenz sich in dem Studium des römische Rechtes concentrirt, durch dessen Schule fast alls hö- heren Beamten hindurch gingen. Wie überhaupt, dass unserer Jugend die glän- zenden Bilder des antiken Staatslebens vor Augen gestellt werden, indessen man sie nur allzuwenig darüber belehrt, auf welchen Bedingungen dieses Sta- atslebens beruhte, noch welcher Schattenseiten es hatte. Am augenfälligsten die, dass, wenn der antike Hauptstadtstaat sich erweiterte, die neu hinzugekomme- nen Gebiete von der Hauptstadt aus beherrscht und ausgebeutet wurden. So selbst in Griechenland unter der Hegemonie von Sparta uns Athen, um wie viel mehr unter der römischen Republik, nachdem sie zuletzt den ganzen mediter- ranen Länderkreis zu römischen Provinzen gemacht, d.h. zu unterthänigen Län- dern. Was Wunder also, nachdem einmal antike Ideen zur Herrschaft gekom- men, wenn in unseren heutigen Staaten die Hauptstädte nun auch die Miene annehmen, als ob sie selbst den Kern des ganzen Staates bildeten, und auf die Provinzen wie auf ihre unterthänigen Gebiete herabblicken! In Paris spricht man allgemein in solchem Tone; es ist daselbst zur offinziellen Redeweise ge- worden. Gerade als ob Frankreich aus Paris und den von Paris abhängigen Pro- vinzen bestände! In Berlin hat man nicht übel Lust, in denselben Ton zu ver- fallen. Es gebärdet sich als der Kern des preussischen Staates, wenn nicht gar schon von ganz Deutschland. Wer nicht in Berlin lebt, ist ein Provinziale, ein Wesen niederer S 134: Art, das von da aus die Parole zu empfangen hat. Vielleicht durch den Kladderadatsch und die übrigen berliner Judenblätter. Das wäre das Eine. Andererseits kam noch das sogenannte Naturrecht hinzu. Richtiger naturwidriges Recht zu nennen, da es von allen Naturbedingungen des menschlichen Lebens abstrahirt, indem es den Menschen zu einem blossen Rechtssubject machen will. Als blosse Rechtssubjecte bilden dann alle eine gleichartige Masse. Keine Rede von Stand und Beruf, noch von Besitz oder Bildung, der Eine ist wie der Andere. Keine Rede desgleichen von Stammesei- genthümlichkeiten, von heimathlichen und landschaftlichen Gewohnheiten, Be-

63 / 130 dürfnissen und Interessen. Alles verschwindet in dem Abgrund des Staates und des Staatsbürgerthums. Unter solchen Voraussetzungen concentrirt sich dann die ganze Aufgabe der politischen Organisation in der Einrichtung der sogenannten Staatsgewalten, welche das Grundgerüst des ganzen Staatskörpers bilden sollen. Kein Gedanke daran, dass es weit mehr die Gliederung von Landschaften, Kreisen und Ge- meinden ist, worauf in Wirklichkeit der Bau der Staaten beruht, und woran sich auch die sogenannten Staatsgewalten selbst anschliessen müssen, wenn sie in- neres Leben haben und nicht eine blosse Maschine bleiben sollen. Statt dessen gelten nach der herrschenden Denkweise die Staatsgewalten als für sich beste- hende Existenzen, die realen Bestandtheile des Staates hingegen - Landschaf- ten, Kreise und Gemeinden - nur als das von den Staatsgewalten zu verarbei- tende Material. Und bei solcher Arbeit mitzuwirken ist auf diesem Standpunkt die principale Aufgabe der Volksvertreter. Ei, so werden die Volksvertreter viel- mehr Zertreter dieser Autonomie der Landschaften, Kreise und Gemeinden, wovon der moderne Staat überhaupt nicht gern mehr hören will:

„Nur kein Staat im Staate!“ gilt ihm als oberster Grundsatz.

Was heisst das aber, als dass es im Staate nichts mehr geben soll, was ein in sich selbst beruhendes Leben hätte? Ich sage vielmehr: wenn Gemeinden, Kreise und Landschaften wirklich ein eigenes Leben haben sollen, so sind sie aller- dings Staaten im Staate, der sich selbst schon in jeder Dorfgemeinde abspiegelt. Die an ihrem Gemeindvorsteher - Schulze, Baumeister, oder S.135: wie er heissen möchte - ihren Regenten, dazu ihr Parlament an dem Ge- meindrath, ihr Dorfgericht, oder sollte es wenigstens haben, wie auch ihr Fin- anzwesen. Natürlich dies alles in einfachster Gestalt. Höher entwickelt schon in der Kreisorganisation, noch höher in der landschaftlichen. Innerhalb ihrer Com- petenz und für ihre besonderen Interessen sind also Gemeinden, Kreise und Landschaften wie kleine Staaten. Und das sie so behandelt werden, macht das Wesen einer förderativen Verfassung aus, die allein wirkliche Volksfreiheit zu gewährleisten vermag. Werden sie hingegen in unseren sogenannten constitu- tionellen Staaten nicht entfernt so behandelt, so entspringt daraus auch nur ein modificirter und verschleierter Absolutismus. Da wird das ganze Land nicht nur von oben herab regiert und mit allgemeinen Gesetzen überschüttet, sondern auch das Recht wird von oben herab gespro- chen. Denn das ist auch wieder ein Hauptgrundsatz des Constitutionalismus: „Alle Justiz geht vom Staate aus.“ Nein, sage ich, sie erhält im Staate nur ihren letzten Abschluss; ausgehen muss die Justiz vielmehr von den verschiedenen Sprengeln, für welche die Gerichte bestehen. Lebt denn in Gemeinden, Kreisen und Landschaften nicht an und für sich schon ein Rechtsbewusstsein, oder muss ihnen das erst von der Centralgewalt eingeflösst werden? Haben sie hingegen

64 / 130 ein eigenes Rechtsbewusstsein, so müssen sie auch ein Gericht haben, welches ihnen angehört. Für eine förderative Verfassung ist das eine unentbehrliche Le- bensbedingung. Soll aber nur die Staatsgewalt ein eigenes Rechtsbewusstsein besitzen, so ist es freilich folgerichtig, dass sie von oben herab die Richter in das Land sendet, um nach dem staatlichen Rechtsbewusstsein Recht zu spre- chen. Die Gerichtssprengel werden dann ad hoc gebildete Bezirke, die mit der Gliederung nach Gemeinden, Kreisen und Landschaften nichts zu schaffen ha- ben. Das alles geschieht heute vor unseren Augen. Denn gerade wie sich über das ganze Reichsgebiet eine uniforme Militärorganisation verbreitet, so soll auch eine uniforme Gerichtsorganisation hinzukommen, und sind nur erst die neuen Gesetzbücher fertig, so wird nichts mehr hindern, dass, - ähnlich wie Officiere von einem Regiment zum andern abcommandiert werden - zum Triumph der deutschen Einheit auch ein Richter etwa von Königs- S. 136: berg nach Strassburg, oder von Hamburg nach München versetzt wer- den kann. Natürlich „im Interesse des Justizdienstes“. Will sagen: im Interesse der öffentlichen Gewalt, zu deren Diener damit der Richter wird, anstatt der Diener des Rechtes zu sein. Dass er doch in einem geistigen Zusammenhang und in einiger Lebensgemeinschaft mit der Bevölkerung stehen müsse, für wel- che er Recht sprechen soll, hiesse die hohen Ideen des Constitutionalismus erkennen. Gleichviel: wer hier nicht den Absolutismus hindurchscheinen sieht, und zwar diesmal den Reichs-Absolutismus, der hat ein Brett vor dem Kopfe.

8.

Je mehr überhaupt das ganze Staatswesen einen militärischen Zuschnitt erhält, um so mehr neigt es zum Absolutismus, wie andererseits das Militärwesen auch das Hauptmittel war, wodurch der Absolutismus emporkam. Erst die stehende Armee gab der Regierungsgewalt der Bevölkerung gegenüber eine unwider- stehliche Macht, und wo die Regierung eine solche Macht besitzt, da kann Volksfreiheit nur als eine Gnadenbewilligung bestehen. During pleasure, oder höchstens during good behavior, was aber good behavior sei, hat wieder die Re- gierung selbst zu entscheiden. Tüchtige Steuern zahlen und im übrigen Ja sa- gen, dürfte dabei die Hauptbedingung sein. Klar demnach, wie viel für die Volksfreiheit von den militärischen Einrichtungen abhängt. Sogar die ganze Staatsverfassung, wie schon Aristoteles wusste. Es ist dies eine eben so wichtige als complicirte Materie, in dem dabei noch ausserdem zu berücksichtigen bleibt, dass das Militärwesen neben seiner ei- gentlich staatlichen Seite zugleich eine rein technische Seite hat, und ferner, dass das jedesmalige Militärsystem durch die Weltlage des betreffenden Staates bedingt ist, was alles Dreies noch untrennbar in einander greift. Dazu gehörten dann sehr vielseitige Untersuchungen, wovon an dieser Stelle keine Rede sein

65 / 130 kann. Wir haben hier nur einige Bemerkungen zu machen, wozu wir durch den Gang der vorhergehenden Erörterungen unabweislich veranlasst wurden. Da ist nun einleuchtend, dass, was der Armee dem Volke S. 137: gegenüber eine so gewaltige Übermacht gibt, zuvörderst ihre feste Or- ganisation ist, vermöge deren sie durch einen einheitlichen Willen in Bewegung gesetzt wird. Darum muss die Übermacht der Armee um so grösser sein, je mehr hingegen das Volk zu einer aufgelösten Masse geworden, zu einem Hau- fen atomer Individuen. Was bedeutet solch ein Haufen, wenn er auch Waffen hätte, gegenüber geschlossenen Bataillonen? An einen activen Widerstand ist da von vornherin kaum zu denken. Nur die grössten Städte bieten dazu noch eine Möglichkeit, weil dort das Militär nur in kleinen Abtheilungen operiren, und infolge dessen gegenüber einer plötzlich in Wut versetzten Volksmasse, welche sich durch die Gebäude in halb gedeckter Stellung befindet, in Nachtheil ge- rathen kann. Das bezeugen die Thatsachen. Seit 1789 gingen alle Revolutionen von den grossen Städten aus, insbesondere von den grossen Hauptstädten. War dann die Militärmacht in den Hauptstädten gebrochen, so fiel auch die Regie- rung um so gewisser, je mehr sie sich auf das Militär gestützt hatte. Ein glücklicher Aufstand in der Hauptstadt führte zu einem allgemeinen Um- schwung, der ganze Staat erhielt auf einmal eine neue Verfassung, die ihm ge- wissermassen von der Hauptstadt oktroyirt wurde. Was ist das aber, als eben nur die Kehrseite des Absolutismus? Und so ist es andererseits die Kehrseite des Militarismus, dass gelegentlich auch ein gegen die Regierung aufstütziger Ge- neral, welcher die Sympathie seines Armeecorps besitzt, eine Revolution ma- chen kann, wie man in Spanien wiederholt gesehen. Im Grunde genommen et- was Ähnliches, als wenn im alten römischen Imperium die Prätorianer einen neuen Augustus proclamirten, oder die Legionen in den Provinzen einen neuen Cäsar. Ist es also der aufgelöste Zustand der Gesellschaft, welcher der Armee eine so überlegene Macht gibt, so muss der Militarismus wohl erst recht zur Blüthe gelangen, wenn die an und für sich schon so incohärente Bevölkerung sich noch obendrein in feindliche Classen spaltet, wie heute in die besitzende Classe und die besitzlose Arbeiterclasse. Sich selbst unter den Schutz der Bajonette zu be- geben, mag dann der besitzenden Classe, deren physische Kraft gegenüber der grossen Arbeitermasse fast nichts bedeutet, als das einzige Rettungsmittel er- scheinen. Nur bezahlt sie das auch mit dem Verlust ihrer politischen Freiheit, und wird sich nicht darüber S. 138: beklagen dürfen, wenn infolgedessen der Soldateska immer mehr der Kamm schwillt, noch über den wachsenden Steuerdruck. Der Militarismus ist dann gewissermassen zu einem ganz natürlichen Product der Verhältnisse ge- worden. Sinnlos, ihn durch parlamentarische Beschlüsse wegdecretiren zu wol- len. Denkt man ernstlich ihn zu überwinden, so gehört erst ein sociale Organi- sation dazu, deren Wichtigkeit damit auch unter diesem Gesichtspunkt hervor-

66 / 130 tritt. Weiter beruht die Militärherrschaft darauf, dass der Soldat alle heimathlichen und landschaftlichen Bande abstreift, indem die Rekruten aus den verschie- densten Gegenden durcheinander geworfen werden, damit sie sich nur noch als ein Partikelchen der einheitlichen Armee fühlen, welche dadurch um so mehr zum willenlosen Instrument der Regierungsgewalt wird. Die politische Centra- lisation folgt dann ganz von selbst. Für eine förderative Verfassung hingegen ist es wesentlich, dass die Armee nur aus den Contingenten der Gliederstaaten bestehe, insofern es sich um einen förmlichen Bundesstaat handelt. Und soll die Verfassung eines Einheitsstaates zugleich doch einen förderativen Charakter annehmen, so muss dann wieder für die einzelnen Provinzen oder Landschaften dasselbe gelten. Hiernach fehlt zur letzten Vollendung der Militärherrschaft nur noch, dass allein die stehende Armee Waffen führt, und so das Volk ausdrücklich wehrlos gema- cht ist. Ein Zustand, welchen eben der Absolutismus wesentlich mit herbei- geführt hat, indem die ehemaligen Landmilizen und städtischen Bürgerwehren, insoweit sie nicht in sich selbst abstarben, von oben herab beseitigt wurden. Ganz entsprechend den Veränderungen im Gerichtswesen, wo die volksthüm- lichen Elemente durch lediglich vom Landesherrn abhängige gelehrte Richter ersetzt wurden, und ebenso entsprechend der Beseitigung der ehemaligen Stadt- verwaltung durch eine landesherrliche Beamtenschaft. Gehörte aber das alles zusammen, um das Volk zu einer bloss regierten Masse herabzudrücken, so ge- hört dann folglich auch zur Wiederherstellung der Volksfreiheit, dass nicht nur wieder eine Betheiligung des Volkes bei der Rechtssprechung, und eine Selbst- verwaltung in Gemeiden, Kreisen und Provinzen hergestellt werde, sondern das unerlässliche Seitenstück dazu sind dann auch: für die grösseren Städte Bürger- wehren, wie für die S. 139: Landkreise Kreiswehren. Ohne dies bleibt alle Volksfreiheit illusorisch. Aber wiederum erklärlich genug, wenn gerade von diesen Einrichtungen der Militarismus am wenigsten hören will, weil das direct auf Einschränkung seiner Herrschaft zielte. Er macht sich dabei leichtes Spiel solche Forderungen abzulehnen, in dem er auf die Erfahrungen hinweist, die man im Jahre 48 mit den damals eingerichteten Bürgerwehren gemacht habe. Nun, es hätte wohl ein Wunder geschehen müssen, wenn, was man damals im Zustand vollster Aufreg- ung mit einem Schlage improvisirte, sich nicht bald darauf als verfehlt und un- haltbar erwiesen haben sollte. Gewiss also müsste die Sache viel anders ange- griffen werden, und könnte sich nur im allmäligen Fortschritt entwickeln. Zu- dem - Kreiswehren einzurichten, hat man damals gar nicht versucht, und doch scheint wohl selbstverständlich, wenn es sich hier überhaupt um eine ernstge- meinte Einrichtung handelt, welche einen integrirenden Factor der ganzen Sta- atsverfassung bilden soll, dass sie dann nicht bloss für die grösseren Städte bestimmt sein kann. Andernfalls wäre sie todtgeboren.

67 / 130 Nichts besagt es desgleichen, dass Angesichts des heutigen Kriegswesens sol- che Bürgerwehren und Kreiswehren für eigentliche kriegerische Zwecke sehr wenig leisten können. Das soll auch gar nicht ihre Bestimmung sein. Zur Auf- rechterhaltung der äusseren Ordnung hingegen werden sie - im gewöhnlichen Verlauf der Dinge - vollkommen ausreichen. Und dahin geht gerade die Ab- sicht, dass in dieser Hinsicht die Bevölkerung sich selbst schützen soll können soll, ohne dass erst die centrale Staatsgewalt ihre Soldaten schickt. Sonst ver- lieren die Leute alles Selbstgefühl. Die Hauptsache ist aber erst, dass solche Bürgerwehren und Kreiswehren zur Zeit das wirksamste und am ehesten anwendbare Mittel sein würden, um in den Bürgerschaften und unter den Kreisinsassen - durch die gemeinsamen Waffen- übungen - einen lebendigen Zusammenhang herzustellen. Und wie viel würde das bedeuten! Man frage sich doch nur: was ist denn heute die Bürgerschaft in unseren GrossStädten? Nicht viel mehr als ein zusammengepresster Menschen- haufe. Selbst in den Mittelstädten steht es nicht gar viel besser, und was die Kreisbevölkerungen anbetrifft, S 140: die bilden freilich keinen zusammengepressten Haufen, um so mehr aber nur eine Summe zerstreuter Elemente. Wie soll sich da eine reelle Selbstver- waltung entwickeln, wenn die Kreisinsassen gar nie in persönlichen Contact mit einander kommen? Um aber solchen persönlichen Contact herzustellen, gibt es für die Landkreise gar kein anderes Mittel, als dass die Leute dann und wann in Compagnien und Bataillonen zusammentreten. Für die Mittelstädte mögen als zusammenhaltende Bande noch die gewerblichen Innungen hinzukommen, wel- che in dieser Hinsicht gerade in den Mittelstädten sich wohl am ehesten wirk- sam erweisen könnten. Vorausgesetzt, dass sie selbst rechte Lebenskraft besäs- sen, was doch zur Zeit nicht der Fall ist, und bei dem besten Willen nicht so bald zu erwarten sein dürfte. Für die eigentlichen GrossStädte hingegen würden die Innungsbande in keinem Falle ausreichen, um einen lebendigen Zusammen- hang der Einwohnerschaft zu begründen. Am allerwenigsten für eine Stadt wie Berlin, wo die ganze Selbstverwaltung schon thatsächlich zur Illusion gewor- den, indem statt dessen eine Cliquenherrschaft entstand, und die Dinge unauf- haltsam dahin treiben, dass zuletzt nur noch eine bureaukratische Präfecten- verwaltung möglich sein wird, da aller innerer Zusammenhang der Einwohner- schaft verschwindet. Geschieht also nichts zur Begründung der Bürgerwehren und Kreiswehren, so muss der Militarismus wohl immer fortschreiten. Die ganze Bevölkerung zer- fällt infolge dessen in zwei Abtheilungen: Militär und Civil, die wie zwei ver- schiedene Völker sind, mit verschiedenen Sitten und unter einem verschiedenen Rechte lebend; das Militär dann als die herrschende Classe, die Civilbevöl- kerung als die beherrschte Classe. Ein halbbarbarischer Zustand, und eine wahre Satyre auf den sogenannten Rechtsstaat, dass das Soldatenthum über dem Staatsbürgerthum steht! Spaltet sich dabei die Civilbevölkerung wieder in

68 / 130 die besitzlose und die besitzende Classe, - was ist hinfort noch die Natio, und was bedeutet es unter solchen Umständen von Nationalleben zu reden, wo die Nation nur noch eine mechanisch zusammengehaltene Masse ist? Eine deutsch förderative Verfassung und Entwicklung ist damit von vornherein unmöglich. Denn wie schon gesagt: auf seine Grundtendenz zurückgeführt, be- zweckt der Förderalismus nichts anderes, S. 141: als dass an die Stelle des Antagonismus die Cooperation trete, statt dessen - wie heute die Dinge liegen - der Antagonismus fortwährend wächst, und noch obendrein gehegt und gepflegt wird. Wer also noch ferner von För- deralismus reden will, der soll auch wissen was dazu gehört. Nämlich eben so ein Umschwung in den inneren Verhältnissen, als - wie wir später sehen werden - in den auswärtigen Verhältnissen, da zur Zeit in beider Hinsicht vielmehr eine antiförderative Richtung herrscht.“

Freitag, d. 28. Dezember 2018 Nun, es herrscht die scholastisch-idealistische Dialektik, der Gewaltstaat und dessen Staatsabsolutismus, - will sagen: die Absolution des Staats! Wenn man nicht einmal fähig ist, dass Königthum richtig zu interpretieren und dazu noch falsche Angaben macht, wie es Frantz in seiner Schrift nachweist, dann kann man in etwa erahnen, mit welchen Kreaturen man es zu tun hat ...

Constantin Frantz: Besondere Bemerkungen über das Königthum.

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S. 141: „Sprachen wir bisher von dem Bau, von der inneren Gliederung und von den Einrichtungen das Staates, so müssen wir insbesondere noch von dem Königthum sprechen, in welchem sich in unseren monarchischen Staaten die ganze Verfassung concentrirt. Und was in dieser Hinsicht von dem Königthum gilt, gilt überhaupt von dem souveränen Fürstenthum, welchen Titel es auch führen möge. Was ist also das Wesen des Königthums an und für sich, was kann und soll es leisten? Darüber sich klar zu werden ist um so nothwendiger, als sich darüber seit vielen Jahrhunderten ein Nebel verbreitet hat, der sich noch immer nicht ganz verzogen, und den man sogar von gewissen Seiten künstlich zu erhalten beflissen ist. 1.

Vor allem meinen wir damit die Ansicht, wonach das Königthum eine von Gott angeordnete Gewalt sein, oder sogar einen specifisch christlichen Charakter ha- ben soll. Das Letztere betreffend, ist es dann zumeist der paulinische Ausspruch

69 / 130 über die obrigkeitliche Gewalt, worauf theologisirende Politiker sich zu berufen lieben, während doch die apostolischen Worte selbst vielmehr besagen, dass jede obrigkeitliche Ordnung von Gott sei, und folglich eine specifische Bezieh- ung auf das Königthum, und gar auf das Erbkönigthum, S. 142: rundweg ausschliessen. Und was war denn eigentlich zur Zeit des Apostels die damalige höchste Gewalt, d.i. das Imperatorenthum? Offenbar dem Kerne nach nur eine Metamorphose der ehemaligen republi- kanischen Gewalt, entstanden durch Usurpation und Accumulation republikani- scher Ämter. Gehen wir darauf an das alte Testament, so lesen wir (1 Samuelis 8.), dass das Königthum da vielmehr als ein heidnisches Institut dargestellt wird. Und als gleichwohl die Juden einen König erhielten, verlautete dabei kein Wort von der Erblichkeit der königlichen Würde, sondern gerade der erste Kö- nig wurde hinterher wieder abgesetzt. Es ist ja ersichtlich genug, wie sich erst infolge der frühzeitig eingetretenen Verquickung der Kirche mit den staatlichen Gewalten die Vorstellung von einer besonderen göttlichen Sanction des Königthums bildete, wonach dann der Thron zur Seite des Altars stand. Desgleichen aber zeigt die Geschichte auch, wie solche Verquickung zum Verderben der Kirche führte, die dadurch verwelt- licht und zuletzt der Staatsgewalt dienstbar gemacht wurde. Und andererseits gereichte das hinterher nicht minder zum Verderben des Königthums, welches in demselben Masse, als es sich auf seine göttlichen Sanctionen zu stützen zu können vermeinte, ebenso das Verständnis für seine wirklichen Hilfskräfte wie für seine menschlichen Pflichten verlor. Da brach endlich die Katastrophe über das Königthum herein, zunächst in England, darauf mit viel tiefer greifenden und weiter reichenden Folgen in Frankreich. Hat man seitdem schon den Sturz so mancher Throne und so mancher Dynastien gesehen, oder wie so mancher neu errichtete Thron oder so manche neu gestiftete Dynastie hinterher wieder verschwanden, und hat man insbesondere gesehen, wie ein König von dem an- dern verdrängt wurde, so muss zuletzt wohl dem schlichtesten Verstande ein- leuchten, was von der göttlichen Sanction des Königthums zu halten sei.“

Ihr stürzet eure Könige, nun stürzt das Volk. Verfasser

70 / 130 Dühring und das linksfaschistische Milieu ______

Samstag, d. 29. Dezember 2018 Von Adenauer zu Kohl, von Schröder bis Merkel. Zu Frantz „Wie unrichtig das Ziel auch sein mag, auf welches einerseits der Liberalismus und andererseits der Socialismus hinaussteuern, - ein Ziel ist es, der Conserva- tismus hingegen hat überhaupt keins (…) Unvermögend nun, seine Forderungen, wonach dies oder jenes zu erhalten oder zu erstreben sei, principiell zu motiviren, provocirt der Conservatismus um so lieber auf den Willen Gottes und die Fügung der göttlichen Vorsehung, die ihm angeblich zum MassStab dienten. Darin liegt dann jedenfalls seine mächtigste Waffe, die religiösen Gefühle der Menschen in`s Spiel zu ziehen. Hat er die einmal gewonnen, schliesst sich an das religiöse Gerede wohl manches an, was mit der Religion so viel Zusammenhang hat, als mit dem Monde (...) Nirgends hat der deutsche Conservatismus sich weniger bewährt, als gerade in Beziehung auf die deutsche Frage. Will sagen: die Frage nach der deutschen Gesammtverfassung. Wie er sich in dieser Beziehung benommen, bezeugen die Thatsachen.“ - „… der „geistige Pöbel“ (Frantz) bleibt der nämliche. Denn: „Er weiss einmal nichts Besseres, der repressive Hang ist ihm angeboren.“ Zu Dühring Die Anschauung der Natur bestimmt unser Denken. Eines ist zwar nicht das Andere, aber, so wie wir Menschen die Natur be- trachten, entsprechend denken wir hinfort auch. Die Auffassung der Natur ein- begreift (impliziert) die Grundlagen unsres Denkens, weshalb das Wort Welt- anschauung eigentlich verfehlt ist. Das Wort Welt ist ein AnthropoMorphismus. Dagegen bleibt die Natur das grundlegendere Element. Der Mensch ist nicht die Natur an sich, und er ist auch nicht die materiale Grundlage alles dessen, son- dern hat sozusagen nur etwas Natürliches und also etwas von Natur an sich. Die materiale Natur bleibt uns demgegenüber etwas völlig Ungleichwertiges. Sie ist vor uns da, sie wird nach uns da sein und insofern ist die Menschenwelt der Natur gegenüber das Sekundäre. Allerdings kehrt der Mensch jenen Sachverhalt beständig um.

Samstag, d. 30. Dezember 2018 Schelling positiv, und Hegel negativ: zum Positivismus. Constatin Frantz: „Darf man nicht im voraus vermuten, dass eine Philosophie,

71 / 130 deren Ausgangspunkt und Mittelpunkt das Problem der Freiheit gewesen, um deswillen auch zu der lebendigsten Weltanschauung führen, und wenn sie zwar als eine rein theoretische Wissenschaft auftritt, doch mittelbar von grösster Bedeutung für das praktische Leben sein wird? Was steht hingegen zu erwarten von einer Philosophie, die lediglich von der Untersuchung logischer Begriffe ausgeht, wie es bei Hegel geschieht? Was anderes kann daraus hervorgehen als ein dürres Schulsystem, welches für das praktische Leben in höherem Betracht ohne allen Wert bleiben muss. Wir glaubten, diesen Punkt schon an dieser Stelle hervorheben zu sollen, weil durch missgünstige Flachköpfe die Meinung verbreitet ist, dass es mit Schel- linge positiver Philosophie auf unfreie Tendenzen abgesehen sei, und weil die dadurch hervorgerufene Ungunst der öffentlichen Meinung gar sehr dazu bei- getragen haben möchte, dass diese Philosophie bisher so wenig bekannt ge- worden ist, indem man von vornherein nichts davon hören wollte. Auch der Philosoph Hartmann hat in diesem Sinne davon gesprochen, indem er sie kurz- weg mit den Tendenzen der Romantik und Restauration zusammenwirft, womit sie doch absolut nichts gemein hat, während hingegen die Hegelsche Philoso- phie, wenn man ihr zwar keine Romantik vorwerfen kann, um so mehr das Bleigewicht der Restaurationsperiode erkennen lässt, so sehr sie sich auch mit dem Schein von Freisinnigkeit aufzuputzen weiss, was ihr ja auch vielfältig zur Empfehlung gedient hat. Denn Freisinnigkeit fordert vor allem das ganze soge- nannte gebildete Publikum, welches sich selbst für die personificirte Freisinnig- keit hält, so dass man eine Lehre nur in den Geruch der Unfreisinnigkeit zu bringen braucht, und sie ist um so gewisser beiseite geschoben, als sich damit zugleich der Vortheil verbindet, sie auch gar nicht zu studiren zu brauchen. Und allerdings, wenn es als der Gipfel der Freisinnigkeit gilt, den lieben Gott aus der Welt heraus zu philosophieren und das Christenthum als einen durch die Cultur überwundenen Standpunkt zu behanden, so ist es hingegen die erklärte Aufgabe der positiven Philosophie, ihre Jünger von dieser Species der Freisinnigkeit, welche die gebildete Welt wie ein Seuche befallen hat, wieder zu befreien. Die Freiheit aber etwas ernster und tiefer genommen, so hat gerade Schelling, und er allein, die durch Kant und Fichte eingeleitete Freiheitsbewegung wirklich fortgeführt, statt dessen Hegel, von dem Standpunkt der Freiheit auf den bloss logischen herabsinkend, sich damit von dieser Bewegung wieder lossagte. Wie dies in der That von unserer ganzen sogenannten Fortschrittlichkeit gilt, so dass nicht etwa die allgemeine Freisinnigkeit, sondern der Mangel an allem leben- digen Sinn für Freiheit die wahre Ursache bildet, wodurch man für die positive Philosophie so unempfänglich wurde ...“ Gesagt gethan! - Von dem Manne kann man etwas erfahren. Denn: „Das aber zugegeben, was ist That, wenn nicht Ausfluss einer Persönlichkeit? Ohne Persönlichkeit gibt es keine Thaten, sondern nur Ereignisse ...“

72 / 130 Montag, d. 31. Dezember 2018. NZZ, Silvester: „Kapitalismus und Marktwirtschaft haben einen hierzulande nie gekannten Wohlstand geschaffen. Das ist fraglos ein grosser Erfolg“, - aber mit Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen bestehen darin, dass das von Constantin Frantz hochgehaltene Christenthum in der Ago- nie liegt. Man muss lesen, was er Ernüchterndes zum Konservatismus (oben) zu sagen hatte. Der Gewaltstaat verträgt sich mit dem Föderativsystem nicht, und ist deshalb nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wir können schlecht be- haupten, dass die heutige EU ein Föderativsystem ist. Sie ist nicht annähernd ein System, welches dem lokalen Patriotismus und dessen Heimat eine Chance gibt. Sie ist ein Moloch der Einheitsstaaten und der Einheitswährung. Nicht ein- mal die Währung angeblich souveräner Staaten ist übrig geblieben. Wenn von Föderativsystem keine Spur, wo bleibt dann das Christenthum, die Religion der Liebe? Sie schwimmt im Gewaltgefüge, dem sie sie letztlich dient. Auch das verspricht für die Zukunft nichts Gutes. Wo wir dabei stehen, sieht man in folgendem: „Gewiss, wollen die kleinen Staaten sich einfach auf ihre particularistische Herrschaft steifen, so sind sie verloren, sie werden die Beute des viel intensiveren Particularismus der Grossmächte werden, wovon bereits Exempel genug vorliegen. Wollen sie sich retten, so ist das nur durch ein all- gemeines Föderativsystem möglich, welches aber erst aufkommen kann, wenn das heutige Grossmachtssystem verschwindet. Denn noch einmal gesagt: das Grossmachtsystem lässt überhaupt kein Föde- rativsystem aufkommen (…) Handelt es sich nun um die Begründung einer neuen Völkergemeinschaft, so kann diese zunächst nur das abendländische Eu- ropa umfassen, als welches im Mittelalter eine gemeinsame Geschichte gehabt, die, trotz der darauf eingetretenen nationalen und staatlichen Absonderung, doch so tiefe Nachwirkungen hinterliss, dass dieses ganze Ländergebiet - ge- genüber dem östlichen Europa - noch bis heute in den Hauptpunkten seine innere Verwandtschaft bewahrt hat (…) War also das mittelalterliche Ideal eine hierarchische Zusammenfassung der Glieder gewesen, mit Papst und Kaiser an der Spitze, so kann das neue Ideal nur eine Föderation der selbständigen Glieder sein, dazu mit einer polyglotten Bildung, gegenüber dem allgemeinen Latinis- mus des Mittelalters ...“ In vielen Fällen der Schrift spricht der Diplomat. Mir aber scheint, wir sprä- chen Englisch. Und da haben wir den Hauptfeind gegen das Föderativsystem. Es geht um den alten Kontinent, und nicht um ein EU-Europa plus NATO und Einheitswährung. Föderativ gibt es bei den Gewaltstaatlern nicht. Es kann gar nicht anders sein, als das wir jetzt erst recht Verjudaisiert sind. Dafür ist der Rechtsstaat zuständig, wir bräuchten ihn sonst nicht. Man lehrte uns, der sociale Antagonismus sei der Classenkampf. Wohl denn, das ist Schnee von gestern.

73 / 130 Ich sagte also: der Antagonismus ist der der Kirche. Frantz: „Was sprechen wir doch vom Christenthum, wenn das Christenthum bloss auf das gegenseitige Verhalten der Individuen Bezug haben soll, nicht aber auch auf das menschliche Gesammtleben, worauf es vielmehr gar keinen Einfluss zu äussern hätte. So wäre wohl sein Niedergang und allmäliger Unter- gang unvermeidlich. Oder was hiesse es noch für die Völker, sich zum Chris- tenthum zu bekennen, wenn hingegen die daraus entspringenden grossen prak- tischen Forderungen verleugnet würden? Und haben wir nicht bereits erkannt, dass, wenn in erster Linie dazu die internationale Organisation gehört, so an- dererseits diese Aufgabe auch nur in Kraft des Christenthums zur Ausführung gelangen kann? Ist darum keine Aussicht zu einer energischen Inangriffnahme derselben, ohne ein Wiedererwachen des eingeschlummerten christlichen Geis- tes, so besteht doch hier zugleich eine Wechselwirkung. Und demnach würde es gewiss als ein kräftiger Anstoss zur Erweckung des christlichen Geistes dienen, wenn sich die christlichen Nationen zu einer gemeinsamen Regulirung der orientalischen Angelegenheiten vereinigten. Dazu liegt in dem dermaligen Zustande des abendländischen Europa selbst die dringenste Aufforderung zu solchem. Denn welch ein Zustand, wo Revolu- tionen auf Revolutionen und Kriege auf Kriege folgen, woraus zuletzt der moralische wie finanzielle Bankerott der Nationen und Staaten hervorgehen kann. Da gilt es, ihre Politik auf ein grosses gemeinsames über die streitenden Sonderinteressen hinausreichendes Ziel zu richten, damit sie endlich aufhören ihre Kräfte in inneren Kämpfen zu verzehren. Und noch einmal: ein solches gemeinsames Ziel böte allein die Regeneration und Rechristianisirung des Orients. Haben die abendländischen Völker diese Aufgabe, die seit dem Her- einbrechen des Islams in die christliche Welt eine permanente war, so lange versäumt, so ist nun - wie zur Strafe dafür - noch eine neue orientalische Über- fluthung durch die Judenherrschaft eingetreten, wodurch die christlichen Völker nicht nur einem finanziellen Ausbeutungssystem verfielen, sondern zugleich ihr geistiges Leben im innersten Kern durch den Judengeist angefressen wird. Das ist die innere orientalische Frage, die schon für alle europäischen Länder be- steht, und die nicht zu lösen sein wird ohne andererseits die äussere orienta- lische Frage thatkräftig in Angriff zu nehmen.“ Wer Frantzens Verdikt zum Konservatismus kennt (oben), der weiss bescheid. Das Christenthum bedeutet hier das Abwatschn, wie die Bayern sagen, halte noch die andere Backe hin! - die sklavische Gesinnung, damit der Gewaltstaat gleichfalls Machthaber satisfaktionsfähig auftreten kann. Das der Hauptantrieb der Grossmächte und deren Satelliten, wie Deutschland einer ist.

74 / 130 2019 ______

Mittwoch, d. 02. Januar 2019 Die Deutschen mit ihren treuen Löwenaugen. Dühring ist der Ausgangspunkt unser aller Überlegungen und wie so oft, müs- sen wir einmal mehr einsehen lernen, dass seine Denkweise die wesentlich offenere, weil die freiere ist. Aus Frantzens Schrift zu Schelling ist leider nur Weniges herauszuholen. Frantz war wohl ein begnadeter Politiker und Diplo- mat, und für den Staatsdienst geeignet. Die philosophischen Auslassungen zu Schelling bergen nichts von Bedeutung. Die religionistischen Schriften zum Nationalliberalismus aber bleiben überzeugend und konsequent, weil denkrich- tig. Und das ist immerhin einiges, dass wir Dühringianer gebrauchen können. Frantz ist in in der Tat eine so historische, als intellektuelle Bereicherung.

DÜHRINGS JUDA: „Mit der Wegräumung der Theologie und des sonst Religionistischen ist der Naturgehalt gesäubert; es kommt nun aber auch darauf an, die subjectiven Mit- tel der Einsichtsgewinnung ebenfalls von den falschen Beschattungen zu be- freien und sie so fähig zu machen, gleichsam in vollem Lichte zu arbeiten. DIE FALSCHE WISSENSCHAFT DER PSYCHOLOGIE liefert nicht nur unmit- telbar Unrichtiges, sondern wird auch zum Hindernis einer klaren und zutref- fenden Kennzeichnung von Welt und Sein. Analoge Irrgänge oder Betrugswen- dungen, wie in der Auffassung der Natur oder des Naturgrundes, sind auch in derjenigen des organischen, empfindenden und bewussten Lebens die Ablenker von der unmittelbaren und einfachen Wahrheit geworden.“ Merkwürdig genug, das neue Jahr beginnt, wie das alte geendet hat. Es ist viel zu warm für diese Zeit. Der heutige Tag könnte schon ein erster Vorbote des Frühlings sein.

Donnerstag, d. 03 Januar 2019 Begrüssen wir das neue Jahr, indem wir eine Schablone über Mecklenburg legen. Wo es „mäh“ machen soll, da macht es „mäh“, und wo es „muh“ machen soll, dort macht es „muh“. Die Bevölkerungen gehen Tags arbeiten, ihr Brot und Geld verdienen, denn ohne das Geldsystem geht heute gar nix, und die Obern schmeissen das sauer verdiente Brot und Geld mit vollen Händen wieder zum Fenster raus. Eine Ge- sellschaft im Überfluss, „in der wir gerne leben“, denn es ging uns noch nie so gut. Es lebe Frau Merkel und die Staatsgewalt der Weltgesellschaft, das Heil

75 / 130 des Christentums, will angesagt sein. Doch das macht sich nicht so leicht, es braucht eine nationale KraftAnstrengung, wie sie sagte. Was sie auch anfasst, bei dieser Frau hat alles einen üblen Beigeschmack. Von welcher Seite man es auch betrachtet, mit Vernunft oder doch der Religion hat ihre Politik nicht zu tun. Es geht hauptsächlich ums liebe Geld; mit Geld wird alles gestopft, die Münder und die Mäuler, die Armen und Unterdrückten, die politisch und wirtschaftlich Verfolgten. Ausserdem gehört die Desinformation zum Geschäft.

Freitag, d. 04. Januar 2019 ______Dühring. Sachlogik statt Positivismus.______

„Theismus, Pantheismus, Atheismus und phantasmenfreies Zurückschliessen von den Weltthatsachen auf den Cha- rakter des Seins, das sind die vier Phasen, von denen zwei ein Hineingerathen in das Falsche, die dritte eine Emancipation von diesem Falschen, die vierte aber erst die schaffende Wahrheit vertritt. In analoger Weise sind Psychismus, Panpsychismus, Apsychismus und ein gedankliches Entwerfen zur phantasmenfreien Vorstellung der Lebens- und Bewusstseinsgründe die vier Etappen, von denen nur die Letzte zu schöpfe- rischen Wirklichkeitswerthen führt (…) Übrigens ist keine besondere Gelehrsamkeit erforderlich, um unsern sachlo- gischen Hauptsatz ( der eindeutigen sachlogischen Zuordnung) von der speci- fischen NATUR des LEBENS und mithin auch seines Grundes einzusehen.“ Während bei uns die Psychologie grassiert, ist der Leser aufgefordert sich in dem Abschnitt „Geistiges Arsenal“ ein eigenes Bild zu machen. Hier waren wir auf der S. 258. Nichts ersetzt die originale Lektüre.

Sonntag, d. 06. Januar 2019 ______Dühring. Sachlogik statt Positivismus 2______

„Der Vorzug unserer rein sachlogischen Methode besteht darin, dass sie einer- seits die Psychologie gleich in ihrem Fundament als trügerische und betrüge- rische Disciplin entlarvt, andererseits aber den Verstand frei macht, das Leben unabhängig von der Individualschranke bis in die letzten Gründe hinein als et- was Selbständiges und Eigenartiges zu erfassen. Das Schema zum Lebensspiel haftet nicht am Individuum, sondern ist eine allgemeine Überlieferung, an der jedes lebende Einzelwesen theil hat und auf die es zurückbezogen werden muss, wenn es nicht falsch verdinglicht und in seiner blossen Vorgangsnatur verkannt werden soll. Letzteres gilt, wie für die Existenzen niedrigster, so auch für die- jenigen höchster Ordnung; denn beiden ist derselbe Typus gemeinsam, indem beide nichts als Verzweigungen eines umfassenden Systems von Vorgängen sind. Währernd die gespensterhafte Seelenvorstellung das Individuum isoliert

76 / 130 und gleichsam zu etwas Abgerissenem macht, führt unsere freie Auffassungsart unverschränkt in alle Vergangenheit zurück und auf diese Weise zu einem letz- ten Halt, an welchem das Leben hängt. Der äusserste Ursprung kommt auf diese Weise nie ausser Sicht, und wo es sich um selbstbewusste Wesen handelt, wird sich deren Bewusstsein nicht auf ein nächstliegendes Selbst, also nicht auf eine falsche Ichheit, sondern gleich auf den allerursprünglichsten Erzeugungsgrund beziehen. Hiermit wird in der Reconstruction nachhaltigen Seins sicherlich mehr gewonnen, als durch das Abreissen des Vorgangsfadens mit dem Todte vermeintlich verloren geht. Auch ist die Vorstellung würdiger, wenn sie von vornherein den wirklichen und unbestreitbaren Zusammenhang des Lebens ins Auge fasst. Nicht Geschöpf, nicht Creatur, sondern freier Repräsentant ist jeg- liches einzelne LEBENSGEBILDE von jener Uranlage, die sich in der Reihen- entwicklung sozusagen numerisch vergegenständlicht. Eine solche Position und ein solches Verständnis ist für Alles und Jedes angezeigt; aber für die sich in- nerlich gleichsam selbst beleuchtenden Wesen, zumal wenn sie von höher und weiter denkender Art sind, ist die richtige Vorstellung von jenem Verhältniss eine Vorbedingung des Gefühls ihrer Würde. Je Mehr vom Bewusstsein be- leuchtet wird, um so weiter reichen die Theilnahme und die Gemeinschafts- wahrnehmung bezüglich des Urlebensgrundes.“

Dienstag, d. 08. Januar 2019 ______Gewaltmechanik______

Dass schöne Wort Demokratie ist das eine und die Mehrheiten im Bundeshaus, dem ehemaligen Reichstag, worin Kommunisten und Faschisten gesessen, sind das andere. Das der Hintergrund, weshalb politisch motivierte Gewalttaten auf Personen, wie Frank Magnitz von der Alternative in Bremen, stattfinden. Man spricht von einem brutalen Mordanschlag und da kommen wir nicht umhin, zu fragen: sind wir wieder soweit? Die Blumen der roten Anarchie gedeihen, die Saat der Gewalt geht auf? Wir wissen in Moment nicht, wer den Anschlag verübte. Die Gewaltmechanik treibt die Unwesen immer weiter. Die Aufreizung der Arbeiter zu Dührings Zeiten gegen den liberalen Geld- und Industriebesitz, von den Konservativen wie Hermann Wagener im preussischen Landtag ersonnen. Wagener/Lassalle, siehe die Arbeit zum Cursus der Philoso- phie; dieselbe wird heute von jenen, die sich im Gewaltstaat eingerichtet haben, gegen alles, das deutsch ist, und den Ablauf der PolitGeschäfte und der Mi- gration stört, eingesetzt. Die Gefahr geht heute nicht von den Arbeitern, sondern von den Schulen und Universitäten, den im Dunkeln operierenden Geheim- diensten und also von staatlichen Einrichtungen aus: es sind die „Produkte der Staatsgewalt“ (Constantin Frantz), welche uns genieren und schikanieren, und uns zur Ader lassen. Gewalt war und ist immer ein Mittel der Politik gewesen, wieso sollte dies heute viel anders sein. Kriminelle und Heuchler fanden stets

77 / 130 beieinander, ob in der Dunkelheit oder auf der politischen Bühne. Unterdessen pflegt die MerkelUnion in Hessen nun die zweite Legislatur mit den Grünen, wobei es eine Unverschämtheit darstellt, wenn im Bundestag Ab- geordnete der Alternative von Grünen und Rotgrünen als Rassisten und Nazis beschimpft werden, weil die Alternative die Migrations- und Asylpolitik der Kanzlerin verurteilt. Man muss der Kanzlerin wenigstens danken, dass sie eini- ges von Fäulnis Befallene, dass seit Jahrzehnten dahinsicht, wie beispielsweise die illegale Migration in die Sozialsysteme oder die grundfalsche Klimapolitik, auf den Tisch brachte.

Mittwoch, d. 09. Januar 2019 ______Nun, es gibt Juden und KarriereJuden.______

Der KarriereJude, wie man sich denken kann, ist keine wirklicher Jude. Er hält den Juden in den Kirchen präsent. Er hält ihn im Land präsent, er ist ihm Va- terland. Warum die Saat gegen Merkel gerade im Osten aufging? Nun, wenn man be- denkt, dass der WestStaat gegenüber den Ostdeutschen sich wie ein Besatzer aufführte, dann kann man in etwa nachvollziehen, warum die Saat gegen Mer- kel vor allem im Osten ihren Anfang nahm. Man kann dann aber auch wissen, dass der Staat generell wie ein Besatzer fungiert. Warum dies nun wieder ge- leugnet wird, wenn es doch den Tatsachen entspricht? Das leitet uns zu der biblischen Geschichte weiter, in welcher Jesus, von den Juden verraten, von der Besatzungsmacht ans Kreuz gebracht wurde. Das kön- nte jederzeit wieder geschehen: das ist Realität. Unsrer Lehre nach, ist der Staat ein Besatzer, und wie auch immer: die Kirche spielt hierbei dem Geburtshelfer Moses in die Hände. Auge um Auge, Zahn um Zahn, das war immer Teil der Gewaltmechanik.

78 / 130 Louis Ferdinand Destouches und Lucie Almansor (Destouches)

Dühring und das linksfaschistische Milieu Sachlogik statt Positivismus

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Dienstag, d. 15 Januar 2019 Dühring „Alt- und Neuheraismus in der Volksschule. Unterthänigkeitspflege und geis- tige Beschönigung kriegerischer Rohheit und Wüstheit. Beginnen wir völlig von unten mit den niedrigsten Gestaltungen der Volks- schule, so wird dort der angehende Mensch geistig vorwaltend und sozusagen bis über die Ohren in Hebraismus eingetaucht. Wenigstens ist dies die Über- lieferung aller christischen Völker, die mit dem Hebräer am Kreuz auch dessen Landsleute und Peiniger zu Gegenständen besonderer Aufmerksamkeit erkoren haben. Das neue sogenannte Testament lässt sich auch in der That vom alten nicht trennen und ist selbst trotz sprachlich griechischer Abfassung noch ein Stück, wenn auch etwas verschwommen und mit sich selbst uneins gewordenen Hebraismus. Erst mit der palästinensischen Religion und mit dem Christischen selber können die hebräischen Charakterzüge aus den modernen und bessern

79 / 130 Völkern völlig ausgeschieden werden. Der Volksschule ist also die ganze alt- und neuhebräische Ansteckung der arischen Völker zu perhorresciren. Gerade weil die Volksschule die Hauptvorbereiterin und gleichsam Einimpferin dieser hebräischen Infectionen ist, und weil auf das zartere und jüngere Alter Der- artiges verhältnismässig am stärksten wirkt, kann man hier am wenigsten gleichgültig bleiben und muss die bessere und aufgeklärtere Eigenart der neuern Culturvölker und überhaupt des höherstehenden Menschentypus zur Geltung bringen. Nicht die Bibel allein, sondern auch das aus ihr Abgeleitete, beispielsweise also jegliche Arten von Religionskatechismen, ist durch kurze und gedruckte Gegen- mittel unwirksam zu machen. Verhältnismässig kleine Aufsätze, zunächst nega- tiver und kennzeichnender Art, werden hier genügen, wenn man nur den Muth hat, die Racentheorie und zwar vom charakteristischen Standpunkt aus zu ver- werthen. Der Charakter, einschliesslich des Verstandestypus, ist das Entschei- dende. Nicht bloss weil Aberglaube vorliegt, sondern weil der moralische Ty- pus, der sich im Nichtabergläubischen wie im Abergläubischen bethätigt, in je- nen Literaturstücken verworfen werden muss, hat man diese Schriften im Na- men der bessern Menschheit zu beseitigen und, soweit dies noch nicht möglich ist, ihre Wirkungen durch Gegenmittel aufzuwiegen. Der CHRISTISCH GE- HEILIGTE HEBRAISMUS ist in manchen Beziehungen noch bedenklicher als der unchristische und nackte ...“ - also der jüdische ...

An die Pfuscher. Die Stelle möge doch endlich zur Kenntnis genommen werden, als dass man undifferenziert über Dühring herfällt, um ihn für die staatlichen Verfehlungen während der NS-Zeit schuldig zu sprechen. Das ist und bleibt eine Verleumdung seiner Person.

„Über letzteren orientiren sich die neuern Völker leichter; denn sie haben ihn leibhaftig in Gestalt einer sie durchsetzenden Nation von Hebräern noch heute vor sich. Jenes alte DESORIENTIERUNGSERZEUGNIS aber, die ursprüng- liche christische Lehre, hat auch desorientirende Wirkungen und zwar bis auf den heutigen Tag, namentlich einiger Mischbestandtheile, die theils von Anfang an, theils erst durch die neuern Völker nachträglich hineingekommen sind. Die- se wenigen, bisweilen bessern Beimischungen können aber nicht die ganze Zu- bereitung erträglich machen. Es ist also ohne Bedenken der mehr als tausend- jährige Fehler zu corrigiren und den Völkern die Freiheit des eignen Verstandes und des eignen Gemüths wiederzugeben. Ehe wir hiezu nun auf politischem Wege in durchgreifend organisatorischer Weise gelangen, ehe wir also eine vom Religionistischen freie Schule errichten, müssen wir der bestehenden Schule gegenüber durch die allgemeine Propagan- da des Geistes das Religionistische bei den Einzelnen und in den Familien un-

80 / 130 wirksam machen (…) Nächst dem Religionistischen ist gegenüber der Volksschule die politische Ver- ziehung ins Auge zu fassen, die sich nicht wenig durch manche angebliche Volkslieder und Singstücke gefördert findet. Was in dieser Beziehung den amt- lichen Stempel verträgt, ist meist nichts oder vielmehr weniger als nichts werth. Ausser der obligaten Unterthänigkeit unter die jedesmaligen Machthaber wird hier meist kriegerische Rohheit und Wüstheit als Patriotismus ausgegeben und nach Kräften anerzogen. Alledem gegenüber thut das Leben und thun die ernsthaft radicalen Parteien Einiges zur nachträglichen und indirecten Mässig- ung der Verschulungseinflüsse; allein hinreichend sind diese indirecten und unwillkürlichen Gegenmittel nicht. Man muss auch diesem Übel an die Wurzel greifen; man muss gegen dieses Treiben mit grundsätzlichen Gegenideen vorgehen und bei den Einzelnen und in der Familie den Freiheits- und Gerechtigkeitssinn hervorrufen. Hiermit wird man auch den natürlichen und berechtigten Friedensneigungen wieder zum Durchbruch und zur Nachhal- tigkeit verhelfen. Das Volk muss principiell unterscheiden lernen, ob es für Freiheit, Recht und Wohlstand oder aber, wie ein Byron sich ausdrückt, für Ketten gladiatorengleich sein Blut lässt. Dies gilt für alle Staaten, für die heu- tigen Republiken wie für die Monarchien; denn wenn auch in den Republiken sich die Facon der GEISTIGEN VOLKSDRILLUNG etwas geändert und in po- litischer Beziehung wohl ein wenig verbessert hat, so ist aus der Erbschaft der frühern Zustände doch eine Masse Autoritätelei conservirt worden. Die Um- gestaltung an der Spitze hat nicht allzuviel zu bedeuten, wo die sonstige Maschinerie von Staat und Gesellschaft so ziemlich dieselben ist wie im ancien régime. Dies ist aber bezüglich Frankreichs und Nordamerikas der Fall, und wird überall der Fall bleiben, sobald nicht auch in den Gemeinden und in sonstigen kleinern Bezirken eine durchgreifende Régimeänderung eintritt. Auch erstrecken sich alle unsere Hauptausführungen gegen die Verschulung auf üb- rigens sehr ungleiche politische Zustände, weil diese letzteren bei aller ihrer Verschiedenheit doch darin übereinstimmen, das Volk in den fraglichen Rich- tungen nicht bloss in der angeerbten Unwissenheit zu belassen, sondern auch die eigentlichen Täuschungsüberlieferungen in Schutz zu nehmen oder gar zu fördern.“

Dühring und die Schule. „Absurde Classicitätsromantik auf den höhern Unterrichtstufen. Todtsprachliche Abrichterei und Überschätzung der antiken Volkscharaktere.“

„Mit den höhern Stufen des Unterrichts, also in unsern Landen namentlich mit den Gymnasien und Realschulen, bietet sich ein neues Verbildungselement dar, die sogenannte classische Sprachturnerei und die zugehörige vorherrschende Befassung mit den Angelegenheiten der antiken Völker. Formell und materiell

81 / 130 hat hier das Verlehrtenthum die Natürlichkeit der Schule arg entstellt. Von vorn- herein, also schon vor ungefähr einem halben Jahrtausend, war es ein Fehler ge- wesen, auf einen allgemeineren höheren Bildungsunterricht hinzusteuern, der Sprachen und Literaturen der antiken Welt zur Unterlage hätte und jenes Be- reich des todten Geistes für lebendige Völker zur Heimath und Ideal erheben sollte. Mochten immerhin eigentliche Gelehrte und Künstler sich aus jener ab- gestorbenen, aber in manchen Beziehungen damals noch als überlegen er- scheinenden Civilisation und Cultur Anregungen für ein selbständigzumach- endes Denken, Schaffen und Bilden herholen, - der breitere Unterricht der ge- bildeten Stände hätte mit den Sprachungelegenheiten und mit sachlicher In- teressenkünstelung für jene verblichenen Völker nicht heimgesucht werden sol- len. Der Abweg und die Verirrung der Geistesgeschichte, die sich durch dieses unnatürliche Zurückgreifen einleitete, macht uns nun heute zu schaffen, da es nicht ganz leicht ist, die körperschaftlich und autoritär eingewurzelte Herrschaft eines falschen Systems schnell und vollständig abzuthun. Es bröckelt zwar von diesem falschen Geistesbau ein Stück nach dem andern ab; allein es ist nicht bloss unangenehm, sondern auch unzuträglich, auf eine langsame geschicht- liche Verwitterung warten zu sollen. Man muss also systematisch mit eigent- lichem Abreissen und Einreissen vorgehen, und die innere geistige Vorbereit- ungzum äussern Sturze muss der unmittelbare Kampf mit den fraglichen Ver- bildungselementen sein. Dieser Kampf ist in die Schule selbst hineinzutragen und zwar nicht bloss, wie in dem ziemlich oberflächlichen Streit zwischen sogenanntem Humanismus und Realismus, in das lehrende, sondern auch in das lernende Element. Der junge Mensch muss früh wissen und einsehen, dass er mit den Bemühungen um Griechisch und Latein eben nur einen Sperrzoll bezahlt, ohne dessen Entricht- ung ihm die meisten höhern Berufe in Staat und Gesellschaft verschlossen blei- ben. Er muss vor jeder innerlichen Ernstnahme der fraglichen Lehrgegenstände bewahrt werden und seine einschlägigen Pflichten als leidige, nun einmal un- umgängliche Geschäftssache erledigen. Hiebei wird er das Erforderliche ge- wissenhaft thun; er wird den Zoll, solange er besteht, nicht defraudiren. Er wird, wenn er rechtlich denkt, nicht zum Schmuggler werden, bloss weil er das geis- tige Douanensystem als durchaus verwerflich kennt. Wohl aber wird sich in ihm keine wirkliche oder gar warme Theilnahme für den Gegenstand regen können, sondern, wenn er überhaupt auf Begeisterung angelegt ist, eher ein fanatischer Abscheu platzgreifen gegen Zustände, die den Menschen mit seinem natür- lichen Wissen und Gewissen in Widerspruch setzen und ein schönes Jugend- jahrzehnt mit recht eigentlicher Allotria, d.h. mit fremden, nicht zur Sache gehörigen Dingen belasten“ (...)

82 / 130 Mittwoch, d. 16. Januar 2019 ______Dühring und das linksfaschistische Milieu._____

Wir müssen davon ausgehen, dass Dühring sich selbst referierte. Bei ihm spielte das persönliche Leben, sowie auch das Berliner Leben hinein. Wir dürfen also auch davon ausgehen, dass ihm die Judenfrage zu einer Frage des Princips wur- de. Dazu gehört noch die Aussage, dass er gleichsam für alle PseudoFormen des Politischen das Gegengift geschaffen habe. Ein Ausweichen ist nicht mehr mög- lich: Untreue gegen uns, ist es doch, die wir ständig erleben. Es gehörte bei Dühring schliesslich hinzu, dass er von den Gekreuzten noch weniger hielt, als von den Juden. Wenn die natürlichen Unterlagen des Gewaltstaats im Militaris- mus (Faschismus) versteckt sind, dann gibt es sozusagen auch verschiedene Fa- schismen an der Oberfläche, nur will sie niemand wahr haben, weil man die Angelegenheit historisch entsorgt hat: den Faschismus der Mitte, Konservative, Liberale, den Faschismus der Linken, Marxisten, Sozialdemokraten, den Faschismus der Rechten, Mussolini, Hitler, Franco etc. Allesamt sind es neuere Ideologien der Politik. Hiermit wären aber die antiken Staatsformen, z.B. die Platos, wie er sagte, nicht entsorgt, - formell existieren sie ja noch, - durch das heutige Staatsrecht aber sicherlich um einiges oder ganz überholt. Und noch etwas, Dühring sagte, dass auch heute die Freiheit noch gar nicht wirklich existent ist, da von der Staatsgewalt überlagert. Das sind alles wichtige Dinge, welche Dühring aufwarf und auch richtig beantwortet hat. Ich bin davon überzeugt, dass Dühring die Form des Faschismus (Cäsarismus), in der damaligen des Kolonialismus identifizierte. Der HitlerFaschismus war ein solches Produkt der Gewalt des Ersten WeltKriegs und des Kolonialismus und Nationalismus. Man muss Hitlers Reden hören. Ich habe mich nicht sehr damit beschäftigt. Hitler ist weder Fall noch Bedürfnis für einen Dühringianer. Für das linksfaschistische Milieu freilich ist es ein Leichtes, von sich abzulenken dadurch, indem es Dühring, wie bekannt, beschuldigt. Hierin treffen sich aber die Konservativen, wie ein Klaus-Gerd Kaltenbrunner mit den Faschisten der Mitte, den Liberalen, und dem Linksmilieu. Die sozialen Gleichmacher fördern die Abgrenzung gegen die Fortschrittlicheren, wo ihnen dienlich. Fortsetzung. Dühring und die Schule. „Gesetzt, des Alterthum hätte sachlich noch sonderlichen Werth für uns, so könnte es Specialgelehrten überlassen bleiben, und die Abrichterei auf die alten Sprachen bliebe nichtsdestoweniger eine Verschrobenheit des Unterrichtssys- tems. Allein es sind nicht nur formelle Gründe, welche der Regel nach die Ab- schaffung von Griechisch und Latein zu einer unbedingten Forderung machen, sondern auch materiell nöthigt die Charakter- und Geistesbeschaffenheit der antiken Völker bei der Befassung mit ihnen zu immer grösserer Einschränkung

83 / 130 und Zurückhaltung. Sind die einschlägigen Fehler auch nicht im Entferntesten mit den Schädlichkeiten des niedrig gearteten HebräerSinnes zu vergleichen, so dürfen sie doch von uns nicht wohlgefällig reproducirt oder wohl gar mit der Rolle von Vorbildern beehrt werden. Die Trugnebel falscher Idealisirung müs- sen auch hier aufgelöst werden und, wenn man beispielweise uns Deutsche als Volk der Denker und Dichter bezeichnet hat, so sollten wir den alten Griechen analog nichts weiter zugestehen, als das Epitheton eines Volks der Sophisten und Künstler. Eine gewisse Art ziemlich kalten und nur formellen Schönheitssinnes, mit vor- zugsweise götterspielerischen Allüren, wird man den Hellenen gern einräumen; ebenso wird man ihnen ein gewisses Maass Denkvirtuosität ohne Weiteres zu- sprechen, aber auch gleich hinzufügen müssen, dass der sittlich ziemlich zwei- deutige und leichtfertige Nationalcharakter selbst das, was Philosophie heisst, fast immer sophistisch färbte. Nur ein Sokrates reagirte wirklich entschieden gegen diese Nationaleigenschaft, fiel ihr dafür aber auch zum Opfer. Sollen wir nun noch heute mit solchen verderblichen Eigenschaften tändeln, bloss weil ein Bischen Spitzfindigkeit, Pikanterie, Schöngeistelei und gelungene Puppenmeis- selei einige abstrakte Seiten auch des modernen Verstandes und Sinnes unter Umständen kitzeln mag? Wir wollen nicht undankbar sein; denn gewiss hat das Alterthum uns Einiges Hinterlassen, was zur Emancipation neuerer Völker ausgeschlagen ist. Nam- entlich ist durch die Renaissance die Ausschliesslichkeit des Hebraismus in die Brüche gegangen, indem bei den Höhergebildeten der Cultus griechischer und römischer Denkweise den christischen Neuhebraismus theils einschränken, theils ganz verdrängen half. Allein aus solchen Umständen rechtfertigt sich nicht ein absurdes Unterrichtssystem. Den Römern verdanken wir die ersten zu- rechnungsfähigen Elemente einer Theorie des Privatrechts. Allein, darf uns die- ser einzige Umstand veranlassen, den ganzen Nationalcharakter mit seinen wöl- fischen Eigenschaften, mit seinen räuberischen Eroberungen und mit dem all- gemeinen Stempel anmassender Herrschsucht, ja mit dem Grundtypus auch in- nerer grausamer Ungerechtigkeit als verehrungswürdiges Geistesgepräge und Vorbild hinzunehmen? Wissenschaftlich waren die Römer, abgesehen von dem Stückchen doch auch nicht selten rabulistisch gerathener Privatrechtstheorie, nur kümmerliche Nachahmer der Griechen. Sie hatten einigen Ordnungssinn und etwas gesetzteren Charakter; aber das kann uns mit der Steuerung ihrer Ge- schichte zur cäsaristischen Verflachung nicht aussöhnen. Die antiken Völker verdienten eben ihr Schicksal; ihr Verfall ist auch das Gericht über sie gewesen. Wir haben keinen Grund, des wenigen Guten wegen, welches wir von ihnen überkommen oder gelernt haben, die vielen Übel gelten und fortwirken zu las- sen, die aus ihrer Hinterlassenschaft stammen und uns noch heute schädigen. Haben die Griechen unsern Geist mehr verbildet als gebildet, so haben die Rö- mer mit den politischen Einrichtungen ihrer Verfallszeit uns praktisch die Reste

84 / 130 und theoretisch die Lehren cäsaristischer Willkür und Staatmaschinerie vererbt. Wir haben also Ursache, uns nunmehr, nachdem wir zu vollerer, moderner und nationaler Selbstbesinnung gekommen, von den Dünsten abzuwenden, die von den Völkerleichnamen ausgehen, und dafür zu sorgen, dass antikes Leichengift nicht gar schon unsre Jugend und die Schulluft mehr als bloss septisch verder- be.“

Dühring „Eigennationalistisches, besonders bei rückläufiger Alterthümelei ...“ „Wer dem Gesagten zufolge meinte, es müsse nun heutiger Einzelnationalismus gegen den Cultus der Antike aufgeboten und etwa gar zur Grundlage bessern Lernens gemacht werden (wie bei den Faschisten), würde doppelt fehlgreifen. Erstens hat unter den heutigen Verhältnissen keine der einzelnen Nationen für sich allein einen berechtigten Anspruch, nur das Ihrige als ausschliesslich gut geltendzumachen, und zweitens sind die besten modernen Culturnationen zu- sammengenommen das Gute, was sie vertreten, nicht ohne Weiteres durch ihre Abstammung, sondern es musste und muss zu dieser Abstammung ein Stück allgemeiner Culturarbeit hinzukommen. Die Nationalität an sich in ihrer ur- sprünglichen Anlage ist nur als ein Rohstoff zu betrachten, der gut geformt sein will, damit sich etwas wirklich Anerkannenswerthes ergebe“ (...) Fortsetzung „Man wende sich (…) entschieden gegen die Züchtung eines Verlehrtenthums, welches in unnützem todten Kram mit oberflächlichen Geschichtsflitter glitzern und dabei noch seinem Bedientenberuf im Interesse von Regierungs- oder Par- teiverherrlichungen obliegen will. Systematische Geschichtsentstellung, die hie- bei unvermeidlich ist, kann sich gerade in der Schule am breitesten auslegen, und hiegegen muss man das junge Volk energisch schützen, indem man es mit der wahren Physionomie und dem wirklichen Charakter der am meisten typi- schen Hergänge bekanntmacht. Historiker von gewöhnlichem Schlage sind nicht die Leute, von denen man eine Auflehnung gegen Unterschiebung und falsche Färbung von Thatsachen, geschweige eine Erhebung über den Cultus des bloss Thatsächlichen und dessen, was jedesmal die Macht gehabt hat, oder jetzt hat, irgend gewärtigen kann.“

Donnerstag, d. 17. Januar 2019 ______Das Wort RassenAntisemitismus.______

Hallo Freunde, wir kennen die Schrift: „Die Überschätzung Lessings“, welche drei Ausgaben erlebte. Was bei ihr absichtlich umgangen wird, der Untertitel lautet: „Zugleich eine neue kritische Dramentheorie“. Niemand beschäftigte sich derweil mit der Dramen- und Samentheorie Dührings. Man liess es in aller Regel bei den Begriffen des Antisemitismus und Rassenantisemitismus bewen-

85 / 130 den, ansonsten hielt man stille. Man kehrte Dührings Anti-Religionismus gegen ihn selbst um, und überspielte die Befangenheit des Holzkreuzes. Man könnte Dühring u.U. zu neuem Leben erwecken, und das darf im Lande Luthers natür- lich nicht sein. Geben wir also einen Hinweis, wo man eine knappe, dafür aber umso grundlegendere Dramentheorie Dührings, - und nicht etwa die der Ge- kreuzigten vom Stamme Judas, - einsehen kann: Wirklichkeitsphilosophie, Sn. 306-313. Bleiben wir beim Thema. Der Mediziner Theodor Lessing, den wir durchaus schätzen, schreibt im Haar- mann, dass ein gespielter Schwachsinn oder Irrsinn eine wirkliche Krankheit verdecken kann. Dass z.B. eine Krankheit, in die der Mensch hineinflüchtet, zu- unterst eine wirkliche und keine vermeintlich eingebildete ist. Wenn dem so ist, dass wir, der Krankheit ungewiss, immerhin doch die Rolle spielen, dann wäre es nicht verwunderlich, dass mir die löwenäugigen Deutschen desöftern vor- kommen, als spielten in besprochenem Fall beide Seiten ihre sozusagen auch öffentlich akzeptierte Tragikomödie. Lessing. „Unser aller Schuld“. „Eine Verteidigung Haarmanns war eben nur möglich, wenn sein Anwalt entweder mit durchdringender Menschenkenntnis die Notwendigkeit und Unentrinnbarkeit eines zwangssüchtigen Triebsinns klar machte, oder wenn er die Schuld auf Umwelt, Zeit, Verrottung der Zustände abwälzend, zum flam- menden Ankläger von Polizei und Sittlichkeit der Stadt Hannover, ja, zum Richter einer ganzen Kultur wurde. Beides war bei diesem Anwalt unmöglich: Ethos wie Psychologie!“ - weil in verfaulten Zuständen, wie Dühring sagte, we- der Ethos noch Psychologie vorhanden. Lessing. „Unser aller Schuld“. Heute sollen es Werte richten, bei welchen sich jeder einbilden kann, was ihm dünkt. Werte sind subjectiv! Und, Werte überspielen die Religion! In „Unser aller Schuld“ verrät Lessing die axis mundi seiner personalistischen Theorie. „Ich habe in meiner Rechtsphilosophie (Wertaxiomatische Studien, Leipzig 1914) ausführlich dargelegt, dass der Satz vom zureichenden Grunde hinaus- kommt auf eben dieses Schuldsuchen (d.h. dass auch das Logische vom mora- lischen Wollen unterströmt ist), wobei (§13 Epochen der Schuld) der Mensch zwar langsam, aber unausbleiblich dahin geführt wird, alle Schuld einzig zu suchen in sich selber: jeder ist schuldig an Jedem, und ich bin der Schuldigste unter allen.“ Wir dagegen demütigen Lessing mit unzureichenden Werten, denn wir sind die gemeinen Verüber der Rohheiten und Verbrechen und vermummen unsere Befangenheit, indem wir uns davonschleichen. Wir fliehen in die Krankheit und suchen Erlös- ung im Unerlösbaren, namentlich in jenem GewaltStaat, der beide, Dühring und Lessing, ans Kreuz bringt. Auf selbige Weise wird einjeder Gemeine zum

86 / 130 Ausgestossenen, jeder Rohling zum Verbrecher, jeder Gewalthaber Auftrag- geber der Beseitigung von ihm Entgegenstehenden. Lessing „Es hat Könige gegeben, die an dem Tage, wo ihr Volk unterlag, sich selber das Ende bereiteten. Kant hat den Grundsatz ausgesprochen: An dem Tage, wo Krieg ausbricht, hat die Regierung sofort freiwillig die Macht niederzulegen, denn sie hat bewiesen, dass sie Das nicht zu verhindern imstande ist, was hintan zu halten der ganze Sinn ihres Amtes war. Es gibt zum Glück auch bei uns noch Beamte, die freiwillig aus dem Amte scheiden, wenn das Schicksal sich stärker zeigte, als sie selbst zu sein vermochten. Die verantwortlichen Männer Hanno- vers erwiesen sich nicht als adelige Männer.“ Diejenigen, welche heute die Gesetze machen, sind nicht mal als Gemeine. Ich setze nun einen Abschnitt hierher, in dem Dühring Ähnliches verlauten läs- st. Man kann sagen, dass es Teil der Dramentheorie ist: „Es ist nun aber noch keineswegs genug, das Unrecht und den Egoismus in der theatralischen Spielerei mit Bildern des Unglücks zu brandmarken; man muss noch eine Schritt weitergehen und den Menschen zur Rechenschaft ziehen, wo er es sich einfallen lässt, wirkliches Unglück und wirkliche Aufopferung der Ausgezeichnetsten seiner Gattung als schuldigen Tribut auszulegen und sich so anzustellen, als wenn märtyrerartige Opfer in alle Zukunft hinein eine nützliche Selbstverständlichkeit bleiben müssten. Der gemeinen Menschheit ist in dieser Beziehung vorzuhalten, dass sie selber das schuldige Element sei und dass man das Verhältnis umzukehren und sie für die unschuldigen Opferfälle verantwort- lich zu machen habe. Der Mangel an Verantwortlichkeitsgefühl ist in dieser Richtung fast absolut ...“ Absolut ist der Staat. Absolut die Herrschaft es Staats. Absolut die Opfer und Verbrechen gegen die Menschheit. Absolut die Verbrechen an den Menschen durch Krieg. Für was ei- gentlich braucht man Kriege, wenn man hinterher die selbe Kirche aufbaut? Die Judenfrage ist die Kirchen- und Menschheitsfrage (M. Greulich).

Freitag, d. 18. Januar 2019 ______Wie sollte man an Dühring heranführen.______

Wichtig ist und bleibt, dass sich wer um die Schriften kümmert, in die Biblio- theken und Antiquariate geht und die Bücher aufkauft. Nahezu alles, was er ver- öffentlicht hat ist wichtig für die Theorie. Natürlich sollte man die dann in- und auswendig kennenlernen. Man sollte die Exemplare sammeln und verteilen, im Internet aufsuchen und kopieren etc. Es müsste zudem ein Verleger sich finden, der die Rechte, soweit sie da sind, erwirbt, um den Inhalt zu schützen. Wir müs- sen die Lügen, welche dieses System betreibt, beseitigen und richtigstellen, was vom Ganzen abgerissen wurde. Wir müssen die falschen, vom Marxismus infi-

87 / 130 cierten Ansichten zum Anarchismus berichtigen, dass wir keineswegs mit dem roten Anarchismus im Bunde sind. Lasst euch nicht beirren, der Faschismus sitzt, wie sämtliche ParteiCouleurs auch, tief im System. Die Restauration in Kirche und Staat, dieser restaurative Zusammenhang, ist die Grundstruktur des Faschismus. Es ist der Zwang, welchen der Rechtsstaat ausübt, weil er in Wahr- heit ein RechtsRegime ist (man siehe Rudolf Stammler, Kantianer, dann mit Heidegger und dann mit den Faschisten), aus dem es kein Entrinnen gibt, weil er ein Überwachungsstaat ist. Wir brauchen Aufklärung über die Gewalt, deren Ursprung durch Kirche und Staat. Das RechtsRegime, durch die Kirche gedeckt, steckt in den Frauenzimmern. Hier gilt besondere Vorsicht, denn jede demokratische Ordnung ist mit dem Gewaltstaat verheiratet. Die gescheiten Anarchisten wussten das immer. Insofern ist die Rede von „Friede und Frei- heit“ immer auch ein Heranführen der Bevölkerung an das „Staatsknechtstum“, wie es Benedict Friedlaender nannte. Friedlaender ist zweifelsohne einer von uns. Dafür legen wir die Hand ins Feuer. Wir müssen ein Durchdringen der ver- drängten Wahrheit, dass Juden Gescheiteres über Dühring zu sagen wussten, als die Staatsverherrlicher, durchbringen und öffentlich machen. Das ist eine Ar- beit, die uns zuvörderst obliegt, weil sie schwer durchführbar ist. Eines je- denfalls bleibt, und da war Dühring konsequent: Gewalt ist, wenn sie nicht zur Selbstverteidigung geübt wird, nicht hinnehmbar. Haltet euch unbedingt an diese Maxime! Wer auch immer die Trennung in Theorie und Praxis propagiert, will uns etwas vormachen. Die Kommunisten, wenn sie nur erst den Staat unter sich haben, werden uns an den Staat verraten, wie zuvor die ManchesterBürgerlichen Frau- en und Kinder haben für sich arbeiten lassen. Eine jede dieser auf dem Staat fixierten Parteicouleurs ist eine Seite der nämlichen Medaille: des Gewaltstaates und des Kapitals, dass wir erarbeiten, weshalb sie den Zugriff auf den Staat b- enötigen. Lassen wir uns nicht auf Kokolores ein, er lenkt vom Eigentlichen und Wahren unserer socialitären Sendung ab. Wenn es in dieser Welt keine Gerechtigkeit geben sollte, dann freilich sind wir in der Hölle gelandet. Wir glauben aber nicht an die Institution Hölle, weil wir wissen, dass Kirche und Staat deren kulturelle Baumeister sind. Die Kirche war vor dem gegenwärtigen Staat. Das ist eine beachtenswerte Wahrheit, der wir uns zwar nicht zu fügen, die wir aber zu respektieren haben. Der demokratische Parteienstaat ist der Staat der Unterordnung unter das RechtsRegim. Wir dagegen können uns nur auf uns selbst berufen, und das ist der Personalismus: dass der Staat die Aufgabe hat Verbrechen zu hindern; dass wir die Aufgabe haben wiederum zu hindern, dass der Staat, wie in der Vergan- genheit geschehen, Unrecht begeht. Wir Dühringianer haben ein emancipatorisches Gewissen: - der Staat hat es nicht, da er auf dem Gewaltact gründet. Das ist der Kernsatz der Dühringschen Theorie.

88 / 130 Also lasst die Finger von der Gewalt, der Staat verübte sie an euch schon zuvor. 10 Leute können sie in den Knast stecken. 100 Leute können sie in den Knast stecken. Bei 1.000 Leuten wird es schon schwieriger. Bei 10.000 unmöglich, sie müssten ein KZ bauen, womit der soziale Schwindel, welchen dieser Staat be- treibt, aufgedeckt ist. Und noch eines: Was wollt ihr mit Hunderttausenden, ja Millionen aus fremder Kultur stammenden Menschen im Land? Überlegt euch gut, ob ihr dem ge- wachsen seid. Wem der Staat aber schnuppe ist, wie den Autonomen, die mir vorkommen wie die faschistischen Schwarzhemden, dem ist es dann wohl auch egal, wer bei uns nächtigt. Einem Dühringianer wird Vergleichbares kaum ein- fallen. Berlin bleibt Berlin, und jedenfalls nicht Kuala Lumpur oder Rio de Ja- neireo. Es wird Zeit für Merkels Abtritt. Damit wird nicht sogleich alles besser werden. Hoffen wir auf ein weiteres Emporkommen der Alternative und auf eine friedliche, aber selbstbewusste Abrechnung mit den faulen Zuständen und dem noch fauleren Staat. Diese Klasse ist wie die Made im Speck, und sie benimmt sich auch dem entprechend. Die Zustände sind inzwischen dermassen, dass sie jeder Beschreibung spotten. Wie im alten Rom, wo Technik und Macht alles und der Geist wenig war, deshalb konnte auch das Christentum empor- kommen. Wo der angestammte Geist keine Rolle mehr spielt, kommt das Christentum hoch. Und wo neue Mächte emporkommen, müssen andere wei- chen. Diesem GewaltStaat, seiner mit Fäulnis behafteten Klasse und dem von ihr ins Land holten Islam werden wir nicht weichen.

Vorgeschmack auf die Dramentheorie. Dühring „Ich habe hier die Kritik, die ich in dieser Beziehung bei Gelegenheit der Lite- raturgrössen geübt habe, nicht zu wiederholen, wohl aber die Aufmerksamkeit auf einen Umstand zu lenken, der eine ganze künstlerische Gattung betrifft, ja diese Gattung in ihrer Existenzberechtigung in Frage stellt. Schauspielerei ist stets auf Unterhaltung und Reizerregung angelegt; sie kann daher natürlicher- weise nur als Mittel mehr oder minder feiner Belustigung angesehen werden. Das Lustspiel ist demgemäss völlig berechtigt, und hier hat sogar der Einwand kein Gewicht, dass durch schauspielerische Verrichtungen der Mensch von sei- ner Würde zuviel preisgebe. Wo es nicht ernst hergehen soll, wo man also grundsätzlich aus den Schranken der Gesetzheit heraustreten und sich über Verkehrtes erheitern will, da hat man es mit der dramatischen Vorstellung und Verstellung auch nicht so überaus streng zu nehmen. Der gewohnheitsmässig ausgeübte Beruf des Mimen mag immerhin ein gewisses Maass sittlicher Zwei- deutigkeit zur Folge haben und der Charakter nicht gut dabei fahren, wenn er sich zeitweilig den Schein von allerhand Charakteren geben muss. Allein die Arbeits- und Functionentheilung mit ihrer speciellen Wirkung ist hier weniger in Frage, als vielmehr die blosse Thatsache des Schauspielerns, das ja auch auf

89 / 130 Liebhaberei beruhen kann. Bezüglich des Lustspiels dürfte also wohl kaum ir- gend eine Anstossnahme gerechtfertigt sein. Werde dieses nun aufgeführt oder sei es blosses Lesestück, in keinem Falle ergibt sich Widerspruch zwischen dem Unterhaltungszweck und der Natur des Gegenstandes, durch dessen Anschau- ung sich das geistige Reizbedürfnis zu genügen sucht. Die dramatische An- schauung ist schon im geschriebenen oder sonstigen Entwurf eine Art Spiel, nämlich ein vorweggenommenes Arrangement gleichsam von Puppen, denen bestimmte Handlungen und Reden zugetheilt sind. Wenn nun der Stoff auch den Charakter des Spielerischen ansichhat, wie dies bei jeder Art von richtig ange- brachter Komik der Fall ist, so bleibt alles in schönster Ordnung und Harmonie. Die wirkliche Thatsache und deren dramatische Veranschaulichung lassen sich beide zugleich leichtnehmen; ernstzunehmen ist an beiden nichts, es müsste denn die Komik übel und da angebracht sein, wohin sie nicht gehört. Die Ein- mischung von Schlechtigkeit und Schurkerei, die sich in ihren eignen Schlingen fängt, ist schon vom rein ästhetischen Standpunkt eine bedenkliche Ablenkung vom reinen Charakter des Lustspiels. Moralischer Ernst darf in dieses nicht hin- eingerathen; sonst wird die Empfindung zwiespältig erregt und die Heiterkeit durch eine Nebenregung gestört. Abgesehen aber von derartigen Abwegen wird das Lustspiel, soweit es dem Typus der Wirklichkeit und Wahrheit entspricht, dasselbe Recht in Anspruch nehmen können, welches jede anständige Unter- haltung für sich hat.“ Das ist die äusserste Grenze.

Samstag, d. 19. Januar 2019 Ein Gastautor bei Vera Lengsfeld . Die Kanzlerin der Deutschen versprach bei ihrem Besuch in Griechenland, die Abwanderung junger Talente aus Griechenland stoppen zu helfen. Gleichzeitig tut sie bei uns daheim das Gegenteil. Mit dem Fachkräfte Einwanderungsgesetz (FEWG) will sie Nachwuchs für die dt. Wirtschaft rekrutieren (Begriff aus dem Migrationspakt), egal woher - auch aus Griechenland. Hätte Frau Merkel nicht nur Karl Marx sondern Karl Mays Winnetou gelesen, wüsste sie, wie dort Ja- nusköpfige genannt werden: „Häuptling gespaltene Zunge“. Jedenfalls ist dieses widersprüchliche Verhalten - von Juristen sittenwidrig ge- nannt - ein weiterer Anlass, sich mit dem FEWG auseinanderzusetzen. Die Hauptakteure für den weiteren Personalimport aus Drittstaaten sind die Wirt- schaftsverbände. Wobei dieser Begriff Drittstaaten irreführend ist. Der freie Verkehr von Arbeitskräften innerhalb der EU ist längst fast uneingeschränkt möglich. Mit Drittstaaten ist die übrige Welt gemeint. Die Wirtschaft dachte und agierte schon immer global. Europa ist den Wirtschaftskapitänen zu klein- kariert. Sie waren die Befürworter von noch offeneren Grenzen, sie forderten den Migrationspakt und wollen jetzt weitere Zuwanderung, weil mit den meis- ten der neu Hinzugekommenen nicht viel anzufangen ist. Die Fachkräftezuwan-

90 / 130 derung wird von allen staatstragenden Parteien unterstützt - einschliesslich der AfD, wenn auch mit einem Punktesystem nach kanadischen und australischen Vorbild. Also auf zur nächsten Runde? Nach der letzten Fachkräfte-Engpassanalyse der Bundesagentur gab es 437.900 unbesetzte sozialversicherungspflichtige Stellen für Fachkräfte, Specialisten und Experten. Andererseits betrug die berufsspezi- fische Arbeitslosenquote dieser Gruppen 3,9 bis 1,8%. Insgesamt kommen auf 100 offene Fachkräftestellen 272 Arbeitslose und weitere Arbeitsuchende aus einem bestehendem Beschäftigungsverhältniss, also dreimal soviel als der aus- gewiesene Mangel. Woran klemmt es eigentlich, dass die Wirtschaft und Politik mit dem FEWG in die Ferne schweifen will, wenn das Gute doch so nahe liegt? Schaut man sich näher an, in welchen Branchen Leute gesucht werden, sind es nicht etwa nur Spezialisten in der Industrie, sondern normale Fachkräfte in überwiegend Dienstleistungsberufen. Eine Sonderrolle spielt die Baubranche, die aus allen Nähten platzt. Die Unter- nehmer müssen ihre Preise hoch setzen, um sich der vielen Aufträge zu erweh- ren zu können. Im Hochbau werden 3.200 Kräfte gesucht, im Tiefbau 7.600, und im Ausbaugewerbe fehlt es an 11.800 Händen. Und woher kommt dieser Run? Für die in den letzten fünf Jahren von der Merkelregierung betriebene Er- höhung der Bevölkerung von über 2 Millionen muss Wohnraum geschaffen, Kindergärten und Schulen erweitert, Strassen ausgebaut werden usw. Die Woh- nungen müssen mit Heizungen und Sanitäreinrichtungen ausgestattet werden, weshalb weitere 22.400 Hände gesucht werden. Nun sollen die Folgen der Zu- wanderung mit weiterer Einwanderung bekämpft werden? Dazu nochmal un- ten. Ein paar Takte zum Dienstleistungsbereich. Hier werden die meisten Fachkräfte nicht im produktionsnahen Bereich gesucht, sondern z.B. 2.000 Ärzte (ohne Zahnärzte und Kiefernorthpäden), 9.100 Rettungssanitäter (in Städten geht es immer ungesünder zu) undGeburtshelferinnen (die Zuwandererfamilien sorgen für vermehrten Bedarf), 7.300 in Gesundheitsberufen/Krankenpfleger/innen (auch die zusätzlichen 2 Millionen Merkelgäste müssen versorgt werden). Dann 700 in der Sprachtherapie (ohne tausende Sprachlehrer und Dolmetscher für Migranten). Sogar 700 Fahrlehrer werden gesucht, denn diejenigen, die schon einen Aufenthaltsstatus erhielten, kaufen jetzt viele Autos - die zwar auch ohne Führerschein gefahren werden könnten, aber man hat ja auch so schon genug auf dem Kerbholz. Die Kostenübernahme für die LKW-Führerscheine durch das Jobcenter sorgt für zusätzlichen Bedarf an Fahrlehrern. Doch ein mir bekan- nter Spediteur winkt ab, denn noch nicht einmal alle europäischen Fahrer be- herrschen den zunehmend schwieriger werdenden Job, aus Asien oder Afrika ganz zu schweigen. Wer Zweifel an den benötigten Arbeitskräften im nichtkommerziellen Dienst- leistungsbereich hat, möge einmal die Stellenanzeigen der Zeitungen durchfor-

91 / 130 sten. Diese sind überwiegend solche der öffentlichen Hand und caritativer Ein- richtungen der Kirchen, teilweise als Asylindustrie klassifiziert. Zum weiteren Fachkräftebedarf in der Kinderbetreuung, in Schulen, bei Anwälten und Rich- tern, bei der Polizei und in Gefängnissen, soll an dieser Stelle nicht eingegan- gen werden. Stattdessen werden hier die ökonomischen Zusammenhänge er- örtert. Mit der von Wirtschaft und Politik gewollten Einwanderung kommen nicht an- spruchslose Menschen in unser Land, sie erhalten Geld aus Steuermitteln. Und sie beziehen zunächst Leistungen der Sozial- und Krankenversicherung, später auch subventionierte Renten, weil 30 Jahre Berufstätigkeit bis zur Rente kaum erreicht werden und sie deshalb Grundsicherung erhalten werden. Das erhaltene Geld wird auf dem Binnenmarkt nachfragewirksam, denn nur ein kleiner Teil fliesst per Auslandsüberweisung in die Herkunftsländer ab. Wenn bei uns zu- sätzliche Nachfrage entsteht, bedarf es zusätzlicher Arbeitskräfte in Produktion und Dienstleistungen. Um diese zusätzlichen Bedarfe zu decken, braucht es weiteren Arbeitsimport. Theoretisch wäre es die ideale volkswirtschaftliche Kausalkette, wenn die Mi- granten mit ihren Familien ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Anders sieht es aus, wenn die Einwanderer alimentiert werden müssen, denn diese Umver- teilung fehlt den Steuerzahlern an Kaufkraft. Aber es ist wie damals, gerufen wurden Arbeiter, gekommen sind Familien. Im Gesetzentwurf des FEWG wird unterstellt, dass pro 1.000 Fachkräfte 800 Familienangehörige nachkommen werden. Ob diese auch arbeiten sollen oder nicht, ist nicht thematisiert. So oer so: unser Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird durch immer mehr Nachfrage und Arbeitsleistung steigen und steigen. Theoretisch könnte immer mehr des Weltsozialproduktes in Deutschland mit immer mehr Menschen erwirtschaftet werden - gäbe es nicht das praktische Problem, dass unsere höchste Bevölker- ungsdichte eines Flächenlandes in Europa noch stärker zunehmen würde, samt seiner ökologischen und sozialen Probleme. Arbeitskräftemangel mit Men- schenimport zu bekämpfen ist deshalb so, als ob man einen Rohrbruch mit Was- serschöpfen in den Griff bekommen will. Der Wasserstand steigt und steigt, ohne die Ursache bekämpft zu haben. Schaffen wir das wirklich? Und wenn die Konjunktur einbricht? Dann haben wir ein doppeltes Problem in den Betrieben. Bei Entlassungen ist dann eine Sozialauswahl zu treffen, und ein Kriterium ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Anders als draussen im Mer- kelland, haben „die, welche schon länger da sind“ einen höheren Arbeitsstatus als die Hinzugekommenen. Allerdings können Ausländer mehr Kinder in die Waagschale der Sozialauwahl werfen. Als Ex-Betriebsratsvorsitzender und Ex- Landesarbeitsrichter weiss ich um die Probleme einer gerechten Sozialaus- wahl. Und wenn dann von ausserhalb der Betriebe der Rassismus-Vorwurf erhoben wird, wenn Ausländer entlassen werden, möchte ich nicht in der Haut von Gewerkschaftern stecken, die Merkel unterstützt und Ausländer hereingeru-

92 / 130 fen haben. Egal, ob dann Deutsche oder Ausländer rausfliegen, gibt das gefähr- lichen Sprengstoff im Land, nicht nur in den Betrieben. Rückblende: Nach dem Krieg bis in die 60er jahre reichte der Verdienst der Männer aus, ihre Familien samt Kindern zu ernähren. Obwohl die Kinderzahl abnahm, mussten später die Ehefrauen hinzuverdienen, meist mit einer Teilzeit- stelle. Dann mussten immer mehr Frauen in Vollzeit arbeiten oder zwei Teilzeit- stellen annehmen. Und obwohl die Erwerbsquote der Frauen zunahm, reicht auch das anscheinend nicht mehr aus. Jetzt wird eine neue Gastarbeiterwelle eingeleutet. Und welche Welle kommt danach? Warum haben wir überhaupt diesen hohen Arbeitskräftebedarf? An unserer Schaffenskraft kann es nicht liegen, denn wir sind eine hochproduktive Volks- wirtschaft. Wir erstellen in der gleichen Zeiteinheit mehr Güter und Dienst- leistungen als die meisten anderen Länder. Eine hohe Produktivität erlaubt ein- en hohen Lebensstandart mit weniger Arbeitszeit und weniger Arbeitskräften zu sichern. Die Erklärung des scheinbaren Paradoxons der hohen Produktivität und trotzdem zunehmenden Arbeitskräftebedarfs, liegt genau in diesem Zusammen- hang. Durch unsere hohe Produktivität, zusammen mit dem innereuropäischen unflexiblen Euro sind wir zu wettbewerbsfähig. Unsere Überschüsse in der Handels- und Dienstleistungsbilanz ist beängstigend. Und zwar nicht nur für die im Wettbewerb unterliegenden Länder, sondern auch für uns selbst. Innerhalb des Euro-Raums wird das Problem durch die Target-II-Salden kaschiert. Allein diesbezüglich stehen die Euro-Länder bei uns mit ca. 950 Mrd. Euro in der Kreide. Dazu kommt der Leistungsbilanzüberschuss mit den anderen Ländern von jährlich rund 250 Mrd. Euro. Unser hoher Leistungsüberschuss ist also der Grund für den hohen Arbeitskräftebedarf. Gleichzeitig verursachen wir die Un- terbeschäftigung bei den wettbewerbsschwachen Wirtschaftspartnern, deren O- pfer dann nach Deutschland gerufen werden. Es gibt Stimmen die meinen, das erledige sich von alleine, weil wir durch die zunehmende Zahl wenig qualifizierter Migranten, die Jahre brauchen um so produktiv zu sein wie wir, in unserer Wettbewerbsfähigkeit so weit zurückfal- len, dass die Wettbewerbsverzerrungen sich von selbst erledigen. Das kann durchaus sein, aber „die Menschen sind nun mal da“. Der Arbeitskräftebedarf nimmt dann ab und der Konkurrenzkampf in der Arbeitnehmerschaft zu. Aus- serdem stützen die Neubürger das Sozialsystem nicht, was ein Vorwand für der- en Import war, sondern sie belasten den Sozialstaat zusätzlich bei abnehmenden Zahlern. Von da an wird es bergab gehen. Das Rennen im weltweiten Wettbe- werb werden Länder machen, die ihre wirtschaftliche Prosperität ohne Ein- wanderungsoffensive sichern, z.B. China. Der Ausweg kann darin liegen, den - trotz der hohen Produktivität - Rückstand der Arbeitseinkommen in Deutschland deutlich anzuheben. Aus dem relativen Billiglohnland wieder ein Land zu machen, das kein Dumping der Lohnstück- kosten betreibt. Wir liegen z.B. 10% unter denen von Grossbritannien und auch

93 / 130 hinter Italien und Frankreich. Höhere Arbeitseinkommen führen zu einer eher ausgeglichenen Leistungsbilanz und weniger Target-II-Überschüssen. Mit dem Ausland gäbe es weniger wirtschaftliche Spannungen. Dafür mehr Ärger mit in- ländischen Unternehmern und Verbandfunktionären. Denn diesen ist der Ar- beitskräfte-Import lieber, weil die Austockung der industriellen Reservearmee (ein Ausdruck von Karl Marx) die Arbeitskosten drücken hilft. Die Beschäftig- ten mit ihren Gewerkschaften haben dann schlechtere Karten. An diesem Punkt könnte ein Versuch ansetzen. Die Gewerkschaften mit ihren politischen Unterstützern sind bekanntlich immer noch Befürworter der Migra- tionspolitik der von Merkel geführten Bundesregierung. Der Grund liegt im Marxschen Denkansatz, dass Grenzen nicht zwischen Ländern mit ihren Men- schen verlaufen, sondern zwischen Klassen. Zwischen Unternehmern auf der einen, und der grossen Masse der Arbeiter und Angestellten auf der anderen Seite. Und weiter, dass die Armen dieser Welt automatisch zu ihrer Klientel als Vertreter des arbeitenden Volkes gehören. Sie übertragen die guten Erfahrungen der Integration der Gastarbeitergeneration, der Italiener, Spanier, Griechen, auch der ersten Türken, ungeprüft auf Menschen aus aller Welt. Wenn die linken Köpfe die ökonomischen Zusammenhänge zwischen der eige- nen Schwächung durch die kontraproduktive Zuwanderung erkennen würden, wären die Voraussetzung für einen Schulterschluss zwischen angeblich linken und angeblich rechten Kräften in unserem Lande gegeben. Der Beweis, dass die Einwanderung weder den Gewerkschaften noch den Parteien etwas genützt hat, ist bereits erbracht. Beide haben soviel Federn lassen müssen, dass sie keinen politischen Höhenflug mehr riskieren können. Es sollte doch nachdenklich stimmen, dass Unternehmer trotz doppelt und dreifach so viel verfügbaren in- ländischen Fachkräften ihre Personalauswahl mit ausländischen Kräften weiter erhöhen wollen. Auch die Grünen sollten erkennen, dass ihre Klimaziele bei weiterer Bevölkerungszunahme und Boom in allen Bereichen nicht erreicht werden können. Sein Appell als Ex-Gewerkschaftler: Lasst uns zusammenstehen und den eigeschlagenen Irrweg verlassen. Nicht rechts gegen links-grün und umgekehrt ist das Gebot der Stunde, sondern die ideologiefreie Rückkehr zur ökonomischen Vernunft. Nur dieser Weg ermög- licht der Bevölkerung und unseren Kindern ein nachhaltiges Leben in unserem Land, so dass sie ihr Wohlergehen nicht einmal selbst im Ausland suchen müssen. Gastautor Albrecht Künstle. Wir sehen für wen und was Politik gemacht wird: für die Industrieoberen, die Unternehmen und die Börsen. Der Mann weiss insofern, was ab ist und hat die Folgen erkannt. Ob der PolitApparat auch nur ansatzweise folgen wird, ist fraglich.

94 / 130 Dühring Von der Waffenführung. „Nur von denkerischer Politik soll hier die Rede sein; denn eine andere lohnt nicht irgend eines geistigen Aufhebens. Das Denkerische soll aber nicht ent- blösst von den Kräften vorgestellt werden, durch die es physische Widerstände überwindet. Gedankenführung und Waffenführung gehören zusammen.“

Dühring Von der Gedankenführung. „Vollständige oder letzte Einsicht ist dann vorhanden, wenn etwas so gedacht wird wie es ist. Das Etwas braucht nicht das Ganze, also nicht der Gegenstand in jeder Beziehung, zu sein. Es kann ein Theil sein; aber dann muss eben dieser Theil völlig genau und erschöpfend dargestellt werden, wie er an sich, d. h. In seiner Sonderung beschaffen ist. Genaue und erschöpfende Wiedergabe von Etwas oder überhaupt vom Sein und dessen Beziehungen in einem entsprech- enden Denkbilde macht das vollständige Wissen aus. Hiebei darf, wenigstens in der betreffenden Richtung und Beziehung, nichts zu erkennen, nichts zu wis- sen, ja demgemäss nicht einmal zu fragen übrigbleiben. Jeder unerledigte Rest würde die Vollständigkeit und letzte Tiefe des Wissens beeinträchtigen.“

Ich bin Arbeiter, und kein Christ. Es ist mir bei der Lektüre Dührings immer wieder präsent, dass Ludwig Klages Dühring nicht gebrauchen konnte, weil er dessen Lehre psychologisierte und ihn aus dem Grunde als Ideengeber ausscheiden musste. Er hatte sich in Nietz- sche ein neues Elixier geschaffen. Klages blieb dem Idealismus verhaftet. Der nächste in dieser Reihe ist Hermann Schmitz, ein richtiger Professorant, welche auf den Unis sich austobt, weil Universität besser gestellt ist als arbeiten. Eben typisch deutsch, von der Uni herunter kann noch befohlen und beeinflusst wer- den, und Karrieren tätigen oder kreuzen. Lernen kann man hierbei nichts, es ist ewig dieselbe Leier. Dass wir den Gernod Böhme nicht vergessen. Er ist sozu- sagen der echte bayuwarische Brandnerkaspar und das ewige Leben, nur eben von der TH-Darmstadt. Mit mir sind meine Eltern und der Unverstand, welcher in diesem Land (man müsste „in dieser Kirche“ sagen) grassiert. Land und Leute, Land und Kirche. Gechristetsein ist das A(lpha) und O(mega). Wer nicht gechristet ist, hat als Normalsterblicher kaum die Chance. Alles wie gehabt. Demokratie ist, wenn eine Partei die andere blockiert, obstruiert. Mich hat diese liberale Demokratie mein Leben über nur obstruiert und mir damit das Leben erschwert. Ob das ein feiner Zug gewesen ist?

95 / 130 Wie es aussieht: Eine fünfzehn Prozent Partei, die meisten von der Uni, haben noch nie produk- tiv - ausser vielleicht beim Staat oder in höhern Berufen gearbeitet -, macht Politik. Es ist der Verrat an der Arbeiterschaft und der restlichen Bevölkerung. Spätestens seit Kanzler Kohl und der Wiedervereinigung, in schönster Eintracht folgend die Kanzler Schröder und Merkel.

Sonntag, d. 20. Januar 2019 Der Raub ist das älteste Verbrechen der Welt. Dühring. Politische Emancipation. „Wenn ich in Beziehung auf die politischen Zustände kurzweg das Wort Eman- cipation brauche, so meine ich, dass ein gewisses Maass politischer Sklaverei noch heute die Regel ist und sogar für die bestentwickelten, verhältnismässig freiesten Gebilde fortbesteht. Das Mancipium erinnert an die alte, speciell die altrömische Privatsklaverei, die wenigstens teilweise einen ersten Ursprung in der Kriegsgefangenschaft gehabt haben mag. Mit der Hand gegriffen, ja man könnte sagen gekapert, - das ist der Wortsinn der res mancipi, des Sklaven im strengsten juristischen Sinne, der blossen Sache ohne jegliches Recht, des blossen Stücks der familia, d.h. des Herrschaftsbereichs des Mannes und Vaters oder Grossvaters über Frau, Söhne, Töchter, Enkel, Sklaven und Sklavinnen. Der Sklave hatte ursprünglich und ungefähr ein Jahrtausend hindurch nicht den geringsten Schutz; der Herr verfügte über Leben und Todt, ohne dass sich eine fremde Gewalt einzumischen hatte. Der Kreis der Familie war in diesem Punkt ein Staat für sich, in den keine andere eigentlich und allgemein staatliche Macht eindringen durfte. Die auf diese Weise juristisch scharf formulierte Privatskla- verei war das Prachtexemplar von unbedingter Abhängigkeit und unbeschränk- ter Rechtlosigkeit, zu welcher es die Menschheit in einem sogenannten Cultur- staate der antiken Welt und zwar in einem solchen Staate gebracht hatte, dessen Sinnesart, politische Einrichtungen und Schicksale für alles Spätere von höchs- ter Bedeutung gewesen und leider immer noch geblieben sind. Sicherlich hat die Privatsklaverei noch einen tieferen Grund als jenen partiellen, der sich erst später in den entwickelten Gewohnheiten kriegerische Gefangen- nahme und Personenerbeutung sichtbar machte. Genau derselbe Menschenraub und die zugehörige gemeine Initiative der Benutzungs- oder sonstigen Be- herrschungsgier, wie sie sich noch heute besonders bei der Jagd auf Farbige, Wilde oder Halbwilde zeigt, muss selbstverständlich auch in alten und ältesten Zeiten obgewaltet haben, wo Menschenfleich und Menschenthier Gelegenheit hatten, sich gegen Ihresgleichen oder auch Ihresungleichen mit überlegender und obsiegender Kraft geltendzumachen. Hiemit soll nicht gesagt sein, dass es nothwendig in der Gattung oder im Wesen Mensch liege, derartig zu verfahren; aber wie sich unter den Thieren Raubbestien angefunden und, wenn man will,

96 / 130 allmählig entwickelt und bethätigt haben, so haben auch die menschlichen spe- cifischen Raubcharatere und Raubvölker das Geschäft der Versklavung des Schwächeren am nachhaltigsten und erfolgreichsten betrieben. Ja sie sind es ei- gentlich, denen man die ganze welt- oder, besser gesagt, erdgeschichtlichen Bescheerung der schreiendsten Art von Freiheitsberaubung zuschreiben und zu- rechnen hat. Soweit nämlich Gierinitiative im Spiele war, kann die Verbrech- ensnatur jener gewaltsamen Freiheitsberaubung auch nicht mit einem Tüttel- chen von Schein bestritten werden. Hier constatieren wir nur vorläufig, wie ganz einfach das Machtgelüst gewisser Menschen oder, wenn man will, gewis- ser Spielarten des Menschengeschlechts zum Raub an der fremden naturwüch- sigen Freiheit geführt habe, und wie hierin auch der letzte Grund der juristisch vollständigsten Form der Privatsklaverei, nämlich der für die schöne Theorie vorbildlich gewordenen römischen gesucht werden müsse.“ Von der Privatsklaverei zur politischen Versklavung. „Von der Privatsklaverei gehen wir aus, weil diese mit ihren Früchten schliess- lich das Fussgestell für die ärgste Verknechtung geworden ist, welche die Welt seit je ungefähr zwei Jahrtausenden bei sonst bevorzugten und besser veranlag- ten Völkern zu sehen bekommen hat. Vor der Hand interessiert uns aber nur die an das Wort Emancipation geknüpfte Vergleichung der Privatsklaverei mit der politischen Sklaverei. Jene Privatsklaverei ist theoretisch und vielfach auch schon praktisch überwunden; in den Culturstaaten gelten nur noch anstatt ihrer selbst analoge Annäherungen, wie namentlich eine gewisse Dienstbotenhörig- keit. Dagegen ist die politische Sklaverei, was man auch von den Institutionen einiger Länder an Einschränkungen und Milderungen allenfalls rühmen möge eine noch schwerlastende Erbschaft der auf Abwege gerathenen und in politi- schen Aberglauben versunkenen Geschichte. Die Belastung mit der politischen Sklaverei ist noch so wuchtig, dass die Frage der politischen Emancipation noch heute als in einem ähnlichen Sinne frisch und anfängerisch gelten muss, wie es vor zwei Jahrtausenden und speciell etwa zur Zeit der römischen Skla- venkriege diejenige der Abschüttelung der Privatsklaverei gewesen ist ...“ Der Text geht im nächsten Abschnitt zur soldatischen Hörigkeit über, soviel sei verraten. Der Leser aber mag sich ein eigenes Bild von der Sache machen, und die politische Bildung mit dem Original fortsetzen.

Montag, d. 21. Januar 2019 Wirtschaft oder Militär? Der Grundirrthum des 19. Jahrhunderts. Dühring. „Vom Knüttel zum Schwert und schliesslich zum modernen Hinterla- der, und von der noch heerdenartigen Kampfweise bis zur maschinenhaft dici- plinirten und strategischen Massenbewegung oder zum sozusagen wissenschaft- lichen Mordsystem ist zwar ein ziemlich langer Weg gewesen; aber die Frucht ist dafür auch so grossartig ausgefallen, dass es nichts gibt, dass sie heute über-

97 / 130 böte.“ Herr Dühring, der Judenhasser, der Rassist, der Nazi, der Vorläufer und Künder des Nazire- gimes, der Ideengeber Hitlers und solcherlei Bodenlosigkeiten, dass sich die Balken biegen vor Lachen, - wahrlich, einfach nur lächerlich. Das Vorurteil ist nicht aus der Welt zu kriegen, es lebt in den Gehirnen fort. Gift lässt sich eben nur durch ein Gegengift bekämpfen. „Auf dem Meere die immer dickeren Stahlpanzer, und auf dem Lande die im- mer gesteigerten Schusskräfte, von den, beiden Gebieten gemeinsamen Spreng- mitteln nicht zu reden, - das sind die Indicien eines nicht etwa eisern sondern eher stählern zu nennenden Zeitalters. Wohin sich nun diese ausgebildete Waf- fenmacht mit ihrer Centralisation neigt, da ist mehr Übermacht und sind mehr Knechtungsmittel vorhanden, als irgend eine capitalistische oder grundbesitzer- liche Übergewalt bloss vermöge ihrer ökonomischen Action, also durch rein in- direct wirthschaftlichen Druck auszuüben vermag. ES IST DER IRRTHUM DES 19. JAHRHUNDERTS gewesen, das Verhältnis umkehren zu wollen und in den indirecten Ausbeutungsmitteln wirthschaftlicher Art die Wurzel der Mas- senohnmacht und überhaupt der gesellschaftlichen MissStände zu suchen.“ Und ob wir das auch so sehen? Nein, wir bewundern Dühring seines Scharf- sinns wegen mehr als jede Marx verherrlichende Zote eines von Dühring soge- nannten „Hausfriedrichs“ (Engels). „Man wird aber leider wohl noch oft daran erinnert werden, wo in Wahrheit die knechtende Kraftanhäufung und die auch im eigentlichen Leben hindernde fal- sche Übermacht zu suchen sei.“ Nun, es ist die übliche Karriere- und Bereicherungssucht, welche „Deutschland zuerst!“ ruft und „Ich zuerst!“ meint. Uns ist jedoch ein gescheiter Jude immer noch lieber als wie der Haufe dummdeutscher Gewaltverherrlicher, welche nach ihrer Unterjochung dürsten, und, mit ihrem Hass auf alles Deutsche schiessen. „Mannigfaltig sind die Formen der Unterdrückung und vielgestaltig die Meinungen, die über sie umlaufen.“ Es wird gestattet sein, dass wir unsre eigne Meinung dazu haben. „Selbst ein socialer Radicalismus, soweit er auch gehen möge, kann in dem entscheidenden Punkt weder theoretisch etwas aufhellen, noch praktisch etwas bessern.“ Das genügt. Für uns gilt, dass wir mit einigem Nachdruck darauf hingewiesen haben, wo wir stehen. Eine Massenbewegung ist keine Bewegung, es ist und bleibt eine Masse.

Mittwoch, d. 23. Januar 2019 Eigentliche Paranoia psychiatristica, eine angesichts der neumodischen Irren- theorien unausweichlich zu statuirende Abweichungsform von der graden Linie gesunden Verstandes und integren Willens. Dühring „Treten wir der eigentlichen Psychiatrie, die sich in die Hypnose nur einge-

98 / 130 mischt und äusserstenfalls mit ihr verkuppelt hat, etwas näher, so spielt in ihr nicht bloss das Capitel vom Grössenwahn eine Hauptrolle. Wenigsten was die private und politische recht eigentlich so zu nennende Gemeingefährlichkeit dieses curiosen Corpus doctrinarium (Körper der Lehre) anbetrifft, so entsprin- gen die betreffenden Anmaassungen und Überhebungen aus keiner anderen Quelle. Bornirte Eitelkeit, Herrschsucht und materielles Interesse vereinigen sich oft genug zu theoretischen Ausgeburten und zugehörigen praktischen Be- thätigungen, die das Leben und die Wege der Gesellschaft, wenn diese auch übrigens zulänglich geordnet wäre, doch vielfach UNSICHER machen müssten. Thatsächlich gibt es fast keine gemeingefährlichere und despotisch willkürli- chere Selbstüberschätzung und Herrschaftsveilleität als diejenige gewisser Spielarten des Psychiaterthums. Die Einbildung ist hier meist eine so colossale, dass ein Molière nicht ausreichen würde, ihre Züge zu treffen. Was ihm im Ma- lade imaginaire gegen Medicin und Ärzte überhaupt gelungen ist, müsste hier misslingen, weil der Gegenstand (dem System immanent) wirklich über den Spass hinausgeht. Die Wderlichkeit schlechter Interessen gesellt sich nämlich in einem solchen Grade hinzu, dass aller moralische Ernst zusammengenommen werden muss, um dieser neumodischen Hydra nicht etwa vergeblich bloss einige abzuschlagen, sondern nachhaltig die Stelle auszubrennen, von wo ihr sonst die Köpfe immer frisch nachwachsen. Angelehnt an die früher von uns schon gekennzeichnete Pseudowissenschaft der Psychologie, aber mit noch ganz anders vermessenen Ansprüchen, will diese sich Psychiatrie nennende Gehirnalchymie, trotzdem sie vom Gehirn nichts Erhebliches oder gar Entscheidendes weiss, doch den Stein der Weisen besitzen und nichts weniger als Alles, gelegentlich aber noch einiges Andere, in Diagnose ihres Schlages verwandeln. Da kommt denn meist ein Hexengold zum Vorschein, welches zunächst die Lachmuskeln regemacht, aber leider in seinem Gebrauch noch eine andere Seite aufweist, weil es für redliches Gold ausgegeben wird und oft von Zwangs- und Rechtswegen dafür gelten soll. Nicht die Sache, sondern deren Ausmünzung mit dem Staatsstempel bringt die Gefahr für die persönliche Freiheit und Integrität mit sich. Freiheitsentziehung, ja in bestimmten Fällen eigentliche Freiheitsberaubung sind hier der zu erör- ternde Text. Solange der Absolutismus des Gutachtenwesens oder, besser ge- sagt, vielfach Gutachtenunwesens staatlich gezüchteter Psychiater (oder Lehrer) mit den maasgebenden Privilegien und künstlichen Geschützheiten gegen jeg- liche ernsthaftere Kritik fortbesteht, kann von persönlicher Freiheit und einer Garantie derselben nach dieser Seite hin kaum in Entferntesten die Rede sein.“ Dühring gibt hier die trefflichste Diagnose für ein Rechtsregime, welches den Titel Rechtsstaat führt. „Ein wesentlich paranoetischer Zug der fraglichen irrenhaften Doctrin bezieht sich auf die Meinung, Alles zu verstehen und Alles vom Standpunkt der Irren- bastillen und Irrenzwinger her glossieren zu können und zu müssen. In nichts

99 / 130 weiter ein bischen erfahren als in der grobfädigsten und oft recht unkritischen meist mehr polizeilichen und schliesserischen als irgend ernsthaften wissen- schaftlichen Observation irrenhäuslerischer Insassen vermeint diese Gemeng- selweisheit mit ihrem Sammelsurium von Apercüs und sogenannten klinischen Krankheitsbildern auch alles heimsuchen zu dürfen, was über ihren engen Hori- zont hinausliegt. Statt sich auf die handgreiflichen Dinge zu beschränken, die ihrer Zuständigkeit angemessen wären, schnappt sie, ich habe keinen milderen Ausdruck, schnappt sie also über uns in Bereiche hinein, von denen sie gerade soviel und sowenig versteht, wie ein Apotheker als solcher von höhern und rechnenden Astronomie oder ein pflasterkundiger Bearbeiter der Bartstoppeln und Ansetzer der Schröpfköpfe und künstlichen Blutegel von den grundlegen- den Theorien der Alles durchdringenden Analysis oder gar von den letzten Subtilitäten höchster denkerischer Probleme. Dieses Psychiaterthum neuester Mode ist in einigen Richtungen so irregegan- gen, um nicht zu sagen so irre geworden, dass seine Theorien und praktischen Ansprüche, wenn streng genommen, dahin führen müssten, den Schwerpunkt der Weltregierung in die Irrenhäuser zu verlegen, am besten aber der Mensch- heit über dem Kopfe gleich ein einziges grosses Irrenetablissement zu errichten, wo Psychiater zugleich auch die in letzter Instanz maasgebenden Administra- toren und von Allundjedem wären. Dispensationen gewisser Gruppen oder ver- suchsweise zu ertheilender Beurlaubungen von der strengern Observanz dieses so zimlich universellen Irrenlebens würden gnädigst platzgreifen können, ohne dass jedoch dem psychiatrischen Axiom jüngster Erfindung, dass es mit Jeder- mann, genaugenommen, in irgend einem Maasse nicht richtig psychiatergemäss richtig bestellt sei, zunahegetreten und dessen Unverletzlichkeit preisgegeben werden dürfe. Was nun aber die Anwendung dieses Axioms auf die Herren Nar- rendirectoren selber betrifft, so entstände hier freilich für redliche Leute ein bischen Verlegenheit, ja Noth; indessen liesse sich vielleicht durch eine Ober- narreninstanz helfen, deren Personal nur mit einer für diesen Zweck als normal anzuerkennenden Minimalabnormität behaftet sein dürfte. Wie aber eine solche Narrenauslese bewerkstelligen, wie solch eine auser- wähltes Völkchen von lauter bevorzugten Geistern gleichsam aus den Gemei- nen der Irrrenschaft heraussuchen? Wie sollen die höhern Grade und der höhere Rang hier erworben werden, wie steigt man zu diesen höchsten Irrenfunktionen auf, von denen in diesem System die ganze politische und unpolitische Ordnung ressortirt? Dafür weiss ich in der That keine Antwort; aber ich habe auch die Herrlichkeit dieses psychiatrischen Irrenstaats und dieser Staatsirren nicht zu verantworten; ich habe eben nur die Narrheit in ihren Aspirationen nach Art meiner Disgnosen ein wenig gekennzeichnet. Man sehe sich nicht bloss die Irrenbücher an, sondern auch die Thaten dieser Irrenpraktikanten in Gesellschaft und Staat, und man wird es wohl nicht über- trieben finden, wie ich besagte Aspirationen aufgefasst und im Lichte derjeni-

100 / 130 gen Consequenzen gezeigt habe, die theoretisch und praktisch nur zu nahe liegen, wenn auch ein völlig geklärtes Bewusstsein davon bei den psychia- trischen Instanzen selber fehlen muss. Hätten sie dies nämlich, so würden sie ja von ihrer eigenen paranoetischen Dosis frei sein, was ihrem höchsteignen Sys- tem widerspräche. Um also die paranoetischen Widersprüche ihres eignen Ele- ments nicht noch zu steigern, wird man wohl oder übel die Existenz einer psychiatrischen Monomanie anerkennen müssen, wenn auch nur in einem popu- lär und modegemäss deutschistisch etwa als Irrenmache oder Irrenmachsucht zu bezeichnenden Sinne. Freilich werden die Monomanien im früher herkömmlichen Sinne jetzt bestrit- ten (Bismarckreich, Wilhelmreich, Weimarer Republik, Hitlerreich, Bundesre- publik); allein es sind auch hier von uns nur Thatsachen gemeint, die als solche davon abhängig sind, ob oder wie man sich specifische Suchtgestaltungen vor- stellt. Von unserm Standpunkt aus ist das Monomane in den psychistrischen Theorien und Praktiken nur eine concentrirte Specification mehr oder minder gemeiner Abweichungen von der graden Linie des gesunden Verstandes- und Willensbethätigung. Schon das allgemeine Handwerksverlehrtenthum fordert zur intellectuellen und moralischen Diagnose heraus. Wie sollte jenes besondere Pflänzchen von sich so nennender Wissenschaft, auf welches eine Menge von geistigen und andern Verderbungsgründen zusammen einwirken, in dessen Ge- staltung sich also sehr verschiedene Corruptionsursachen anderer Wissens- zweige und Praktiken vereinigen, - wie sollte jenes abseites und in einer umne- belten Atmosphäre angepflanzte Gewächschen nicht von den theilweise sehr übeln Nährstoffe zeugen, die von seinen Wurzeln und Blättern eingesogen wer- den!...“ Nun, es kann nicht anders sein, der Staat ist die Anstalt für die gewerbsmässi- gen Irren. „Die psychiatrischen Velleitäten jüngsten Schlages bedrohen nicht nur die Frei- heit und persönliche Integrität direct, indem sie den Menschen und Bürger zu unterjochen und über ihn absolutistisch ohne Verantwortlichkeit völlig willkür- lich zu verfügen suchen, sondern schädigen auch indirect die Gerechtigkeit und Gesellschaft dadurch, dass sie unter Umständen und in gewissen ihnen passen- den Fällen die Verbrecher den gebührenden Strafen zu entreissen und für die Ir- renbotmässigkeit in Anspruch zu nehmen trachten. Diese äusserst bedenklichen Verirrungen oder Abseitsführungen bezüglich der juristischen Zurechnungsfäh- igkeit und vollen Verantwortlichkeit gehören jedoch weniger in unser Capitel von den Freiheitsgarantien, als vielmehr in das Thema von den Behinderungen der Gerechtigkeit. Überhaupt haben wir hier zwar auch schon das Moralische, aber nur insoweit zu streifen, als es mit der Freiheitssicherung, nicht aber schon ausgeprägterweise mit Verstössen oder Verbrechen gegen die positiv zu fordern- de und eigentliche Gerechtigkeit zusammenhängt ...“

101 / 130 Donnerstag, d. 24. Januar 2019 Gerechtigkeit innerhalb einer Vielheit. Keim des Zwangsstaats im Grundschema. Dühring „Alle klaren Entwicklungen von grösster Einfachheit müssen sich zunächst im- mer auf das GRUNDSCHEMA von zwei Personen zurückbeziehen, sei es dass Gerechtigkeit, sei es dass andere sozusagen interhumane Verhältnisse in Frage kommen. Von den speciell moralischen Partien dieses Werks her wird hier vor- nehmlich alles das in Bezug genommen und vorausgesetzt, was sich weniger auf mögliche Gewalt oder thatsächlichen Zwang als vielmehr bloss auf die frei- willigen und vom Gewissen abhängigen Gestaltungen erstreckt.“ Hierin ist Dühring eigentlich der Vorgänger Theod. W. Adornos, beispielsweise von dessen „Minima Moralia: Reflexionen aus dem beschädigten Leben“, dass er den Gewaltstaat von der seins-moralischen Seite her angeht, was, aus den uns bekannten Gründen heute unterschlagen wird, wie Dühring in der heutigen Öf- fentlichkeit nicht vorkommt. Soziologie, Sozialphilosophie und Psychologie waren damals erst am entstehen, umsomehr sind sie dafür eine Intellektuel- lenMarotte der heutigen Soecies. Sozial ist sozusagen alles, was Rang und Namen hat und sich ins öffentliche Licht drängt. Borniert, wie die „Produkte der Staatsgewalt“ (Constantin Frantz) eben sind, wollen sie den sozialen Staat und am besten gleich die halbe Welt dazu, sie sind aber bloss Intellektuelle von der Schule, die sich auf dem Arbeiter ausruhen. Vergesst die Begriffsakrobaten und Hochschulaspiranten und deren Erleuchtungen zum angeblichen Positivis- mus Dührings: seins-moralisch und sach-logisch sind unsre Cardinalprincipien. Personalismus: „Nun ist aber der gleichsam brutale Zwang auch nicht erst die Angelegenheit einer Mehrheit, sondern kann sich, ja muss sich unter Um- ständen zwischen zwei isolirten Menschen ergeben, sobald zwischen ihnen et- was streitig wird oder die Triebe des Einen, sei es aus Begehrlichkeit oder aus Übermuth, den Andern angreifen und äusserstenfalls zu unterjochen oder zu tödten suchen. Bei nichts mehr als rein natürlicher Nothwehr mag es alsdann dazu kommen, dass auch der bessere Theil zur eignen Sicherung nicht umhin- kann, Fesselung, Gefangenhaltung oder mindestens irgend eine Art aufgenö- thigten und überwachten Gehorsams, sei es zeitweilig, sei es dauernd, platzgrei- fen zu lassen. Eine Erinnerung an diese schon früher berührten Möglichkeiten oder Noth- wendigkeiten war hier, wo wir von der Zweiheit zur Vielheit und zu gemein- wesenartigen Gebilden überzugehen haben, durchaus nicht zu entbehren; denn es würde sonst der entscheidende Keimgedanke fehlen, aus denen die vollstän- digen Vorstellungen erst hervorspriessen sollen. Überdies haben wir uns darauf zu besinnen, welche Mannigfaltigkeiten in der guten und schlechten Beschaf- fenheit der Personen und ihrer Anlagen obwalten und den Gestaltungen ihr Ge-

102 / 130 präge aufdrücken können. Gut gegenüber Gut, Schlecht gegenüber Schlecht, Gut gegen Schlecht und umgekehrt, ferner Gemischt gegen Gut oder wiederum Gemischt, und so fort die mannigfaltigen Variationen, die nach Art und Grad, nach Verstand und Charakter, sowie aus den verschiedensten Specialgesichts- punkten, mit oder ohne Rücksicht auf Recht und Unrecht, auf Theilnahme oder Gleichgültigkeit, auf Neigung oder Hass, auf Zusammenwirkung oder trennen- de Sonderung vorhanden sein mögen, - alles dies ergibt ein weites Feld von Combinationen und Complicationen. Wir müssen jedoch versuchen, bestimmte maassgebende Haupttypen zu kennzeichnen, dergestalt, dass wir durch die Ein- fachheit zum Urtheil über jedwede noch so reichhaltige Zusammengesetztheit gelangen. Wo beginnt der Staat im Sinne des Zwangsstaats? Da, wo der Eine über den Andern Gewalt ausübt, sei es urräuberisch oder auf Grund eines gerechten Anspruchs, dem aber Widerstand geleistet wird, sei letzterer activ oder auch nur passiv, wie beispielsweise durch Vorenthaltung einer versprochenen gebühr- enden Leistung, von deren Erfüllung vielleicht Wohl, ja Leben des Berechtigten abhängt.“ Letzteres ist sicherlich keine Fiktion und praktische Funktionalität oder, wenn man so will, die GewaltMechanik, was den Staat gegenüber mir als Person an- geht. Die Schädigung einer Einzelperson durch Ausschluss aus der Gemein- schaft ist höher zu veranschlagen als das Gesamtergebnis. „Hiemit bleiben wir aber noch immer bei unsern Zwei, und dennoch ist durch die gewaltsamen Beziehungen sozusagen ein Stück Gemeinwesen, ja im Sinne des thatsächlichen status der gegenseitig erzwungenen Verhältnisse bereits ein richtiger Staatsembryo vorhanden. Ja sogar könnte man sagen, der Staat sei we- nigstens in seiner abstractesten Eigenschaft fertig. A wie B können jeder von Beiden sagen, der Staat ist meine Nachbar, oder auch, wir beide sind der Staat vermöge gewisser Beziehungen unter uns. Genauer und weniger missverständ- lich sollte es aber heissen: das Vergewaltigende in den geselligen Beziehungen Beider ist der Staat, insofern dieser als die Thatsache und Beschaffenheit einer zwingenden Funktion gedacht wird. Träte gar keine Ursache zum Zwange dazwischen, so bliebe es zwischen den Beiden bei freiwilligen Geltungsverhältnissen. Es käme also zu keiner Unge- rechtigkeit im Sinne der Verletzung und auch die positiv eingegangenen Ver- bindlichkeiten würden mit freiwilliger Gewissenhaftigkeit erfüllt. Derartiges er- gäbe die Grundform eines auf dem Princip der freien und gleichen Gesellung beruhenden und demgemäss sozusagen gesellschaftlichen Staats. Allein auch Angesichts dieser Gestaltung bedanke man, dass Zwang und Gewalt, wenn sie auch thatsächlich nicht geübt werden, doch als in Aussicht stehend angenom- men werden müssen. Es kann also unter Umständen jeder von Beiden auf der Hut sein müssen, dass ihn der Andere nicht aus irgend einem Beweggrunde überfalle, überwinde oder überliste, oder auch aus weniger schlechten Trieben,

103 / 130 also beispielsweise in irgend einem vielleicht theilweise sogar berechtigten Af- fekte, übermanne und schädige. Ebenso wird Rachemöglichkeit aus zutreffen- den oder auch nur eingebildeten Vorstellungen als in das Spiel kommend vor- ausgesetzt werden müssen, und so gut sich daher der Verkehr auch thatsächlich ausnehmen möge, so besteht die Sicherheit seiner normalen und gerechten Ge- staltung in letzter Instanz doch nur vermöge der Bereitschaft der beiderseitigen Kräfte, jede Ausschreitung zurückzuweisen.“ Auch hier, könnte man einschieben, ist der Vorgänger einer negativen Dialektik Dühring und die heutige Sozialphilosophie, unter Verschweigen der Wahrheit, von zweitrangiger Natur, weil Plagiat und ein Ausbund von Hegel, Marxismus und Psychoanalyse. Man kann es nicht oft genug sagen, dass die Juden mit dem Antisemiten Dühring wesentlich mehr anzufangen gewusst haben, wie die deut- schen „Produkte der Staatsgewalt“. Ich persönlich weiss nur so viel, dass ich von Juden nie etwas zu befürchten hatte, wogegen ich von diesem Staat seit Jahr und Tag ausgepresst wurde. Mein Arbeitsprodukt anhand der Steuern haben sie konfiziert, mich als Person aber geächtet. Nehmt euch also nicht vor den Juden, sondern vor den in jeder Beziehung geistig unreifen Deutschen in Acht.

Freitag, d. 25. Januar 2019 Dietrich Bronder „Bevor Hitler kam. Eine historische Studie“. Zweite Auflage von 1975. Das Buch selbst interessiert uns nicht sonderlich. Nur eben das Kapitel zum Antisemitismus, und die Kenn- zeichnung Dührings. Von dort sind einige aufschlussreiche Ergänzungen nach- zutragen, welche den Gesamtkomplex Bismarckie, Hermann Wagener und Mar- xismus aufhellen. Es reicht also, wenn wir uns derjenigen Aufzeichnungen an- nehmen, welche für uns wichtig sind. 21. Kapitel. Deutscher Antisemitismus bis 1900. Einleitend gibt er eine Übersicht: „In diesem einundzwanzigsten Kapitel wer- den geistige Wegbereiter des Nationalsozialismus vorgestellt, die den deut- schen Antisemitismus von Beginn des 19. Jahrhunderts an in seinen wesent- lichen Vertretern zeigen. Diese werden dabei chronologisch angehandelt. Be- sondere Schwerpunkte bilden Richard Wagner, Adolf Stöcker, Heinrich von Treitschke, Eugen Dühring und schliesslich die antisemitischen Parteiungen zu Ende des Jahrhunderts.“ Über das ganze Buch hin streicht der Autor ein Sammelsurium an Daten und Fakten aller möglichen Art heraus. Er setzt Oberbegriffe, Kapitel, worunter dann natürlich alles das fällt, was er an Stoff herübergibt. Das Werkchen ist für mich insofern kein wissenschaftliches. Überhaupt steckt die Literatur-Wissen- schaft in der selbstgeschaffenen Antisemitismus- und Anti-NaziFalle. Der äus- sere Umstand mit dem Geist der Zeit, würde mich sowieso zwingen, Mittel und Wege zu nutzen, die ungewöhnlich sind. Ungewöhnliches bedarf eben dem Un-

104 / 130 gewöhnlichem, und nicht dem Gewöhnlichen. Die Probleme, welche diesen Staat stetig wieder aufs Neue zerreissen, sind von durch die Politik produziert, weshalb man an der Problembehebung von deren Seiten überhaupt ein grosses Fragezeichen setzen muss. Das unwürdige Schauspiel, dass der Inlandsgeheimdienst derzeit gegen die Alternative aufbietet, sagt alles. In Deutschlands Öffentlichkeit grassiert die entmündigende Zensur. NZZ von heute: Das Bundesamt für Verfassungsschutz sollte sein Gutachten über die Prüfung der AfD publik machen. Wenn eine Be- hörde die Verfassungstreue einer politischen Partei öffentlich anzweifelt, müs- sen sich deren Mitglieder verteidigen können. Alles andere ist eines liberalen Rechtsstaats unwürdig. Ich sagte schon, das wir es nicht mit einem RechtsStaat, sondern mit einem RechtsRegime zu tun haben. Das RechtsRegime unterscheidet natürlich immer in ihm wohlgefällig Gesonnene und weniger gefällige Gegner. Nun zum Text. Bismarckie, Wagener, Treitschke „Im Zeichen der Bismarckschen Reichsgründung wächst der deutsche Antise- mitismus wesentlich in die Breite und vor allem in die Tiefe des Volkes hinein.“ Schon haben wir den Vorwurf gegen das deutsche Volk! „Der Reichsgründer, dessen Stellungenahme zur Judenfrage nicht einheitlich ist und wohl mehr in der Theorie als in der Praxis ablehnend, umgibt sich sowohl mit jüdischen wie mit antisemitischen Beratern und Freunden. Zu den letzteren zählten: 1 Sein Mitarbeiter Moritz Busch aus Dresden (1821-99), im auswärtigen Amt Leibjounalist des Fürsten und antisemitischer Publizist; 2 sein Berater Hermann Wagener, aus Neuruppin (1815-89), Justizrat und Land- tagsabgeordneter in Preussen, Gründer der Neuen Preussischen Zeitung als des mächtigsten Organs der konservativen Partei und bis 1854 dessen Chefredak- teur, wofür ihm die Partei ein Rittergut schenkte. Ab 1859 gab Wagener das 23- bändige Staats- und Gesellschaftslexikon heraus und beriet als erster Rat im preussischen Staatsministerium Bismarck bei dessen Konspiration mit Lassalle, dem jüdischen Politiker sowie im Kulturkampfe den jüdischen Justizuntersta- atssekretär von Friedeberg gegen die Jesuiten. 1873 machte er infolge von Spe- kulationen wirtschaftlich pleite und ging in Pension. Wagener verfasste 1857 „Das Judentum und der Staat“. 3 In hohem Ansehen stand bei Bismarck der Geheimrat Prof. Dr. Adolf Arndt, als getreuer preussischer Monarchist (und ehemals Rektor der Universität Kö- nigsberg) sowie Freikonservativer zweimal einem Sozialdemokraten als Reichs- tagskandidat unterlegen. Ihn hat der Fürst später in Friedrichsruh geküsst! Arndts Sohn Adolf später „Krönjurist“ der SPD im Bundestag, war wie einst der Vater, Nationalist, angeblich Teilnehmer am KappPutsch und wurde von den Nazis am 11. 07. 1933 als Anwalt zugelassen, nachdem er ihnen als Richter in der Republik entgegengekommen war; 1965 setzte er sich massgeblich gegen

105 / 130 die Verjährungsfrist ein. (In der BRD hat man versucht das Buch von Bronder zu unterdrücken.) Entscheidenden Einfluss hatten die Antisemiten auf Bismarck nie gewonnen, der als junger Mann einmal über diese Leute sagte: „Ich bin kein Feind der Juden. Ich liebe sie sogar unter Umständen. Ich gönne ihnen auch alle Rechte, nur das nicht, in einem christlichen Staate ein obrigkeitliches Amt zu bekleiden … Ich teile diese Empfindung mit der Masse des niederen Volkes und schäme mich dieser Gesellschaft nicht.“ Der älteste Sohn des Reichsgründers, der 2. Fürst Bismarck, Herbert, heiratete 1892 in Wien eine Gräfin Hoyos, Grosstochter der englischen Familie White- head, deren Chef Sir James Kultusvorstand der israelischen Gemeinde in Lon- don war. Für den damaligen Antisemitismus sind drei Schriftsteller von ganz erheblich- em Einfluss gewesen. Der erste war der Gutsbesitzer Heinrich Nordmann, der unter dem Decknamen H. Naudh schrieb; einige behaupten, es sei dahinter Bis- marcks Ratgeber Lothar Bucher verborgen, ein 1817 geborener Jurist und wirk- licher Geheimer Legationsrat im auswärtigen Amt. Unter dem Pseudonym Naudh erschien 1860 der Titel „Die Juden und der deutsche Staat - die Gefahr der jüdischen Emanzipation“, der bereits 1879 seine 9. und 1920 die 13. Aufla- ge erlebte; sowie 1879 „Israel im Heer“. Z.T schon von rassischen Erwägungen ausgehend, wird den Juden dennoch die christliche Taufe noch warm anem- pfohlen. Erster Grundsatz für die Deutschen sei die Pflicht gegen das eigene Volk, welche der Rücksichtnahme auf die Juden vorgehe. Dabei käme es auf einer Rechtsverletzung mehr oder weniger nicht an: salus populi suprema lex“. Auch sollte man eine Gesamtausweisung der Juden aus unserem Vaterlande in Betracht ziehen, falls sie nicht freiwillig gehen würden. Der zweite Name ist noch bedeutender für den deutschen Judenhass, denn er hat ihm geradezu Programm und Gestalt gegeben; er hat das Wort Antisemitismus als erster gebraucht: Wilhelm Marr, der Sohn eines jüdischen Schauspielers, ein radikaler, evangelische Journalist. Eine erste Broschüre von 1863 „Der Juden- spiegel“ in welcher er sich indigniert über die Judenemanzipation zeigte, wurde kaum beachtet. Seine Schrift von 1873 „Der Sieg des Judentums über das Ger- manentum“ mit dem Untertitel „Vom nicht-konfessionellen Standpunkt aus betrachtet: Vae Victis“! brachte es allein im Jahre 1879 zu 11 Auflagen. Der Verfasser begründete damit die materialistisch-biologische Metaphysik des Na- tionalsozialismus und sah die Judenfrage nicht als den Gegensatz zweier ver- schiedener Konfessionen an, sondern als der Kampf zweier grundsätzlich wi- derstreitender Prinzipien. Das Ziel sei dabei: „Die Vernichtung der jüdischen Herrschaft mittels Aufrichtung des deutschen Volksbewusstseins“. Marr begrün- dete mit seiner Antisemiten-Liga die erste deutsche Organisation dieser Art und gab dafür die „Antisemitischen Hefte“ heraus, ab Oktober 1879 das Organ „Deutsche Wacht“. Später wandte er sich angeblich „mit Ekel bis zum Erbre- chen“ von seiner eigenen Bewegung ab.“

106 / 130 Ich glaube weniger an die Angeblichkeit, die man auch nicht wirklich veri- fizieren kann, sondern das ist der problematischste Teil überhaupt und die Re- aktion Marrs nur zu verständlich, - weil hier kommt das bodenlos Primitive nach oben! „Der dritte Judenfeind war der katholische Publizist Otto Glagau, der 1876 in dem vielgelesenen mittelständischen Massenblatt „Die Gartenlaube“ über den jüdischen Börsenwucher schrieb: „Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin“, 1876. 90% aller dieser Gründer seien Juden, die uns als ein fremder Stamm das Mark aussaugten. Daneben äusserten sich im neuen deutschen Kaiserreich auch eine ganze Reihe recht angesehener Persönlichkeiten abfällig über die Juden. Wir haben z.T. schon erwähnt: H. St. Chamberlain, der zugewanderte Engländer, schuf mit sei- nen Grundlagen eine Basis für den neuen Rassegedanken und war als Christ Feind der Kirchen, weil sie „die Menschen in Juden umwandeln“ und das Ju- dentum dadurch in die germanische Kultur einimpfen. Der Katholik Julius Langbehn betonte den Rassengegensatz: „In der so wichtigen Judenfrage wird ein etwa kommender heimlicher Kaiser tätig eingreifen müssen; er wird sein Zepter zu neigen und die Schafe von den Böcken zu sondern haben; denn ein Herrscher soll vor allem gerecht sein … Ein Deutschland im Sinne der moral- losen Juden wäre dem Fluche verfallen. Echten Juden dagegen können sich ech- te Deutsche sehr wohl befreunden … aber gegen alle unechten Juden werden al- le echten Deutschen stets zusammenstehen (Rembrandt, S. 336). Der evange- lische Vorkämpfer Paul de Lagarde erklärte: „Die juden sind als Juden in jedem europäischen Staate Fremde und als Fremde nichts anderes als Träger der Ver- wesung … Sie verderben dem deutschen Volke die Erfüllung seiner arteigenen reinen Sendung … Es gehört ein Herz von der Härte der Krokodilhaut dazu, um mit den armen, ausgesogenen Deutschen nicht Mitleid zu empfinden und … die Juden nicht zu hassen, dies Ungeziefer nicht zu zertreten. Mit Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt, sie werden auch nicht erzogen, die werden so rasch und gründlich wie möglich unschädlich gemacht!“ Man sieht das intolerante Wesen des Christentums hindurchscheinen, das La- garde gegen die Juden ausspinnt, obwohl er selber einer ist. „Deutlicher und unverhüllter konnten sich später die Nationalsozialisten auch nicht ausdrücken, als es damals von diesem Göttinger Professorenstuhl ertönte. Als Fazit siehe Lagarde: „Das Judentum treibt seit fast zweitausend Jahren nichts als Hausierergeschäfte, auch in der Presse und in der Literatur. Es ist ohne Ertrag in der Geschichte, ausser dem negativen, dass alle Völker in denen es zur Macht gelangt, untergehen müssen.“ Der berühmte Strafrechtslehrer und Vetter des Komponisten, der Berliner Professor und fortschrittliche Abgeordnete des preusischen Parlaments, Frantz von Liszt (1851-1919) wollte ebenfalls den jüdischen Einfluss zurückdrängen: „Wir haben unsre nationale Einheit eben erst gewonnen und sind daran sie zu

107 / 130 festigen. Daraus folge als Pflicht der Selbsterhaltung, den kosmopolitisch an- gehauchten Juden den Schutz und die Pflege unserer höchsten nationalen Inte- ressen nicht anzuvertrauen.“ Der Berliner Philosoph Eduard von Hartmann (1842-1906), Sohn eines Generals und selber einst preusischer Gardeoffizier, äusserte sich 1885 antisemitisch in seiner Veröffentlichung „Das Judentum in Gegenwart und Zukunft“. Selbst ein sonst ausgewogener Mann wie der all- deutsche Geheimrat Ernst Haeckel sagte in einer 1894 im jüdischen Verlag S. Fischer, Berlin, erschienenen Interview-Serie „Der Antisemitismus“ zu Her- mann Bahr, einem österreichischen Schriftsteller, er möge es nicht glauben, und all seine Anschauungen sträubten sich dagegen, dass eine so mächtige, lange und grosse Bewegung wie der Antisemitismus ohne gute Gründe möglich sein sollte! Ja, selbst der Schriftsteller Wilhelm Raabe aus dem Braunschweigischen (1831-1910), der schon vor 1870 für ein einiges Deutschland unter preussi- scher Führung eintrat, war trotz seiner herzlichsten Freundschaft mit dem jüdi- schen Berliner Professor Moritz Lazarus (1824-1903) nicht frei von antijüdi- schen Gefühlen. So lässt er in seinem Roman „Der Hungerpastor“ (3 Bde., Berlin 1865) die Judengestalt des Julius Freudenstein alias Theophil Stein auf die deutschen Mittelschichten, bei denen er viel und gern gelesen wurde, durch- aus antisemitisch wirken. Weltbürger Theophil wird zwielichtig schillernd und von schimpflichem Untergang betroffen dargestellt. Noch burschikoser, diesmal mit Wort und Bild, wirkte der weltbekannte und heute noch überall beliebte Humorist und Karikaturist Wilhelm Busch aus dem Hannoverschen (1832- 1908), der in seinen weit verbreiteten und überall Anklang findenden Zeich- nungen und Versen die juden immer abstossend dargestellt hat (…) Neben dem Populär-Antisemitismus ist uns schon mehrfach die Judenfeind- schaft der Gebildeten begegnet. Wenn wir einige ihrer Vertreter nennen, so muss an die Spitze wohl der grosse Historiker Heinrich von Treitschke gesetzt werden. Als Sohn eines sächsischen Generalleutnants in Dresden geboren (1834-96), wirkte er als Professor der Geschichte in Freiburg i. B., um 1874 nach Berlin berufen zu werden. Nach Rankes Todt 1886 auch „Historiograph des preussischen Staates“, gehörte er als liberaler 1871-88 dem Reichstage an, obwohl sein leidenschaftlicher Patriotismus von einer Abneigung gegen den herkömmlichen Liberalismus getragen war. Treitschke galt als eine Art „Vater der Alldeutschen“ im Auslande, wenn er etwa nach 1871 erklärte: „Wir wollen die Macht und die Herrlichkeit der Staufen und Ottonen erneuern, doch nicht ihr Weltreich. Unser Staat dankt seine Kraft der nationalen Idee, er soll jedem fremden Volkstum ein redlicher Nachbar, nicht herrschsüchtiger Gegner sein.“ Denn „glückselig das Geschlecht, welchem eine strenge Notwendigkeit einen erhabenen politischen Gedanken auferlegt, der gross und einfach, allen ver- ständlich, jede andere Idee der Zeit in seine Dienste zwingt!“ Diesen Gedanken glaubte der Sachse im preussischen Staat zu sehen - ähnlich wie Hegel, wes- halb man ihn auch einen „Erzpriester des Preussentums“ genannt hat. Er ver-

108 / 130 herrlicht den Staat als Ausdruck der Autorität und Macht und verkündet immer wieder: „Der Staat ist Macht und keine Akademie der Künste!“ Da scheint ihm natürlich auch der Krieg nicht als verurteilenswert, sondern wird zur reinigen- den moralischen Kraft emporidealisiert: „Die Hoffnung den Krieg aus der Welt zu verbannen, ist nicht nur zwecklos, sondern auch unmoralisch, denn sein Verschwinden würde die Erde zu einem grossen Tempel des Egoismus ma- chen.“ Der einzelne und sein Glück sind ihm nämlich recht gleichgültig, eben- so wie die Freiheit - sie müssen dem Staate unterworfen und ihm bedingungslos aufgeopfert werden, falls das verlangt wird ...“ So etwas nennt man Kadaver-Gehorsam; und der ist auch heute wieder ein ge- übtes Ritual des Staats. Im Übrigen ist erkenntlich, dass Treitschke das genaue Gegenteil zu Dühring ist. Äusserungen, wie die Treitschkes zum Hegelschen Staat, sind bei ihm nicht einmal denkbar. Und was das Preussentum angeht, war Dühring wenig preussisch, und dagegen doch sehr anti-kratisch und also anti- autoritär, wie man heute sagen würde, eingestellt, was in aller Regel übergan- gen wird, weil man den bewussten Verzerrungen und Falschmeldungen aufsitzt. Dies eines der sicheren Anzeichen eines unverbrüchlichen Menschentums ent- gegen der Zwangsanstalt Staat. Und ja -: „Was gilt dann noch das Recht? Alle Rechtspflege ist politische Tätigkeit!“ Ein Vorwort hat Treitschke zu den spätern Theorien eines Carl Schmitt gespro- chen; ein Wort zu den Zersetzungserscheinungen in seinem geliebten Reiche; zu den ParteiCouleurs, dem Marxismus, dem Materialismus der Sozialdemokratie und dann natürlich auch dem Judentum gegenüber, gegen das er ab 1879 seine Beredsamkeit einsetzte. Die damals herrschende Stimmung fasste er in die Worte: „Bis in die Kreise der höchsten Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuts mit Ab- scheu von sich weisen würden, ertönt es heute wie aus einem Munde: Die Juden sind unser Unglück!“ Da ist sie also kreiert, jene Parole, mit der die National- Faschisten ihren Kampf gegen das Judentum mit letztmöglicher Härte und Bru- talität aufnahmen, wohlgemerkt, um sich selber zugrunde zu richten. Trotzdem ist unser Professor gegen jegliche Gewalt. In der Schrift „Ein Wort über unser Judentum“ (1881) empfiehlt er ganz im Sinne des leisen Nietzsche, die Lösung der Judenfrage durch Blutmischung: „Sie sollen Deutsche werden, unbeschadet ihres Glaubens und ihrer alten heiligen Erinnerungen, die uns allen ehrwürdig sind.“ In dem 1879 erscheinenden Hauptwerk „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“ wertete er den „halbjüdischen Radikalismus“ des Jungen Deutschland ab und beurteilte Heine und Börne negativ, denn die Juden „wir- ken zerstörend und zersetzend“, weil das nationale Selbstgefühl der Deutschen noch unfertig ist.“ Hier kann man Treitschke wohl durchaus zustimmen. Die Deutschen sind geistig ein unfertiges, zerrissenes Volk, - bis heute! - Ich bezie- he mich dabei auf unsren Gewährsmann Constantin Frantz, der uns hierüber die

109 / 130 trefflichsten Schilderungen gezeitigt hat. Dühring „Einen weit gröberen Antisemitismus präsentierte der Berliner Philosoph und nationalökonomische Schriftsteller, Eugen Dühr-ing (1833-1921), der zwischen 1864 und 1877 als Privatdozent an der Universität der Reichshauptstadt lehrte und später völlig erblindete. Der Positivist, Antimarxist und Judenfeind, der sich für eine heroische und religionsfreie Lebensauffassung erwärmte, wurde später im 1924 gegründeten Dühringbund von Döll verehrt, während seine Leh- re und reformerische Lebenshaltung von seinem Sohne Ulrich (geboren 1863) weitergeführt ist. Obwohl Dühring als Dozent nicht sehr lange wirkte, besass er als führender Philosoph im damaligen Berlin durch seine Schriften einen sehr grossen Einfluss ...“ Der Autor ist ein Märchenerzähler. In Wahrheit war Dührings Einfluss begrenzt, denn öffentliche Fürsprecher hatte er eigentlich nur in Privatpersonen oder Studenten, die ihn selbst gut kannten, seine Schriften goutierten oder seine Vorlesungen besuchten, wie Döll selbst einer der Studenten gewesen ist. Wo ist der Politiker, der Dührings Lehre oder Programm vertreten hätte? Wo? Sagt mir einen! Ihr werdet keinen finden!... ausser denen, die das von heute aus behaupten, nachholen. Man beruft sich ausschliesslich auf Antisemitenvereine und -gruppierungen oder Hitler und die Nazis. Was die gemacht haben ist von einer anderen Qua- lität, auch wenn einige sich später auf ihn berufen haben, heisst das noch lange nicht, dass Dühring dies gebilligt hätte. Für Bronder ist das natürlich kein Ein- wand. Für ihn zählt nur der historische Materialismus. Zudem waren zwischen Dühring und den NaziFaschisten noch einige Grössen aus der Schuhbox des Antisemitismus unterwegs, wie beispielsweise die Alldeutschen. Und mit den Alldeutschen hatte er nichts am Hut. Wie immer, werden Schuldige gesucht, de- nen man die eigenen politischen Versäumnisse in die Schuhe schieben kann. „Die Judenfrage als Rassen-, Sitten- und Kulturfrage“ (1881), „Die Judenfrage als Rassenschädlichkeit“ und der „Ersatz der Religion durch Vollkommeneres und die Ausscheidung alles Judentums durch den modernen Völkergeist“ (1882). Damit begründete er den rassischen Antisemitismus auch philosophisch und untermauert ihn biologisch wie geschichtlich.“ Bronder wiederholt aber bloss die üblichen Anschuldigungen. Der Jude sei „unschöpferisch, eines der niedrigsten und misslungensten Erzeugnisse der Natur“, der stiehlt und auch die Früchte anderer Völker und Kulturen ausbeutet. Daher könne die Judenfrage auch nur international gelöst werden: „durch Ausgliederung der Juden aus allen Völkern, durch Rückgängigmachung der Emanzipation, durch Ausnahmerechte, Deportationen und Gründung eines Judenstaates, wo sie sich dann schon von selber ausrotten würden“. „Die Juden sind ein inneres Carthago, dessen Macht

110 / 130 die modernen Völker brechen müssen, um nicht selbst von ihm eine Zerstörung ihrer materiellen und sittlichen Grundlagen zu erleiden! Und wo Korruption und Fäulnis herrschten, dort siedelten sie sich an, um die Fäulnis noch zu ver- mehren. Als der schlimmste Zweig der semitischen Rasse gäben sie der Welt nichts Neues und seien nicht besserungsfähig - selbst der zum Antisemiten sich wandelnde Rassejude (und das waren nicht wenige) bleibe sich selber treu.“ „Die Juden seien auch gar nicht fähig, etwas für die Welt zu leisten, nur vermöge ihrer asozialen Eigenschaften nutzen sie jede Korruption im Leben der Völker zu ihren Gunsten aus. Da es nicht möglich sei, sie völlig zu vernichten, solle man die Juden unter Ausnahmegesetze stellen und ausschliessen von sta- atlichen Ämtern, vom Finanzwesen der Presse und Literatur und von allen ge- sellschaftlichen Vereinigungen. - Dühring überschätzt die jüdische Macht ganz phantastisch. Alles, was ihm missfällt, so etwa auch Lessing und Nietsche, ist für ihn einfach jüdisch. Während er die jüdische Gefahr als „die Schmach des letzten Jahrtausends“ ansieht, erklärt er sogar Nationalismus und Antisemitis- mus als teilweise verjudet. (Der gute Mann hat von Dührings Sache keine Ah- nung.) Er sagt: „Warum ist der deutsche Geist gegenwärtig so unheimlich bei sich selbst? Weil er sich nicht bloss in der Religion, sondern auch im Geistesleben … vergessen und an das Judentum veräussert hat! ... Damit kommt einer der Hauptgründe des Antisemitismus im deutschen Reich zum Vorschein: die kollektive Unsicherheit, die schon dem Alldeutschen Class aufgefallen war, und aus der heraus nun alles Undeutsche im Volk beseitigt werden sollte.“ So weit Bronder. Lassen wir es dabei bewenden, das Kapitel schweift nun immer weiter ab. Ob aber Dühring tatsächlich aufgefallen war, was uns der Autor von dem All- deutschen Class überliefert, ist keineswegs erwiesen. Ich denke, dass er beide vermischte und aus zwei Eindrücken einen machte, nämlich seinen eignen. Nur so wird Bronders Gedanke schlüssig. Im Übrigen ist eine durchdringende Düh- ringlektüre bei ihm nirgends feststellbar, es sei denn vielleicht die Judenschrif- ten, in andern Teilen seines Werkchens wird das nicht viel anders sein. Zur Person des Autors. Das Verschwörungs-Wiki im Internet sagt, Zitat: dass Bronder ein AltNazi ge- wesen sei, der vor allem durch seine Spekulationen über okkulte Hintergründe des NS in „Bevor Hitler kam“ bekannt ist. Viele Verschwörungstheoretiker zi- tieren dieses Werk, wahrscheinlich im vollen Bewusstsein, dass viele der darin aufgestellten Thesen unhaltbar sind.

Samstag, d. 26. Januar 2019 Die Verräter jedes bessern Wissen und Gewissen. Wir wollen nicht weiter auf das Werkchen eingehen. Es lohnt nicht, es hat da- selbst mengenweise Fehler, auch grammatische Fehler und sonstige Ungenauig- keiten und ist ein Wust an zusammengeballtem Material ohne Tiefgang in der

111 / 130 Sache. Jeder mag sich aussuchen, was ihm dünkt. Ein philosophischer Kopf war Broder jedenfalls nicht. Die Erstauflage des Buchs wurde in der Schweiz ediert. Da die 2. Auflage in der BRD der 70er von politischer Seite unterdrückt worden sein soll, - er fand keinen Verleger für sein Werkchen bis auf einen: gnädigen, - ist mir eine Stelle dann doch noch mitteilenswert geraten. „1932 vermerkte Dr. Theodor Heuss (S. 110) in seinem Buche „Hitlers Weg“ (9 Auflagen): Es ist unsicher, wer sich mehr beleidigt fühlt, der Sozialdemokrat oder der Nationalsozialist, wenn man und Adolf Hitler ne- beneinander nennt. Es ist also verständlich, dass eine Geistesgeschichte des Dritten Reiches nicht an dem jüdischen Politiker Lassalle vorübergehen kann, der mit dem wahr- scheinlich ebenfalls aus einem jüdischen Zweig entsprossenen Hitler etliche Be-rührunspunkte gemeinsam hat, wie z.B. Führerprinzip, Führerkult und Führer-allüren, den Staatskult - der sich bei Lassalle bis zu dem Ausruf „Der Staat ist Gott“ hinreissen lässt - , die religiösen Bezüge beider Bewegungen, die Allianz mit den Vertretern des extremsten Konservatismus, die Gegnerschaft zum Libe-ralismus. Ferdinand Lassalle, eigentlich Feist Lassal, wurde 1825 als Sohn eines Seidenhändlers in Breslau geboren. Frühzeitig entwickelte sich der ehr-geizige und egoistische Burschenschafter, der sehr unter seinem Judentum litt zum Hegelianer und Nationalisten. In einem Gespräch sagte er einmal: „Es gibt vorzüglich zwei Klassen von Menschen, die ich nicht leiden kann: die Literaten und die Juden - und leider gehöre ich zu beiden.“ Einen Gegner wie den Lite-raturhistoriker Julian Schmidt beschimpft er als Juden, der „unser Publikum un-merklich judaisieren“ wolle. Einer Freundin bot er an, zum Christentum über-zutreten, falls ihre Eltern es verlangten, denn „Ich liebe die Juden gar nicht, ich hasse sie sogar ganz allgemein.“ Durch den Verkehr mit Karl Marx wurde er allerdings auch zum Sozialisten, der für die Unterdrückten focht. Als Doktor der Jurisprudenz und Rechtsanwalt organisierte er die Scheidung der zwanzig Jahre älteren Gräfin Hatzfeld und lebte lange Jahre mit ihr zusammen. Einer neuen Freundin, der bayerischen Diplomatentochter Helene von Dönnings zu-liebe, bekehrt er sich zum Katholizismus und will damit „den Juden ab-schütteln“. 1864 wird er von dem Verlobten, einem Rumänen, im Duell er-schossen. Damit fand eine Aufsehen erregende politische Laufbahn ein früh-zeitiges Ende, noch bevor ihre eigentliche Richtung sichtbar wurde. In seinem Trauerspiel „Frantz von Sickingen“ (1859) gibt sich Lassalle bereits deutsch-national und als ein begeisterter Verfechter des deutschen Einheitsstaates - wo-bei er diese Rolle der Einigung Preussen zudiktierte. Auch in weiteren Schriften tauchen diese Gedanken und Forderungen immer wieder auf, zuletzt in seiner Rede über „Die Philosophie Fichtes“ (1862) und stellen die Frage der Freiheit hinter die Frage der deutschen Einheit - sehr wohl wissend, dass die Freiheit auf die Dauer ohne die Einheit nicht gewährt werden

112 / 130 kann. Als Sozialist vertrat er einen Staatssozialismus mit vom Staate geschaffenen Produktionsgenossen-schaften, was zum Bruch mit Karl Marx führte. Am 23. 05. 1863 gründete Las-salle den Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Verein (ADAV), dessen 4.000 Mit-glieder er als Präsident auf Lebenszeit führte. Seine Gruppe hat sich aber nie zu einer wirklichen politischen Macht entwickelt und schloss sich 1857 mit der Richtung Bebel- Liebknecht zur deutschen Sozialdemokratie zusammen. Als nationaler Sozialist erstrebte Lassalle ein grosses, freies Deutschland mit einer starken, freien deutschen Arbeiterschaft, deren geistige Befreiung ihm mehr am Herzen lag als die materielle Befreiung - zu welcher sich ja auch das kommunistische Manifest bekannte.“ Nie wurde davon etwas eingelöst. Nie! Im Gegenteil, man hat die Arbeiter an den Staat und dessen WillkürRegime, wo es um Krieg und die Blutwurst gegan- gen ist, an Wilhelm und die Militärs verraten. Und damit es nicht die Sozial- demokraten waren, welche diese verruchte Tat begangen haben, muss Dühring, der Erzfeind der Sozen, dafür herhalten. Das ist das Verbrechen, das man von heute aus nachträglich noch an Dühring begeht. „Er wollte der Arbeiterschaft durch das allgemeine Wahlrecht die politische Vorherrschaft sichern - auf deren Woge er dann natürlich an die Spitze des Sta- ates getragen würde, um die „Dynastie Lassalle“ zu gründen, von der er träum- te. Dann sei der Staat so umzuwandeln, dass er der ihm von Fichte und Hegel zugedachten Mission kultureller Art gerecht werde und dem Entwicklungspro- zess der Menschheit zum Fortschritt hin als führende Macht diene. Vorbeding- ung dieser Politik sei selbstverständlich eine starke Regierung - wiederum eben seine eigene. Da sich derartige Wünsche nicht praktizieren liessen, wollte der Präsident des ADAV die Arbeiterbewegung als „Partei des Königtums gegen die Bourgeoisie“ führen und eine „soziale Monarchie“ unter dem König von Preus- sen errichten, in der statt der kapitalistischen Industrie die sozialistischen Genossenschaften bestimmen. Zu diesem Zwecke knüpfte er über den Verbind- ungsmann Lothar Bucher Fäden zum Ministerpräsidenten von Bismarck, mit dem er sogar persönlichen Kontakt pflegte. Mit dem er sich zwar wahlverwandt fühlte, der ihn aber als „ehrgeizig im grossen Stil durchschaute ...“ Wie die Sozialdemokraten noch heute dieselben staatserhaltenden Ehrgeizler von ehedem sind. Sie sind eben nicht für die Arbeiter; sie sind für den Staat; sie waren immer für den Staat und wer ihre Geschichte studiert wird zu keinem an- dern Ergebnis gelangen. „ … Diese Handlungsweise galt in den Augen der klassebewussten Proletarier als Verrat an der Arbeiterbewegung, die sich damals noch besonders doktrinär und internationalistisch gab. Der frühe Todt des grossen Sozialisten hat leider manch gute Ansätze verkümmern lassen. Sein Gedanke, dass die Arbeiter ihre Rechte friedlich und nicht mit Kampf durchsetzen sollten, hat sich bewährt. Es gäbe ohne ihn vielleicht keine deutsche soziale Politik.“

113 / 130 Auf letzteres bezogen, sieht ganz danach aus, als sei Bronder ein Anhänger Las- salles, oder doch wenigstens ein Anhänger von dessen politischen Intensionen gewesen.

Sonntag, d. 27. Januar 2019 ______Dühring und die Reinwäscher.______

„Unser Standpunkt ist demgemäss auch dem Staat gegenüber der kritische. Wir verurtheilen nicht vollständig und wir billigen nicht völlig, vielmehr sondern und sichten wir. Wir nehmen die Dinge und Verhältnisse wie sie sind, mit ihrer thatsächlichen Schlechtigkeit wie mit ihren guten Beschaffenheiten, mit ihrem angehäuften Unrecht wie mit ihrem bereits gesicherten stichhaltigen Recht.“ Dühring Hinzukommen eines Dritten und Erweiterung des Schema zu einer Vielheit. Keime zusogenannter Obrigkeiten. Grundsätzliche Zurückführung auf das je- desmal Gerechte. Das Verbrechen der Erzeuger von Zwangspolitischem als nothwendigem Übel. „Kehren wir zur gleichsam sachlogischen Entwicklung des einfachen Grund- schema zurück, und forschen wir nach, wie eine Zwangsherrschaft, welche so- genannter Obrigkeit gleicht, als ursprünglich entstanden gedacht werden möge. Wenn A den B beherrscht, weil er mächtiger ist, sei es auf gerechte Weise oder aber zur Nothwehr, so liegt die Sache noch ganz einfach. Es ist alsdann A gleichsam die Obrigkeit für B, entweder eine räuberische und ungerechterweise eine freiheitswürgende oder aber eine gerechte, wenn nämlich nur die Räuberei, die fortdauernde Raubtendenz oder ein sonstiges gewaltsames Unrecht des B nieder und in Schranken gehalten wird.“ Bei uns ist die Obrigkeit beides in einem dadurch, dass sie durch angebliches Verhüten der Verbrechen und um der sozialen Ungerechtigkeiten zu steuern ihre permanent im Raum stehende Raubtendenz, welche vom Militär ausgeht, ver- hüllt. Die im Übrigen „freiheitswürgenden Tendenzen“ kann man quer durch das Berliner Bundeshaus und seiner ParteiCouleurs ziehen. Die früheren Ver- brechen des deutschen GewaltStaates sind die Ursache für die neue Unfreiheit. Der Staat bleibt in sich der nämliche, selbst wenn ihm eine demokratische Form übergestülpt wurde. Die Tendenz ist eben die Knechtung durch den Staat. Und damit die Sozialdemokratie leben kann, ist Dühring und der Antisemitismus ei- nes seiner prominentesten Opfer! - „Nun denke man sich aber noch einen Dritten hinzu. Dieser kann an dem Streit oder Kampf der beiden Andern zunächst unbetheiligt sein und vermöge seiner unmittelbaren Uninteressiertheit über Recht und Unrecht des Falles möglicher- weise ein weniger befangenes Urtheil haben. Nehmen wir an, er treffe das Rich- tige und finde sich demgemäss indirect betheiligt, weil er das Unrecht, welches vielleicht gerade auf Seiten des Stärkeren ist, nicht trimphieren lassen will, so

114 / 130 wird seine thatkräftige Dazwischenkunft die Sachlage wenden können. Zwei werden wahrscheinlich zusammen den einen Stärkeren Aufwiegen, wo nicht be- meistern. Mindestens ist es denkbar, dass sich das Recht durchsetze und dem Verletzer die Freiheit zum Verbrechen in diesem Falle, zur Vorsicht aber auch künftig entwunden werde. Da haben wir dann wieder ein Stück Unfreiheit und ein Stück Zwangsherrschaft der beiden Vereinigten über den Einen, aber nicht zu vergessen eine Freiheitsbeschränkung zu Gunsten der Gerechtigkeit, nämlich der anderseitigen Freiheit, die sonst nicht unverletzt würde fortbestehen können. Die ganze Gestaltung hätte selbstverständlich auch im Sinne des Unrechts aus- fallen können, wenn der Dritte die Partei des Verbrechens ergriffen, die Stärke noch verstärkt oder sie Schwäche, auf deren Seite wir uns den Verletzungsver- such ja auch denken können, durch seinen Hinzutritt in Obmacht verwandelt hätte. Es lohnt sich jedoch nicht, die Möglichkeiten durchzugehen; vielmehr kommt es darauf an, den Einfluss einer Vielheit zu veranschlagen. Ein Vierter oder Fünfter thun noch nichts Sonderliches zur Sache oder zu deren Verände- rung. Ist aber eine grössere Zahl vorhanden, so ist für den einzelnen Streitfall nicht bloss auf mehr Unbefangenheit, sondern auch auf überlegen Macht zu rechnen. Der übereinstimmende Wille Vieler kann zwar auch verbrecherisch sein und demgemäss dem Unrecht beispringen, um einen gehassten Einzelnen, der hervorragt, in Bande zu schnüren oder gar zu erdrosseln ...“ Natürlich nutzt man im Berliner Bundeshaus die politischen Mehrheiten, um Einzelne oder auch Gruppierungen, oder sogar das Volk qua Verfassung, - hier ist der Artikel 1 zudringlich, - zu entmündigen, um uns den stets emsigen Sta- atsstempel der HitlerVerbrechen aufzunötigen. Das Staatsgestell ist in dieser Hinsicht ein idealer Topos und für Entmündigungen nach Art und Facon des ge- christeten Hebräertums wie gemacht. „Allein im Allgemeinen und in den gemeinen durchschnittlichen Angelegen- heiten des Lebens wird wenigstens eine unbetheiligte Masse, die im besondern Falle nicht selber Partei ist, schon um ihrer eignen Interessen und um ihres eig- nen Schutzes willen das ordinär Richtige und Rechte einigermassen treffen und, wenn sie kann, auch effektiv zu vertreten gesonnen sein. Mit der Einsicht in das Gerechte mag es dabei immerhin roh und mangelhaft bestellt sein; die gröbern Abweichungen werden aber auch dem groben Sinn nicht entgehen, und man wird auf diese Weise eine Gemeinschaft der Einsicht und des Strebens erhalten, die sich dem Einzelnen in verbindlicher Weise aufnöthigt. Damit wird eine vol- le Freiheit, nämlich die zum Guten und Schlechten, zum Rechten und zum Verbrecherischen, freilich beschränkt, aber der vorwaltenden Tendenz nach doch nur in denjenigen Bestandtheilen, die von der Rechtsmeinung der Vielheit abweichen. Dies wird durchschnittlich und im Groben kein Unglück sein; denn unter übrigens gleichen Umständen hat die Vielheit die Chance des Richtigen vor demjenigen voraus, der als Einzelner den in ihr enthaltenden Einzelnen un-

115 / 130 gefähr gleich ist.“ Aus diesem Grund, glauben wir nicht an die uns aufgenötigte Verbindlichkeit, denn die kann ebenso verbindlich, als falsch sein. Was formal richtig erscheint, muss in der Wirklichkeit noch lange nicht richtig sein. „Eine Herrschaft der Vielheit ist im vorausgesetzten Falle dadurch vorhanden, dass sich das ordinäre Recht gegen den Einzelnen nicht anders durchsetzt als durch Gewalt oder mindestens Gewaltandrohung. Man sieht hieran mit jener Deutlichkeit, die wir nicht mathematisch, wohl aber mathetisch nennen, dass die eigentliche Ursache des Zwanges das Verbrechen ist. Die Initiative, die zum Zwangsstaat führt, ist, das kann man nicht oft genug hervorheben und wieder- holen, eine ursprünglich gewaltthätige Abweichnung vom natürlichen Recht. Hierbei ist der Zwangsstaat sogar in seiner bessern Function gedacht und nicht etwa derjenige Bestandtheil desselben ins Auge gefasst, der selber als Verbre- chen, wenn auch nicht immer als fortgesetztes, sondern meist als geschichtlich verjährtes Verbrechen betrachtet werden muss ...“

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Uns geht es zuvörderst und in erster Linie darum, aufzuzeigen, dass der Jurist Eugen Dühring auch der Inaugurator der negativen Dialektik in Deutschland gewesen ist.

„Was im Sinne der Gerechtigkeit geschieht, von wem es auch ausgehe, ist stets gut und nur nothgedrungen auf Bethätigung des Zwanges und insofern auch auf Herrschaft gerichtet. Wo Unrecht geschieht und Vergewaltigung geübt wird, ist streng genommen jeder Dritte ebenfalls, wenn auch nur indirect betheiligt. Springt er nicht jenem Theil bei, auf dessen Seite das Recht ist, bleibt er also neutral, so wird er für den Fall der Niedertretung der gerechten Sache die üblen Wirkungen bald auch gegen sich erproben; denn nichts als seine eigne Stärke sichert ihn davor, dass sich das triumphierende Unrecht auch nächstens über- müthig gegen ihn kehre. Allein auch abgesehen von dieser Selbstsicherung sollte schon das Mitgefühl oder, bestimmter gesagt, das Mitressentiment, also der Mitzorn und die Mitrache, zumal wenn diese sich zugleich klarer Einsicht bewusst ist dazu führen, nicht bloss die Gemeinsamkeit der Gefahr, sondern auch das verbindende der Pflicht nicht zu verkennen. Dieses Band ist freilich an Voraussetzungen gebunden. Ist der ungerecht Benachteiligte vielleicht selber ein Solcher, der sich für den Anderen nicht rühren würde, so hat Beistand sich- erlich nichts von pflichtartiger Verbindlichkeit an sich, sondern mag, wenn er überhaupt geleistet wird, lediglich die Rechnung mit der eignen Gefahr oder der abstracten, aber unverbindlichen Rücksicht auf allgemeine und grundsätzliche Niederhaltung oder Verhinderung des Unrechts entspringen. Auch können wir hier noch keinen Werth auf Pflichtverhältnisse legen, die eigentlich erst aus vol- ler Gegenseitigkeit, aus besonderm Einverständnis, zugehöriger Gesinnung und

116 / 130 wechselseitiger Beistandsbereitschaft ihre Nahrung ziehen. Wir wollen in un- sern Schematen von diesen Positivitäten vor der Hand noch keinen Gebrauch machen, um zu zeigen, was sich allein und ausschliesslich aus diesen NEGA- TIVITÄTEN, also aus der blossen Mitabwehr des Unrechts ergibt, mag diese Mitabwehr einen Grund haben welchen sie wolle. Auf die angezeigte Weise kann eine Vielheit in Gerechtigkeit verbunden sein und darf sich im Namen des Rechts als dem Unrecht des Einzelnen geistig und materiell als überlegen bethätigen. Die unerlässliche Voraussetzung bleibt aber hiebei, dass durch die Vielheitsmeinung auch wirklich das Gerechte vertreten werde. Andernfalls ist der Einzelne oder die Minderheit im Recht, die Vielheit und Mehrheit aber die ungerechte Gewaltüberin.“

Montag, d. 28. Januar 2019 Dühring. Antifa - „Anarchelei und, um den selbsteignen Hohn des Worts voll zu machen, Anar- chokratie oder auch wohl Anarchojudäokratie kommen auf eines hinaus, näm- lich auf chaotisch willkürliche und wüste Herrschaftsausgriffe, entblösst von al- ler unterscheidenden und abwägenden Gerechtigkeit und reducirt gleichsam auf Eiterausbrüche, die im günstigsten Fall als eine Art politischer Gelegenheitsaus- lösungen betrachtet werden mögen. Diese sind aber das illustrirende Pendant zur regiererischen Ohnmacht des gewöhnlichen Schlages, die sich immer mehr offenbaren musste, je mehr die moralischen und sonst geistigen Bindemittel zersetzt und auch noch durch die regiererischen selber verdorben, unterhölt und compromittirt wurde.“ Wirklichkeitsphilosophie 462-63. „Unser antikratisches Princip ist himmelweit von dem Wesen oder vielmehr Unwesen der Anarchelei verschieden. Es verurtheilt die ungerechte Gewaltüb- ung, also kurzweg jegliche ursprüngliche Gewalt oder spätere Gewaltinitiative, die nicht auf natürlicher Gerechtigkeit fusst. Es schliesst demgemäss nichts wei-ter ein, als den letztgründlich durchgeführten Gedanken, dass Macht oder Ge-walt an sich nie Recht sei, vielmehr deren Bethätigung, wo sie in einem gewis-sen Sinne grundlos, nämlich nur egoistisch aus Raubgier, Übermuth, Herrsch-sucht u. dgl. erfolgt, grade die originäre und primitive Ungerechtigkeit darstelle. Die etymologische Bedeutung der griechischen Wörter ist in der Bezeichnungs-art ebenfalls gewahrt; denn das Archische kann ebenfalls als das Principielle und principiengemäss Leitende verstanden werden, während das Kratische und jede Kratie zunächst nur die nackte Macht- und Gewaltthatsache schon dem Wortsinne nach anzeigt. Jedoch soll damit nicht gesagt sein, dass überall sozu-sagen ein Archenthum auch dem gemeinen politischen Sprachgebrauch nach vom Kratenthum sonderlich unterschieden sein müsse. Wohl aber ist in unserm Sinne die ANTIKRATIE stets die Verneinung des politischen Unrechts, wieweit sich dieses auch in die Privatverhältnisse

117 / 130 hineinerstrecken möge. Dagegen ist die ANARCHIE sowohl dem Wortsinn als der Wirklichkeit nach, sowie in der zugehörigen erst recht arg irreführenden Parteibezeichnung, die Verneinung jedes ordnenden Princips und zwar vorzugsweise jeder ernstver- standenen Gerechtigkeit, und zwar nicht bloss einer organisirten und zu organi- sirenden, sondern schon jener urwüchsig fundamentalen Gerechtigkeitsbethätig-ung, wie sie sich bereits zwischen zwei Personen als nothwendig erweisen lässt. Die nackte Mechanik der Gewalt, künstlich als ein Durcheinandertreiben ver-einzelter und sich gegenseitig verletzender Personenkräfte gedacht - das ist, wenn man die beschönigende Maske wegzieht, das Angesicht des sogenannten Anarchismus in der unverhüllten Thatsächlichkeit seiner ideellen Grimassen und seiner praktischen Velleitäten. Mag hin und wieder ganz ausnahmsweise et-was Bessermenschliches in irgendeiner der vielen verkehrten und verfehlten Thatsachen auch einmal mit allenfalls zutreffend zu nennender Schlagkraft durchblitzen, oder mögen überhaupt Fälle einer minimen Dosis von edlerem, wenn auch wildem und wüsten Fanatismus gelegentlich den vorwaltenden Qui-etismus einer verknechteten Welt beschämen, so können solche exceptionell charakterisirte Stösse oder Entladungen doch nicht mit der ganzen chronischen Geschwürbehaftung und tiefen Demoralisation der in jener Weise agirenden Po- litikasterei aussöhnen. Specielleres hierüber gehört in ein ausführlicheres poli- tisches Werk; abgesehen hievon findet man aber auch am Schluss meines Werks über Literaturgrössen in der dort gegebenen allgemeinen Zustandsschilderung auch einige Lineamente zur ideellen und historischen Entstehung, sowie zur gegenwärtigen Physionomie des Anarchismus und der Anarcheleien. Man wird hienach wohl bemessen, wie wichtig unsre sarkastische Bezeichnung jenes poli- tischen Chaotismus als Anarchokratie zutreffe, und wie die ungerechte Verge- waltigung ihr Reich nicht bloss in dieser oder jener Schicht der Gesellschaft aufgeschlagen habe, sondern in allen Höhen- und Tieflagen, bei allen traditio- nellen Parteien und mehr oder minder auch in allen sonstigen Demoralisations- fugen oder Unterhöhlungen der politischen Daseinsformen theils reactionär, theils mit revolutionärer Attitüte ihr Unwesen treibe.“ Noch Fragen?

Montag, d. 28. Januar 2019 Der Wolf im SchafsPelz (, mach mich nicht nass ...) ist und bleibt das ancien regime. Über den Dreissigjährigen Krieg, den Staats- absolutismus, ob aufgeklärt oder nicht, die Revolution von 1789 und die Na- poleonischen Kriege, ist es auf uns gekommen. Es ist nicht weg. Es war nie weg. Es hat uns stets begleitet, sich im 19. Jahrhundert unter die Nationen ge- mischt und ist wieder so populär als präsent, wie in alten Tagen. Dühring: „Eine Gewaltorganisation, die nicht dem Rechte dient, ist für alle

118 / 130 schädlich Betroffenen das Unleidlichste in der Welt.“ Wirklichkeitsphilosophie 464-65 „Nicht zu verwechseln mit der west- oder auch mitteleuropäischen sowie nord- amerikanischen Anarchelei ist der russische Nihilismus, der auf seinem Boden von den Überlieferungen der dortigen Geschichte fast so gut wie nichts wissen oder beibehalten will. Hat man das Wort auch ungehöriger Weise für ein genüg- sames blosses Constitutionscandidatenthum von bisweilen blassester Farbe ge- braucht, ja für diese zugleich judäisch gefärbte Velleität zuerst literarisch ange- wendet, so hat es doch praktisch eine Sache von ernstzunehmendem Charakter nur da angezeigt, wo es das dunkelste Roth eines verhältnismässig volksfri- schen Socialradicalismus vertrat oder sich in greifbaren Thaten von unverkenn- barer und eigentlich politischer Energie verständlichmachte. Eine Gegenwehr gegen gewissermaassen justizlose Autokratie, auf deren Wink die Menschen im büreaukratischen Wege nach Wüsten oder Eisregionen hin verschwinden, ist mit einem andern Maasse zu messen und mit andern Mitteln zu betreiben, als der politische Freiheitskampf gegenüber halbwegs mit Sicherheitsventilen aus- gestatteten Staatsmaschinen von weniger asiatischer Construction. In der That ist das, was allenfalls als ein Pröbchen von wirklichem politischen Enthusias- mus in unsern blasirten Zeiten gelten mochte, fast nur noch auf russischem Bo- den gelegentlich emporgeblitzt. Überall sonst war der vorwaltende Zug der ei- ner kahlen Öde des Geistes und der Thatkraft, die paar halbrevolutionären Fi- eberschütteleien, einschliesslich der communardlichen von 1871, im Wesent- lichen nicht ausgenommen. An das Wichtigste, die Reconstruction hat man überhaupt nirgend gedacht, geschweige dass man eigentlich veranschlagt und berechnet hätte, was werden könnte oder sollte. Leidenschaftsausbrüche sowie allenfalls auch einsichtig rächende Gerechtigkeitsthaten sind aber auch da mög- lich, wo es an klaren Verstandesvorstellungen von den zu erzielenden Veränder- ungen oder von den bestimmten Mitteln und Wegen dahin noch fehlt. Glücklicherweise ist der specifische russische Nihilismus von eigentlicher An- archelei fas nur ausserhalb des russischen Bodens inficirt worden. Er ist auf die- se Weise von der verworrenen Dialektik und frivolen Spiegelfechterei mit Ge- gensätzlichkeiten nur ausnahmsweise afficirt worden und im autochthonen Kerne von den Thorheiten einer verkommenen politischen oder vielmehr in Un- politik auslaufenden Scheinlogik ziemlich verschont geblieben. Aus diesem Grunde mag er sich zurechnungfähig gestalten können, sobald er die angestam- mten Beimischungen von slavischen Zerfahrenheits- und Zerstörungsneigungen in sich überwindet und die in demselben Sinne hinderlichen Elemente der Volksbeschaffenheit mit dem Geiste gerechter Zusammenfassung und Ordnung zu durchpulsen lernt. Entgegengesetztenfalls wird aber auch er nur unter der Rubrik der Auflösungserscheinungen ein Stückchen vorübergehender und ziem- lich folgenloser Geschichte vorstellen und ähnlich der Anarchokratie das Schicksal unzureichend bedachter und nicht nachhaltig fortsetzbarer Gelegen-

119 / 130 heitsausgriffe theilen müssen; denn politische Planlosigkeit, sei es im theoreti- schen Entwurf, sei es in der unmittelbaren und nächsten Ausführung, ist im Be- reich allgemeinen Menschlebens das grösste der Übel. Der Compass aber, auf den wir, und zwar mit letztgründlicher Eindringlichkeit auf alles Politische, zum erstenmal hinweisen, ist jene fundamentale Gerechtig- keit, die theils vor allen besonderen Ordnungen als treibender Keim existirt; theils aber auch erst mit der Entwicklung des Verstandes in vollbewusster, ja schliesslich wissenssystematischer Weise gleichsam zu theoretischer Selbster- kenntnis und demgemäss auch endlich zu praktischer Thätigkeit gelangt. Für diesen Compass ist das im engern Sinne Antikratische nur eine negative Vor- läufigkeit und Nebensache, in Vergleichung mit der das positive, nämlich per- sonalistische Princip als das eigentlich entscheidende Mittel zur Kennzeich- nung des wahren Wegs gelten muss. Der Gegensatz zur Besitzmacht und zur bloss brutalen Übergewalt ist im Princip der Personalität für die Gestaltung aller Verhältnisse maassgebend. Das personalistische Zusammenwirken, verbunden mit der gebührenden Subalternisirung blosser Macht- und Gewaltmittel, mögen diese auf directer Waffenkraft oder auf indirectem Besitzeinfluss beruhen, ist die herbeizuschaffende Grundform eines vervollkommneten politischen Da- seins. Wie aber die Ermöglichung dieser Hauptform ohne den Ausgang von ein- em soliden Wissen nicht denkbar sei, wird sich durch die nächstfolgenden Aus- führungen hoffentlich vollständig erweisen lassen.“ 466

Mittwoch, d. 30. Januar 2019 ______Die Beendigung der Kopfstellung in Recht______und Ordnung durch die Theologie und deren Eideshelfer in der Politik.

Vertrauen in das Geistesreformatorische und in die Weltordnung. Chancen der Gedankenmacht. Wirklichkeitsphilosophie 486-87 „Das Hauptwissen, auf das es in erster Linie für alles Zusammenwirken ankom- mt, ist das hienach von der Gerechtigkeit, der moralischen sowohl als von der juristischen. Zu beidem haben wir ein denkerisches Fundament zu legen ver- sucht und auch einige Gesichtspunkte zur weitern Bauauführung aufgegeben. Die weltgeschichtlichen Überlieferungen in dieser Beziehung sind leider nur zu dürftig. Für das juristische Recht sind sie noch etwas besser als für die blosse Gewissensmoral; denn ein Stückchen römischer Theorie für gemeine Angele- genheiten, nämlich ein Theil des Privatrechts, namentlich sogenanntes Obliga- tionsrecht, beispielweise also für Kauf, Miethe und Darlehn, ist zwar nur in byzantinischer Excerpirung auf die neuern Jahrhunderte gelangt, trotzdem aber wenigstens noch für die formelle Schulung der juristischen Schlussweise von einigem Werth gewesen. Nur muss man sich völlig von dieser Autorität emanci- piren, die frühere Krücke gedankenlahmer Völker und sozusagen die bisherige

120 / 130 verfeinerte Nachhülfe germanischer und anderweitiger Völkerunbeholfenheit wegthun und ein selbständiges modernes Denken zum Hebel aller weiteren Aufrichtung machen. Nur auf diese Weise kann letztgründliches solides Rechts- wissen aus unmittelbaren Thatsachen und lebendig gegenwärtigen Gedanken gleichsam mathetisch construirt und zum Fussgestell eines personalistisch soci- alen Aufbaues gemacht werden. Auf unmittelbare Initiative der Masse darf man hiebei nicht zählen; denn in ihr ist der Mangel an Rechtssinn grade bei übrigens und von oben her verdorbenen Zuständen oft genug noch weit grösser als in andern Schichten. Zur Verkeh- rung, die alles durchdringt, kommt nämlich im vorausgesetzten Falle noch min- destens ein grösseres Maass von Rohheit, überdies aber auch noch eine ansehn- liche Portion Niedertracht, gesteigert durch die Bosheit von Demagogen der verschiedensten Parteien. Während der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wur- de jene schlechte Gesinnung aber noch besonders aufgeweckt und förmlich ge- züchtet seitens demagogistelnder Judäerfalschheit und der zugehörigen, denn ohnedies vorhandenen Classenhass noch extra schürenden und vergiftenden Truglehren. Diese grundsätzliche Veruneinigung aller Gesellschaftselemente wurde in beiden Lagern, in demjenigen der Arbeiterdemagogie communisteln- den Schlages einerseits und andererseite in analoger Wahlverwandtschaft in demjenigen der Neufeudalen (preussische Conservative) und der zugehörigen Pseudovolksführung auf eine einander gewissermaassen entsprechenden Weise betrieben und bei sich so nennenden Revolutionären wie bei den eigentlichen Reactionsvertretern theils geradezu und geflissentlich, theils aber auch unbeab- sichtigt auf Umwegen arg gefördert.“

Freitag, d. 01. Februar 2019 Die selbstgeschaffene Migration, anhand eines Leserbriefschreibers in der NZZ dokumentiert. Der Mann ein hel- ler Kopf. Er sagt, was ich die ganze Zeit von meiner Warte über dachte. Denn für jemanden, der sich nichts vormacht, konnte dies gar nicht anders sein. Titel: - Paradoxien des Migrationsproblems. Der Zufall wollte es, dass am gleichen Tag die NZZ (17.01.19.) in einem grös- seren Beitrag von Thomas Fuster darauf hinweist, dass die Entwicklungshilfe die Migration nicht stoppe, sondern sie eher beflügelt, und in der Weltwoche Beat Gygi vorrechnet, dass die Einwanderung für unser Land keineswegs - wie oft behauptet - ökonomisch vorteilhaft sei. Die Schweiz legt nun noch oben- drauf. Die Entwicklungshilfe kann das Problem nicht lösen, da der Zuwachs von Geld in den Entwicklungsländern die Auswanderung befeuert: Nur die relativ Bessergestellten haben das Geld für die Reisekosten und die Schlepper. Kanzlerin Merkel irrt, wenn sie glaubt, dass Europa eine Einwanderungsregion ist. Es wäre interessant zu wissen, wie die linken Vorkämpfer für eine Willkom- menskultur sich angesichts der Tatsache fühlen, dass die durch Entwicklungs-

121 / 130 hilfe privilegierten Leute eine Chance haben, ihr Land zu verlassen, nicht aber die immense Mehrheit der rasch anwachsenden und weiter verarmenden Bevöl- kerungen dieser Länder. Die Ungerechtigkeit der Auslese ist spektakulär und empörend. Statt Hilfsgelder nach Afrika zu schicken, die für die Migration eingesetzt werden können, sollte man alles daransetzen, die Bevölkerungsex- plosionen in diesen Ländern zu stoppen.“ - A. H., Zollikon. Ergänzend wären noch die KolonialKriege zu nennen, die mit den Bevölke- rungsexplosionen im Norden wie im Süden der Erdhalbkugel einhergehen. Da- von spricht freilich niemand! - alles ist Frieden, Freude, Eierkuchen, Steuer- Rechnungen und Abgaben für die Bürger.

Samstag, d. 02. Februar 2019 Der Hintergrund jeder Autoritätlerei ist das ancien regime: die Gottheit will ver- götzt sein. Dühring. Richtiger Mittelpunkt des Daseins gegenüber zwei Arten des Jenseits- und Zukunftswahns. Wirklichkeitsphilosophie 503-04 „Handelt es sich um irgendeinen grossen Irrthum oder grossen Missgriff der Menschheit, so kann man mit Recht sagen, dass Alles zwischen diesem Irrthum und seiner Berichtigung, zwischen diesem Missgriff und seiner Abstellung, eine einzige werthlose Lücke, eine einzige dunkle oder vertrakte Phase sei, und wenn sie Jahrtausende gewährt hätte. Als Aristarch die Bewegung der Erde um die Sonne erkannte, wurde in seinem Kopfe Licht, während die Menschheit von jeher in dieser Beziehung in einem unwillkürlichen und zunächst unvermeid- lichen Wahn dahingelebt hatte und von da ab noch nahezu weitere zwei Jahr- tausende hinleben sollte, ehe eine Wiedererinnerung an den verkannten und un- terdrückten Aristarchischen Satz und eine Wiederauffrischung desselben sich nur einigermaassen durchsetzen konnte. War dieser Wahn eine bornirender the- oretischer Mangel, so ist der göttische Cultus nebst Bestattungswahn ein prak- tischer, nur erst wenig überwundener Missgriff der Menschheit gewesen. Seine Abstellung kann sich erst vollständig durchsetzen, sobald jeder Gespenster- wahn und jede Einbildung von gleichsam zauberhaften Wirkungen durch reine und unbefangene Wirklichkeitsanschauung ersetzt sein wird. Wenn man nun aber auch Alles als verkehrt verurtheilt, was die Menschen in Irrthum und Miss- griff, veranlasst durch Selbsttäuschung oder fremden Betrug, in den erwähnten Beziehungen vorgestellt oder ausgeübt haben, so ist trotzdem nicht zu sagen, es hätte deswegen das menschliche Leben in jenen Zuständen im Ganzen keinen Werth gehabt. Sein Werth war eben nur in gewissen Richtungen beeinträchtigt und konnte demgemäss später durch aufklärendes Licht und zurechtrückende Thaten gesteigert werden. Ähnlich verhält es sich mit allen Arten von Mängeln und Gebrechen des Daseins; trotz ihrer hat in jedem Zeitalter und an jedem Orte der Zustand durchschnittlich einen positiven Lebenswerth, so dass verzweifle- risch geartete Fälle und Phasen, vergleichbar den quälendsten, unheilbaren und

122 / 130 fast nicht zu mildernden Krankheiten, die seltensten Ausnahmen bilden werden. Man hat daher jeden Zustand an sich selbst und ebenso die ganze überschaubare Reihe der Zustände auf ihren Wirklichkeitsgehalt zu prüfen und dabei zu beden- ken, dass auch die falschesten und verkehrtesten Einbildungen einen Bestand- theil der Gedankenwirklichkeit, wenn auch nicht der gegenständlichen Wahr- heit, ausmachen. Es entspricht ihnen Etwas in Empfindung und Gefühl, was in jeder Erdichtung und in jedem Traume dasselbe bleibt und den Menschen in derselben Art und Weise gemüthshaft bewegt, als wenn es, statt mit der Vor- stellung von etwas Falschem, mit der von etwas gegenständlich Richtigem ver- bunden wäre. Hoffen und Fürchten sind an sich das, was dabei gefühlt wird, ganz unabhängig davon, ob Hoffnung und Furcht sachlich und wahr begründet sein mögen oder nicht. Auf die Vorstellung kommt es dabei an, nicht auf deren Wahrheit. Ein ganzer Schicksalsring von Freuden und Pein kann sich schliessen und abschliessen, ohne dass die dazu gesellten Vorstellungen auch nur ein Körnchen gegenständlicher Wahrheit enthielten. Aus diesem Gesichtspunkt will auch die Verrückung des Zielpunktes menschlicher Bestrebungen in ein Jenseits betrachtet sein. Sie ist eine schwere Verirrung und theilweise ein arger Betrug. Sie desorientiert das Leben, foppt nicht bloss die davon jeweilig betroffenen Geschlechter, sondern rächt sich gleichsam auch an den späteren Generationen, wenn diese aus dem Wahn herauszutreten anfangen und nun den Widerspruch zwischen ihrer alten Lebenseinrichtung und dem wahnbefreiten Denken und Streben zu empfinden bekommen. Der alte Jenseitswahn, der über alle Welt hinausstrebte, und der neue Jenseitswahn, der auf der Erde bleibt und nur einen Zukunftszustand zum Idol hat, sind zwar sehr verschieden geartet, stimmen aber darin überein, dass sie den wahren Schwerpunkt des Daseins mit einem falsch gemalten oder unrichtig bestimmten vertauschen.“ Dühring sagte: Jud und Junker. Wir fügen an: Lehen und Leben.

Sonntag, d. 03. Februar 2019 Der Dühringianer und sonstige -Ianer. Wie sagte Henrik M. Broder während seines Redebeitrags vor der Bundestags- fraktion der Alternative: der Antisemitismus ist ein europäisches Problem. Wäre der Antisemitismus ein europäisches Problem, wie Broder vermeint, dann wäre er sicherlich ein Problem des Christentums, und das ist er insofern auch. Der Antisemitismus ist aber schon aus dem Grund kein rein europäisches Problem, weil er in Nah- und Fernost genauso grassiert, wie wohl in den meisten isla- mischen Ländern des Erdkreises und überhaupt, wo der AllahRuf hinkommt, breitet sich Angst und Schrecken gegen die Nichtgläubigen aus. Er existierte ausserdem in der Antike. Die Überlieferungen sind da, der Kulturkreis ist nahezu gleich. Deshalb, so unsre Meinung, ist der Antisemitismus auch kein europäisches Problem an und für sich, vielmehr eines des Judentums, Christen-

123 / 130 tums, dem Islam und der aufgeklärten Menschen als dem jüngsten Mitspieler in dieser Geschichte. Der geschichtlich jüngere Mensch ist der antikratische, wel- cher den Götter- und Machtphantasien endgültig den Abschied gab. Richtig ver- standen, hätte insofern der Antisemitismus sogar etwas Heilsames an sich. Der Antisemitismus nach Dühring wäre dann ein über diese drei JudenReligionen hinausweisender völlig legaler Aspekt. Dühring. „Was den reformatorischen Trieb macht, ist in erster Linie der Sinn für Vernichtung des Missrathenen, dem sich dann erst in zweiter Linie das Streben nach dem positiven Ersatz zugesellt. Im letzten und tiefsten Grunde waltet freilich Beides gleichzeitig; aber die Dinge sind nun einmal so beschaf- fen, dass man verständigerweise nur da von Reformation reden kann, wo ein Stück geistig missrathener Welt über den Haufen geworfen und der Weg für Besseres freigemacht wird. Was man herkömmlich Revolution, ich meine im politischen Sinne, nennt, würde auch mehr sein, als es gewesen, und unter den Gesichtspunkt einiger Reformation fallen, wenn dabei das Geistige nicht eine ganz zurückgesetzte und klägliche Rolle gespielt hätte.“ Das der Punkt zwischen Dühring und den sozialrevolutionären Umsturzphan- tasien der Marxisten, bzw. der Faschisten. Erstere streben den wirtschaftlich diktatorischen Staat an, letztere den Militästaat. In Wahrheit wollen beide Kräf- te ihre Machtphantasien austoben, wozu sie den Staat benötigen. Die Hunger- revolte ist allenfalls noch ein Unbill aus der Dritten Welt. Aber auch hier ist es der Staat, bzw. sind es seine korrupten Führer, die der Länge nach versagen. Wie schon angedeutet, findet sich in der Dritten Welt die Kopie aus der Welt des Wohlstands und der militärischen Beherrschung wieder. Die Dritte Welt ist der Spiegel unsrer eignen. „Übrigens veränderten auch die Revolutionen seit einem Jahrhundert nicht allzu Viel, wenn auch die revolutionäre Phantastik zu allerlei nebelhaften Gemälden und sogar in die wirklichen Thatsachen überschwengliche Charakterzüge hin- eindeutete und hineindichtete, die nie vorhanden waren. Seit der grossen fran- zösischen Revolution sind demgemäss die Thatsachen nicht, wie manche das Wort Missdeutende meinen, über das Reformatorische hinausgegangen, sondern unterhalb desselben verblieben. Wenigstens hat sich ein reformatorisches Prin- cip für die Zustände noch nicht derartig zu finden und zu fassen vermocht, um sich aus allen Gesichtspunkten und universell mit voller Deutlichkeit und Klar- heit formuliren zu können. Nicht einmal die vorwiegende Rolle der Vernichtung für Freimachung der po- sitiven Kräfte ist überall hinreichend erkannt worden, sonst könnte man nicht immer den albernen Einwand von der einen Seite machen und von der andern gelten lassen, es ergebe sich im Geistigen nur Verneinung und im Praktischen nur Zerstörung.“ 508-509. Phantastik und Wirklichkeit. Wem die Rolle, welche das ancien regime dabei spielt, einleuchtet, dem ist der letzte Satz keine Schwierigkeit.

124 / 130 Dienstag, d. 05 Februar 2019 Beispiel des geistig Unberechtigten und heutiger Bildungsbastard. Wirklichkeitsphilosophie 509-511. „Beispielsweise ist ein Stück vom geistigen Gepräge der Gegenwart geradezu der Bastard von zwei verwerflichen Charaktertypen, die zwar äusserst ungleich- en Werth haben, jedoch darin übereinstimmen, dass der eine weniger, der ande- re mehr einer Entwicklung des Guten und Gerechten entgegenstehen. Ich meine den Bastard, den die neuern Jahrhunderte vom geistigen Griechen und geist- lichen Judäerthum erzeugt haben, und der sich, nebenbei bemerkt, auch noch in einem besondern Gewande, nämlich als sogenannte Philosophie ausstaffiert hat. Der sophistische Trug des keiner vollen Ehrlichkeit fähigen Griechenthums und der bornirt plumpe Judäerbetrug sind in jenem Stück neuern Geistestypus ver- kuppelt worden. Die Urelemente taugen hiebei nicht viel oder gar nichts, ja hatten theilweise einen Werth unter Null; kein Wunder, dass die Mischung erst recht etwas Haltungs- und Gehaltloses geworden. Die Griechen waren geborene Sophisten; einiger schlauer Trug machte ihr hauptsächliches Wesen aus, und darin sind die alten Griechen als den neuen ebenso ähnlich zu betrachten, wie die alten Hebräer denjenigen, die wir jetzt vor uns sehen. Über den hochgra- digen Schwindelcharakter der Judäer überhaupt verliere ich hier kein Wort wei- ter; das ist eine abgemachte und weltkundige Sache, nebenbei auch von Voltaire bescheinigt und in meine Schriften zur Judenfrage gründlich herausgekehrt und sozusagen an den Weltpranger gestellt. Um das Griechenthum aber hat die Classicitätsnarrheit einen theils künstlerischen, theils wissenschaftlichen Schlei- er gewoben, der erst noch reformatorisch ganz weggezogen werden muss, damit der Stammescharakter in seiner Nacktheit erscheine, unbeschönigt dirch das Bischen formeller Glorie und kleiner wissenschaftlicher Erstlingsansätze. Aus- ser an dem weltgeschichtlichen Bankerott des Griechenthums muss aber auch an dem des Römerthums eine sozusagen ins Herz treffende Kritik geübt wer- den, damit weder die wenigen juristischen Formalien, die gleichsam einige Gramm Gewicht für die Menschengeschichte haben, noch die überlieferten impratorischen Formen der Raubherrschaft die heutigen und künftigen Men- schen allzusehr berücken. Der ganze Classicitätswahn, betreffe er das Geistige oder auch bloss überlieferte Thatsächlichkeiten, muss erst verschwinden, ehe die Triebe und Eigenschaften moderner Völker sich vollständig Bahn machen können. Namentlich sind aber diese Triebe ausser Stande sich mit jenem Bastard antikisirter und judaisirter Bildung auf die Dauer zu vertragen. Bei näherer Untersuchung werden sie nämlich darin den Leichenduft sittlich ver-

125 / 130 derbter Völker gewahr, und zwar von Völkern, deren Uranlagen mit schweren Fehlern behaftet waren, die in der heutigen bessern Welt nicht mehr als mass- gebend gelten dürfen. Allerdings ist es unangenehm, die geistig wenigstens feinen und gewandten Griechen dem unsäglich tieferstehenden Judäervolk an die Seite stellen zu müssen; aber nicht wir sind an dieser ungleichen Verkuppe- lung schuld, sondern es ist der neuere Geistesmischmasch, den die Geschichte selbst angerichtet hat, indem sie die sogenannte Renaissance auf dem Boden und im Rahmen des Christischen, d.h. des geistlich Judäischen, vor sich gehen liess und so zu jenem Bildungsbastard die Veranlassung gab, der mit seinen ju- däischen Plattfüssen in den niedern Gesellschaftsclassen Posto fasste, mit sei- nem gräcisirten Kopfe aber in den höheren oder gelehrten Classen einigermaas- sen rumorte. Die frischen und zugleich bessern Völker haben bisher geistig kaum aufatmen können, und grade ihr Urtriebe sind es, denen, soweit diese in der Gegenwart noch wirklich walten, volle Freiheit zu verschaffen ist. Nicht also germanische oder gar specifisch deutsche Romantik, auch nicht russisch slavischer, mit christischem Heiligenschein und autokratischer Knechtshaftigkeit, ausstaffirter Chauvinismus, - also weder ein mit Brutalitäten untermischtes Hindämmern, noch ein mit Wüstheiten und blinder Zerstörungssucht ausgreifendes Rasen bor- nirter und umnebelter Leidenschaft, die stossweise auflodert, um dann wieder lange in knechtische Apathie zu versinken, - nicht diese Verkehrtheiten zweier grosser Volksstämme, sondern die bessern Anlagen, die eigentlichen Vorzüge, die nachdrückliche Gerechtigkeit und die schnell bereite Thatkraft, der erwä- gende Sinn und ein edles Feuer der Leidenschaft können als reformatorische Weltelemente Geltung beanspruchen. Ob Völker nach judäischer Geistesscha- blone sich gleich den Russen für die Auserwählten ausgeben und mit judäisch nachgeahmter Dreistigkeit sich in die andern hineinwälzen wollen, das thut Nichts zur eigentlichen Sache, sondern kann höchstens als ein wahlverwandt aufgenommenes Erbstück jenes geistigen Bildungsbastards oder überhaupt des geistigen Asiatenthums angesehen werden. Darauf aber wird es ankommen, ob hier auf nordischem Boden eine ernsthafte Verselbständigung des Menschenge- schlechts in Gedanken und That Posto fasse und ihren Ausgangspunkt finde.“ Die WirklichkeitsPhilosophie ist 1895 ediert worden. Friedrich Engels ist den 05. August 1895 in gestorben. Hier ging es uns um die Frage des Standpunkts in der PhilosophieGeschichte, und um die Frage des Charakters von uns neuzeitlichen Menschen. Da nun heutzutage, ob zurecht oder zu un- recht, nahezu Alles und Jedes mit dem HitlerReich konfrontiert und in Zusam- menhang gestellt wird: - Wer nun auf die Idee kommen mag, dass Dührings „geistiges Asiatenthum“ auch der Vorläufer Hitlers gewesen ist, der liegt gründ- lich daneben, bzw. der hat den Artikel nicht richtig gelesen. Nun, der Unver- stand ist eben, wie Dühring sagte, das Zubehör des Verstandes. „Von der Rolle der Wissenschaft ist in diesem Zusammenhange bisher kaum ein

126 / 130 Wort gesagt. Selbstverständlich ist wirkliches Wissen die oberste leitende Macht bei Menschen wie bei entwickelteren Thieren, und der Verstand sammt seinem Zubehör, dem Unverstande, überall die richtunggebende Kraft.“

„Das Frontmachen gegen das gesammte Verlehrtenthum ist heute die negative Hauptsache in einer Geistesreformation.“ Eugen Dühring

Donnerstag, d. 07. Februar 2019 Dühring und das personalistische Denken. Wirklichkeitsphilosophie 519-520. „Die Wirklichkeitsauffassung in Allem, ohne Geheimniskrämerei, ohne Mysti- citäten, ohne irgend welche Erdichtungen, - das ist der Angelpunkt, um den sich das Richtige und Gerechte dreht. Ich würde gesagt haben, es drehe sich darum die ganze Wahrheit. Aber das Wort Wahrheit ist in der Geschichte durch den Missbrauch zu prostituirt, und von denen, welche schlechthin die Wahrheit, nicht etwa bloss Wahrheiten, sondern die Wahrheit par excellence von sich zu geben mit dreister Stirn behaupten und sich dabei auf sich selbst beriefen, ist nicht viel zu halten. Man thut also gut, derartig missdeutbare Wendungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Auch heute sind fast alle die, welche kurzweg die Wahrheit affichiren, die ärgsten unter den Heuchlern, Schwindlern und Genar- rten. Wirklichkeitslehre ist etwas ganz Anspruchsloses; aber sie will auch dafür, dass freche Ansprüche Anderer sie nicht belästigen. Sie will die Ansprüche, die der Schwindel erhebt, geistig nieder schmettern, - das ist ihr einziger und ge- rechter Anspruch. Sie beruft sich nur auf Augen und Ohren und auf Verstandes- schlüsse; sie will nur Selbstgesehenes und Selbsterfahrenes oder aus dieser Quelle kritisch Verbürgtes als Grundlage alles Denkens und Urtheilens zulas- sen. In Allem, was über diese natürliche Basis hinaus sein will, erkennt sie nur Ähnliches, wie im spiritistischen Schwindel und zugehörigen Narrenthum. Sie beansprucht nicht, sei es in der Richtung auf das Ganze oder in allerlei Einzel- heiten, in jedem Fall eine letzte Einsicht zu haben, über die sich hinaus keine weitere Einsicht denken liese. Wohl aber ist sie sich mit vollkommener Sicher- heit bewusst, wo sie weiss und wo sie nicht weiss, ja wo sie nur unzulänglich weiss oder nur vermuthet. Nirgend will sie aber aus den Grenzen des verbürgten Daseins heraustreten, und selbst die denkerischen Träume, die das Menschen- geschlecht hier und da noch mit einigem Recht träumen mag, will sie auf dem physischen und natürlich geistigen Zusammenhang mit dem Thatsächlichen gerichtet wissen …“

Bei uns hat die Politik, ausser ihrer Selbstsucht, keinerlei Eigenleben. Dühring. Praktische Sachvertretung.

127 / 130 Maxime des gerechten und loyalen Gebrauchs geistiger Streitmittel und Waffen. Wirklichkeitsphilosophie 530-531. „Was Geistes- und Gedankenführung im reformatorischen Sinne sein könne und solle, ist am Schluss der vorangehenden Auseinandersetzung angedeutet wor- den. Hienach muss auch in der Handhabung geistiger Waffen Gerechtigkeit ob- walten, und es ist durchaus nicht gleichgültig, ob beispielsweise eindrucksvolle Mittel und Verstandeszüge in redlicher und wahrhafter Art oder aber zur Meu- chelung der gegnerischen Sache verwendet werden. Es ist hienach das erste Ge- setz ehrlicher Sachpropaganda, die geistigen Kräfte, seien sie im besondern Fal- le überlegen oder nicht, niemals derartig zu gebrauchen, dass ihre Bethätigungs- manieren, mit eigentlichen Handlungen des Lebens verglichen, sich als Unge- hörigkeiten, Vergehungen oder gar Verbrechen gestempelt finden. Verhält man sich selbst in absolut loyaler Weise, so kann man auch den Gegnern und Fein- den gegenüber es als gerechte Zumuthung aufrechterhalten, dass diese ihr Be- nehmen nach denselben Grundsätzen taxiren lassen müssen. Geriren sie sich, wie üblichermaassen, anders, arbeiten sie also mit den vergifteten Waffen der Entstellung und Lüge, oder halten sie auch nur die Principien offener und glei- cher Streitführung nicht ein, so kann man sie, wenigstens vor einem redlichen Publicum, durch Demaskierung ihrer schlechten Mittel und ihrer Abweichun- gen vom guten Glauben arg in die Enge treiben. Man traue nur den moralischen Mächten gesunder Art noch etwas zu, und man wird erfahren, dass die gau- nerischen Mittel des Feindes grade im Geistigen am wenigsten stichhalten und bei entschlossener klarer Beleuchtung ihrer verworfenen Natur sich in Speere verwandeln, die sich umwenden lassen und auf den Gegner selbst mit unver- gleichlich grösserer Wucht zurückbefördert werden können. Die Maxime, privatim wie öffentlich immer mit gerechten Mittel thätig zu sein, schliesst natürlich eine besonnene Zurückhaltung und vorsorgliche Deckungs- maassregeln nicht aus. Auch in der Gedankenpropaganda wäre es Thorheit, ja manchmal geradezu Narrheit, ohne eine Rüstung fertig werden zu wollen, durch welche die am meisten ausgesetzten Stellen des Streiters künstlich geschützt werden. Geistige Waffen sind, wie gesagt, von zweierlei Natur und theilweise den eigentlichen ähnlich, und hiezu kommt noch, dass es für den gedanklichen Kampf noch nicht einmal dem Völkerrecht Analoges gibt, dass also hier die vergiftetsten und niederträchtigsten Mittel, deren Analoga man in den gemeinen Kriegen schon einigermaassen durch stillschweigendes Übereinkommen oder gar durch ausdrückliche Convention bei den bessern Culturvölker ausgeschlos- sen hat, sich noch im unbeschränktesten Gebrauch befinden und ganz besonders von denen gehandhabt werden, die man kurzweg als Wissenschufte bezeichnen könnte. Demgemäss hat Deckung nie einen Sinn, wo man den in gutem Glauben auf Widerlegung gerichteten Mittel begegnet. Echtes Streben nach Wissen und Wis- sensverbreitung kennt schlechte Mittel überhaupt nicht; andernfalls widersprä-

128 / 130 che es sich selbst und machte seine eigne Natur zunichte. Sobald man in einem Streit merkt, dass der Gegner nicht bona fide verfährt, also nicht auf Überzeug- ung, sondern auf Überwältigung hinarbeitet und das Publicum nur verwirren, belügen und gegeninteressieren will, so höre man auch sofort auf, einen solchen Patron ernstzunehmen, nämlich ernst im moralischen Sinne des Worts; denn im Übrigen kann er als geistiger Gauner umsichtig mit ernsthaft spitzen Stössen bedient werden müssen. Es widert mich jedoch an, von solchen Typen als ein- zelnen Gebilden näher zu reden; besser ist es, gleich das ganze Gebahren in sei- nen weltgeschichtlichen Ausdehnungen und culturgeographischen Ausbreitung- en ins Licht zu setzen und das Wissensverbrecherthum aller Zeiten und aller Länder zu entlarven.“

Freitag, d. 08. Februar 2019 ______Setzung unsres Grundsatzes.______

Wirklichkeitsphilosophie 533. „Vollkommene Festigkeit wird für die Sachführung materiell und concret oder, deutsch zu reden, vollinhaltlich nur dadurch erreicht, dass man sich von vornhe- rein und gleichsam in ganzer Positur auf den Standpunkt der selbsterworbenen Geisteshaltung, also unserer Ablösung des Religionistischen durch ein besseres Weltverständnis und durch eine edlere Lebensordnung, emporfördert und von dieser Höhe aus auch alles Übrige betrachtet und betreibt.“

Der Verfasser.pdf.2019

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