Anfang Mai 2012 veröffentlichte der anonyme Rechercheur „Robert Schmidt“ im Internet eine umfangreiche Plagiatsdokumentation „schavanplag“ zur 1980 veröf- fentlichten Doktorarbeit der Bundesministerin für Bildung und Forschung, . Die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf leitete daraufhin eine Überprüfung der Arbeit ein. Mitte Oktober 2012 wurde bekannt, dass der Gut- achter der Fakultät die Vorwürfe bestätigte und von einer „leitenden Täuschungs- absicht“ ausging. Unter heftigen öffentlichen Kontroversen setzte die Fakultät das Prüfverfahren fort und entzog der Ministerin am 5. Februar 2013 schließlich den Doktorgrad. Am 9. Februar 2013 erklärte Schavan ihren Rücktritt vom Ministeramt. Wenig später reichte sie gegen die Entscheidung der Fakultät Klage beim Verwal- tungsgericht Düsseldorf ein.

Nicht nur wegen der Person der Ministerin, sondern mehr noch wegen der beispiel- losen Mobilmachung ihrer Hilfstruppen in Politik und Wissenschaft erscheint die Causa Schavan als der größte Skandal in der deutschen Wissenschaftsgeschichte der Nachkriegszeit. Sie ist ein Lehrstück über Machtmissbrauch der politischen Elite, die Korrumpierbarkeit des Wissenschaftsbetriebs und das Versagen eines kritischen Journalismus.

Wir haben in unserem Blog die Causa Schavan aufmerksam begleitet und so ein laufendes „Protokoll einer Wissenschaftsbetriebsstörung“ angefertigt. Hier finden Sie die Hauptstücke dieses „Protokolls“ aus dem Zeitraum von Juli 2012 bis De- zember 2013 noch einmal ordentlich zu einer Akte zusammengestellt.

Oben: Bildmontage unter Verwendung einer Abbildung aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die am 17. Oktober 2012 einen Ausschnitt aus dem Rohrbacher-Gutachten zeigte. Anders als andere Medien war die FAZ frühzeitig im Besitz von offenbar authentischem Material. Zugleich hatte die FAZ-Redakteu- rin Heike Schmoll maßgeblichen Anteil daran, dass die Weitergabe des Gutachtens an die Medien skan- dalisiert wurde.

http://causaschavan.wordpress.com/ 1 Hier gibt es erst mal eine Übersicht, damit Sie die einzelnen Aktenstücke schneller finden können:

2.7.2012 Wo die Basis in ihrer Typik zu 14.5.2013 Präsident und Nichtwissen (3): finden ist Voraussetzungen und Erfordernisse 7.7.2012 Die Wissenschaft selbst heutiger Honorarprofessuren 28.9.2012 Kaum zu (be)schaffen 9.6.2013 Johanna Wanka, Annette Schavan und das absolut Ungerechte 14.10.2012 Aktuelle Welle 18.6.2013 Personalie am Rande: Rietschel 20.10.2012 Es gerüchtet gerade goes BIG 20.10.2012 Nur Sekundäres aus dem Tertiär 2.7.2013 Wissenschaft fordert Festungshaft 22.10.2012 Heikle Frage für Rezensenten 27.10.2012 Einmal Glosse krass, bitte! 19.7.2013 Annette Schavan ist wieder da: Fallende Promotionspreise an der Das Düsseldorfer Prüfungsverfah- 21.11.2012 Universität Ulm ren 27.7.2013 Wanka: „Schavan soll wieder in 24.11.2012 „Wir, ein Autor dieser Zeilen“ Führungsposition“ 17.12.2012 Causa Schavan: Das Knochenorakel 8.8.2013 Grundlagen der Plagiatsphrasen- 18.1.2013 Spitzenforscher fordern Schavans forschung (1): Rückzug aus dem Bildungsministe- Die richtigen Umgangsformen rium 16.8.2013 Grundlagen der Plagiatsphrasen- 20.1.2013 Allianz versichert: Schavan, forschung (2): Koch-Mehrin – Beide Erklärungen Das Plagiatsfabulat im Wissen- sind echt schaftsrat 22.1.2013 Honnefelder: „Auf gute wissen- 23.8.2013 Klopfzeichen aus Düsseldorf: schaftliche Praxis gut achten!“ Hintergründiges zum Fall Schavan 22.1.2013 Causa Schavan: „Ich trete 11.9.2013 Der Fall Marc Jan Eumann und der zurück!“ Schavan-Skandal 23.1.2013 Uni gibt auf: Endlich externes 25.9.2013 Wie es für Schavan gelaufen ist Gutachten zu Schavan 30.9.2013 Herr Kamenz vom Kompetenzteam: 25.1.2013 Schavan – Wann geht sie endlich Wie man Plagiatsfreiheit für in die Offensive? Deutschland schafft 26.1.2013 Hausbesuch bei Humboldt-Uni-Präsi 3.10.2013 Hochschulrätin Schavan möchte Olbertz: „Tauscht endlich diese derzeit nicht Leuchte aus!“ 10.10.2013 Deutscher Hochschulverband stellt 2.2.2013 Heutige Voraussetzungen der sich gegen „überführte Gewissensbildung bei Annette Plagiatorin“ Schavan Schavan 15.10.2013 Richtig zitieren mit Fritz und 3.2.2013 Schavan: Wie sie zitieren musste Nikolaus – warum sie zittern muss 20.10.2013 Kalendarische Frühlingsgefühle Schavan: Plagiat für Anfänger. 5.2.2013 20.10.2013 Kulturkampf, oder: Vom Rücken her Ein kleiner Leitfaden erschossen Kurzzeitgedächtnis: Anmerkungen 8.2.2013 7.11.2013 Praktisch durchgängig, oder: zur aktuellen Bayreuth-Inszenie- Fenster auf für Steinmeier rung 11.11.2013 Zutiefst wissenschaftsfern: 9.2.2013 Ausgezeichnet: Blauer Engel für Geschichte ohne Zulassung Philologenverband 16.11.2013 Fall Eumann: Betriebsstörung an 10.2.2013 König Kurt – Das große Ausrasten der TU Dortmund Mobilmachung der Springteufel- 16.2.2013 28.12.2013 Schavan zur Weihnacht: „Irres chen: Schavans Amtsverständnis in Menschenbild“ – Uni Düsseldorf eigener Sache war falsch verbunden Nach Fall Schavan jetzt messer- 18.2.2013 scharfe Folgerung: Her mit dem Promibonus! Dramatis personae 6.5.2013 Ein Jahr Causa Schavan 7.5.2013 Präsident und Nichtwissen (1): Lenzen oder die Peinlichkeit des zivilisierten Menschen 10.5.2013 Präsident und Nichtwissen (2): Notorietät oder die zwei Körper der Ministerin

http://causaschavan.wordpress.com/ 2 Angefangen hat es eigentlich mit unserer Ver- Damit ist dann schon mal klar, dass die Arbeitsweise von wunderung darüber, dass kurz nach Bekannt- VroniPlag, schavanplag und Co. (also alles, worauf sich die werden der Plagiatsvorwürfe die ersten nam- haften Wissenschaftler öffentlich auftraten, Plagiatsvorwürfe gegen die Ministerin bis zu diesem Zeit- um der Dissertation der Ministerin die Unbe- punkt stützen) nicht viel taugt. Zwar haben Plagiate denklichkeit zu bescheinigen. So erklärten in der letzten Zeit eine gewisse Prominenz errungen, zu der frühere DFG-Präsident Wolfgang Frühwald und der frühere Konstanzer Universitätsrektor Rücktritten von Ministern, zum Entzug von Doktorgraden Gerhard von Graevenitz schon am 9. Mai 2012 und zur Ausdifferenzierung von eigenen Praktiken und in der FAZ, dass die Arbeit keine Plagiate Spezialistenrollen geführt enthalte. womit offenbar die entwickelten Praktiken und die Rollen- Offenbar sollte von Beginn an kein Zweifel spiele der Plagiatsrechercheure gemeint sind. Und so sind daran gelassen werden, auf welches Ergebnis die Düsseldorfer Überprüfung der Arbeit auch die hinauszulaufen habe. Das wurde vollends deut- Techniken des Textvergleichs [...] EDV-basiert erheblich lich, als am 24. Mai 2012 zwei prominente raffinierter geworden, juristische Reputation kann man Erziehungswissenschaftler in der FAZ ein Gutachten veröffentlichten. Ihr Schluss: Kein offenbar auch in diesem Bereich publikumswirksam Plagiat, der Doktortitel war nicht zu ent- erwerben. ziehen. Nicht weniger irritierend als dieser Versuch, einem gerade angelaufenen Verfahren Aber wenngleich das Autoren-Duo nun behaupten will, dass einen Stoß in die gefällige Richtung zu dies für die öffentliche Plagiatsdebatte eine nützliche Sache geben, war es, dass die Medien diesen Versuch sei – uns ist doch nicht entgangen, welche Schäbigkeit hier nicht zu bemerken schienen und dass auch aus am Werke ist. Raffinesse, wo es schlicht um Klarheit gehen der Wissenschaft kein Protest zu hören war. müsste, und das Schielen auf das Publikum, wo allein die Das hat uns dann veranlasst, unser eigentlich Sache im Vordergrund stehen sollte – ach Ihr armseligen etwas anders gedachtes Wissenschaftsblog als „Protokoll einer Wissenschaftsbetriebsstö- Plagiatejäger, uns macht Ihr doch so leicht nichts vor. rung“ neu zu beginnen. Nach einigen wieder Dietrich Benner und Heinz-Elmar Tenorth selbst freilich verworfenen Experimenten machte A.M. Schnierl mit diesem Beitrag den Anfang: haben davon – liebenswert weltfremde Gelehrte, die sie nun einmal sind – gar nichts bemerkt. Sie sind schon weitergeeilt und stellen soeben höchst Grundsätzliches fest. Aufgemerkt 2. Juli 2012 nun: Das Zitieren ist ja überhaupt nur ein Teilaspekt guter Wo die Basis in ihrer Typik zu suchen ist wissenschaftlicher Praxis, also soooo wichtig nun auch wieder nicht. Und von A.M. Schnierl gute wissenschaftliche Praxis [...] kann in ihren Praktiken Nach allem, was wir über das Düsseldorfer Prüfungsver- nur disziplinspezifisch diskutiert werden. fahren wissen, gehören die beiden emeritierten Berliner Wir können nun natürlich nicht sagen, wie es sich mit der Erziehungswissenschaftler Dietrich Benner und Heinz-Elmar guten wissenschaftlichen Praxis im Allgemeinen so verhält. Tenorth nicht dem Promotionsausschuss an, und sie sind Aber wenn es um ihre Praktiken geht, dann kann diese aus Düsseldorf offenbar auch nicht um ihre Expertise Praxis keinesfalls anders als disziplinspezifisch diskutiert gebeten worden. Doch man ist ja gerne vorsorglich zur Stelle werden. Und das ist auch gut so. Wenn es sich nämlich um und jederzeit behilflich für den Fall, dass den Kollegen am die Praktiken der Praxis dreht, dann haben sich an einer Rhein die Sache über den Kopf wächst oder dass sie nicht solchen Diskussion nur, sagen wir mal zum Beispiel: Er- wissen, in welche Windrichtung sie diesen Kopf zu drehen ziehungswissenschaftler zu beteiligen, denn nur die kennen haben. Ganz und gar uneigennützig ist ein solches Engage- ja die disziplinspezifischen Praktiken der guten wissenschaft- ment. Einzig der edlen Verpflichtung ist es geschuldet, der lichen Praxis. Wahrheit in der Wissenschaft zum Siege zu verhelfen, und ganz gewiss gab es dazu keinerlei Anstoss von sonst irgend- Und so werden wohl nur sie dann auch die entscheidende wem oder von sonst irgendwoher. Frage beantworten können. Denn Und so geschah es, dass in der Frankfurter Allgemeinen die entscheidende Frage, ob eine Dissertation zum Er- Zeitung am 24. Mai 2012 ein grundsolides fachliches Gut- kenntnisfortschritt beigetragen hat, ist allein technisch, achten zur Causa Schavan erschien. Der Düsseldorfer Pro- durch Textvergleich, nicht zu lösen. motionsausschuss hätte sich dieses engagierte Votum der Das also ist bei der Überprüfung eines Plagiatsverdachts die Pädagogikprofessoren Benner und Tenorth nur zu Eigen entscheidende Frage: Ob die Arbeit zum Erkenntnisfortschritt machen müssen – und die Causa Schavan hätte bereits ein beigetragen hat. Und irgendwie wird sich eine solch ent- sehr rheinisches Ende nehmen können. scheidende Frage ja wohl in jedem Fall beantworten lassen “Zitierfehler, aber kein Plagiat” lautet in dankenswerter Deut- – aber nie allein technisch, also durch Textvergleich. Und lichkeit die Überschrift, und der fett gedruckte Vorspann hier hätten Herr Benner und Herr Tenorth vielleicht noch unterstreicht erst einmal: einmal ausdrücklich darauf hinweisen können, dass damit jetzt keineswegs etwa nur ein computergestützter Textver- Ein computergestützter Textvergleich reicht nicht, um die gleich gemeint ist, sondern auch ein lesebrillengestützter Eigenständigkeit einer Dissertation zu beurteilen, auch oder bleistiftgestützter oder gänzlich stützfreier Textver- nicht bei Ministerin Schavan. gleich. Aber sonst ist dieses Gutachten schon recht gut und verständlich geschrieben.

http://causaschavan.wordpress.com/ 3 Die Dissertation von Annette Schavan ist ein gutes Beispiel in denen sich die Verfasserin wortnah und zuweilen auch dafür, wie unmöglich es ist, einen Plagiatsverdacht durch wörtlich fremder Texte bedient, ohne dies eindeutig auszu- Textvergleich zu klären. Denn es zeigt sich, weisen. dass die Verletzung von Zitierregeln eine Dissertation nicht Das ist natürlich nicht besonders schön, das muss schon hinreichend bewertet. kritisch vermerkt werden. Aber kritisch ist es nicht, denn es handelt sich doch um Damit ist nun aber nicht etwa gemeint, dass eine massive Verletzung von Zitierregeln eine Dissertation als nicht hin- die bekannten Praktiken reichend bewerten lässt, auch wenn es im ersten Moment und bekannt sind sie natürlich, jedenfalls in der Erziehungs- vielleicht so klingt. Sondern gemeint ist, dass es bei der wissenschaft, weil sie so allgemein üblich sind und somit für Überprüfung eines Plagiatsverdachts nicht um die Überprü- praktizierte Praxis in der Gattungsdisziplin gelten dürfen. fung der Frage geht, ob die Dissertation Plagiate enthält Also in Ordnung. Ganz bestimmt sogar in Ordnung. Niemand (was man ja irgendwie doch unter Zugrundelegung von müsste das besser wissen als die Plagiatsrechercheure. Zitierregeln tun könnte), sondern um eine hinreichende Be- Denn eigentlich liegt doch offen zutage, auf welche Texte wertung der Dissertation, und dafür, soviel ist ja mal klar, sich die Verfasserin jeweils stützt, welcher Texte sie sich dafür reicht die Verletzung von Zitierregeln nicht hin. bedient: Inzwischen geht es in erster Linie nicht mehr um disziplin- Den Weg zu diesen Texten wies den Rechercheuren in spezifische Aspekte, sondern vor allem um gattungsspe- der Regel die veröffentlichte Dissertation selbst, die ihre zifische. Gattungen gibt es nämlich mehrere. Gerade in den Quellen nicht verschweigt, sondern ausführlich auf sie Geisteswissenschaften, und zwar verweist. literaturbasierte Studien, archiv- oder quellenbasierte Also in der veröffentlichten Dissertation steht’s ja doch drin, Arbeiten, interpretatorische Analysen und anderes. mit allen Verweisen, ausführlich! In der veröffentlichten! Diese Gattungen sind streng von einander zu unterscheiden Eine Riesensauerei ist das. Die nicht veröffentlichte Fassung und demzufolge auch mit ganz unterschiedlichen, gattungs- mag ja noch ihre Mängel gehabt haben, aber in der veröf- spezifischen Maßstäben zu messen, und da ist ja klar, dass fentlichten Dissertation verweist sie dann auf ihre Quellen! sowas nur möglich ist, wenn man die spezifischen Praktiken Sogar ausführlich! Welch ein erbärmliches Spiel treiben der disziplinspezifischen Praxis aus dem Effeff kennt. Denn eigentlich diese Plagiatsjäger, wenn sie einfach in die Quel- wer seine Arbeit auf Archive basiert, oder wahlweise auch lenangaben der Druckfassung schauen, um Frau Schavan auf Quellen, der geht natürlich ganz anders vor als jemand, Plagiate in einer vorläufigen Version nachweisen zu können, der zum Beispiel eine Analyse vorlegt, vielleicht sogar eine die gar nicht veröffentlicht worden ist? Pfui Spinne! interpretatorische. Und an all diejenigen, welche anderes machen, mögen wir gar nicht erst denken. Hui, was das alles Tatsächlich könnte man sich die Verweise auf die Quellen in sein könnte! Anderes! der veröffentlichten Dissertation offenbar deutlicher und ausführlicher kaum wünschen. Vor allem Als Doktorvater in der Erziehungswissenschaft muss man aber wirklich allerhand in der Birne haben. Vertraut mit allen die extensive Literaturliste bei Frau Schavan [...] zeigt an, Meeren, wie man so sagt. wo die Basis zu suchen ist. Diese gattungsspezifischen Unterschiede in der Praxis Und würde man eine Auflistung der Texte, auf welche sich führen praktischerweise die Arbeit mit ihren 350 Seiten stützt, etwa nicht genau hier vermuten: In der Literaturliste? Ja, hier kann man diese offenbar auch zu unterschiedlichen Risiken, sich Plagiats- Basis dann suchen, so viel steht mal fest. vorwürfe einzuhandeln, wie die Arbeit von Frau Schavan belegt. Aber bis zu diesen letzten Seiten, bis zur extensiven Litera- turliste, muss man sich gar nicht hindurchblättern, wenn man Da sind der Herr Benner und der Herr Tenorth jetzt aber erfahren will, worauf die Dissertation fußt und an wen sie selbst ein wenig überrascht davon, was ihre eingehende sich anlehnt. Dies zeigen Benner und Tenorth auf schlagen- Untersuchung der Materie soeben ergeben zu haben de Weise am Beispiel des Moraltheologen Franz Böckle, bei scheint: Das Risiko, sich Plagiatsvorwürfe einzuhandeln, dem – so der Vorwurf der Plagiatsjäger – Schavan plagiiert scheint unterschiedlich zu sein. Offenbar. Aber doch ja, haben soll. Hat sie auf Böckle vielleicht nicht verwiesen? Oh wirklich, es ist so: Die Arbeit von Frau Schavan belegt es. doch: Damit wir uns hier nicht missverstehen: Es sind nur Plagiats- Die Referenz auf Böckle weist die Dissertation bereits im vorwürfe, die man sich einhandelt. Wir reden hier nicht etwa Vorwort aus. Hier bedankt sich die Autorin, weil sie von von einem gattungs- und disziplinspezifisch oder praxisprak- seiner “moraltheologischen Prinzipienlehre” stark profitiert tikbedingt erhöhten Risiko tatsächlicher Plagiate, denn das habe. Böckle bildet offenbar einen wichtigen Hintergrund würde die Arbeit von Frau Schavan gerade nicht belegen. ihrer eigenen Reflexion, von ihm hat sie ihre Kant-Lesart Also eigentlich geht es hier um das Risiko, missverstanden (entsprechend ist Böckle der nicht zitierte Kant-Interpret), zu werden. und ihm verdankt sich das Kapitel über die christliche Ist also alles nur ein Missverständnis, alles in Ordnung mit Ethik. Man erkennt den akademischen Lehrer und kann der Dissertation der Ministerin? Nein, das sagen Benner und gar nicht überrascht sein, dass er so intensiv die Argumen- Tenorth frei heraus, und da kennen sie keine falsche Rück- te der Verfasserin bestimmt sicht: Auf 50 bis 60 der 350 Seiten finden sich Passagen,

http://causaschavan.wordpress.com/ 4 Jawohl: Wo andere Promovenden erst mal ihrer Zimmerpal- Letztlich entscheidet das der Promotionsausschuss der me für treue Freundschaft in der langen Zeit des Doktorie- Philosophischen Fakultät in Düsseldorf. Wir kommen zu rens danken und die Oma in Quakenbrück lieb grüßen, da dem Ergebnis, dass die Arbeit kein Plagiat darstellt [...]. weist Annette Schavan schon erste Referenzen aus. Und so Öffentlich geäußerte Meinungen wie die, es handele sich kann man gar nicht überrascht sein, dass sich dem akademi- bei der Arbeit um geistigen “Diebstahl”, darum sei der ver- schen Lehrer dann gleich ganze Kapitel verdanken. Da sind liehene Doktortitel möglichst rasch abzuerkennen, halten kleinliche Zitatnachweise für Kant-Interpretationen freilich einer Überprüfung nicht stand. obsolet. Das ist uns jetzt klar. Und dem Promotionsausschuss der Dann wäre da noch die Sache mit der Typik. Die soll ja auch Philosophischen Fakultät in Düsseldorf, der das letztlich ent- noch wichtig sein: Die Typik, und an der kann man nicht vor- scheidet, dem dürfte das nun wohl auch klar sein. bei, sagen Benner und Tenorth, und das ist ihnen ganz wich- Also hat die Überschrift nicht zuviel versprochen: Kein Pla- tig. Man muss die Dissertation als Ganze und in ihrer Typik giat, nur Zitierfehler. Und auch deren Zahl ist recht gering – anschauen. ja, bei Licht betrachtet sind es sogar An sich kannten wir diesen Begriff ja nicht. Aber war da nicht weniger, als man bei dieser Gattung befürchten muss was – so mit Umwelt irgendwie? Das ist doch sehr schön, im Ergebnis. Typik … Vielleicht im Zusammenhang mit Photovoltaik? Nein, eher nicht. Aber irgendwie mit Umwelt. Und wir wollen jetzt wirklich nicht nochmal davon anfangen, wie es sich mit diesen Gattungen denn nun verhält und zu Ach ja! Natürlich! Norbert Röttgen. Also doch Umwelt. Nor- welcher Gattung die Dissertation der Ministerin gehört – bert Röttgen hat nämlich auch eine Dissertation verfasst: literaturbasierte Studie, archiv- oder quellenbasierte Arbeit, interpretatorische Analyse oder anderes? Röttgen, Norbert: Die Argumentation des Europäischen Gerichtshofes. Typik, Wirklich nicht. Methodik, Kritik. Bonn: Univ. Diss., 2001, 213 S. Natürlich war die Rede von der „veröffent- Vielleicht kennen die sich ja. Aber egal. Die Typik in der lichten Dissertation“, die Schnierl so gerne Gänze jedenfalls geht bei Annette Schavan so, dass die als Hinweis auf eine abweichende, nicht ver- Arbeit mit einer Explikation des Verstehenshorizonts beginnt, öffentlichte Fassung missverstehen wollte, worauf dann zweitens die Darstellung von ganz vielen Theo- nur eine Folge des allgemeinen Geschwurbels rien über das Gewissen folgt, und dann kommen drittens ihre der beiden Zeitungsgutachter. Doch die Reali- tät zog nach: In einem Interview mit Deutsch- eigenen Thesen. landradio Kultur wurde Wolfgang Frühwald tat- Die spezifische Leistung der Autorin findet man also jen- sächlich darauf angesprochen, dass Schavan nach eigener Aussage eine andere als die seits der Rekapitulation der Literatur [...] erst im ersten und jetzt begutachtete Fassung als Dissertation im dritten Teil; hier wäre der geistige Diebstahl dramatisch. eingereicht habe. – Frühwald war auch mit von Also die spezifische Leistung der Autorin findet man erst im der Partie, als am 14. Juni 2012 eine ganze Phalanx von Wissenschaftsgranden gegen das ersten Teil, vorher nicht, und im dritten Teil auch, aber an- „Klima des Verdachts und der Bedrohung“ Stel- sonsten ist diese Dissertation unter gar keinen Umständen lung bezog, das durch immer neue Plagiatsvor- eine spezifische Leistung der Autorin, wobei dieses “ansons- würfe gegen Inhaber von Doktortiteln erzeugt ten” die Seiten 59 bis 253 umfasst. Insofern ist die Typik tat- worden sei. Das musste überraschen, denn sächlich von entscheidender Wichtigkeit für die Plagiatsprü- einige dieser Paladine hatten sich zuvor ganz anders geäußert – bevor es um die Ministerin fung, denn es sind meistens diese ganz unspezifischen 200 gegangen war. Nun aber sahen sie sich als Seiten, wo unsauber zitiert worden ist. Da ist der geistige „die Wissenschaft selbst“ zu einer „Klarstel- Diebstahl aber nicht dramatisch. lung“ aufgefordert:

Ich finde, wir kommen jetzt mal zum Schluss. Und da stellt sich natürlich die Frage, wie denn die Frage lauten soll, auf 7. Juli 2012 die man am Ende einer Plagiatsprüfung gern eine Antwort Die Wissenschaft selbst bekäme. Die Frage lautet so, sagen Benner und Tenorth: von A.M. Schnierl Kann man vor diesem Hintergrund sagen, mit dieser Dis- sertation sei nichts als ein Plagiat abgeliefert worden? Als braver Abonnent der Süddeutschen Zeitung hat man Das ist die Frage, auf die sie dann antworten wollen. Ihre neuerdings einiges auszuhalten. Ganz arg war’s zum Antwort auf die Frage, ob die Dissertation ein Plagiat und Beispiel am 14. Juni 2012. “Plagiate in der Wissenschaft: nichts weiter als ein Plagiat sei, in ihrer Gänze und als Typik, Unwürdiges Spektakel” lautet der Titel des Gastbeitrags, und diese Antwort also geben sie natürlich erst nach reiflichem damit hätte man ja sofort einverstanden sein können. Leutl’n, Abwägen und nicht ohne dem Düsseldorfer Promotionsaus- seid’s halt g’scheit und schreibt’s ned ab, des is doch a schuss erst einmal den Vortritt gelassen zu haben. Und das Schand’ – doch nein, so ist es wohl nicht gemeint. Wirklich ist wirklich ein feiner Zug von Herrn Benner und von Herrn nicht. Sondern: Tenorth: Guttenplag und kein Ende: Immer neue Plagiatsvorwürfe gegen Inhaber von Doktortiteln haben ein Klima des

http://causaschavan.wordpress.com/ 5 Verdachts und der Bedrohung erzeugt. Das macht eine des Verdachts und der Bedrohung? Pädagogisch wertvoll Klarstellung durch die Wissenschaft selbst notwendig vielleicht? Nötig sogar? steht da gleich zu Anfang ordentlich fett gedruckt. Das ist noch nicht ganz klar. Erst mal erfahren wir vielmehr, wie sehr viel mehr das Plagiatsverbot in der Wissenschaft Oho! Ein Klima! Des Verdachts! Der Bedrohung gar! in dem umfasst: Inhaber von Doktortiteln zagen und zittern müssen, dass es einen freilich barmt. Immer neue Plagiatsvorwürfe – a sol- Das Verbot des Plagiats [...] dient dazu, das Ziel der Wis- chene Schand’ is des! senschaft und damit die Wissenschaftlichkeit von Wissen- schaft sicherzustellen. Ziel der Wissenschaft als For- Eine “Klarstellung” ist da wohl unbedingt angebracht. Das schung aber ist Erkenntnisfortschritt. übernimmt dann auch niemand anderes als “die Wissen- schaft selbst”. Ja öha! d’Wissenschaft selbst. Ja geh’ zua. Das klingt immerhin noch so, als ob man es verstehen kön- nen könnte. Nur ist es eigenartig, wie sich dann im Folgen- Bevor die Wissenschaft selbst jetzt richtig loslegt mit ihrer den die Sache mit dem “Abschreiben” von selbst erledigt und Klarstellung in Zeiten der Klimabedrohung, muss sie aber wie sich das “weit mehr”, welches das Plagiatsverbot in der erst mal ordentlich ihre Epauletten und Silbertressen richten Wissenschaft demgegenüber doch umfassen soll, als umfas- und die Schnurrbartenden ganz nach oben zwirbeln, und das sender Drahtverhau gegen unbefugtes Betreten des Gelän- geht so: des entpuppt. “Weit mehr” als an der Feststellung eventueller Die Verfasser des folgenden Beitrags sind: Wolfgang Früh- Plagiate scheint die Wissenschaft selbst nämlich daran wald (Germanist, München), Gerhart von Graevenitz (Ger- interessiert zu sein, dass niemand als sie selbst über manist, Konstanz), Ludger Honnefelder (Philosoph, Bonn Plagiate in der Wissenschaft befindet: und ), Reimar Lüst (Physiker, ), Christoph Die Kriterien des Umgangs mit Quellen und Texten, Ge- Markschies (Theologe, Berlin), Ernst Theodor Rietschel danken und Argumenten werden [...] dadurch zu verbind- (Chemiker, Berlin), Ernst-Ludwig Winnacker (Biochemiker, lichen Normen wissenschaftlichen Verhaltens, dass sich München und Straßburg), Rüdiger Wolfrum (Rechtswis- die Wissenschaft selbst an die von diesen Kriterien grund- senschaftler, Hamburg und Heidelberg). Die Autoren sind gelegten Methoden bindet. allesamt erfahrene Hochschullehrer und waren oder sind leitende Funktionäre deutscher wie internationaler Wissen- Hm – “von diesen Kriterien grundgelegte Methoden” – also schafts-Organisationen. Einige haben als Präsidenten der mit Verlaub, das hört sich irgendwie tiefergelegt an. Und Deutschen Forschungsgemeinschaft gewirkt, als Präsident müsste es in diesem Fall nicht eigentlich richtig heißen, des Europäischen Forschungsrats, als Präsident der Max- “dass sich die Wissenschaft selbst selbst …”? Planck-Gesellschaft, als Vorsitzender des Wissenschafts- Immer noch diese Benommenheit. Und die wird nicht gerin- rats, der Leibniz-Gemeinschaft oder der Alexander-von- ger über die nächsten Absätze hinweg. Dicht wallen die Humboldt-Stiftung. Mehrere Unterzeichner haben Univer- Schwaden um den Drahtverhau, und man weiß gar nicht so sitäten und Rektorenkonferenzen geleitet. Insbesondere recht, von woher die Stimme der Wissenschaft selbst durch haben sich alle Autoren fachlich und in Gremien intensiv diese nebulöse Szene tönt und wohin der Sinn ihrer Worte mit ethischen Fragen der Wissenschaft beschäftigt. strebt. Nur eines ist gewiss: Kein Zutritt, Eltern haften für ihre Man möcht’ vor lauter Demut schier darniedersinken vor der Kinder, und hinschauen soll man möglichst auch nicht. Wissenschaft selbst. Und es mag an dieser Benommenheit Nur der Wissenschaft selbst – genauer: den einzelnen liegen, die wir Niederen in Gegenwart solch höherer Wesen- Fachwissenschaften – steht es also zu, die Einhaltung der heiten ja so oft und gern verspüren, dass man erst so etwa gerade erst verbindlich gewordenen Normen zu überprüfen. zwei, drei Absätze später merkt: Hoppla – es hat ja wohl Irgendwelche freilaufenden Plagiatsrechercheure haben da richtig angefangen inzwischen mit diesem Gastbeitrag, also nichts verloren. Freilich mögen digitale Möglichkeiten des auch inhaltlich jetzt, und ich hab’ ja schon zwei, drei Absätze Textvergleichs mitunter nützlich sein – aber sie sind gelesen – aber was war das noch gleich? Nochmal zurück: nicht ausreichend für die Antwort auf die Frage, ob der Begriffe wie der vom “Abschreiben” greifen zu kurz. Auch betreffende Beitrag die Neuartigkeit des vorgetragenen bei einer juristischen Betrachtung des “Plagiats” als eines Gedankens und seinen Bezug auf den jeweiligen Stand Verstoßes gegen das Recht am geistigen Eigentum Dritter der Forschung hinlänglich einsichtig und überprüfbar oder als Handlung in Täuschungsabsicht wird nur die macht. Außensicht dessen in den Blick genommen, was in den Wissenschaften als “Plagiat” bezeichnet wird. Vom Abschreiben, das verboten sei, war hier wirklich schon lang nicht mehr die Rede. Stattdessen ist Wie gut, dass die Wissenschaft selbst weiß, was da jetzt Sache ist: eine komplexe Reihe von Umständen zu prüfen Das Verbot des Plagiats umfasst in der Wissenschaft weit die derart komplex zu sein scheint, dass sich jede Ein- mehr mischung Unberufener eigentlich von selbst verbieten müsste. Und die Wissenschaft selbst ist ja auch wirklich sagt sie. Also noch strenger! Das ist schon ein ganz klein eifrig bemüht – weltweit sogar ist sie damit intensiv befasst! – wenig verwirrend jetzt, wegen des Guttenplags vom Anfang, für Sauberkeit in ihrem Laden zu sorgen. So recht Konkretes womit kein Ende war, und wodurch doch ein Klima des Ver- ist freilich momentan über diese weltweit intensive Befasst- dachts und der Bedrohung … Meint die Wissenschaft selbst heit und ihre ersten Resultate wohl noch nicht mitzuteilen. vielleicht, dass das gar nicht so schlecht ist, dieses Klima

http://causaschavan.wordpress.com/ 6 Was sollen aber auch die Einzelheiten, wo doch das Ganze schaftliche Aufgabe ist hier dringlich in Angriff zu nehmen: just in diesem Augenblick schon wieder zu scheitern droht! Haltet fern all die Unberufenen, Unbefugten, die sich er- Denn hiervon ist uns, leider, nun zu künden: Unheil dräut. Ist dreisten, selbst zur Aufklärung zu schreiten! Wehret einer es die schiere Zahl, die unerhörte Rafinesse ruchloser Pla- Entwicklung, in deren Folge Vertrauen ersetzt wird durch giatoren? Sind es gleichgültige oder verkalkte Doktorväter scheinbare Transparenz! und Doktormütter, von denen solcherlei Gefahr ausgeht? Die Denn das war ja immer schon die Maxime der Aufklärung: Unwägbarkeiten der Beurteilung verschachtelter Paraphra- Vertrauen. In vorliegendem Fall am besten zur Anwendung sen? Auswirkungen des Waldsterbens auf die Entwicklung zu bringen in seiner gesellschaftlich handlichsten Form: Ver- der Druckkosten für Dissertationen? trauen in die Autorität der Berufenen. Respektive in die beru- Nichts davon. Es sind die freilaufenden Plagiatsrecher- fenen Autoritäten. Kurz gesagt: Respekt! cheure, die sich so leicht nicht abhalten lassen von ihrem Homma’s jetzat? verantwortungslosen Tun: Von ihnen droht höchste Gefahr. Denn es wird die redliche Absicht der Wissenschaft selbst, ______diese P.S.: Warum ich jetzt gerade auf “32 Jahre” gekommen bin, ist mir ein völliges Rätsel. Wieso ausgerechnet “32 Jahre”? wichtige Intention [...] konterkariert, wenn die Methode di- gitaler Textvergleichung für etwas eingesetzt wird, was mit P.P.S.: Der Anatol Stefanowitsch hat sich selbst zu diesem einer kriteriengeleiteten Auseinandersetzung mit Plagiats- Gastbeitrag der Wissenschaft selbst sehr scharf geäußert. vorwürfen nichts zu tun hat. Wir beobachten mit Sorge,

dass in der letzten Zeit durch nach Belieben gesetzte Standards wissenschaftlichen Arbeitens sowie durch Monatelang war von der Düsseldorfer Plagiats- nachträgliche Anwendung erst später entwickelter Kriterien untersuchung nichts zu hören und nichts zu sehen. Unterdessen wuchs die Zahl der Belege ein Klima des Verdachts und der Bedrohung entsteht, in bei schavanplag weiter an. Der folgende Bei- dem Vertrauen durch scheinbare Transparenz ersetzt wird, trag von A.M. Schnierl spiegelt eine Erwar- junge Menschen bei der Herstellung ihrer Qualifikationsar- tung wieder, die in dieser Phase weit ver- beiten in Verwirrung geraten und das Verhältnis der Wis- breitet war: Dass die Sache von der Universi- senschaft zur Öffentlichkeit beschädigt wird. tät unter den Teppich gekehrt werden würde.

Ja, das war zu befürchten. Daran wird’s scheitern. Mit Sorge beobachten wir das: Keine Kriterien, kein Sinn für die Histo- 28. September 2012 rie in der letzten Zeit – gerade so, als ob wir vor 32 Jahren Kaum zu (be)schaffen nicht noch im mittleren wissenschaftlichen Neolithikum ge- lebt hätten! Keiner kennt mehr seinen Platz. Und da wundern von A.M. Schnierl wir uns dann, wenn junge Menschen bei der Abfassung ihrer Qualifikationsarbeiten in Verwirrung geraten. A weng da- Anfang Mai 2012 begann in Düsseldorf die Überprüfung der misch san s’ scho, de junga Leit heitzutag. Wisst Ihr über- Dissertation von Bundesbildungsministerin Annette Schavan. haupt, Ihr Plagiatsrechercheure und Ihr Klimatechniker des Doch es ist längst nicht ausgemacht, dass dieses Prüfver- Verdachts und der Bedrohung, wie furchtbar leicht junge fahren auch zu einem klärenden Ergebnis führen wird. In der Menschen bei der Abfassung ihrer Qualifikationsarbeiten in Bloggerszene ist die Einschätzung der Sache etwas ge- Verwirrung geraten? mischt, die Prognose zum erwartbaren Ausgang dagegen recht einheitlich: Einige meinen zu wissen, dass die Causa Ich finde, die Wissenschaft selbst sollte sich das mit ihrem Schavan alles andere als ein klarer Fall sei, sondern eifrigen Bemühen weltweit nochmal intensiv überlegen. Denn höchstens ein klarer Grenzfall. Meist sind wir allerdings über- was wird aus dem Vertrauen, wenn selbst die Wissenschaft zeugt, dass es sich sehr wohl um einen Plagiatsverdachtsfall selbst (oder nicht selbst?) versucht, handelt, den die zuständige Universität aufzuklären hat und Mechanismen und Strukturen zu etablieren, um die Integri- aus dem sie dann auch Konsequenzen ziehen muss. Doch tät wissenschaftlichen Verhaltens sicherzustellen, Fehlver- ob sie das auch kann und will? halten frühzeitig zu erfassen, zu bewerten und mit Sanktio- Viele würden wohl unterschreiben, was der Plagiatsforscher nen zu belegen Stefan Weber am 13. Mai über die fortlaufenden Recherchen ? Klingt das vielleicht nach Vertrauen? Nein – hier läuft die bei schavanplag äußerte: Wissenschaft selbst Gefahr, noch mehr verwirrte junge Men- Ein interessantes Spiel wäre nun, alle weiteren neuen schen hervorzubringen. Fragmente nicht zu veröffentlichen und zu schauen, was So. Glei’ homma’s g’schafft. Hinauf in noch beträchtlichere die Universität “finden” wird. Dann müsste auf sie Druck Höhe, doch das ist dann auch das Finale: gemacht werden, dass sie ihre “Funde” publiziert. Ich gehe jede Wette ein, dass da nichts über das bereits Publizierte Eine Praxis, die die notwendige sachliche Überprüfung hinaus dabei wäre! verdächtigter Arbeiten behindert und lediglich behauptete Verfehlungen durch ständige Wiederholung fixiert, ist ein Und die Universität scheint sich mächtig anzustrengen, um Spektakel, das einer aufgeklärten Gesellschaft nicht das in sie gesetzte Misstrauen zu rechtfertigen. Seit Monaten würdig ist. ist nun schon aus Düsseldorf kaum etwas zu hören, und nichts, was wirklich Nachrichtenwert hätte. Keine Information Genau. Die aufgeklärte Gesellschaft musste noch her, man über den Stand des Verfahrens, von Zwischenergebnissen hatte sie ja schon vermisst. Eine aufgeklärt-gesamtgesell-

http://causaschavan.wordpress.com/ 7 gar nicht zu reden. Derweil wächst die Beweislast bei Freilich, der Aufwand, der mit der Beschaffung der zitierten schavanplag weiter und weiter an. Quellen verbunden ist, muss ganz enorm sein. Denn es geht ja nicht einfach nur darum, einige Bücher per Fernleihe nach Was also hat sich in all der Zeit in Düsseldorf getan? Zu- Düsseldorf zu bestellen. Nein, wir haben hierbei auch zu be- nächst hatte es ja durchaus den Anschein, als solle an der denken, vor wie relativ ungeheuer langer Zeit die Disserta- Universität zügig aufgeklärt und entschieden werden. Am tion eingereicht worden ist. Wer in unseren heutigen Zeiten 3. Mai verkündete ein Sprecher, eines effizient und rasch funktionierenden Fernleihsystems die zuständige Promotionskommission werde in der kom- nur mit kürzlich eingereichten Arbeiten zu tun hat, der wird menden Woche die Arbeit aufnehmen, deren Vorsitzender die Schwierigkeiten wohl kaum ermessen können, mit denen sei bereits informiert [...]. sich der Promotionsausschuss konfrontiert sieht. Die Disser- tation der Annette Schavan nämlich ist nicht weniger als 32 Eine Woche später klang das schon etwas weniger Jahre alt. Völlig andere Verhältnisse! Die Epoche des be- schwungvoll, eher nach ewig zeitraubender Mühsal: rüchtigten roten Leihscheins, eine Bestellung per Fernleihe Das Gremium der Philosophischen Fakultät sei dabei, sich in etwa so aussichtsreich wie Flaschenpost in den Weiten die dafür nötigen Materialien zu beschaffen [...]. “Wann ein der Salzwüste … Ergebnis vorliegt, ist noch völlig offen.” Da stehen nun also die Düsseldorfer Kommissionsmitglieder Diese völlige Offenheit bestätigte sich dann in den folgenden an den Ufern des Rheins und winken ihrer Flaschenpost Wochen und Monaten. Und in der Notwendigkeit, sich erst hinterher. Ein wenig verzagt wirken sie ja in der Rückenan- einmal die nötigen Materialien zu beschaffen, zeigte sich sicht, aber sie sind doch auch tapfer entschlossen, bis zum bereits die erste und schier unüberwindliche Hürde, die einer Rücklauf der Fehlanzeigen und vielleicht sogar des einen raschen Klärung entgegenstand. Mochte schavanplag das oder anderen Werks aus fremdem Bibliotheksbesitz auszu- Material auch längst beschafft, gesichtet und für jedermann harren und die Untersuchung der verdächtigten Dissertation bereitgestellt haben – in Düsseldorf wollte man an der alsdann tatsächlich in Angriff zu nehmen. gewaltigen Aufgabe schier verzweifeln. Vielleicht ist es ja der leise Wellenschlag am Rhein, der uns Ende Mai verlautete aus Düsseldorf: ins Grübeln bringt. Nicht Monate, sondern eher Jahre wer- den wohl vergehen, bis sich in der Düsseldorfer Angelegen- Die Arbeit der Kommission wird voraussichtlich Wochen heit wirklich etwas tut. Und – ja sicher, so sind wir früher oder sogar Monate in Anspruch nehmen. Nach Angaben auch vorgegangen: Erst die Fernleihbestellungen auf den der Uni müssen sich die Mitglieder des Gremiums nun Weg gebracht, wegen der enorm langen Bearbeitungszeiten. sämtliche Literatur beschaffen, die Schavan damals für die Doch wie wäre es denn, wenn man ausnahmsweise zuerst – Dissertation genutzt hat. Möglicherweise seien einige ? Bücher auch gar nicht in den örtlichen Bibliotheken verfügbar und müssten erst per Fernleihe beschafft Wie sie da so am Ufer stehen, kommen uns diese Aus- werden. schüssler doch recht verloren vor. Und wir sind ja gern ge- fällig. Gestern erst haben wir dieser älteren Dame über die Möglicherweise! Genau wusste man das in Düsseldorf an Fürstenrieder geholfen, da wo die Fürstenrieder am ekel- jenem 30. Mai natürlich noch nicht zu sagen, doch zu be- haftesten ist. Warum also nicht auch hier ein wenig behilflich fürchten war: So manches Buch steht möglicherweise gar sein? nicht in der örtlichen Bibliothek! Auf die zuständige Promo- tionskommission und ihren bereits informierten Vorsitzenden Gehen wir also das Verzeichnis der von Schavan zitierten musste sich eine solche Ungewissheit natürlich lähmend Quellen, vulgo Literaturverzeichnis, systematisch durch. auswirken. So gingen dann Monate ins Land, ehe erneut von Vielleicht ist ja doch das eine oder andere Werk in den kar- Düsseldorfer Tätigkeit zu hören war. Der Juni verging ohne gen Beständen der örtlichen Bibliotheken nachgewiesen … jede Nachricht, und auch der Juli verstrich. Eingeweihte Anders als der Ausschuss schreiben wir das Jahr 2012 und wussten: Semesterferien! können den Online-Katalog benutzen. Und – oh Über- raschung! – wir verzeichnen einen Treffer nach dem Gar nicht hoch genug ist da zu loben, dass mitten in solcher anderen: Zeit des akademischen Halbdämmerschlafes, am 15. Au- gust, Journalisten auf ihre erneute Nachfrage von der Uni- 00: psy/c1373 51: dn/0341 00: psy/c4249 00: psy/b3361 versität tatsächlich eine Antwort erhielten, und zwar diese: 02: antd19042.g461 25: phim804.a761 00: rel/b2288 rel Die Überprüfung durch den Promotionsausschuss werde z k 080 00: erz/c4199 00: erz/c7076 25: phig67704.b283 phim240.b348 00: erz/c4405 03: phid49118.b393 vermutlich noch Monate dauern. [...] die Überprüfung sei 00: erz/c4323 erz/c2777 03: phid41204.b587 erz/c4359 aufwendig, da die Arbeit vor relativ langer Zeit eingereicht morb100.b658 00: erz/c4441 relg820.b669 rel z c 800 wurde. Die Quellen seien schwieriger zu beschaffen, als soz/b0036 relm46852.u56 00: STW13574 00: psy/c0699 bei einer kürzlich eingereichten Arbeit. 00: PUR3356 03: erza600.b848(7) 03: phid13802.d536 Auch einen Monat später war auf die hemmende Kraft der 53: da/2166 rell70566.b932 00: psy/c1859 phim810.c329 Düsseldorfer Beschaffungsprobleme Verlass. Am 11. Sep- … tember hieß es: Wir sind inzwischen bis zum Buchstaben “C” gelangt und Um zu einem Ergebnis zu kommen, das “einer wissen- haben auf dieser Teilstrecke ganze zwei (2) Ausfälle zu ver- schaftlichen Überprüfung standhalten kann”, brauche die zeichnen, für die wir auf die Fernleihe zurückgreifen müss- Uni noch mehr Zeit, sagte ein Sprecher. Es sei aufwendig, ten. Alles andere: In Düsseldorf vorhanden. Es ist aber doch die von Schavan zitierten Quellen zu beschaffen. recht unwahrscheinlich, dass sich die Verhältnisse im Be-

http://causaschavan.wordpress.com/ 8 reich von, sagen wir mal, “R” bis “U” ganz anders darstellen, Am 14. Oktober 2012 zeigte sich jedoch plötz- oder dass “G” regalpräsenzmäßig vollkommen versagt. Wir lich, dass die Dinge in Düsseldorf eine ganz unerwartete Richtung genommen hatten. Merk- haben nur keine Lust mehr, das jetzt noch weiter nachzu- lich improvisiert war unter diesen Umständen prüfen, und behaupten einfach: Annähernd 95% der zitierten der erste Beitrag, mit dem Simone G. bei uns Quellen sind vor Ort jederzeit einzusehen. zu Wort kam:

Seit Anfang Mai wird uns nun erzählt, wie ungeheuer schwer es dem Düsseldorfer Ausschuss fallen muss, diese ganzen 14. Oktober 2012 uralten, entlegenen Werke zu beschaffen. Ja in der Tat, es Aktuelle Welle muss schwer sein. Vielleicht aussichtslos. Ohnehin sind die Aussichten vor Ort wohl zumindest stark eingeschränkt. von Simone G. Nach einem Erkundungs-Tiefflug mit GoogleEarth über den Heute morgen fing es schon heftig an zu twittern, und jetzt ist Düsseldorfer Campus halten wir den hässlichen Klotz, der es raus: Der Gutachter der Düsseldorfer Universität scheint jeden Ausblick aus den Fenstern der Philosophischen Fakul- die Vorwürfe von schavanplag in vollem Umfang bestätigt zu tät versperrt, übrigens für – das Bibliotheksgebäude. haben. Das Gutachten wurde offenbar an den SPIEGEL ge- leakt. Verfasst hat es der Prodekan der Fakultät, Professor Stefan Rohrbacher, der auch den Promotionsausschuss leitet. Es dürfte sich also um ein Votum mit Gewicht handeln, und weniger um eine abseitige Einzelmeinung. In seinem 75 Seiten langen Papier kommt Rohrbacher zu dem Schluss, dass sich “das charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise” ergibt. Sogar eine “leitende Täuschungs- absicht” stellt er fest. Das will erst mal verdaut sein. Monatelang Stille und allen- falls Pseudoinformationen aus Düsseldorf, und dann sowas! Zwei Fragen drängen sich auf: 1. Woher haben die Journalisten das Gutachten. Was bedeutet die Veröffentlichung für das Verfahren an der Universität? 2. Rohrbacher beanstandet Textstellen auf 60 der 351 Seiten, also deutlich weniger als schavanplag. Hat er schavanplag abgearbeitet oder tatsächlich selbst untersucht?

Bei mir stellt sich gerade ein Gefühl der Überforderung ein. Und dann finde ich auch noch irgendwo ausgerechnet das hier:

Eisbergzitat macht die große Welle

http://causaschavan.wordpress.com/ 9 Nach der SPIEGEL-Veröffentlichung über das Es bleibt nicht bei kruden Leserbriefen. Als am Mittwoch in Gutachten schlugen die Wellen der Erregung Düsseldorf der Promotionsausschuss tagte, haben Medien- hoch. Die Ministerin war tief getroffen, aber zunächst geriet vor allem die Universität vertreter in der Uni stundenlang vergeblich auf Informationen unter gewaltigen Druck. Politiker, Wissen- gewartet. Während sie sich die Beine in den Bauch standen, schaftsfunktionäre und Medienkommentatoren vertrieben sich einige die Zeit mit dem Austausch von öden erhoben gegen den Gutachter oder auch gegen Botschaften (“gähn”) über Twitter. Dann verbreitete sich sämtliche Mitglieder des Promotionsausschus- doch noch eine Neuigkeit: ses den Vorwurf der Befangenheit, unterstell- ten politische Motive, forderten, dass das Gutachten verworfen werde oder dass nun zu- mindest weitere, externe Fachgutachten ein- geholt würden, oder verlangten gar, dass die Universität das Verfahren ganz in andere Hände abgeben solle. An der Universität Offiziell äußert sich dazu bislang niemand. Aber es ist wohl herrschte Ausnahmezustand. Nebenher kam es mehr als nur ein Gerücht, dass der Vorsitzende der offenbar zu unschönen Begleiterscheinungen: Schavan-Prüfungskommission antisemitisch angefeindet wird. Die Studis wurden inzwischen darüber informiert, dass

die Vorlesungen ihres Professors “in diesem Semester leider 20. Oktober 2012 entfallen müssen“. Gründe wurden nicht angegeben. Aus Es gerüchtet gerade Düsseldorfer AStA-Kreisen kommen Hinweise auf eine akute von Simone G. Situation. Sogar von Polizeischutz wird gemunkelt. Yay, kotz in der Tat. In der FAZ hat in den letzten Tagen nur Heike Schmoll und niemand sonst über die Causa Schavan, das geleakte Gut- achten und den Gutachter geschrieben. Stefan Rohrbacher Diese Gerüchte schienen dann eine Bestätigung ist Professor für Jüdische Studien, was Schmoll nie zu er- in einem Schreiben des Rektors an die Mitar- beiter der Universität Düsseldorf zu finden, wähnen vergisst. Warum ist das so wichtig? in dem es heißt, die am Verfahren Beteiligten Es steht bekanntlich der Einwand im Raum, dass nur jemand seien „bis zur Bedrohung reichenden, sehr vom Fach (Erziehungswissenschaft) die Dissertation von privaten Nachstellungen und unflätigsten Be- schimpfungen ausgesetzt“ gewesen. – Die FAZ- Schavan kompetent beurteilen kann. Schmoll will also viel- Redakteurin Heike Schmoll verdient unter vie- leicht darauf hinweisen, dass die Zugehörigkeit zu einem len bemerkenswert irreführend und voreinge- anderen Fach in dieser Sicht ein Problem darstellt. Das wäre nommen berichtenden und kommentierenden legitim. Aber wie legitim ist eine kaum verhüllte Ausfälligkeit Medienleuten in der Causa Schavan immer wie- gegen den Gutachter, weil er ein bestimmtes anderes Fach der besondere Hervorhebung. Auch deshalb, weil sie ganz offensichtlich nicht nur die vertritt? So schreibt Schmoll am 15. Oktober: “Der Judaist unbeteiligte Beobachterin war, als die sie Stefan Rohrbacher” habe die Mängel der Dissertation so sich gab. Wie zum Beispiel wäre sonst folgen- akribisch dargestellt, “als gehe es darum, einen apokryphen de Merkwürdigkeit zu erklären? Text des Alten Testaments zu kollationieren.”

Nicht jeder Orientalist ist Orientale. Über den Judaisten 20. Oktober 2012 Rohrbacher ist wenig bekannt, aber auch wer nicht den Nur Sekundäres aus dem Tertiär SPIEGEL liest, kann sich zusammenreimen, dass er Jude ist. Das tut wohl auch der Leserbriefschreiber, der am 17. von A.M. Schnierl Oktober im Münchner Merkur weiterreimt: Zum wiederholten Male geraten deutsche Spitzenpolitiker Eigentlich wollte ich diesen Beitrag “Heike schmollt” nennen. ins Visier von merkwürdigen Persönlichkeiten. Was moti- Aber das wäre unter Niveau gewesen, und gestimmt hätte es viert diese Leute, sich wochenlang mit Dissertationen zu auch nicht: Denn Heike schmollt ja nicht, sondern sie tobt beschäftigen, die bereits Jahrzehnte auf dem Markt sind? und wütet und läuft völlig aus dem Ruder und beißt beiseite, Ferner ist es interessant, wer diese Personen finanziert was ihr im Wege steht und sich etwa auch äußern wollte zur und wer dahinter steckt. Herr Rohrbacher, Professor für Causa Schavan. Und wenn man im Büro in ihrer Reichweite Jüdische Studien, hat offensichtlich Zeit genug, um hier sitzt und zum Beispiel Jürgen Kaube heißt, dann hebt man in nachzuforschen. Könnte es sein das hier versteckte Per- diesen Tagen den Kopf besser gar nicht erst über Papier- sonen, Lobbyisten oder möglicherweise sogar andere korbhöhe oder bleibt gleich ganz daheim. Eh wurscht, denn Staaten dahinterstecken, um indirekt und versteckt Ein- man kriegt ja im eigenen Blatt ohnehin keine Zeile mehr fluss auf die deutsche Politik zu nehmen? Ich bin kein veröffentlicht. Freund von Frau Schavan, aber die Häufigkeit der Nach- Heike dagegen, Heike ist mächtig in Schwung, und sie forschungen nimmt zu. Das wäre doch mal eine Aufgabe breitet sich aus über die Seiten, dass es nur so seine Art hat. für den BND, hier mal nachzuforschen, Klarheit wäre Gleich am Montag ging’s los. Die Frankfurter Allgemeine wünschenswert. Zeitung vom 15. Oktober 2012 eröffnet auf der Titelseite mit Für die Antisemiten ist aber sowieso schon klar, wer hier einem großen Leitartikel über das Düsseldorfer Gutachten: finanziert und wer dahinter steckt. “Schwere Plagiatsvorwürfe gegen Schavan“, der geht auch noch auf der zweiten Seite weiter und ist von Heike Schmoll. Ein sachlicher Text ist das, der bei dem Versuch, die erhobe-

http://causaschavan.wordpress.com/ 10 nen Vorwürfe zu benennen und in ihrer Tragweite zu schil- Was steht sonst noch in der FAZ an diesem Montagmorgen? dern, allerdings eher abzuwinken scheint: Wir blättern wieder zurück zur Titelseite – und da erst springt sie uns ins Auge: Die Glosse zum Leitartikel von Heike Es handelt sich also um das in den Geisteswissenschaften Schmoll. Sie heißt “Ohne Anhörung” und ist ebenfalls von durchaus übliche paraphrasierende Verfahren eines Heike Schmoll. Forschungsberichts [...] Bevor wir uns diesem starken Stück Qualitätsjournalismus Und wenig später noch einmal: zuwenden, sei erst einmal gesagt: Respekt! Der Leitartikel Im Wesentlichen handelt es sich also um bekannte Prak- und der Hintergrundbericht und die Glosse – also, tiken: Es gibt Passagen, in denen Teile des Gedanken- Reeeeeeespekt! Unsereins kaut halbe Tage lang am Griffel, gangs in Anlehnung an andere Literatur entwickelt wurden, aber die Heike! Haut einen Artikel nach dem anderen ‘naus, ohne kenntlich zu machen, dass die Referenzen nicht nur als wär’s nix. für die Einzelzitate, sondern auch für weitere Paraphrasen Das Thema liegt ihr aber auch wirklich am Herzen, das merkt des Textes genutzt wurden. man. Sie muss an diesen Artikeln das ganze Wochenende – Das sind also bekannte Praktiken, und wenngleich der sach- Halt! So viel Zeit hatte sie gar nicht. Tatsächlich war sie am liche Leitartikel diese Frage nicht ausdrücklich stellt, so ist Sonntag deutlich vor Redaktionsschluss mit allem fertig. In doch zu fragen, was man von diesem Gutachten am Ende der Online-Ausgabe steht der Hintergrundbericht nämlich mit halten soll. dem Datums- und Zeitstempel 14.10.12 17:28, für die Glosse Inzwischen sind wir nämlich am Ende des Leitartikels ange- ist 14.10.12 15:35 vermerkt, und für den Leitartikel sogar langt, auf der Seite 2, und da fällt uns auf der Seite 3 ein 14.10.12 10:04. weiterer Artikel zur Sache auf: “Wie aus einem früheren Wie hat sie das geschafft? Leben“, der ist auch von Heike Schmoll und bringt zunächst etwas menschlichen Hintergrund. Da begegnen wir der Nun, wahrscheinlich wussten Journalisten nicht erst seit Bundesbildungsministerin: Sonntagfrüh, was da beim SPIEGEL im Gange war. Und unter Kollegen ist man einander auch schon mal behilflich. zurückhaltend, auf leise Töne setzend, sachorientiert, ein Jedenfalls lag Heike Schmoll der Artikel über das Gutachten, Kind des Bildungsaufstiegs. Sie war die erste in ihrer der erst anderntags in der Print-Ausgabe des SPIEGEL er- Familie, die studierte. schien, am Sonntagmorgen bereits vor. Das lassen mehrere Ein wenig überfordert war sie wohl auch, damals, denn das Zitate und prägnante Formulierungen ihres Leitartikels er- Thema ihrer Dissertation kennen, die diesem SPIEGEL-Artikel exakt entsprechen. Und Heike nennt ja auch ausdrücklich die Quelle ihrer ist vermutlich zu weit gefasst, birgt Gefährdungen in sich, Informationen über das denen die damals 25 Jahre alte Studentin wohl erlegen ist: der Kompilation einer großen Menge von Sekundärtexten Gutachten, das durch eine Indiskretion vorzeitig an die mit Zettelkästen, Exzerpten und Sekundärzitaten. Öffentlichkeit gelangte. Wie die Zeitschrift „Spiegel“ berichtet, stammt das Gutachten von dem Düsseldorfer Man weiß jetzt nicht so recht, wie sich das verhält mit diesen Judaisten Stefan Rohrbacher, der als Prodekan dem Sekundärtexten und den Sekundärzitaten – aus den Sekun- Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät därtexten? Wären das dann nicht schon Tertiärzitate? Primär vorsitzt. geht es jedenfalls darum, dass die blutjunge Annette Scha- van sich zwar irgendwie schon auch an den allgemeinen Aber – Regeln messen lassen muss, aber bloß sekundär, und dass schon wieder: Haaalt! Irgendwas ist da merkwürdig. Das sich seit dem mittleren Tertiär doch gewaltig was getan hat in schauen wir uns lieber noch einmal genauer an. der Wissenschaft. Und in der Erziehungswissenschaft erst recht! Das kann man glatt vermuten. Und also Der SPIEGEL lässt uns Einblick zumindest in einzelne Stel- len des Gutachtens nehmen. Zu Seite 63 der Dissertation vermuten Professoren und Vertreter von Wissenschaftsor- urteilt der Gutachter demnach, sie ganisationen, dass die paraphrasierenden Teile von etwa 70 Prozent der geisteswissenschaftlichen Dissertationen bestehe “in ihrem ersten Drittel vollständig aus wörtlich den heutigen, weitaus strengeren Zitierregeln nicht mehr übernommenen oder (ohne erkennbaren sprachlichen standhielten. Das gilt erst recht für die Dissertationen in oder inhaltlichen Gewinn) abgewandelten Fragmenten” der Erziehungswissenschaft. eines Textes von Niklas Luhmann, die jedoch nur In der Erziehungswissenschaft, in der seit jeher ganz fabel- vereinzelt als solche kenntlich gemacht würden. haft besondere Verhältnisse zu vermuten sind, gilt das nicht nur für etwa 70%, sondern erst recht für etwa 70%. Wir müs- Im Leitartikel der Heike Schmoll – der ja auf den SPIEGEL- sen diese recht präzise Schätzung von etwa 70% also noch Artikel als Quelle zurückgreift – heißt es ganz entsprechend: mal mit dem Faktor “erst recht” multiplizieren, und das dürfte Der Gutachter schreibe zu dieser Seite, sie für die Erziehungswissenschaft des mittleren Tertiärs dann setze sich „in ihrem ersten Drittel vollständig aus wörtlich einen Gültigkeitswert von annähernd 79% ergeben, oder übernommenen oder (ohne erkennbaren sprachlichen auch von etwa 97%, je nachdem was wir vermuten. Es oder inhaltlichen Gewinn) abgewandelten Fragmenten“ müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn unter solchen eines Textes von Niklas Luhmann zusammen, die jedoch Umständen ausgerechnet die Dissertation der Ministerin ihre nur vereinzelt als solche kenntlich gemacht würden. Gültigkeit verlieren würde.

http://causaschavan.wordpress.com/ 11 Eine eindeutige Sache: Schmoll kennt den SPIEGEL-Artikel 22. Oktober 2012 und bezieht aus ihm ihre Kenntnis des Gutachtens. Heikle Frage Im SPIEGEL-Artikel heißt es weiter: von A.M. Schnierl

Der Gutachter scheint manchmal erschrocken zu sein, als Der journalistische Schaffensdrang, von dem Heike Schmoll er die Doktorarbeit auseinandernahm, einmal schreibt er: am Wochenende des 13./14. Oktober 2012 jählings befallen “Die flüchtig angewandte Collage-Technik führt mehrfach worden zu sein scheint und von dessen Früchten die Frank- zu sprachlichen, sprachlogischen und inhaltlichen Proble- furter Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 15. Oktober men.” so reiche Zeugenschaft ablegt, ist wahrlich staunenswert. Einem aufmerksamen Beobachter mag sich dieser Drang Hoppala! Im FAZ-Leitartikel – wie kann es sein? – liest man der Journalistin, die Causa der Annette Schavan aus der hier unvermutet Genaueres: Welt zu schaffen, allerdings schon früher gezeigt haben. An anderer Stelle heißt es, der Textausschnitt „erweist sich Bereits am 9. Mai 2012 nämlich war es Heike Schmoll, die als Collage von Versatzstücken aus einer Arbeit von Hel- ausgiebig Wolfgang Frühwald und Gerhart von Graevenitz in mut Fend. Als Zitat ausgewiesen sei jedoch nur ein Halb- dieser Sache zu Wort kommen ließ. So wusste man als FAZ- satz. Die flüchtig angewandte Collage-Technik führe mehr- Leser schon eine Woche nach der Erstveröffentlichung der fach zu sprachlichen, sprachlogischen und inhaltlichen Plagiatsvorwürfe auf schavanplag, dass der Tatbestand des Problemen. Plagiats nicht erfüllt war. Der frühere DFG-Präsident Früh- wald hatte das bei seiner von ihm persönlich vorgenomme- Die Heike! Ja da schau her! nen, gründlichen Untersuchung der Dissertation festgestellt, Wir wollen jetzt nicht über die vergessenen Schlusszeichen und der frühere Konstanzer Universitätsrektor von Graeve- für das Zitat rechten. Schon deshalb nicht, weil es dieses nitz hatte das bei seiner von ihm persönlich vorgenomme- Zitat aus dem SPIEGEL, der aus dem Gutachten zitiert, ja nen, gründlichen Untersuchung der Dissertation auch fest- gar nicht geben kann. Weil nämlich im SPIEGEL-Artikel gestellt. nirgendwo davon die Rede ist, das sich etwas als etwas Nebenher war es im Zuge der von Graevenitz’schen Unter- “erweist”, und auch von einer Collage von Versatzstücken suchung noch zu einer Entdeckung gekommen. Der Kon- nicht, und auch nicht von Helmut Fend. Also kann Heike stanzer Forscher hatte nämlich eine Technik entdeckt, oder Schmoll das gar nicht als Zitat niedergeschrieben haben. vielmehr eigentlich eine bei Geisteswissenschaftlern und Nicht als Sekundärzitat, und schon gar nicht als Primärzitat, insbesondere in der Erziehungswissenschaft verbreitete denn dann hätte sie ja direkt aus dem Düsseldorfer Gut- Praxis, die Eisbergtechnik genannt wird. Es geht hierbei um achten zitiert. Und woher und von wem hätte sie das denn, eine Zitierweise, bei der sich nur die Spitze der Zitate offen bitt’ schön, haben sollen, an diesem Sonntag, dem 14. Ok- zeigt, während die Masse dieser Eisbergzitate unterhalb der tober 2012, vor 10:04 Uhr? Oberfläche dahindümpelt. Man sieht sie nicht, aber man Von den Kollegen vom SPIEGEL sicher nicht. Denn wir weiß doch immer: Wo eine Spitze ist, da ist auch ein Berg. dürfen mit froher Gewissheit ausschließen, dass die Kol- Diese Eisbergtechnik geht also völlig in Ordnung, weshalb legen vom SPIEGEL zu einem journalistischen Potlatch- sie nicht nur in der Dissertation von Annette Schavan, son- System tendieren. dern auch in der Elektronik zur Anwendung kommt, nämlich bei der Fertigung von Platinen, als Weiterentwicklung der Also können wir davon ausgehen, dass Heike das vertrau- Dickkupfertechnik übrigens. Jenseits dieser beiden Anwen- liche Gutachten aus Düsseldorf an diesem Sonntag, dem 14. dungsbereiche (Herstellung der Dissertation Schavan, Her- Oktober 2012, so gegen 10:04 Uhr, keinesfalls in der Hand stellung von Leiterplatten) sowie außerhalb von Konstanz- gehabt hat. Soviel wissen wir nun: Sie hat es nicht gehabt. Egg im Nahbereich der Eggerhaldestraße ist die Eisberg- Wir wissen nur noch nicht, von wem sie es nicht gehabt hat. technik allerdings bislang weniger bekannt. Am Sonntag, dem 14. Oktober 2012, spätestens um 10:04 Uhr. Aber das finden wir auch noch raus. Überhaupt lässt ja die Weiterentwicklung der Kupfertechnik in vielen Wissenschaftsbereichen immer noch zu wünschen Ja und, wos is jetz nachad mit dera Gloss’n? übrig. Annette Schavan dagegen hatte sich vor 32 Jahren Des kriag ma scho no. Späta. bereits auf einen interdisziplinären Ansatz eingelassen, was damals für junge Promotionsstudenten nachgerade ein Wag-

nis gewesen ist, wie ihr Doktorvater Gerhard Wehle gerne bestätigt. Und auch uns will die Verbindung von Methoden aus der Erziehungswissenschaft, der Moraltheologie und der

Hochstrom-Elektronik bei der Analyse der Gewissensbildung sehr mutig erscheinen. Soweit also zu den Ergebnissen der Überprüfung der Disser- tation durch Frühwald sowie zu den Resultaten der gleichzei-

tigen, aber von Frühwald ganz unabhängigen Überprüfung derselben Dissertation durch von Graevenitz. Wenig später haben sich Frühwald und von Graevenitz dann übrigens

auch gemeinsam öffentlich und mit allem Nachdruck gegen ein Klima des Verdachts und der Bedrohung gewandt, aber

http://causaschavan.wordpress.com/ 12 das entsprang einer allgemein gesellschaftlichen Sorge und früher, denn sie musste offenbar später nicht auch noch in hatte speziell mit der Angelegenheit Schavan nichts zu tun. die Deutsche Nationalbibliothek aufgenommen werden. Von Heike Schmoll war in dieser Sache erneut am 30. Mai Das war die FAZ vom 30. Mai 2012. Im Juni, Juli, August hat zu lesen. Inzwischen hatte Martin Heidingsfelder den Vor- Heike Schmoll eine ruhige Zeit, was die Causa angeht. Auch wurf des Eigenplagiats öffentlich gemacht: Die Bundesbil- der Rückzug der Annette Schavan aus dem CDU-Parteivor- dungsministerin habe in ihrer Dissertation nicht nur von stand scheint ihr keine besondere Schaffensdrangsal zu be- anderen, sondern auch von sich selbst abgeschrieben. Es reiten, aber auch Annette Schavan selbst scheint davon ja geht da um einen Sammelband, den Annette Schavan bemerkenswert unberührt. Der September verstreicht ohne damals gemeinsam mit dem Freiburger Religionsphiloso- Besonderheiten, nur das Warten auf den Spruch aus Düssel- phen Bernhard Welte herausgegeben hatte und in dem auch dorf dauert allmählich doch schon arg lang. ein Aufsatz der Annette Schavan abgedruckt ist, dessen Text Und dann kommt dieser Oktober, in dem Heike tobt und sich weitgehend so oder (sehr) ähnlich in ihrer Dissertation wütet und völlig aus dem Ruder läuft, und wenn man im Büro wiederfindet. Beide Publikationen, der Sammelband und die in ihrer Reichweite sitzt und vielleicht auch mal etwas zur Dissertation, erschienen 1980. Nun ist die empfindliche Causa schreiben will, aber vielleicht anders als Heike, dann Frage: Was war Henne, was war Ei? Wäre nämlich die Dis- bleibt man besser gleich ganz daheim. Oder man packt sein sertation erst nach dem Sammelband mit seinen gleichlau- Geraffel und schleicht sich erst einmal fort aus der FAZ, zum tenden Texten gelegt worden, dann hätte die Doktorandin Beispiel in die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, wo damals gegen die Promotionsordnung verstoßen und gegen- man dann darauf wartet, dass sich die Heike endlich wieder über der Fakultät eine falsche Versicherung abgegeben. fängt. Schmoll löst dieses heikle Problem auf elegante Art: So, jetzt langt’s. Die Glosse … nächstes mal. Nach Recherchen dieser Zeitung stammt das Vorwort in [dem] Sammelband [...] aus dem Mai 1980. Doch der Sammelband selbst [...] erschien im Dezember 1980 im

Patmos-Verlag. Erst 1981 wurde er in die Deutsche Nationalbibliothek aufgenommen. Heidingsfelder hat sich

also nur am Datum des Vorworts orientiert. 27. Oktober 2012 Die Recherchen dieser Zeitung werden wohl von der Einmal Glosse krass, bitte! Rechercheabteilung durchgeführt worden sein, die diese von A.M. Schnierl Zeitung für solche Zwecke eigens unterhält. Lauter Profis, denen Mittel und Wege der Recherche zu Gebote stehen, an Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Oktober 2012 in die unsereins noch nicht einmal denkt. So eine Recherche Sachen Annette Schavan – das ist Qualitätsjournalismus dieser Zeitung, das ist schon was völlig anderes als irgend pur. Dafür steht Heike Schmoll. Und niemand sonst. Sie er- eine simple Unterhaltung, sagen wir mal, beim Frühstücksei. öffnet auf den Seiten 1 und 2 mit einem großen Leitartikel Das kann die Heike Schmoll unmöglich selbst machen. Das und betont dann auf der Seite 3 in einem weiteren Beitrag machen Profis für sie, und wie sie das dann gemacht haben, eher das Menschliche. Heftig engagiert ist sie in dieser An- das weiß die Heike Schmoll gar nicht und kann deshalb auch gelegenheit, und mächtig in Fahrt, und man kommt ihr jetzt gar nicht sagen, woher diese Zeitung jetzt weiß, dass der besser nicht in die Quere, wie sie da tobt und wütet und Sammelband im Dezember erschienen ist. Der Heidingsfel- völlig aus dem Ruder läuft. der dagegen ist kein Profi. Der stümpert bloß ‘rum und hat sich nur am Datum des Vorworts orientiert. Mai – lachhaft. Nun muss ein Leitartikel in der FAZ einigermaßen manierlich Dezember ist ja viel später, das haben wir gleich bemerkt. abgefasst sein, das weiß auch Heike. Und auch auf Seite 3 kann man nicht einfach schreiben, wie man mag. Doch es Der Sammelband ist also im Dezember erschienen. Und gibt ja noch die Glosse, auf der Titelseite, direkt neben die- wurde sogar noch später, erst 1981, in die Deutsche Natio- sem Leitartikel, der ja leider so butterweich formuliert werden nalbibliothek aufgenommen. Das ist deshalb nicht unwichtig, musste. Und in ihrem schier unbändigen Schaffensdrang weil so ein Sammelband vorher eigentlich gar nicht zählt. Die übernimmt Heike nun auch noch gleich die Glosse, hier Dissertation dagegen, schafft sie sich ordentlich Luft. Es ist klar: Diese Glosse wird die im Sommer eingereicht und im Oktober 1980 begut- heute das wichtigste sein in dieser FAZ. Ein richtiger Reißer. achtet wurde, ist ebenfalls im Dezember 1980 veröffent- “Ohne Anhörung” soll diese Glosse heißen, denn das ist die licht worden. Das Vorwort ist auf den 1. Dezember datiert.1 größte Gemeinheit, wenn man einmal von der Gemeinheit Während sich Heidingsfelder nur am Datum des Vorworts des Plagiatsvorwurfs als solchem absieht: Dass Annette des Sammelbandes orientiert hat, was natürlich so nicht Schavan noch nicht einmal angehört worden ist vom Promo- geht, hat sich Heike Schmoll am Datum des Vorworts der tionsausschuss in Düsseldorf, bevor das Gutachten an die Dissertation orientiert, und daraus kann man dann ablesen, Öffentlichkeit gegeben wurde. Eine Anhörung hätte unbe- wann diese Dissertation veröffentlicht worden ist. Nämlich dingt sein müssen. In jedem Fall. keinesfalls später als der Sammelband, und eigentlich sogar Das Düsseldorfer Gutachten ist vorzeitig bekannt geworden. Das ist schlimm, gar keine Frage. So etwas ist in jedem Fall schlimm. Heike Schmoll aber weiß, dass es im Fall einer 1 Hier hat A.M. Schnierl eine weitere Merkwürdigkeit glatt übersehen: Ministerin ganz besonders schlimm sein kann, denn: Woher wusste Heike Schmoll, dass die Gutachten über die Doktor- arbeit vom Oktober 1980 stammten?

http://causaschavan.wordpress.com/ 13 Dem niedersächsischen Kultusminister Althusmann (CDU) Doch die Universität hat Frau Schavan bisher keine Ge- hatte es einst den Kopf gerettet, dass die Potsdamer Uni- legenheit dazu gegeben. Zuweilen wird das Gewicht der versität bei aller sonstigen Unbeholfenheit wenigstens Argumente eben auch aus der Popularität der angegriffe- darauf geachtet hatte, das Gutachten unter Verschluss zu nen Person bezogen. Das lässt die Plagiatsvorwürfe halten. Das ist der Heinrich-Heine-Universität nicht ge- gegen Politiker, so berechtigt sie sein mögen, so abge- lungen. schmackt erscheinen.

Nein, der Heinrich-Heine-Universität ist es nicht gelungen, Jetzt gerad’ ist mir das Düsseldorfer Verfahren nicht ganz so das Gutachten unter Verschluss zu halten. Sie hätte der klar. Was is des mit dem G’wicht der Argumente? Es ist halt Bundesbildungsministerin damit den Kopf retten können, bei so bei einer solchenen Glosse, da ham’s wenig Platz und da aller sonstigen Unbeholfenheit – und allerlei Unbeholfen- ist dann manches vielleicht ein wenig verkürzt, was mehr heiten mögen im Potsdamer Fall ja durchaus vorgekommen erklärt werden könnte. Die Frau Schmoll hat ja das mit dem sein: Aber das ist alles verzeihlich, Schnee von gestern, korrupten Wissenschaftler noch unterbringen müssen und denn den Kopf haben sie dem Minister dann ja doch gerettet, die ganzen anderen Fakten, die ihr wichtig sind, da ist das damals in Potsdam. Ob das der Universität in Düsseldorf nun hier gegen Ende halt ein wenig eng. Aber verstehen kann noch gelingen wird, erscheint fraglich. man’s schon, was sie sagen will: Wird hier ein politisch brisantes Verfahren nur in Unbeholfen- In Düsseldorf wollte man Annette Schavan nicht anhören, heit verstolpert? Nein. Man muss es leider, leider sagen: In weil sie – eine Politikerin ist, und zwar eine sehr, sehr popu- Düsseldorf tut sich ein Abgrund auf. läre, und dieses ganz besondere Popularitätsgewicht der angegriffenen Person war der Universität Grund genug für Das Gutachten wurde aus dem Promotionsausschuss ein Verfahren ohne Anhörung. Bei einer Anhörung nämlich einer Zeitschrift zugespielt, womöglich verkauft. Wie kor- wäre das ganze Kartenhaus aus abgeschmackten Plagiats- rupt muss man als Wissenschaftler eigentlich sein, um vorwürfen gegen die Politikerin unter dem popularitätsbe- derlei Indiskretionen zu begehen? dingten Gewicht ihrer Argumente unweigerlich in sich zu- Und wieder freuen wir uns ganz besonders, dass wir das sammengebrochen, und der dabei entstehende Krater – man Abonnement der Frankfurter Allgemeinen Zeitung immer steht in dieser Universität ohnehin schon nah am Abgrund. noch nicht gekündigt haben. Nur ein zertifiziertes Organ des Also keine Anhörung der gefährlich Argumentsgewichtigen. Qualitätsjournalismus nämlich kann und wird sich auch in Ganz anders ehedem in Bayreuth. Und auch in einem wei- diesen Zeiten noch den Luxus einer eigenen, kostenträchti- teren Punkt drängt sich ein Vergleich mit der Alma Mater des gen, aber eben durch und durch professionellen Abteilung einstigen Verteidigungsministers auf, und wieder schneidet für investigative Qualitätsrecherche im Hause leisten. Und so Düsseldorf im Vergleich ganz grausig schlecht ab: Methode, dürfen wir mit wohligem Erschrecken nicht nur zur Kenntnis Kriterien und Zielrichtung des Düsseldorfer Prüfverfahrens nehmen, dass das Gutachten einer Zeitschrift zugespielt sind völlig untauglich, denn es wird wurde – nein, wir erfahren: Das Gutachten wurde die Überprüfung der Vorwürfe in dem Gutachten systema- 1. aus dem Promotionsausschuss tisch mit der Überprüfung der Täuschungsabsicht ver- 2. womöglich gegen eine Geldzahlung mischt. Genau das hatte die Universität Bayreuth im Fall Guttenberg bewusst vermieden. 3. von einem Wissenschaftler Eine solche systematische Vermischung der Überprüfung an eine Zeitschrift weitergegeben. Wobei es sich bei (2) um der Vorwürfe mit der Überprüfung der Täuschungsabsicht ist eine Möglichkeit handelt, und bei (1) und (3) um Fakten. Da selbstverständlich nicht statthaft. Das hätte nie passieren wird sorgfältig unterschieden bei der FAZ, und dafür steht dürfen, und man muss sich schon sehr wundern über den Heike Schmoll. Ja, Qualitätspresse lesen! Schon über’m Gutachter. Denn schließlich ist die Täuschungsabsicht kein Frühstückskaffee ist man deutlich besser informiert als das Vorwurf, sondern eine Absicht und gehört deshalb hier gar G’schwerl in der Nachbarschaft. nicht geprüft. Aber die Vorgänge in Düsseldorf, wo die Unbeholfenheit der In Bayreuth war man da umsichtiger. Bewusst vermieden hat Wissenschaftler im Promotionsausschuss nur noch von ihrer man es dort, die Überprüfung der Vorwürfe mit der Über- Korruptheit übertroffen wird, diese skandalösen Vorgänge prüfung irgendwelcher Absichten zu vermischen, weil es lassen nicht nur milde auf das zwar nicht ganz mustergültige, nämlich solche Absichten wohl gar nicht gab. Man kann das aber ministerkopfwahrend zum Abschluss gebrachte Verfah- hier nachlesen: ren in Potsdam zurückblicken. Im Nachhinein lassen die Düsseldorfer Merkwürdigkeiten sogar Da Herr zu Guttenberg den Täuschungsvorsatz bestreitet, die konzentrierte Arbeit der Universität Bayreuth an der hätte eine Aberkennung wegen Täuschung [...] voraus- Dissertation des Karl-Theodor zu Guttenberg als geradezu gesetzt, ihm zunächst die Möglichkeit einer Anhörung untadelig erscheinen einzuräumen und sich mit seinen Einlassungen auseinan- derzusetzen. Dies hätte die Aberkennung des Titels zeit- Es ist ja aber auch wahr: Der Promotionsausschuss hätte die lich stark verzögert. Im Interesse der Wissenschaft musste Ministerin unbedingt anhören müssen, bevor ein korrupter jedoch zeitnah gehandelt werden. Wissenschaftler das Gutachten (womöglich gegen Geldzah- lung) aus dem Promotionsausschuss einer Zeitschrift zuge- Da also in Bayreuth nicht die Absicht bestand, die Zeit der spielt hat. Die Anhörung ist der Heike Schmoll ganz wichtig, Kommissionsmitglieder zu vergeuden, konnte man sich dort deshalb steht sie ja schon in der Überschrift. natürlich auch nicht mit irgendwelchen Absichten des

http://causaschavan.wordpress.com/ 14 Ministers befassen, sofern das eine zeitraubende Anhörung die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß die untersuchte nötig gemacht hätte. Ein Verfahren mit klaren Prioritäten, Arbeit Verstöße gegen die Regeln guter wissenschaftlicher und rasch ging es auch: Nach sieben Tagen war man in der Praxis enthält, und ob festgestellte Verstöße die Einleitung Promotionskommission fertig mit Karl-Theodor zu Gutten- des eigentlichen Rücknahmeverfahrens erforderlich machen. berg. Die nähere Regelung der Verfahrensweisen und Zuständig- Heike Schmoll findet diese Vorgehensweise, diese konzen- keiten ist an den Universitäten und Fakultäten nicht trierte Arbeit, im Rückblick geradezu untadelig. Deshalb einheitlich. So wurde z.B. im Fall des niedersächsischen heißt ihre Glosse ja auch “Ohne Anhörung“: Weil dieses Bildungsministers Bernd Althusmann diese Vorprüfung durch Verfahren nachgerade modellhaft ist. Und so mahnt sie die den Dekan der betroffenen Fakultät an der Universität Düsseldorfer dann auch nachdrücklich: Potsdam vorgenommen und das anschließende förmliche Rücknahmeverfahren einer eigens gebildeten “Kommission Nach dieser Vorgeschichte wäre der Fakultätsrat gut be- zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehl- raten, ein weiteres, externes Gutachten einzuholen, um verhaltens” übertragen. In Düsseldorf wurde dagegen der sein Urteil auf eine breitere Grundlage zu stellen, auch Promotionsausschuss mit der Vorprüfung beauftragt, wäh- wenn sich das Verfahren dadurch noch mehr in die Länge rend das Rücknahmeverfahren offenbar in der Zuständigkeit zöge. des Fakultätsrats liegt. Diesem plausiblen Rat zum Schluß wollen wir uns gerne Dem Promotionsausschuss der Fakultät gehören neben dem anschließen. Ein weiteres, externes Gutachten kann leicht Prodekan, der den Vorsitz führt, drei weitere Vertreter der alles wieder ins Lot bringen. Und wir wollen für die Düssel- Gruppe der Professorinnen und Professoren, zwei Vertreter dorfer hoffen, dass Heike Schmoll dann eines Tages mit der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter und ein Ver- jener milden Nachsicht auf das Düsseldorfer Loch schauen treter der Studierenden an. Alle Mitglieder des Ausschusses kann, die wir heute in ihrem Blick auf Potsdam gefunden haben einfaches Stimmrecht. haben. Bereits im Zuge der Vorprüfung ist der betroffenen Person Fast möcht’ ich drauf wetten. Gehör zu gewähren. Dies geschieht durch persönliche An- hörung oder durch die Gelegenheit zur schriftlichen Stellung- In der erbittert geführten Kontroverse um das nahme und setzt in jedem Fall die umfassende Information Verfahren der Düsseldorfer Universität gingen über den Gegenstand und den Gang des Verfahrens voraus. Wissen, Meinen und Behaupten offenbar wild Im Bedarfsfall können auch externe Gutachten eingeholt durcheinander. Wir kannten uns da auch nicht werden. Die betroffene Person unterliegt ihrerseits in der mehr aus. Anscheinend war das ja alles völlig Möglichkeit, unterstützende Stellungnahmen, Gutachten und willkürlich? Oder doch vollkommen korrekt? weitere Materialien vorzulegen, keiner Einschränkung. Juristischer Sachverstand musste her. So kam RA Bongartz ins Boot: Auf der Grundlage der Empfehlung des Promotionsaus- schusses entscheidet der Fakultätsrat über die Einleitung des Rücknahmeverfahrens. Dem Fakultätsrat gehören acht 21. November 2012 Vertreter der Gruppe der Professorinnen und Professoren Das Düsseldorfer Prüfungsverfahren an, zwei Vertreter der Gruppe der wissenschaftlichen Mit- von RA Bongartz arbeiter, zwei Vertreter der Gruppe der nichtwissenschaft- lichen Mitarbeiter und drei Vertreter der Studierenden, ferner Das Prüfungsverfahren an der Universität wurde in Gang ge- der Dekan, der den Vorsitz führt, und der Prodekan als sein setzt, nachdem die Plagiatsvorwürfe eines anonymen Blog- Stellvertreter, jedoch beide ohne Stimmrecht. gers gegen die Dissertation von Annette Schavan am Im Rahmen des Rücknahmeverfahrens kann der Fakultätsrat 2. Mai 2012 auf der Internetplattform schavanplag öffentlich bzw. der Dekan weitere Expertisen oder weitere Stellung- gemacht worden waren. Annette Schavan hatte ihrerseits die nahmen der betroffenen Person einholen. Da das Recht auf Universität um eine Prüfung gebeten. Seitens der Universität Gehör nicht an Fristen gebunden ist, kann die betroffene wurde jedoch stets betont, dass in solchem Fall grundsätz- Person ihrerseits bis zum Abschluss des Verfahrens jeder- lich eine Verpflichtung zur Überprüfung besteht. Ferner zeit weitere Stellungnahmen und Unterlagen einreichen, die wurde betont, dass das Vorgehen in der Causa Schavan der jeweils entsprechend zu berücksichtigen sind. in solchen Fällen üblichen Verfahrensweise entspreche. Ein bereits eingeleitetes Rücknahmeverfahren kann auf Das Verfahren liegt in der Zuständigkeit der Philosophischen Beschluss des Fakultätsrats jederzeit eingestellt werden. Fakultät, die seinerzeit den Doktorgrad vergeben hatte. For- mal handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren zur Rück- Am Ende des Rücknahmeverfahrens kann der Entzug des nahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Maßgeblich akademischen Grades stehen. Der Fakultätsrat kann sich sind als Rahmenordnungen das Verwaltungsverfahrens- jedoch auch für eine mildere Sanktion (“Rüge”) entscheiden gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (§ 48) und die gülti- oder zu dem Schluss kommen, dass eine Rücknahme der ge Promotionsordnung der Fakultät (§§ 20, 21). Die überge- Verleihung des akademischen Grades unterbleibt. Bei ihrer ordnete Rechtsaufsicht liegt beim Landesministerium für Entscheidung muss die Fakultät den Spielraum des Ermes- Innovation, Wissenschaft und Forschung. sens nutzen. Dem Rücknahmeverfahren ist zunächst eine Vorprüfung vor- Im Fall Schavan hat der Promotionsausschuss Medienbe- geschaltet. Hauptsächlicher Gegenstand der Vorprüfung ist richten zufolge zunächst eine Professorin der Erziehungs- wissenschaft, die selbst nicht dem Ausschuss angehört, mit

http://causaschavan.wordpress.com/ 15 der Ermittlung des Sachverhalts beauftragt. Nachdem diese schreiben können: “Wir haben uns im Sommer schon mal den Auftrag aus persönlichen Gründen zurückgegeben habe, zur Sache geäußert. Übrigens ist einer von uns persönlich sei der Ausschussvorsitzende mit dieser Aufgabe betraut ‘betroffen’ als Autor, der in der Dissertation nicht ordentlich worden. (1) Weitere Gutachter wurden bislang offenbar nicht zitiert wurde”? hinzugezogen. Seitens der Universität wurde jedoch betont, Wahrscheinlich gibt ja der Beitrag der beiden Autoren vom dass dies jederzeit noch möglich sei. Sommer näheren Aufschluss. Wie gut, dass wir die ganzen Nach einer Sitzung des Promotionsausschusses am 17. Ok- alten Zeitungen “erst mal noch aufbewahrt” haben. Und tat- tober 2012 wurde durch den Rektor der Universität mitgeteilt, sächlich, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. Mai dass auf Verlangen der Anwälte von Annette Schavan kei- finden wir den fraglichen Beitrag, ein Gutachten zum Fall nerlei Auskünfte über den Verfahrensstand mehr gegeben Schavan unter der dankenswert unzweideutigen Überschrift: würden. (2) Dieses in der Öffentlichkeit vielfach als “Maul- “Zitierfehler, aber kein Plagiat”. Und wirklich stellt das Auto- korb” wahrgenommene Verlangen ist jedoch nichts anderes ren-Duo auch hier schon fest … als der Hinweis auf die bindenden Regeln des Gesetzes. Doch haaaalt! Verwirrung! Am 10. November 2012 wurde in den Medien berichtet, dass Denn – wie kann es sein? – nicht Heinz-Elmar Tenorth und Annette Schavan der Universität eine Stellungnahme vorge- Helmut Fend sind als Verfasser benannt, sondern neben legt habe. Somit ist das Verfahren der Vorprüfung nach der Tenorth, ja sogar noch vor diesem, firmiert sein Berliner Sitzung des Promotionsausschusses vom 17. Oktober offen- Fachkollege Dietrich Benner. Von Helmut Fend hier keine bar fortgesetzt worden. Spur. Über den seither erreichten Stand ist bislang (Ende Novem- Solche Unklarheiten mögen wir nicht. Also wird gegrübelt: Im ber 2012) nichts bekannt geworden. Mai geben Benner und Tenorth gemeinsam öffentlich ihre Expertise ab, und im Oktober erscheint ein Folgegutachten, Sofort nach Bekanntwerden der unheildrohenden das ausdrücklich als Fortsetzung dieser früheren Expertise Tendenz des Düsseldorfer Gutachtens hatten vorgestellt wird, doch Benner - sich zahlreiche Granden der Wissenschaft schützend vor Schavan gestellt. Und abermals Was wurde aus Dietrich Benner? Wo ward er seit Mai zuletzt war ein freisprechendes Gutachten in die Zei- gesehen? Wo ist er abgeblieben? Geht es ihm gut? tung gesetzt worden. Es gab da allerdings Sorgenvoll machen wir uns auf die Suche – und stellen er- gewisse Seltsamkeiten: leichtert fest, dass es ihm in Sachen Schavan seither keines- wegs die Sprache verschlagen hat. Mitnichten: Gerade in 24. November 2012 jenen Tagen nach den ersten Berichten über das Düsseldor- „Wir, ein Autor dieser Zeilen“ fer Gutachten trieb es ihn erneut in die Öffentlichkeit. Ein erstes Interview wurde im NDR am 15. Oktober gesendet, von A.M. Schnierl ein zweites Interview am 17. Oktober. Inzwischen hatte Ben- ner offenbar ersten Einblick in das Gutachten nehmen kön- Am 17. Oktober 2012, nur zwei Tage nach den ersten Be- nen, und wenig später mag er es eingehender studiert richten über das Düsseldorfer Gutachten, erschien in der haben. Das Gegengutachten, das am 17. Oktober in der ZEIT online ein Gegengutachten, als dessen Verfasser der ZEIT online erschien, ist jedenfalls ganz offensichtlich von Berliner Erziehungswissenschaftler Heinz-Elmar Tenorth ge- Benner und Tenorth gemeinsam mit Fend abgefasst worden. meinsam mit seinem (gleichfalls emeritierten) Zürcher Fach- Unmittelbar vor der Veröffentlichung muss Benner dann je- kollegen Helmut Fend zeichnet. doch zurückgezuckt sein. Die rasche Reaktion der beiden Wissenschaftler mag zu- Denn in Wahrheit hatten sich ja nicht “ein Autor dieser Zeilen nächst verblüffen. Wir wollen hier nicht darüber spekulieren, und ein ‘betroffener’ in der Dissertation zitierter Autor [...] ob und in welchem Umfang und seit wann ihnen das Gut- schon einmal geäußert”. Es waren vielmehr zwei Autoren achten tatsächlich vorgelegen hat, und auch darüber nicht, gewesen, nämlich Dietrich Benner und Heinz-Elmar Tenorth, wer es ihnen zugänglich gemacht haben mag. In der Tat die sich im Sommer geäußert hatten, und ein dritter – Helmut haben sich die beiden Gegengutachter ja nicht erst seit Fend – sprang ihnen nun bei. So oder so ähnlich wird die gestern, sondern längst schon gründlich mit der Sache Textvorlage für den Beitrag in der ZEIT formuliert haben – befasst: doch Fend sprang bei, und Benner sprang ab. Wir, ein Autor dieser Zeilen und ein “betroffener” in der Das war allerdings eine unvorhergesehene Komplikation, Dissertation zitierter Autor, haben uns im Sommer im Blick und textlich so leicht wohl nicht mehr richtig hinzukriegen auf auf die Plagiatsvorwürfe schon einmal geäußert, zwar die Schnelle. Zitierfehler und handwerkliche Fehler gefunden, aber weder den Plagiatsvorwurf akzeptiert noch gar eine “leitende Täuschungsabsicht” konstatiert.

Das lässt allerdings erst einmal stutzen: Gemessen daran, dass insgesamt und alles in allem 2 (zwei) Autoren für die- sen Artikel verantwortlich zeichnen, nämlich 1.) Heinz-Elmar Tenorth und 2.) Helmut Fend, ist das denn doch eine recht unübersichtliche Angelegenheit. Hätte man nicht einfach

http://causaschavan.wordpress.com/ 16 Wenige Tage nach den Medienberichten über das einigermaßen geordneten Verlauf hat, dann lässt dieser Vor- Gutachten hatte der Promotionsausschuss be- gang folgenden Schluss zu: raten. Doch über die Ergebnisse der Sitzung war nichts verlautet. Auch zwei Monate später Der Promotionsausschuss hat das Rohrbacher-Gutachten wussten wir so viel über den Stand der Dinge nicht verworfen, sondern im Wesentlichen übernommen und wie zuvor: Nichts. Aus Langeweile haben wir die Ministerin hierzu um ihre Stellungnahme gebeten. Denn dann ein wenig orakelt. – Wie es der Zufall wollte, wurde einen Tag nach unserer kleinen das Gutachten ist zwar möglicherweise nicht von Rohr- Orakelei bekannt, dass der Promotionsaus- bacher allein verfasst worden, aber soweit wir wissen, hat schuss inzwischen abermals getagt und ein- sich der Ausschuss in der Sitzung am 17. Oktober erstmals stimmig beschlossen hatte, der Fakultät die gemeinsam mit dem 75-Seiten-Papier beschäftigt. Er ist Eröffnung des Verfahrens zur Aberkennung des dabei ganz offensichtlich nicht zu dem theoretisch möglichen Doktorgrades zu empfehlen. Schluss gekommen, dass das Verfahren an diesem Punkt eingestellt werden soll, denn dann hätte sich eine Stellung-

17. Dezember 2012 nahme Schavans erübrigt. Es wird aber auch kaum größere Causa Schavan: Das Knochenorakel Abweichungen von dem Inhalt und der Tendenz des Gutach- tens gegeben haben. Sonst wären nämlich wohl noch wie- von Simone G. tere Sitzungstermine nötig gewesen, um die Position des Ausschusses festzulegen und sie so zu formulieren, dass “Angesichts des Medienzirkus, den wir in den vergangenen eine Stellungnahme dazu von Schavan eingeholt werden Tagen hatten”, herrsche in der Causa Schavan im politi- konnte. Der Zeitablauf spricht deutlich dagegen, dass es zu schen Berlin “eine wirklich erstaunliche Ruhe”, fand die gut solchen Verzögerungen noch gekommen ist: Zwischen der orientierte Bildungsjournalistin Lioba Werrelmann schon am Sitzung und der Vorlage der Stellungnahme sind höchstens 18. Oktober in einem hörenswerten Interview. Am Abend zu- drei Wochen vergangen. Auch ohne weitere Verzögerung, ja vor war in Düsseldorf der Promotionsausschuss zusammen- selbst wenn man annehmen würde, dass der Schriftwechsel getreten. Anschließend hatte Rektor Hans Michael Piper er- zwischen der Uni und der Ministerin per Fax oder email statt- klärt, dass die Uni ohne Zustimmung der Ministerin und ihrer gefunden hat, ist das nicht viel Zeit. Anwälte nichts mehr zum Verfahren sagen darf. Mittlerweile Das ist sogar ausgesprochen wenig Zeit, wenn man bedenkt, könnte man fast glauben, dass nicht nur die Politik, sondern dass Juristen und Wissenschaftler einbezogen worden sind. auch die Medien den Fall schon abgelegt haben. Aber vielleicht waren einige dieser Wissenschaftler ja auch Nach den Schockwellen, die mit der Veröffentlichung des schon längst auf ihre Aufgabe vorbereitet. Gutachtens über die Uni hereingebrochen sind, erscheint Zweiter Knochen: Das Interview das Düsseldorfer Prüfungsverfahren wie tiefgefroren. Merk- würdig ist, dass auch die Medien kaum noch daran interes- In einem bemerkenswerten Interview mit der Rheinischen siert zu sein scheinen, wie es weitergeht. Nachdem Piper Post hat der Rektor der Uni am 1. Dezember die Vorwürfe verkündet hatte, dass er nichts Inhaltliches sagen würde, war gegen das Düsseldorfer Verfahren erneut zurückgewiesen. die Aufmerksamkeit sofort erlahmt. Niemand schien sich Darin stellte sich Piper ausdrücklich hinter den Gutachter. So mehr zu fragen, was der Promotionsausschuss in seiner beantwortete er den Vorwurf, dass Rohrbacher die Zeitum- Sitzung wohl beraten und beschlossen hat. Dabei hatten stände der vor 32 Jahren geschriebenen Doktorarbeit nicht dieselben Medien doch immer wieder die entscheidende Be- zur Grundlage seiner Analyse gemacht habe und “ein deutung dieser Sitzung hervorgehoben. Wie würde sich das Wortklauber” sei: Gremium zu dem Rohrbacher-Gutachten verhalten? Würde Herr Rohrbacher arbeitet wissenschaftlich redlich und es die Hauptvorwürfe des Gutachters übernehmen oder berücksichtigt die auch zum Erstellungszeitpunkt gültigen seine Bewertung verwerfen? Weitere Gutachten einholen? Regeln. Dies ist ein zentrales Element in seiner Analyse. Schavan zur Stellungnahme auffordern? Das alles war plötz- Und wenn es Wortklauberei ist, dass man Texte sorgfältig lich nicht mehr wichtig. Stattdessen sprach und schrieb jetzt auf ihre Urheberschaft analysiert, dann ist Wortklauberei alles über den “Maulkorb”, den Schavans Anwälte der Uni eben gute wissenschaftliche Praxis. Es ist völlig klar, dass verpasst hätten. Dabei ist dieser angebliche “Maulkorb” vor 30 Jahren in allen wissenschaftlichen Disziplinen der eigentlich nicht der Rede wert. akademischen Welt galt, dass man Texte anderer nicht als Seit der Sitzung des Promotionsausschusses am 17. Okto- eigene ausgeben kann. ber sind jetzt exakt zwei Monate vergangen, und wir stehen Und weiter: noch immer völlig im Dunkeln. Oder doch nicht völlig? Ich meine, dass die Berichterstattung in den Medien in diesen Es geht um eine einfache Frage: Stammen die Texte von acht Wochen immerhin drei abgenagte Knochen abgeworfen der Autorin selbst? Oder stammen sie von anderen, sind hat, mit denen wir ein wenig orakeln können. aber nicht ausreichend gekennzeichnet? Man muss im Übrigen kein Erziehungswissenschaftler sein, um das zu Erster Knochen: Die Stellungnahme erkennen, und alle ernsthaften Plagiatsforscher bewun- Am 10. November berichteten die Medien, dass Schavan bei dern ja die Sorgfalt, mit der Professor Rohrbacher in Ab- der Universität eine umfangreiche Stellungnahme eingereicht stimmung mit den anderen Professoren in der Kommission habe. Die Rheinische Post hatte die Neuigkeit “aus dem Um- gearbeitet hat. feld der Ministerin”. Sie wusste auch, dass sich die Ministerin Die Merkwürdigkeiten dieser Äußerung sind schon von dazu “angeblich” den Rat von Wissenschaftlern und Juristen ERBLOGGTES aufgespießt worden. Deutlich ist aber, dass eingeholt habe. Wenn das Verfahren überhaupt noch einen der Düsseldorfer Uni-Rektor damit kein Zurückrudern vorbe-

http://causaschavan.wordpress.com/ 17 reitet hat. Er ging davon aus, dass die Fakultät das Verfah- Am 22. Januar 2013 sollte der Düsseldorfer ren weiterführen und zum Abschluss bringen wird. Er rech- Fakultätsrat über die Eröffnung eines förm- lichen Rücknahmeverfahrens entscheiden. We- nete offenbar auch nicht damit, sich in Zukunft von dem nige Tage vor dieser Sitzung versuchte die Gutachten distanzieren zu müssen. Allianz der Wissenschaftsorganisationen mit einer öffentlichen Erklärung Einfluss auf das Übrigens betonte Piper auch, dass das Verfahren mit Verfahren zu nehmen. Sie reagierte damit auf Sorgfalt geführt wird. Unser erster Knochen bleibt also im ein Gutachten des Wissenschaftsrechtlers Orakel-Spiel: Klaus F. Gärditz, der der Universität ein korrektes Vorgehen bescheinigt hatte. Im Fall Einen bleibenden Schaden [für die Uni] sähe ich [...] nur Koch-Mehrin hatte sich die Allianz noch ganz dann, wenn die Universität dieses Verfahren nicht sorg- anders geäußert. Simone G. stiftete in zwei fältig durchführte. Wenn man den verschiedenen öffentlich aufeinanderfolgenden Beiträgen die angemes- geäußerten Vorschlägen von Außenstehenden folgte, sene Verwirrung: würde es genau darauf hinauslaufen, dass man dieses

Verfahren nicht mit Ernst und Sorgfalt durchführt. Eine Lex Schavan wird es in diesem Fall nicht geben. Wir können 18. Januar 2013 doch nicht die Regeln ändern, nur weil es sich um eine Spitzenforscher fordern Schavans Rückzug sehr verdiente Ministerin handelt. Es bleibt dabei: Die aus dem Bildungsministerium Universität fühlt sich allein den Maximen der guten wissen- von Simone G. schaftlichen Praxis verpflichtet!

Dritter Knochen: Margarita Dramatische Wendung in der Causa Schavan: Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hat sich jetzt in Am 6. Dezember 2012 scheiterte Margarita Mathiopoulos vor einer öffentlichen Erklärung geschlossen gegen Annette dem Kölner Verwaltungsgericht mit ihrer Klage gegen die Uni Schavan gestellt und ihren sofortigen Rückzug aus dem Bonn, die ihr im April den Doktorgrad aberkannt hatte. Die Amt als Ministerin für Bildung und Forschung verlangt. Dissertation der ehemaligen FDP-Beraterin stammt von 1986, ist also ähnlich “alt” wie die von Schavan. 1990/91 war Wenige Tage bevor der Rat der Philosophischen Fakultät an die Arbeit von der zuständigen Kommission der Uni bereits der Uni Düsseldorf über die Einleitung eines Verfahrens zum überprüft worden, aber man hatte es damals bei der Fest- Entzug ihres Doktortitels entscheiden soll, stellen sich die stellung von handwerklichen Mängeln belassen. Erst nach deutschen Spitzenforschungsorganisationsspitzen geschlos- Hinweisen auf VroniPlag war die Sache 2011 wieder ins sen gegen Schavan. Lange genug haben sie unter der un- Rollen gekommen. säglichen Klamotte stumm gelitten, die hier seit Monaten im Namen und auf Kosten der Wissenschaft geboten wird. Die Argumentation des Anwalts der Klägerin zielte unter Umso deutlichere Worte finden sie nun: Eine Bagatellisie- anderem darauf ab, zwischen dem handwerklichen Bestand- rung von Plagiaten in wissenschaftlichen Arbeiten be- teil einer Dissertation und der “originellen Idee” zu unter- schädige die Reputation der deutschen Forschung, heißt es scheiden, einen Plagiatsvorwurf also nur für den Fall des in der Erklärung, die unter anderem von den Präsidenten der Ideenklaus gelten zu lassen. Das Gericht ließ sich darauf Hochschulrektorenkonferenz, der Deutschen Forschungsge- ebenso wenig ein wie auf eine Verjährungslösung. Zu dieser meinschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Humboldt- Forderung des Mathiopoulos-Anwalts angesichts von Arbei- Stiftung, der Leibniz-Gemeinschaft, der Fraunhofer-Gesell- ten, die vor 25 Jahren und mehr geschrieben wurden, sagte schaft und der Wissenschaftlichen Lotto-Stiftung unterzeich- Klaus Ferdinand Gärditz, Lehrstuhlinhaber im Fachbereich net wurde. Inzwischen haben sich weitere Spitzenforschler Jura und Anwalt der Bonner Universität, am Rande des dieser Erklärung angeschlossen. Prozesses: Der Sprecher der Allianz betonte: “Das Problem wird sich in Zukunft häufiger stellen” [...]. Der Grund: Die Untersuchungsmöglichkeiten werden Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten sind alles andere immer feiner. Außerdem dauere es manchmal eine Weile, als ein Kavaliersdelikt. Deshalb hält die Allianz es für nicht bis man sich eine Dissertation zur Prüfung vornehme. akzeptabel, wenn Frau Schavan in der Regierung der Gäbe es jetzt schon eine Verjährungsregelung, wären alle Bundesrepublik Deutschland das für die Wissenschaft prominenten Plagiatsfälle – bis auf die Causa Guttenberg zuständige Ressort vertritt. [1] – ohne Konsequenzen geblieben. Erfolgreiche Wissenschaft kann es ohne den sorgfältigen Wenn uns unser Knochenorakel nicht im Stich lässt, dann Umgang mit Quellen, ohne die unmissverständliche Unter- wissen wir jetzt auch schon, in welchem prominenten Pla- scheidung fremden und eigenen Wissens, ohne Dokumen- giatsfall sich das Problem demnächst wieder stellt. tation und ohne die kritische Diskussion der eigenen For- schungsergebnisse durch die jeweiligen Fachkolleginnen

und -kollegen nicht geben,

heißt es in der Erklärung weiter.

Die deutsche Wissenschaft und deren Qualitäts- sicherungssysteme sind auch im internationalen Vergleich hoch anerkannt. Diese Reputation darf nicht durch die

Bagatellisierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens beschädigt werden. [2]

http://causaschavan.wordpress.com/ 18 Die Vertreter wissenschaftlicher Grundprinzipien lassen keinerlei Zweifel daran, dass eine Verletzung der Regeln in jedem Fall harte Konsequenzen nach sich zieht:

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland fühlen sich diesen Prinzipien verpflichtet und handeln nach

ihnen. Verstöße werden streng geahndet und bedeuten zu Recht das Aus für die wissenschaftliche Karriere. [3] Für Ministerin Schavan dürfte diese Klarstellung den Verlust ihres Ansehens in der Wissenschaft und damit auch den

Verlust des Rückhalts besiegeln, den sie als die Ministerin braucht, die für die Wissenschaft zuständig ist. Am Rande der Pressekonferenz hatten anonyme Plagiats- jäger im Namen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen eine gefälschte Erklärung in Umlauf bringen wollen. Offenbar in der Absicht, die ehrenwerte Gesellschaft der Spitzen- forschler als Günstlinge und Zuwendungsempfänger der

Ministerin zu diffamieren. Das ist ihnen gründlich misslun- gen: Die Fälschung war so grob und unglaubwürdig, dass selbst die anwesenden Vertreter eines Hamburger Nach- richtenmagazins nicht darauf hereingefallen sind. . Steht nun doch ganz dicht hinter ihr: Horst Hippler von der Allianz der Geldspritzenspitzenwissenschaftler

Eifer keine Beachtung und ließ sich schließlich sogar zu

einem fatalen Finale hinreißen:

Deshalb hält die Allianz es für nicht akzeptabel, wenn Frau 20. Januar 2013 Schavan in der Bundesregierung weiterhin das Ministerium Allianz versichert: Schavan, Koch-Mehrin – leitet, das für die Wissenschaft in diesem Land zuständig Beide Erklärungen sind echt ist. von Simone G. Den Assistenten blieb nur noch, die aktuelle Erklärung der Allianz zum Fall Schavan zu verteilen. Die Verwirrung war Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hat jetzt ein- perfekt, denn die beiden Erklärungen könnten kaum wider- geräumt, dass ihr ein grobes Missgeschick unterlaufen ist: sprüchlicher sein. Im Fall der Ministerin Schavan ist die Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Allianz nämlich durchaus nicht der Auffassung, dass es und zur Zeit Sprecher der Allianz, hatte kürzlich zur Causa ohne den sorgfältigen Umgang mit Quellen, ohne die un- Schavan eine gewichtige Grundsatzerklärung abgegeben missverständliche Unterscheidung fremden und eigenen und dabei den Eindruck erweckt, dass sich die Vertreter der Wissens, ohne Dokumentation und ohne die kritische deutschen Spitzenwissenschaft nun gegen die Ministerin Diskussion der eigenen Forschungsergebnisse durch die stellen. Er hatte jedoch versehentlich zu einer Erklärung der jeweiligen Fachkolleginnen und -kollegen Allianz vom 24. Juni 2011 gegriffen und auch nicht bemerkt, dass sich dieses Papier nicht auf Schavan, sondern auf den keine erfolgreiche Wissenschaft geben kann und dass eine Fall der Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin bezog. Person, die solch strenge Maßstäbe verfehlt, nicht für die Wissenschaft stehen darf. Und im Fall der Silvana Koch- Eifrige Assistenten versuchten noch während der Pressekon- Mehrin wiederum war die Allianz durchaus nicht der Auf- ferenz, Hippler auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen. fassung, dass Aber der wackere Verfechter wissenschaftlicher Standards und Prinzipien war am Mikrofon schon heftig in Fahrt gera- das Mehraugen-Prinzip, die Trennung von Begutachten, ten: Bewerten und Entscheiden sowie eine angemessene Berücksichtigung des Entstehungskontextes [...], dessen Wissenschaftlicher Fortschritt und Innovationen, letztlich inhaltliche Bewertung nur auf der Basis einschlägiger also der Wohlstand in unserem Land, beruhen maßgeblich fachwissenschaftlicher Expertise vorgenommen werden auf den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Ver- kann [2] trauen. Erfolgreiche Wissenschaft kann es ohne den sorgfältigen Umgang mit Quellen, ohne die unmissver- unverzichtbare Voraussetzungen für eine Entscheidung über ständiche Unterscheidung fremden und eigenen Wissens, den Entzug eines Doktorgrades sind, wie sie es jetzt in ihrer ohne Dokumentation und ohne die kritische Diskussion der aktuellen Erklärung zum Fall Schavan als selbstverständlich eigenen Forschungsergebnisse durch die jeweiligen Fach- voraussetzt. kolleginnen und -kollegen nicht geben. [1] Inzwischen hat Hipplers Stellvertreter, Prof. Dr. Dr. mult. Den zunächst diskreten und zunehmend verzweifelten Hein-Schmöke Pufogel von der Wissenschaftslotto-Stiftung, Winken der Helfer im Hintergrund schenkte er in seinem für Klarstellung gesorgt. Unter Verweis auf das seit 1516 un- verändert bestehende Reinheitsgebot der Deutschen For-

http://causaschavan.wordpress.com/ 19 schungsgemeinschaft (DFG) erklärte er, dass es sich bei der In diesen Tagen meldete sich mit dem Theolo- Allianz der Wissenschaftsorganisationen um die naturgesetz- gen Ludger Honnefelder auch ein besonders alter Weggefährte der Ministerin lebhaft zu mäßige ultimative Verkörperung der Wissenschaft selbst Wort. Er legte der Universität nicht nur ein handle. Als solche sei sie über jeden Nachweis ihrer Echt- eigenes Gutachten zu ihrer Doktorarbeit vor, heit, Authentizität oder Autorisation erhaben. Dies gelte auch sondern veröffentlichte zugleich auch eine für ihre Erklärungen, die grundsätzlich für echt, gerechtfertigt vernichtende Stellungnahme zu dem Rohrbacher- und widerspruchsfrei zu halten seien. Auf Nachfrage ver- Gutachten. In das er demnach Einblick gehabt hatte. Oder etwa nicht? Ach, was spielte das sicherte Pufogel ausdrücklich, beide Erklärungen seien echt, schon für eine Rolle: und fügte noch hinzu:

Die Behauptung, zwischen den Erklärungen der Allianz zu den Fällen Koch-Mehrin und Ministerin Prof. Dr. Schavan 22. Januar 2013 bestünden Widersprüche, erweist sich bei angemessener Honnefelder: „Auf gute wissenschaftliche Berücksichtigung des Entstehungskontextes als völlig un- Praxis gut achten!“ begründet. Erfolgreiche Wissenschaftspolitik kann es ohne von Simone G. die unmissverständliche Unterscheidung zwischen nütz- lichen Ministerinnen und verzichtbaren Europa-Parla- ments-Schnepfen nicht geben. “Entwarnung für Annette Schavan” meldete vor einigen Tagen das Nachrichtenmagazin FOCUS. Denn es gibt ein Die bisher wenig bekannte Allianz der Spitzenwissenschafts- neues Gutachten, das die Ministerin von den Plagiatsvor- organisationen hat die Rechtsform einer Ehrenwerten Ge- würfen entlastet. Erstellt wurde es von Ludger Honnefelder, sellschaft. Als naturgesetzmäßige Körperschaft des nichtöf- und zwar “auf eigene Initiative hin”, wie es im FOCUS heißt. fentlichen Rechts ist sie von der lästigen Verpflichtung befreit, sich eine Satzung zu geben, Mitgliederversamm- Bei der WELT fand man diese Formulierung wohl zu merk- lungen abzuhalten, einen rechenschaftspflichtigen Vorstand würdig. Das feine Sprachgefühl der WELT-Journalisten wies zu wählen. Dieser ganze Schnickschnack entfällt, so dass sie darauf hin, dass man eigentlich nichts auf eigene Initia- die Allianz ungestört ihrer wichtigsten Aufgabe nachgehen tive “hin” tun kann. In der WELT steht deshalb unter Beru- kann: Der Mehrung des Wohlstands in unserem Land durch fung auf den FOCUS, Honnefelder “habe im Auftrag wirtschaftlichen Fortschritt und Innovationen [2]. Diese Auf- Schavans eine Expertise erstellt”. gabe nimmt sie sehr erfolgreich wahr: Gewaltige Summen Aber mit Sprachgefühl allein kann man im Journalismus stellt die Ministerin für Bildung und Forschung den For- keinen Blumentopf gewinnen. Die Kollegen vom FOCUS schungsorganisationen zur Verfügung, damit diese wirt- sind ganz einfach besser informiert und wissen, wie es sich schaftlichen Fortschritt und Innovationen auf den Weg mit Annette Schavan und Ludger Honnefelder verhält: Näm- bringen, damit diese den Wohlstand in unserem Land lich so, dass die Formulierung “auf eigene Initiative hin” nur wachsen lassen. als angemessen bezeichnet werden kann. Das wird auch in Zukunft so weiter gehen. Hoffentlich. Die Der katholische Philosoph Honnefelder und die Ministerin Allianz versichert, dass dieser Kontext bei der Entstehung kennen sich seit uralten Zeiten. Unmittelbar nach ihrer Pro- ihrer Schavan-Erklärung angemessen berücksichtigt wurde. motion erhielt die junge Annette Schavan 1980 ihre erste An- stellung als Referentin beim Cusanuswerk, dem Begabten- förderungswerk der katholischen Kirche, dessen Leitung 1982 Honnefelder übernahm. Nach einem dreijährigen Intermezzo als Abteilungsleiterin im Generalvikariat Aachen kehrte Schavan 1988 zum Cusanuswerk zurück, wo sie die Geschäftsführung übernahm. Leiter war nach wie vor Honne- felder – bis 1991, als Schavan seine Nachfolgerin wurde. Schavan und Honnefelder haben sich nie aus den Augen verloren. Ihre Wege haben sich ständig gekreuzt, zum Beispiel in der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissen- schaft, die das Ziel verfolgt, “in Bewahrung ihres im katholi- schen Glauben wurzelnden Gründungsauftrages wissen- schaftliches Leben auf den verschiedenen Fachgebieten anzuregen und zu fördern”. Zahlreiche gemeinsame Ta- gungsaktivitäten und Buchpublikationen zeugen von fort- dauernder enger Verbundenheit der beiden. Honnefelder war schon im Juni 2012 als Mitunterzeichner einer hochtrabend verschwiemelten öffentlichen “Klarstel- lung” hervorgetreten, mit der “die Wissenschaft selbst” dem Treiben der Plagiatssucher ein Ende machen wollte. Inzwi- schen firmiert “die Wissenschaft selbst” bekanntlich unter der Adresse “Allianz der Wissenschaftsorganisationen”. Als solche hat sie vor wenigen Tagen in einer öffentlichen Er- klärung gefordert, dass das Düsseldorfer Prüfverfahren

http://causaschavan.wordpress.com/ 20 gefälligst nicht nach den entsprechenden rechtlichen Vor- schriften, sondern nach Regeln guter wissenschaftlicher Praxis abzulaufen hat, und hat diese Regeln bei der Gele- genheit freundlicherweise auch gleich neu dazuerfunden.

Nicht nur die Düsseldorfer Uni, sondern auch der bundes- weite Philosophische Fakultätentag und der Deutsche Hoch- schulverband zeigen sich in der Sache momentan noch ausgesprochen bockig. Honnefelder dagegen darf als grundsatztreuer Verfechter der guten wissenschaftlichen Praxis gelten. Auf die muss man gut achten, denn sie ist offenbar in großer Gefahr. Man kann sehr zuversichtlich sein, dass er in seinem Gutachten nicht nur auf seine langjährige Weggefährtin Schavan, sondern auch auf die gute wissenschaftliche Praxis gut achtet. Dieses Gutachten liegt inzwischen auch der Uni Düsseldorf vor. Die hat es aber “bisher nicht öffentlich gemacht”, was der FOCUS offenbar Heinz-Elmar Tenorth (links) und Ludger Honnefelder (rechts) in schmuckem Ambiente beim Bund Freiheit der Wissenschaft, 17.11.2012 kritikwürdig findet. Trotzdem dürfen wir jetzt schon von Ludger Honnefelder lernen, was gute wissenschaftliche Praxis ist. Denn während die Universität sein Gutachten zur Doktorarbeit von Annette In der aufgeheizten Atmosphäre dieser Tage wurden die Töne immer schriller, die Wendun- Schavan unter der Decke hält, hat Honnefelder ein weiteres gen der Ereignisse immer absurder, der Druck wichtiges Papier verfasst und öffentlich gemacht: Eine 6 immer unerträglicher. So kam, was kommen Seiten lange “Stellungnahme zu der Sachverhaltsdarstellung musste: Ein Rücktritt war zu vermelden. Es von Prof. Dr. S. Rohrbacher zu den Plagiatsvorwürfen war wirklich tragisch. gegenüber der Dissertation von Dr. A. Schavan”. Die Stel- lungnahme fällt vernichtend aus: Das Gutachten des Düssel- dorfer Prüfers taugt nichts. Die Fakultät sollte sich unbedingt 22. Januar 2013 auf das ganz hervorragende, “analytisch eingehende und mit Causa Schavan: „Ich trete zurück“ wohl erwogenen Gründen argumentierende Fachgutachten” von A.M. Schnierl verlassen, das die Berliner Erziehungswissenschaftler Dietrich Benner und Heinz-Elmar Tenorth schon im Mai 2012 Ich weigere mich, hier weiter irgendwelche satirischen vorgelegt hatten. Zumindest für die überragende Seriosität Trockenübungen zu veranstalten. Die Realität spielt einfach des Kollegen Tenorth wird sich Honnefelder auch persönlich nicht fair. So kann man nicht arbeiten. verbürgen wollen. Ich trage mich schon länger mit dem Gedanken, aufzugeben. Benner und Tenorth waren im laufenden Verfahren der Uni- Was soll Satire, wenn sie permanent von der Wirklichkeit in versität nicht um ein Gutachten gebeten worden, sondern den Schatten gestellt wird? Seit vielen Wochen habe ich hier hatten es wohl auf eigene Initiative hin verfasst und in die nichts mehr veröffentlicht, immer noch mal einen neuen Frankfurter Allgemeine Zeitung gesetzt. Als Verfechter guter Anlauf genommen, aber jetzt ist endgültig Schluss. wissenschaftlicher Praxis findet Honnefelder das vorbildlich und tut es ihnen nun mit der Veröffentlichung seiner Stel- Schon der juristische Corvettenkapitän Rüdiger Wolfrum war lungnahme nach. eine Zumutung. RA Bongartz schrieb dazu: Die Zusammenarbeit mit der Presse ist für Honnefelder Der ehrenwerte Rüdiger Wolfrum hat u.a. als Präsident überhaupt eine Voraussetzung guter wissenschaftlicher des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg gewäs- Praxis. Seine Stellungnahme zu der Sachverhaltsdarstellung sert, hat sich mit Fragen wie dem Antarktisvertrag, von Prof. Dr. S. Rohrbacher zu den Plagiatsvorwürfen “Meerestechnik und internationale Zusammenarbeit” oder gegenüber der Dissertation von Dr. A. Schavan zeigt das “Umweltschutz durch internationales Haftungsrecht” be- gleich in den ersten Zeilen. Denn Honnefelder verschweigt fasst und schippert jetzt auf seine alten Tage eben noch seine Quellen nicht. Er verschleiert sie auch nicht. Er sagt mal in fremden Gewässern. Sein Kurzgutachten soll wirk- gleich zu Anfang und er sagt gleich zweimal, woher er die lich kurz sein. Das Resümee, mit dem er den Kollegen Sachverhaltsdarstellung kennt, die er gründlich geprüft hat Gärditz fertig macht, lautet angeblich: “See ich anders!” und zu der er dann 6 Seiten lang Stellung nimmt. Aber den Rest gibt mir Michael Kretschmer. Er ist stellver- Ludger Honnefelder kennt diese von ihm so gründlich ge- tretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion. Nach- prüfte Sachverhaltsdarstellung “den Pressemitteilungen dem nun der Rat der Philosophischen Fakultät der Heinrich- nach”. Und er beurteilt sie “nach den Pressemitteilungen”. Heine-Universität Düsseldorf (deren Namen ich hier doch noch einmal in voller Länge niederschreiben will) am Abend Das ist in Ordnung so. Fragen Sie Dietrich Benner. Oder des 22. Januar 2012 mit 14 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung Heinz-Elmar Tenorth. Oder fragen Sie doch gleich Annette die Einleitung eines Verfahrens zum Entzug des Doktortitels Schavan. der Ministerin beschlossen hat, war von Herrn Kretschmer Folgendes zu vernehmen:

http://causaschavan.wordpress.com/ 21 Es ist höchste Zeit, dass die Universität Düsseldorf endlich nen unabhängigen fachsachverständigen Siebtgutachten unabhängigen Expertenrat einholt [...] Im Hauptverfahren strikt abgelehnt. Nun endlich gibt sie nach. Kein Wunder, müssen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis ge- denn Wolfrum ist ausgewiesener Experte für Seevölkerrecht. wahrt werden. Die berechtigte Kritik aus der Wissenschaft Dass die Uni jetzt doch noch zurückrudert, unterstreicht die am bisherigen Vorgehen muss beachtet werden. Bedeutung dieses besonderen Gebiets der Rechtswissen- schaft. Gemeint war natürlich nicht eine Kritik aus Kreisen der Wis- senschaft, sondern die Kritik der Wissenschaft selbst. Und Kritik an dieser lange ersehnten Wende kam von der kaum hatte er nach diesem unverhüllten Einmischungsver- Schülerzeitung DIE ZEIT: Das Blatt wollte erfahren haben, such Luft geholt, da redete Kretschmer auch schon weiter: dass sich Wolfrum gerade auf einer Forschungsreise zu verschiedenen Seevölkern befindet. Die presserechtlich vor- Die Einmischungsversuche der SPD sind infam. Das ist geschriebene Höchstdauer des Verfahrens sei aber nach keine politische, sondern eine fachliche Überprüfung. herrschender Rechtsauffassung an die durchschnittliche Parteitaktische Drohungen schaden der Wissenschaft, spätkindliche Aufmerksamkeitsspanne bei der Beschäftigung aber auch dem Ansehen der Politik. mit Ausmalheften gebunden. Tatsächlich hätte das Verfah- Ich find’s infam, wie sich die Realität hier in meine Angele- ren demnach spätestens am 24. Mai 2012 beendet sein genheiten einmischt. Das ist kein faires Verfahren. müssen. Inzwischen kommen aus der Antarktis aber beruhigende Morsezeichen: Das fachwissenschaftliche Ich trete zurück. Kurzgutachten ist so prägnant formuliert, dass es auch in 22. Januar 2013 einiger Entfernung vorbeischippernden akademischen Leichtmatrosen in kürzester Zeit vollständig übermittelt Anton Maria Schnierl werden kann.

Das Gutachten, mit dem der Seerechtsexperte Wolfrum das Düsseldorfer Verfahren angreifen wollte, war offenbar nicht zitierfähig. Das hielt interessierte Kreise nicht davon ab, einigen Wirbel um die Sache zu machen:

23. Januar 2013

Uni gibt auf: Endlich externes Gutachten zu Schavan Damit ist es nun an den Düsseldorfern, so zurückzurudern, dass es mit der Verständigung klappt. von Simone G.

Eilmeldung: Universität Düsseldorf rudert zurück – Wieder und wieder hieß es, dass Schavan Unabhängiges Kurzgutachten zum Verfahren wird nun „jetzt“ aus der Defensive kommen werde. Gera- de so, als ob die Gegenoffensive nicht schon akzeptiert längst angelaufen wäre.

25. Januar 2013 Schavan – Wann geht sie endlich in die Offensive?

von Simone G.

Seit Monaten sieht sich die Bundesministerin für Bildung und Forschung wüsten Verdächtigungen und haltlosen Angriffen ausgesetzt. Kritiker wie die FAZ-Redakteuse Heikette Schavoll werfen ihr vor, die militärhistorische Dimension ihres Abwehrkampfs zu ignorieren, und drängen auf sofortige Anwendung des Schlieffen-Plans. “Das ist sie mir schuldig, und das ist sie der Wissenschaft schuldig”, sagte Schavoll in einem Hinterzimmergrundgespräch mit ausgewählten Ver- tretern der wissenschaftlichen “Sauberkeitsstandarten- Nur noch einen letzten kritischen Blick wird der renommierte Allianz” (SAUSTALL). Rechtswissenschaftler Rüdiger Wolfrum auf sein vernichten- des Kurzgutachten über das bisherige Düsseldorfer Verfah- Auch der stellvertretende SAUSTALL-Vorsitzende, Prof. Dr. ren werfen, bevor er es der Universität vorlegt. Der interna- Dr. mult. Hein-Schmöke Pufogel von der Wissenschaftslotto- tional angesehene Gelehrte hat sein brisantes Papier Stiftung, zeigte sich aufgebracht. Der international ange- zunächst bei einer juristischen Fachzeitschrift eingereicht, sehene Experte für die Anwendung des Seerechts in Oasen doch sein Inhalt schlug sofort hohe Wellen. Bisher hatte die der Subsahara meinte: “Es ist wie in Mali! Wo bleibt die Ein- Universität Düsseldorf alle Forderungen nach einem exter- greiftruppe? Wann geht Schavan endlich in die Offensive?”

http://causaschavan.wordpress.com/ 22 Entscheidend sei die Lufthoheit. Noch könne diese schick- Allerhand alte Weggefährten warfen sich für salhafte Schlacht gewonnen werden. Pufogel ließ durch- Schavan in die Bresche. Und immer deutlicher wurde, dass dabei wohl nicht ausschließlich blicken, dass er bereits an einem Geheimplan arbeitet. Be- sachliche Überzeugungen und persönliche Sym- obachter vermuten, dass die SAUSTALL ein strategisches pathien den Ausschlag gaben: Bündnis mit dem SPIEGEL anstrebt. Nur so könnten die kriegswichtigen Forschungen auf dem Gebiet der Luftspiege- lungstechnik weiter vorangetrieben werden, heißt es aus 26. Januar 2013 Peenemünde. Hausbesuch bei Humboldt-Uni-Präsi Olbertz: „Tauscht endlich diese Leuchte aus!“ von Simone G.

Schon im Oktober 2012 haben aufmerksame Blogger darauf hingewiesen, dass namhafte Wissenschaftler, die Annette Schavan in ihrer Bedrängnis zu Hilfe kamen, mit der Ministe-

rin eng verbunden und als Angehörige eines Interessennetz- werks befangen sind [1, 2]. Es lohnt sich, diesen Faden noch einmal aufzugreifen. Denn womöglich geht es in der Causa Schavan um mehr als nur

um die Frage, ob ein Plagiat immer ein Plagiat ist, oder ob es sich bei Plagiaten in höheren Kreisen grundsätzlich nur um Verflüchtigungsfehler handelt.

Zu denen, die sich seit Bekanntwerden des für Schavan ver- heerenden Düsseldorfer Gutachtens immer wieder beson- Treuer Verbündeter der Ministerin: Prof. Dr. Dr. mult. Hein-Schmöke Pufogel ders lautstark zu Wort gemeldet haben, zählt Jan-Hendrik Olbertz, der Präsident der Berliner Humboldt-Universität. Nicht nur die Frequenz, sondern auch die Schneidigkeit Die Zeit scheint der Ministerin davonzulaufen. Wie lange will seiner Äußerungen ist auffallend. Obwohl the hobo and the sie noch zaudern? Doch sie hat nicht nur mit ihrer Schüch- gypsy sich gerade schon intensiv mit Olbertz beschäftigt ternheit zu kämpfen. Erhebliche Orientierungsschwierig- haben, werde ich daher meine kleine Reihe von Hausbe- keiten treten hinzu. Schon am 15. Oktober 2012 titelte DIE suchen bei ihm beginnen. WELT: “Streit um Doktortitel: Schavan sucht die Offensive”. Erfahrene Beobachter wiesen zunächst noch darauf hin, Olbertz äußert sich erstmals am 17. Oktober 2012 gegen- dass die Suche nach der passenden Offensive tatsächlich über der “Berliner Morgenpost”: einige Umstände machen könne. Dem militärstrategischen Die Vorwürfe gegen Annette Schavan sind von großer Trauerspiel der folgenden Wochen und Monate konnten die Tragweite – aber das Verfahren, mit dem sie untersucht Experten jedoch nur noch mit verständnislosem Kopfschüt- werden sollen, ist in seiner Beiläufigkeit schlicht unsäglich. teln zusehen. “Wie in Mali!” ereifert sich etwa der Rechts- Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das Gutachten saharologe Pufogel. Dort sei die Bevölkerung in Jubel aus- fahrlässigerweise in einer Pizzeria liegen geblieben ist, gebrochen, als Radio und Zeitung erstmals meldeten, dass was aber noch die freundlichste Annahme wäre [3]. die Regierungstruppen nun gegen die Rebellen im Norden des Landes offensiv vorgehen wollten. Doch dann hätten Woher der Präsident der Berliner Humboldt-Uni wissen will, sich diese Meldungen fast täglich wiederholt. Auch im Fall wie das Verfahren an der Philosophischen Fakultät der der Ministerin werde schon seit Monaten ständig berichtet, Universität Düsseldorf geführt worden ist, verrät er nicht. Er dass sie “nun” in die Offensive gehe. In Mali seien es gerade erklärt dieses Verfahren einfach für “in seiner Beiläufigkeit diese deprimierenden Beweise einer unüberwindlichen schlicht unsäglich” und unterstellt, dass die am Verfahren Friedfertigkeit gewesen, die zum Eingreifen höherer Mächte Beteiligten zumindest grob fahrlässig gehandelt haben. Man geführt hätten. Eine ähnliche Entwicklung werde auch im Fall könne der Ministerin immer wahrscheinlicher. einen Fall von solcher Tragweite doch nicht genauso behandeln wie eine Gremienentscheidung, ob im Foyer eine neue Neonröhre angebracht werden soll [3].

Wahrscheinlicher als Fahrlässigkeit sei ohnehin, dass das

Gutachten “absichtlich an die Öffentlichkeit lanciert wurde, also ein politisches Interesse besteht”[3]. Das mag wohl so sein. Doch falls das so ist: Wie und von wem wurde das

Gutachten absichtlich an die Öffentlichkeit lanciert? Bei wem besteht ein politisches Interesse? Olbertz lässt das im Un- klaren. Wie wenig unschuldig das in seiner Beiläufigkeit ist,

wie wenig für die Annahme spricht, dass er seine Worte nur grob fahrlässig wählt, zeigt sich in seinen Schlussfolgerun- gen:

http://causaschavan.wordpress.com/ 23 Universität Halle-Wittenberg vorgelegte Dissertation und die 1989 ebenfalls in Halle-Wittenberg eingereichte Habilitation seien Propagandaschriften im Sinne der SED-Herrschaft. Der bereits sattsam bekannte Bildungsforscher Heinz-Elmar Tenorth verteidigte ihn damals mit der Forderung, statt Sys- temschelte müsse Textanalyse betrieben werden. Im Februar 2011 traten Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Jan-Hendrik Olbertz in einer offenbar abge- stimmten Aktion für die Einrichtung von Bundesuniversitäten ein: Nach dem Auslaufen der milliardenschweren Exzellenz- initiative im Jahr 2017 sollten leistungsstarke deutsche Uni- versitäten mit hohem Finanzbedarf in die Zuständigkeit des Bundes wechseln, um durch beste Ausstattung ihre interna- tionale Konkurrenzfähigkeit zu sichern. Bereits im Vorfeld der Exzellenzinitiative waren Überlegungen angestellt worden, Wollen nicht in die Neonröhre gucken: Annette Schavan und Jan-Hendrik Olbertz, Februar 2011 die Humboldt-Universität nach dem Vorbild der ETH Zürich in eine Bundesuniversität umzuwandeln. Nun erklärte Schavan: Da das Prozedere bisher nicht der Wahrheitsfindung, son- dern anderen Interessen gedient habe, zweifle er an, dass Jedem ist klar, dass die Exzellenzinitiative nach der dritten damit bereits die Wahrheit gefunden wurde. “Die Universi- Runde beendet ist. Trotzdem wird danach sofort die De- tät sollte im Interesse der Sache und in Anbetracht des batte einsetzen, wer das dauerhaft finanziert, um exzel- bereits entstandenen Schadens das Verfahren in andere, lente Strukturen zu erhalten. Spätestens dann wird sich die externe Hände abgeben. Ich empfehle ein Gremium unab- Frage nach Standorten von Bundesuniversitäten stellen[5]. hängiger Kollegen aus der Wissenschaft. Hierzu könnten Olbertz meinte: die Ombudsleute der großen Forschungseinrichtungen angesprochen werden”, sagte Olbertz [3]. Die Spielräume für reiche und arme Länder sind inzwischen so unterschiedlich geworden, dass der Das Prozedere – das ist das Verfahren. Der Präsident der nationale Anspruch, Wissenschaft und Lehre überall auf Berliner Humboldt-Universität gestattet es sich also auf der hohem Niveau zu garantieren, in Frage steht. Dann Grundlage von – was eigentlich? -, den Verantwortlichen der müssen wir über eine Bundesuniversität nachdenken[5]. Uni Düsseldorf mal eben “andere Interessen” als die Wahr- heitsfindung zu unterstellen. Damit unterstellt er nebenbei Das gemeinsame Nachdenken über die “Frage nach Stand- auch, dass es für das Verfahren Verantwortliche waren, die orten von Bundesuniversitäten”, aus dem flugs das Nach- das Gutachten an die Öffentlichkeit lanciert, also eine poli- denken “über eine Bundesuniversität” geworden war, ver- tisch motivierte Straftat begangen haben. Das berechtigt ihn setzte die Ministerin und den Präsidenten der Humboldt-Uni dann zu der Forderung, die Universität Düsseldorf solle “das in die oben abgebildete beste Laune. Verfahren in andere, externe Hände abgeben.” Man kann Die Laune war schon vorher nicht ganz schlecht. Am 12. nun rätseln, wessen Hände das nach Auffassung des Er- Januar 2011 hatten Annette Schavan und Bundesgesund- ziehungswissenschaftlers Olbertz wohl sein sollten. Man heitsminister Philipp Rösler in der Berliner Charité das neue kann auch rätseln, wie sich der Berliner Uni-Präsident wohl “Gesundheitsforschungsrahmenprogramm” vorgestellt. Als die juristische Grundlage einer solchen Verfahrensweise Herzstück des Programms bezeichnete Schavan die vorgestellt hat. Oder ob ihn solcher Kram wie eine juristische Nationalen Zentren für Gesundheitsforschung, für die allein Grundlage überhaupt interessiert. 475 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Für das Wie wir wissen, ist Olbertz mit dieser Forderung nicht Programm sollen innerhalb von vier Jahren 5,5 Milliarden durchgedrungen. Euro bereit stehen.[6] Am 6. November 2012 wurde dann in Berlin die Zusammenführung der Charité und des Max- Nachdem inzwischen in Düsseldorf das förmliche Verfahren Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) in einem zur Entziehung des Doktortitels eröffnet worden ist, wollte “Berliner Institut für Gesundheitsforschung” angekündigt. Olbertz behaupten, ein zweites Gutachten sei jetzt Dem „Berliner Institut für Gesundheitsforschung” sollten für “zwingend”[4]. Er fand es nicht nötig, das näher zu die Jahre 2013 bis 2018 insgesamt mehr als 300 Millionen begründen. Euro zur Verfügung stehen, davon 90% aus Bundesmitteln. * * * Die bestehende Grundfinanzierung von Charité und MDC bleibe davon unberührt.[7, 8] Da es sich bei der Charité um Jan-Hendrik Olbertz, geb. 1954 in Berlin, war von 1992 bis eine Einrichtung der Humboldt-Uni (und der FU Berlin) han- 2010 Professor für Erziehungswissenschaft an der Martin- delt, muss Olbertz daran gelegen sein, dass diese Pläne tat- Luther-Universität Halle-Wittenberg. Von 2002 bis 2010 sächlich zum Tragen kommen. In trockenen Tüchern ist das amtierte er als (parteiloser) Kultusminister in der CDU- alles noch keineswegs. So soll das “Errichtungsgesetz” für geführten Landesregierung von Sachsen-Anhalt. 2010 das neue Großinstitut erst 2014 durch das Berliner Abgeord- wechselte er auf eine Professur an der Humboldt-Universität netenhaus verabschiedet werden. Berlin, deren Präsident er im Oktober 2010 wurde. Sicher nicht weniger stark als bei Olbertz ist das Interesse an Nach seiner Wahl zum Präsidenten der Humboldt-Uni sah dieser Entwicklung bei Karl Max Einhäupl, dem Leiter der sich Olbertz mit Vorwürfen konfrontiert, seine 1981 an der

http://causaschavan.wordpress.com/ 24 Charité. Auch er fiel mehrfach durch heftige Ausfälle gegen Als die Zeiten kritisch wurden, zögerte der inzwischen hoch- das Verfahren der Uni Düsseldorf auf. Einhäupl betagte Doktorvater nicht, der in Bedrängnis geratenen Mi- nisterin zu Hilfe zu eilen. Sicher wird ihm nicht völlig verbor- nannte das Verfahren „akademisch unwürdig“. Er sagte gen geblieben sein, dass es auch um seinen Ruf und sein weiter, ihm dränge sich der Verdacht auf, für die Universi- Ansehen ging, wenn er die Dissertation als “sehr beachtliche tät stehe „eine politische Mission“ im Vordergrund, und Leistung” verteidigte: “Die Arbeit entsprach damals absolut „nicht das Motiv der wissenschaftlichen Redlichkeit“. [9] dem wissenschaftlichen Standard.” Sie habe auf “gelungene Sicherlich war es die wissenschaftliche Redlichkeit, die ihm Weise die Gewissensbildung mit Methoden aus der Erzie- gebot, einen derart schwerwiegenden, durch keinerlei hungswissenschaft und der Moraltheologie analysiert”. [3] konkrete Indizien gestützten “Verdacht” gegen eine ganze Dieser interdisziplinäre Ansatz, heute Alltag in der Wissen- Universität ohne Weiteres in die Öffentlichkeit zu tragen. schaft, sei damals für junge Promotionsstudenten ein “Wagnis” gewesen [3].

Zu weiteren Hausbesuchen hatte Simone G. dann Doch bei dieser Eloge auf eine von ihm betreute und sei- allerdings keine Lust mehr. Es roch ihr da zu nerzeit für “sehr gut” befundene Arbeit beließ es Wehle nicht. streng. – Unterdessen beschäftigte sich die Er wollte sich auch für die Person seiner damaligen Dokto- Ministerin weiter mit dem Thema ihrer Doktor- randin verbürgen. Dass sie vorsätzlich getäuscht habe, arbeit: schien ihm undenkbar: “Wie kann man eine Arbeit über das Gewissen schreiben 2. Februar 2013 und dabei täuschen?”, fragt er. Er habe Schavan als Heutige Voraussetzungen der Gewissens- “ehrlichen Menschen” kennengelernt. [3] bildung bei Annette Schavan Bloße Zitierfehler aber seien angesichts der damaligen von Simone G. Arbeitsbedingungen nicht überraschend: Schavan habe mit einem Zettelkasten gearbeitet, Internet “Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erforder- habe es damals nicht gegeben, selbst Fotokopien waren nissen heutiger Gewissensbildung” lautet der Untertitel der kaum möglich. Meist mussten sich die Doktoranden die Dissertation über “Person und Gewissen”, die Annette Scha- wichtigen Passagen aus ausgeliehenen Büchern in einem van im Alter von 25 Jahren an der Universität Düsseldorf Zettelkasten notieren. “Das ist natürlich fehleranfällig.” Man vorgelegt hat. Abschließend erledigt war das Thema damit könne aber nicht eine Doktorarbeit von 1980 nach den aber wohl nicht. Gerade die Causa Schavan bietet reichlich heutigen Maßstäben bewerten, kritisiert Wehle. [3] Material für eine Fortsetzung der Schavan’schen Studien. Schavan ihrerseits wollte sich in eigener Causa offenbar Eines der vorläufigen Ergebnisse: Die Voraussetzungen für nicht auf ihren Doktorvater berufen. Das mochte man für den die Gewissensbildung der Person sind wohl stark wechselnd. Versuch der Schonung für den alten Herrn halten, bis am 21. Im Vorwort ihrer Doktorarbeit stattet Annette Schavan ihrem Januar 2013 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einer Doktorvater artigen Dank ab, wie es zahllose Doktorandin- dieser zahllosen Heikette-Schavoll-Artikel erschien, bei nen und Doktoranden vor ihr und nach ihr getan haben: denen man nicht weiß, wo die Ministerin aufhört und wo die Journalistin anfängt. Herr Professor Dr. Gerhard Wehle hat mir die Anregung zu dieser Arbeit gegeben. Ihre Vorbereitung und Erstellung ist Dies war allerdings nicht einfach ein weiterer, sondern ein durch seine fachliche Betreuung wesentlich gefördert wor- besonderer Schavoll-Artikel in entscheidender Stunde. Er den. Für seine Hilfe und stete Ermunterung danke ich ihm erschien einen Tag bevor der Düsseldorfer Fakultätsrat über sehr. [1] die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließen sollte. Noch schien alles möglich – auch die Erledigung des Verfahrens Bei gelegentlichem launigem Rückblick auf ihre Studenten- durch sofortige Einstellung. Das hielten die Urheberinnen zeit erzählte die Ministerin gerne davon, wie sie als 19jährige des FAZ-Artikels zwar nicht für wahrscheinlich, aber auch für im ersten Studiensemester auf einer der Fahrten von Neuss den Fall der Eröffnung war keineswegs alles verloren zu zur Universität in Düsseldorf ihren Kleinwagen zu Schrott geben. Immerhin hatte Roland Preuß in der Süddeutschen fuhr. “Nichts konnte Annette Schavan in ihrer Studienzeit Zeitung ja wenige Tage zuvor gestreut, dass sich eine bremsen – bis auf einen Lkw” [2]. Sie selbst blieb unverletzt: “kleine Ehrenrettung” für Schavan abzeichne, da selbst die Zum Glück. Denn die junge Frau hatte noch viel vor. Sie Promotionskommission inzwischen nicht mehr von absicht- ging schon während des Studiums sehr ehrgeizig ihren licher Täuschung ausgehe. Jetzt galt es also, dem Fakultäts- Weg. Mit 25 schloss sie ihre Promotion ab. Doktorvater ist rat entsprechende Signale zu geben, um gemeinsam einen der Düsseldorfer Erziehungswissenschaftler Gerhard glimpflichen Ausgang ansteuern zu können. Da war es zu- Wehle, der heute in Wesel lebt und bestätigt, dass sie sehr nächst angebracht, ausführlich auf die formidable Erklärung zielstrebig gewesen sei. Wehle unterstützte die Studentin der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zu verweisen, nach besten Kräften, und beide halten bis heute den um dann die beiden Optionen zu benennen, die dem Fakul- Kontakt. [2] tätsrat blieben: Das waren die guten Zeiten, in denen diese dankbare Ver- Der Fakultätsrat könnte am Dienstag ein weiteres Gut- bundenheit nicht nur angebracht erschien, sondern auch auf achten in Auftrag geben, er könnte aber auch eine scharfe gefällige Weise vorzeigbar war. Rüge an die ehemalige Doktorandin und den Doktorvater aussprechen. [4]

http://causaschavan.wordpress.com/ 25 Das war also das weitestgehende Angebot zur Verständi- der Homestory der ZEIT klingt deutlich an, dass bei Ab- gung, das Schavoll der Universität machen wollten: Eine schluss des Studiums eine Abkürzung zu nehmen war. Aber Rüge – aber nur, wenn zugleich auch Doktorvater Gerhard in dieser Version lesen sich die Zusammenhänge doch Wehle scharf gerügt wird! Und um diesen Punkt als essen- deutlich anders: tiell zu unterstreichen, wurde zur Begründung ausgeführt: Durch Förderer an der Universität lockt eine Aufgabe am Der Doktorvater Gerhard Wehle, ehemals Professor an der katholischen Cusanuswerk, das Begabte unterstützt. Doch Pädagogischen Hochschule in Neuss und später – im vorher muss sie ihr Studium beenden, 1980, mit Mitte 20, Zuge der Schließung der Pädagogischen Hochschulen in schließt sie es mit einer Direktpromotion ab, also ohne Nordrhein-Westfalen – an der Universität Düsseldorf, hat Magisterarbeit, Titel: Person und Gewissen. [5] der Studentin der Erziehungswissenschaften und katho- Tatsächlich hat das dann auch prima funktioniert mit der lischen Theologie den verwegenen Vorschlag gemacht, ihr Stelle. Annette Schavan hat ihre Dissertation Anfang Sep- Studium mit der grundständigen Promotion abzuschließen. tember 1980 eingereicht. Noch im selben Jahr 1980 wurde Geplant war eigentlich ein Staatsexamen. Sodann hat er sie als wissenschaftliche Referentin beim Cusanuswerk an- ihr ein Thema gegeben, das sich eher für ein Kompendium gestellt, also zweifellos unmittelbar nach dem Abschluss eignet als für eine Dissertation einer 23jährigen Frau. Ihre ihres offenbar zügig durchgeführten Promotionsverfahrens. Zitierfehler im zweiten, vor allem kritisierten Teil der Arbeit Sie hatte also bislang allen Grund, dankbar zu sein dafür, mit dem Forschungsbericht scheinen ihm entgangen zu dass ihr hier ein Weg geebnet wurde. sein. Die Versäumnisse des Doktorvaters können die Fehler der Doktorandin keineswegs entschuldigen – Denn wie es mit ihr seither weiterging, das wissen wir ja. schließlich hat Frau Schavan der Universität gegenüber

versichert, dass sie “keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt” hat – aber verschwiegen werden dürfen Wenige Tage vor der zweiten, entscheidenden sie auch nicht. [4] Sitzung des Düsseldorfer Fakultätsrats erfuhr man, dass in der Pädagogik der Zeit um 1980 Dass sich Annette Schavan heute kein Gewissen daraus womöglich doch auch ein paar Grundregeln ge- macht, ihren alten Doktorvater hinzuhängen, wenn sie damit golten hatten. Für die Ministerin besonders ungünstig: Es tauchte ein Leitfaden für kor- etwas für sich selbst zu erreichen hofft, wird durch die ge- rektes wissenschaftliches Arbeiten auf – aus- fühlige Homestory womöglich noch greller beleuchtet, die gerechnet am Institut für Erziehungswissen- inzwischen in der ZEIT zu lesen war. Hier räumt sie erstmals schaften der Universität Düsseldorf hatte es “Flüchtigkeitsfehler” ein: 1980 so etwas gegeben. Dass den aber auch niemand weggeschmissen hatte! “Flüchtigkeitsfehler sind mir nicht peinlich.” Sind es nicht handwerkliche Fehler? [...] “Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich habe jetzt erst entdeckt, dass im Literaturverzeichnis 3. Februar 2013 eine Quelle zweimal genannt ist, eine andere dafür gar Schavan: Wie sie zitieren musste – warum sie nicht. Vor 33 Jahren gab es noch keine technischen Mög- zittern muss lichkeiten, einen Text noch einmal zu überprüfen. Man konnte nur selbst genau lesen und auf die Prüfer ver- von Simone G. trauen.” [5] Gar manch hübsches Märlein und manch possierliche Da ist er wieder, der mitverantwortliche Doktorvater, auf den Schnurre haben sie uns erzählt aus grauer Urväter-Zeit, da die junge Studentin doch so sehr vertraut hatte und der nun, in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen noch alles wenn das alles überhaupt zu rügen sein soll, genau so ge- mögliche herrschte, nur eben keine Disziplin. Und das galt, rügt werden muss wie sie selbst. Eigentlich mindestens so kündeten sie wie aus einem Munde, zumal in der Erzie- genau so, denn sie war jung und unschuldig, und er hätte es hungswissenschaft, dem Promotionsfach der Ministerin. besser wissen und sie bewahren müssen. Gebannt saßen wir zu ihren Füßen im Scheine der blaken- Angesichts dieser Verteidigungsstrategie wird jetzt womög- den Funzel, lauschten staunend und ehrfurchtsvoll, wie sie lich manche und mancher darüber grübeln, ob zu den von Frau Gattung, dem Hasen und der Typik und von den Voraussetzungen damaliger wie heutiger Gewissensbildung siebenhundertfünfunddreißig tapferen Zitierfehlerlein vielleicht auch so eine schwer fassbare Größe wie “Charak- fabulierten. Keiner wagte es, sich zu rühren. Nur Heike ter” gehört (hätte). Wie dem auch sei – wenn man sich einer zupfte manchmal versonnen am Spinnrocken. solchen Strategie bedient, dann sollte man möglichst darauf Heute ist die Spinnstube verwaist, und Heike dreht am Rad. achten, dass in den diversen Heikettiaden und Homestories Dietrich Benner, Heinz-Elmar Tenorth und Ludger Honne- auch immer alles hübsch zusammenpasst. Hier besteht felder sind unerwartet unpässlich, und Wolfgang Frühwald, leider Nachholbedarf. Denn wie hieß es doch in der FAZ? Käpt’n Blaubär oder irgend ein anderer Bevollmächtigter der Der Doktorvater Gerhard Wehle [...] hat der Studentin [...] wissenschaftlichen Sauberkeitsstandarten-Allianz den verwegenen Vorschlag gemacht, ihr Studium mit der (SAUSTALL) war wohl so kurzfristig nicht verfügbar. Das grundständigen Promotion abzuschließen. Geplant war haben ein paar dahergelaufene, nichtswürdige Wichte eigentlich ein Staatsexamen. [4] ausgenutzt, um flugs ihre Ungezogenheiten unter das Volk zu bringen. Und die Journaille ist sich nicht zu schade, das So wurde die junge Annette durch einen verantwortungslos- auch noch zu verbreiten. tollkühnen Doktorvater von ihrem Weg der Solidität fortge- lockt und unausweichlich an einen Abgrund geführt. Auch in

http://causaschavan.wordpress.com/ 26 Der Berliner “Tagesspiegel” hat von einigen Erziehungswis- Arbeitens umgegangen worden ist, begeht Rufmord an senschaftlern wissen wollen, ob die Zitierstandards in ihrem dem Fach. Das ist ungehörig und unanständig – und: Es Fach damals tatsächlich so anders und besonders gewesen ist schlicht falsch. [1] sind, wie es Benner, Tenorth und andere Verteidiger der Nach all dem ist durchaus zu befürchten, dass die Ministerin behaupten. Die Antworten fielen (überraschend?) Unpässlichkeit der Herren Benner, Tenorth und Honnefelder deutlich aus. noch eine Weile anhält. „Das ist völlig absurd”, meint etwa Hans Brügelmann, der

1980 – im Jahr der Dissertation der Annette Schavan – als Professor für Grundschulpädagogik an die Universität Bremen berufen worden ist und später an der Universität Können die empört klingenden Äußerungen altgedienter Siegen lehrte: Vertreter des Fachs überraschen? Hat wirklich irgend je- Die Zitierregeln in der Erziehungswissenschaft waren mand ernsthaft glauben können, dass die Erziehungswis- damals die gleichen wie heute auch und nicht anders als in senschaft zu Zeiten der Doktorandin Schavan eine Art anderen Fächern [...]. Darum braucht man auch keine Notstandsgebiet eigenen akademischen Rechts gewesen Erziehungswissenschaftler, um zu beurteilen, ob die sei? Ein Spielparadies der unbekümmerten Regellosigkeit Zitierregeln in einer Dissertation von 1980 eingehalten auf Treu und Glauben? wurden oder nicht. Wie zitiert wurde, hing damals auch Vielleicht musste dieses Garn ja gerade deshalb, weil es so nicht vom Gattungstyp einer Dissertation ab, also davon, erkennbar dünn war, dann auch noch in einen größeren ob es eine empirische oder eine literaturbasierte Arbeit wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang eingewoben war. Die Regeln galten immer. Auch wenn es häufig werden. Michael Stürmer war zuverlässig zur Stelle, um uns passiert, dass jemand ein paar Mal beim Zitieren zu erklären, dass letzten Endes “die Irrungen und Wirrungen schludert. [1] des Jahres 1968″ ursächlich seien für das Missgeschick der Klaus-Jürgen Tillmann, der von 1979 bis 1991 an der Uni- jungen Studentin und Doktorandin. Damals sei die Hoch- versität Hamburg und von 1992 bis zu seiner Emeritierung in schullandschaft in eine wahrhaft schwindelerregende Bewe- Bielefeld eine Professur für Pädagogik innehatte, weist auch gung geraten: das Argument zurück, die Eigenheiten der Doktorarbeit oder Es traf, im Guten wie im Bösen, vor allem die pädagogi- eine laxe Kontrolle und Beurteilung könnten auf die Ursprün- schen Hochschulen, wo seit langem brave Aufsteiger zu ge der Düsseldorfer Erziehungswissenschaft in der Pädago- Volksschullehrern – mehrheitlich vor allem Lehrerinnen – gischen Hochschule Neuss zurückzuführen sein: ausgebildet wurden. [...] Die Pädagogen erlebten eine Auch in den siebziger Jahren war es selbstverständlich wundersame Anhebung ihres Status. Waren die meisten und nicht strittig, dass die Texte anderer Leute adäquat Hochschullehrer an pädagogischen Hochschulen bis dato bearbeitet und angegeben werden mussten. Wer Inter- hauptsächlich aufgrund ihrer besonderen pädagogischen pretationen aus der Sekundärliteratur referierte, musste Fähigkeiten praxisnah berufen worden, so wurde jetzt alles diese Sekundärliteratur auch angeben. [...] Das Argument, wie durch Handauflegen akademisiert. Hatten die PHs bis PH-Professoren könnten mit universitären Standards nicht dahin ziemlich folgenlos über Gott und die Welt räsonieren vertraut gewesen sein, halte ich nicht nur deshalb für können, so wuchs nunmehr die Versuchung, nach höher wenig stichhaltig. Die Professoren, die damals an den PHs hängenden akademischen Früchten zu greifen. [2] lehrten, hatten doch auch alle selber an einer Universität Und so wurde “die damals 23-jährige Studentin [...] mit studiert. [1] einem Megathema auf den Weg geschickt, das kein vernünf- Renate Valtin, von 1975 bis 2006 als Professorin für Er- tiger Doktorvater einer Novizin jemals hätte anvertrauen ziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule, dürfen.”[2] der Freien Universität und der Humboldt-Universität in Berlin Natürlich ist Stürmers Kritik nicht völlig von der Hand zu tätig, äußert sich weisen. Das Thema der Doktorarbeit ist wahrhaftig von entsetzt, dass die wissenschaftlichen Standards meines konturloser Großartigkeit – aber dass dies nun sehr viel mit Faches so gering eingeschätzt werden. Ich habe meine den “Irrungen und Wirrungen des Jahres 1968″ zu tun hat Dissertation 1968 an der Universität Hamburg bei den oder unmittelbar auf den Zustand der Pädagogik in dieser Erziehungswissenschaftlern eingereicht – und schon Zeit verweist, wäre erst noch zu zeigen. Die Kandidatin hat damals galten die Gesetze des Zitierens. Das haben wir jedenfalls seither immer vorzugsweise in genau dieser Art schon in den Proseminaren gelernt. [1] geistiger Münze gezahlt und tut das bis heute: Kein Thema war ihr je zu groß. Michael Winkler, Leiter des Instituts für Bildung und Kultur an der Universität Jena, hat seine Doktorarbeit im Fach Päda- Auf den schlichten Nenner “Die Uni ist schuld” bringt es dann gogik 1979 vorgelegt und George Turner, der es tatsächlich für den einzigen Fehler der Doktorandin halten will, “dass sie Annette Schavan heißt kann darum in aller Deutlichkeit versichern, dass zu die- und Bundesbildungsministerin ist.”[3] Sehe man es kritisch, sem Zeitpunkt in der wissenschaftlichen Pädagogik selbst- verständlich die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens in dann wird in Düsseldorf der Geburtsfehler der Wissen- aller Strenge gegolten haben; es gab keine Unterschiede schaftsaufblähung in den sechziger und siebziger Jahren zu anderen Fächern. [...] Wer sagt, dass bei Doktorar- einer Mittzwanzigerin in die Schuhe geschoben. [3] beiten in der Erziehungswissenschaft aus den siebziger Jahren nachlässig mit den Standards wissenschaftlichen

http://causaschavan.wordpress.com/ 27 Diese Aufblähung des früheren Berliner Wissenschafts- Verwendung des MLA-Zitiersystems: “…” (Goffman 1959, senators setzt sich dann auch sogleich an anderer Stelle fort S. 145 f.; zit. nach Cicourel 1974, S. 98 f.); entsprechend – nämlich als Forderung, den Fall Schavan zu entpolitisieren. verfährt man auch bei Quellenangaben in Fußnoten oder Wie das geht, führt Turner erst einmal vor, indem er die Anmerkungen. [...] Äußerungen des Deutschen Hochschulverbandes als “ge- Auch für das wiederholte Zitieren eines Autors sieht der Düs- werkschaftliche Reflexe” abtut. Da Düsseldorf die Ministerin seldorfer Leitfaden eine Regelung vor: Nach dem ersten nach seiner Einsicht aber nur deshalb verfolgt, weil sie Zitatnachweis dürfen die weiteren Nachweise dann jeweils “Annette Schavan heißt und Bundesbildungsministerin ist”, verkürzt werden. Mit anderen Worten: Ein Nachweis erfolgt wird man bei ordentlicher Entpolitisierung wohl nicht umhin in jedem einzelnen Fall. können, der Universität das Verfahren zu entziehen. Wenn wir Glück haben, steht Sohn Sebastian Turner als Vorsitzen- All das war in Düsseldorf geregelt, und es war den Studie- der der zu schaffenden unabhängigen Entscheidungsinstanz renden bekannt. Von einer Technik der Eisberg-Zitate weiß zur Verfügung. der Leitfaden nichts, Typik und Gattung der jeweiligen Arbeit (literaturbasiert? interpretatorisch? basisch? phasisch-to-

nisch?) finden keine Erwähnung. Regel ist Regel. Benner und Tenorth werden sich wundern, wenn sie aus ihrer klei- nen Unpässlichkeit zurückkehren. Das universitäre Fach Pädagogik der 1970er war wohl doch etwas mehr als nur eine Flatulenz der Wissenschaft. Und es Ob sich allerdings Annette Schavan über all diese Neuig- galten sogar Zitierregeln, dieselben nämlich, wie in anderen keiten wundern kann, wollen wir offen lassen. Fächern auch. Selbstverständlich.

Es ist das ganz besondere Pech solcher Geschichtener- Während alle Welt darauf wartete, ob der Düs- zähler wie Benner und Tenorth, dass sich dieser nahelie- seldorfer Fakultätsrat nun zu einem Spruch gende Umstand nun ausgerechnet am Beispiel der Düssel- kommen würde, haben wir uns die Zeit mit der dorfer Erziehungswissenschaft genau nachweisen lässt. Anfertigung eines praktischen Bastelbogens Zitieren wir einfach aus einem Leitfaden für die Anfertigung für Doktoranden und andere Geistesbedürftige vertrieben. Das inspirierende Beispiel der von Seminararbeiten, der dort 1978 bereits in 8. Auflage den Bundesministerin für Bildung und Forschung Studierenden bereit gestellt wurde. Mitherausgeber der mochte ihnen bei der Herstellung ihrer Quali- Reihe “Düsseldorfer Materialien zum Studium der Erzie- fikationsschriften hilfreiche Orientierung hungswissenschaft”, als deren erster Band der Leitfaden geben. Tatsächlich erfreute sich unser Leit- damals gedruckt wurde, war übrigens Schavans Doktorvater faden für Plagiatsanfänger dann auch reger Gerhard Wehle. Nachfrage: 1. Zitierpflicht Geistiger Diebstahl ist kein Kavaliersdelikt. Er ist ein Ver- 5. Februar 2013 stoß gegen die Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens Schavan: Plagiat für Anfänger. Ein kleiner und Denkens und hat – aufgedeckt – schon manchen Leitfaden Wissenschaftler um Ehre und Karriere und manchen Prüfungskandidaten um den Erfolg seiner Bemühungen von Simone G. gebracht. Und das ist gut so. Denn wer gegen die Zitier- pflicht verstößt, verletzt nicht nur das Gebot der intellek- So. Und wieder haben wir eine Seite gefüllt. 89 Seiten jetzt tuellen Redlichkeit, sondern auch seine Pflicht, den Leser schon … erst … Mühsam, mühsam. Und das liegt gar nicht zutreffend und genau über den Stand der wissenschaft- an der urtümlichen Kugelkopf-Schreibmaschine, die wir bei lichen Diskussion zu informieren. Es ist deshalb selbst- unserer lieben, alten Muhme Rumfrömmpel ausgegraben verständlich, daß man [...] alle wörtlichen und sinnge- haben. Sondern es liegt daran, dass wir noch so etwa 200 mäßen Entlehnungen aus fremden Texten kenntlich zu Seiten mindestens füllen müssen, damit man das dann eine machen hat. [4] Doktorarbeit nennen kann. Mit Text. Fußnoten. Allem, was dazugehört. Und es liegt daran, dass uns ständig so viel Es folgt eine minutiöse und ebenso klare wie brauchbare einfällt zum Thema. Auf dem Tisch stapeln sich all diese Auflistung aller geltenden Regeln. Zwei Punkte dürften in der öden Bücher, die irgendwelche Typen mal geschrieben Causa Schavan von besonderem Interesse sein: haben. Und jedesmal, wenn wir in einer dieser Schwarten 6. Wiedergabe sinngemäßer Zitate blättern, fällt uns ein: Mist, das hätte uns doch auch einfallen Wenn man längere Ausführungen eines Autors zusam- können. menfassend wiedergeben will, kommt an Stelle eines Ansonsten fällt uns nicht so viel ein. Und jetzt sind wir also wörtlichen nur ein sinngemäßes Zitat, das man in eigene auf der Seite 90 unseres genialen Werks angekommen. Das Worte fassen muß, in Frage. Jedes sinngemäße Zitat muß Kapitel handelt von Alfred Adler, und immerhin haben wir genauso wie ein wörtliches Zitat mit einer genauen Quel- uns gerade mit Kind und Eltern und Tier und so in der lenangabe versehen werden. komplexen Gesellschaft beschäftigt. Das kommt schon ganz 9. Quellenangaben bei Zitaten aus erster und aus zweiter gut. Aber das ist jetzt wieder voll der Horror, wie jedesmal: Hand Neue Seite. Riesengroß und weiß und leer starrt uns das in Zitiert wird grundsätzlich der Originaltext, nicht die Sekun- die Maschine eingespannte frische Blatt Papier an. Wir därschrift, aus der u.U. das Zitat entnommen ist. Kann der fühlen uns gar nicht frisch. Originaltext nicht eingesehen werden, so schreibt man bei

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größere Kinder viel besser zurechtfinden. "Jedes Kind ist 90 dadurch, daß es in die Umgebung von Erwachsenen gesetzt ist,

verleitet, sich als klein und schwach zu betrachten, sich

als unzulänglich, minderwertig einzuschätzen" 1). komplexen Gesellschaft zurechtzufinden.

Fußnote setzen! Schließlich wollen wir unsere Quellen ja nicht verschweigen:

größere Kinder viel besser zurechtfinden. "Jedes Kind ist dadurch, daß es in die Umgebung von Erwachsenen gesetzt ist, verleitet, sich als klein und schwach zu betrachten, sich als unzulänglich, minderwertig einzuschätzen" 1).in der Natur

______

1) Adler,Alfred: Menschenkenntnis. Leibzig 11927. S. 54.

Na, allmählich wird das doch. Diese Quellenangaben in den Fußnoten müssen sehr genau geschrieben werden, mit allem drum und dran. Also zum Titel gehört dann auch der Ort angegeben: Leibzig, dann das Jahr. Die Auflagenziffer stellen wir höher, mit der Kugelkopf kein Problem. Dann die

Seitenangabe. Auf diese Angaben in den Fußnoten schauen die Prüfer schon mal, deshalb kann es sich lohnen, das nochmal zu checken. Bei Jacoby war das hier zum Beispiel jetzt nicht so ganz richtig gewesen.

Psychoanalyse und Persönlichkeit. Zeit für eine Auflockerung. Mal etwas weg von der Vorlage zwischendurch, das ist wichtig. Also was stand da zuletzt? “Jedes Kind ist dadurch, daß es in die Umgebung von Er- Wie sollen wir das jemals vollkriegen? wachsenen gesetzt ist, verleitet, sich als klein und schwach zu betrachten, sich als unzulänglich, minderwertig einzu- Lass mal da noch mal nachgucken. Jacoby hier, was meint schätzen.” der denn dazu. Ach so, ja: “Die Unzulänglichkeit ist die Aus- gangsposition jedes Menschen, beginnt doch seine Lauf- Na, daraus leiten wir doch rasch eine tolle tiefere Erkenntnis bahn in einem Zustand der Hilflosigkeit.” Ist doch gut. Das ab: Das Kind ist dazu verleitet, sich als minderwertig einzu- nehmen wir. schätzen – daraus entsteht ein Gefühl der Minderwertig- keit! Und das betrifft jedes Kind – also nicht nur vereinzelt! Jedes Kind ist irgendwie auch Mensch, und wir Menschen 90 waren alle auch mal Kinder. Also allgemein menschlich! Toll. So wird das was. Und an ein passendes Zitat von Meister Adler erinnern wir uns auch noch. Haben wir notiert. komplexen Gesellschaft zurechtzufinden. Seine Ausgangs- Notiz haben wir gefunden. Wow! position ist die der Unzulänglichkeit, seine Laufbahn beginnt in einem Zustand der Hilflosigkeit. als unzulänglich, minderwertig einzuschätzen" 1). So entsteht beim Kind ein Gefühl der Minderwertigkeit, das So, schon mal ein Anfang. Wie geht’s weiter bei Jacoby? nicht vereinzelt auftritt, sondern nach Adler ein menschliches Leben schlechthin bestimmendes Gefühl ist: "Mensch sein “Sein frühes Erlebnis ist, daß es nicht tun kann, was Erwach- heißt: sich minderwertig fühlen" 2 sene oder größere Kinder um es herum tun, seine Bewegun- ______gen sind der Versuch, ein Gefühl der Ohnmacht zu überwin- 2) ders.: Der Sinn des Lebens. Frankfurt 21974. S. 67. den.” Ja, schon klar:

beginnt in einem Zustand der Hilflosigkeit. Wie geht’s weiter? – Ah, da kommt wieder was bei Jacoby,

Gleichzeitig erlebt das Kind, daß sich Erwachsene und das ist sehr brauchbar. “Das Minderwertigkeitsgefühl wird größere Kinder viel besser zurechtfinden. nicht unmittelbar als solches wahrgenommen – erst zu einem späteren Zeitpunkt kann es in reflektierender Weise bewußt werden -, es ist vielmehr eine Gefühlslage, die ent- Oh, und dann hat Jacoby noch ein passendes Zitat von steht, wo Angestrebtes nicht mit eigenen Kräften erreichbar Adler: “Jedes Kind ist dadurch, daß es in die Umgebung von zu sein scheint.” Das nehmen wir mit dazu. Erwachsenen gesetzt ist, verleitet, sich als klein und schwach zu betrachten, sich als unzulänglich, minderwertig einzuschätzen.” Nehmen wir.

http://causaschavan.wordpress.com/ 29 die ihm als Gefühl des Verkürztseins und der Unsicherheit heißt: sich minderwertig fühlen" 2). zum Bewußtsein kommt, wirkt als ein fortwährender Reiz, Solches Minderwertigkeitsgefühl wird nicht unmittelbar als einen Weg ausfindig zu machen, um die Anpassung an solches wahrgenommen, sondern bezeichnet eine Gefühlslage, dieses Leben zu bewerkstelligen, vorzusorgen, sich Situatio- die immer dann entsteht, wenn Angestrebtes nicht mit eigenen nen zu schaffen, wo die Nachteile der menschlichen Stellung Kräften erreichbar zu sein scheint. 3) in der Natur ausgeglichen erscheinen.” Jau, passt supergut.

Allerdings haben wir das Gefühl, dass etwas Verkürztsein hier angesagt ist. Das ist aber rasch gemacht und sieht dann Eine Fußnote setzen wir da auch noch: so aus:

Kräften erreichbar zu sein scheint. 3) 90 ______

3) Es ist also nicht die von Adler beschriebene tatsächliche „Minderwertigkeit von Organen" (Studie 1907), sondern das komplexen Gesellschaft zurechtzufinden. Seine Ausgangs- aus Abhängigkeit und Machtlosigkeit erwachsene subjektive position ist die der Unzulänglichkeit, seine Laufbahn Gefühl der Minderwertigkeit ausschlaggebend. beginnt in einem Zustand der Hilflosigkeit. Gleichzeitig erlebt das Kind, daß sich Erwachsene und größere Kinder viel besser zurechtfinden. "Jedes Kind ist Gemerkt? In dieser Fußnote verweisen wir jetzt natürlich dadurch, daß es in die Umgebung von Erwachsenen gesetzt ist, verleitet, sich als klein und schwach zu betrachten, sich nicht auf Jacoby, sondern stellen nochmal unter Beweis, wie als unzulänglich, minderwertig einzuschätzen" 1). gut wir uns selbst in der Sache mit Adler auskennen: Für das So entsteht beim Kind ein Gefühl der Minderwertigkeit, das Minderwertigkeitsgefühl ausschlaggebend ist das Gefühl der nicht vereinzelt auftritt, sondern nach Adler ein menschliches Minderwertigkeit. Leben schlechthin bestimmendes Gefühl ist: "Mensch sein heißt: sich minderwertig fühlen" 2). Die Seite sieht schon ganz gut aus. Jacoby gibt im Moment Solches Minderwertigkeitsgefühl wird nicht unmittelbar als auch nicht mehr viel her. Aber Nuttin ist gut. Kleine Überlei- solches wahrgenommen, sondern bezeichnet eine Gefühlslage, tung nur, aber schön markante Formulierung, die zitieren wir die immer dann entsteht, wenn Angestrebtes nicht mit eigenen natürlich mit korrektem Nachweis in der Fußnote: Kräften erreichbar zu sein scheint. 3)

Als Reaktion auf diese Situation erwächst "in den unbewußten 4) Kräften erreichbar zu sein scheint. 3) Tiefen der Person" der Drang nach Überlegenheit und Macht. Zur Kompensation des Minderwertigkeitsgefühls und als Als Reaktion auf diese Situation erwächst "in den unbewußten Ausstrahlung einer seelischen Urenergie, die nach Selbstver- 4) Tiefen der Person" der Drang nach Überlegenheit und Macht. wirklichung tendiert, entwickelt das Individuum Geltungs- ______streben. Solches Streben nach Selbsterhaltung und 4) Nuttin, Josef: Psychoanalyse und Persönlichkeit. Persönlichkeitsbehauptung wird in der Individualpsychologie als Grundtrieb gesehen. Das Gefühl der Minderwertigkeit

erscheint hier "als ein fortwährender Reiz, einen Weg ausfindig zu machen, um die Anpassung an dieses Leben zu Weiter mit Nowak. Was schreibt Nowak? “In dieser Sicht er- bewerkstelligen, vorzusorgen, sich Situationen zu schaffen, weist sich aber das Geltungsstreben als ein Doppelphäno- wo die Nachteile der menschlichen Stellung in der Natur men. Es ist einmal eine seelische Reaktion auf ein Minder- ______wertigkeitsgefühl, eine Kompensation; andererseits zeigt 1) Adler,Alfred: Menschenkenntnis. Leibzig 11927. S. 54. sich, daß hinter dem Geltungsstreben eine seelische Urkraft 2) ders.: Der Sinn des Lebens. Frankfurt 21974. S. 67. steht. Die Kompensation im Adlerschen Sinne ist nicht bloß 3) Es ist also nicht die von Adler beschriebene tatsächliche eine Reaktion, sondern auch als Ausstrahlung einer seeli- „Minderwertigkeit von Organen" (Studie 1907), sondern das schen Urenergie aufzufassen, die nach Selbstwert und aus Abhängigkeit und Machtlosigkeit erwachsene subjektive Selbstverwirklichung tendiert.” Und dann: “Dieser Drang des Gefühl der Minderwertigkeit ausschlaggebend. Selbsterhaltungstriebes zur Persönlichkeitsbehauptung ist 4) Nuttin, Josef: Psychoanalyse und Persönlichkeit. der Grundtrieb in der Individualpsychologie.” Schon gut irgendwie, aber auch ziemlich markant. Das können wir auf keinen Fall so lassen. Hier ist also Kleinarbeit angesagt: Und – Wahnsinn! Fertig ist unsere Seite 90! Mit Fußnoten Zusammenstreichen, in der Anordnung ein bisschen verän- und allem, was dazugehört! Aber wir haben auch gemerkt: dern, dann geht’s. Leicht ist das nicht, eine Doktorarbeit zu schreiben. Es ist eine unheimliche Sucherei und viel, viel Kleinarbeit. 4) Tiefen der Person" der Drang nach Überlegenheit und Macht. Ach ja: Für eine Fußnote, in der wir Jacoby oder Nowak Zur Kompensation des Minderwertigkeitsgefühls und als Ausstrahlung einer seelischen Urenergie, die nach Selbstver- erwähnen können, war auf der Seite leider kein Platz mehr, wirklichung tendiert, entwickelt das Individuum Geltungs- hihi. streben. Solches Streben nach Selbsterhaltung und Persönlichkeitsbehauptung wird in der Individualpsychologie Also weiter, denn jetzt sind wir schon auf Seite 91. als Grundtrieb gesehen.

Bei Nowak steht dann auch gleich dieses toll passende Adler-Zitat: “Aber diese Minderwertigkeit, die ihm anhaftet,

http://causaschavan.wordpress.com/ 30 Simone G. | 6. Februar 2013 um 17:23 | 91 Interessanter Ansatz. Übersieht allerdings, dass es bei die- ser Regel nur um die Frage des Umgangs mit Zitaten aus einer Primärschrift (A) geht, auf die man in einer Sekun- ausgeglichen erscheinen" 1). därschrift (B) gestoßen ist. Da sagt die Regel: Wenn man so ein Zitat nehmen will, dann muss man es bei (A) auf- suchen und von dort übernehmen. Nur wenn (A) nicht verfügbar ist, darf man dieses Zitat aus (B) übernehmen, muss dann aber sagen: “(A), zitiert nach (B).” Soweit, so banal. Das ist hier aber auch gar nicht das Problem.

Schavan erweckt den Eindruck, sie hätte sich hier direkt in Alfred Adler vertieft und alles selbst geleistet. Motto: “Al- fred und ich allein im Zimmer”. Neben den Primärschrif- ten von Adler kommt in ihren Fußnoten als einzige Sekun- därschrift Nuttin vor, den sie aber nur für zwei Zeilen braucht. Im übrigen soll alles auf dieser Seite auf ihrem Mist gewachsen sein: Eigener Text zu Adler, eigene Aus- wahl der Zitate, also eigene Gedankenarbeit auf der Grundlage eigener umfassender Lektüre als Beweis für die

eigene Beherrschung des Materials und der Sache. In Wahrheit hat sie sich aber außer einem auffällig schlicht gestrickten Einschub und zwei Zeilen Nuttin alles auf dieser Seite aus Jacoby und Nowak gezogen und leicht zusammengekämmt. Kein Hinweis auf Jacoby. Kein Hin- weis auf Nowak. Natürlich ist das mit Guttenberg nicht zu vergleichen. Guttenberg war ein ungewöhnlich primitives Plagiat. Schavan hat sich mehr Mühe gegeben.

twidu | 6. Februar 2013 um 18:55 | Boah, was für ein Horror. Echt jetzt. – Aber wir schaffen das Könnte es sein, dass Sie wenig Erfahrung mit geisteswis- schon. senschaftlichen Texten haben? Grundlegende Elemente geisteswissenschaftlicher Arbeiten sind, sehr verkürzt ge- sagt, 1. den Forschungsstand zu referieren, 2. anhand des Causa-Schavan-Leser in der Promotionsphase bzw. in Abgrenzung vom Forschungsstand eigene Gedan- waren ob solcher Hilfestellung entzückt. Nur kengänge zu entwickeln. Den Forschungsstand referiert vereinzelt zeigte sich Verwirrung (wer oder man gewöhnlich mittels einer Paraphrase, die sich in der was war eigentlich Muhme Rumfrömmpel?) oder Verwendung zentraler Begriffe wie auch in der Argumen- auch Skepsis. So entspann sich ein Disput mit tationabfolge eng an den Ursprungsstext (hier: insbeson- Leserin „twidu“: dere Adler) anlehnt. Der Variabilität derartiger Paraphra- sen sind entsprechend enge Grenzen gesetzt. twidu | 6. Februar 2013 um 15:54 | Ohne Schavans Dissertation im Volltext zu kennen meine Hmja. Ich zitiere mal die Zitierregeln des Leitfadens von ich auf der hier analysierten S.90 eine solche Forschungs- 1978, hier entnommen aus causaschavan : stands-Paraphrase zu erkennen. Ob Schavan ihre Adler- “9. Quellenangaben bei Zitaten aus erster und aus zweiter Paraphrase nun a) allein anhand von Jacoby, b) allein an- Hand[:] Zitiert wird grundsätzlich der Originaltext, nicht hand von Adler, oder c) anhand einer kombinierten Lektü- die Sekundärschrift, aus der u.U. das Zitat entnommen re Adlers und Jacobys entwickelte, läßt sich anhand des ist.” Genau das hat Schavan in den hier vorgeführten Bei- vorgeführten Textes nicht umfassend entscheiden. Die spielen gemacht. Dass sie tatsächlich den Originaltext ein- Korrektur der Literaturangabe im 4. Beispiel belegt je- gesehen (und nicht nur so getan hat) wird z. B. in ihrer doch, daß sie zumindest in diesem Fall definitiv mit der Korrektur der Literaturangabe beim 4. Beispiel deutlich. Originalquelle arbeitete. Variante a) [Schavan referiert Natürlich hätte man auch Fußnoten nach Muster “Adler nach Jacoby, ohne Adler herangezogen zu haben, ver- …, vgl. dazu auch Jacoby …” stricken können. Man hat schleiert das jedoch in ihren Anmerkungen] ist also zu- das aber in Zeiten der Kugelkopfschreibmaschine tatsäch- mindest bei diesem Beispiel vom Tisch. Variante b) lich üblicherweise nicht getan. Und selbst in Zeiten der [Schavan referiert Adler anhand von Adler, ohne Jacoby frühen PCs habe ich für derartige Fußnoten negatives zu kennen oder herangezogen zu haben] ist möglich, da Feedback bekommen (sinngemäß: “blähen sie ihre Fußno- die Paraphrasen von Schavan und von Jacoby zwar über- ten doch nicht so unnötig auf, es reicht völlig, wenn sie einstimmende Schlüsselbegriffe und Gedankengänge ent- hier den Originaltext zitieren”). Kurz: Ich habe aus wirk- halten, diese Übereinstimmungen aber durchgängig dem lich gutem Grund und mit außerordentlichem Vergnügen in den Fußnoten genannten Referenztext (Adler) entnom- dazu beigetragen, den Plagiator Guttenberg zu flambieren. men sind. Und Variante c) [Schavan hat sowohl Jacoby Die Vorwürfe gegen Schavan, so wie sie hier beispielhaft wie Adler herangezogen, aber dennoch nur Adler, weil vorgeführt werden, sind aus meiner Sicht aber haltlos. Primärtext, zitiert] ist von den Zitierregeln ihrer Fakultät explizit gedeckt. Ich bleibe daher bei meiner Einschät- zung: Kein Plagiat, sondern lege artis.

http://causaschavan.wordpress.com/ 31 Simone G. | 6. Februar 2013 um 19:47 | der Vorwürfe in dem Gutachten systematisch mit der Über- Eher nicht. Wenn man eine Beschreibung “grundlegender prüfung der Täuschungsabsicht vermischt” worden. Genau Elemente geisteswissenschaftlichen Arbeitens” schon der- das habe die Universität Bayreuth im Fall Guttenberg be- art verkürzt, dass der Forschungsstand “gewöhnlich mit- wusst vermieden. [1] tels einer Paraphrase” referiert wird … Nein. Frau Schmoll übersah dabei gleich Dreierlei: Erstens gehört Schavan macht das allerdings wirklich weitgehend so, und die gesetzlich vorgegebene Anhörung zum geregelten und das ist ja vielleicht sogar eine Quelle des Problems: Sie somit auch regelbaren Verfahrensablauf, das “Durchstechen” kommt nicht von ihren Vorlagen weg, aber sie will so tun vertraulicher Unterlagen an die Medien dagegen kaum. So als ob. Deswegen nennt sie auch weder Jacoby noch verwerflich (und strafbar) solche Indiskretionen auch sind: Nowak. Natürlich benutzt sie auf dieser Seite auch die Sie kommen häufig vor. “Ordentlich terminieren” lassen sich Primärschriften. Vor allem schaut sie nach, ob da auch Indiskretion und Anhörung in ihrer Abfolge aber schwerlich. wirklich alles so drin steht wie bei Jacoby. Wenn man das schon “mit der Originalquelle arbeiten” nennen will … Zweitens ist der Vorwurf des Täuschungsvorsatzes selbst- Und so zieht sich das eben durch dieses und weitere Ka- verständlich zu überprüfen. Die Düsseldorfer Promotions- pitel durch, zu besichtigen auf schavanplag. “Lege artis” – ordnung macht die Feststellung der Ungültigkeit einer Pro- in welcher Kunst? motionsleistung sogar ausdrücklich davon abhängig, dass “Täuschung, Drohung oder Bestechung” konstatiert werden, Übrigens ist es gar nicht richtig, dass sich das von Jacoby sofern nicht bereits wesentliche Voraussetzungen für die Übernommene alles ganz entsprechend auch schon bei Promotion gefehlt haben. Drittens geschah es ausgerechnet Adler findet. Und bei ihrer Fledderung von Nowak über- an der Universität Bayreuth, deren Plagiatsverfahren Frau sieht Schavan sogar, dass Nowak aus einer Schrift von Schmoll im Rückblick “als geradezu untadelig erscheinen” Adler zitiert, die sie selbst nirgendwo erwähnt. Ziemlich wollte[1], dass der Doktorgrad ohne besondere Anhörung peinlich, und offensichtlich doch nicht “lege artis”. des Betroffenen entzogen wurde. Dass dies so geschah, Variante b) (“allein von Adler”) kann man also getrost warum und wie dies so geschehen konnte und weshalb die vergessen. Es ist Variante c), aber in einer ziemlich Feststellung einer vorsätzlichen Täuschung in Bayreuth traurigen Spielart. zunächst verzichtbar erschien und dann doch noch nachge- holt wurde – all das ist damals offenbar unbemerkt geblieben oder seither in Vergessenheit geraten. Der Düsseldorfer Fakultätsrat hatte entschie- den: Mit 13 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen Seit dieser Ouvertüre durch Frau Schmoll wird das musikali- den „Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung sche Bühnenstück von den Bayreuther Meisterprüfern in durch Plagiat“ festgestellt, mit 12 Stimmen Permanenz aufgeführt. Die aktuelle Inszenierung stammt bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung die Entziehung des Doktorgrades beschlossen. von Martin Spiewak. “Nichts dazu gelernt” habe die Institu- Erneut schlugen die Wellen der Empörung hoch tion Universität aus den Plagiatsaffären. Für die Universität über ein unfaires, willkürliches Verfahren, Düsseldorf sei der Fall Schavan gar “eine Schande”. Doch dem Schavan ausgesetzt gewesen sei. Wie vor- Professoren litten nun mal nur vereinzelt an einem bildlich nahm sich demgegenüber das Vorgehen der Universität Bayreuth im Fall zu Gutten- Hang zu grundsätzlichen Selbstzweifeln. Am größten aber berg aus! Meinte man. RA Bongartz wusste es ist wohl die Scheu der Denker, über ihr eigenes Tun anders: nachzudenken. Dabei gäbe es gerade jetzt Anlass dazu. Denn die Plagiatsaffäre um Annette Schavan ist nicht nur für die Ministerin ein Tiefpunkt, sondern auch für die Uni- 8. Februar 2013 versität Düsseldorf. Und sie wirft die grundsätzliche Frage Kurzzeitgedächtnis: Anmerkungen zur auf: Warum lernen Universitäten nicht voneinander? aktuellen Bayreuth-Inszenierung Warum lernen sie überhaupt so ungern, wenn es um sie von RA Bongartz selbst geht? [2] Die Universität Düsseldorf hat ein verheerendes Bild gebo- In den Debatten um das Düsseldorfer Plagiatsverfahren ten, meint Herr Spiewak. Seine Liste angeblicher Düssel- gegen Ministerin Annette Schavan ist an Absurditäten kein dorfer Verfehlungen lässt allerdings in erster Linie erkennen, Mangel. Zu den besonderen Merkwürdigkeiten gehört es, wie schwammig und wohl auch nach Belieben zusammenge- wie der “Fall Guttenberg” zum Maß aller Dinge gerät und das sucht die Vorstellungen sind, die man sich in Teilen der damals in Bayreuth gewählte Vorgehen zum mustergültigen Öffentlichkeit unter Einschluss der Zeitungsredaktionen von Prozedere erklärt wird, an dem sich die Düsseldorfer besser einer ordnungsgemäßen Verfahrensgestaltung in einem ein Beispiel genommen hätten. Diese von Faktenkenntnis solchen Fall macht: weitgehend unbeschwerte Sichtweise zeigt vor allem eins: An der Uni Düsseldorf dauerte das ganze Verfahren rund Das Kurzzeitgedächtnis vieler Kommentatoren folgt in erster neun Monate. Dass es dabei zu immer neuen Lecks kam Linie ihrer Meinungswillensbildung. und interne Papiere öffentlich diskutiert wurden, war ver- Die überraschende Erhebung des Bayreuther Verfahrens in heerend. Zudem waren von den 17 Mitgliedern des Fakul- den Stand der Mustergültigkeit erfolgte bereits am 14. Okto- tätsrates sieben nicht selbst promoviert. Gleichzeitig saß in ber 2012 durch Heike Schmoll. Die FAZ-Bildungsredakteurin dem Gremium kein einziger Vertreter des Faches Erzie- ereiferte sich darüber, dass der Düsseldorfer Sachverhalts- hungswissenschaft, in dem Schavan vor 30 Jahren ihre bericht den Medien zugespielt wurde, ohne dass Frau Scha- Dissertation verfasst hat. Auf externe Experten hatte man van zuvor angehört worden war. Zudem sei “die Überprüfung verzichtet, jede Kritik von außen wurde abgewehrt. Im

http://causaschavan.wordpress.com/ 32 Laufe der Untersuchung hat sich eine ganze Hochschule Verwaltungsaktes (Entzug des Doktorgrades) ebenso eingebunkert. [2] verzichtbar, wie sie es auch seinerzeit bei der Verlei- hung des Doktorgrades waren. Nichts hiervon hat Hand und Fuß. Erinnern wir uns daran, dass die Fakultät, bei der das Promotionsrecht liegt, hier als 6. Zuletzt macht Herr Spiewak der Universität ein schönes Verwaltungsbehörde fungiert und als solche an Recht und Kompliment, wenn er feststellt, dass sie sich von den Gesetz gebunden ist: Sie muss nicht nur ihren eigenen Ord- unberufenen und weitgehend sachfremden Einwürfen nungen folgen, sondern sie hat vor allem das Verwaltungs- Dritter nicht davon abbringen ließ, das Plagiatsverfahren verfahrensgesetz zu beachten. ordentlich fortzuführen und zu Ende zu bringen. 1. Die schiere Verfahrensdauer sagt nichts über die Ver- Es zeugt von einem merkwürdigen Rechtsverständnis und fahrensqualität. In der Öffentlichkeit scheint man all- von sehr wenig Respekt für die Autonomie der Wissenschaft, gemein davon auszugehen, dass die Befunde der wenn die Weigerung, anders als nach geltendem Recht und anonymen Internetseite schavanplag die materielle gültiger Ordnung zu verfahren, für “eine Schande” erklärt Basis für das Düsseldorfer Prüfverfahren darstellen. Das wird. Und traurig ist es, wenn “eine ganze Hochschule” dem ist aber auszuschließen, denn grundsätzlich muss die wütenden Ansturm Außenstehender, die das Verfahren in Behörde auf der Grundlage eigener gesicherter Fest- eine bestimmte Richtung lenken oder entgleisen lassen woll- stellungen verfahren. Mit der Notwendigkeit umfassen- ten, nur “eingebunkert” standhalten konnte. der eigener Sachverhaltsermittlungen ist die Dauer des Für Herrn Spiewak spielen die Feststellungen des Verfahrens in seiner ersten Phase (Mai bis Oktober) Deutschen Hochschulverbandes und des Philosophischen aber leicht erklärlich. Die weitere Dauer ergibt sich aus Fakultätentages ebensowenig eine Rolle wie das Gutachten der gesetzlich gebotenen Anhörung der Betroffenen und eines renommierten Wissenschaftsrechtlers. Sie alle be- aus der Verfahrensstufung mit einem Vorverfahren scheinigen der Universität Düsseldorf ein nach Recht und (Promotionsausschuss) und einem Hauptverfahren Gesetz wie nach den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis (Fakultätsrat). Es sei bemerkt, dass ein solcher auf- tadelfreies Vorgehen. Herr Spiewak will hiervon nichts wendiger Verfahrensaufbau auch der Wahrung der wissen, denn: schutzwürdigen Interessen der Betroffenen dient. Wie es anders geht, hat seinerzeit die Universität Bayreuth 2. Trotz der Brisanz des Falles sind aus der Universität vorgemacht. Eine Woche nachdem die Täuschungsvor- während der gesamten ersten Phase (also über fünf würfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg bekannt wurden, Monate hinweg) keinerlei Informationen über das Pla- entzog ihm die Uni den Titel. Der ausführliche Abschluss- giatsverfahren nach außen gedrungen. Die Indiskretion bericht lag drei Monate später vor. In der Expertenkom- des Sachverhaltsberichts ist lebhaft zu bedauern und mission saßen nur Professoren, zwei von ihnen waren hat sich für die Universität in der Außenwahrnehmung in vom Fach. Und selbstverständlich hatte man externe der Tat sehr negativ ausgewirkt, zumal sie von interes- Expertisen hinzugezogen. Gewiss: Das Guttenbergsche sierter Seite zweckdienlich skandalisiert wurde. Bei Plagiat war eindeutiger zu erkennen. Dennoch hätte das nüchterner Betrachtung und vor dem Hintergrund Bayreuther Vorgehen der Uni Düsseldorf leicht ein Beispiel ständiger entsprechender Erfahrungen in vergleichba- geben können. [2] rem Zusammenhang war Derartiges jedoch – leider – erwartbar. Weitere “interne Papiere”, wie Herr Spiewak So also geht es, wenn es nach den Medien geht: Eine meint, sind jedoch aus Düsseldorf nicht nach außen ge- Woche nach Bekanntwerden der Vorwürfe ist der Betroffene geben worden, und falls es wirklich “zu immer neuen seinen Doktorgrad bereits quitt. Das ist medientaugliche Lecks kam”, dann ist aus diesen Lecks nichts Bedeuten- Effizienz und so recht nach dem Geschmack des Herrn des mehr getröpfelt. Spiewak. Juristen und andere Bedenkenträger werden angesichts eines solchen Fahrplans allerdings ins Grübeln 3. Der zuständige Fakultätsrat ist ebenso wie der mit dem kommen. Tatsächlich trifft es zu, dass Karl-Theodor zu Vorverfahren beauftragte Promotionsausschuss nach Guttenberg den Doktorgrad innerhalb einer Woche verlor. dem Hochschulgesetz des Landes NRW aus Vertretern Damit konnte Bayreuth jedoch nie und nimmer “ein Beispiel der Gruppen der Hochschulangehörigen zusammenge- geben”; und im Übrigen führen alle weiteren Mitteilungen des setzt. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass auch nicht Herrn Spiewak über das damalige Bayreuther Verfahren in promovierte Gremienmitglieder in Promotionsangele- die Irre. genheiten mitberaten und mitentscheiden. Rechtlich ist dies unerheblich. Zeit für einen Abstecher nach Bayreuth.

4. Die Notwendigkeit der Mitwirkung von Fachvertretern ist eine gern bemühte Konstruktion ohne jede sachliche

oder gar rechtliche Grundlage. Grundsätzlich entschei- det die Behörde selbst, ob und inwieweit sie zusätzliche Von außen betrachtet erscheint der Ablauf des Plagiatsver- Expertise benötigt, um entscheiden zu können. Es liegt fahrens an der Universität Bayreuth höchst unkonventionell. zudem doch auf der Hand, dass in einem Plagiatsver- Anders als in Düsseldorf war es zudem vor allem in seiner fahren nicht die jeweilige Fachwissenschaft der Disser- ersten Phase, bis zum Entzug des Doktorgrades, von einer tation, sondern allenfalls eine “Plagiatwissenschaft” zu starken Medienpräsenz verschiedener Angehöriger der konsultieren wäre. Fakultät begleitet. Wortmeldungen aus der Universität zum laufenden Verfahren waren fast an der Tagesordnung. Ein 5. Gleiches gilt für die Forderung nach externen Gutach- tern: Sie sind für eine Entscheidung zur Rücknahme des

http://causaschavan.wordpress.com/ 33 verfahrenserheblicher Umstand scheint hierin von keiner mentritt der Promotionskommission unter Angabe der Seite gesehen worden zu sein. Tagesordnungspunkte geladen wurden und die Mehrheit der Mitglieder anwesend und stimmberechtigt ist. [4] Anders als in Düsseldorf wurde der Fall in Bayreuth zunächst in zwei Gremien zugleich verhandelt. Es gab, streng genom- Es ist aber auszuschließen, dass der auf dieser Sitzung be- men, nicht ein Plagiatsverfahren, auch kein gestuftes Verfah- handelte Hauptgegenstand bereits “mindestens eine Woche ren, sondern zwei gleichzeitig laufende Verfahren. Diese vor Zusammentritt der Promotionskommission” als Tages- Merkwürdigkeit scheint zunächst eher zufällig entstanden zu ordnungspunkt angemeldet worden ist. Ebenso ist auszu- sein und ist die Folge einer unklaren Abgrenzung von Kom- schließen, dass zu der entscheidenden Zusammenkunft der petenzen. Kommission am 23. Februar eine ordnungs- und fristgemäße Einladung erfolgt ist, da dieser Termin offensichtlich erst am Am 15. Februar 2011 wurde der Ombudsmann für Selbst- Vortag spontan angesetzt wurde. kontrolle in der Wissenschaft an der Universität Bayreuth, Diethelm Klippel, durch den Anruf eines Redakteurs der Süd- Bemerkenswert ist auch die Voraussetzung, unter welcher deutschen Zeitung auf die Plagiatsvorwürfe gegen Karl- die Kommission bereits am 23. Februar zu der Entscheidung Theodor zu Guttenberg hingewiesen. Die Hochschulleitung kommen konnte, den Doktorgrad zu entziehen: Sie stellte erfuhr erst am 16. Februar durch Presseberichte von der An- sich auf den Standpunkt, dass sich Herr zu Guttenberg mit gelegenheit. Am gleichen Tag nahm Professor Klippel eine seinem einräumenden Schreiben bereits Gehör verschafft Vorprüfung vor und meldete den Fall bei der Kommission habe und dass die von ihm eingeräumten Verstöße nach “Selbstkontrolle in der Wissenschaft” zur Befassung an. Artikel 48 Verwaltungsverfahrensgesetz bereits den Entzug Diese Kommission trat noch am 16. Februar zu einer turnus- des Doktorgrades ermöglichten, ohne dass der Nachweis mäßigen Sitzung zusammen und befasste sich mit dem Fall. des Täuschungsvorsatzes nötig sei. Entscheidend für diese Im Anschluss an diese Sitzung wurde erklärt, dass von Herrn Vorgehensweise der Promotionskommission war erklärter- zu Guttenberg eine schriftliche Stellungnahme zu den Vor- maßen die Entschlossenheit, den Fall ohne weiteren Zeitauf- würfen angefordert werden solle. Am 17. Februar erging wand zum Abschluss zu bringen: durch die Kommission schriftliche Aufforderung an Herrn zu Da Herr zu Guttenberg den Täuschungsvorsatz bestreitet, Guttenberg, innerhalb von zwei Wochen eine Stellungnahme hätte eine Aberkennung wegen Täuschung (§ 16 Abs. 2 abzugeben. der Promotionsordnung) vorausgesetzt, ihm zunächst die Am 21. Februar teilte Herr zu Guttenberg telefonisch mit, Möglichkeit einer Anhörung einzuräumen und sich mit sei- den Doktortitel nicht mehr führen zu wollen. Am 22. Februar nen Einlassungen auseinanderzusetzen. Dies hätte die ging bei der Universität ein Schreiben ein, in dem Herr zu Aberkennung des Titels zeitlich stark verzögert. Im Inter- Guttenberg um die Rücknahme der Verleihung des Doktor- esse der Wissenschaft musste jedoch zeitnah gehandelt grades bat. Bei einer erneuten Durchsicht seiner Dissertation werden. Ein Hinauszögern der Entscheidung [...] hätte in sei er zu dem Schluss gelangt, “dass mir bei der Erarbeitung der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit zu weiteren gravierende handwerkliche Fehler unterlaufen sind, die ord- Irritationen geführt. [5] nungsgemäßem wissenschaftlichem Arbeiten widerspre- Nach der Bayreuther Promotionsordnung können die Promo- chen. [...] Aber festhalten will ich doch, dass ich zu keinem tionsleistungen dagegen in der Tat nur dann für ungültig er- Zeitpunkt vorsätzlich oder absichtlich getäuscht habe.” [3] klärt werden, wenn sich der Bewerber im Promotionsverfah- Dieses Schreiben war jedoch nicht an den Ombudsmann ren einer Täuschung schuldig gemacht hat. Die zu befürch- oder die Universitätskommission “Selbstkontrolle in der Wis- tenden “weiteren Irritationen” “in der Wissenschaft”, vielleicht senschaft” gerichtet, sondern an die unmittelbar zuständige aber doch vor allem “in der Öffentlichkeit” ließen auch Promotionskommission der Rechts- und Wirtschaftswissen- hierüber hinwegsehen. schaftlichen Fakultät. Diese Kommission hatte sich bis dahin Auswärtige Experten waren in die Arbeit der Promotionskom- noch nicht mit dem Fall befasst. Das Dekanat der Fakultät mission, die zum Entzug des Doktorgrades führte, in keiner war offenbar erst durch den Anruf vom Vortag involviert wor- Weise einbezogen. den. Am Nachmittag des 22. Februar und erneut am 23. Februar trat dann die Promotionskommission zusammen, Die Frage der vorsätzlichen Täuschung war umgangen wor- um den Fall zu beraten. Am Ende dieser Beratungen fasste den. Sie sollte aber nicht unbeantwortet bleiben. Vielmehr sie den Beschluss, den Doktorgrad abzuerkennen. wurde zum Beschluss der Promotionskommission erklärt: Die Sitzung der Promotionskommission war nicht etwa Die Arbeit der Universitätskommission “Selbstkontrolle in wegen des prominenten Plagiatsfalls kurzfristig angesetzt der Wissenschaft” bleibt hiervon unberührt. Sie wird den worden, sondern zufällig regulär für den 22. Februar termi- Fall weiter untersuchen und hierbei auch die Schwere des niert gewesen und wurde nun lediglich aus aktuellem Anlass wissenschaftlichen Fehlverhaltens, einschließlich der am Folgetag fortgesetzt. Allerdings ist der Beschluss zur Ab- Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes, aus wissen- erkennung des Doktorgrades allem Anschein nach von einer schaftsethischer Sicht bewerten. [5] Promotionskommission gefasst worden, die nicht beschluss- In den folgenden Monaten befasste sich die Kommission fähig war. Die Promotionsordnung der Rechts- und Wirt- “Selbstkontrolle in der Wissenschaft” weiterhin mit der Causa schaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Bay- Guttenberg, insbesondere unter Einbeziehung verschiedener reuth in ihrer damals gültigen Fassung vom 30. März 2000 von dem Betroffenen eingeholter Stellungnahmen. Die Kom- besagt nämlich in § 3 (3): mission beschäftigte sich darüber hinaus mit allgemeinen Die Promotionskommission ist beschlussfähig, wenn Fragen, die sich aus diesem Fall ergaben. So erarbeitete sie sämtliche Mitglieder mindestens eine Woche vor Zusam- auch Empfehlungen zur Verbesserung der Doktoranden-

http://causaschavan.wordpress.com/ 34 betreuung an der Universität. In dieser erweiterten Aufga- Als in Düsseldorf die Entscheidung fiel, benstellung wurde sie durch den Juristen Wolfgang Löwer weilte Schavan in Südafrika. Ihre ersten Reaktionen ließen nicht darauf schließen, (Bonn) und den Philosophen Jürgen Mittelstraß (Konstanz) dass sie an Rücktritt dachte. Aus ihrer unterstützt. Reisegesellschaft wurde völliges Unverständ- nis getwittert, und dass „absolute Einigkeit“ Am 5. Mai 2011 legte die Kommission “Selbstkontrolle in der herrsche: „Rückzug wäre falsches Signal. Wissenschaft” ihren Bericht vor. Sie kam unter anderem, Jetzt ist der Weg zu einer ordentl. Prüfung wenig überraschend, zu dem Schluss, dass Herr zu Gutten- des Verfahr. durch VerwG eröffnet.“ Auch in berg vorsätzlich getäuscht habe. der Heimat mochten manche immer noch nicht glauben, dass die Ministerin gestrauchelt war Das Vorgehen der Universität Bayreuth, an dem sich die und fallen würde. Und als ob die bisher zu Universität Düsseldorf nach der wenig informierten Über- ihrer Verteidigung angetretene Zahl von Ver- zeugung von Martin Spiewak “leicht ein Beispiel” hätte tretern der Wissenschaft nicht schon ausge- nehmen können, stand unter einzigartigen Vorzeichen. Da reicht hätte, wurden noch weitere Vertreter der Wissenschaft hinzugefunden. Sogar war einerseits ein Delinquent, der sich des plötzlich hinder- führende: lich gewordenen Doktorgrades möglichst umstandslos ent- ledigen wollte, andererseits eine Universität, die den heiklen Fall nicht länger als irgend nötig in der Schwebe lassen und 9. Februar 2013 dem peinlichen Ansturm der öffentlichen Aufmerksamkeit Ausgezeichnet: Blauer Engel für Philologen- rasch wieder entkommen wollte, und zum Dritten ein zu- verband nächst ungeordnet erscheinendes Nebeneinander von Zuständigkeiten, das sich für eine rasche und einigermaßen von Simone G. unschädliche Lösung der Angelegenheit recht kreativ nutzen ließ. In Düsseldorf wurde dagegen offensichtlich großer Wert darauf gelegt, einen noch so prominenten Fall trotz mächti- gen Drucks nicht anders zu behandeln als im dafür vorge- sehenen üblichen Verfahrensgang. Um es in der Formulie- rung eines Radiosenders zu sagen, dessen Publikum eher der jüngeren Generation angehört und elitärer bildungsbür- gerlicher Tendenzen unverdächtig ist:

Ein Sprecher der Uni hat uns gesagt, das Verfahren um Schavans Arbeit laufe genauso ab wie bei jedem anderen Verdachtsfall auch. Es sei völlig egal, dass sie Ministerin

ist. Wichtig sei nun, dass die Vorwürfe ordnungsgemäß überprüft werden. [6] Vielleicht ist es ja genau diese beiläufige Selbstverständ- Nachdem die Universität Düsseldorf Annette Schavan am 5. lichkeit, die von vielen nicht verstanden und von manchen Februar den Doktortitel aberkannt hatte, regte sich erneut nicht vertragen wird. Für unser Gesellschafts- und Rechts- heftige Kritik. Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Berliner verständnis besagt das nichts Gutes. Humboldt-Universität, war schon zuvor als wortgewaltiger und selbstloser Verteidiger Schavans aufgefallen. Nun mel- dete er sich aus Südafrika zu Wort, wo er mit anderen Wis-

senschaftsbetriebsspitzen gerade den üblichen Reisetross der Ministerin bildete. Olbertz meinte, die Düsseldorfer Ent- scheidung sei “vom Verfahren her” anzuzweifeln: “Die Be-

wertung der fraglichen Textpassagen hatte nicht die nötige Tiefe”. [1] Diese Bewertung des fraglichen Verfahrens schien uns vom Kap der Guten Hoffnung her allerdings nicht die

nötige Tiefe zu haben. Sie war zudem deutlich weniger ori- ginell als das, was Reisebegleiter Helmut Schwarz zuwege brachte: Der Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung,

der wie Olbertz zu den streitbarsten Mitgliedern der wissen- schaftlichen Sauberkeitsstandarten-Allianz (SAUSTALL) zählt, sah den Makel des Plagiats durch das Primat der Poli-

tik erledigt. “Eine Ministerin muss man nach ihrer Kompetenz und Leistung beurteilen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Grund zum Rücktritt”, [1] urteilte Schwarz. In dieser Hinsicht

gab es vermutlich auch gar keinen Grund für ein Plagiats- verfahren. Soweit die Stimmen vom Kap. In der Heimat zeigte sich George Turner, ehemals Berliner Wissenschaftssenator, von

http://causaschavan.wordpress.com/ 35 der Düsseldorfer Entscheidung “verblüfft”. Nach seiner Doch nicht nur solchen Gefährdungen galt es zu entgehen. Überzeugung hätte die Universität unbedingt weitere Gut- Die Behandlung von Plagiatsverdachtsfällen durch die achten einholen müssen, um “sich selbst als untadelig und Universitäten verbiete sich grundsätzlich. Meidinger als unvoreingenommen gegenüber Frau Schavan darzustel- erinnerte daran, dass die jeweilige Universität immer len” [2]. Nur wenn auf diese Weise der im Rohrbacher-Gut- befangen sei, da es in jedem Einzelfall auch um das achten erhobene Vorwurf der Täuschungsabsicht bestätigt mögliche Versagen der für Examen und Promotionen worden wäre, “hätte die Universität fleckenlos dagestanden. zuständigen Gremien gehe. [4] Nun aber lenkt sie alle Speere auf sich.” [2] Diese Metapher ist nicht ganz uninteressant, lenkt sie doch unsere Gedanken Diese doch recht freizügige Definition von Befangenheit zunächst auf das Schicksal des Heiligen Sebastian und dann offenbart ein erfrischend unkonventionelles Rechtsver- auf jenen gleichnamigen Turner-Sohnemann und seine ständnis. Umso lebhafter ist es zu bedauern, dass die Kritik engen politischen und geschäftlichen Verquickungen mit der und die Forderungen des Vertreters führender Wissen- bisherigen Ministerin. schaftsvertreter bei den Universitäten wohl kaum positive Aufnahme finden werden. Das ist natürlich purer Standes- Und Volker Kauder konnte natürlich zu diesem Verfahren dünkel. Denn der Deutsche Philologenverband, dem zu und seinem für Schavan katastrophalen Ergebnis nicht präsidieren der Deggendorfer Gymnasialdirektor Meidinger schweigen. Zu sagen wusste er jedoch auch nichts, und so die Ehre hat, ist ein Verein honoriger Oberlehrer, wie sie an verfiel der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Bundestag Gymnasien und anderen weiterführenden Schulen allerlei wenigstens auf die Möglichkeit irgendwie vielsagender Sprachen unterrichten. Falls Professoren unter ihnen zu Körpersprache: “Als Jurist schüttle ich bei einem solchen finden sein sollten, wird es sich also allenfalls um Kollegen Verfahren nur den Kopf” [3]. Über Schavans Zukunft als von weiland Professor Unrat handeln. Nach eigener Auskunft Bildungsministerin wollte er sich nicht äußern. Dieses vertritt der Verein “die bildungs- und berufspolitischen In- Großereignis versah die Redaktion der WELT mit der teressen seiner Mitglieder”. Überschrift Es soll keiner sagen, dass man nicht auch als Gymnasial- Uni Düsseldorf in der Kritik lehrer in Deggendorf jede Menge Phantasie haben kann. Kauder: Kopfschütteln über Schavan-Verfahren und machte daraus einen ganzen Artikel. Ja, die Wogen schlugen hoch. Und nachdem die Das Kopfschütteln des Rechtsgelehrten Volker Kauder war Ministerin am 9. Februar ihren Rücktritt nicht das einzige Großereignis der Tage nach der Aberken- erklärt hatte, schlugen die Wellen dann so nung des Doktorgrades. Unvermittelt betrat auch eine Ver- richtig hoch. Mit einem monarchischen Ver- einigung von Wissenschaftlern den Schauplatz, die bis dahin ständnis guter Ordnung war der Gang der Dinge ja aber auch tatsächlich nicht in Einklang zu in der Sache noch nicht hervorgetreten war: “Vertreter der bringen: Wissenschaft rügen Entzug von Schavans Doktortitel”, war etwa in der WAZ zu lesen. Das Schwäbische Tagblatt wuss- te die Situation in ihrer ganzen Tragweite da schon eher 10. Februar 2013 richtig einzuschätzen, titelte “Fall Schavan spaltet die Wis- König Kurt – Das große Ausrasten senschaft” und ließ sodann “führende Wissenschaftsver- treter” mit ihren schweren Vorwürfen gegen die Düsseldorfer von Simone G. Universität zu Wort kommen. Der Vertreter dieser führenden Vertreter der Wissenschaft, Heinz-Peter Meidinger, fand in Kurt Biedenkopf, altgedienter CDU-Politiker in Bund und der Tat überaus deutliche Worte. Der Vorsitzende des Ländern, aus seinen Zeiten als sächsischer Ministerpräsi- Deutschen Philologenverbandes stellte fest, dass bei dem dent auch unter dem Namen “König Kurt I.” bekannt, hat sich Überprüfungsverfahren der Universität Düsseldorf bereits früher auf bemerkenswerte Weise zur Causa Scha- van geäußert. Als ehemaliger Hochschullehrer urteilte er am unentschuldbare, ja katastrophale Fehler gemacht wurden. 20. Oktober 2012 mit sicherem Blick, das in Gang gebrachte Dazu zählt, dass weder die Vertraulichkeit gewahrt wurde, Plagiatsverfahren sei “nicht akzeptabel”, und gab im Übrigen noch externe Gutachter zugezogen wurden, noch die Ver- folgende fundierte Einschätzung zum Besten: antwortlichkeit der Universität selbst für Themenstellung und Begutachtung der Arbeit auch nur ansatzweise er- Frau Schavan hat nicht geschummelt, sie hat auch örtert und öffentlich zugegeben wurde [4], Sekundärliteratur verwendet. Das hat ihr Doktorvater gebilligt. Ihre Arbeit hat er als korrekt und regelgerecht und kam dann recht umstandslos zu sehr weitreichenden bezeichnet. [1] Forderungen: Wir können aus diesen Einlassungen wohl folgern, dass Es ist höchste Zeit, dass die Überprüfung von Examen und Professor Kurt Biedenkopf den von ihm dereinst betreuten Promotionen den einzelnen Universitäten entzogen und an Doktoranden die Verwendung von Sekundärliteratur jeweils ein zentrales und unabhängiges Gremium delegiert wird. nur mit Sondergenehmigung gestattet hat. Angesichts der Nur so kann verhindert werden, dass Verfahrensfehler, dif- unabsehbaren Gefahren, die für unverbildete junge Men- fuse und auseinanderdriftende Bewertungsmaßstäbe und schen von Bücherschränken ausgehen, waltete hier eine politische Einflussnahmen die Objektivität des Überprü- sehr begrüßenswerte Fürsorglichkeit. Auch Gerhard Wehle, fungsverfahrens gefährden [...] [4]. der Doktorvater der Annette Schavan, war ein verantwor- tungsbewusster Mentor. Die junge Doktorandin erschien ihm aber wohl sittlich derart gefestigt, dass er die Verwendung

http://causaschavan.wordpress.com/ 36 von Sekundärliteratur in diesem besonderen Fall billigte. Es (und als solche behandelt) worden, also einem politisch kann also keine Rede davon sein, dass Schavan ge- motivierten Verfahren unterworfen worden. schummelt hätte. Sie durfte aus diesen Büchern abschrei- Dass es Zitiermängel gab, ist unbestritten. Entscheidend ben. für die Aberkennung des Doktorgrades ist jedoch, dass der Es ist immer schön, wenn uns von einem gestandenen Fakultätsrat eine vorsätzliche Täuschung oder Absicht zur Wissenschaftler erklärt wird, wie Wissenschaft funktioniert. vorsätzlichen Täuschung “festgestellt” hat. Er folgt damit der inhaltlich gleichen “Feststellung” des Gutachters. Nun hat sich dieser berufene Experte nach längerer Pause wieder zu Wort gemeldet. Inzwischen hat die Fakultät An- Feststellen können Gutachter und Fakultätsrat jedoch nur, nette Schavan den Doktorgrad aberkannt, und die Ministerin dass es Verletzungen der gebotenen Zitierregeln gegeben ist von ihrem Amt zurückgetreten. In der WELT erscheint hat. Mit welcher Absicht die Verletzungen erfolgt sind, noch am gleichen Abend Kurt Biedenkopfs flammender kann man nicht feststellen, sondern nur vermuten. Vorsatz Enthüllungsartikel: oder vorsätzliche Täuschung können ebenso zu den Ver- stößen der Regeln geführt haben wie Fahrlässigkeit, Der wirkliche Skandal in der Causa Schavan Schlamperei oder schlichte Unkenntnis der Vorschriften. Auch in ihrer Rücktrittserklärung hat Schavan noch einmal [2] betont, dass sie die Entscheidung der Universität nicht Das ist natürlich barer Unsinn. Die Feststellung einer Täu- akzeptieren, sondern gerichtlich anfechten werde. Sie habe schungsabsicht ist notwendige Routine in Plagiatsverfahren. weder abgeschrieben noch getäuscht. Biedenkopf meint zu In den meisten Promotionsordnungen, so auch in der Düs- der angekündigten Klage: seldorfer Ordnung, ist der Entzug des Doktorgrades an die Ihre Aussichten sind gut. Denn der Skandal der Causa Feststellung einer Täuschungsabsicht gebunden. Vor Ge- Schavan hat seinen Ort nicht in Annette Schavans Pro- richt bereitet der Nachweis des Vorsatzes in entsprechenden motion im Jahre 1980 und deren Betreuung durch Profes- Verfahren auch regelmäßig nur geringe Mühe. sor Wehle. Der eigentliche Ort des Skandals ist die Philo- Jurist Biedenkopf meint jedoch, die Fakultät hätte eine sophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität und ihr Täuschungsabsicht an den Texten gar nicht feststellen Fakultätsrat. [2] können, sondern für einen solchen Vorwurf auf andere Und dann rastet Kurt Biedenkopf aus. Er beginnt mit einer Beweise zurückgreifen müssen: puren Erfindung, lässt ein paar kleinere Halb- und größere Spätestens bei diesem Stand der Dinge hätte sich die Unwahrheiten folgen, garniert sie mit beleidigenden Be- Fakultät mit ihrem emeritierten Mitglied, dem Doktorvater schimpfungen und unterbricht nur ungern für einige dringend Annette Schavans, Professor Gerhard Wehle in Verbin- benötigte wilde Spekulationen, haltlose Behauptungen und dung setzen müssen. Denn nur er ist in der Lage, aus wüste Unterstellungen, um dann zu den Unterstellungen und eigener Anschauung Auskunft über das Verfahren zu Beschimpfungen zurückzukehren und mit einer Drohung zu geben, dessen Herr er im Jahre 1980 war, sechs Jahre enden. nach seiner Berufung als Erziehungswissenschaftler an Zweiunddreißig Jahre nach ihrer Promotion durch die die Heinrich-Heine-Universität. damalige Philosophische Fakultät der Universität erfährt Die heutige Fakultät hätte ihn fragen können, ob er den Annette Schavan aus der Zeitung, dass die heutige Philo- Eindruck haben musste, seine Doktorandin versuche sophische Fakultät beabsichtige, ihre Dissertation einer vorsätzlich, fremdes Ideengut für sich in Anspruch zu Plagiatsprüfung zu unterziehen. [2] nehmen, ohne es als solches auszuweisen; und sie hätten So geht es los mit den Enthüllungen, und schon ist es die ihn fragen können, wie sorgfältig er auf die Einhaltung der Unwahrheit. Denn Annette Schavan hat nicht aus der Zitierregeln geachtet habe. Schließlich war er an ihrer Zeitung von der Düsseldorfer Plagiatsprüfung erfahren. Formulierung 1978 als Mitautor beteiligt. [2] Annette Schavan hat die Universität selbst um diese Sollte es Kurt Biedenkopf wirklich ernst sein mit der Vor- Plagiatsprüfung gebeten. stellung, es komme auf die Erinnerung des Doktorvaters an Der Gutachter, ein Mitglied der Fakultät, diagnostiziert eine das damalige Verfahren an, auf seinen subjektiven Eindruck signifikante Mehrzahl von Verstößen gegen die Zitierre- von der Ehrlichkeit der Kandidatin? Sollte er wirklich meinen, geln. Daraus leitet er “eine leitende Täuschungsabsicht” die Gültigkeit der außer Zweifel stehenden Zitierregeln sei an der Verfasserin ab. Nach einem längeren, weitgehend die individuelle Neigung des Doktorvaters gebunden, über unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Verfahren ihre Einhaltung sorgfältig zu wachen? verkündet die Fakultät, sie habe beschlossen, Annette Offenbar ist es ihm ernst: Schavan den Doktortitel zu entziehen. Die Fakultät hat trotz mehrerer Aufforderungen davon Die “CDU-Politikerin” habe in bedeutendem Umfang frem- abgesehen, den Doktorvater zu hören. Sie hat nicht darauf de Textstellen nicht gekennzeichnet. “Daher hat der Fakul- bestanden, Annette Schavan persönlich zu befragen. [2] tätsrat den Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat festgestellt.” [2] Nach dem Gesetz ist eine Anhörung der Betroffenen zwin- gend vorgeschrieben. Eine solche Anhörung kann mündlich Hier bereitet sich eine ungeheuerliche Insinuation vor. Sicht- oder schriftlich vorgenommen werden, sie ist im Fall Scha- bar wird das in dem aus der Luft gegriffenen, angeblichen van durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme Zitat von der “CDU-Politikerin”, mit dem Biedenkopf unter- erfolgt. Eine “persönliche Befragung” ist in einem solchen stellt, Schavan sei von der Fakultät als solche angesprochen

http://causaschavan.wordpress.com/ 37 Verfahren nicht vorgesehen. Warum hätte der Fakultätsrat In dieser Zwangslage kommt es zu einer Verschwörung auf einer besonderen Befragung bestehen sollen? gegen die Wahrheit: Die Fakultät beschließt, an der Be- hauptung festzuhalten, dass Annette Schavan getäuscht Belastbare Beweise dafür, dass die Doktorandin vorsätz- habe. Allerdings ist das eine riskante Entscheidung: lich gehandelt habe, hat sie nicht angeboten. Drittgutachter hat sie nicht zugelassen. Zwar kann ich nicht ausschlie- Noch hatte man ja nicht mit dem Doktorvater gesprochen. ßen, dass in philosophischen Fragen Feststellungen zu- Und dass man für ehrrührige Behauptungen wie “vorsätz- gleich als Beweise angesehen werden, weil man philoso- liche Täuschung durch Plagiate” oder “leitende Täu- phische Wahrheiten, anders als reale Sachverhalte, nicht schungsabsicht” handfeste Beweise braucht, wird zumin- beweisen kann. dest auch einigen Mitgliedern der Fakultät wohl nicht entgangen sein. Man konnte jedenfalls nicht ausschließen, Aber hier handelt es sich nicht um Philosophie, sondern dafür später vor Gericht zur Rechenschaft gezogen und um harte Realität. In dieser Realität zerstört die Fakultät verurteilt zu werden. [2] mit ihrem Spruch nicht nur die hohe Reputation Annette Schavans und verletzt die Ehre der “CDU-Politikerin”, wie Mahnende Gegenstimmen werden untergepflügt. Im Grunde die Fakultät sie zu charakterisieren beliebt. Sie spricht ihr haben diese Düsseldorfer Philosophen, die so gern “bleiben- auch – ganz praktisch – nach 32 Jahren den Studienab- den Ruhm als Aufrechte vor Königsthronen” gewinnen wol- schluss ab. [2] len, nur “Angst vor dem Urteil einer Öffentlichkeit, die sie durch ihre frühzeitigen Äußerungen selbst auf den Plan ge- Erneut “die CDU-Politikerin”, diesmal sogar ausdrücklich: rufen hatten.” [2] Wohl auch aus dieser Angst haben sie “mit “wie die Fakultät sie zu charakterisieren beliebt”. Nach allem, ihren schweren und unbewiesenen Verdächtigungen die was sich feststellen lässt, ist das eine bloße Erfindung des Wahrheit verraten, der sie als Philosophen zu dienen Kurt Biedenkopf. berufen sind”. Jedoch: Wie lässt sich die katastrophale Entgleisung des Düssel- Die Zeit wird kommen, in der die heutigen Mitglieder der dorfer Verfahrens erklären? Kurt Biedenkopf findet eine Philosophischen Fakultät ihren Studentinnen und Studen- einzige plausible Erklärung: ten werden erklären müssen, wie sich ihr jetziges Ver- Die Fakultät wurde davon überrascht, dass sich der mit dem halten mit dem Anspruch vereinbaren lässt, den eine Gutachten beauftragte Prodekan Stefan Rohrbacher Universität einlösen muss, die den Namen Heinrich Heine trägt. Die Medien werden die Ankunft dieser Zeit beschleu- in seinem Eifer, die “CDU-Politikerin” und ihr Tun beson- nigen. [2] ders streng zu bewerten, nicht auf seinen Auftrag be- schränkt, Verstöße gegen die Regeln festzustellen. Er Wenn es nach Kurt Biedenkopf geht, dann ist die Hatz hier- lässt sich dazu hinreisen, die Entstehung der Regelver- mit eröffnet. letzungen auch rechtlich zu bewerten: als das Ergebnis

vorsätzlicher Täuschung und einer leitenden Täuschungs- absicht. [2] Man kam ja kaum zur Besinnung vor lauter Ge- töse. Doch weil genau das der Sinn und Zweck So ist der Gutachter nun persönlich auf der Jagd nach der von solchem Getöse ist, hat sich Simone G. so “CDU-Politikerin”. Irgendwelche Belege für diese ungeheuer- oft wie möglich auf ein stilles Örtchen ver- liche Behauptung präsentiert Biedenkopf natürlich nicht. zogen und hat nachgedacht. Und so ist sie dann dahintergekommen: Es war ein Komplott. Aber hier handelt es sich ja auch nicht um Realität, sondern Das klingt zwar komplott verrückt, aber so um Philosophie, wenngleich um eine sehr erbärmliche ist sie manchmal, die Realität: Schießschartenphilosophie. Und dass die Prüfung der Frage, ob eine Täuschungsabsicht vorliegt, notwendig zum Verfah- ren gehört, tut ohnehin nichts zur Sache. 16. Februar 2013 Verschlimmert wird die Angelegenheit noch durch die aus- Mobilmachung der Springteufelchen: zugsweise Veröffentlichung des Gutachtens. Ausgerechnet Schavans Amtsverständnis in eigener Sache die Tatsache, dass der Gutachter von einer “leitenden von Simone G. Täuschungsabsicht” ausgeht, wird so öffentlich bekannt. Nun kann die Fakultät nicht mehr zurück: Der Rücktritt der Annette Schavan ist allenthalben mit Be- Im Grunde waren ihr durch die präjudizierende Wirkung kundungen des großen Respekts und Bedauerns quittiert der Veröffentlichung von jetzt an die Hände gebunden. worden. Es war wohl unausweichlich – aber war es auch Würde sie das Votum Rohrbachers korrigieren und die richtig, dass diese unprätentiöse, verdienstvolle Ministerin Behauptung, Annette Schavan habe vorsätzlich gehandelt, auf(ge)geben (werden) musste? Die Kanzlerin und Schavan streichen – was in der Fakultät erwogen wurde –, würde selbst gaben die Tonart vor: Mit ihrem Rücktritt, so erklärte sie nicht nur ihr Fakultätsmitglied Rohrbacher im Regen Angela Merkel, stelle Schavan “jetzt in dieser Stunde ihr stehen lassen. eigenes, persönliches Wohl hinter das Wohl des ganzen, hinter das Gemeinwohl. Diese Haltung macht Annette Scha- Die Medien, die sich eben auf die “CDU-Politikerin” ein- van aus.” [1] Das konnte die Ministerin bestätigen: Ihre Ent- geschossen hatten, würden ihr die Korrektur nicht ver- scheidung zum Rücktritt resultiere “aus genau der Verant- zeihen. Man würde in ihnen Feiglinge sehen, die sich der wortung, aus der heraus ich mich bemüht habe, mein Amt zu Wissenschaftsministerin anbiedern in der Hoffnung, auch führen”, sagte sie. Die Überzeugung, von der sie sich in der als Philosophen am Eurosegen beteiligt zu werden. [2] Wahrnehmung dieser Verantwortung habe leiten lassen,

http://causaschavan.wordpress.com/ 38 fasste sie in die Worte: “Zuerst das Land, dann die Partei man werde viel Zeit brauchen – mehr war aus Düsseldorf in und dann ich selbst.” [1] den folgenden Monaten nicht zu erfahren. [4] Und so verließ sie ihr Amt, wie sie es stets geführt hatte: Als Andere waren da sehr viel schneller. Dienende, der es nie um die eigene Person und stets um die 1. Nix Plagiat – Eisbergzitat Sache ging. Rührung bemächtigte sich mancher Kommenta- toren: So wünschten wir uns die Politiker! Ach, Annette Schon am 9. Mai ließen sich der ehemalige DFG-Präsident Schavan, musste sie denn wirklich aus dem Amte scheiden? Wolfgang Frühwald und der frühere Konstanzer Universitäts- rektor Gerhard von Graevenitz in der Frankfurter Allgemei- Ja, warum musste sie? In ihrer Rücktrittserklärung ließ sie nen Zeitung mit der Einschätzung zitieren, dass es sich bei keinen Zweifel an ihrer Sicht der Dinge: Die Plagiatsvorwürfe der Doktorarbeit der Ministerin keineswegs um einen Pla- waren anonym erhoben worden, also eigentlich schon giatsfall handle. [5] Auf welcher Grundlage sie dies festge- dadurch diskreditiert. Die Aberkennung des Doktorgrades stellt haben wollten, blieb allerdings undeutlich. Schavan werde sie juristisch anfechten, denn sie habe “weder abge- habe lediglich eine Technik der Eisbergzitate praktiziert, wie schrieben noch getäuscht.” Aus diesem Grund trete sie nun sie in den Geisteswissenschaften verbreitet und folglich legi- zurück, denn: tim sei, wollte von Graevenitz glauben machen. Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität 2. Das Fachgutachten in der Zeitung klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch Am 24. Mai veröffentlichten die Berliner Erziehungswissen- die CDU. Und genau das möchte ich vermeiden, das geht schaftler Dietrich Benner und Heinz-Elmar Tenorth in der nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden. [1] Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Stellungnahme, die nur als unerbetenes Nebengutachten gelesen werden konnte – In dieser Liste der Belasteten fehlt freilich eine Position: Für ein Vorgang, der eigentlich die Allianz der Wissenschaftsor- die Wissenschaft, und ganz gewiss für die Universität, die in ganisationen und andere Gralshüter guter wissenschaftlicher einem solchen Rechtsstreit mit einer für die Wissenschaft Praxis sofort auf den Plan hätte rufen müssen. Die Autoren zuständigen amtierenden Bundesministerin steht, dürfte das gaben sich alle Mühe, die Handlungsanweisung an den zu- gewiss auch mit Belastungen verbunden sein. Das war der ständigen Promotionsausschuss recht deutlich zu machen. Ministerin in ihrer wohldurchdachten Erklärung aber keine Nachdem sie die merkwürdige Frage gestellt hatten, ob mit Erwähnung wert. Offenbar sah die Ministerin, sieht Annette dieser Doktorarbeit “nichts als ein Plagiat abgeliefert worden” Schavan in dieser Universität keine Einrichtung mehr, für sei, befanden sie: deren Wohl und Wehe sie eine Mitsorge zu tragen hätte. Statt dessen fällt ihr “auch die CDU” ein. Letztlich entscheidet das der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät in Düsseldorf. Wir kommen zu Zweifel am Amtsverständnis der stets nur dienenden Minis- dem Ergebnis, dass die Arbeit kein Plagiat darstellt [...]. terin Schavan sind vielleicht doch angezeigt. Und für solche Öffentlich geäußerte Meinungen wie die, es handele sich Zweifel lieferte sie schon in den vergangenen Monaten bei der Arbeit um geistigen “Diebstahl”, darum sei der reichlich Anlass. Nur wenigen Kommentatoren scheint das verliehene Doktortitel möglichst rasch abzuerkennen, aufgefallen zu sein. In der Westdeutschen Zeitung befand halten einer Überprüfung nicht stand. [6] Olaf Steinacker, dass “auch Schavans Verhalten während der gesamten Affäre” für einen Rücktritt spreche: In preisverdächtiger gedanklicher Stringenz und mit wolkiger Beredsamkeit machten die beiden Winkelgutachter deutlich, Als Beschuldigte hat sie versucht, direkt und indirekt dass gute wissenschaftliche Praxis “in ihren Praktiken nur Einfluss auf die Entscheidung der Universität zu nehmen: disziplinspezifisch diskutiert werden” könne. Es sei eine ganz mit der Drohung, gegen den Entzug der Doktorwürde zu besondere “Typik” der Arbeit zu berücksichtigen. Und einem klagen; indem sie die Vorwürfe als Kampagne abtat; weil der angeblich Plagiierten habe Schavan ja sogar schon im sie für sich Sonderrechte, sprich weitere Gutachten, ein- Vorwort gedankt: forderte; weil sie der Uni ein Redeverbot verpassen ließ. Man erkennt den akademischen Lehrer und kann gar nicht Auch die Öffentlichkeit wollte sie beeinflussen – durch die überrascht sein, dass er so intensiv die Argumente der alberne Umdeutung ihrer Fehlleistungen als Flüchtigkeits- Verfasserin bestimmt [6]. fehler. Auch dabei darf man der Noch-Ministerin wohl eine leitende Täuschungsabsicht unterstellen. [2] Spätestens an dieser Stelle kommen Amts- und Selbstver- ständnis der Ministerin ins Spiel. Wollen wir im Rahmen Die Ministerin ist gewiss nicht die Einzige, der man in dieser eines – zugegeben – etwas gewagten gedanklichen Experi- Affäre eine leitende Täuschungsabsicht unterstellen darf. ments einmal annehmen, dass Annette Schavan von diesen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der ihr seit langem ver- bundenen Herren Frühwald, von Graevenitz und Tenorth

nichts gewusst hat, dass sie diese Aktivitäten schon gar nicht Am 2. Mai 2012 wurden die Plagiatsvorwürfe gegen die Dok- angeregt hat und erst aus den Pressemeldungen erfuhr, auf torarbeit von Annette Schavan auf der Internetseite schavan- welche Weise ihr hier beigesprungen wurde: Hätte sie nicht plag veröffentlicht. Noch am selben Tag bat die Ministerin spätestens jetzt auf kürzestem Wege und ein für alle Mal den Rektor der Universität Düsseldorf um eine Überprüfung klarstellen müssen, dass sie bei laufendem Verfahren der Vorwürfe. Die Fakultät leitete umgehend eine Unter- keinerlei öffentliche Stellungnahmen zu ihren Gunsten suchung ein. [3] Diese Untersuchung sei sehr aufwendig, wünsche, dass schon jeder Anschein möglicher Beeinflus- sung der Universität tunlichst vermieden werden müsse?

http://causaschavan.wordpress.com/ 39 Man kann sich natürlich auch fragen, wieso sich die 4. Nach dem Platzen der Bombe Ministerin nicht dagegen zur Wehr gesetzt hat, mit derart Zweifellos war Annette Schavan von dem Befund des Düs- ehrenrührig hanebüchenen Argumenten verteidigt zu seldorfer Gutachtens, das ihr eine “leitende Täuschungsab- werden. sicht” zuschrieb, völlig überrascht. Es musste sie momentan Doch es war ihr offenbar recht so. besonders erschüttern, dass wesentliche Inhalte dieses Gut- achtens vorab den Medien zugespielt worden waren, doch 3. Aufmarsch der Glorreichen Acht: Das Grundsatz- auch ohne diesen Bruch der Vertraulichkeit hätte sie der er- papier hobene Vorwurf im Kern ihres Selbstverständnisses getrof- Am 14. Juni – immer noch war aus Düsseldorf nichts Neues fen. Fassungslos waren aber auch ihre getreuen Paladine, zu hören gewesen – bezog die Phalanx der Verteidiger dann die Granden der Wissenschaft. Nun ging es nicht mehr nur in beeindruckender Mannstärke Stellung. Neben den bereits um das Herzeigen der mit Allgemeinheiten bestickten Stan- in Erscheinung getretenen Germanisten Wolfgang Frühwald darten. Nun musste gehauen und gestochen werden, wenn und Gerhard von Graevenitz waren dabei: Der katholische noch etwas zu gewinnen sein sollte. Theologe Ludger Honnefelder, der Physiker Reimar Lüst, der In einer ersten Reaktion befand Ernst-Ludwig Winnacker, evangelische Theologe Christoph Markschies, der Chemiker hier würden Ernst Theodor Rietschel, der Biochemiker Ernst-Ludwig Win- nacker und der Rechtswissenschaftler Rüdiger Wolfrum. Maßstäbe an das wissenschaftliche Referieren angelegt, Allesamt waren sie höchst verdiente und einflussreiche Per- die völlig sinnentleert sind. Sie vergleichen Sprache wie sönlichkeiten im Wissenschaftsbetrieb, sie hatten Gensequenzen in der Biologie. Das finde ich schockie- rend. [9] als Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft gewirkt, als Präsident des Europäischen Forschungsrats, Im Übrigen erklärte er die ganze Sache ohne weitere Um- als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, als Vorsitzen- schweife “für eine politische Aktion”. [10] der des Wissenschaftsrats, der Leibniz-Gemeinschaft oder Wolfgang Frühwald teilte am 15. Oktober abermals mit, der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. [7] Schavan habe “nach bestem Wissen und Gewissen, wie mir Und allesamt waren diese Wissenschaftsgranden Annette scheint, zitiert. Sie hat fast zu viel zitiert.” Nach der Veröf- Schavan in der einen oder anderen Weise seit langer Zeit fentlichung des vertraulichen Gutachtens würde jede ameri- verbunden. Nun sahen sich die Glorreichen Acht zu einer kanische Jury denkwürdig verschwurbelten Grundsatzerklärung aufgerufen, ein solches Verfahren sofort abbrechen und ein neues mit der sie einem “Klima des Verdachts und der Bedrohung” Gutachten anfordern, denn der Fakultätsrat, der Promo- entgegentreten und die Plagiatsjäger in die Schranken tionsausschuss, also diejenigen, die über dieses Gut- weisen wollten: Vertrauen dürfe nicht durch “scheinbare achten jetzt zu urteilen haben, können nicht mehr unvor- Transparenz” ersetzt werden. “Lediglich behauptete eingenommen urteilen. [11] Verfehlungen” drohten “durch ständige Wiederholung fixiert” zu werden, das sei “ein Spektakel, das einer aufgeklärten Und ja, er glaube, Winnacker habe recht, es sei Gesellschaft nicht würdig ist.” [7] All das wurde als sehr viel Politik in diesem, obwohl die Universität sich “Klarstellung durch die Wissenschaft selbst” präsentiert. [8] bemüht, es rein auf wissenschaftlichem Level zu behan- Der Name “Schavan” taucht in diesem Manifest nicht auf, deln. [11] doch seine ganz spezifische Zwecksetzung steht wohl außer Auch die amtierenden Präsidenten der Deutschen For- Zweifel: Der Universität Düsseldorf den Weg zu weisen. schungsgemeinschaft, Matthias Kleiner, der Alexander-von- Dass es den Autoren dieses so grundsätzlichen Grund- Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, der Helmholtz-Gemein- satzpapiers tatsächlich um Grundsätze ging, legt sich schaft, Jürgen Mlynek, und der Max-Planck-Gesellschaft, dagegen nicht unmittelbar nahe: Allzu ausgeprägt ist der Peter Gruss, stießen nun zur Kerntruppe der Verteidiger, be- Gegensatz zwischen diesen im Juni 2012 entdeckten mängelten schwere Verfahrensfehler und erklärten, durch “Grundsätzen” (Vertrauen statt “scheinbarer Transparenz”!) die Medienberichte über das Gutachten sei bereits eine und den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, auf deren Vorverurteilung erfolgt. [12, 13, 14] Ein neuer Gutachter, ein strikte Einhaltung in den letzten Jahren gerade von den unabhängiges Gutachten müsse her, lautete die Forderung Wissenschaftsorganisationen, an deren Spitze die Autoren der Vertreter der Forschungsfinanzierungsorganisationen, standen, immer wieder gepocht worden war. Jetzt ging es die sich durch ihre Abhängigkeit von den Geldzuweisungen ihnen einzig um den Fall Schavan. des Ministeriums in ihrem unabhängigen Urteil keinesfalls Und tatsächlich haben sich mit der einen, einzigen Ausnah- beeinträchtigt sahen. Mit dem Präsidenten der Berliner Hum- me des hochbetagten Reimar Lüst inzwischen alle Unter- boldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, und dem Leiter der zeichner dieser Erklärung als vehemente Parteigänger der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, verstärkten schließlich Ministerin zu erkennen gegeben – Frühwald und von Grae- zwei unmittelbare Interessenten an Schavans Wissen- venitz schon zuvor, ihre Mitstreiter in dem Moment, als deut- schaftspolitik den Chor um ihre besonders schrillen Stim- lich wurde, dass die Dinge sich nicht entwickelten wie er- men. Olbertz, der sich durch besondere Schnoddrigkeit wartet. auszeichnete, meinte gar: Der Ministerin jedenfalls war es offenbar nicht unrecht, dass Die Universität sollte im Interesse der Sache und in An- sich das Manifest dieser Großen für sie so insgesamt ange- betracht des bereits entstandenen Schadens das Ver- nehm und günstig las, und dass dies auch von anderen so fahren in andere, externe Hände abgeben. Ich empfehle gelesen werden konnte, in Düsseldorf zum Beispiel. ein Gremium unabhängiger Kollegen aus der Wissen-

http://causaschavan.wordpress.com/ 40 schaft. Hierzu könnten die Ombudsleute der großen 6. Die Anhörung Forschungseinrichtungen angesprochen werden. [15] Im November reichte Annette Schavan bei der Fakultät ihre Annette Schavan selbst kündigte an, kämpfen zu wollen: Stellungnahme ein, der sie zwei “erziehungswissenschaft- “Das bin ich mir schuldig, und das bin ich der Wissenschaft liche Stellungnahmen” beifügte. [18] Es ist bislang nicht schuldig”, [16] erklärte die allzeit Bescheidene, und niemand bekannt, wer diese Gutachten verfasst hat. Falls es sich um schien sich sonderlich zu wundern. Dass die konzertierten Gutachten der Erziehungswissenschaftler Benner, Tenorth Bemühungen, zu ihren Gunsten in jeder erdenklichen Weise oder Fend handeln sollte, dann dürfte sich wohl die Frage auf das laufende Verfahren der zuständigen Universität umso dringender stellen, wie unbeteiligt die Ministerin an den einzuwirken, ihr Missfallen erregt hätten, ist nicht überliefert. konzertierten Versuchen der Einflussnahme auf das laufende Verfahren seit Mai 2012 gewesen sein kann. Wie noch zu 5. Ein Fachgutachten in der Zeitung zeigen sein wird, ist es aber durchaus nicht ganz unwahr- Hatten wir das nicht schon? Ja doch, das hatten wir schon, scheinlich, dass Benner, Tenorth und Fend von der Ministe- im Mai. Diesmal erschien die Stellungnahme von Dietrich rin für unterstützende Gutachten in Anspruch genommen Benner und Heinz-Elmar Tenorth in der ZEIT. Inzwischen wurden. ging es allerdings darum, dem Düsseldorfer Gutachten ent- 7. Missbrauch für andere Zwecke gegenzuwirken. Auch war Dietrich Benner irgendwie abhan- den gekommen, er gab nun im Fernsehen skurrile Inter- Am 12. Dezember beschloss der Düsseldorfer Promotions- views. An seine Stelle trat der Zürcher Erziehungswissen- ausschuss, der Fakultät die Eröffnung des Verfahrens zur schaftler Helmut Fend, ein Wechsel in offenbar letzter Mi- Aberkennung des Doktorgrades zu empfehlen. Eine Sitzung nute, was nur notdürftig kaschiert werden konnte. Aber sonst des Fakultätsrats war für den 22. Januar 2013 anberaumt. war eigentlich alles wie bereits im Mai gehabt: Annette Scha- Unterdessen bemühte sich Annette Schavan, von einer van hatte nicht plagiiert, es galt die “Typik” der Arbeit zu be- Welle der Solidarität getragen, in ihrem CDU-Kreisverband achten und die “Art und Weise, wie Dissertationen in dieser um die Nominierung als Kandidatin für die Bundestagswahl. Zeit verfasst wurden und zu einer spezifischen Gattung Am 12. Januar trat sie im Kloster Schöntal vor rund 150 führten.” [17] Leider hatte der Düsseldorfer Kollege Stefan Mandats- und Funktionsträgern der CDU auf und sprach Rohrbacher nicht verstanden, wie Dissertationen in dieser unter großem Applaus wahrhaft Denkwürdiges: Zeit zu einer spezifischen Gattung führten. Er war leider Wissenschaft droht hier für andere Zwecke missbraucht zu voreingenommen und fand lediglich, was er zu finden erwar- werden. Gerade deshalb werde ich mich am 25. Januar tete. Er hatte sich völlig verrannt. Die externen, unabhängi- nominieren lassen. [19] gen Fachgutachter Tenorth und Benner Fend dagegen kamen nach sorgfältiger Prüfung der Doktorarbeit wie auch Niemand schien Anstoss daran zu nehmen, dass sich die für des Düsseldorfer Gutachtens, das ihnen auf gar wunder- die Wissenschaft zuständige Ministerin in der Verfolgung same Weise zugeflogen war, zu folgendem deutlichem ihrer persönlichen politischen Ambitionen dazu hinreißen Schluss: ließ, einer Universität den Missbrauch der Wissenschaft für andere – politische – Zwecke zu unterstellen. Und niemand Die Zitierfehler und Regelwidrigkeiten kann man schien sich die Frage zu stellen, ob nicht vielmehr die Minis- selbstverständlich nicht ignorieren, aber man kann sie terin soeben im Begriff sei, Wissenschaft für andere Zwecke nicht als starkes Indiz für “leitende Täuschungsabsicht” zu missbrauchen: Für eine Nominierung mit möglichst ein- deuten, wenn sie nur die Referenzen der wissenschaft- drucksvoller Stimmenzahl nämlich. lichen Welt zeigen, in der die Autorin ihre Arbeit platziert hat – offen und ehrlich, gelegentlich mit “Regelwidrig- 8. Ein neues Gutachten und eine Stellungnahme keiten”, immer so, dass man erkennt, wie sie gearbeitet Am 22. Januar 2013 sollte der Düsseldorfer Fakultätsrat über hat, nicht plagiierend, sondern rekonstruktiv und paraphra- die Eröffnung des Verfahrens zur Aberkennung des Doktor- sierend. Doktortitel werden aus solchen Gründen nicht grades beschließen. Wenige Tage vor dieser wichtigen aberkannt, Täuschungsabsicht ist auf dieser Basis nicht zu Sitzung wurde bekannt, dass der Universität inzwischen ein unterstellen. [17] weiteres Gutachten vorlag. Verfasst hatte es einer der Glor- Nun mochte sich der Promotionsausschuss doch noch eines reichen Acht, der Theologe Ludger Honnefelder, und zwar Besseren besinnen. Oder, falls es für den Ausschuss bereits nach wechselnden Auskünften “auf eigene Initiative hin” oder zu spät zur Umkehr sein sollte: Der Fakultätsrat. Die Frage, im Auftrag der Ministerin. “Entwarnung für Annette Schavan” ob man in Düsseldorf ein weiteres Gutachten einholen sollte, meldete der FOCUS, denn sie hatte nun doch nicht vorsätz- hatte sich im Grunde erledigt, denn dieses Gutachten lag lich getäuscht. Wie Honnefelder feststellte, hatte sich Rohr- nun vor. Es stand in der Zeitung. Erwartungsgemäß wurde bacher „vorwiegend an formalen Textvergleichen“ orientiert sein Tenor in den folgenden Tagen und Wochen in der und dabei versäumt, die bei einer Plagiatsprüfung maßgeb- öffentlichen Debatte um das Düsseldorfer Verfahren vielfältig liche Frage zu stellen, aufgegriffen. Das würde an der Universität kaum ignoriert nämlich ob die Arbeit einen selbständig erarbeiteten wis- werden können. Eine Besorgnis der unzulässigen Einfluss- senschaftlichen Beitrag erbringt, der die Vergabe des nahme auf ein laufendes Verfahren schien sich hieraus nicht Doktortitels rechtfertigt“ [20]. zu ergeben. Dass erneut über ein Gutachten in den Medien berichtet Der Ministerin war es offenbar recht so. wurde, dass dieser Gutachter sogar selbst bereitwillig Auskunft gab, schien diesmal niemandem einen tadelns-

http://causaschavan.wordpress.com/ 41 werten Bruch der Vertraulichkeit zu bedeuten. Auch Annette Schavan war es wohl recht so.

Doch Ludger Honnefelder beließ es nicht bei seinem Gut- Dabei können wir es bewenden lassen. Dass die Glorreichen achten, das – wie der FOCUS monierte [20] – von der Uni- Acht auch in den letzten Wochen immer wieder wie die versität unter Verschluss gehalten wurde. Er verfaßte auch Springteufelchen aus der Kiste gehüpft sind, war manchmal eine gesonderte Stellungnahme zum Rohrbacher-Gutachten, possierlich anzusehen, aber öfters auch recht langweilig. die er in ihrem vollen Wortlaut durch die ZEIT veröffentlichen Selten passierte noch wirklich Neues. Rüdiger Wolfrum in ließ. [21] Dieses in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte seiner Rolle als Verfahrensgutachter zur See war unterhalt- Dokument überlegener Sachkompetenz verrät gleich zu An- sam. Bescheidener ist schon der Unterhaltungswert von fang, dass sein Autor den Inhalt des Gutachtens, zu dem er Christoph Markschies: Er hat Schavans Doktorarbeit zwei- dann wortreich und durchaus blasiert Stellung nimmt, nur mal gelesen und hätte Plagiate natürlich zweifellos bemerkt, “den Pressemitteilungen nach” kennt. Aufschlussreich ist wenn es sie gäbe. Aus welchen (drei) Hauptteilen diese aber vor allem, mit welchem Nachdruck Honnefelder auf das Arbeit besteht, weiß er allerdings auch nach zweimaliger “unabhängige [...] Gutachten durch zwei der angesehensten Lektüre noch nicht. [22] Ernst-Ludwig Winnacker eifert in- Vertreter der deutschen Erziehungswissenschaften” ver- zwischen gegen die weist, auf eben jenen Zeitungsbeitrag der Herren Benner und Tenorth vom Mai 2012 nämlich, dessen Befund “neuer- geradezu jakobinisch anmutende Entscheidung der lich durch den Beitrag der Proff. Tenorth und H. Fend in Die Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf, Zeit-Online vom 17.10.2012 bestätigt wurde.” [21] Honne- Annette Schavan den Doktortitel abzuerkennen. Jako- felder findet es ganz unbegreiflich, dass Rohrbacher für binisch deshalb, weil auch damals, kurz nach der seine Einschätzung diesen Zeitungsbeitrag gar nicht Französischen Revolution, Menschen in Hetzjagden heranzieht: verfolgt wurden, die dieses nicht verdient hatten. [23] Denn dieses Gutachten erfüllt alle Erwartungen, die ein Dazu ist an anderer Stelle das Nötige gesagt worden. Inter- Promotionsausschuss erwarten kann, der Plagiatsvorwürfe essant ist auch die Meldung, dass ein weiterer Glorreicher zu prüfen hat: Es ist unabhängig erstattet und von der Achter, Ernst Theodor Rietschel, inzwischen aus Protest nötigen fachwissenschaftlichen Expertise und Erfahrung gegen das Verfahren aus dem Hochschulrat der Heinrich- getragen. Es beruht auf einer eigenständigen Analyse der Heine-Universität Düsseldorf ausgeschieden ist. [24] Man im Wesentlichen damals schon bekannten Hinweise auf kann sich unschwer ausmalen, dass es im Düsseldorfer mögliche Verstöße gegen das Plagiatsverbot und prüft sie Hochschulrat in den vergangenen Wochen und Monaten an den für die damalige Zeit im Fach Erziehungswissen- recht lebhaft zugegangen ist. In seinen letzten Tagen als schaft üblichen formalen Standards. Es stellt die sich dabei Präsident der Leibniz-Gemeinschaft war der als listenreich zeigenden handwerklichen Defizite und Fehler fest und geltende Rietschel 2010 in die Auseinandersetzungen um nimmt auf diesem Hintergrund abschließend zu der maß- den Fortbestand seiner Heimatuniversität Lübeck verwickelt geblichen Frage Stellung, ob die Dissertation auch unter gewesen. [25] Vielleicht bleibt ihm nach all dem Düsseldorfer Inrechnungstellung der formalen Mängel einen wissen- Ärger wenigstens die Genugtuung, recht bald der Verleihung schaftlichen Ertrag erbringt, der die Vergabe eines Dok- der Ehrendoktorwürde an die (Ex-)Ministerin beizuwohnen, tortitels als Abschluss eines erziehungswissenschaftlichen die ihr in Lübeck als Dank für die Rettung zuerkannt wurde. Studiums rechtfertigt. [21] Um das Amtsverständnis dieser früheren Ministerin aber war Der Promotionsausschuss hatte jämmerlich versagt. Aber es wohl doch nicht zum Besten bestellt. Dabei erscheint es noch bestand Hoffnung, der Fakultätsrat würde vielleicht erschreckenderweise durchaus möglich, dass sie nach eige- eher wissen, was zu tun war. An fehlenden Fingerzeigen ner Überzeugung stets der Wissenschaft diente. Sie war sollte es jedenfalls nicht liegen. eben nur nicht in der Lage, zwischen ihren eigenen Interes- sen und den Belangen der Wissenschaft zu unterscheiden. Ob Honnefelder, der zweifellos älteste Vertraute der Annette Womöglich hielt sie sich selbst für die lebende Verkörperung Schavan unter den Glorreichen Acht, “auf eigene Initiative der Wissenschaft. hin” oder im Auftrag der Ministerin aktiv wurde, mag dahin- stehen. Dass seine Bemühungen und deren Stoßrichtung Die Tatsache, dass der für die Wissenschaft zuständigen aber mit der Ministerin in keiner Weise abgestimmt waren, Ministerin von ihrer Universität der Doktorgrad wegen vor- darf als höchst unwahrscheinlich gelten. Damit rückt erneut sätzlicher Täuschung entzogen wurde, konnte man für einen die Möglichkeit ins Blickfeld, dass der bereits im Mai veröf- zwingenden Rücktrittsgrund halten. In dem Amtsverständnis fentlichten Stellungnahme von Benner und Tenorth auch in aber, das die Ministerin in ihrem Abwehrkampf gegen den der Verteidigungsstrategie der Ministerin eine tragende Rolle Plagiatsvorwurf offenbarte, war ein unbedingt zwingender zugedacht war. An unserem gedanklichen Experiment, um Rücktrittsgrund zu sehen. dessentwillen wir einmal annehmen wollten, dass die Winkel- gutachterei der Herren Benner und Tenorth nicht von der Ministerin angeregt worden sei, haben wir inzwischen kein Eigentlich hätte so was längst als Dossier in rechtes Vergnügen mehr. Jedenfalls hat das Bild der be- einem der großen Nachrichtenmagazine stehen müssen. Aber so ist unsere Simone G.: Wenn scheidenen Dulderin, die aus Respekt vor der Wissenschaft sie sonst nicht zu lesen kriegt, was sie zu monatelang stillhält und in Demut den Lauf des Verfahrens lesen wünscht, schreibt sie sich das Zeug abwartet, entschieden an Überzeugungskraft verloren. eben selbst. – In einem aber hatte sie sich getäuscht: Es ging jetzt, nach dem Rücktritt der Ministerin, keineswegs nur noch um lang-

http://causaschavan.wordpress.com/ 42 weilige Nachhutgefechte. Das war nur zunächst welche die Universität in einem solchen Verfahren agiert – noch nicht zu merken: strikt folgen muss. Demgegenüber können “Regeln”, wie sie nun von der Hochschulrektorenkonferenz, der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder welcher Wissenschaftsorga- 18. Februar 2013 nisation auch immer aufgestellt werden mögen, keinerlei Nach Fall Schavan jetzt messerscharfe Folge- rechtliche Bindekraft entfalten. Sie haben in einem geord- rung: Her mit dem Promibonus! neten Verwaltungsverfahren schlicht und einfach nichts von Simone G. verloren. Wollte man es anders handhaben, dann wäre die Behörde Nachdem die Causa Annette nicht mehr alleinige Herrin des Verfahrens, und der Einrede Schavan an der Universität durch Dritte unter Berufung auf außergesetzliche Normen zum Abschluss gekommen, würde Tür und Tor geöffnet – aber genau darum geht es der Doktorgrad entzogen und Olbertz, Mlynek und Konsorten ja. Spätestens im Fall der die Ministerin für Bildung und rechtlichen Anfechtung wäre allerdings Schluss mit dem Forschung von ihrem Amt zu- Unfug. Denn noch ist es nicht die Deutsche Forschungsge- rückgetreten ist, sollen nun meinschaft, bei der solche Fälle dann landen, und auch nicht weitreichende “Lehren” aus das Präsidium der Berliner Humboldt-Universität. Noch sind dem Fall gezogen werden. es die Verwaltungsgerichte. Der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan- Wie stellt sich ein Jan-Hendrik Olbertz die Zuständigkeiten Hendrik Olbertz, und der und Abläufe in einem Plagiatsverfahren vor? Nun, insgesamt Präsident der Helmholtz- gemischt, und natürlich: Es kommt auf den Fall an. Wenn der Gemeinschaft, Jürgen Universität ein Plagiatsverdacht angezeigt wird, Mlynek, fordern die Ein- soll wie in Düsseldorf die zuständige Fakultät das Verfah- führung neuer Regeln im Umgang mit Plagiatsfällen. So ren zwar führen, doch muss auch die Universitätsleitung recht durchdacht scheint es noch nicht, was sich die beiden beteiligt sein, gerade bei Fällen von großem öffentlichem getreuen Springteufelchen der ehemaligen Ministerin da Interesse. Das Ansehen der Person darf für die Entschei- haben einfallen lassen. Aber klar ist doch, wohin die Reise dung nicht maßgeblich sein, es macht aber in der Abwick- gehen soll: Entmachtung der Fakultäten, Bonus für Promi- lung schon einen Unterschied aus, ob jemand öffentlich so nente, Regelung der Kontrollverfahren durch die Allianz der exponiert ist wie etwa ein Mitglied der Bundesregierung. Wissenschaftsorganisationen. Wenn sich die Hochschulen [2] nicht benehmen können, ist eben Schluss mit der Hoch- schulautonomie. Das ist ganz fabelhaft. Wenn ein Fall auf großes öffentliches Interesse stößt, dann ist auch die Universitätsleitung am Bei seiner Prüfung war der Düsseldorfer Fakultätsrat zu dem Verfahren zu beteiligen. In der Abwicklung. Näheres regelt Ergebnis gekommen, dass Annette Schavan in ihrer Doktor- sich im freien Spiel der Kräfte, vorzugsweise auf dem Wege arbeit systematisch und vorsätzlich getäuscht habe. [1] Jan- der überlegenen Machtentfaltung. Die hier vorgeschlagene Hendrik Olbertz zieht es vor, dies zu ignorieren. Für ihn Zwei-Klassen-Behandlung ohne Ansehen der Person wird lautet die “Lehre”, die aus diesem Fall gezogen werden sich ohne Weiteres in die entsprechenden Regeln der Hoch- muss: schulrektorenkonferenz und der Deutschen Forschungsge- meinschaft aufnehmen lassen. Vielleicht sollte man im Sinne Wir müssen vermeiden, dass Doktoranden allein für ein einer vernünftigen Arbeitsteilung auch schon einmal die Qualitätsdefizit einstehen müssen, das auch die Hoch- Herren Ernst-Ludwig Winnacker und Kurt Biedenkopf damit schulen verantworten. [2] beauftragen, eine Liste der Persönlichkeiten zusammenzu- Nun müssten die Universitäten handeln und “übergreifende stellen, die öffentlich so exponiert sind wie etwa ein Mitglied Standards etablieren – auch zur Überprüfung von Fehlver- der Bundesregierung. halten.” [2] Jürgen Mlynek, der mit ihm gemeinsam beim Olbertz geht es selbstverständlich nicht um eine Entmach- SPIEGEL sitzt, ist da wohl ganz seiner Meinung: tung der Fakultäten, In Plagiatsverfahren geht es um die Integrität von Wissen- aber es ist doch klar, dass die Fakultätsangehörigen auch schaft insgesamt. Daher sollten dabei künftig Regeln gel- befangen sein können, wenn die Doktorarbeit von ihren ten, die über die generellen Vorgaben des Verwaltungs- Kollegen angenommen und bewertet wurde. Zur wissen- rechts hinausreichen. Unsere gemeinsame Forderung schaftlichen Bewertung sollten deshalb Dritte herange- lautet, dass die Hochschulrektorenkonferenz und die zogen werden, etwa die Ombudsleute, die jede Universität Deutsche Forschungsgemeinschaft zeitnah solch einen inzwischen hat, oder Angehörige anderer Fakultäten. Und Referenzrahmen formulieren. [2] vor allem externe Gutachter. [2]

Juristen und andere Leute ohne die tiefere Einsicht eines Entschiedener noch als Olbertz hat dies dankenswerterweise Jürgen Mlynek oder eines Jan-Hendrik Olbertz würden die Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Philologenverband lediglich “generellen” Vorgaben des Verwaltungsrechts nun auf den Punkt gebracht: Er hielt fest, allerdings keineswegs für gar so generell halten. Sie würden in diesen Vorgaben die recht speziellen, allein geltenden dass die jeweilige Universität immer befangen sei, da es in rechtlichen Vorschriften sehen, denen die Behörde – als jedem Einzelfall auch um das mögliche Versagen der für Examen und Promotionen zuständigen Gremien gehe. [3]

http://causaschavan.wordpress.com/ 43 So weit geht Olbertz nicht. Als Universitätspräsident weiß er: gegen solche Zuspitzungen, weil sie der nötigen Tiefe in Universitäten als solche sind nicht befangen. Auf den niede- der Argumentation entgegenstehen. [2] ren Ebenen sieht das freilich anders aus, und deshalb sollten Er “verstehe aber”, warum Winnacker zu einer solchen For- in Plagiatsverfahren zur wissenschaftlichen Bewertung Dritte mulierung griff: Das Urteil der Düsseldorfer Universität sei herangezogen werden. Nicht etwa “hinzugezogen”, sondern “messerscharf”. herangezogen: Die Fakultät soll ihnen die wissenschaftliche Bewertung überlassen. Da bieten sich neben externen Gut- Wir gehen davon aus, dass Jan-Hendrik Olbertz damit nun achtern vor allem die Ombudsleute und Angehörige anderer seinerseits die nötige Tiefe in der Argumentation erreicht hat. Fakultäten an. Gerade Angehörige anderer Fakultäten und Eine gewisse Niedrigkeit ist jedenfalls nicht zu verkennen. die Ombudsleute, die ja womöglich auch anderen Fakultäten Im übrigen wäre es ja noch schöner, wenn ausgerechnet der angehören, drängen sich für die wissenschaftliche Bewer- Präsident einer der größten Universitäten im Lande und der tung ja förmlich auf. Nicht umsonst wurde im Fall Schavan Präsident einer milliardenschwer alimentierten Forschungs- monatelang vielstimmig die Forderung nach einem weiteren organisation die Hochschulautonomie, die Freiheit der Wis- Gutachter erhoben – einem Mathematiker oder Biochemiker senschaft und schlichte Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zum Beispiel. Diesen Forderungen sollte man in künftigen nicht nur im Munde führen, sondern am Ende gar auch noch Verfahren unbedingt Rechnung tragen. Die Fakultät wird respektieren müssten. dann auf der Grundlage der wissenschaftlichen Bewertung durch Dritte zu einer Entscheidung kommen dürfen. Ent- machtet ist sie nicht. In den folgenden Wochen war es recht ruhig. Das ist es dann im Wesentlichen. Jürgen Mlynek schlägt Schavan hatte gegen die Entscheidung der Düs- seldorfer Fakultät Klage vor dem Verwaltungs- noch die Einrichtung einer zentralen Agentur vor, die – gericht erhoben. Eine Offenlegung der Unter- ähnlich wie in Österreich – solche Verfahren “begleiten” soll. lagen, wie sie die Universität mehrfach ange- Solch freundliche “Begleitung” auf die richtige Straßenseite boten hatte, war von ihren Anwälten abgelehnt kann man sich lebhaft vorstellen, am besten unter Feder- worden. So gab es wieder mal eine längere führung der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Die Phase, in der man nichts erfuhr und von dem, was man erfuhr, noch nicht wusste, was es sich übrigens deshalb zu ihrer denkwürdigen Erklärung zum bedeuten sollte. – Dann: Kindergeburtstag! Plagiatsverfahren Schavan veranlasst sah,

weil die Frage nach den Pflichten und Rechten von Dokto- randen von zentraler Rolle für das deutsche Wissen- 6. Mai 2013 schaftssystem ist. Da spielt es keine Rolle, wer von wem Ein Jahr Causa Schavan finanziert wird. [2] von Simone G. Insbesondere spielt es keine Rolle, dass die Helmholtz-Ge- meinschaft, deren Präsident Mlynek ist, in ihrer Grundfinan- Anfang Mai 2012 informierte der Anony- zierung zu 90% von Mitteln des Bundes abhängig ist – mehr mus “Robert Schmidt” die Medien über als 2 Milliarden Euro erhält sie jährlich vom Bund. Auch ist es seine Plagiatsdokumentation schavanplag ohne jeden Belang, dass die Humboldt-Universität, deren zur Doktorarbeit von Annette Schavan. Präsident Jan-Hendrik Olbertz ist, dem Auslaufen der Exzel- Bald darauf begann das Prüfverfahren der lenz-Initiative entgegenbangt, von der Umwandlung in eine Universität Düsseldorf, das schließlich am Bundesuniversität (mit entsprechender Sonderfinanzierung) 5. Februar 2013 zur Aberkennung des träumte und große Hoffnungen in die Zusammenführung der Doktorgrades und wenige Tage später zum Rücktritt der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Ministerin führte. Zeit für etwas Kuchen und für ein paar Medizin (MDC) in einem “Berliner Institut für Gesundheits- Kleinigkeiten zum Auswickeln. forschung” mit reichlicher Zuweisung von Bundesmittteln Mein und Dein setzt. [4, 5] Dieses Großinstitut ist zwar schon “gegründet”, aber rechtlich noch keineswegs abgesichert. Die Plagiats- Katastrophale Folgen entstehen, wenn die Legierung der prüfung, der Entzug des Doktorgrades und schließlich der beiden Triebanteile zerfällt, wenn sie sich ‘entmischen’ und Rücktritt der in all diesen schönen Projekten stark engagier- die positive Kraft die negative nicht mehr zu ‘binden’ vermag. ten Ministerin müssen bei all dem als üble Störungen Diesen Sachverhalt demonstriert der Triebmörder. Die empfunden worden sein. Den Verdacht einer Befangenheit seelischen Komponenten fallen auseinander, so daß gegenüber Herrn Mlynek und Herrn Olbertz begründet das Liebesgenuß und Mordimpuls gleichermaßen, aber isoliert freilich nie und nimmer. zum Zuge kommen. Ernst Stadter, Psychoanalyse und Gewissen (1970) / Am Ende des Interviews spricht Jan-Hendrik Olbertz wieder schavanplag einmal von der “nötigen Tiefe in der Argumentation”. Ernst- Ludwig Winnacker hatte im Entzug des Doktorgrades eine Katastrophale Folgen entstehen, wenn die Legierung der “geradezu jakobinisch anmutende Entscheidung” gesehen, beiden Triebanteile zerfällt und die positive Kraft die negative nicht mehr binden kann. Dieser Sachverhalt wird am Beispiel weil auch damals, kurz nach der Französischen Revolu- des Triebmörders deutlich: Die seelischen Komponenten tion, Menschen in Hetzjagden verfolgt wurden, die dieses fallen auseinander, Liebesgenuß und Mordimpuls treten nicht verdient hatten. [6] gleichermaßen, aber getrennt voneinander auf. Wir erinnern uns: Guillotine. Olbertz, zweifellos ein stets auf Annette Schavan, Person und Gewissen (1980) / Ausgleich bedachtes Naturell, ist schavanplag

http://causaschavan.wordpress.com/ 44 Rechenschaft? Gerne! “Der Titel darf nur aus bestimmten Gründen entzogen werden. Etwa, wenn der Autor arglistig getäuscht, gedroht “Ich habe mir heute diese entsprechende Seite [schavan- oder bestochen hat. Diese Wildwest-Version ist nun vom plag] angeschaut, es ist eine anonyme Seite, deshalb ist Tisch. So viel kriminelle Energie wäre auch eine Über- meine erste Antwort: Wer sich mit meiner Dissertation be- raschung gewesen.” schäftigt hat, mit dem bin ich gerne bereit, über diese Dis- Roland Preuß am 19. Januar 2013 über den Vorwurf der sertation zu sprechen, über das Zustandekommen.” Sie vorsätzlichen Täuschung, der vom Promotionsausschuss gebe jedem gerne Rechenschaft über die Quellen, versicher- inzwischen fallen gelassen worden sei / Süddeutsche te Schavan. “Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich Zeitung umgehen”, betonte die Bildungsministerin [...]. Annette Schavan am 2. Mai 2012 / Focus “Was als Resultat einer ‘leitenden Täuschungsabsicht’ be- trachtet wird, ist nichts anderes als eine in der Pädagogik “Ich habe sorgfältig gearbeitet. Hier und da hätte man auch und verwandten Fächern seinerzeit praktizierte Dokumenta- noch sorgfältiger formulieren können. Heute merke ich zum tionsweise.” Beispiel, dass ich damals bei Freud noch ziemlich ver- Ludger Honnefelder am 21. Januar 2013 / DIE ZEIT druckst war.” Annette Schavan am 14. Oktober 2012 / Süddeutsche “Der Fakultätsrat hat sich [...] abschließend die Bewertung Zeitung des Promotionsausschusses zu eigen gemacht, dass in der Dissertation von Frau Schavan in bedeutendem Umfang “Flüchtigkeitsfehler sind mir nicht peinlich. [...] Ich kann für nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte mich nicht in Anspruch nehmen, keine Flüchtigkeitsfehler zu finden sind. [...] Daher hat der Fakultätsrat [den] Tatbe- gemacht zu haben. Aber ich kann in Anspruch nehmen, nicht stand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat plagiiert oder gar getäuscht zu haben.” festgestellt.” Annette Schavan im Januar 2013 / DIE ZEIT Bruno Bleckmann, Dekan der Philosophischen Fakultät, am “Es ist nicht sinnvoll, dies weiter in der Öffentlichkeit zu 5. Februar 2013 / Universität Düsseldorf diskutieren.” Bewertungsmaßstäbe Erklärung der Anwälte von Annette Schavan vom 20. Feb- ruar 2013, mit der das Angebot der Universität Düsseldorf “So durfte damals wie heute als ‘selbstverständlich’ gelten, zur Offenlegung der Unterlagen abgelehnt wurde / dass Anleihen und Übernahmen aus Texten Dritter in jeweils Süddeutsche Zeitung geeigneter, nachvollziehbarer Weise als solche kenntlich zu machen seien … dass demgegenüber eine ‘Aneignung’ Respekt vor der Wissenschaft durch bloße Umstellungen oder durch sachlich unwesent- “Ich kann wirklich gut verstehen, dass Sie von mir mal gerne liche Abänderungen im ansonsten wörtlichen Zitat unzuläs- was hören würden. Ich sage aber heute nichts anderes als in sig sei.” den Wochen zuvor und in den Wochen bis Düsseldorf fertig Stefan Rohrbacher in seinem Gutachten über die ist. Aus Respekt vor der Wissenschaft – und dann können Doktorarbeit von Annette Schavan / SPIEGEL online wir ganz viel darüber sprechen.” “Die Arbeit entsprach absolut dem wissenschaftlichen Annette Schavan am 30. Mai 2012 / Deutschlandfunk Standard. [...] Wie kann man eine Arbeit über das Gewissen “Ich werde kämpfen. Das bin ich mir schuldig, und das bin schreiben und dabei täuschen?” ich der Wissenschaft schuldig.” Gerhard Wehle, Doktorvater von Annette Schavan, im Annette Schavan am 17. Oktober 2012 / Merkur online Oktober 2012 / Süddeutsche Zeitung “Wissenschaft droht hier für andere Zwecke missbraucht zu “Die Referenz auf Böckle weist die Dissertation bereits im werden. Gerade deshalb werde ich mich am 25. Januar Vorwort aus. Hier bedankt sich die Autorin, weil sie von nominieren lassen.” seiner ‘moraltheologischen Prinzipienlehre’ stark profitiert Annette Schavan am 12. Januar 2013 auf einer Versamm- habe.” lung von CDU-Mandats- und Funktionsträgern über das Dietrich Benner und Heinz-Elmar Tenorth in einem Zei- Düsseldorfer Prüfverfahren / Südwest Presse tungsbeitrag vom 24. Mai 2012 zu dem Vorwurf, dass Annette Schavan in größerem Umfang von dem Moraltheo- “Wenn Wissenschaftler darauf drängen, dass es in solchen logen Franz Böckle abgekupfert habe / FAZ Fällen Regeln gibt, die eingehalten werden müssen, kann man sie dafür doch nicht beschimpfen. Die Souveränität der “60 Beanstandungen auf 351 Seiten der Dissertation [...] hat Wissenschaft ist ein hohes Gut.” er so akribisch aufgeführt, als gehe es darum, einen apokry- Annette Schavan im Januar 2013 über Kritik an der phen Text des Alten Testaments zu kollationieren. [...] Nicht Einmischung der Wissenschaftsallianz in das Prüfverfahren / nur auf den Plagiatsplattformen, sondern auch in diesem DIE ZEIT Gutachten offenbart sich ein technizistisches Textverständ- nis. Es scheint so, als werde die für die Geisteswissenschaf- Leitende Täuschungsabsicht ten zentrale Methode der hermeneutischen Textanalyse zu- “Eine leitende Täuschungsabsicht ist nicht nur angesichts gunsten eines kleinteiligen Wortabgleichs verabschiedet.” der allgemeinen Muster des Gesamtbildes, sondern auch Heike Schmoll am 15. Oktober 2012 über den Gutachter aufgrund der spezifischen Merkmale einer signifikanten Stefan Rohrbacher /FAZ Mehrzahl von Befundstellen zu konstatieren.” “All das Gerede von Hermeneutik, der Notwendigkeit einer Stefan Rohrbacher in seinem Gutachten über die inhaltsbezogenen, deutenden Textanalyse, ist eine Vernebe- Doktorarbeit von Annette Schavan / SPIEGEL online lung, die allein den Sinn hat, in der Arbeit noch das Rettende

http://causaschavan.wordpress.com/ 45 zu finden. [...] Abschreiben ist banal-kleinteilig und kann nur Kompetente Unterstützer durch ebensolchen Textvergleich belegt werden. Und nur die “Frau Schavan hat nicht geschummelt, sie hat auch Textstellensynopse lässt den Rückschluss auf eine Täu- Sekundärliteratur verwendet. Das hat ihr Doktorvater schungsabsicht zu. Auch das ist in der Rechtsprechung gebilligt. Ihre Arbeit hat er als korrekt und regelgerecht anerkannt.” bezeichnet.” Volker Rieble am 21. Januar 2013 / DIE ZEIT Kurt Biedenkopf im Oktober 2012 / DIE WELT “Wer sagt, dass bei Doktorarbeiten in der Erziehungswissen- “Ich bin einigermaßen fassungslos ob des Verfahrens. [...] schaft aus den siebziger Jahren nachlässig mit den Stan- Gute wissenschaftliche Praxis hätte bedeutet, externe dards wissenschaftlichen Arbeitens umgegangen worden ist, Gutachter zu holen, auch mehrere, Leute, die vom Fach begeht Rufmord an dem Fach. Das ist ungehörig und unan- sind: Erziehungspädagogen.” ständig – und: Es ist schlicht falsch.” Michael Kretschmer, stellv. Fraktionsvorsitzender der Michael Winkler, Leiter des Instituts für Bildung und Kultur an CDU/CSU, am 6. Februar 2013 / ZDF. der Universität Jena, im Januar 2013 / Tagesspiegel Zweifellos vom Fach ist der “Erziehungspädagoge” Dietrich Geheimnisverrat Benner. Seine Expertise hätte den Qualitätsansprüchen eines Michael Kretschmer sicherlich vollauf genügt: “Das Gutachten wurde aus dem Promotionsausschuss einer Zeitschrift zugespielt, womöglich verkauft. Wie korrupt muss “Diese [problematischen] Stellen befinden sich aber in dem man als Wissenschaftler eigentlich sein, um derlei Indiskre- Teil, in dem Frau Schavan zwanzig bis dreißig verschiedene tionen zu begehen?” Positionen zur Theorie des Gewissens darstellt, und der Heike Schmoll am 14. Oktober 2012 /FAZ Gutachter unterstellt, dieser Teil sei der eigene Teil der Verfasserin. Nein: es ist der darstellende Teil, die eigenen “Annette Schavan [...] hat monatelang geschwiegen, weil es Teile der Verfasserin sind der erste und letzte Teil.” ein Verfahren gab, das formal zu Ende kommen sollte mit Dietrich Benner am 17. Oktober 2012 / NDR der ersten Sitzung dieses Universitätsausschusses. Der Kollege aus dem Ausschuss, der das Gutachten quasi vor- “Ich habe inzwischen zweimal die in Rede stehende Dis- entworfen hat, der hat’s vorher aber schon mal dem sertation gelesen [...] Ein [dem Fall zu Guttenberg] ver- SPIEGEL gegeben.” gleichbarer Grad von wissenschaftlichem Fehlverhalten, der Nikolaus Blome, stellv. BILD-Chefredakteur, am 15. Oktober die Aberkennung der Promotion im Falle von Annette Scha- 2012 / N24 van rechtfertigen würde, liegt [...] definitiv nicht vor. Der zweite Teil ihrer Dissertation ist eine originelle wissenschaft- Es gebe [...] keinen erfolgversprechenden Ansatzpunkt, um liche Leistung, die Gewissensbildung und Wertevermittlung herauszufinden, wer die undichte Stelle gewesen sein im Schulunterricht zum Thema hat.” könnte. Etwa 20 Menschen hätten damals Zugang zum Christoph Markschies am 7. Februar 2013 / evangelisch.de Gutachten gehabt. [...] Die Universität hatte den sorgfältigen Die Doktorarbeit von Annette Schavan besteht aus drei Umgang mit dem internen Papier betont, das nur an 15 Teilen. Im zweiten Teil werden Theorien zur Gewissensbil- Mitglieder des Promotionsausschusses weitergegeben dung lediglich referiert. Gewissensbildung und Wertevermitt- worden sei: Es habe nur in gedruckter Form existiert. lung im Schulunterricht werden in der Doktorarbeit an keiner Pressemeldung der DPA vom 9. März 2013 über die Ein- Stelle behandelt. stellung der staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen der Weitergabe des Gutachens / NWZ online Das Verfahren – verfahren? Netzgewirktes “Im Falle Guttenberg [...] war es eine Kommission, die aus- schließlich aus Mitgliedern bestand, die nicht unmittelbar zur “Bildungsministerin Annette Schavan zeigt sich bislang Universität gehören, und ich glaube, dies ist eine Art von äußerst nervenstark. [...] Zunächst versicherte sie sich des Fairness, die in Düsseldorf nicht beachtet worden ist, und die Rückhalts der Kanzlerin. Dann sorgte die bestens vernetzte Universität Düsseldorf wäre aus meiner Sicht gut beraten, Politikerin diskret dafür, dass Wissenschaftler, Kirchenleute dafür zu sorgen, dass nicht sie selber nachher Schaden an und Parteifreunde Solidarität bekunden und die Uni Düssel- diesem ganzen Verfahren nimmt.” dorf kritisieren. Das war klug und auch angemessen. Helmut Schwarz, Präsident der Humboldt-Stiftung, am 17. Schließlich hat die Indiskretion vom Rhein die Ministerin ins Oktober 2012 / Deutschlandfunk Trudeln gebracht.” Die Promotionskommission, die im Fall zu Guttenberg den Eva Quadbeck (Rheinische Post) am 17. Oktober 2012 / NA Entzug des Doktorgrades beschloss, bestand ausschließlich Presseportal aus Mitgliedern der Universität “Wolfrum mit einem AvS/G-Wert von 5,9 erreicht noch nicht In jedem anständigen juristischen Prozess müsste dieses den Affinitätsgrad von Schavans Doktorvater Wehle, aber Verfahren wegen Befangenheit und schwerer Verfahren- alle anderen überschreiten diesen deutlich: von 13,9 (Lüst) sfehler eingestellt und neu begonnen werden [...]. Dafür über 25,5 (Frühwald) und 37,6 (Markschies) geht es bis würde ich auch plädieren.” hinauf in fantastische Affinitäten von 262 (Honnefelder), 306 Volker Kauder am 17. Oktober 2012 / Süddeutsche Zeitung (Rietschel) und 348 (von Graevenitz).” ERBLOGGTES am 22. Oktober 2012 über die “Das Procedere ist keine wissenschaftliche Überprüfung, Schavanaffinitätswerte prominenter Fürsprecher der sondern eine politisch motivierte Kampagne gegen eine sehr Ministerin aus der Kaste der Wissenschaftsfunktionäre erfolgreiche Bundesforschungsministerin.” Michael Kretschmer, stellv. Fraktionsvorsitzender der CDU,

im Februar 2013 / Tagesspiegel

http://causaschavan.wordpress.com/ 46 “Das Verfahren ist völlig klar. Das richtet sich nach Recht Literaturwissenschaftler sein, um den Fall der von ihm und Gesetz. Da haben Prominente keinen Bonus, sondern honorarprofessierten Annette Schavan mittlerweile “wie eine da wird genau so verfahren wie in jedem anderen Fall auch, griechische Tragödie” zu sehen. [1] Auch die massiven und genau das haben die Düsseldorfer bisher getan.” Hilfeleistungen im Angesicht des drohenden Konkurses Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen wecken ja genügend griechische Assoziationen. Hochschulverbands, am 23. Januar 2013 / WDR.

Ein Dreiteiler. Zu solchen Gelegenheiten wie der Verleihung einer Honorarprofessur trägt Just zu der Zeit, als Bundesministerin Dr. Annette Schavan man(n) sowas wohl. Doch sollte Schavan ihre von FU-Präsident Lenzen zur Professorin ernannt wurde, von der FU Berlin verliehene Honorarprofessur ging es dem Hamburger Rechtsanwalt Arne Heller gerade jetzt nicht allmählich mal zurückgeben? Wie nicht so gut. Im Januar 2009 war sein Streben nach höheren war es zu dieser Leihgabe denn überhaupt ge- und womöglich karrierefördernden akademischen Weihen kommen? Simone G. stocherte da mal ein wenig herum – und kam aus dem Staunen gar nicht auf üble Widerstände gestoßen. Promoviert war Heller mehr heraus. Seltsamkeiten über Seltsamkei- bereits seit etlichen Jahren. Nun hatte er der Fakultät für ten! Da war ein Dreiteiler angebracht: Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg seine Habilitationsschrift vorgelegt, doch der zuständige Aus-

schuss wies sein Werk als unzureichend zurück. Der Kan- 7. Mai 2013 didat mochte jedoch nicht aufgeben. Es wurde ihm zuge- Präsident und Nichtwissen, Teil 1: Lenzen standen, eine gründliche Überarbeitung seiner Schrift oder die Peinlichkeit des zivilisierten vorzunehmen und erneut anzutreten. Menschen Im Frühjahr 2010 war es so weit: Heller legte eine neue von Simone G. Habilitationsschrift vor. Doch das Verfahren, an dessen Ende Heller vom schlichten Doktor zum Privatdozenten zu werden hoffte, verlief trotz positiver Begutachtung auch im zweiten Anlauf unerfreulich: Unter allerlei staunenswerten Merkwür- digkeiten schleppte es sich mehr als ein Jahr lang dahin. Dann, in der Sitzung vom 8. Juni 2011, tauchte im Habilita- tionsausschuss die Erinnerung an einen alten Vorwurf wie- der auf – einen Vorwurf, der schon im ersten Anlauf des Verfahrens im Raum gestanden hatte, dem man aber selt- samerweise nicht nachgegangen war: Die 1998 vorgelegte Doktorarbeit des Kandidaten enthalte Plagiate. Nun wurde das Habilitationsverfahren ausgesetzt, der Pro- motionsausschuss mit der Überprüfung des Plagiatsver- dachts beauftragt. Doch dabei blieb es nicht. Anfang August 2011 erschien im Forum der Internet-Plattform VroniPlag Wiki ein Beitrag mit dem Titel “Der universitäre Sumpf”, der in einiger Detailliertheit über die Vorgänge berichtete – mit Einzelheiten, die nur den Mitgliedern des Habilitationsaus- schusses bekannt gewesen sein konnten. Es war ein feierlicher Moment: Am 16. Februar 2009 wurde der damaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung, Über die Foren-Seite bei VroniPlag Wiki fand die Causa Annette Schavan, durch den damaligen Präsidenten der Heller bald ihren Weg in die ZEIT und damit in eine breite Freien Universität Berlin, Dieter Lenzen, die Urkunde über Öffentlichkeit. Obwohl es nicht nur um den Plagiatsverdacht ihre Ernennung zur Honorarprofessorin im Fach Katholische ging, sondern auch um den Vorwurf der Bestechung und der Theologie überreicht. Stolz war die Ausgezeichnete und ließ Vorteilsnahme, schien dieser Bruch der Vertraulichkeit die den Professorentitel sogleich auf die Internetseite ihres Verantwortlichen der Universität Hamburg nicht allzu sehr zu Ministeriums setzen. Stolz war auch die Universität, die sich bekümmern. Der Dekan der Fakultät lehnte es gegenüber mit solcher Prominenz schmücken durfte. den Anwälten Hellers noch am 22. November ausdrücklich ab, eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Heute redet man in Präsidium und Akademischem Senat der Erst am 14. Dezember 2011 bequemte sich dann der Präsi- FU Berlin von diesem Mitglied der eigenen Alma Mater nur dent der Universität zu einer Strafanzeige “gegen unbekannt noch ungern und möglichst hinter vorgehaltener Hand. wegen des Verdachts der Weitergabe vertraulicher Informa- Zuletzt stand die leidige Angelegenheit “Honorarprofessur tionen an Dritte”. [2] am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften” am 10. April 2013 auf der Tagesordnung des Akademischen Präsident der Universität Hamburg ist seit März 2010 unser Senats. Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung, und lediglich alter Berliner Bekannter: Dieter Lenzen. Die Frage, warum als “Besprechungspunkt”, also ohne die Möglichkeit einer auf die Verletzung der Vertraulichkeit erst nach vier Monaten Beschlussfassung. Dabei erscheint der Ausgang der Sache eine Strafanzeige erfolgte, mochte Lenzen nicht beantwor- letztlich so unausweichlich, ja geradezu vorbestimmt wie in ten. Und noch im Oktober 2012 ließ er zur Causa Arne Heller einem antiken Trauerspiel. So muss ein Dieter Lenzen kein

http://causaschavan.wordpress.com/ 47 lediglich mitteilen: “Zu laufenden Verfahren nimmt die 10. Mai 2013 Universität Hamburg nicht Stellung.” [2] Präsident und Nichtwissen. Teil 2: Notorietät oder die zwei Körper der Ministerin

von Simone G.

Wenn es sich um laufende Verfahren anderer Universitäten Erhaben war die Stimmung, und sehr gesittet ging es zu, als handelt, sieht sich Dieter Lenzen allerdings zu Stellungnah- Annette Schavan an der FU Berlin ihren Vortrag hielt. Das men durchaus in der Lage. In der Causa Schavan stand er Thema: “Gottesbezug als Freiheitsimpuls”. Studentisches im Januar 2013 in Radio und Printmedien gerne Rede und Publikum, an einer Universität bei solcher Gelegenheit ja Antwort. Die Uni Düsseldorf stehe “dumm da”, weil mit dem eher störend, hatte man der Ministerin gar nicht erst zumuten Rohrbacher-Gutachten “ein Zwischenstand nach außen wollen, und so verteilte sich an diesem 4. Mai 2011 vorwie- gedrungen ist, der eigentlich nur den Titelentzug zur Folge gend feinbetuchte Grauköpfigkeit im Saale. Soeben hatte haben kann”, las man in der WELT: FU-Präsident Peter-André Alt seine einleitenden Artigkeiten Auf diese Peinlichkeit weist der Hamburger Uni-Präsident glücklich zu Ende gebracht, und Schavan hatte das Redner- Dieter Lenzen mit deutlichen Worten hin: Die Debatte ziele pult schon fast erreicht, als es zu einer kleinen, mit gepfleg- am Wesentlichen vorbei, wenn sie sich nur mit der Disser- ter Belustigung quittierten Beinahe-Kollision kam. Denn der tation oder der Rechtsförmigkeit des Verfahrens beschäfti- gleichfalls nach vorne geeilte Sprecher des Dahlem ge, sagte Lenzen der “Welt am Sonntag”. Im Kern gehe es Humanities Center, Joachim Küpper, mochte Schavan noch doch um folgende Frage: “Wird mit dem Menschen Annet- nicht zu Wort kommen lassen. Er hatte sich nun einmal te Schavan moralisch und fair umgegangen, wenn ein sie vorgenommen, trotz Ihrer Notorietät einige Worte zu Ihrer belastendes Gutachten veruntreut wird und sie nicht die Person zu sagen, wenn Sie mir zwei Minuten geben, und Chance einer Anhörung erhält? Die Antwort auf diese habe dabei natürlich besonders im Hinterkopf gehabt den Frage wird bei jedem zivilisierten Menschen gleich Satz unseres Präsidenten, dass Sie heute abend hier nicht ausfallen.” [3] als Politikerin sprechen, sondern als Wissenschaftlerin. [1]

Damit hat Dieter Lenzen so nebenher deutlich gemacht, Tatsächlich war Schavan ja gewissermaßen als Gast ins dass die Düsseldorfer Kollegen dem Kreis der zivilisierten eigene Haus gekommen. Nicht die Ministerin, sondern die Menschen wohl nicht mehr zuzurechnen sind. Ja, da sind Wissenschaftlerin würde hier gleich sprechen, die Inhaberin deutliche Worte durchaus angebracht. Und wir wollen hier einer Honorarprofessur an der FU. Doch bei der Vorberei- nun auch wahrhaftig nicht am Wesentlichen der Debatte tung seiner Hommage war es Küpper vorbeizielen und etwa darauf herumreiten, dass der Mensch Annette Schavan sehr wohl die Chance einer Anhörung gleichwohl aufgefallen, dass es nicht ganz leicht ist, “the erhalten hat. Denn im gerechten Zorn angesichts solchen minister’s two bodies”, um mal Kantorowicz zu zitieren, Mangels an Moral und Fairness kann dem zivilisierten strikt zu separieren. Aber ich will es versuchen. [1] Menschen schon mal die eine oder andere haltlose Be- Ohne weitere Umstände (und, bitte, ohne eine Diskussion hauptung unterlaufen. des Zitatbegriffs) kommen wir jetzt von Ernst Kantorowicz Nur gut, dass Tragödienkenner Lenzen zu unterscheiden zur Vita des notorischen Hybridwesens: weiß zwischen 1.) dem Wesentlichen einer Debatte und 2.) Annette Schavan hat studiert: Katholische Theologie, einer unwesentlichen Debatte. Denn einem Universitäts- Philosophie und Erziehungswissenschaften, und zwar in präsidenten von wesentlicher Bedeutung sollte es nur bei Bonn und Düsseldorf. Sie hat promoviert in katholischer einer wesentlichen Debatte auch um das Wesentliche der Theologie im Jahr 1980 mit einer Arbeit, die gedruckt Debatte gehen. Bei einer unwesentlichen Debatte dagegen worden ist unter dem Titel “Person und Gewissen. Studien können ihm deren Peinlichkeiten, Kerne und Zivilisations- zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen koeffizienten herzlich gleichgültig sein. heutiger Gewissensbildung”. [1]

Und es ist ja klar, in welche Kategorie eine Debatte um die Für das Berliner Publikum mochten diese Mitteilungen durch Dieter Lenzen zur Honorarprofessorin gewordene durchaus von besonderem Interesse sein. Denn Annette Bundesministerin Schavan gerechnet werden musste. Dem Schavan hatte ihre Studienfächer ja keineswegs in beliebiger Menschen Arne Heller aber können wir als Rat und Mahnung Reihenfolge und Gewichtung gewählt und absolviert. Infolge nur mit auf den Weg geben: Mensch, werde wesentlich! einer nicht ganz gleichmäßigen Wertschätzung dieser Fächer seitens der Ministerin wie wohl auch in weiten Teilen des akademischen und bildungsbürgerlichen Milieus hatte sich hier allerdings seit der Studienzeit eine kleine Korrektur ergeben, und in den Ministerjahren war aus dem Nebenfach Katholische Theologie vorzugsweise das Hauptfach gewor- den. Auch dass Bonn hier als Studienort an erster Stelle zu nennen war, und nicht etwa das theologiefreie Düsseldorf, verstand sich. Und wie hätte sich an der FU Berlin erklären lassen, dass Schavan keineswegs in Theologie, sondern im Fach Erziehungswissenschaften promoviert worden war? Schließlich hatte man sie hier mit einer Honorarprofessur am Seminar für Katholische Theologie bedacht.

http://causaschavan.wordpress.com/ 48 Bei all dem saß diese promovierte Theologin Annette Scha- Als der Akademische Senat der Freien Universität am 22. van unmittelbar vor ihrem Laudator, lauschte aufmerksam Oktober 2008 unter dem Vorsitz des Präsidenten Dieter und zeigte keine Regung. Auch die weiteren Ausführungen Lenzen beschloss, die Ministerin zur Honorarprofessorin zu Küppers über ihren Lebens- und Karriereweg boten nichts ernennen, da war man um eine Begründung nicht verlegen. Unerwartetes. Alles ergab sich in schöner Folgerichtigkeit: Mit diesem Schritt sei es gelungen, “eine ausgewiesene Expertin und Persönlichkeit für Forschung und Lehre zu Ihre berufliche Karriere hat sie dann begonnen im Rahmen gewinnen”, [4] wobei zunächst offen bleiben konnte, auf des Cusanuswerks – einige ihrer ehemaligen Schützlinge welchen speziellen Feldern die ausgewiesene Persönlichkeit sind heute abend auch hier anwesend. Sie haben es dort zugleich als ausgewiesene Expertin zu gelten hatte. Jeden- sehr schnell bis ganz an die Spitze gebracht, zur Leiterin falls war zu unterstreichen, dass diese Expertin und Persön- des Cusanuswerks. Das war ideale Voraussetzung für das lichkeit “in besonderer Weise geisteswissenschaftliche Amt, das Sie im Jahr 1995 übernommen haben. [1] Exzellenz mit gesellschaftlicher Präsenz und Wirksamkeit Als ideale Voraussetzung darf es nämlich gelten, die Begab- verbindet.” [4] Das ließ sich an ihrem reichen theologischen tenförderung der katholischen Bischofskonferenz geleitet zu Oeuvre aufzeigen: haben, wenn man etwa Kultusministerin im Lande Baden- Mit ihrem wissenschaftlichen Werk in der Moraltheologie Württemberg werden möchte und der Ministerpräsident und der Praktischen Theologie vertritt sie nicht nur die gerade Erwin Teufel heißt. Öffnung der Theologie zur Welt, sondern begreift diese als Nach zehnjähriger Amtszeit als Landesministerin wurde An- Chance für jene. Ihre zahlreichen Publikationen zeigen, nette Schavan 2005 Bundesministerin für Bildung und For- dass sie die theologische Reflexion nicht nur beherrscht, schung. Auch in Zeiten leerer öffentlicher Kassen bewahrte sondern auch die Fragen einer Theologie in einer immer sie die höheren Bildungseinrichtungen vor herben Sparmaß- mehr nichtchristlichen Gesellschaft vermitteln kann. Durch nahmen. So hätte sie nicht agiert, befand Küpper, wenn sie ihren integrativen und dialogischen Ansatz verbindet in all diesen Jahren nur als Politikerin und nicht zugleich Annette Schavan ihre theologischen Untersuchungen mit stets auch als Wissenschaftlerin tätig gewesen wäre. Und gesellschaftlich relevanten Themen und leistet damit einen wahrlich staunenswert erschien es ihm, welche Leistungs- bedeutenden Beitrag für Wissenschaft und Gesellschaft. bilanz die Ministerin auch in dieser ihrer zweiten Kantoro- [4] wicz’schen Körperlichkeit vorzuweisen hatte. Ein beacht- Nachdem uns der Vortrag ja doch eher etwas enttäuscht liches wissenschaftliches Oeuvre galt es vorzustellen: zurückgelassen hat, würden wir nun dieses in Umfang wie Ich habe doch mit großer Hochachtung gesehen, als ich Qualität bedeutende wissenschaftliche Schaffenswerk der Ihre Website konsultiert habe, dass Sie neben der Disser- Exzellenz, das uns bislang so seltsam verborgen geblieben tation fünf eigene Bücher veröffentlicht haben, sieben ist, aber doch gern kennenlernen. Die theologischen Unter- weitere, die Sie in Ko-Autorschaft verfasst haben – teil- suchungen vor allem, denn als Professorin der Theologie weise mit großen Fachprominenzen wie Ernst Böcken- entfaltet Annette Schavan an der FU ja ihre wissenschaft- förde -, und darüber hinaus einige, die Sie herausgegeben liche Wirksamkeit in Forschung und Lehre. haben – allesamt zum Themenbereich Religion, Erziehung Folgen wir also den Hinweisen des Laudators Küpper. Fünf und Persönlichkeitsbildung. [1] eigene Bücher, abgesehen von der Dissertation, sowie Da war sie, die vielbeschworene Exzellenz. Dort vorne saß sieben weitere, die sie in Ko-Autorschaft verfasste – damit sie und hörte sich das alles an, nahm ungerührt die Ehrfurcht wollen wir beginnen und die reiche Herausgebertätigkeit erst gebietende bibliographische Bilanz ihrer ungeheuren wissen- einmal unbeachtet lassen. schaftlichen Schaffenskraft zur Kenntnis, hörte auch, wie Doch wir finden keine fünf eigenen Bücher, die Annette stolz man an der FU auf die prominente Honorarprofessorin Schavan neben der Dissertation veröffentlicht hätte. Und war. Dann hatte auch Küpper das rettende Ufer gefunden, keine sieben weiteren, deren Ko-Autorin sie gewesen wäre. und nun schritt Annette Schavan selbst ans Rednerpult und Und auf den ersten Blick nichts, was an ein wissenschaft- hub an und griff weit aus, und das war alles recht gut und liches Werk, an theologische Untersuchungen denken lassen gefällig anzuhören. würde. Das wäre schon recht verwirrend: Eine Wissen- Über die Maßen brillant wollte es uns allerdings doch nicht schaftsministerin, die zur Honorarprofessorin für Katholische unbedingt scheinen. Teilweise eher von leicht puddinghafter Theologie ernannt wird und die sich an ihrem akademischen Konsistenz. Auch die Berichterstatterin des “Tagesspiegel” Wirkungsort sodann öffentlich als Trägerin eines theologi- schien anderntags wohlwollend, aber doch nicht recht schen Doktortitels vorstellen lässt, den sie nicht erworben enthusiasmiert: hat, und ein umfangreiches Oeuvre beschreiben lässt, das es nicht gibt. In weiten Teilen ihres Vortrags über die europäische Säku- larisierung erwies sich Schavan als fleißige Schülerin des Also erstellen wir hier erst mal eine ordentliche Literaturliste. früheren Verfassungsrichters Ernst Wolfgang Böckenförde. 1. “Eigene Bücher” [3] Neben der Dissertation sind drei weitere Bücher unter dem Nach Exzellenz klang das nun nicht gerade. Namen der Autorin Annette Schavan erschienen. Zwei die- ser Buchpublikationen sind allerdings unmittelbar ihrem Tätigkeitsfeld als baden-württembergische Kultusministerin

zuzuordnen:

http://causaschavan.wordpress.com/ 49  Schule der Zukunft. Bildungsperspektiven für das 21. dem angesehenen Freiburger Religionsphilosophen Bern- Jahrhundert (1998), und hard Welte einen Sammelband

 Welche Schule wollen wir? PISA und die Konsequenzen  Person und Verantwortung. Zur Bedeutung und (2002). Begründung von Personalität (1980)

In beiden Fällen handelt es sich weniger um wissenschaftli- herausgeben. Das ist durchaus bemerkenswert. Der eigene che Untersuchungen als um bildungspolitische Denkschrif- Beitrag, den die junge Mitherausgeberin zu diesem Band ten. Für die Theologie käme somit allenfalls das dritte Buch leistete, erregte dann in der Plagiatsdebatte um ihre Dis- in Betracht. Dieses Opus hört jedoch auf den wenig ermuti- sertation allerdings unliebsame Aufmerksamkeit, denn er war genden Titel weitestgehend identisch mit Teilen der Dissertation und wies dementsprechend auch die in diesen Teilen enthaltenen  Der Geist weht, wo er will. Christliches Zeugnis in Kirche Plagiate auf. [7] Doch erhebt dieser Band immerhin zweifels- und Welt (2002). frei wissenschaftlichen Anspruch. Erschienen ist das Werk im Schwabenverlag, einem aner- Anders verhält es sich mit kannten Spezialverlag für gelebte Frömmigkeit. Sofern man affirmative Erbauungs- und Besinnungsschriften für theolo-  Dialog statt Dialogverweigerung. Impulse für eine gische Wissenschaft halten will, ist diese Aufsatzsammlung zukunftsfähige Kirche (1994), tatsächlich das Buch, auf das man anlässlich eines Vortrags von Annette Schavan herausgegeben in ihrer Eigenschaft der Ministerin Annette Schavan hinzuweisen hat, die man für als Sprecherin der Kommission “Pastorale Grundfragen” eine promovierte Theologin hält. beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken, deren Auf ihrer Website wird der Autorin Annette Schavan noch ein Ergebnisse hier in Form eines “Dialogpapiers” unter dem weiteres Buch zugeschrieben: Titel “Wie in der Kirche miteinander umgehen” vorgestellt werden. Theologische Wissenschaft ist das wohl weniger,  Schulen in Baden-Württemberg. Moderne und histo- vielmehr ein Memorandum in aktueller Kirchenpolitik. rische Bauten zwischen Rhein, Neckar und Bodensee (2001). Dann endlich doch noch: Ernst-Wolfgang Böckenförde. Mit ihm gemeinsam gab Schavan das Werk Doch enthält dieser Bildband kaum Text, und die damalige Kultusministerin des Landes hat ihn lediglich herausge-  Salz der Erde. Christliche Spiritualität in der Welt von geben. [5, 6] Am Ende steht der Zähler aber dann doch heute (1999) immerhin bei “vier” – wenn man das Folgende für ein heraus. Es handelt sich um eine Versammlung von persön- “eigenes Buch” halten will. Auf der Website fehlt nämlich lichen Glaubensbekenntnissen mehr oder weniger prominen-  Gott ist größer als wir glauben. Visionen für Kirche und ter Katholiken wie Gesine Schwan, Robert Spaemann, Ans- Welt (2010). gar Schmidt (Benediktiner und Abtpräses der Kongregation von der Verkündung der seligen Jungfrau Maria) oder Basina Das Bändchen erschien im einschlägigen St. Benno Verlag. Kloos (Generaloberin des Ordens der Waldbreitbacher Fran- In Gesprächen mit Volker Resing, Redakteur der Katholi- ziskanerinnen). Erschienen ist das Ganze im bereits schen Nachrichten-Agentur, breitet die Ministerin hier ihr notorischen Schwabenverlag. politisch-religiöses Credo aus.  Der du die Zeit in Händen hältst. Reden über eine 2. In Ko-Autorschaft verfasste Bücher Zukunft mit Gott (2000) In Gestalt von “eigenen Büchern” oder Monographien ist das erschien nicht im Schwabenverlag, sondern im Verlag Don reiche und bedeutende Oeuvre der Wissenschaftlerin Bosco. Als Mitherausgeberin neben Schavan fungierte in Annette Schavan also nicht so recht fassbar. Aber noch ist diesem Fall Stefanie Aurelia Spendel, Priorin eines Augsbur- Hoffnung, denn es war ja auch von zahlreichen – exakt: ger Dominikanerinnenklosters und Verfasserin recht zahl- sieben – Werken die Rede, die sie als Ko-Autorin mitverfasst reicher religiös-erbaulicher Kleinschriften. habe. Teilweise mit großen Fachprominenzen wie Ernst Böckenförde. Das Bändchen

Aber es gibt diese sieben Bücher der Ko-Autorin Schavan  Leben aus Gottes Kraft. Denkanstöße (2004) nicht. Nicht sieben, und auch nicht drei, oder auch nur eines. hat Annette Schavan dagegen allein herausgegeben, ihm Es sind ganz genau null Bücher, die Annette Schavan ge- half erneut der Schwabenverlag ans Licht. Auch in diesem meinsam mit Ernst-Wolfgang Böckenförde, anderen “großen hilfreichen Werk dürfen mehr oder weniger prominente Auto- Fachprominenzen” oder sonstwem geschrieben hat. ren zur allgemeinen Glaubensfestigung beitragen. So erklärt 3. Herausgegebene Bücher der Sportfunktionär Thomas Bach über vier Seiten hinweg: “Jesus fordert Leistung”. Die Vorsitzende der Katholischen Wie steht es dann wenigstens um ihre Eigenschaft als Frauengemeinschaft Deutschlands, Magdalena Bogner, lässt Herausgeberin, in der Schavan “darüber hinaus” mehrere sich in einem Beitrag von gleichem Umfang über “Gott, Atem Bände ans Licht der Welt befördert haben sollte? – Doch, da des Lebens – Kraft zum Handeln” aus. Etwas knapper macht ist einiges zu melden: es der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Baden, Schon die strebsame und offenbar bereits gut vernetzte Düs- Ulrich Fischer, mit seiner dreiseitigen Forderung “Lass dir an seldorfer Doktorandin durfte dermaleinst gemeinsam mit meiner Gnade genügen”. Wieder etwas länger (vier Seiten) dauert es natürlich mit der “Flaschenpost der Liebe”, die von

http://causaschavan.wordpress.com/ 50 der Theologin Verena Lenzen auf den Weg gebracht wird. Causa-Schavan-Leser „doctor oskar“ fand, dass Annette Schavan selbst bietet nicht weniger als “Eine neue wir hier nicht ordentlich gearbeitet hatten, und besserte nach: Sicht auf die Zukunft”, was sich nach drei Seiten erledigt hat. Dem Vernehmen nach hat all dies in der theologischen Wis- doctor oskar | 12. Juni 2013 um 18:42 | senschaft bislang leider, leider noch nicht das Echo gefun- den, das es verdient. Ich muss mich wundern: Hier hat Causa Schavan nicht gründlich recherchiert. Es wurden zahlreiche wichtige Nachzutragen sind in unserer Liste noch zwei weitere von Veröffentlichungen übersehen! Ich nenne nur folgende: Annette Schavan herausgegebene Bände, die jedoch für die Theologie nicht in Betracht kommen: 1983 hat Annette Schavan das Buch “Neuss: Bilder und Gedanken zur Heimat” herausgegeben. Eindeutig ein  Bildung und Erziehung. Perspektiven auf die Lebens- Standardwerk der Regionaltheologie. Eine konsequente welten von Kindern und Jugendlichen (2004) Fortentwicklung aus den Grundlagen für die Leitlinien ihres theologischen Denkens in der Dissertation. verdankt sich offenkundig dem damaligen Amt im Land Baden-Württemberg. Ihr eigener Beitrag (“Kinder und 1986 erschien “Gott ist Licht”. Zu Lithographien des Jugendliche ernst nehmen”) ist eher unauffällig. Neusser Künstlers Boris Fröhlich schrieb Schavan die passenden Texte. Und schließlich 2000 hat sie mit Hans Joachim Meyer im Don Bosco-  Keine Wissenschaft für sich. Essays zur gesellschaft- Verlag den Band herausgegeben: “Gott und den Menschen lichen Relevanz von Forschung (2008). verpflichtet: Ansichten zum Katholizismus in Deutsch- land”. Weitere Bewährung der erwähnten theologischen In diesem Fall ist die Herausgeberschaft noch deutlicher aus Leitlinien. Es handelt sich um Beiträge zu einem Sympo- dem politischen Amt erwachsen. Der eigene Beitrag be- sium des ZKs der deutschen Katholiken. schränkt sich auf ein einleitendes Statement “Warum wir 2004 wurde veröffentlicht “Das Kirchenjahr in Wort und Wissenschaft und Forschung brauchen”. Bild”. Wieder Illustrationen von Boris Fröhlich, Texte von Was an diesen Büchern rechtfertigt nun die Berliner Elogen Annette Schavan und Wilhelm Gössmann. auf die promovierte und honorarprofessierte Theologin? Wo 2006 ist die CD “Gesänge der Synagoge: Preist ihn seiner sind die grundlegenden Werke, in denen theologische Unter- Welt zuliebe” veröffentlicht worden. Gesungen werden suchungen mit gesellschaftlich relevanten Themen verbun- die Gesänge aber nicht, sondern es spielt jemand sehr den werden? Böse Zungen wollen behaupten, dass am schön Cello, und Annette Schavan liest aus den Psalmen Seminar für Katholische Theologie der FU Berlin Der Geist vor. An keiner Stelle behauptet sie, dass sie diese Psalmen weht, wo er will ebenso zur Pflichtlektüre erklärt worden sei geschrieben hätte. Spätestens dadurch hat sie sich die wie Der du die Zeit in Händen hältst – und zwar auf direkte Honorarprofessur für Katholische Theologie redlich Anweisung des FU-Präsidenten. Andere wiederum sagen, verdient. das Schavan’sche theologische Oeuvre sei in Berlin aus den Regalen geräumt und dem Zugriff der studentischen Leser entzogen worden. Vermutlich stimmt beides.

14. Mai 2013 Präsident und Nichtwissen. Teil 3: Voraus- Annette Schavan hat die Küpper-Kantorowicz’sche Zwei- setzungen und Erfordernisse heutiger Körper-Lehre in eigener Sache stets sehr ernst genommen. Honorarprofessuren Dass jemand, der seit mehr als 30 Berufsjahren fach- von Simone G. wissenschaftlich nicht mehr hervorgetreten ist, dennoch als Wissenschaftler figuriert, bezeugt höchstens ein Für theologische Wissenschaft wird man das Sammelsurium Missverständnis von Bildung und Wissenschaft [8] an kirchen- und parteipolitischen Denk- und Programmschrif- meinte der ZEIT-Autor Hermann Horstkotte im Nachgang zu ten, Traktaten zur Erbauung und Besinnung sowie persön- seiner Auseinandersetzung mit einer “Schavan-Debatte voll lichen Glaubensbezeugungen aus der Feder von Annette heißer Luft”. Es ist befremdlich, dass eine Wissenschaftsmi- Schavan am ehesten dann halten können, wenn man sich nisterin ein solches Missverständnis pflegen konnte. Noch danach richtet, was etwa der Don Bosco Verlag als “Wissen- sehr viel befremdlicher ist es, dass ihr der FU-Präsident schaftliche Theologie” unter die Leute bringt. Als es 2008 Dieter Lenzen und sein Akademischer Senat bei dieser darum ging, der Ministerin zur Honorarprofessur zu verhel- Pflege gefällig zur Hand gehen und sie als bedeutende fen, waren jedoch nicht alle Mitglieder des Akademischen Wissenschaftlerin an ihre Universität holen mochten. Senats der FU Berlin sogleich bereit, ihrem Präsidenten Dieter Lenzen hierin zu folgen. Dass sich, wie dann offiziell Doch vermutlich begriffen sie diese als Chance für jene. erklärt wurde, in ihrer Person “in besonderer Weise geistes- wissenschaftliche Exzellenz mit gesellschaftlicher Präsenz und Wirksamkeit” verbinde [1], war damals keineswegs

unumstritten.

Doch besondere Exzellenz musste sein. Man war schließlich nicht in Niedersachsen, wo das Hochschulgesetz die Mög-

http://causaschavan.wordpress.com/ 51 lichkeit der Honorarprofessur ohne weiteres für “wissen- Allerdings war es mit dem Beschluss allein nicht getan. Er schaftlich oder durch Berufspraxis ausgewiesene Persönlich- musste ja noch einigermaßen eingehend begründet werden, keiten” vorsah. [2] Das Berliner Hochschulgesetz war da und zwar so, dass die Vorgaben des Hochschulgesetzes er- sehr viel penibler: füllt waren und das Ganze möglichst unzweifelhaft klang. Eine Würdigung musste her. Von einem “wissenschaftlichen Zum Honorarprofessor oder zur Honorarprofessorin kann Werk in der Moraltheologie und der Praktischen Theologie” bestellt werden, wer in seinem Fach auf Grund hervor- war da die Rede, mit dem Schavan “nicht nur die Öffnung ragender wissenschaftlicher oder künstlerischer Leistun- der Theologie zur Welt” vertrete, sondern auch “diese als gen den Anforderungen entspricht, die an Professoren und Chance für jene” begreife. Sofern mit diesem verbalen Professorinnen gestellt werden. Die Bestellung setzt eine Sprühnebel gemeint sein sollte, dass die Theologin Schavan mehrjährige selbständige Lehrtätigkeit an einer Hoch- ernstlich der Auffassung sei, dass die Welt von der Theolo- schule voraus; von dieser Voraussetzung kann bei beson- gie etwas zu erwarten habe, ist dies allerdings nun wirklich deren wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen in keine überraschende Enthüllung. Im Übrigen attestierte die einer mehrjährigen beruflichen Praxis abgesehen werden. FU ihrer künftigen Professorin, dass sie in ihren “zahlreichen [3] Publikationen” die Beherrschung theologischer Reflexion In der Berliner Simulationsanordnung musste also zunächst unter Beweis stelle. Von integrativem und dialogischem An- einmal darüber hinweggegangen werden, dass die künftige satz war die Rede. Natürlich waren die Themen gesellschaft- Honorarprofessorin der Katholischen Theologie ihren Doktor- lich relevant, und so wurde mit diesem Werk ein bedeuten- grad nicht an einer Theologischen Fakultät im Fach Theolo- der Beitrag für Wissenschaft und Gesellschaft geleistet. [1] gie, sondern an einer Philosophischen Fakultät im Fach Er- Doch wo ließen sich diese behaupteten Vorzüge und Ver- ziehungswissenschaften erworben hatte: Sie verstand sich dienste Schavan’scher theologischer Wissenschaft besich- nun einmal als Theologin, und als Theologin wollte sie wahr- tigen? In Salz der Erde. Christliche Spiritualität in der Welt genommen werden. Sodann waren ihr in “ihrem” Fach her- von heute (1999)? In Der Geist weht, wo er will. Christliches vorragende wissenschaftliche Leistungen zu attestieren. Zeugnis in Kirche und Welt (2002)? In Der du die Zeit in Angeblich soll damals im Akademischen Senat kurzzeitig der Händen hältst. Reden über eine Zukunft mit Gott (2000), Gedanke aufgekeimt sein, mangels hervorragender wissen- oder nicht vielleicht doch eher in Leben aus Gottes Kraft. schaftlicher Leistungen ersatzweise die Ausübung des Minis- Denkanstöße (2004)? Man kann sich vorstellen, dass die teramtes als hervorragende künstlerische Leistung im Fach Notwendigkeit, die allgemeine Würdigung durch konkrete Theologie anzuerkennen. Aus nicht überlieferten Gründen Hinweise zu untermauern, zu gewisser Verlegenheit führte, sei dies aber wieder verworfen worden. Und schließlich galt die sich auch beim Blättern in den Katalogen der Verlage es, in der Vita der künftigen Professorin eine mehrjährige nicht legte, in denen Schavan zu veröffentlichen pflegt. selbständige Lehrtätigkeit an einer Hochschule zu entdecken oder aber besondere wissenschaftliche Leistungen namhaft Am Ende blieben unter all dem Zahlreichen immerhin zwei zu machen, die sie im Rahmen ihrer langjährigen beruflichen Publikationen, die man glaubte, nennen zu können: Praxis als Referentin, Geschäftsführerin und schließlich Lei- Bereits 1980 mit ihrer Promotionsarbeit „Person und Ge- terin des bischöflichen Cusanuswerks, als Bundesgeschäfts- wissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und führerin der Frauen-Union, als Landes- und Bundesministe- Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ legte Schavan rin erbracht hatte. die Grundlage für die Leitlinien ihres theologischen Die Mitglieder des Akademischen Senats sahen sich dieser Denkens. [1] multiplen Herausforderung vorübergehend wohl nicht recht Und: gewachsen. In der entscheidenden Sitzung “herrschte wirk- lich keine Jubelstimmung”, heißt es inzwischen aus Kreisen In ihrem jüngsten Beitrag mit dem Titel „Die Frage nach der damals Beteiligten: Gott und dem Menschen“ beschäftigt sie sich mit der Theologie in der Universität [...]. [1] Dass Schavans „wissenschaftliche Leistungen“ eine „dünne Sache“ gewesen seien, sei allen angesichts ihrer Inzwischen wissen wir, was es mit dieser Doktorarbeit von Publikationsliste klar gewesen. [...] Doch die Professoren 1980 auf sich hat. Inwieweit mit dieser erziehungswissen- hätten alle „die Köpfe eingezogen“. [4] schaftlichen Arbeit die “Grundlage für die Leitlinien” eines theologischen Denkens gelegt wurden, kann offen bleiben. Denn die Honorarprofessierung der Ministerin hatte unter Die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf ist allen Umständen stattzufinden. Schließlich war die Sache jedenfalls zu dem Schluss gekommen, dass diese Studien bereits weit gediehen – und das freudige Ereignis der Betrof- zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen fenen wohl auch schon in sichere Aussicht gestellt. Und heutiger Gewissensbildung von Plagiaten durchsetzt sind, auch die Aussicht auf die bevorstehende zweite Runde des und hat der Honorarprofessorin am 5. Februar 2013 den Exzellenzwettbewerbs mochte nicht gerade zu verstärkter Doktorgrad aberkannt. Aufmüpfigkeit anregen. So verließen schließlich drei Mitglie- der, die den absehbaren Beschluss nicht mittragen wollten, Und auch die zweite Veröffentlichung, auf die sich die FU den Sitzungssaal. Damit war die erforderliche Einmütigkeit Berlin damals ausdrücklich bezog, ist nicht frei von Plagia- hergestellt, und FU-Präsident Lenzen konnte einen weiteren ten. [5] Man muss diesen zehnseitigen Beitrag über Die bekannten Namen zu der Reihe prominenter Preisträger, Frage nach Gott und dem Menschen beileibe nicht für wis- Ehrendoktoren und -professoren hinzufügen, die neuerdings senschaftlich derart bedeutend halten, wie es Dieter Lenzen der Universität willkommenen Glanz verliehen: Desmond und die Seinen tun wollten – aber dass er im Umfang von Tutu, Orhan Pamuk, und nun Annette Schavan.

http://causaschavan.wordpress.com/ 52 etwa einer vollen Seite nicht auf dem Mist der späteren Pro- Die Nachfolge im Ministerium hatte Johanna fessorin gewachsen ist, verdient doch Aufmerksamkeit. Wanka angetreten. - Hatte sie wirklich? Lassen wir noch einmal den damaligen FU-Präsidenten zu Wort kommen. Als Vorsitzender des Akademischen Senats 9. Juni 2013 war er im Oktober 2008 die treibende Kraft gewesen bei der Johanna Wanka, Annette Schavan und das Ernennung der bedeutenden Wissenschaftlerin Annette absolut Ungerechte Schavan, die zufällig auch Bundesministerin für Bildung und Forschung war, zur Honorarprofessorin der Katholischen von Simone G. Theologie. Im Februar 2013, kurz nach der Aberkennung des Doktorgrades, hätte es derselbe Dieter Lenzen durchaus Den Rücktritt der Bundesministerin nützlich gefunden, zu wissen, womit sich die Doktorarbeit der für Forschung und Bildung, Annette Annette Schavan denn eigentlich befasste und in welches Schavan, hat Kanzlerin Merkel nur Fach sie denn eigentlich gehörte. Jedoch: “sehr schweren Herzens” akzeptiert. Schavans Nachfolgerin im Amt, Jo- Ich kenne sie nicht. Ich habe sie nicht gelesen. Dem Ver- hanna Wanka, ist das Herz eben- nehmen nach geht es eigentlich um eine der Theologie falls sehr schwer. Und akzeptieren nahestehende Frage, nämlich: Ob das Problem der kann sie den Rücktritt ihrer Vorgän- Entwicklung einer Persönlichkeit mit der Entwicklung eines gerin offenbar bis heute nicht. Gewissens so abgeglichen werden kann, dass wir auch psychologische Daten darüber haben, wie dieses, was In der Frankfurter Allgemeinen man in der Psychologie als Über-Ich bezeichnet, sich Sonntagszeitung erschien nun ein entwickelt. Ich glaube, es ist eine andere Frage gewesen, Interview [FAS, 9.6.2013, noch nicht und nicht so sehr eine moraltheologische Arbeit. Das online], in dem Johanna Wanka werden die besser wissen, die die Arbeit gelesen haben. zunächst Auskunft über ihr Eltern- [6] haus, ihre Kindheit, Jugend und Laufbahn in der damaligen DDR Bei diesem letzten Satz lässt Dieter Lenzen im Interview ein gibt: Ein Leben zwischen dem leises Lachen hören. Vielleicht erscheinen dem früheren FU- Wunsch nach Unabhängigkeit und den Zwängen und Not- Präsidenten die eigenen Mutmaßungen über den Gegen- wendigkeiten der Anpassung, über das die Ministerin auf stand einer Arbeit, die er nicht kennt, erfreulich wagemutig. sympathisch uneitle und offene Art spricht. Ihre Mutter hat Bei Annette Schavan aber soll es sich dem Vernehmen nach die Erstklässlerin nicht zu den Jungen Pionieren gehen las- eigentlich um eine der Theologie nahestehende Person sen, und die FAS setzt deshalb die “Tränen eines Bauern- handeln. kinds in der DDR” in die Überschrift. Doch in Wahrheit geht es in diesem Interview um Ernsteres.

Leider ist das Interview der Johanna Wanka aber noch in

ganz anderer Hinsicht aufschlussreich. Denn die FAS- Journalisten fragen die Ministerin auch danach, wie ihr Ver- hältnis als Landesministerin zur damaligen Bundesministerin

Schavan gewesen sei (“Sehr gut. Wir waren und wir sind be- freundet”), und ob denn deren Rücktritt unvermeidlich gewe- sen sei. Darauf Wanka:

Als die Kanzlerin mit mir sprach, habe ich als Erstes ge-

fragt: Gibt es keinen Ausweg? Es ist unendlich traurig, und ich finde es entsetzlich und absolut ungerecht. Eigentlich ist die ganze Sache nicht zu verstehen. Es ist das, was ich

in der Politik schlimm finde: dass man so behandelt wer- den kann. Anders als Schavan, deren Rollenverständnis als Wissen- schaftlerin im Wesentlichen von dem Funktionieren einer

komplexen Simulationsanordnung und den Kräften der Autosuggestion abhängig war, ist Johanna Wanka ohne jeden Zweifel in der Wissenschaft zu Hause, genauer: In der

Mathematik. Die gilt im Allgemeinen für eine “exakte Wissen- schaft”, im Gegensatz etwa zu solchen angeblichen “Laber- fächern” wie den Geisteswissenschaften. Denn während Der

Geist weht, wo er will, weiß man in der Mathematik immer ganz exakt, was gerade Sache ist. Ungenaues Labern kann es da nicht geben. Schließlich ist 1 plus 3 nicht so in etwa 5,

sondern: 4, exakt 4 und nichts anderes als 4, und zwar je- desmal, immer und allezeit. Ja, von mathematischer Wissen- schaft haben wir schon ein recht präzises Bild.

http://causaschavan.wordpress.com/ 53 Wenn es um den Rücktritt von Annette Schavan, seine Um- terin, zuständig für die Wissenschaft. Als solche hat sie sich stände und Hintergründe geht, verzichtet die amtierende zum größten Wissenschaftsskandal in der Geschichte der Wissenschaftsministerin allerdings auf jegliche Präzision. Bundesrepublik mit fünf kurzen Sätzen geäußert. In diesen Statt dessen macht sie eine Rechnung mit lauter Unbekann- fünf kurzen Sätzen findet sich nicht ein einziges Element ten auf. So hat diese Rechnung denn auch kein präzise be- einer belastbaren Aussage. Statt dessen nimmt die Ministe- nennbares Ergebnis, sondern sie resultiert nur in einem Ge- rin eine Position der umfassenden Unbedarftheit ein und fühl: Dass alles irgendwie furchtbar falsch war. insinuiert im Übrigen, dass das alles keinerlei Berechtigung habe, vielmehr “absolut ungerecht” sei: Die Plagiatsvorwürfe, “Unendlich traurig” sei “es” – will wohl heißen: Dass das alles das Prüfverfahren der Universität, sein Ergebnis und dessen mit Schavan passiert ist. Das mag man so empfinden. Doch politische Konsequenz. Und es bleibt den Lesern dieses “es” war auch “entsetzlich und absolut ungerecht”. Spätes- Interviews überlassen, wen sie für all das Traurige, Entsetz- tens jetzt möchte man dann doch genauer wissen, wie die liche und absolut Ungerechte verantwortlich halten wollen. Mathematikerin die Größe “es” beziffert: Dass Schavan der Doktorgrad aberkannt wurde? Oder dass sie sich deshalb Ein solches Interview einer Ministerin, das in einer so ele- genötigt sah, der Kanzlerin ihren Rücktritt anzubieten? Oder mentar wichtigen Angelegenheit ihres Zuständigkeitsbe- dass Angela Merkel diesen Rücktritt annahm? reichs keinerlei sachlich begründete Haltung zeigt und nur Empfindungen Ausdruck gibt, ist sehr bedauerlich. “Eigent- “Eigentlich” sei “die ganze Sache nicht zu verstehen”, äußert lich” ist es auch ein wenig unverantwortlich. Wanka. Will die für die Wissenschaft zuständige Bundes- ministerin uns allen Ernstes sagen, es sei nicht zu verstehen, dass eine Fakultät einem begründeten Anfangsverdacht Allmählich war uns schon klar geworden, dass nachgeht – wiewohl sie auch von Schavan darum gebeten für die Großen Spieler im Wissenschaftsbe- wurde? Dass sie aus einem eindeutigen Befund (vorsätzliche trieb viel auf dem Spiel stand. Viel Geld vor Täuschung durch Plagiat) eine entsprechend eindeutige allem: Konsequenz zieht? Will Frau Ministerin Wanka uns das sagen: Dass man für eine verdiente Ministerin andere Regeln hätte finden müssen als für irgendwelche ver- 18. Juni 2013 schreckten Studentlein, denen man ihre Plagiate umstands- Personalie am Rande: Rietschel goes BIG los um die Ohren haut? von Simone G. Oder meint sie, es sei unverständlich, dass die Aberkennung des Doktorgrades wegen vorsätzlicher Täuschung für die Als langjähriger Präsident der Leibniz-Gemeinschaft hätte er damalige Wissenschaftsministerin die unausweichliche sich der Umgestaltung der Forschungslandschaft und dem politische Konsequenz des Rücktritts vom Amt hatte? Umbau der Finanzierung wissenschaftlicher Forschung in der Amtszeit der Bundesministerin Annette Schavan eigent- Oder was? lich konsequent widersetzen müssen. Stattdessen hat Ernst “Dass man so behandelt werden kann”, das finde sie “in der Theodor Rietschel an dieser fortschreitenden “Helmholtzifi- Politik schlimm”. Doch wovon redet die Ministerin? Von wem zierung” im Stillen mitgewirkt: An nicht weniger als der syste- ist “man” (= Annette Schavan) wie behandelt worden? Meint matischen Umgehung des Grundgesetzes nämlich. Das Wanka die Art und Weise, in der “man” “in der Politik” von untersagt zwar die Beteiligung des Bundes an der Finanzier- der Universität Düsseldorf behandelt werden konnte – näm- ung von Wissenschaftseinrichtungen der Länder, doch die lich so, wie andere Sterbliche auch? Oder meint sie die Be- Verschiebung solcher Einrichtungen etwa in die Helmholtz- handlung, die der Angefochtenen in der Medienlandschaft Gemeinschaft deutscher Forschungszentren hilft über sol- zuteil wurde – in der keineswegs die spitze Feder, sondern che Hindernisse hinweg. Helmholtz-Institute werden nämlich der Samthandschuh das Arbeitsgerät der ersten Wahl zu zu 90% durch den Bund finanziert. Und die Bundesmittel sein schien? Oder will sie auf eine gehässige Kampagne der flossen mehr als reichlich: In der Ära Schavan wusste die politischen Opposition verweisen – welche die geneigte Helmholtz-Gemeinschaft zeitweise schlicht nicht mehr, wohin Öffentlichkeit dann allerdings gründlich verschlafen haben mit all dem Geld. müsste? Denn tatsächlich war es doch eine der auffälligsten Diese Entwicklung ließ den machtbewussten Helmholtz- Begleiterscheinungen der Causa Schavan, mit welcher be- Präsidenten Jürgen Mlynek zum allzeit bereiten Joker der dingungslosen Bereitschaft zur Weichzeichnerei der abseh- Ministerin werden. Wo immer mit viel Geld gesteuert werden bare Gesichts- und Amtsverlust der Annette Schavan von sollte, aber eigentlich nicht durfte, war Mlynek zur Stelle. einem angeblich kritischen Journalismus begleitet wurde. Weit weniger auffällig, aber kaum weniger bemerkenswert ist Und die wenigen, eher verhaltenen Politikerstimmen, die von die bereitwillige Mitwirkung des Ernst Theodor Rietschel. Schavan Konsequenzen forderten, wurden doch stets bei Und fast schon kurios ist es, dass sich aus einem listen- weitem übertönt von den vielen Freunden, die ihr aus Partei reichen Rietschel-Streich auch jene besondere Verquickung und Wissenschaftspolitik zur Seite standen und dabei aller- ergab, die für Schavan noch einmal eine Ehrendoktorwürde dings wenig zimperlich waren. bringen sollte. All das wäre ja nicht schlimm, wenn Wanka nur eine irgend- Im Mai 2010 führten Pläne der schleswig-holsteinischen Lan- wie nette Person sein müsste. Dann könnte man es beim desregierung, den Studiengang Medizin an der Universität Verständnis für die Peinlichkeit belassen, die sie in dieser Lübeck einzustellen, zu heftigen Protesten. Während Minis- Situation gegenüber Schavan empfinden muss, mit der sie terpräsident Peter Harry Carstensen von der Umsetzung befreundet war und ist. Doch Johanna Wanka ist – wenn- dieser Sparpläne den Fortbestand der Landesregierung ab- gleich vielleicht nicht ganz allein im Haus – Bundesminis-

http://causaschavan.wordpress.com/ 54 hängig machte, wiesen die Gegner dieser Pläne darauf hin, Euro stehen bereits für das Jahr 2013 zur Verfügung, 26 dass die Universität ohne ihre ausgezeichnet bewertete Millionen dann für 2014, und danach geht es erst richtig los – medizinische Fakultät nicht lebensfähig bliebe. Zu den pro- kann so rasch gar nicht ausgegeben werden. Doch glück- minenten Streitern für den Erhalt der Lübecker Hochschul- licherweise sind diese Mittel beliebig übertragbar. [4] medizin gehörte Ernst Theodor Rietschel, der kurz zuvor die Am heutigen 18. Juni 2013 wurde Ernst Theodor Rietschel Ehrendoktorwürde der Universität erhalten hatte. Im Juli feierlich in sein neues Amt eingeführt. Einen zentralen Neu- 2010 wurde überraschend die Lösung des Problems ver- bau könne das BIG erst einmal vertragen, fand er, für den kündet: Durch die Überführung des Kieler Instituts für Mee- Anfang. Na dann: Glückwunsch allerseits. resforschung (GEOMAR) – bislang ein Forschungsinstitut der Leibniz-Gemeinschaft – in die Helmholtz-Gemeinschaft erhöhte sich der Anteil des Bundes an der Finanzierung des Der spezielle Handlungsbedarf, den die Wis- Instituts zugunsten des Landes Schleswig-Holstein von 50% senschaftsorganisationen infolge der promi- auf nunmehr 90%. Durch diesen “Buchungstrick” bescherte nenten Plagiatsfälle sahen, erschien nicht Bundesforschungsministerin Annette Schavan der schles- immer nachvollziehbar. Groß war die Aufregung wig-holsteinischen Landesregierung die benötigten Einspa- um die Absicht der Hochschulrektorenkonferenz und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, rungen in Höhe von rund 25 Millionen pro Jahr. Das politi- öffentliche Hinweise auf wissenschaftliches sche Überleben der Kieler CDU/FDP-Koalition war gesichert, Fehlverhalten zu ächten. Ein illustrer Gast- zugleich durfte Carstensen die wundersame Rettung der autor machte Causa-Schavan-Lesern diesen Universität Lübeck verkünden. Standpunkt vollends klar: Eingefädelt worden war dies ganz am Ende der Amtszeit von

Ernst Theodor Rietschel als Leibniz-Präsident. Sein Nachfol- 2. Juli 2013 ger Karl Ulrich Mayer, der sein Amt nur wenige Tage vor der Wissenschaftsallianz fordert Festungshaft für Verkündung des Wunders von Lübeck übernommen hatte, Rezensenten bedauerte es namens der Leibniz-Gemeinschaft “außeror- dentlich, dass eines ihrer Kronjuwelen [...] in Überlegungen von Prof. Dr. Dr. mult. Hein-Schmöke Pufogel, stellv. der Bundesregierung einbezogen wurde, das Land Schles- Vors. der wissenschaftlichen Sauberkeitsstandarten- wig-Holstein kurzfristig finanziell zu entlasten.” [1] Sein Allianz (SAUSTALL) Amtsvorgänger Rietschel äußerte sich zu diesem Vorgang freilich nicht. Die Umwandlung des Instituts wurde zum 1. Verwerfliche Umtriebe wissenschaftsloser Gesellen in die- Januar 2012 wirksam. sem unserem geistigen Vaterlande nötigen die SAUSTALL, Für ihre Verdienste um die Rettung der Hochschule sollte die naturgesetzmäßige Verkörperung der Wissenschaft Annette Schavan im April 2012 die Ehrendoktorwürde der selbst, zu folgender Regelung: Universität Lübeck verliehen werden. Nachdem dieses Vor- Die öffentliche Besprechung wissenschaftlicher Werke kann haben unter anderem aufgrund der zeitlichen Nähe zur als sogenanntes Rezensieren grundsätzlich nur nach vor- schleswig-holsteinischen Landtagswahl in die öffentliche heriger Zensur erfolgen. Dem zersetzenden Gift hämischer Kritik geraten war, sollte die Verleihung der Ehrendoktor- und herabwürdigender Besprechungen, die geeignet sind, würde dann im April 2013 erfolgen. Unterschrieben ist die die Achtung und Wertschätzung des gemeinen Volkes für Urkunde bereits, nur abgeholt noch nicht. den Geistesadel zu mindern, ist dadurch wirksam zu begeg- Angesichts dieser Vorgeschichte überrascht es nicht, dass nen, dass hinfort nur noch Universitätsprofessoren das Re- Rietschel in der Causa Schavan unter den Glorreichen Acht zensieren erlaubt ist. Im Ausnahmefalle kann eine Erlaubnis zu finden war, jenen Managern des Wissenschaftsbetriebs, auch anderen Universitätsbediensteten in Festanstellung die sich schon im Juni 2012 für die Ministerin in die Bresche erteilt werden, sofern eine Unbedenklichkeitsbescheinigung schlugen und als “die Wissenschaft selbst” der öffentlichen des Rektorats vorgelegt wird. Plagiatssucherei ein Ende machen wollten. Als Mitglied des Unbefugte Rezensenten sind empfindlicher Bestrafung Hochschulrats der Universität Düsseldorf erwarb er sich den zuzuführen. In schweren Fällen ist auf Festungshaft zu Ruf, “Schavans Mann vor Ort” zu sein. Nachdem seine Ver- erkennen. Ein besonders schwerwiegender Verstoß liegt suche, auf das Verfahren einzuwirken, nicht den gewünsch- regelmäßig dann vor, wenn in der Besprechung eines wis- ten Erfolg zeigten, trat er wenige Tage nach der Aberken- senschaftlichen Werkes der ehrabschneidende Vorwurf des nung des Doktorgrades aus dem Düsseldorfer Hochschulrat “Zitierfehlers” erhoben wird. Derartige Verdächtigungen sind zurück. [2] vielmehr ausschließlich in frühester Morgenstunde im Bei- Nun erntet Rietschel doch noch auch persönlich die Früchte sein geeigneter Sekundanten vermittels schlagender Be- der Helmholtzifizierung: Er wurde zum Leiter des Berliner weise vorzubringen. Vollständige Geheimhaltung ist hierbei Instituts für Gesundheitsforschung (BIG) ausersehen, das besondere Ehrenpflicht. durch die Zusammenführung der Charité mit dem Max- Seine akademische Würde hat verwirkt, wer sich mit den Delbrück-Zentrum für molekulare Medizin gebildet wird. [3, 4] Unterzeichnern der derzeitig in Umlauf gebrachten Schand- Nicht weniger als 310 Millionen Euro werden für den Aufbau petition gegen unsere hehren Grundsätze gemein macht. des BIG bis 2018 zur Verfügung gestellt – 90% davon durch den Bund. Rechtlich geht das eigentlich nicht, weshalb der Mittelfluss durch Umleitungen ein wenig verschleiert werden muss. Auch leidet die Neugründung schon am altbekannten Helmholtz-Syndrom: Das viele Geld – allein 12 Millionen

http://causaschavan.wordpress.com/ 55 Prof. Dr. Dr. mult. h.c. Pufogel provozierte Besonderes Augenmerk ist hierbei – so weiß es jeder mit dieser Haltung allerdings den heftigen Mann der Tat – auf die rechtskonforme Ausweisung des Widerspruch von Causa-Schavan-Leser Walter jeweils eingenommenen Frühstücks zu legen. Glauben Sie Syndikus: mir, wir werden der Unbotmäßigkeit der angeblichen Berufsdenker schon Herr werden. Walter Syndikus | 4. Juli 2013 um 02:12 | Ich erlaube mir noch den Hinweis, daß Ihre Entgegnung Hoch verehrter Herr Professor darüber entscheidet, ob ich meinem an Ihrer Universität Ihre im Grundsatz nicht völlig fernliegenden Überlegun- tätigen Kollegen eine entsprechende Überprüfung Ihres gen bedürfen dringend der Ergänzung. Erst die Stählung Spesengebarens der letzten zwei Dekaden anempfehlen durch jahrelang erduldete Impertinenzen des akademi- werde, und schließe mit der Äußerung vorzüglicher Hoch- schen Personals und die wiederholte Übung, derartige achtung. Aufsässigkeiten in der Form verbindlich, in der Sache unbeugsam zurückzuweisen, würden Sie in die Lage ver- setzen, der hier zu verhandelnden Angelegenheit vom Prof. Dr. Dr. mult. h.c. Pufogel war für uns Feldherrenhügel der Lenkung wissenschaftlicher Kohor- seither übrigens leider nicht mehr erreich- ten aus – statt bloß aus dem notwendigerweise beschränk- bar. – Von Schavan war unterdessen Erfreuli- ches zu berichten. Sie diente der bildungs- ten Blickwinkel des Schützengrabens gelehrter Streitsucht und wissenschaftsbeflissenen Jugend als Vor- – gewahr zu werden. Größeres steht hier auf dem Spiel als bild: der Schutz angeblichen Geistesadels. Mögen wir an unse- rer Heimatfront auch des öfteren vorgeben, dass uns die für jeden gesunden Geist völlig unbegreiflichen Empfind- 19. Juli 2013 lichkeiten dieser in den seltensten Fällen satisfaktions- Annette Schavan ist wieder da: Fallende fähigen Gestalten am Herzen liegen, so gilt dies doch nur, Promotionspreise an der Universität Ulm sofern der höhere Zweck, dem zu dienen wir uns ver- pflichtet haben, dies fordert. von Simone G. Dieser Zweck ist einem Wort zu fassen: Disziplin. Eine Weiter so, Bildungsrepublik Deutschland! Am heutigen 19. Universität kann nicht ohne Ordnung bestehen. Und wie Ihnen jeder Korporal bestätigen wird, gibt es in keiner Juli 2013 wird wieder ein großer Schritt getan auf dem Weg Armee Ordnung ohne den Arrest. Um so mehr trauern wir, zur Vollsatire. Die Halbuniversität Ulm begeht heute ihren 46. die Generäle der Gelehrsamkeit, dem Karzer nach, der Jahrestag. Der Festakt beginnt mit einer Begrüßung durch dem unbotmäßigen Denker schon in jungen Jahren ein- den Präsidenten der Universität. Sodann wird sich ein Gruß- prägte, daß nur fortkommt, wer nicht fehlt. Eine gewisse wort von “Prof. Dr. phil. Dr. h.c. mult. Annette Schavan, Mit- Verweichlichung des Geistes ist folglich auch Ihren An- glied des Deutschen Bundestages” über die Festgemeinde merkungen, hochverehrter Herr Professor, anzumerken, ergießen. Im unmittelbaren Anschluss an das Pastoralwort auch Sie sind wohl nicht mehr zu Studentenzeiten einge- der Ex-Bildungsministerin, der die Heinrich-Heine-Universität fahren. Folglich erliegen auch Sie noch dem in Ihrer Stel- Düsseldorf den “Dr. phil.” wegen ihrer plagiierten Doktorar- lung allerdings verzeihlichen Irrtum, zumindest Professo- beit entzogen hat, werden die Promotionspreise der Ulmer ren dürften in den Grenzen ihres Standes denken, was sie Universitätsgesellschaft verliehen. [1] wollen. Diese Auffassung ist irrig und kann zumindest in unseren Kreisen kaum noch als herrschende Meinung Glücklicherweise gibt es in dieser Bildungsrepublik ausge- gelten. Auch des Professors Aufgabe ist die Arbeit. Über dehnte Reservate bildungsbürgerlich-akademischer Wohlan- diese Arbeit ist Rapport zu erstatten. Schon dies verhin- ständigkeit mit Kernzonen der garantierten Spottfreiheit, in dert gottlob in den meisten Fällen die lästige Angewohn- denen sich die Ex-Ministerin weiterhin ungestört simulierend heit des Selbstdenkens. Weiter vorkommende Fälle uner- fortbewegen kann. Die Gefahr, dass etwa der Name “Hein- wünschter Geistestätigkeit wären dem Kanzler der jeweiligen Universität auf dem Dienstweg vorzulegen. rich Heine” jemals erwähnt würde, besteht in diesen Gefilden Rektoren sind hierfür selten tauglich. Zu viele erliegen nicht. So konnte Schavan am 6. Juli in der Stadthalle zu dem Irrglauben, sie seien für ihre Regentschaft auf das Neuss am Rhein vor 900 Gästen den Abiturienten ihrer alten Wohlwollen ihrer Untertanen angewiesen. Sie erliegen Schule allen Ernstes als offizielle Festrednerin zum bestan- dem Trug, tatsächlich innerhalb ihres Sprengels die denen Abschluss gratulieren. “Selbstsicher und entschlos- Regierungsgewalt innezuhaben, wo doch wir es sind, die sen” habe die Politikerin die Schulabgänger des Doppeljahr- ihnen die Thronreden schreiben, wie es ja übrigens auch gangs auf ihre wichtige Rolle in der Gesellschaft aufmerk- in Britannien gute Übung ist. sam gemacht, wusste das Lokalblatt zu berichten, und Doch sprechen wir nicht weiter über diese Duodezfürsten zitierte: der Gelehrsamkeit, fragen wir uns vielmehr, welche Ein- “In den nächsten Jahren müssen sich die Abiturienten richtung dem um sich greifenden Rezensionswesens aus ungewohnt stark für das innere Wachstum in der EU der Sicht jener, die die Sache als ganze überblicken, wohl zu geben wäre. Am besten wäre es wohl, an jeder Univer- engagieren.” [2] sität eine geheime Kammer einzurichten, der alle Druck- Ja, dann engagiert Euch mal für das innere Wachstum in der erzeugnisse aus der Feder besoldeter Geisteskrämer EU, liebe Abiturientinnen und Abiturienten des Nelly-Sachs- vorzulegen wären (denn auszutreiben ist diesem gel- Gymnasiums. Engagiert Euch ungewohnt stark dafür. Und tungsüchtigen Pack das Schreiben bekanntlich nicht). wenn Ihr wissen wollt, was man sonst noch so anstellen Sofern ein Verstoß gegen das Dekorum der Gelehrsamkeit festzustellen ist, kann das Gremium eine sofortige Über- kann, wenn man erst mal das Zeugnis der allgemeinen prüfung der Reisekostenabrechnungen der letzten zwanzig Hochschulreife in der Tasche hat: Jahre unter Vorlage aller Originalbelege verlangen.

http://causaschavan.wordpress.com/ 56 “Mit dem Kampf für die gymnasiale Bildung startete auch des Wissenschaftsministeriums des Landes Baden-Würt- meine politische Karriere – wenn auch zunächst nur auf temberg und unter maßgeblicher Beteiligung der Universität kommunaler Ebene”, [2] Ulm wurde 2002 die German University in Cairo ins Leben gerufen. Heute ist die GUC mit etwa 10.000 Studierenden erzählte das Vorbild den hoffnungsvollen jungen Menschen. die größte deutsche Auslandsuniversität. Nur nebenbei sei Begleitet war dieser Kampf für die gymnasiale Bildung be- hier bemerkt, dass dieses Vorzeigeprojekt in der Zeit des kanntlich vom Ringen um die persönliche Gewissensbildung politischen Umbruchs in Ägypten durch allerlei Übelstände in der Promotionsphase, woraufhin sich die politische Karrie- ins Gerede gekommen ist [5] und dass in seinem Kuratorium re auf höherer Ebene fortsetzen ließ. Im Übrigen ist an die- mit dem autokratischen, zu prunkvoller Selbstausstattung ser Stelle zu vermerken, dass ihr “der Doktortitel bis heute neigenden Vorsitzenden Ashraf Mansour sowie mit Mah- nicht aberkannt wurde” [2]. Jedenfalls von niemandem, den moud Hamdi Zaqzouq und Ibrahim el-Dimeery auch heute man in der Stadthalle zu Neuss oder in den Redaktionsstu- noch Gestalten des Mubarak-Regimes den Ton angeben. [6] ben der Neuss-Grevenbroicher Zeitung zur Kenntnis nehmen müsste. Als im Juli 2012 in einem Festakt an der Universität Ulm das zehnjährige Bestehen der GUC gefeiert wurde, war die Stim- Und nun also Ulm. Die dortige Halbuniversität, 1967 als mung freilich ungetrübt. [7] So leicht wird man sich die “Medizinisch-Naturwissenschaftliche Hochschule” begründet, ägyptische Erfolgsgeschichte nicht schlechtreden lassen, weiß sich frei von allem überflüssigen Ballast, wie ihn die und auch nicht den GUC-Gründer Mansour, der immerhin in sogenannten Vollunis so mitschleppen. Den Visionen des Ulm promoviert, habilitiert und schließlich zum Ehrensenator Wissenschaftsrats ist sie schon längst vorausgeeilt und hat ernannt worden ist. Und auch auf die frühere Ministerin lässt sich selbst ein klares Profil und eindeutige Ziele verpasst: Karl Joachim Ebeling nichts kommen. Nachdem ihr in Düs- Nur Nützliches geschieht hier, und nützlich ist vor allem, was seldorf der Doktorgrad aberkannt wurde, erklärte der Ulmer dem Wirtschaftsstandort Ulm und der Industrie in der Region Universitätspräsident, “das ganze” sei “ein Armutszeugnis für frommt. Gern nennt sich Ulm deshalb eine “Wissenschafts- die Düsseldorfer Fakultät”. [8] stadt”, und tatsächlich hat die Universität seit mehr als einem Vierteljahrhundert ganz erheblich zu einem erfolgreichen Für die Ulmer Universität dagegen wird ein Armutszeugnis Strukturwandel und zur wirtschaftlichen Prosperität dieser bis auf weiteres wohl nicht auszustellen sein. In der Wissen- Stadt und ihres Umlands beigetragen. [3] Dass sie das tun schaftsstadt und an ihrer Hochschule atmet alles behäbigen konnte, dass die anwendungsorientierten Forschungsinitia- Wohlstand. Und Prof. Dr. phil. Dr. h.c. mult. Annette Schavan tiven und -verbünde sprießen und dank reichlich fließender ist gewiss eine würdige Rednerin, wenn es gilt, an dieser Geldmittel üppig gedeihen konnten, das wiederum war in Stätte des reinen wissenschaftlichen Strebens ein Grußwort den letzten Jahren in nicht ganz unerheblichem Maß auch zu sprechen. Bevor dann die Promotionspreise fallen. darauf zurückzuführen, dass der langjährigen baden-würt- Man darf mit Zuversicht davon ausgehen, dass bei dieser tembergischen Kultusministerin und späteren Bundesmi- Gelegenheit im Saale weder ein verlegenes Hüsteln noch nisterin Schavan das Wachsen und Blühen ihres Wahlkrei- gar ungezogenes Lachen zu hören sein wird. ses Ulm/Alb-Donau recht sehr am Herzen lag – zumal sich dieses Wachsen und Blühen jederzeit sichtbar auf das segensreiche Wirken der Wissenschaftsgärtnerin zurück- Hatte es für die Wissenschaft eigentlich ir- führen ließ. Sie habe “überaus viel für den Wissenschafts- gend etwas zu bedeuten, ob Schavan eine Pla- standort Ulm getan”, erklärte der örtliche CDU-Fraktionschef giatorin war? Und wer amtierte eigentlich im Thomas Kienle nach dem Rücktritt der Ministerin, und der Ministerium? Vorsitzende des CDU-Kreisverbands, Paul Glökler, hoffte:

“Bei den Beziehungen und Netzwerken, die die Frau hat, unabhängig vom Ministeramt, ist sie für uns immer noch 27. Juli 2013 Gold wert.” [4] An ihrer Wiederwahl als Bundestagsabge- Wanka: „Schavan soll wieder in Führungs- ordnete wird in Ulm, auf der Alb und an der Donau jedenfalls position“ kaum gezweifelt. von Simone G. Das Schavansche System der wissenschaftlich-wirtschaft- lich-politischen Zugewinngemeinschaft auf Gegenseitigkeit Johanna Wanka wünscht sich eine Rückkehr ihrer Vorgän- ließ sich noch auf der letzten Auslandsreise der Ministerin gerin Annette Schavan in die politische Führungsriege. besichtigen: Zum südafrikanischen Reisetross gehörten nicht Schon im Juni hatte die amtierende Wissenschaftsministerin nur Wissenschaftsfunktionäre wie Jan-Hendrik Olbertz und erklärt, dass sie das mit dem Entzug des Doktortitels und Helmut Schwarz, sondern auch der Präsident der Industrie- dem Rücktritt und so super gemein findet und deswegen und Handelskammer Ulm, Peter Kulitz. ganz doll traurig ist [1]. Jetzt steht in der Rheinischen Post, dass Wanka (amtierende Wissenschaftsministerin) sich ein Reisen durfte auch der Präsident der Ulmer Universität, Karl Comeback von Schavan wünscht. Weil Schavan nämlich Joachim Ebeling. Nach Kairo etwa, wo Schavan am 1. März “eine außerordentlich erfolgreiche Politikerin” ist. [2] In der 2009 die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Ebeling wohnte Rheinischen Post steht auch nochmal genauer, warum der Weihestunde am Nil als persönlicher Gast der Ministerin Schavan im Februar 2013 von ihrem Amt als eigentliche bei. Die Ehrung, die Schavan als erster Frau in der hundert- Wissenschaftsministerin zurückgetreten ist: Weil ihr jährigen Geschichte der Universität Kairo widerfuhr, erfolgte in Anerkennung ihrer Verdienste um die deutsch-ägyptische die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf Wissenschaftskooperation. Hier spielt wiederum die Univer- wegen Plagiatsvorwürfen den Doktortitel aberkannt hatte. sität Ulm eine besondere Rolle: Unter der Schirmherrschaft [2]

http://causaschavan.wordpress.com/ 57 So: Und nicht etwa deshalb, weil die Fakultät “den Tatbe- Mit ungläubigem Staunen beobachteten wir, wie stand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat fest- sich die Aktivitäten der Schavan-Zirkel im Wissenschaftsbetrieb weiter fortsetzten und gestellt” [3] hätte. So steht das in der Rheinischen Post sogar noch ausweiteten. Ein Großprojekt, eine immer: Wegen Plagiatsvorwürfen. Das ist aber nicht ganz Tagung des Wissenschaftsrates – konnte das korrekt. Ganz korrekt müsste es natürlich heißen: Wegen wirklich alles Teil einer Strategie von anonymen Plagiatsvorwürfen. Schavan und ihren Mitstreitern sein, Monate nach dem Rücktritt der Ministerin? – Es Die eigentliche Wissenschaftsministerin [4] war es sich konnte: selbst und der Wissenschaft schuldig, gegen die Entschei- dung der Universität Düsseldorf zu klagen. Ein Urteil werde noch vor der Bundestagswahl erwartet, weiß nun die Rheini- 8. August 2013 sche Post. Damit eröffnen sich freilich wieder schönste Per- Grundlagen der Plagiatsphrasenforschung, spektiven. Ob wohl die amtierende Wissenschaftsministerin Teil 1: Die richtigen Umgangsformen (Johanna Wanka) der Ansicht ist, dass das Urteil für Annette Schavan (eigentl. Wiss.-Min.) günstig ausfallen wird? von Simone G.

Ach was, so eng mag Wanka (amt. Wiss.-Min.) das gar nicht Nachdem der Rat der Philosophischen Fakultät in Düsseldorf sehen. Ob Schavan nun vor Gericht gegen ihre Universität am 22. Januar 2013 beschlossen hatte, ein Verfahren zur gewinnen wird, die ihr den Doktorgrad wegen vorsätzlicher Aberkennung ihres Doktorgrades einzuleiten, erklärte die Täuschung durch Plagiat entzogen hat, oder ob sie unter- Ministerin, der Wissenschaft auch diesen großen Dienst liegt, das ist der Wissenschaftsministerin Johanna Wanka noch erweisen zu wollen: An ihrer eigenen Person, im eige- schnuppe. Oder ob und wann es überhaupt ein Urteil in der nen Fall und im eigenen Verfahren wollte Annette Schavan Sache gibt: Egal, Wanka will das Schavan-Comeback. höchst notwendige Grundlagenforschung betreiben lassen. Irgendwelche besonderen Voraussetzungen sind dafür nicht Denn die Ministerin hatte feststellen können, dass sich die zu erfüllen: Debatte “inzwischen” vom haltlosen Vorwurf der Täuschung “Weil ich es Annette Schavan und der Union wünschen ab- und Grundsätzlichem zugewandt habe. Da hatte es nun würde, dass sie noch einmal ein führendes öffentliches schon so viele Plagiatsverfahren im Lande gegeben, und so Amt übernimmt”, sagte Wanka. Selbstverständlich könne viele hatten ihren Doktorgrad bereits verloren: der Freiherr Schavan nochmal eine führende Rolle in der CDU ein- zu Guttenberg, Frau Mathiopoulos, Frau Koch-Mehrin, von nehmen, so Wanka. “Sie ist eine außerordentlich er- all den Unbekannten gar nicht zu reden – und jetzt erst, aus- folgreiche Politikerin.” [2] gerechnet im Fall der Bundesministerin für Bildung und For- schung höchstselbst, war aufgefallen: Wir wissen ja gar Selbstverständlich. Wir finden das fabelhaft. Und es ist sehr nicht, wovon wir reden, wenn wir von Plagiaten reden! Da praktisch, dass unsere Johanna-Wanka-(amtierende-Wis- musste wohl noch mal ganz von vorne angefangen werden: senschaftsministerin)-Beiträge immer mit demselben letzten Absatz schließen können: Ab wann spricht man in der Wissenschaft von einem Pla- giat? Und das halte ich für eine ganz wichtige Frage, Ein solches Interview einer Ministerin, das in einer so ele- gerade weil ich Wissenschaftsministerin bin. So schmerz- mentar wichtigen Angelegenheit ihres Zuständigkeitsbe- haft diese Geschichte jetzt für mich ist: Wenn daraus ein reichs keinerlei sachlich begründete Haltung zeigt und nur gemeinsames Verständnis und ein Kodex zum wissensge- Empfindungen Ausdruck gibt, ist sehr bedauerlich. “Eigent- rechten Umgang mit Plagiatsvorwürfen entstünde, dann lich” ist es auch ein wenig unverantwortlich. [1] wäre das ein gutes Ergebnis. Darauf hat ja auch die Hochschulrektorenkonferenz schon hingewiesen. [1] An der Sicherstellung eines wissensgerechten Umgangs mit Plagiatsvorwürfen im Düsseldorfer Fakultätsrat wollte Scha- van gerne hilfreich mitwirken. Das war sie der Wissenschaft schuldig. Wenn da ein gemeinsames Verständnis entstehen könnte, wäre das im Ergebnis sicher gut. In den vergange- nen Monaten hatte sie mit zahlreichen Fachwissenschaftlern gesprochen und damit die Frage verbunden: Liege ich richtig, wenn ich sage, meine Arbeit ist kein Plagiat? [...] Diese vielen Gespräche und Diskussionen haben mich in dieser Überzeugung bestärkt. [...] In dem eröffneten Verfahren steckt die Chance, den wissenschaftlichen Disput zu führen und dazu externe Fachgutachter einzuladen. [1]

Solche zum Beispiel, mit denen die Ministerin gesprochen hatte. Doch der Düsseldorfer Fakultätsrat ließ die Chance zum wissenschaftlichen Disput mit externen Fachgutachtern ungenutzt. Auch mit solchen, die ihre Fachgutachten schon sehr frühzeitig und sehr extern abgegeben hatten: In der

http://causaschavan.wordpress.com/ 58 Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. Mai 2012 etwa, [2] Da war man dann erleichtert, zu erfahren, dass solche Ex- oder auch in der ZEIT vom 17. Oktober 2012. [3] Und so gab perten wie Markschies und seinesgleichen sich der Plagiats- es kein gemeinsames Verständnis. Es blieb in Düsseldorf bei frage noch einmal wissenschaftlich in aller Gründlichkeit und der schon erledigt geglaubten “Wild-West-Version” des Rohr- ganz im Sinne der Schavan’schen Mahnung annehmen wür- bacher-Gutachtens: Vorsätzliche und systematische Täu- den. Und es war – welch Zufall – Joachim Frank, schavanös schung sei Schavan anzulasten, befand am Ende auch der als journalistischer Blutgrätscher bereits bestens bewährt, [9, Fakultätsrat. Irgendwelche Grundlagenforschung wurde hier 10, 11] der schon am 22. Februar 2013 die frohe Kunde vom offenbar nicht für nötig gehalten. “groß angelegten Forschungsprojekt” über “Zitat und Para- phrase” verbreiten durfte. In diesem staunenswert rasch kon- Großforschungsauftrag der Wissenschaftsspitzen zipierten, organisierten und finanzierten Großprojekt würden Beim Fakultätsrat hatte die Mahnung der Ministerin, dass nun für zweieinhalb Jahre nicht weniger als 25 Forscher an jetzt erst einmal die Zeit für die Klärung von ganz Grund- der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sätzlichem gekommen sei, bevor überhaupt wieder von zusammenwirken, um überhaupt erst einmal Ordnung in die Plagiaten geredet werden könne, leider keine Resonanz Plagiatsfrage zu bringen. Markschies stellte unter anderem gefunden. Doch andernorts war sie sehr wohl gehört worden. die überraschende Forderung auf, dass zunächst zwischen Nicht nur mit der Hochschulrektorenkonferenz hatte sich Zitat und Paraphrase unterschieden werden müsse. Auch Schavan hier einig gewusst. Die Fragen waren ganz, ganz sonst gab es allenthalben Ungeklärtes, Verunsicherndes. Ein grundsätzlich, und entsprechend Großes kündigte sich verschreckter Joachim Frank, in Gedanken noch ganz bei alsbald an in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Annette Schavan, fragte: Es war – welch Zufall – ein altgedienter Weggefährte der Kann man dann einer einzelnen Arbeit überhaupt gerecht inzwischen aus dem Amt gehetzten Ministerin, der die Dinge werden, bevor die Ergebnisse Ihrer Forschung vorliegen? in die Hand nahm: Der Berliner evangelische Theologe und [12] einstige Präsident der Humboldt-Universität, Christoph Das kann man natürlich nicht. Markschies. [4, 5, 6] Dieser kompromisslose Streiter für die Einhaltung “der höchsten methodischen wie inhaltlichen Zumindest fehlen wichtige Instrumente für ein Gesamt- Standards” in der Wissenschaft hatte frühzeitig festgestellt: urteil, [12] Es entspreche nicht guter wissenschaftlicher Arbeit, wenn stellte Markschies fest. Das sollte auch dem Verwaltungsge- “wörtliche Zitate nicht ausgewiesen sind”, Autoren sich richt Düsseldorf zu denken geben, bei dem Schavans Anwäl- also mit fremden Federn schmücken. “Ein solcher Umgang te zwei Tage zuvor ihre Klageschrift eingereicht hatten. Doch mit dem geistigen Eigentum anderer ist an einer Universi- fürchtete Joachim Frank, die Ergebnisse der Berlin-Branden- tät schlechterdings nicht akzeptabel”, so die Rüge des burgischen Großforschung kämen “für Annette Schavan Präsidenten. [7] höchstwahrscheinlich zu spät”. Der Leiter des Forschungs- vorhabens sah dies ganz abgeklärt, vom streng Genau genommen war dies allerdings nicht frühzeitig, wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus: sondern vorzeitlich gewesen, nämlich bevor es um Schavan ging. Nun jedoch waren die Voraussetzungen und Notwen- So ist das bei Langzeitprojekten. Sie können nicht am digkeiten heutiger Gewissensbildung irgendwie ganz andere. Wohl und Wehe von Individuen ausgerichtet sein, sondern Unmittelbar nach der Düsseldorfer Entscheidung, am 7. am Erkenntnisgewinn für das große Ganze. [12] Februar 2013, bekundete Markschies, dass er selbst die Arbeit der Ministerin “mehrfach gelesen” habe und – anders als etwa im Fall zu Guttenberg – “keinen Anlass zum Entzug des Doktorgrades” erkennen könne: Ein vergleichbarer Grad von wissenschaftlichem Fehl- verhalten, der die Aberkennung der Promotion im Falle von Annette Schavan rechtfertigen würde, liegt bei ihrer Dissertation “Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung” definitiv nicht vor. Der zweite Teil ihrer Dissertation ist eine originelle wissenschaftliche Leistung, die Gewissensbildung und Wertevermittlung im Schulunterricht zum Thema hat. [8] Zweieinhalb Jahre lang werden 25 Gelehrte in der eigens eingerichteten Abteilung für Zitatsparaforschungsphrasen alles gründlich zerforschen Für eine solche Feststellung hatte es allerdings der mehr- fachen Lektüre durch den Plagiatsfachmann bedurft. Als Laie hätte man dagegen Stein und Bein geschworen, dass gera- Am Erkenntnisgewinn für das große Ganze ausgerichtet sind de der zweite Teil der Doktorarbeit ganz besonders unorigi- ab sofort 25 “Wissenschaftler aus dem In- und Ausland”. Ge- nell sei und lediglich “Theorien über das Gewissen” referiere, nannt werden neben Markschies der Tübinger Literaturwis- und dass im übrigen von Gewissensbildung und Wertever- senschaftler Georg Braungart, der frühere Präsident der mittlung im Schulunterricht in der gesamten Arbeit nirgendwo Hochschulrektorenkonferenz, Peter Gaehtgens, und (und zwar ganz genau an keiner Stelle) mit auch nur einem der US-Historiker Anthony Grafton (Princeton University), einzigen Wort die Rede sei. der bereits in den 1990er Jahren ein Buch über die

http://causaschavan.wordpress.com/ 59 „tragischen Ursprünge der deutschen Fußnote“ es in der Außenwahrnehmung nur noch auf’s richtige veröffentlicht hat. [12] Paraphrasieren ankommt. Die deutsche Fußnote wird sich auf besondere Wertschät- Und wenn mit Annette Schavan so umgegangen wird. zung seitens dieser Forschergruppe wohl keine übertriebe- nen Hoffnungen machen dürfen. Haben Texte ein plagiarisches Bewusstsein? Inzwischen erweist es sich als schwierig, Genaueres über Philipp Theisohn belehrte die Tagungsgäste dieses so wichtige Grundlagengroßprojekt in Erfahrung zu des erlauchten Wissenschaftsrats darüber, bringen. Weitere öffentliche Verlautbarungen hat es nicht dass dem nicht so sei. Simone G. begab sich gegeben. Auf der Homepage der Berlin-Brandenburgischen daraufhin sofort in den Konfrontationsab- schnitt und bewies detailliert: Manche Texte Akademie der Wissenschaften wird das Vorhaben “Zitat und haben vielleicht kein Bewusstsein, riechen Paraphrase” bis heute nicht angezeigt. Als sicher darf jedoch aber trotzdem heftig aus dem Mund. gelten, dass es sich nicht um die Arbeitsform eines “Akade- mievorhabens”, sondern um eine “Interdisziplinäre Arbeits- gruppe” (IAG) handelt, die sich im Mai konstituiert hat. Bei 16. August 2013 dieser Gelegenheit referierte der Zürcher Literaturwissen- Grundlagen der Plagiatsphrasenforschung, schaftler Philipp Theisohn, Autor einer viel gelobten Litera- Teil 2: Das Plagiatsfabulat im Wissenschafts- turgeschichte des Plagiats. Theisohn war in der Causa rat Schavan mit Wortmeldungen wie dieser hervorgetreten: von Simone G. Tausche ich die Wortkombinationen, über die Frau Scha- vans Arbeit der Plagiatssoftware ins Netz ging, durch an- Nicht nur wegen der Person der dere aus, ist wieder alles in Ordnung. Was hat sich dann Ministerin, sondern mehr noch an der Arbeit substantiell verändert? Gar nichts. Es ist das wegen der beispiellosen Mobil- Ende der Geisteswissenschaft, wenn für ihre Außenwahr- machung ihrer Hilfstruppen in nehmung nur noch entscheidend ist, ob richtig paraphra- Politik und Wissenschaft er- siert wurde. [13] scheint die Causa Schavan als In der IAG “Zitat und Paraphrase” ist ihm nun offenbar eine der größte Skandal in der tragende Rolle zugedacht. Bei der Tagung des Wissen- deutschen Wissenschaftsge- schaftsrats über “Wissenschaft in der Verantwortung” (“Gute schichte der Nachkriegszeit. Die wissenschaftliche Praxis und Qualitätssicherung in der Pro- kampagnenhaften Versuche der motion”), die am 23. Juli 2013 praktischerweise in der Berlin- Beeinflussung, denen das Ver- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften abgehal- fahren der Düsseldorfer Fakultät ten wurde, [14] durfte er den einzigen Vortrag der Veranstal- von Anfang an ausgesetzt war, tung halten und nutzte die Gelegenheit zu einer Polemik wurden in der Öffentlichkeit allerdings selten thematisiert. gegen die Düsseldorfer Entscheidung. Dann wurde jedoch überzogen. Am 18. Januar 2013 – weni- Theisohn wurde 2004 in Tübingen promoviert und war dort ge Tage, bevor in Düsseldorf über die Einleitung eines Ver- einige Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Akademi- fahrens zum Entzug des Doktorgrades zu entscheiden war – scher Rat am Deutschen Seminar tätig. Mit dem Tübinger wollte die Allianz der Wissenschaftsorganisationen in einer Lehrstuhlinhaber für Neuere deutsche Literatur, Georg Erklärung den Eindruck erwecken, das Vorgehen der Düs- Braungart, verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit. In der seldorfer Fakultät sei zwar womöglich verfahrensrechtlich IAG “Zitat und Paraphrase” ist Georg Braungart dem Verneh- korrekt, genüge aber den Grundsätzen guter wissenschaft- men nach neben Markschies federführend. Nebenher ist licher Praxis nicht. [1] Dieser unverhohlene Einmischungs- Braungart – welch Zufall – Leiter des Cusanuswerks, des versuch rief umgehend heftige Proteste des Philosophischen Begabtenförderungswerks der katholischen Kirche in Fakultätentags und des Deutschen Hochschulverbands Deutschland, dem dermaleinst auch schon Annette Schavan hervor. [2, 3] Aber auch in der breiteren Öffentlichkeit und Ludger Honnefelder [15] vorstanden. Auch Braungart hinterließ er einen ungünstigen Eindruck, wie Heike Schmoll geht es einzig und allein um den Erkenntnisgewinn für das feststellen musste: große Ganze, und nicht etwa um Personen. Im Interesse eines wissensgerechten Umgangs mit den irritierenden Die Funktionäre wurden wegen ihrer zu einem unglück- Nachrichten aus der Welt der Wissenschaft referierte er lichen Zeitpunkt veröffentlichten Erklärung weitgehend als daher auch am 20. Juni 2013 vor dem Rotary Club Reut- korrupte Kaste wahrgenommen. Allzu durchschaubar lingen-Tübingen-Süd. Thema seines Vortrags: erschien vielen das Manöver, sich liebedienerisch zur Verteidigung der Ministerin aufzuschwingen, von deren Denk ich an Düsseldorf in der Nacht … Der Umgang mit Geld man abhängig ist. [4] Annette Schavan und die Folgen für die Geisteswissen- schaften [16] Dabei war doch alles so harmlos und gut gemeint gewesen! Keinesfalls habe man gegenüber der Universität Düsseldorf Man wird wohl zu dem Schluss kommen müssen, dass die auch nur das geringste Misstrauen zum Ausdruck bringen Aufgabe der Berlin-Brandenburgischen Grundgroßlagen- wollen, versicherte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, forscher über die Zitat- und Paraphrasenforschung noch weit Wolfgang Marquardt: hinausreicht: Es geht darum, den Untergang der Geisteswis- senschaften zu verhindern. Die sind nämlich am Ende, wenn

http://causaschavan.wordpress.com/ 60 Man habe nur daran erinnern wollen, dass sich ein Verfah- unverbindlichen Austausch vorzustellen. Die Frage musste ren zur Aberkennung eines Doktorgrades nicht allein auf vielmehr lauten: Wohin soll hier gesteuert werden? verwaltungsverfahrensrechtliche Gesichtspunkte be- Da das Tagungsprogramm vorab nicht veröffentlicht wurde, schränken dürfe. [5] war man auf Mutmaßungen angewiesen. Ominös musste er- Doch “in der Wissenschaft übliche Verfahrenselemente” wie scheinen, dass sicherem Vernehmen nach Heike Schmoll die “Trennung von Begutachten, Bewerten und Entschei- durch diese Tagung führen sollte – ausgerechnet die FAZ- den”, deren Beachtung von der Allianz eingefordert wurde, Redakteurin Schmoll, die in der Causa Schavan immer wie- sind in der Wissenschaft keineswegs üblich, und in Promo- der einen regelrechten Furor zur Verteidigung der Ministerin tionsverfahren schon gar nicht. Auch in den “unverändert” entwickelt hatte. Ominös auch, dass die VroniPlag-Aktivistin maßgeblichen “einschlägigen Richtlinien der DFG” findet Debora Weber-Wulff eingeladen war – allerdings nicht, um sich davon nichts. [6] Dass diese “Richtlinien”, bei denen es über die Plagiatsrecherche zu sprechen, wie von ihr vorab sich tatsächlich nur um Empfehlungen handelt, für ein über Twitter zu erfahren war: rechtsförmiges Verfahren ohnehin nicht “maßgeblich” sein Erbloggtes 09 Jul können, sei nur am Rande vermerkt. @WeWuWiWo Was ist das Thema Ihres „Planned Talks Der Wahrhaftigkeitsgehalt der Erklärung, mit der die Allianz 2013 July 23,Wissenschaftsrat, Berlin“? […] der Wissenschaftsorganisationen im Januar 2013 an die WiseWoman 6:26 PM – 9 Jul 2013 Öffentlichkeit ging, tendiert also gegen Null. Tags zuvor, am @Erbloggtes „Wissenschaft in der Verantwortung – Gute 17. Januar, hatte die Allianz bereits eine Erklärung zur Fort- wissenschaftliche Praxis und Qualitätssicherung in der setzung ihrer Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ Promotion“, hier „Verjährung“ herausgegeben. [7] Am 10. Februar 2013 folgte die nächste Erklärung: “Allianz der Wissenschaftsorganisationen würdigt Das war seltsam: Zur Frage der “Verjährung” bei Plagiaten Verdienste von Ministerin Schavan”. [8] Zu weiteren Verlaut- hatte Weber-Wulff bis dahin keine erkennbaren Beiträge barungen zum Wissenschaftsgeschehen hat sich die Allianz geliefert. Andererseits musste allein ihre Beteiligung an einer seither nicht mehr veranlasst gesehen. solchen Tagung schon als Politikum gelten.

In der “Allianz der Wissenschaftsorganisationen” haben sich die großen Einrichtungen der Wissenschaftsförderung, die Die Tagung “Wissenschaft in der Verantwortung. Gute wis- außeruniversitären Forschungsorganisationen, die Hoch- senschaftliche Praxis und Qualitätssicherung in der Promo- schulrektorenkonferenz mit einander verbunden – und der tion” fand dann am 23. Juli 2013 in den Räumen der Berlin- Wissenschaftsrat. Der ist allerdings keine Wissenschafts- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften statt. organisation, sondern ein Beratungsgremium der Politik in Durch die Veranstaltung führte tatsächlich Heike Schmoll, gemeinsamer Trägerschaft der Bundesregierung und der und tatsächlich debattierte Debora Weber-Wulff darüber, wie Landesregierungen. Man sollte sich dieses “Gremium” nicht “bei überführtem Fehlverhalten” zu verfahren sei: “Unbe- allzu fragil vorstellen: Ihm steht neben dem Vorsitzenden ein grenzte Titelrücknahme oder Verjährung?” [10] Dass es sich Generalsekretär im Rang eines Ministerialdirektors vor, seine hier nicht einfach um eine Debatte, sondern um ein Debate Geschäftsstelle hält nicht weniger als 40 wissenschaftliche handelte, dürfen wir als überführtes Wohlverhalten vermer- und etwa ebenso viele nichtwissenschaftliche Mitarbeiter ken. Sprachlich gesehen. dauerhaft in Lohn und Brot. Während die 32 Sitze in der “Wissenschaftskommission” Wissenschaftlern und “Reprä- Hauptperson des Tages war allerdings Philipp Theisohn, der sentanten des öffentlichen Lebens” (letztere werden auf mit einer ambitionierten Literaturgeschichte des Plagiats und gemeinsamen Vorschlag von Bund und Ländern berufen) anderem mehr oder weniger Einschlägigem hervorgetreten vorbehalten sind, sitzen in der “Verwaltungskommission” die ist. Während andere nur begrüßen, podiumsdiskutieren oder Vertreter von Bund und Ländern. Hier liegt der Vorsitz bei ein Debate führen durften, war es allein dem Literaturwissen- Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesminis- schaftler von der ETH Zürich beschieden, einen Vortrag zu terium für Bildung und Forschung, das mit noch einem weite- halten. Und er hielt. ren Staatssekretär vertreten ist. In der allein entscheidungs- “Fremde Worte, eigenes Denken” ist sein Vortrag betitelt. befugten Vollversammlung haben beide Kommissionen Um “wissenschaftliche Normen im historischen Wandel” soll gleiche Stimmenzahl. [9] es dabei gehen. Gleich zu Beginn hat der Redner “für An- Der Wissenschaftsrat ist also eine höchst politische Angele- regungen, Hinweise und fruchtbare Diskussionen, als deren genheit. Er steht wie kaum eine andere Einrichtung für die Resultat sich die folgenden Ausführungen verstehen”, der engen Verflechtungen zwischen Politik und Wissenschaft. Er IAG “Zitat und Paraphrase” zu danken. Gleich zu Beginn ist ist ein Steuerungsinstrument auf höchster Ebene der Wis- auch anzukündigen, dass man im Folgenden endlich auf’s senschaftspolitik. Wenn der Wissenschaftsrat bald nach dem Wesentliche kommen werde. Bisher habe man sich in der Rücktritt der Ministerin Schavan, in einer Zeit erbitterter Dis- Diskussion kussionen über Standards und Verfahrensweisen bei der in erster Linie und ganz vorrangig über die Normativität in Überprüfung von Doktorarbeiten und über die Rolle der der Verarbeitung wissenschaftlichen Fehlverhaltens unter- Whistleblower, eine Tagung über “Wissenschaft in der Ver- halten, d.h. darüber, welche Normen wir dabei gelten las- antwortung” vorbereitete, hatte man sich dies kaum als sen wollen und welche nicht. Als Literaturwissenschaftler

http://causaschavan.wordpress.com/ 61 setzt man da natürlich immer das ein oder andere Frage- Inhalts eingereicht hat, dass die Bestimmungen der Promo- zeichen; vor allem aber will man wissen, wie eigentlich so tionsordnung und die dort verlangte eidesstattliche Versiche- etwas wie Normativität auf einem derart komplexen Feld rung über die benutzten Hilfsmittel nicht ihrer Mentalität ent- wie der wissenschaftlichen Textarbeit erzeugt werden sprachen. Zweitens scheitert die Ableitung irgendwelcher kann. [11] Hinweise aus einem Leitfaden von 1978 für uns Heutige an der “Geschichtlichkeit”: Der Überlegenheitsgestus des Literaturwissenschaftlers setzt sich natürlich immer auch gern in der einen oder Wird dort [...] bei längeren gedanklichen Übernahmen kein anderen Herablassung gegenüber intellektuell weniger “wörtliches”, sondern “ein sinngemäßes Zitat, das man in begünstigten Mitmenschen fort: eigene Worte fassen muss”, gefordert, dann wird uns allenfalls der Duktus etwas stören, da wir ‘sinngemässe Einfacher gesprochen: Können wir wirklich davon ausge- Zitate’ heute eigentlich nicht mehr kennen. Tatsächlich hen, dass es sichere Grenzen und feste Regeln gibt, mit birgt die Formulierung aber genau jene Unschärfe, die sie deren Hilfe wir feststellen können, ob eine Doktorarbeit historisch werden lässt: Was in der damaligen wissen- gegen wissenschaftliche Normen verstösst oder nicht? [11] schaftlichen Praxis eigentlich genau für ein Zitat gehalten Davon können wir nicht ausgehen, denn Theisohn schickt wurde (und was eher nicht), wo eine Paraphrase beginnt sich nun an, uns die “Geschichtlichkeit” wissenschaftlicher und wo sie endet (ob sie z.B. ganz und gar eigenwörtlich Normen auseinanderzusetzen: sein muss und überhaupt keine Identitäten mit der para- phrasierten Quelle aufweisen darf) – diese Fragen berührt “Geschichtlich” sind diese keineswegs nur deswegen, weil die veröffentlichte Norm nicht. Im Gegenteil: sie macht sie irgendwie vergänglich sind, weil sie im Mittelalter in der diese als offene Fragen ihrer Zeit vielmehr transparent. heutigen Form nicht sichtbar waren und in einer komplett [11] vernetzten Wissenschaftswelt womöglich wieder ganz andere sein werden. “Geschichtlich” sind diese Normen Ja, dieser altertümliche Duktus muss uns freilich stören, vor allem deswegen, weil sie ganz eindeutig einem Wan- denn “sinngemäße Zitate” kennen wir heute eigentlich nicht del unterliegen, der mitunter ganz anderen Dingen folgt als mehr. Woher sollen wir als Literaturwissenschaftler und offiziellen Beschlüssen und Wegweisungen von Hoch- Plagiatsexperte der ETH Zürich denn auch beispielsweise schulgremien. [11] den 2007 erlassenen und bis heute geltenden “Zitier-Knigge” der ETH Zürich kennen? Schon in der vierten Grundregel Damit ist man dann auch schon – Theisohn dürfte noch werden uns dort “sinngemäße Zitate (Paraphrase)” vorge- keine fünf Minuten gesprochen haben – beim eigentlichen stellt als “Literaturstellen, die Sie in eigene Worte gefasst Verwendungszweck des Ganzen: haben oder als Zusammenfassung wiedergeben”. Weiterer Ich wage sogar zu behaupten, dass die Vorstellung des- Erklärungsbedarf besteht vor Ort offenbar nicht. Ob die Para- sen, was als “wissenschaftliche Norm” betrachtet wird und phrase nun ganz und gar eigenwörtlich sein muss und über- was nicht, in hohem Masse eine Mentalitätsfrage zu sein haupt keine Identitäten mit der paraphrasierten Quelle auf- scheint, [11] weisen darf – diese etwas albernen Fragen berührt der aktuelle Zürcher Zitier-Knigge nicht. Im Gegenteil: Er macht und das ist natürlich eine gewagte Behauptung, wenn man diese als offene Fragen ihrer Zeit vielmehr transparent. Und davon ausgeht, dass es in hohem Maße gleichgültig ist, ob unterscheidet sich hierin allenfalls insoweit vom Düsseldorfer etwas so ist oder vielleicht auch nur so zu sein scheint. Leitfaden von 1978, als letzterer ausführlicher und konkreter Wobei dieser seienden oder scheinenden Mentalitätsfrage ist. Soviel zur “Geschichtlichkeit”. in der gegenwärtigen Auseinandersetzung jedoch viel zu Es folgt der mahnende Hinweis, wenig Rechnung getragen wird. So nimmt man etwa das Faktum, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer dass es uns an einer mentalitätsgeschichtlichen Aufarbei- bestimmten Fakultät ein Leitfaden zur “Anfertigung von tung wissenschaftlicher Textverfahren ernsthaft mangelt Seminararbeiten” erschienen ist, leichtfertig als Hinweis und dass dieser Mangel vielleicht nie so sehr zutage dafür, dass die Zitiernorm in dieser Fakultät zu dieser Zeit getreten ist wie im Augenblick. [11] just den Normen entspricht, die wir heute dem “wissen- Wenn wir Pech haben, schafft Theisohn dieser herben Ent- schaftlichen Zitieren” beimessen. [11] behrung mit einer nächsten Monographie Abhilfe. In der gegenwärtigen Auseinandersetzung geht es also nach Augenblicklich aber ist er damit beschäftigt, “das Plagiat wie vor um die Doktorarbeit der früheren Ministerin Schavan zwischen Indiz und Beweis” zu betrachten. Da bedarf es aus dem Jahr 1980. Nicht die Promotionsordnung der Fakul- zunächst einmal der kritischen Beleuchtung des Begriffs tät allein, auch nicht ein Leitfaden, der dort am Erziehungs- “Plagiat”: wissenschaftlichen Institut 1978 bereits in achter Auflage kursierte, können Hinweise auf damalige Zitiernormen Es hat seine Gründe, warum dieser Begriff und keine geben. Es wäre leichtfertig, zum Beispiel aus den Seiten 19- seiner Übersetzungen in irgendeiner Sprache ein Legalbe- 23 dieses Leitfadens, auf denen die damaligen Zitiernormen griff ist, denn es ist ein Begriff, der vielmehr verunklärt als konkret ausgeführt werden, etwa Hinweise auf die damaligen er präzisieren kann. So wird er im gemeinen Sprachge- Zitiernormen ableiten zu wollen. Erstens vernachlässigt ein brauch objektivierend gebraucht: Jemand hat im Text einer solcher Schluss, wie ihn der Düsseldorfer Fakultätsrat leicht- anderen Person “Plagiate” gefunden, der Text einer fertig gezogen hat, die Mentalitätsfrage. Man darf wohl anderen Person ist ein Plagiat, so wie auch Mobiltelefone davon ausgehen, dass Annette Schavan damals zugleich mit aus China Plagiate sind. Das ist natürlich falsch. [11] ihrer Doktorarbeit eine eidesstattliche Versicherung des

http://causaschavan.wordpress.com/ 62 Nein, ein “Legalbegriff” ist “Plagiat” tatsächlich nicht, jeden- Gar so kompliziert scheinen die Verhandlungen beispiels- falls nicht im deutschsprachigen Rechtsraum. Das heißt aber weise im Fall der Doris Fiala an der ETH Zürich zwar nicht keineswegs, dass der Begriff in der Rechtssprache nicht gewesen zu sein. [15] Es ist auch nichts darüber verlautet, gebraucht würde. In einschlägigen Gerichtsurteilen wird er dass Philipp Theisohn seiner eigenen Hochschule großartig vielmehr regelmäßig verwendet, in schöner Selbstverständ- ins Gewissen geredet hätte wegen der gemeinen Rede von lichkeit und offenbar ohne dass eine besondere, allen juristi- “Plagiaten in der Magisterarbeit” oder wegen des Trug- schen Erfordernissen entsprechende Definition für nötig ge- schlusses einer Erzählung vom Charakter im Text, die un- halten würde. [12, 13, 14] möglich zu beweisen ist. Vor dem Wissenschaftsrat geht es allerdings um “Plagiatsfälle”, die mittlerweile überhaupt nur Theisohn dagegen erklärt es für “natürlich falsch”, Plagiate noch zwischen Anführungszeichen gehören. So weit wären überhaupt als etwas Gegebenes zu sehen, von ihnen so zu wir immerhin schon mal. sprechen, als seien sie für sich genommen in der Welt: Sodann beobachtet Theisohn zwar allerlei Unschuldsbeteue- Plagiate sind nämlich, wenn wir recht darüber nachden- rungen der Beschuldigten, kann aber ken, keine Objekte. Was wir meinen, wenn wir behaupten, in einem Text fänden sich “Plagiate”, ist etwas anderes: wir umgekehrt [...] ebenso häufig verfolgen, wie auf Seiten der reden von einer Handlung, die mit einem gewissen Mass Anklage Indizien zu Beweisen werden, wie sich aus dem an Unredlichkeit begangen wurde, von der ungekennzeich- Fund von Analogstellen die Vorstellung eines “plagiari- neten Übernahme des geistigen Eigentums anderer. [11] schen Bewusstseins” auf den ganzen Text überträgt. Die Ikone, über die diese Suggestion läuft, kennen wir alle, es Bei rechtem Nachdenken können wir nun zwar bestätigen: ist der sogenannte Konfrontationsabschnitt (Abb. 1), eine Auch bei unserem alten Nachbarn Zibulke gingen “Meinen”, Sonderform der Synopse. [11] “Behaupten” und “Reden” munter durcheinander, doch wenn er von Destillaten redete, dann meinte er unweigerlich die Theisohn zeigt eine solche Ikone, über die diese Suggestion Schnapshandlung. Ansonsten aber würden wir doch nach läuft: wie vor gerne das Plagiieren für die Handlung und das Pla- giat für deren Ergebnis halten dürfen. Theisohn jedoch erkennt “eine gefährliche Verkürzung”, wenn wir sagen, dass es sich bei einem Text um ein Plagiat handle: Wir unterstellen nämlich, dass sich das von uns veran- schlagte täuschende Bewusstsein am Text ablesen lasse. Das ist ein Trugschluss, denn der räuberische Charakter seiner Herkunft liegt eben mitnichten im Text. Was wir tat- sächlich sehen, wenn wir von “Plagiaten” sprechen, das sind zwei Texte mit offensichtlichen Ähnlichkeiten, Parallel- läufen, Wort-, Satz-, vielleicht sogar Absatzidentitäten. Zu einem Plagiat wird das Ganze erst, wenn wir diesen beiden Texten eine bestimmte Erzählung unterlegen: dass nämlich beim Entstehen des zweiten Textes der erste Text ganz bewusst ausgebeutet und ebenso bewusst ver- schwiegen wurde. Dann reden wir von einem Plagiat, das wir aber eben nur so nennen, weil wir einem Text ein be-

stimmtes Bewusstsein zuweisen, dessen Rekonstruktion dann Gutachterarbeit ist. [11] Es handelt sich um ein Fragment aus der VroniPlag-Doku- mentation der Doktorarbeit von Jakob Kreidl. Wer die Ar- Wir unterstellen unsererseits, dass der Literatur- nein: Kultur- beitsweise von VroniPlag kennt oder überhaupt etwas von wissenschaftler Theisohn weder von der Art Textanalyse, die dieser Art von Arbeit versteht, der weiß natürlich, dass dies zur Identifikation von Plagiaten führt und deren Ergebnisse nie und nimmer eine “Ikone” ist. Eine solche Textsynopse ist etwa auf schavanplag beispielhaft vorgeführt werden, noch nicht mehr und nicht weniger als ein notwendiges Vehikel. von der regelmäßigen Rechtsprechung in Plagiatsangele- Sie offenbart nie schon in sich selbst die Ergebnisse der genheiten auch nur die geringste Ahnung hat. Wir unterstel- Untersuchung. Wie wenig Suggestion hier im Spiel ist, lässt len ferner, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, einen Text sich leicht in den verästelten, alle denkbaren Plausibilitäten nicht für seinen Autor zu halten. Wir unterstellen weiterhin, sorgsam abwägenden Diskussionen nachverfolgen, die um dass Theisohn hier recht unverhüllt dem Düsseldorfer Gut- einzelne Fragmente aus dieser und vielen anderen unter- achter unterstellt, dass er nur mit Unterstellungen gearbeitet suchten Dissertationen geführt worden sind. Theisohn aber hat. hat ein Publikum vor sich, dem er ohne weiteres suggerieren Theisohn will es für schlechterdings unmöglich halten, an- kann, dass bei der Betrachtung solcher Ikonen nur primi- hand eines Textes die wissenschaftliche Unredlichkeit seines tivste Begriffe von “sauber” und “betrügerisch” zur Anwen- Urhebers zu beweisen: dung kommen. Mehr noch, es erfolgt eine Komplettsugges- tion in drei atemberaubenden Schritten: Ebendiese Lücke zwischen Indiz und Beweis macht unse- re Verhandlungen über “Plagiatsfälle” an Universitäten so Ist die erste Suggestion des Konfrontationsabschnitts die überaus kompliziert. [11] prinzipielle Transparenz wissenschaftlicher Textarbeit,

http://causaschavan.wordpress.com/ 63 dann besteht seine zweite Suggestion in deren unein- für das Verständnis und die Umsetzung wissenschaftlicher geschränkter Transparenz. Jeder alphabetisierte Mensch Normen in Texten von entscheidender Bedeutung ist, [...] kann hier angeblich erkennen, ob eine Arbeit wissen- muss sich [...] eben auch dort durchhalten lassen, wo der schaftlichen Normen entspricht oder nicht. Die dritte und Weltgeist nicht eben zuhause ist. [11] letzte Suggestion des Konfrontationsabschnitts ist dann Ja, das Dasein als Kulturwissenschaftler kennt durchaus die Quantifizierbarkeit der Eigenständigkeit wissenschaft- auch den zeitweiligen Aufenthalt in solchen Niederungen, wo licher Arbeiten: der Prozentbalken, an dem sich ausweisen der Weltgeist nicht eben zuhause ist. Zwar ist momentan lässt, in welchem Masse ein Text gegen die wissenschaft- nicht ganz eindeutig, wie sich das mit dem Verständnis und liche Redlichkeit verstösst. [11] der Umsetzung wissenschaftlicher Normen im Einzelnen Auch das ist natürlich Blödsinn. Der Prozentbalken war viel- verhält, wer da versteht und wer da umsetzt, aber allzu leicht nicht die segensreichste Erfindung in der Geschichte wichtig ist das wohl auch nicht. Das avisierte Publikum im von Guttenplag, VroniPlag etc., aber als unmittelbarer Maß- Falle der Annette Schavan stellen wir uns jedenfalls ohne stab einer quantifizierbaren Unredlichkeit wird er wohl nur weitere Schwierigkeiten zunächst einmal in Gestalt der Mit- von ganz besonders schlichten Gemütern gelesen. Freilich glieder der seinerzeitigen Promotionskommission vor und lässt sich aus solchem Blödsinn dann eine schön tiefschür- sind nun gespannt darauf, was dies für die Vollführung von fend bedenkliche Formulierung ableiten: Gestikulation, Zitation und Hyperventilation bedeuten mag. Das, was wir wissenschaftliche Normen nennen, hat zur In der öffentlichen Debatte um die Doktorarbeit der Ministerin Zeit ebendieses Gesicht: Wir vermessen Wörtlichkeit. [11] wurde einerseits auf besondere Verhältnisse der Pädagogik um 1980 verwiesen, andererseits auf die allgemeine Gültig- Das tut gerade so, als wenn sämtliche Promotionsaus- keit der immer gleichen wissenschaftlichen Normen. In die- schüsse und Fakultätsräte ständig mit dem Prozentbalken ser unklaren Lage wurde Theisohn zum Grundlagenforscher: unter dem Arm durch die Gegend liefen. Da wäre dann freilich das Ende der Geisteswissenschaft nicht weit. Ich habe mich aus Anlass unserer Tagung deswegen ein- mal der harten Prüfung unterzogen, wahllos 25 pädagogi- Etwas unvermittelt kommt Theisohn nun auf “die konkrete, sche Dissertationen aus dem Zeitraum der Jahre 1975- historische Kommunikationssituation” zu sprechen, “in der 1982 stichprobenartig anzulesen. [11] ein wissenschaftlicher Text steht.” Plötzlich ist es nämlich diese historische Kommunikationssituation, derentwegen Das ist nun freilich eine harte Prüfung, wenn man die Nase man nicht einfach davon ausgehen kann, aus jenen Schwarten heben muss, aus denen der Weltgeist eben weht, um wahllos 25 pädagogische Dissertationen dass die Wissenschaftsprache klar markierte Eigentums- stichprobenartig anzulesen. Andererseits ist es aber doch grenzen kennt und wörtliche Wiederholungen, die nicht als erfreulich, dass es noch Gelehrte gibt, denen ein wahlloses Zitat ausgewiesen sind, entsprechend einen Verstoss ge- stichprobenartiges Anlesen von nicht näher bestimmbarer gen die wissenschaftlichen Standards anzeigen. [11] Intensität vollauf genügt, um zu recht weitreichenden Für die Autoren nicht historischer Arbeiten unter Plagiats- Schlüssen zu kommen. verdacht wie z.B. Jakob Kreidl sind das zwar eher schlechte Auch die 25 wahllos angelesenen Dissertationen sind nicht Nachrichten, denn in ihrem Fall ist es ja dann offenbar doch näher bestimmbar. Von ihnen ist deshalb im Weiteren auch möglich, klare Eigentumsgrenzen zu benennen und Ver- gar nicht mehr groß die Rede. Inzwischen geht es um die stöße gegen die wissenschaftlichen Standards anzuzeigen. Frage, ob sich in diesen Texten “so etwas wie eine fach- und Doch bei solchen Kollateralschäden können wir uns nicht zeitspezifische ‘Mentalität des geistigen Eigentums’” erken- aufhalten. Es gilt, an zwei historischen Beispielen aufzuzei- nen lässt. Nicht zur Untersuchung gehörig ist dagegen die gen, “dass wörtliche Uneigenständigkeit keineswegs zwin- Frage, ob sich in den Texten der jeweils gültigen Promo- gend wissenschaftliche Uneigenständigkeit anzeigen muss tionsordnungen so etwas wie eine fach- und zeitspezifische [...]“. Wir eilen also zunächst zu einem wahrhaft historischen Mentalität der akademischen Prüfung erkennen lässt. “Was Beispiel, zu Ernst Cassirer, können es aber bei der Wieder- konnte ich also dort erkennen?” fragt Theisohn sein avisier- gabe des Kürzestreferats von Stefan Heßbrüggen bewenden tes Publikum, in dessen Reihen sich gewisse freudige lassen: Ahnungen breit machen. Und tatsächlich, der Befund ist Cassirer würde heute als Plagiator abgeurteilt. Cassirer nach wahllosem Anlesen auffällig: war ein großer Geist, kann also kein Plagiator gewesen Erstens gibt es “ganz zweifelsfrei und grundsätzlich” unter sein. [16] diesen pädagogischen Doktorarbeiten solche mit histori- Das reicht hier vollkommen aus – denn eigentlich will all das schem, empirischem und theoretischem Ansatz. Es ist unbe- doch nur auf das zweite Beispiel hinaus. Hier aber geht es – dingt zu begrüßen, dass dies nun ganz zweifelsfrei und welch Zufall – um “Pädagogisches Schreiben um 1980″. grundsätzlich durch wahlloses stichprobenartiges Anlesen Doch nein, Zufall ist es nicht, wenn Theisohn nun auf Annet- festgestellt werden konnte. Insbesondere die theoretisch te Schavan, ihre erziehungswissenschaftliche Doktorarbeit ausgerichteten Arbeiten hinterließen “einen recht auffälligen und den rechten Umgang mit beiden zu sprechen kommt. Es Gesamteindruck”: Sie fußen sehr weitgehend auf den Theo- ist vielmehr der wissenschaftlichen Selbstdisziplinierung ge- rien und Erkenntnissen anderer Disziplinen. schuldet, wenn er dies tut. Denn viel lieber zwar würde er Ich spreche hier nicht von den zu erwartenden For- weiterhin von wahren Geistesriesen reden, doch schungsberichten, sondern von Arbeiten, die ein theore- die These, dass das avisierte Publikum, vor welchem man tisches pädagogisches Problem wirklich in erheblichem jeweils seine Gesten der Zitation und Paraphrase vollführt, Umfang über das Referieren der Positionen anderer lösen.

http://causaschavan.wordpress.com/ 64 Dass dem so ist, wird weder verschleiert noch als proble- bereits bei dem vielleicht entscheidenden Thema ange- matisch empfunden, sondern scheint normal. [11] langt: Wo beginnen in diesen Arbeiten Paraphrasen und was versteht man darunter? Wie extensiv und wie kurso- Ja – und? Was hat dies mit der Plagiatsdiskussion zu tun? risch wird zitiert? [11] Mir lag eine Arbeit vor, in der – ohne dass dies aus dem Dafür, dass dies nun das vielleicht entscheidende Thema Titel irgendwie ersichtlich war – von 240 Seiten recht sein soll, behandelt es Theisohn dann allerdings sehr non- unvermittelt 130 dem Referat zweier Vertreter psycholo- chalant. Er beschränkt sich darauf, ganz pauschal “verschie- gischer Handlungstheorien gewidmet waren, weitere 80 dene Umgangsformen mit geistigem Eigentum” zu nennen, dann der vergleichenden Systematisierung dieser “von denen uns die meisten heute seltsam anmuten:” Man Theorien. [11] kann “gleich alles” zitieren, oder man zitiert “sehr wenig, Ja? Das mag als selbständige wissenschaftliche Leistung zumindest deutlich weniger als heute”, was übrigens “über zwar irgendwie suboptimal erscheinen, gibt uns aber keiner- die Pädagogik hinausgeht”, oder aber man wählt den lei Aufschluss über die Gestik von Zitat und Paraphrase vor Mittelweg: Man bekennt sich offenherzig zu Paraphrase so oder anders avisiertem Publikum. Auch die Feststellung, und operiert mit Abstellformeln, z.B. mit Fussnoten, in dass es in solchen Arbeiten vielfach zur “Nivellierung der denen steht: “Ich halte mich bei diesen Ausführungen Quellen” kommt, dass den Autoren also Platon, Freud, wesentlich an die Aufzeichnungen von” (Abb. 6). Wie weit Luhmann oder Heidegger gleich viel gelten wie der “Aufsatz “diese Ausführungen” reichen (die Quelle taucht dann auf eines Fachkollegen”, Sekundärliteratur gleich viel wie Pri- den nächsten zwanzig Seiten immer wieder einmal auf) märliteratur, führt vom angeblichen Thema ab. Auch eine und wie “wesentlich” die Paraphrase ist, wird nicht gesagt. Dissertation, die ein Kapitel über Darwin enthält, ohne diesen [11] selbst zu zitieren, taugt als Beleg für gar nichts, solange Theisohn nicht etwa darlegt, dass hier eine Darwin-Lektüre vorgegaukelt werde – und dass das avisierte Publikum gar nichts anderes erwartet und gewünscht habe. Und es ist zwar schade und zeugt nicht gerade von begnadeter Be- Welche Aufschlüsse diese aus 25 wahllos angelesenen herrschung des wissenschaftlichen Handwerks, wenn ein Doktorarbeiten geschöpfte Typologie ergeben soll, bleibt Unterkapitel zu Auguste Comte “massgeblich über das nebulös. Einzig der “Mittelweg” wird näher beschrieben und Fischer Lexikon Philosophie oder ein Funkkolleg wiederge- durch ein Beispiel illustriert. Die gezeigte Abbildung aller- geben wird” – doch mit der Plagiatsdiskussion besteht auch dings verdient Aufmerksamkeit. Beim avisierten Publikum in diesem Fall kein erkennbarer Zusammenhang. Im übrigen mag der Gestus der Präsentation an dieser Stelle jedenfalls darf man es vielleicht auch für denkbar halten, dass ein sol- Wirkung gezeigt haben: In der Diskussion der Plagiatsvor- cher “Gestus der Zitation” beim primär avisierten Publikum würfe war immer wieder ausgerechnet dieses Werk, Ernst dieser Doktorarbeit, der Prüfungskommission, nicht den Stadters “Psychoanalyse und Gewissen”, (fälschlich) als das besten Eindruck hinterlassen hat. einzige genannt worden, das Annette Schavan passagen- weise übernommen, aber weder in den Fußnoten noch im Am nächsten kommt Theisohn einem Beleg für die bahn- Literaturverzeichnis aufgeführt habe. Sollte sie ihn nun etwa brechende Erkenntnis, dass es um 1980 tatsächlich nicht nur doch, wenn auch nur pauschal, zitiert haben? bei Annette Schavan, sondern auch in anderen erziehungs- wissenschaftlichen Doktorarbeiten zu Unsauberkeiten ge- Sie sollte nicht, doch das Publikum im Wissenschaftsrat kommen sei, wenn er den “gedoppelten Platon” vorführt: Da konnte das nicht wissen. Ebenso wenig wie es wissen konnte, wieviele der 25 Doktorarbeiten welche Merkmale in findet sich ein Unterkapitel zum sokratischen Denken, das welcher Deutlichkeit zeigten und inwieweit sie sich darin von in einer ersten Anmerkung Platons Apologie nach dem 25 wahllos angelesenen Doktorarbeiten aus anderen Fach- Historischen Wörterbuch der Philosophie (ohne Band- und gebieten, Jahrzehnten oder Weltgegenden unterschieden. Seitenangabe) zitiert, um dann im weiteren angeblich aus Und schon gar nicht konnte das Publikum wissen, was all einer bestimmten Ausgabe der Apologie direkt zu zitieren. dies für die Plagiatsvorwürfe gegen die frühere Ministerin [11] besagen wollte oder wie es sich zu der Untersuchung verhielt, die von der Fakultät in Düsseldorf geführt worden war. Es folgen noch ein paar Mutmaßungen. So besteht eine Das mag man für weltbewegend halten, hat mit einem “recht auffällige Korrelation zwischen Anmerkungstechnik “Gestus” vor avisiertem Publikum aber doch wohl weniger zu und Zitierhäufigkeit”, wobei in “Arbeiten, die nur mit Klam- tun als mit Schlamperei und Unfähigkeit. Da wir jedoch gera- merangabe im Fliesstext arbeiten”, der Verweis “vgl.” “sich de erst von Theisohn lernen durften, dass von Plagiaten nur oft an Sätze ohne wörtliche Zitate anschliesst, also ganz in gemeinem Sprachgebrauch zu reden ist, indem Texten offensichtlich eine Paraphrase kennzeichnen soll”. Hier wagt eine bestimmte Erzählung unterlegt wird, wollen wir uns vor der Forscher die “Vermutung”, dass ein Autorname im Fließ- solcher Gemeinheit auch bei Fußnoten und Zitiertechniken text in solchem Fall “als Marker der Uneigenständigkeit hüten und sagen: Es wird wohl so sein! Warum soll der Autor wahrgenommen” werde. Man hätte freilich auch im aktuellen denn nicht auch mal hier, mal dort genascht haben? Zitier-Knigge der ETH Zürich nachlesen und sich sagen lassen können: Damit, behauptet nun Theisohn, sei man

http://causaschavan.wordpress.com/ 65 Sinngemässe Zitate (Paraphrase): Setzen Sie bei Litera- Frau Schavan hat nicht geschummelt, sie hat auch Sekun- turstellen, die Sie in eigene Worte gefasst haben oder als därliteratur verwendet. Das hat ihr Doktorvater gebilligt. Zusammenfassung wiedergeben, die Quelle in Klammern. Ihre Arbeit hat er als korrekt und regelgerecht bezeichnet. [17] Oder aber, wegen der “Geschichtlichkeit”, wahllos eine von 25 alten Anleitungen anlesen. “Wissenschaftliches Arbeiten” Zum Abschluss gönnen wir uns noch ein wenig Wohlklang von Gundolf Seidenspinner zum Beispiel, erstmals 1970 über die “kulturwissenschaftliche Wende” in den Geisteswis- erschienen: senschaften, über Gespräche mit Naturwissenschaftlern, aus denen man schließen darf, dass der Aspekt der Wörtlichkeit Sofern man von einem Autor nur Gedanken übernimmt dort gar keine Rolle spielt. Überhaupt zeige die Auseinander- oder sich an dessen Ausführungen anlehnt, liegt nur ein setzung mit naturwissenschaftlichen Texten – eine weitere sinngemäßes oder indirektes Zitat vor. Der Umfang einer harte Prüfung, der sich Theisohn offenbar ausgesetzt hat – , solchen sinngemäßen Übernahme muß eindeutig erkenn- bar sein. Am Ende einer solchen Passage wird eine Fuß- dass der Begriff der “Information” von entscheidender Be- note angebracht; in der Fußnote wird der Autor zitiert, deutung für die historische Beurteilung wissenschaftlicher nach dem der entsprechende Passus dargestellt wurde. Normen sein wird. Als Information wird das Wissen näm- Eine solche Fußnote leitet man ein mit: “Vgl.” [="Verglei- lich seinem Ursprungsort entkoppelt und frei gesetzt. Der che"] Prozess, wie aus Forschungsresultaten Informationen werden, die ab einem gewissen Zeitpunkt ohne ihren Das ist nun freilich nicht die Klammer-Technik, aber vielleicht Entdecker auskommen müssen, ist noch unerforscht. [11] kann man Herrn Theisohn ja bei der Gelegenheit auch gleich noch den kategorialen Unterschied zwischen Regeln und Es bleibt also spannend. Wir aber wollen den kleinen For- Konventionen beibringen. Dem übrigens in der Plagiatsdis- schungsresultaten einstweilen zurufen: Bleibt tapfer, Ihr kussion eine sehr erhebliche Bedeutung zukommt. werdet schon zurechtkommen! Nun fragt Theisohn, “was man mit solchen Entdeckungen Etwas Geraune noch über “etliche Grauzonen, an die wir mit anfangen soll.” Er redet da tatsächlich von “Entdeckungen”. blossen Quelle-Text-Abgleichen gar nicht herankommen”, Welche Rückschlüsse lassen sie zu? Verblüffende Rück- und über die “Mentalitätsgeschichte der wissenschaftlichen schlüsse: Normen”, der wir uns nicht verschliessen dürfen. Die Normen könnten uns das sonst am Ende noch übelnehmen. 1. Das von mir gewählte Pädagogik-Beispiel zeigt vielleicht gerade besonders deutlich, dass die Einschätzung dessen, Und damit ist nun diese Sophisterei tatsächlich an ihr Ende was als zitierpflichtig erachtet wird und was nicht, sehr gekommen. Es war ein großartiger Vortrag des allseits als stark vom fachlichen Standpunkt abhängig ist. [11] brillant gepriesenen Daniel Düsenschrieb aus der schwei- zerischen Denkfabrik. Der endgültigen Rehabilitation der An- Vielleicht, vielleicht auch nicht – um das beurteilen zu kön- nette Schavan und ihrer Rückführung ins Ministeramt dürfte nen, müssten wir zunächst einmal wissen, welches “gewähl- angesichts der präsentierten Erkenntnisse nichts mehr im te Pädagogik-Beispiel” hier gemeint sein soll. Die nicht näher Wege stehen. Die Feinarbeit bleibt der IAG “Zitat und Para- genannten, nicht näher beschriebenen 25 wahllos angelese- phrase” im Zusammenwirken mit dem Wissenschaftsrat nen Dissertationen insgesamt? Oder welche dieser nicht überlassen. Wir aber grübeln wieder einmal darüber nach, näher beschriebenen Dissertationen, an denen Theisohn warum bei solchen Erscheinungen die bereitwillige Anbetung nichts von Erheblichkeit zeigen konnte, im Einzelnen? Und durch ganze akademische Festspielsäle regelmäßig zuver- von welchem fachlichen Standpunkt war jetzt bitte was ab- lässig vorausgesetzt werden kann, während etwa ein so voll- hängig? Was wurde eigentlich unterdessen aus dem guten endet witziger Wutanfall, wie ihn Joachim Schlör angesichts alten avisierten Publikum? Und aus der Zirkulationsgestikula- von Theisohns unverbindlicher Tiefgründigkeitssimulation tion in der historischen Kommunikationssituation? erleidet, eine seltene Ausnahme bleibt. Es würde uns mittlerweile ja auch völlig reichen, wenn Thei- Wir nehmen mal all unseren Wagemut zusammen und be- sohn an irgend einem Pädagogik-Beispiel überhaupt irgend haupten, dass die Vorstellung dessen, was als “wissen- etwas zeigen und nicht nur allerlei behaupten würde. Es schaftlicher Vortrag” betrachtet wird und was nicht, in hohem müsste noch nicht mal besonders deutlich sein. Stattdessen Maße eine Mentalitätsfrage zu sein scheint. Oder aber eine reitet Theisohn weiter darauf herum, dass unter den ganz Frage der praktischen Nutzbarkeit. spezifischen historisch-kommunikativen Bedingungen be- stimmter gestikulierender Fachkulturen vor avisiertem Publikum doch wahrhaftig

die Tradierung von “Sekundärzitaten”, deren originären

Zusammenhang nur noch wenige kennen, zur im Fach akzeptierten Norm wird. [11] An dieser Stelle möchten wir dem Expertenteam der IAG “Zitat und Paraphrase” an der Berlin-Brandenburgischen

Akademie der Wissenschaften dringend die Erweiterung durch Kurt Biedenkopf anempfehlen, der mit seiner hell- sichtigen Analyse früh schon zum Kern der Sache vorge- drungen ist:

http://causaschavan.wordpress.com/ 66 Dann, ganz unerwartet, gab es Neues aus der tet wurde, der mit der Allianz der Wissenschaftsorganisatio- Düsseldorfer Fakultät: Einen an versteckter nen unverhohlen versucht hatte, das Düsseldorfer Verfahren Stelle deponierten Bericht über die Bearbei- tung von Plagiatsfällen, der kaum einen ande- zu diskreditieren und auf die Entscheidung des Fakultätsrats ren Zweck haben konnte als den, das auferleg- Einfluss zu nehmen. [12] Darüber, dass die Tagung in der te Schweigen über Hintergründe und Umstände BBAW abgehalten wurde, in jenem Haus also, in dem “Zitat des Falles Schavan zu brechen: und Paraphrase” bis zur Rehabilitationsreife der einstigen Ministerin niedergeforscht werden sollen. Darüber, dass die

Teilnehmer von Georg Schütte begrüsst wurden, der als 23. August 2013 Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und For- Klopfzeichen aus Düsseldorf: Hintergründiges schung ein enger Vertrauter von Annette Schavan war und zum Fall Schavan ist. Darüber, dass und was Philipp Theisohn über die Nicht- feststellbarkeit von Plagiaten im Allgemeinen und im Beson- von Simone G. deren fabulieren durfte. [8] Darüber, dass zu den eifrigsten Mitdiskutanten der Erziehungswissenschaftler Heinz-Elmar Der Düsseldorfer Dekan Bruno Bleckmann und sein Prode- Tenorth gehörte, der in der Causa Schavan mehrfach öffent- kan Stefan Rohrbacher, der Verfasser des Schavan-Gutach- lich mit Entlastungsgutachten hervorgetreten war. [13, 14] tens, haben sich zu ihrem prominenten Fall bislang öffentlich Und schließlich darüber, dass aus Düsseldorf dagegen wohl nicht geäußert. Nach den Sitzungen des Fakultätsrats vom niemand eingeladen worden war, um gemeinsam über gute 22. Januar und vom 5. Februar 2013 las Bleckmann nur eine wissenschaftliche Praxis und Qualitätssicherung in der Pro- vorbereitete Erklärung vor, [1, 2] “extrem nüchtern und ohne motion nachzudenken. Emotion”. [3] Fragen waren nicht zugelassen. Der heftig an- gefeindete Gutachter rührte sich auch dann nicht, als man Der “Bericht” des Prodekans ihm wechselnd Unfähigkeit oder politische Interessen oder Vielleicht war es ja diese Tagung, auf der Düsseldorfer An- beides unterstellte. Die am Verfahren Beteiligten seien “bis gelegenheiten ohne Düsseldorfer Anwesende verhandelt zur Bedrohung reichenden, sehr privaten Nachstellungen wurden, welche die Fakultät nun doch dazu bewogen hat, und unflätigsten Beschimpfungen ausgesetzt” gewesen, hieß sich erstmals zu den Vorgängen um den Fall Schavan zu es in einem Uni-internen Rundschreiben des Rektors. [4] erklären. Diese Erklärung vom 15. August 2013 findet sich Doch sie hielten still. Gerne hätte man in Düsseldorf aber zwar an recht versteckter Stelle – auf der Internet-Seite der wohl Fakten sprechen lassen. Das wiederholte “Angebot” der Fakultät mit Informationen für Promovierende [15] -, aber sie Fakultät, die Unterlagen des Verfahrens öffentlich zu ist eben doch öffentlich. Und sie kommt zwar recht harmlos machen, [5] wurde von den Anwälten von Annette Schavan daher – als vom Dekan eingeforderter Bericht des Prode- freilich abgelehnt. [6] kans “zu den Fortschritten aktueller Plagiatsüberprüfungen” So konnte das öffentliche und halböffentliche Reden über -, aber sie hat es doch in sich. Die Promovierenden des das Schavan-Verfahren fortgesetzt werden, ohne dass man eigenen Hauses sind wohl kaum die eigentlichen Adressa- sich in seinen Mutmaßungen und Behauptungen allzu sehr ten. Die Erklärung des Prodekans nimmt vielmehr nur die durch Fakten stören lassen musste. Inzwischen liegt die Form des internen Berichts an, um auf diese Weise die Öf- Sache beim Verwaltungsgericht. Anders als die beklagte fentlichkeit erreichen zu können. Der Name “Schavan” wird Universität sind die Verbündeten der Klägerin in Politik und nicht genannt, die mitgeteilten Informationen sind sozusagen Wissenschaft dadurch in ihren Aktionen nicht eingeengt. Sie in der Verallgemeinerung anonymisiert und geben dennoch haben keinen “Maulkorb” zu tragen und außerdem reichlich wichtige Aufschlüsse über die prominente Causa und ihre Mittel und Wege. So können sie ganz ohne Umstände mal Umstände. In der Bloggerszene ist diese Erklärung etwas eben ein angebliches Forschungsvorhaben zu “Zitat und verzögert wahrgenommen, dann aber aufmerksam registriert Paraphrase” an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der und rasch verbreitet worden. [16, 17, 18, 19] Die Qualitäts- Wissenschaften (BBAW) installieren. [7] Für die Bekanntga- medien haben von ihr bislang keine Notiz genommen. be erster angeblicher Erkenntnisse aus diesen angeblichen Forschungen ist dann eine Tagung des Wissenschaftsrats gerade gut genug. Und dabei ergibt es sich – welch Zufall -, dass sich die Forscher veranlasst gesehen haben, gerade am Beispiel pädagogischer Doktorarbeiten der Zeit um 1980 aufzuzeigen, dass man Plagiate gar nicht aufzeigen kann. Weil nämlich Normen nur Mentalitätsfragen im Nebel der Geschichtlichkeit sind und ein Plagiat nichts anderes ist als eine Erzählung, die wir Texten unterlegen. Eine Unterstel- lung also. [8] “Wissenschaft in der Verantwortung: Gute wissenschaftliche Praxis und Qualitätssicherung in der Promotion” war die Ta- gung des Wissenschaftsrats vom 23. Juli betitelt. Die Düssel- dorfer mochten sich ihren Teil denken: Darüber, dass diese Tagung von der FAZ-Redakteurin Heike Schmoll moderiert Unter der Zwingburg: Die Düsseldorfer Gelehrten wurden von der gestrengen wurde, die in der Affäre Schavan durch einen besonders Wissenschaftsobrigkeit aufgeschrieben und geben ihrerseits eine Erklärung ab kampagnenhaften Journalismus aufgefallen war. [9, 10, 11] Darüber, dass die Tagung vom Wissenschaftsrat ausgerich-

http://causaschavan.wordpress.com/ 67 1. Schavan – Ein Fall unter vielen Vorermittlungen durch die Fakultät von neuem aufge- nommen werden. [15] Was also ist es, das wir dieser Erklärung entnehmen sollen? Rohrbacher beginnt mit der Feststellung, dass der Düssel- Bisher allerdings ergab sich ein solcher Fall noch nicht. dorfer Promotionsausschuss seit Oktober 2011 “in ununter- Wenn die Fakultät nun schon seit geraumer Zeit ohne brochener Folge mit der Aufarbeitung solcher Fälle” beschäf- Unterbrechung Plagiatsverdachtsfällen nachzugehen hat, tigt ist. Der Fall Schavan – Anfang Mai 2012 der Universität verdankt sich dies jedenfalls nicht dem Funktionieren des bekannt geworden – war also nicht der erste seiner Art. Tat- Ombudssystems oder der Kommission zur Sicherung guter sächlich waren sogar “seit Mai 2012 fast durchgängig meh- wissenschaftlicher Praxis. Von dieser Seite nämlich “sind rere Fälle gleichzeitig zu bearbeiten”. Die öffentlichen Dis- Hinweise bislang nicht erfolgt.” Hinweise, die zur Einleitung kussionen nehmen nur die prominenten und politisch brisan- von Vorverfahren führten, kamen dagegen aus der Fakultät ten Fälle zur Kenntnis, doch die Realität sieht anders aus. selbst, aus anderen Universitäten oder auch von “Internet- Hier reiht sich der prominente Fall nur unter andere ein: Rechercheuren”. Oder sie verdankten sich der “Mitkenntnis der Diskussion von Befunden auf einer Internet-Plattform”, Gegenwärtig (August 2013) liegen beim Ausschuss drei deren Aktivitäten offenbar interessiert verfolgt werden. Ge- Plagiatsverdachtsfälle in verschiedenen Stadien des Vor- genüber anonymen Whistleblowern bestehen grundsätzlich verfahrens. Die Gesamtzahl der bislang behandelten Fälle wenig Berührungsängste: bewegt sich noch im einstelligen Bereich. [15] Ausschlaggebend ist allein das Vorliegen substantiierter Damit ist jedoch auch gesagt, dass grundsätzliche Verfah- Hinweise, nicht die Herkunft dieser Hinweise. [15] rensabläufe von der Fakultät nicht erst wegen des prominen- ten Falles erörtert und festgelegt wurden und dass die Hin- Bislang waren die Hinweise jedoch nur in einem Fall anonym weise auf die rechtsstaatlich gebotene Gleichbehandlung – wir können vermuten: Im Fall Schavan. einen konkreten Hintergrund in einer laufenden Praxis 3. Prozeduren von langer Dauer haben. Aufschlussreich sind auch die allgemeinen Hinweise zum 2. Veranlassungen und Zuständigkeiten Verfahrensablauf. Eine lange Verfahrensdauer ergibt sich Wenig Eindruck scheinen in Düsseldorf die aktuellen nicht nur aus der besonderen Belastung, die diese Über- Empfehlungen von Hochschulrektorenkonferenz und prüfungen für die Ausschussmitglieder bedeuten, da Deutscher Forschungsgemeinschaft zur Einschaltung des für diese Tätigkeiten im Promotionsausschuss regelmäßig Ombudssystems, der Universitätskommissionen für Quali- keine besonderen personellen Kapazitäten zur Verfügung tätssicherung und des Rektorats in Plagiatsverfahren hinter- stehen und zu ihrer Erledigung eine Freistellung von regu- lassen zu haben. Der Promotionsausschuss der Fakultät lären Dienstaufgaben nicht möglich ist. [15] werde Eine lange Verfahrensdauer ergibt sich auch aus den Abläu- in jedem Verdachtsfall tätig, der der Fakultät zur Kenntnis fen nach Recht und Gesetz: Allein für die Abgabe einer Stel- gelangt. Dies ergibt sich aus dem bei der Fakultät liegen- lungnahme muss der betroffenen Person eine Frist von in den Promotionsrecht und der daraus erwachsenden Ver- der Regel einem Monat zugestanden werden. Eine Stellung- antwortung auch für eine nachsorgende Qualitätssiche- nahme darf aber erst eingeholt werden, rung im Promotionswesen. [...] wenn die Sachstandsermittlung vollständig abgeschlossen Die Verfahrensgestaltung richtet sich im Übrigen nach dem und eine detaillierte Erörterung und Wertung durch die Verwaltungsverfahrensgesetz und dem Hochschulgesetz Ausschussmitglieder erfolgt ist. Würde dagegen die des Landes sowie nach der Promotionsordnung der Sachstandsermittlung nach erfolgter Stellungnahme Philosophischen Fakultät. [15] fortgesetzt, oder würden sich im weiteren Verlauf des Vorverfahrens zusätzliche belastend wirkende Gesichts- Damit stellt sich die Düsseldorfer Fakultät, die ohnehin schon punkte oder Wertungen ergeben, so wäre der betroffenen heftigster Kritik wegen angeblicher Nichtbeachtung angeblich Person hierzu erneut Gelegenheit zur Anhörung zu geben. maßgeblicher Standards und Kriterien angeblicher guter wis- [15] senschaftlicher Praxis ausgesetzt war und dieser Kritik im laufenden Verfahren getrotzt hat, noch einmal offen gegen Allein die “Sachstandsermittlung”, also die Phase bis zur die neuerdings von starken Kräften angestrebte Verände- Einholung einer Stellungnahme, nahm bislang in keinem der rung der Verfahrensregeln und Verlagerung der Zuständig- geführten Verfahren weniger als vier Monate in Anspruch. keiten – nicht zuletzt, indem sie die vielbeschworenen Auch in dieser Hinsicht scheint die Causa Schavan nicht aus “Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher dem Rahmen zu fallen, zumal Rohrbacher betont, dass Praxis” gar nicht erst erwähnt. Mehr noch, sie stellt sich auf in jedem Fall eine eigenständige, in ihren Voraussetzun- den Standpunkt, dass sie eine Mitwirkung etwa der Ombuds- gen und Methoden unabhängige Prüfung erfolgen muss, leute oder der Universitätskommission für gute wissenschaft- auf entsprechende Materialaufbereitungen von dritter liche Praxis in einem solchen Verfahren nicht hinnehmen Seite (z.B. Internet-Plattformen) also für die Sachstands- und deren Tätigkeit sogar ignorieren würde: ermittlung nicht zurückgegriffen wird. [15] Die Notwendigkeit der eigenständigen Prüfung [durch Pro- 4. Vertraulichkeit und sehr besondere Vorzeichen motionsausschuss und Fakultätsrat] bliebe [...] auch in dem [...] Fall bestehen, dass einem Plagiatsverdacht zu- Während des Verfahrens sei zur Wahrung der Persönlich- nächst an anderer Stelle in der Universität nachgegangen keitsrechte strikte Vertraulichkeit geboten. In Düsseldorf sei worden wäre: Auch in solchem Fall müssten sämtliche es “bislang regelmäßig” gelungen, die Vertraulichkeit zu

http://causaschavan.wordpress.com/ 68 wahren, liest man mit Erstaunen. Immerhin hat der Bruch der ja in Wahrheit das genaue Gegenteil von dem, worauf der Vertraulichkeit im Verfahren der Ministerin Schavan zum Wissenschaftsrat hinauswill. Skandal geführt, und der Prodekan wird sich wohl noch daran erinnern, dass es sein Gutachten war, das im Oktober 2012 vorab an die Medien durchgestochen wurde. Doch in der Causa Schavan war eben nichts “regelmäßig”: In diesem

“Fall, der allerdings unter sehr besonderen Vorzeichen stand”, wurde In einem Kommentar im Blog Archivalia stellt sich auch Bernd Dammann die Frage, welche Absicht mit diesem an- das Verfahren von Beginn an und während seiner gesam- geblich internen “Bericht” tatsächlich verfolgt wird. Er vermu- ten Dauer von außerordentlich intensiven und erfindungs- tet, dass es darum gehe, die Öffentlichkeit über den Stand reichen Versuchen der Abschöpfung von Informationen des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und über die wie auch der Einflussnahme begleitet [...]. [15] Argumentationslinie der beklagten Universität in diesem Dabei seien gerade in diesem Fall besondere Anstrengun- Verfahren zu unterrichten. gen unternommen worden, die auch mit “erheblicher Mehr- Denn die Kernaussage dieses ‘Berichts’ laute[t] in meiner belastung” verbunden waren, um die Vertraulichkeit zu Lesart, dass mit der Arbeit der Klägerin genau so umge- wahren. Bereits das Gutachten, das der Bonner Wissen- gangen wurde wie in jedem anderen Fall auch (rechts- schaftsrechtler Klaus Ferdinand Gärditz im Januar 2013 zum staatlicher Grundsatz der Gleichbehandlung), was die Verfahren der Fakultät vorgelegt hat, geht auf diese beson- Klägerin allerdings entschieden bestreitet. In Wirklichkeit deren Bemühungen näher ein. [20] Selbst in der distanzier- scheint mir deswegen dieser ‘Bericht’ Bestandteil einer von ten Tonart der Erklärung des Prodekans klingt noch durch, der zuständigen Kammer angeforderten Stellungnahme dass die heftigen Vorwürfe, die von HU-Präsident Jan- der Beklagten im Rahmen des anhängigen Verfahrens zu Hendrik Olbertz und anderen in diesem Zusammenhang sein, in das wir auf diese Weise Einblick gewährt bekom- erhoben wurden, [21] die für das Verfahren verantwortliche men. [22] Fakultätsleitung tief getroffen haben müssen. Vielleicht ist das so. Wenn es so wäre, dann würde die un- Man darf sich den “Belagerungszustand”, den der Düssel- mittelbare Bezugnahme auf den Wissenschaftsrat und seine dorfer Rektor in seinem internen Rundschreiben beklagte, [4] famose Tagung vielleicht noch einmal einen besonderen an dieser Stelle wohl noch einmal recht farbig ausmalen: Seit Sinn machen. Denn vielleicht wäre ja dann bereits die ganze Anfang Mai 2012 bereits liefen demnach diese “intensiven Tagung mitsamt dem Forschungsvorhaben “Zitat und Para- und erfindungsreichen” Bemühungen, an Vertrauliches zu phrase” auch nicht viel anderes als eine Maßnahme zur Be- kommen und auf das Verfahren einzuwirken, und sie liefen schaffung von Stellungnahmen, die der zuständigen Kammer “während seiner gesamten Dauer”. Angesichts dieser Mittei- im Rahmen des anhängigen Verfahrens vorgelegt werden lung ist es nicht ganz selbstverständlich, dass bis Oktober könnten. Gerne auch unangefordert. 2012 offenbar keinerlei Informationen aus der laufenden Prüfung nach außen drangen, und dass das Verfahren überhaupt zu einem geregelten Ende geführt werden konnte. Ja, man darf wohl erwarten, dass das Verwal- 5. Gruß an den Wissenschaftsrat tungsgericht Düsseldorf bei der Entschei- dungsfindung in der Causa Schavan nicht Über die künftige Entwicklung gibt sich die Düsseldorfer völlig ohne selbstlose Hilfestellung durch Fakultät keinen Illusionen hin: Die Plagiatsverdachtsfälle die Wissenschaft selbst auskommen muss. werden nicht weniger werden. Was also tun? Am Schluss gibt Rohrbacher die nüchterne Distanziertheit seines “Be- richts” dann doch noch auf. Diesen Schluss sollte man frei- lich zweimal lesen: Die Fakultät weiß sich der Maxime verpflichtet, unter die der Wissenschaftsrat jüngst seine Tagung zur Qualitäts- sicherung bei Promotionen gestellt hat: „Wissenschaft in der Verantwortung“. Getreu dieser Maxime kann die interne Handlungsanweisung nur lauten: „Augen auf und durch.“ [15]

Zwar ist keineswegs als gesichert anzunehmen, dass in der Führungsetage des Wissenschaftsrats oder auch bei sonsti- gen Spitzen des Wissenschaftsbetriebs im Allgemeinen son- derlich viel Sinn für Ironie und Sarkasmus herrscht. Dennoch muss man wohl nicht befürchten, dass diese vorgebliche Ergebenheitsadresse und das lammfromme Bekenntnis zu getreuer Befolgung der hehren “Maxime”, die der Wissen- schaftsrat anlässlich seiner formidablen Tagung ausgegeben hat, nach all dem noch missverstanden werden könnten. Denn das unbeirrte Düsseldorfer “Augen-auf-und-durch” ist

http://causaschavan.wordpress.com/ 69 Ganz anders als die Universität in Düsseldorf Von besonderem Interesse ist dabei § 8 der Promotionsord- ging die TU Dortmund mit einem prominenten nung der Dortmunder Fakultät 15 (Kulturwissenschaften) in Plagiatsfall um. Eine vergleichende Studie von RA Bongartz kam zu überraschenden Ergeb- der damals geltenden Fassung, wonach der Kandidat bei der nissen: Alles war anders anders als gedacht. Einreichung der Doktorarbeit auch eine Erklärung darüber abgeben musste,

11. September 2013 ob die vorgelegte Dissertation ganz oder in einer anderen Der Fall Marc Jan Eumann und der Schavan- Fassung oder in Teilen einer Hochschule im Zusammen- Skandal hang mit einer staatlichen oder akademischen Prüfung vorliegt oder vorgelegen hat. [2] von RA Bongartz Nach allem, was wir bislang über den Fall Eumann wissen, Seine Jahresfeier 2012 hatte das Institut für Journalistik an scheint es nur zwei unschöne Möglichkeiten zu geben: Der der TU Dortmund unter das launige Motto „Journalisten- damalige Kandidat hat die Abgabe einer solchen Versiche- Zapfenstreich“ gestellt. Der geschäftsführende Direktor, rung entweder ordnungswidrig unterlassen (in welchem Fall Horst Pöttker, eröffnete mit einem Vortrag, der von Begeg- dann auch die Prüfungsbehörde ihrerseits ordnungswidrig nungen mit allerlei Absolventen des Instituts handelte und so verfahren wäre), oder aber er hat diese Versicherung wahr- aufzeigen konnte, „dass die Berufsaussichten für Journalis- heitswidrig abgegeben. Zu dieser Frage schweigt Eumann. ten nicht so schlecht sind, wie viele denken.“ [1] Sodann trat Seine Beteuerung, dass der Titel seiner Magisterarbeit dem ein besonders ermutigendes Beispiel für die nicht so Doktorvater, dem Prüfungsausschuss und der Fakultät schlechten Berufsaussichten von Journalisten, insbesondere bekannt gewesen sei, ist hier nicht weiterführend. aber von Absolventen des Instituts für Journalistik an der TU Von Interesse sind auch die widerstreitenden Äußerungen Dortmund, an das Rednerpult: des Doktorvaters und des Zweitgutachters. Tatsächlich war Dr. Marc Jan Eumann, NRW-Staatssekretär für Medien es der Doktorvater, Horst Pöttker, Professor für Praxis und und Europa. Er übermittelte den Studierenden Glück- Theorie des Journalismus, der die Überprüfung des Falles wünsche von der Landesregierung und betonte, wie durch die Universität anstieß: Erst durch die Lektüre einer wichtig kritische Journalisten für eine gut funktionierende kritischen Rezension der Doktorarbeit wollte Pöttker mit der Demokratie sind. [1] Tatsache konfrontiert worden sein, dass Eumann zwanzig Jahre vor der Promotion bereits eine Magisterarbeit mit Es folgte die feierliche Überreichung der Urkunden an die nahezu identischem Titel und teilweise identischem Inhalt letztjährigen Absolventen der Diplom-, Bachelor- und verfasst hatte. Bis dahin hatte sich dieser Doktorvater für das Masterstudiengänge des Instituts. akademische Vorleben seines externen Kandidaten offenbar Auch den Doktorandinnen und Doktoranden, zu denen nicht näher interessiert. Nun fühlte er sich getäuscht und tat Staatssekretär Marc Jan Eumann selbst gehörte, gratu- dies auch öffentlich kund. [3] Zweitgutachter Ulrich Pätzold lierte Prof. Dr. Pöttker. Anschließend sorgte eine Kollage erklärte unterdessen gleichfalls öffentlich, warum Eumann aus Fernsehaufnahmen der Zapfenstreiche für die ehe- nicht getäuscht und alles seine Richtigkeit hatte. [4] maligen Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Spätestens bei diesem Stand der Dinge mochte man sich Wulff und den ehemaligen Verteidigungsminister Karl- um den ordentlichen Gang der förmlichen Überprüfung durch Theodor zu Guttenberg für Schmunzeln im Publikum. [1] die Universität seine sorgenvollen Gedanken machen. Denn Dieses freudige Ereignis trat am 4. Mai 2012 ein, wenige ein Verfahren, um dessen Gegenstand sich Doktorvater und Tage nachdem Annette Schavan beim Gedanken an ihre Zweitgutachter gleich zu Beginn öffentlich eine Kontroverse Doktorarbeit das Lachen vergangen war. Auch in Dortmund liefern, darf bereits als belastet gelten. Dabei hatte die TU ist seither bei diesem Thema erhöhte Humorlosigkeit festzu- Dortmund Zweifel daran, dass sie diesen Fall nachgerade stellen. Dafür sorgte wohl abermals eine Kollage. Auch ein mustergültig aufarbeiten würde, gar nicht erst aufkommen weiterer Zapfenstreich erscheint nicht ausgeschlossen. lassen wollen. Vor dem Hintergrund des Skandals um die Doktorarbeit der Wissenschaftsministerin Schavan und in Anbetracht der Skandalisierung des Düsseldorfer Prüfver- fahrens musste es auffällig erscheinen, wie man in Dortmund den ordnungsgemäßen Gang eines solchen Verfahrens vor- Seit Anfang Januar 2013 steht der nordrhein-westfälische gezeichnet hatte: Zunächst Vorprüfung durch die Ombuds- Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) im Verdacht, person, sodann Prüfung durch die „Kommission zur Sicher- ein „Promotionsbetrüger“ zu sein (besser: ein „Promotions- stellung guter wissenschaftlicher Praxis“, dabei Einbezie- täuscher“ – die Problematik des juristischen Betrugsbegriffs hung eines externen Gutachters, sodann Bewertung durch in solchem Zusammenhang können wir an dieser Stelle aber das Rektorat, schließlich – sofern das Rektorat so entschei- vernachlässigen). Unstrittig ist, dass seine 2010 an der TU det – Überweisung an die Fakultät. Dortmund eingereichte pressegeschichtliche Doktorarbeit auf Damit entsprach der in Dortmund gewählte Verfahrensweg der Magisterarbeit fußt, die Eumann 1991 an der Universität exakt den Vorstellungen und Forderungen, die von der zu Köln vorgelegt hatte. Nun geht es um die Frage, wie sich Hochschulrektorenkonferenz (HRK) geäußert worden waren. das Verhältnis zwischen beiden Arbeiten genau beschreiben Zugleich schien die TU Dortmund damit in allen Punkten die lässt, und ob es sich dabei um ein legitimes Verhältnis han- massive Kritik am Düsseldorfer Verfahren im Fall Schavan delt. zu bestätigen, denn all das, was die Kritiker von Düsseldorf vergeblich gefordert hatten, erklärte Dortmund nun zu

http://causaschavan.wordpress.com/ 70 wesentlichen Bestandteilen des Verfahrens. Der Fall Eu- das Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels zu mann erschien als jener prominente Fall nach Schavan, in eröffnen. [7] dem der Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens bei der Dies und nichts anderes wurde durch die Universität seiner- Promotion nun erstmals nach „Regeln guter wissenschaft- zeit über den Stand des Verfahrens offiziell mitgeteilt. Zu- licher Praxis“ behandelt werden würde. Auch angesichts des gleich wurde betont, dass hierin keine vorweggenommene Umstands, dass die Dortmunder TU-Rektorin Ursula Gather Entscheidung der Fakultät zu sehen sei, dass es dem Fakul- 2011/2012 als HRK-Vizepräsidentin fungiert hatte und der- tätsrat vielmehr freistehe, ob er dieser Empfehlung folgen zeit der Landesrektorenkonferenz in Nordrhein-Westfalen wolle oder nicht, und dass auch eine eventuelle Eröffnung vorsteht, liegt die Deutung nahe, dass dem Fall Eumann eine des Hauptverfahrens zunächst nur bedeute, dass der Fakul- beispielgebende Rolle zugedacht war. Als externer Gutach- tätsrat selbst in die Prüfung der Sache eintrete. Immer ter wurde denn auch kein geringerer als der Ombudsmann wieder wurde darauf hingewiesen, dass das Verfahren in der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Wolfgang Löwer, allen Stufen und Phasen ergebnisoffen geführt werde. In der hinzugezogen. öffentlichen Diskussion hinterließen diese Erklärungen wenig Skandal und Skandalisierung Eindruck. Nach wie vor wurde behauptet, dass das Verfah- ren mangelhaft und unredlich und die Verurteilung faktisch Der Verlauf dieses Musterverfahrens ist jedoch durchaus bereits erfolgt sei. Selbst in der Äußerung des Düsseldorfer nicht musterhaft. Gerade dies macht den Fall Eumann aber Rektors Hans Michael Piper, dass der Grundsatz der Gleich- nicht nur an sich interessant, sondern erlaubt auch noch ein- behandlung gelte und Schavan ein Recht auf ein ordent- mal Aufschlüsse im Rückblick auf den Plagiatsfall Schavan liches Verfahren habe, wollte man einen Beleg für einen und seine Begleitung durch Medien, Politiker und Wissen- „Prominentenmalus“ erkennen. [8] schaftsfunktionäre. Am Fall Eumann wird erneut deutlich, wie das Düsseldorfer Prüfverfahren im Fall Schavan systema- Im Fall Eumann fasste das Rektorat der TU Dortmund am tisch skandalisiert wurde: 18. Juli 2013 folgenden Beschluss: Im Fall Schavan löste der Bruch der Vertraulichkeit einen In Würdigung des Kommissionsberichts und des externen Sturm der Entrüstung aus. Nachdem die Medien darüber be- Rechtsgutachtens stellt das Rektorat erhebliches wissen- richtet hatten, dass das Rohrbacher-Gutachten den Plagiats- schaftliches Fehlverhalten des Herrn Dr. Eumann fest und vorwurf bestätigte und von vorsätzlicher Täuschung ausging, beschließt daher, die Angelegenheit dem Fakultätsrat der musste man den Eindruck gewinnen, dass ein solcher Ge- Fakultät 15 zur Einleitung eines Verfahrens zur Aberken- heimnisverrat ein unerhörtes, nie dagewesenes Sakrileg sei. nung des Doktorgrads gem. § 19 der ‚Promotionsordnung Noch die wüstesten Haudegen des Wissenschaftsbetriebs der Universität Dortmund der Fakultät Kulturwissenschaf- zeigten sich kindlich erschüttert. In Medienkommentaren, ten vom 06.12.2001‘ zuständigkeitshalber zuzuleiten. [9] von Politikern, nicht zuletzt aber von Wissenschaftsfunktio- Dieser Beschluss wurde anderntags publiziert. Die vorab nären wurden nun heftige Vorwürfe gegen den Promotions- öffentlich gemachte Feststellung erheblichen wissenschaft- ausschuss und die Fakultät erhoben, die bis zur Unterstel- lichen Fehlverhaltens durch das Rektorat fand kein kritisches lung politischer Motive und bis zur Behauptung der Befan- Echo. Dem Verfahren, das durch die Fakultät erst eingeleitet genheit sämtlicher Verfahrensbeteiligter reichten. Das werden sollte, war dadurch die Feststellung und Würdigung Gutachten müsse verworfen und das Verfahren neu eröffnet des Sachverhalts im Wesentlichen bereits vorgegeben – und oder sogar von der Universität ganz „abgegeben“ werden. zwar durch die Hochschulleitung, der die Rechtsaufsicht Tatsächlich haftete dem Verfahren der Düsseldorfer Fakultät über das Verfahren der Fakultät zukommt. Daran nahmen seither in der öffentlichen Wahrnehmung der Makel der In- freilich weder die Medien noch Politiker oder Wissenschafts- diskretion an. funktionäre auch nur den geringsten Anstoß. Ähnlich Missliches geschah in Dortmund, doch die Reaktio- Im Fall Schavan wurde die banale Tatsache, dass ein Gut- nen fielen völlig anders aus: Auch die für Eumann ungünsti- achten in ein Votum mündete (das in diesem Fall für die Be- gen Schlüsse des Löwer-Gutachtens wurden den Medien troffene ungünstig lautete), wieder und wieder als angebli- vorab bekannt. [5] Doch das Echo auf diesen Geheimnisver- cher Beweis für eine Vorverurteilung und ein von Anfang an rat war kaum messbar. Nachdem Löwer erklärt hatte, dass gelenktes Verfahren angeführt. Im Fall Eumann fand dage- er nicht die Quelle der Indiskretion sei, [6] hatte es damit sein gen der bemerkenswerte Umstand keinerlei Beachtung, dass Bewenden. Aus Politik und Wissenschaft fühlte sich niemand vor Beginn des Verfahrens durch die zuständige Fakultät zu einer Wortmeldung oder gar zur Verfahrenskritik berufen. bereits das Rektorat einen förmlichen Beschluss samt einer Außer Eumann selbst verdächtigte niemand die Mitglieder Beurteilung in der Sache veröffentlichte (die in diesem Fall der Dortmunder Kommission oder des Rektorats der man- für den Betroffenen ungünstig lautete). Auch dass Eumann gelnden Korrektheit oder gar der Befangenheit. In den bis dahin noch kein rechtliches Gehör gewährt worden war, Medien war die Angelegenheit ohnehin weitestgehend wurde nicht thematisiert oder gar zum Skandal erklärt. unbeachtet geblieben. Dortmunder Verfahrensfragen Im Fall Schavan empfahl der Promotionsausschuss dem Fakultätsrat im Dezember 2012 die Einleitung des Hauptver- Das Dortmunder Verfahren will den „Regeln guter wissen- fahrens. Daraufhin erklärte der Dekan der Fakultät, dass er schaftlicher Praxis der Technischen Universität Dortmund“ dem Rat die Frage vorlegen werde, [10] folgen. Als musterhaft wird sich dieses Verfahren jedoch womöglich deshalb erweisen, weil sich an ihm zeigen wird, ob die von der Promotionskommission ermittelten Befunde dass und warum eine solche Verfahrensführung scheitern als schwerwiegend genug betrachtet werden können, um muss: Es handelt sich um den weder rechtlich zulässigen

http://causaschavan.wordpress.com/ 71 noch auch nur praktikablen Versuch, hochschul- und verwal- der Hochschule verwiesen sind. Das Promotionswesen ist tungsrechtliche Bestimmungen durch hochschulinterne Angelegenheit der Fakultäten. Und die „Regeln“ enthalten Regelungen zu ergänzen und teilweise zu ersetzen und auf insbesondere nichts, was darauf schließen lässt, dass die diese Weise Verfahrenswege mit einander zu verquicken, „Kommission zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher die in keinem rechtlich geregelten Verhältnis zu einander Praxis“ etwa als Vorprüfungsinstanz in Verfahren zur Ent- stehen. ziehung des Doktorgrades fungieren soll. „Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“, wie sie an der TU Die „Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“ würden also Dortmund im Januar 2001 erstmals durch den Senat be- eine derartige Verfahrensgestaltung selbst dann nicht her- schlossen und zuletzt im Juli 2008 abgeändert wurden, fin- geben, wenn man ihnen zubilligen wollte, als rechtlich tra- den sich so oder ähnlich an vielen deutschen Hochschulen. gende Grundlage hierbei überhaupt in Frage zu kommen. Wo sie über die mehr oder weniger gleichlautende Formulie- Davon kann aber keine Rede sein: rung wissenschaftsethischer Grundsätze hinausgehen, Das Hochschulgesetz (HG) des Landes Nordrhein-Westfalen zielen solche „Regeln“ regelmäßig auf den Umgang mit weist in § 64 Abs. 1 und § 67 Abs. 3 die Durchführung des hochschulinternen Konfliktfällen, die möglichst einer Schlich- Promotionsstudiums und die Zuständigkeit für das Prüfungs- tung zugeführt werden sollen. So ist auch die Dortmunder wesen den Fachbereichen (Fakultäten) zu. Wenn gesagt „Kommission zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher wird, dass das Promotionsrecht der Universitäten „bei den Praxis“ unverkennbar als eine interne Schlichtungsinstanz Fakultäten liegt“, trifft das die Verhältnisse also bildlich präzi- gedacht. In § 6 Abs. 6 der „Regeln“ heißt es: se. Das Hochschulgesetz benennt im Übrigen die Organe Mitglieder und Angehörige der Technischen Universität und Gremien der Hochschulen und weist jeweils ihre Zustän- Dortmund, die einen hinreichend begründeten Verdacht digkeiten aus. § 12 Abs. 1 HG NRW sagt: auf einen Fall wissenschaftlichen Fehlverhaltens vor- Die Organe haben Entscheidungsbefugnisse. Sonstige bringen, sind gehalten, die Umstände der Kommission Gremien, Funktionsträgerinnen und Funktionsträger haben mitzuteilen. Die Umstände werden zunächst durch die Entscheidungsbefugnisse nur, soweit es in diesem Gesetz zuständige Ombudsperson und anschließend durch die bestimmt ist. Gremien, Funktionsträgerinnen und Funk- Kommission insgesamt daraufhin geprüft, ob ein Fall von tionsträger mit Entscheidungsbefugnissen können zu ihrer wissenschaftlichem Fehlverhalten im Sinne dieser Unterstützung beratende Gremien (Kommissionen) bilden. Grundsätze erkennbar ist bzw. ob die Möglichkeit einer Gremien mit Entscheidungsbefugnissen können darüber einvernehmlichen Schlichtung zwischen den Beteiligten hinaus Untergremien mit jederzeit widerruflichen Entschei- besteht. [10] dungsbefugnissen für bestimmte Aufgaben (Ausschüsse) Auch die folgenden Absätze des § 6 setzen unzweideutig einrichten […]. [11] voraus, dass sich die Kommission mit derartigen internen Darauf gründet die Mitwirkung der durch Fakultätsräte ein- Konfliktfällen zu befassen hat. So bestimmt Abs. 7, dass die gesetzten Promotionsausschüsse in gestuften Verfahren Kommission entsprechende „Vorwürfe“ zeitnah und umfas- zum Entzug des Doktorgrades, wie sie bislang regelmäßig – send durch ein „unparteiliches Verfahren“ aufzuklären hat, in und in dieser Hinsicht regelmäßig unbeanstandet – an zahl- dem reichen Fakultäten durchgeführt worden sind. Eine „Kommis- alle Beteiligten angehört werden und Gelegenheit zur sion zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ kennt Stellungnahme und zur mündlichen Erläuterung erhalten. das Gesetz dagegen nicht. Ihre Mitwirkung in einem rechts- [10] förmig zu gestaltenden Verfahren ist nach § 12 Abs. 1 HG NRW ausgeschlossen. Sie bliebe auch dann ausgeschlos- Abs. 8 sieht die Möglichkeit einer Beendigung des Verfah- sen, wenn sich etwa das Rektorat auf den Standpunkt stellen rens durch Schlichtung vor, wollte, diese Kommission zu seiner Unterstützung gebildet wenn alle Beteiligten dem zustimmen. In diesem Fall kann und mit Entscheidungsbefugnissen für bestimmte Aufgaben ein Bericht an das Rektorat unterbleiben. [10] ausgestattet zu haben. Denn das Rektorat ist zwar zweifellos ein Organ mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen, Abs. 9 lautet schließlich: nur eben nicht in Promotionsangelegenheiten. Hier be- Ist eine Angelegenheit bis zur Entscheidungsreife aufge- schränkt sich seine Funktion auf die Ausübung der Rechts- klärt und beraten und kommt es nicht zu einer einvernehm- aufsicht gegenüber der zuständigen Fakultät. lichen Schlichtung, berichtet die Kommission dem Rekto- Im Übrigen benennt das Hochschulgesetz auch die rechtlich rat. Der Bericht enthält insbesondere eine Würdigung des wirksamen Ordnungen der Hochschulen. Es kennt eine ermittelten Sachverhalts und einen Vorschlag über die zu Grundordnung. Es kennt Promotionsordnungen. Von ergreifenden Maßnahmen. [10] „Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“ weiß es nichts. Anderes haben die Dortmunder „Regeln“ über die Tätigkeit Das Promotionsrecht schwebt nicht irgendwo zwischen der der „Kommission zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher Universität, ihren Binneneinheiten, Organen und Gremien Praxis“ nicht zu sagen. Sie enthalten keinerlei Vorgaben für herum. Es liegt bei den Fakultäten. Indem sie von ihrer den Umgang mit Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, gesetzlichen Zuständigkeit für das Promotionsstudium und die Nichtmitglieder oder Nichtangehörige der TU Dortmund das Prüfungswesen Gebrauch macht und etwa den Doktor- betreffen. Eumann ist weder Mitglied noch Angehöriger der grad verleiht, handelt die Fakultät (präziser: der Dekan) als Hochschule. Die „Regeln“ sehen ferner nicht vor, dass die Behörde und unterliegt damit den Vorschriften des Verwal- Kommission sich mit Angelegenheiten zu befassen hat, die tungsverfahrensgesetzes (VwVfG) des Landes. Die Ver- gesetzlich in die Zuständigkeit anderer Organe und Gremien leihung des Doktorgrades ist ein begünstigender Verwal-

http://causaschavan.wordpress.com/ 72 tungsakt. Die Aberkennung ist demnach die Rücknahme tionsrecht – und folglich auch das Recht zur Aberkennung eines solchen begünstigenden Verwaltungsaktes. Sie kann eines Doktorgrads – bei der Fakultät liegen. [9] erfolgen, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig erfolgt ist Ein solches Prozedere, wonach das Verfahren der zuständi- (§ 48 VwVfG NRW). Eine solche Rechtswidrigkeit kann sich gen Behörde erst als in eigener Regie geführtes Hauptver- etwa daraus ergeben, dass bei Vornahme des Verwaltungs- fahren einsetzen würde, nachdem ein Vorverfahren mit ent- aktes die Voraussetzungen für diesen Akt irrtümlich als ge- sprechendem Ergebnis an anderer Stelle geführt worden ist, geben angesehen wurden. widerspricht jedoch § 22 VwVfG NRW: Der SZ-Journalist Roland Preuß wollte es für eine „Wildwest- Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, Version“ halten, dass die Promotionsleistung der damaligen ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. [14] Ministerin Schavan für ungültig erklärt werden konnte, wenn sie sich einer Täuschung, Drohung oder Bestechung schul- Ein solches Prozedere widerspricht ferner dem in § 24 Abs. dig gemacht hatte. [12, 13] Tatsächlich zeigt § 20 der Düs- 1 VwVfG NRW formulierten „Untersuchungsgrundsatz“: seldorfer Promotionsordnung aber in dieser und anderen Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Formulierungen nur den engen Bezug eines solchen Rück- Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen […]. [14] nahmeverfahrens auf das Verwaltungsverfahrensgesetz. § 48 Abs. 2 VwVfG NRW behandelt die Frage, inwieweit der Mit anderen Worten: Ein Verfahrensvorlauf und eine Verfah- durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt Begünstigte ein rensvorgabe, wie sie an der TU Dortmund das Handeln der schutzwürdiges Vertrauen in den fortdauernden Bestand des Fakultät als zuständiger Behörde reglementieren sollen, Verwaltungsaktes geltend machen kann. Demnach kann sich verstoßen evident gegen geltendes Recht. der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn er „den Nur der Vollständigkeit halber ist noch zu bemerken, dass Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder sich der in Dortmund beschrittene Verfahrensweg auch mit Bestechung erwirkt hat […].“ [14] Die Promotionsordnung der der Promotionsordnung nicht in Einklang bringen lässt. TU Dortmund formuliert hier freier, indem sie die Möglichkei- Dabei tut es wenig zur Sache, dass es entgegen der Vor- ten der Drohung und Bestechung unerwähnt lässt, orientiert stellung des Rektorats nicht die Promotionsordnung in der sich aber gleichfalls erkennbar an den Vorgaben des Ge- Fassung vom 6. Dezember 2001 ist, nach der sich ein heute setzes. geführtes Verfahren zum Entzug des Doktorgrades zu rich- Nach den Dortmunder „Regeln guter wissenschaftlicher ten hat, sondern die heute gültige Fassung vom 29. August Praxis“ beschließt das Rektorat nach Vorlage des Kom- 2011. Sie hat zwar die offenkundigen, rechtlich relevanten missionsberichts „die zu ergreifenden Maßnahmen“. Das Defizite der Vorgängerversion behoben, weist aber nach wie mögliche Spektrum und die Regularien solcher „Maßnah- vor Defizite in der Durchgestaltung auf. Das zeigt sich auch men“ bleiben ungenannt. Deutungsfähig erscheint allein der in den Bestimmungen zur „Ungültigkeitserklärung der Pro- Satz: motionsleistungen“ und zur „Aberkennung des Doktorgra- des“. Dennoch lässt auch diese Promotionsordnung für ein Gegen die Entscheidung, ein Verfahren nicht einzuleiten, Verfahren wie das im Fall Eumann gewählte keinen Raum. ist kein Rechtsmittel gegeben. [10] § 21 Abs. 2 sagt: Demnach ist also eine mögliche „Maßnahme“ in der Einlei- Ergibt sich vor Aushändigung der Promotionsurkunde, tung eines Verfahrens zu sehen. Doch „einleiten“ kann das dass die Doktorandin/der Doktorand im Verfahren ge- Rektorat als „Maßnahme“ nur ein Disziplinarverfahren – er- täuscht bzw. den Versuch dazu gemacht hat, oder dass neut unter der Voraussetzung, dass es sich bei den Beteilig- wesentliche Erfordernisse für die Promotion nicht erfüllt ten um Mitglieder oder Angehörige der Hochschule handelt. waren, so erklärt der Fakultätsrat auf Antrag des Promo- Der Beschluss des Rektorats vom 18. Juli 2013 bezieht sich tionsausschusses die Promotion für ungültig. [15] dagegen auf eine „Maßnahme“ anderer Art: Die Überwei- sung der Angelegenheit an den Fakultätsrat der Fakultät 15, Für diesen zunächst behandelten Fall eines noch nicht zum „zuständigkeitshalber“ und „damit dieser ein Verfahren zur Abschluss gebrachten Promotionsverfahrens setzt die Ord- Aberkennung des Doktorgrads einleitet (§6 Absatz 10).“ [9] nung also ein gestuftes Verfahren zur Ungültigkeitserklärung Doch § 6 Abs. 10 der „Regeln“ besagt hierzu lediglich: voraus: Zunächst befasst sich der Promotionsausschuss mit der Angelegenheit, sodann der Fakultätsrat. Das Rektorat beschließt auf der Grundlage des Berichts der Kommission über die zu ergreifenden Maßnahmen, Für den anschließend behandelten Fall eines bereits abge- wenn wissenschaftliches Fehlverhalten festgestellt wird. schlossenen Promotionsverfahrens wird dies in der Ordnung [10] nicht ausgeführt. In § 22 Abs. 1 und 2 heißt es lediglich:

Was ist nun vorliegend die gemäß Rektoratsbeschluss zu Der Doktorgrad wird aberkannt, wenn sich nachträglich ergreifende Maßnahme? Die in der offiziellen Erläuterung herausstellt, dass er durch Täuschung erworben worden dieses Beschlusses gewählte Formulierung macht deutlich, ist oder wenn wesentliche Voraussetzungen für die Ver- dass es hier nicht nur um eine Überweisung der Angelegen- leihung irrtümlich als gegeben angesehen worden sind. heit an den zuständigen Fakultätsrat geht, sondern um eine […] Über die Aberkennung des Doktorgrades entscheidet Anweisung zum weiteren Vorgehen: „damit dieser ein Ver- der Fakultätsrat. [15] fahren zur Aberkennung des Doktorgrads einleitet“. Denn: Wollte man hierin nicht – wie naheliegend – lediglich die Weder die Kommission noch das Rektorat können ein Unterlassung einer ausdrücklichen Wiederholung sehen, solches Verfahren selbst durchführen, da das Promo- dann wären an der Fakultät 15 der TU Dortmund für die Behandlung von zwei äußerst ähnlichen Fällen zwei sehr

http://causaschavan.wordpress.com/ 73 unterschiedliche Verfahrenswege vorgesehen, wobei das schluss des Rektorats, wonach durch die Fakultät ein sol- aufwändiger gestaltete Verfahren ausgerechnet dem recht- ches Verfahren zu eröffnen sei, Folge leisten sollen. Dazu ist lich und verwaltungsmäßig deutlich weniger anspruchsvollen es nicht gekommen. Die anberaumte Sitzung wurde abge- Fall vorbehalten bliebe. Wollte man ferner davon ausgehen, sagt. Auf Nachfrage von Journalisten, die sich auch auf dass in derartigen Verfahren tatsächlich die „Regeln guter einen möglichen Zusammenhang mit dem nahen Termin der wissenschaftlicher Praxis“ zum Tragen kommen sollten, die Bundestagswahl bezogen, antwortete die Pressestelle der „Kommission zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher TU Dortmund: Praxis“ einzubeziehen sei und das Rektorat die Aufnahme Wir äußern uns nicht zu Ablaufdetails des Verfahrens, die des Verfahrens in der Fakultät zu veranlassen habe, dann für das Ergebnis in der Sache selbst nicht von Bedeutung würde dies doch nur für bereits abgeschlossene Promo- sind. Auch auf Suggestivfragen und Unterstellungen wer- tionsverfahren gelten können, während es bis zur Aushän- den wir nicht eingehen. [FAZ, 6.9.2013, nicht online] digung der Promotionsurkunde durch die Promotionsordnung ausgeschlossen wäre. Wodurch sich eine solche Ungleich- Das klingt nicht so, als würde sich die TU Dortmund in dieser behandlung mit all ihren denkbaren Folgen positiv rechtfer- Angelegenheit von einer Zusammenarbeit mit den Medien tigen lässt, kann hier der Fantasie Dortmunder Universitäts- momentan viel erwarten. Für den Juristen klingt es außer- justitiare überlassen bleiben. dem recht bedenklich – oder, bei entsprechender anwalt- licher Beauftragung, auch vielversprechend. Denn es gibt Erst Anhörung, oder schon Abgesang? kaum ein Ablaufdetail eines solchen Verfahrens, das für das Wenn nicht alle Anzeichen trügen, dann ist das musterhafte Ergebnis in der Sache selbst nicht von Bedeutung sein Verfahren der TU Dortmund bereits ins Stocken geraten. Es könnte. mag an der Art und Weise liegen, in welcher die rechtlich ge- botene Anhörung des Betroffenen im Dortmunder Verfah- rensgang vorgesehen und dabei doch zugleich übergangen Dann: Die Bundestagswahl! Im Wahlkreis 291 worden war: Den „Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“ (Ulm/Alb-Donau) kandidierte „Dr. Annette Schavan“, die das sich selbst und der Wissen- zufolge hätte Marc Jan Eumann nach dem Rektoratsbe- schaft schuldig war. Und es zeigte sich, dass schluss und der Mitteilung der beabsichtigten Maßnahme auch die Wählerinnen und Wähler im Schwäbi- „Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme schen der Wissenschaft etwas schuldig waren: binnen vier Wochen“ erhalten müssen, woraufhin sich das Sie wählten Schavan, was das Zeug hielt. Rektorat erneut mit der Angelegenheit befasst hätte. [10] Die

Erläuterungen zum Rektoratsbeschluss vom 18. Juli 2013 nehmen auch ausdrücklich auf eine noch ausstehende 25. September 2013 Stellungnahme Eumanns Bezug: Wie es für Schavan gelaufen ist Diese Stellungnahme ist abzuwarten, bevor sich das von Hupe Weißkräcker Rektorat erneut mit dem Fall befasst und die Maßnahme einleitet. [9] Für Dr; Annette Schavan ist die Bundestagswahl 2013 so gut gelaufen, wie es nach ihrer Plagiatsaffäre und dem Rücktritt Der Wortlaut des öffentlich gemachten Beschlusses steht als Ministerin nur möglich war. Hier die Ergebnisse des hierzu freilich in unmittelbarem Widerspruch: Demnach hatte Wahlkreises 291 (Ulm/Alb-Donau): das Rektorat sein Urteil bereits getroffen und die daraus folgende „Maßnahme“ bereits beschlossen. Dr; Annette Schavan 2013 2009 Es mag auch daran liegen, dass Eumann gegen ein Vorge- Erststimmen absolut 85.964 67.798 hen seiner Universität, durch das er sich in seinen Rechten verletzt sehen darf, bereits rechtliche Schritte ergriffen hat. Erststimmen prozentual 52,1% 42,8% Es mögen in der zuständigen Fakultät inzwischen auch Fragen zu dem ihr vorgegebenen Verfahren aufgetaucht Erwartungsgemäß gehört Schavan also erneut als direkt sein. Es mag auch sein, dass sich in Dortmund inzwischen gewählte Abgeordnete dem Bundestag an. Mit deutlich Juristen über die Gesetze und Ordnungen gebeugt haben. gesteigertem Stimmenanteil. Vielleicht ist dabei auch aufgefallen, dass es möglicherweise Tatsächlich war es wohl nur unter den besonderen Umstän- doch nicht statthaft ist, wenn eine Behörde nicht nach Recht den ihrer Plagiatsaffäre möglich, dass die Dinge für Annette und Gesetz verfährt, sondern „nach festgeschriebenen Schavan in Ulm, auf der Alb und an der Donau so gut gelau- internen Verfahrensregeln“ [9]. Vielleicht hat auch das Wis- fen sind. Viel besser nämlich, als es das bloße Wahlergebnis senschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in erkennen lässt. Denn an der Basis, in ihrem CDU-Kreisver- Ausübung seiner Rechtsaufsicht gegenüber der Hochschule band und beim Wahlvolk im Wahlkreis 291 kam Annette eine Frage gestellt oder einen Hinweis gegeben. Vielleicht ist Schavan ihre Plagiatsaffäre sehr zugute. Bis vor kurzem war es auch all das zusammen. Jedenfalls ist eine Stockung ein- sie nämlich noch bemerkenswert unpopulär in Ulm, um Ulm getreten, und nach anfänglich intensiver Öffentlichkeitsarbeit und um Ulm herum. In der örtlichen CDU hatte sie wenig gibt man sich in Dortmund neuerdings in der Sache Eumann Rückhalt – er war schwach im Stadtverband Ulm und kaum ausgesprochen maulfaul. messbar in der ländlichen Region. “Die mögen sich nicht”, Am 28. August 2013 hätte der Fakultätsrat der Fakultät 15 war immer wieder zu hören, wenn sich die Ministerin hier über die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung des tatsächlich einmal unter “ihre” Leute mischte: Zu wenig Doktorgrades beschließen sollen oder, wie die erläuternde bodenständig, zu sehr Rheinländerin, zu intellektuell, zu Pressemitteilung vom 19. Juli deutlich macht: Dem Be- ungeduldig, ja hochfahrend sei sie. Eigentlich sei Schavan

http://causaschavan.wordpress.com/ 74 an ihrem Wahlkreis gar nicht interessiert. Anfragen aus der Kessing wiedergewählt wurde – mit mehr als 96% der abge- schwäbischen Provinz blieben unbeantwortet oder würden gebenen Stimmen, ohne Gegenkandidaten und bei einer durch ihren persönlichen Referenten abgeblockt. Nur an der Wahlbeteiligung von kaum 25%. Universität Ulm lasse sie sich gern sehen, zeige sonst kaum Auch in eigener Sache hatte Schavan damals eine wenig Präsenz. glückliche Hand gezeigt und üble Härten erfahren. Erwin Es lief für Schavan Teufel hatte 2004 noch versucht, sie als seine Nachfolgerin “zuhause” also die als Ministerpräsidentin und Landesvorsitzende der baden- längste Zeit gar württembergischen CDU zu installieren, um seinen ungelieb- nicht gut. Dass die ten “ewigen Kronprinzen” Günther Oettinger zu verhindern. Ministerin durch- Doch diesmal stach auch die Karte der “richtigen”, der katho- blicken ließ, auf die lischen Konfession nicht, die bei der Auswahl des Spitzen- Ulmer, Älbler und personals in der Südwest-CDU ansonsten so oft eine ent- Donauanrainer scheidende Rolle spielte. Bei einer Mitgliederbefragung ohnehin nicht an- sprachen sich nur 39,4% für Schavan als Spitzenkandidatin gewiesen zu sein, der CDU aus. Begleitet war diese Konkurrenz von heftigen, machte die Sache nicht besser. 2011 wurde der Bundes- oft persönlich gefärbten Attacken, die im November 2004 ministerin und Bundestagsabgeordneten Schavan vom eige- auch auf das Privatleben und auf die sexuelle Orientierung nen Kreisverband sogar die Wahl als ordentliche Delegierte der notorisch unverheirateten Kandidatin Schavan zielten. zu den Parteitagen auf Landes- und Bundesebene verwei- Auch das Schweigen ihres Konkurrenten Oettinger und gert. Vordergründig war das die Quittung für eine plötzliche anderer Parteifreunde in dieser Sache musste für Schavan Kehrtwende in der Schulpolitik, mit der die Ministerin ausge- bitter sein. rechnet den eigenen CDU-Landesverband vor den Kopf Für Annette Schavan war 2005 also einiges zu Ende gegan- gestoßen hatte. Zugleich war es aber auch die Folge ihrer gen. Doch nun sollte Neues beginnen. Der Bundestag und seit jeher schwierigen Beziehung zur örtlichen Parteibasis. womöglich noch höhere Ämter als bisher waren das Ziel, und Als es fast daneben ging: Nominierung die erste Ulm war als Basis für den Neubeginn ausersehen. Der Wahl- kreis im tiefschwarzen Oberschwaben war sicherer Erbbesitz Als Direktkandidatin für die Bundestagswahl war Schavan der CDU. Von 1949 bis 1972 hatte kein geringerer als Lud- den Ulmern 2005 von oben auf’s Auge gedrückt worden. wig Erhard als direkt gewählter Abgeordneter für Ulm und Damals war sie noch baden-württembergische Landesmi- Umgebung im Parlament gesessen. Schavans Vorgänger nisterin für Kultus, Jugend und Sport. Im Landtag saß die Heinz Seiffert, der volksnahe Landrat des Alb-Donau-Krei- unüberhörbare Rheinländerin als Abgeordnete für den ses, hatte hier zuletzt 51,7% der Erststimmen geholt. Die Wahlkreis Bietigheim-Bissingen. Doch nach zehn Jahren als Ministerin Schavan kam 2005 immerhin auf 48,7% der Erst- Schulministerin und in hohen Parteiämtern im Ländle strebte stimmen. sie nun fort, es zog sie nach Berlin. Nach Stuttgart geholt hatte sie 1995 der tiefkatholische Ministerpräsident Erwin Doch zunächst musste sie als Kandidatin überhaupt erst Teufel (CDU). Jetzt, am Ende der Ära Teufel, lag ziemlich einmal aufgestellt werden, und das wäre beinahe schiefge- viel in Scherben, war die Landes-CDU in zwei verfeindete gangen. Auf der Nominierungsversammlung des CDU- Lager gespalten, und Schavan zählte zu den Akteuren, an Kreisverbands in der Donauhalle stellten sich im Juni 2005 denen sich die Geister besonders heftig schieden. neben ihr gleich vier mehr oder weniger namenlose Mitbe- werber zur Wahl. Auf Schavan entfielen am Ende bloße Heftig umstritten war sie vor allem wegen ihrer Schulpolitik. 50,8% der gültigen Stimmen. Für die Landesministerin für Doch in Parteikreisen hatte sich Schavan auch als getreue Kultus, Jugend und Sport, die im Jahr zuvor noch als mög- Vasallin ihres Ministerpräsidenten einen gewissen Ruf erwor- liche Bundespräsidentin gehandelt worden war und versucht ben. Noch gut im Gedächtnis waren ihre Manöver im Vorfeld hatte, Ministerpräsidentin und CDU-Vorsitzende in Baden- der 2004 anstehenden Oberbürgermeisterwahl in Bietigheim- Württemberg zu werden, war das demütigend wenig. Bissingen: Nach Wunsch und Willen der örtlichen CDU sollte hier ein parteiloser Kandidat mit gemeinsamer Unterstützung Als es nicht viel besser lief: Nominierung die zweite von CDU, Freien Wählern und FDP das Rennen machen. Das Votum der Wähler im ohnehin sicheren Wahlkreis 291 Das gefiel Teufel nicht, der hier Gefolgsleute seines Amts- war nie so sehr Schavans Problem, die Haltung der örtlichen vorgängers Lothar Späth am Werk sah. Parteibasis dagegen sehr wohl. Bei der erneuten Nominie- So betrieb Schavan die Installierung eines weiteren Kandida- rung als Direktkandidatin zeigten sich die Probleme wieder in ten, des Ludwigsburger Vizelandrats Schnaudigel, der sich aller Deutlichkeit: Im Oktober 2008 musste sich die Bundes- als CDU-Mitglied mit höherem Segen, aber ohne die Unter- ministerin bei der Mitgliederversammlung des CDU-Kreisver- stützung der Bietigheim-Bissinger CDU bewarb. Deren Obe- bands in der Lindenhalle zu Ehingen mit drei Mitbewerbern re zeigten sich in der folgenden Schlammschlacht ihrerseits messen. Sie wurde schließlich aufgestellt, aber nur mit bla- nicht zimperlich. Am Ende kam es, wie es kommen musste: mablen 57% der Stimmen. Schavan könne froh sein, dass Nachdem der parteilose CDU/FW/FDP-Kandidat entnervt ihr die Peinlichkeit einer Stichwahl erspart geblieben sei, hingeworfen hatte, gewann SPD-Kandidat Jürgen Kessing in hieß es. Mit mehr als 80% der Stimmen für Schavan war in der Stichwahl gegen Schnaudigel mit 54,1% der Stimmen der Parteispitze fest gerechnet worden. Dabei hatte sich das Amt des Oberbürgermeisters dieser schwarzen Hoch- nicht etwa der umtriebige Ulmer Gemeinderat und “Stimmen- burg. Die örtliche CDU war seither tief zerstritten. Die Folgen könig” Hans-Walter Roth als ihr gefährlichster Konkurrent der damaligen Havarie zeigten sich noch im März 2012, als erwiesen, sondern ein wenig bekannter Bewerber aus dem

http://causaschavan.wordpress.com/ 75 beschaulichen Langenau, der hauptsächlich mit seiner Allerdings waren die wackeren Stammtischbesucher Bodenständigkeit warb, dafür mehrfach Zwischenapplaus vollständig überzeugt, dass erhielt und schließlich 29% der Stimmen einheimste. Die unsere Ulmer Doktoren ihre akademischen Titel redlich Botschaft war klar: Annette Schavan hatte es nicht verstan- erworben haben. Ihnen ging es nur um wissenschaftliche den, “eine von uns” zu werden. Schlimmer noch, sie hatte Erkenntnis und Fortschritt, nicht um den Erwerb eines sich kaum darum bemüht. Statussymbols. Sie arbeiteten gewissenhaft und mit Zwischengang: Image-Politur tadelloser wissenschaftlicher Methodik. Von dieser festen Überzeugung beseelt, machten wir uns an die Lektüre Irgendwann im Lauf des Jahres 2010 oder 2011 muss An- der Arbeit des IHK-Präsidenten Dr. Peter Kulitz, der 1983 nette Schavan von der Notwendigkeit einer gründlichen an der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universi- Image-Politur überzeugt worden sein. Seither zeigte sie sich tät Tübingen eine Dissertation mit dem Titel „Unterneh- häufiger im Wahlkreis, suchte auch die Begegnung mit dem mensspenden an politische Parteien“ vorgelegt hat. “einfachen Volk”, unterdrückte dabei erfolgreich ihre Neigung zur hochgezogenen Augenbraue und zeigte gelegentlich Um die Güte der Doktorarbeit des Ulmer IHK-Präsidenten auch den Witz und Charme, für den sie in Journalistenkrei- entspann sich dann ein heftiger Disput, der mit einem sen bereits bekannt war. Auch die Ministerin, die einst ba- salomonischen Vorschlag beendet werden konnte: den-württembergische Schulleiter vor versammelter Lehrer- „Schickt doch die Dissertation von Peter Kulitz an Vroni- schaft rüde abzukanzeln beliebte und die eigenen Mitarbeiter Plag Wiki. Dort wird von Fachleuten sicher bald der Be- vor der Presse herunterputzte, sollte nun in Vergessenheit weis erbracht, dass die Arbeit des Ulmer IHK-Präsidenten geraten. Schavan wurde freundlich, ja geradezu leutselig. tatsächlich eine einwandfreie wissenschaftliche Arbeit Gleichzeitig wurde im Wahlkreis allmählich deutlicher, wie ist.“ sehr man in Ulm und der Region davon profitierte, dass man So geschah es und gespannt erwarten wir vom Donau- eine “eigene Ministerin” hatte. Das galt besonders für die fisch das Ergebnis der kompetenten Prüfung, die ein “Wissenschaftsstadt Ulm” und ihre Universität. Die örtliche Stammtisch eben doch nicht ganz leisten kann. Unser CDU tat nun viel, um diese vorteilhaften Zusammenhänge Lektürekurs aber geht weiter. herauszustellen. Dass die Stadt und die Universität 2009 und 2010 durch das Zukunftsinnovationsprogramm des Bundes Auf diesen lebhaften Stammtischbericht folgte im Aus- mit 15,6 Millionen Euro überproportional reich bedacht wur- hang des “Donaufisch” die Ankündigung für die nächste den, war allein Schavans Verdienst: Zusammenkunft am Palmsonntag, dem 17. April 2011:

Der Ulmer Einfluss im Bundeskabinett zahlt sich damit Kommen Sie zu unserem „Donaufisch Lektürekurs Dok- ganz konkret aus, weshalb wir mit Blick auf den Master- torarbeiten“; immer sonntags von 10 bis 12 Uhr. Jeder plan der Universität zuversichtlich einem Baufenster für ein kann mitmachen. Unsre nächste Lektüre stammt aus der Helmholtz–Institut entgegensehen… Feder der amtierenden Bundesbildungsministerin. Bitte besorgen und lesen: So der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Bertram Holz vor der Bundestagswahl im September 2009. [1] Das Helmholtz- Annette Schavan, Person und Gewissen. Studien zu Institut für Batterieforschung ist seither ebenso Wirklichkeit Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen geworden wie viele andere schöne Pläne. Für die Universität heutiger Gewissensbildung. 351 Seiten. Frankfurt 1980. am Oberen Eselsberg machte Schavan sehr erfolgreich den Neuausgabe Freiburg 1998 [2] Goldesel. Doch bei dieser Ankündigung ist es dann geblieben. Dabei wäre es in Ulm am 17. April 2011 schon fast zur Ent- Diese zweite Sitzung des Lektürekurses “Doktorarbeiten” larvung der Plagiatorin gekommen. In einem Nichttraditions- am Stammtisch im “Donaufisch” hat offensichtlich nicht lokal. Ausgerechnet am Palmsonntag. mehr stattgefunden. Vermutlich entfiel sie wegen des hef- tigen Kirchenbesuchs. Exkurs: Wie man zu Ulm an der Donau der Annette

Schavan schon einmal fast auf die Spur gekom- men wäre und es dann doch nicht getan hat Als sie stolperte und es besser ging

Zu Ulm an der Donau steht ein schönes Gasthaus, der Trotz der Tendenz zum Klimawandel war Annette Schavan “Donaufisch”. Im April 2011 wurde dort im Nebenzimmer Mitte 2012 in Ulm und Umgebung alles andere als unum- die Idee geboren, stritten. Nach wie vor wirkten ihre um Volksnähe bemühten Auftritte selten echt. Vielen Parteigrößen vor Ort war sie in wissenschaftliche Arbeiten bedeutender Ulmer Zeitge- den vergangenen Jahren kräftig auf den Fuß getreten oder nossen zu lesen und am Stammtisch zu besprechen. über den Mund gefahren. Viele hatten die Erfahrung machen Wahrscheinlich spielte bei unserer Entscheidung für müssen, dass die Ehrgeizige Widerspruch und Widerstände einen „Donaufisch Lektürekurs Doktorarbeiten“ auch eine noch nach Jahren strafend rächen konnte. Andere kreideten Rolle, dass zurzeit immer mehr Angehörigen der politi- ihr ihre Schulpolitik an oder erinnerten sich daran, wie sie schen Elite Betrug bei der Anfertigung ihrer Dissertatio- hinter den Kulissen die Fäden für Stefan Mappus gezogen nen nachgewiesen wird (angefangen bei unserem ehe- hatte, der die CDU des Landes dann an den Abgrund führte. maligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Gutten- Wieder anderen war sie einfach nach wie vor zu wenig “eine berg, CSU, über Matthias Pröfrock, CDU, bis hin zu von uns”, zu wenig schwäbisch, zu abgehoben, zu wenig Silvana Koch-Mehrin, FDP). biergartenselig, zu … oifach andersch äba.

http://causaschavan.wordpress.com/ 76 Zu Beginn der Plagiatsaffäre im Frühsommer 2012 beeilte bestenfalls das Opfer akademischen Unverstands und sich die örtliche CDU-Prominenz, ihr völliges Vertrauen und schlimmstenfalls das Opfer eines politischen Komplotts war. ihre uneingeschränkte Solidarität für die Ministerin zu be- Sie selbst gab dann die Parole aus, dass hier Wissenschaft teuern. Das hatte anfangs manchmal noch einen etwas un- für politische Ziele missbraucht werde, und auch darin folgte aufrichtigen Beiklang. Schließlich gab es nicht nur allerlei man ihr bereitwillig. Auch Ulms Oberbürgermeister Ivo Gön- Vorbehalte gegenüber Schavan persönlich, sondern es ner (SPD) zeigte sich nun bei verschiedensten Gelegenhei- waren hier und da auch positive Auswirkungen auf die eige- ten demonstrativ an ihrer Seite und wünschte ihr stets ver- ne Karriere nicht auszuschließen, falls Schavan tatsächlich nehmlich “alles Gute”. Typisch für die Sicht der Dinge und straucheln sollte. Die immer noch offenen Rechnungen die Tonlage, die in der CDU in Stadt und Kreis allgemein zwischen Oettinger-Leuten und dem Mappus-Lager in der herrschte, ist ein Rückblick des Kreisvorstandsmitglieds Landes-CDU spielten in Ulm dagegen wohl weniger eine Hubert Bold: Rolle. Besonders scheinheilig ist der Vorwand das ganze Verfah- Doch dann zog Schavans Entlastungsstrategie. Gleich nach ren laufe zum Schutz der Wissenschaft ab, sei eine Frage Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe hatte sie dafür gesorgt, der „Wissenschaftsethik“ und der Hinweis es habe keiner- dass sich ihr verbundene prominente Wissenschaftler wie lei politische Hintergrund. … In dieser Auseinandersetzung der frühere DFG-Präsident Frühwald öffentlich hinter sie geht völlig unter, dass die Damen und Herrn Professoren stellten. In Ulm machte zumindest ebensoviel Eindruck, was der Uni Düsseldorf und auch der Juraprofessor der Uni die Wissenschaftler auf dem Oberen Eselsberg zu diesem Bonn eine Dienstherrin in der Landesregierung von NRW akademischen Fall zu sagen hatten. Universitätspräsident haben, die nicht der Partei von Dr. Schavan angehört. Ein Karl Joachim Ebeling machte aus seiner Meinung ebenso Schelm, der Böses dabei denkt ! Dazu passt auch, dass wenig ein Hehl wie der angesehene Altrektor Hans Wolff und der Fakultätsrat ihm vorliegende Gutachten, die pro Scha- viele ihrer Kollegen: Sie fanden die Vorwürfe absurd und van sprechen geflissentlich nicht veröffentlicht. Auch der stellten der Ministerin das beste Zeugnis aus – gern auch mit Termin der Tagung des Fakultätsrates justament drei Tage dem Hinweis darauf, welche großen Verdienste sie sich um vor der Mitgliederversammlung zur Nominierung von Frau die Förderung der Universität und der Wissenschaftsstadt Dr. Schavan als Kandidatin des Wahlkreises 291 spricht erworben hatte. Bände und ist wohl kaum unter der Rubrik „zufällig“ zu verbuchen. [3] Zudem war es ein offenes Geheimnis, dass Professor Wer- ner Heldmann, hoch geschätzt als Repräsentant einer huma- Um diese Nominierung ging es nun. nistisch gebildeten Geistigkeit, Säule des Kulturlebens und Als es wie von selbst lief: Nominierung die dritte altgedientes Mitglied der Ulmer CDU, 1980 die Doktorarbeit der Ministerin als Zweitgutachter geprüft hatte. Auch seine Das Echo auf die zahlreichen Auftritte Schavans während Haltung war unzweideutig und keineswegs nur den Mitglie- ihrer Nominierungskampagne machte früh sehr deutlich, dern der Ulmer Goethe-Gesellschaft bekannt. Nach all dem dass sich die Parteibasis nun um die lange so ungeliebte kam man weitgehend zu der Meinung, dass sich die Vorwür- Kandidatin scharte. Die Wogen der Solidarität, von denen fe in Wohlgefallen auflösen würden. In der Ulmer CDU war Schavan nun gerne berichtete, waren keineswegs einge- man sich da sicher, zumal Schavan selbst keinerlei Zweifel bildet. Sie selbst kam ihren Mitstreitern vor Ort wie verwan- zeigte. delt vor: Verletzlich, aber auch entschlossen und “geerdet”. Da war es nicht mehr weit bis zur so heftig angemahnten Es half auch, dass sie sich in Bodenständigkeit. Auch beim Wahlvolk zeigte das Wirkung. Ulm nun auffällig häufig sehen ließ. Jahrelang hatte Drei Tag nach der offiziellen Einleitung des Entzugverfah- man sie hier kaum jemals zu rens an der Universität Düsseldorf kam es für Schavan Gesicht bekommen, und nun darauf an, bei ihrer Nominierung als Bundestagskandidatin begegnete man ihr auf im Wahlkreis 291 den möglichst ungeteilten Rückhalt der Schritt und Tritt. Es war stets Parteibasis zu bekommen. Das lief dann wie von selbst – sehenswürdig, wie die “Frau allerdings doch nicht ganz von selbst. Minischder” schon wieder Die Nominierungsversammlung am 25. Januar 2013 in Ulm- über den Wochenmarkt auf Eggingen sei ganz ungewöhnlich stark besucht gewesen, dem Münsterplatz ging, die hieß es später. Tatsächlich waren die Besucherzahlen nicht Tasche mit ihren Einkäufen höher als in früheren Jahren, die Versammlungshalle war nur selbst trug und dabei derart enger. Besonders am Eingang, wo Schavan stand und nie- unauffällig aussah, dass mand ihrer einvernehmenden Begrüßung entgehen konnte: sämtliche anderen Marktbesucher einhellig der Meinung Alle wurden erst einmal angefasst, am liebsten gleich halb in waren, es sei unbedingt bemerkenswert. den Arm genommen. Alle. Ein umfangreicher älterer Herr Als es richtig schlimm kam und richtig gut ging beugte sich zum Handkuss und verkündete bedeutungsvoll:

So war zwar niemand darauf vorbereitet, dass die Universität Sie send ja au no Professoooorin! Düsseldorf die Plagiatsvorwürfe bestätigen könnte, aber als Und Schavan machte vage bedeutungsvoll: dann im Oktober Einzelheiten aus dem verheerenden Gut- achten an die Öffentlichkeit kamen, war die Wagenburg Jaaaaaa! schnell geschlossen. Seitdem galt es im Stadt- und im Spätestens jetzt konnte man sicher sein, dass alles seinen Kreisverband der CDU als ausgemacht, dass Schavan geregelten Gang gehen würde. Nur ein notorischer

http://causaschavan.wordpress.com/ 77 Querkopf, der früher auch schon mal gegen Schavan ange- Diese Innenansichten aus dem unzugänglichen treten war, ließ sich am Rande der Veranstaltung darüber Tiefschwaben führten zu Nachfragen ethnogra- phisch interessierter Causa-Schavan-Leser. aus, dass die Partei-Oberen im Vorfeld einigen Druck ausge- War es wirklich wichtig, katholisch zu sein, übt hätten: Sonst hätte mancher wohl seinen Hut gegen die wenn man es in Baden-Württemberg zu etwas Ministerin in den Ring werfen wollen. Und wer weiß, in vier bringen wollte? Die Beantwortung dieser Frage Wochen sehe es mit der solidarischen Unterstützung viel- ergab dann auch noch einmal Aufschlussreiches leicht schon ganz anders aus. zur Ulmer Vor- und Frühgeschichte der Annette Schavan. Am Ende erhielt Schavan stalinistische 96% der abgegebe- nen Stimmen. Sie war als Direktkandidatin nominiert und Erbloggtes | 26. September 2013 um 13:02 | hatte sehr viel mehr gewonnen, als ihr unter normalen Um- Mir war gar nicht bewusst, dass man es nur katholisch in ständen möglich gewesen wäre: Einen Stadt- und Kreisver- der CDU BW zu etwas bringen kann. Ist das nicht ein band, der tatsächlich geschlossen hinter ihr stand, in dem sie konfessionell ebenso gespaltenes Ländle wie die ganze als “unsere Frau für Berlin” völlig unangefochten war. Denn Bundesrepublik (also ein Drittel Katholiken, ein Drittel unser Querkopf wusste selbst recht gut, dass seine Vorbe- Protestanten und ein Drittel Ungläubige)? Die südwest- halte nichts mehr bedeuteten. deutschen Protestanten sind meines Wissens doch auch recht strenggläubig – da können die doch auch nicht in die Als es an die Urnen ging SPD gehen. Oder gilt das nur für Ulm, dass man da in die Schavan war nun ganz Ulmerin. Nach dem schmählichen richtige Messe gehen muss, um gewählt zu werden? Entzug des Doktorgrades und dem Rücktritt vom Ministeramt Hupe Weißkräcker | 26. September 2013 um 18:39 | floh sie erst einmal in die Ulmer Fasnet, um Trost im närri- schen Treiben zu suchen. Tapfer stand sie mit rotem Narren- In der Stadt Ulm regiert der konfessionsübergreifende Pietkong. Die Stadt selbst ist traditionell streng protestan- hütchen herum, ließ sich von allen ansprechen und von vie- tisch, hat aber heute durch die Eingemeindung der katholi- len auch anfassen und bahnte sich ohne größere Schnitzer schen Orte im Umfeld mehr Katholiken als Protestanten. ihren Weg durch die schwäbischen Fassnachtsbräuche: Dass Ulms ewiger Regent Ivo Gönner Katholik ist, spielt Natürlich habe ich Fasnet gut ausgesprochen, weil ich hier eher keine Rolle. Dass er in der SPD ist eigentlich schon vor dem Stockacher Narrengericht war, am auch nicht … Breisacher Gauklerpranger und so weiter. Also bin ich voll Das ist ein Thema für sich, das aber auch im Kapitel eingetaucht in die Fasnacht. Kügele hoi, hoi, hoi! [4] “Schavan in Ulm” eine Rolle spielt. Da müssten wir eigentlich bis zu solchen Gestalten wie Udo Botzenhart Man ging behutsam mit ihr um im närrischen Ulm. Auch im zurückgehen, dem Patriarchen von Söflingen, der zwar die Wahlkampf vor Ort und in der Region gab es keinen Zweifel FWG anführte, aber Mitte der 1980er Jahre der Ulmer daran, dass die Kandidatin, der so arg mitgespielt worden CDU sagte, welchen Kandidaten sie aufzustellen hatte … war und die sich in den Schutz ihrer schwäbischen Zweit- Schavan kam hier 2005 in ähnliche Verhältnisse, wie sie heimat begeben hatte, rücksichtsvoll zu behandeln war. Es gerade erst in Bietigheim-Bissingen von ihr hinterlassen war schon so, wie es der Meister der Narrenzunft zu Ehingen worden waren. In ihrer Krise 2012/2013 hat sie von dem beim Besuch der Kandidatin gesagt hatte: Im Schwabenland, anhaltend desolaten Zustand der örtlichen CDU zweifellos wo Ihre engsten Freunde, die ehrlichen Narren, die offen profitiert. Bei den Leuten, die in dieser Partei noch füh- sind, die Sie mögen seit eh und je und weiterhin verehren rend aktiv waren, musste sie in so einer Sache kein eige- nes Urteilsvermögen befürchten. Auch auf Kreisebene und lieb haben wollen – hier sind Sie daheim! [5] hatten sich solche Leute wie Eberhard Leibing in Lonsee, Daran hat sich dann bis zur Bundestagswahl auch nichts der ehemalige Direktor des Stuttgarter Landtags, längst mehr geändert. Und wenn Annette Schavan dann dem- innerlich zurückgezogen. nächst wieder in die große weite Welt hinausgehen wird, Leibing war übrigens einer der wenigen Protestanten unter vielleicht wieder zu Höherem berufen, dann wird sie wissen: den baden-württembergischen Spitzenbeamten vergange- Im Schwabenland, wo ihre engsten Freunde die ehrlichen ner Jahrzehnte. Von ihm stammen sehr aufschlussreiche Narren sind, da stehen sie geschlossen hinter ihr, sind ihr Bemerkungen darüber, wie wichtig es war und ist, katho- verschworener Haufe, geben ihr Halt und Heimat alleweil. lisch zu sein, wenn man in der Landes-CDU oder unter ihrer Herrschaft etwas werden wollte und will. 2007 sagte Leibing in einem Radiobeitrag über “Die Katholiken und die Macht in Baden-Württemberg”: “Der Zeitraum, den ich überschauen kann, das heißt die

letzten fünfunddreißig Jahre, da kannte ich alle Amtschefs im Staatsministerium. Die waren ausnahmslos katholisch, beziehungsweise sind katholisch. Da ist nicht ein Evange- lischer dabei.” Es geht auch nicht nur um ein krasses statistisches Miss- verhältnis: Katholische Spitzenpolitiker der baden-würt-

tembergischen CDU hatten und haben oft ein betont katholisches Profil, während Protestanten wie die Minis- terpräsidenten Späth und Oettinger regelmäßig eben gera- de nicht als Protestanten hervorgetreten sind.

http://causaschavan.wordpress.com/ 78 Ein weiterer Plagiatsvorwurf gegen einen pro- exakt getroffen, aber immerhin liegt nun schon mal der auf- minenten Politiker drang in diesem Herbst an sehenerregende Prüfbericht Steinmeier vor. [1] die Öffentlichkeit. Doch für die Doktorarbeit des nachmaligen Außenministers Frank-Walter Ferner liegt noch vor, ohne bisher die gebührende Aufmerk- Steinmeier interessierte sich bald kaum noch samkeit gefunden zu haben: Der Prüfbericht zur Doktorarbeit jemand. Denn skandalös erschien vor allem die Schavan. [5] Ins Netz gestellt wurde er bereits am 22. „Methode“ der Plagiatsrecherche, auf die sich dieser Vorwurf stützte. Und auch Annette Januar, die aktuelle Version datiert vom 22. Juli 2013. Sie ist Schavan war hier entschieden zu verteidigen: nicht geeignet, unser Vertrauen in eine nahe Zukunft ohne Nicht sie, sondern Adolf Hitler war es gewe- Plagiate wesentlich zu befördern. sen! Diese Verteidigung übernahm Simone G. Kamenz (oder seine ausgereifte Plagiatssoftware) stellt für die Doktorarbeit der ehemaligen Ministerin Schavan eine 30. September 2013 100%ige Gesamtplagiatswahrscheinlichkeit fest. Glücklicher- Herr Kamenz vom Kompetenzteam: Wie man weise müssen wir uns nicht lange mit der Frage plagen, wie Plagiatsfreiheit für Deutschland schafft so ein Wert eigentlich errechnet worden sein soll und was er eigentlich bedeuten möchte. Der himmelschreiende Blöd- von Simone G. sinn, der dann auf den folgenden Seiten als Befundstellen ausgegeben wird, enthebt uns jeder derartigen Grübelei. Herr Uwe Kamenz, Professor für Wirtschaft an der Fach- Schon bei der allerersten Textstelle (S. 11 der Doktorarbeit) hochschule Dortmund, ist der Entdecker einer immerhin zeigt sich, dass die Wundersoftware nicht in der Lage ist, in 63%igen Gesamtplagiatswahrscheinlichkeit in der Doktor- Abführungszeichen und einer Fußnotenziffer Indizien für ein arbeit von Frank-Walter Steinmeier (SPD). [1] Das Magazin ordentliches Zitat zu erkennen: FOCUS durfte über diese Entdeckung zuerst berichten, [2] weil der Burda Verlag zuvor an Kamenz zweimal Zahlungen für die Erstellung von Digitalisaten geleistet hatte – und zwar “losgelöst von der Untersuchung bestimmter Dissertationen.” Stattdessen wird hier automatisch Plagiatsverdacht signali- [3] Es leuchtet ja auch ein, dass der Burda Verlag nicht alles, siert, und die Software errechnet eine Einzelplagiatswahr- was er so an Digitalisaten braucht, selbst digitalisieren kann. scheinlichkeit von 4%. Vermutlich ergibt sich dieser Wert aus dem Abstand der Fußnotenziffer zum vorangehenden Zitat- Angesichts solch eindeutiger Ergebnisse einer so blitzsaube- Schlusszeichen in Relation zur Zeilenlänge. ren Unternehmung sah sich Plagiatsjäger Martin Heidings- felder ohne weiteres in der Lage, der Universität Gießen, an Gleich an der nächsten Textstelle wird dann demonstriert, welcher Steinmeier 1991 promoviert worden war, grünes dass es nicht immer ein übersehenes Abführungszeichen Licht für die Einleitung eines Verfahrens zu geben: sein muss. Es kann durchaus auch mal ein übersehenes Anführungszeichen sein, dem sich die Indizierung längerer korrekter Zitate als Plagiatsstellen verdankt:

In Gießen wird man sich freuen, dass man nun endlich auch seinen prominenten Plagiatsfall hat. Und wir sind wohl einen Schritt weiter auf dem Weg zum Ziel “Plagiatfreies Deutsch- land”. Denn dafür rackert sich Kamenz seit Jahren ab. Ganz uneigennützig: Dass er geschäftliche Interessen verfolgt, weist Kamenz zurück. Ihm gehe es darum, Plagiate abzuschaffen, sagt er auf Nachfrage. In seinem Institut unterstützten ihn nur zwei freie Mitarbeiter, ein Programmierer und eine Studentin, die Texte einscanne: „Die Hauptarbeit macht der Compu- ter“, sagt Kamenz. Hätte er noch zwei Mitarbeiter, „gäbe Nein, es ist nicht die 25jährige Annette Schavan, die sich es in Deutschland keine Plagiate mehr“. [4] unredlich mit der Erkenntnis schmücken möchte, dass das Gewissen eine jüdische Erfindung sei. Es ist Adolf Hitler, der Diese schöne Aussicht ergibt sich dank der ganz besonde- dies sagt. Dass es sich hier um einen Ausschnitt aus einer ren Leistungsfähigkeit der Kamenz’schen Plagiatssuch- Hitler-Äußerung handelt, kann man unter Umständen auch software. Als 2011 die Kampagne “Plagiatfreies Deutsch- daraus schließen, dass unmittelbar zuvor “folgender Aus- land” ausgerufen wurde, kündigte Kamenz daher auch schnitt aus einer Hitler-Äußerung” angekündigt wird. Und unerschrocken die Überprüfung von 200.000 Arbeiten an. vielleicht kann man versuchsweise sogar so weit gehen, all Diese Zielmarke wurde bisher zwar noch nicht vollkommen das, was zwischen An- und Abführungszeichen und vor der

http://causaschavan.wordpress.com/ 79 Fußnote steht, für die wörtliche Wiedergabe dieser Äußerung Es gab dann noch Diskussionen darüber, ob zu halten. Man nennt es auch Zitat. dies nun bedeute, dass Steinmeier nicht pla- giiert habe. Nein, meinten wir, das bedeute Die Software aus dem Hause Kamenz zeigt sich um all dies es nicht: unbekümmert. Sie errechnet an dieser Stelle eine Einzelpla- giatswahrscheinlichkeit von 24%, und das ist schon ganz or- Simone G. | 30. September 2013 um 15:30 | dentlich. Es mag sich mit der Doktorarbeit von Herrn Steinmeier so Für eine ausgereifte, zuverlässig funktionierende Software oder anders verhalten: Aus diesem “Prüfbericht” ist das nicht zu erkennen. Der lässt nur alles mögliche vermuten. spricht auch die nächste Textstelle: Es mag ja auch sein, dass die Doktorarbeit von Herrn Steinmeier ganz andere, wirklich üble Klöpse enthält, die von Herrn Kamenz nicht gefunden wurden. Wer will behaupten, das zu wissen oder das ausschließen zu können? Was man aber wissen kann: Die Veröffentlichung dieses Eine Markierung ist hier nicht erkennbar. Weiteren Auf- “Prüfberichts” ist eine bodenlose Verantwortungslosig- schluss dürfen wir uns von der Gegenüberstellung mit der keit. Er ist in dieser Form vollkommen unbrauchbar. Und Originalquelle erhoffen: die Technik und Methode, mit der hier gearbeitet wurde, ist es offensichtlich auch. Und der Projekt- leiter Kamenz ist offen- bar vollkommen un- fähig, das von seinen Rechnern ausgespuckte und von seinen zwei freien Mitarbeitern vielleicht redigierte Material noch einmal kritisch zu prüfen, bevor es das Haus ver- lässt. Ein für die Öf- fentlichkeit gedachter Bericht, der obendrein für eine dritte Person einschneidende Folgen haben könnte, kann in dieser Qualität jeden- falls den ihm einzig vorbestimmten Weg in den Schredder nur bei gründlicher Umnach- tung der Verantwortli- chen verfehlen. Zu den S. 285 ff. und ganz allgemein nur der Hinweis, dass dieser Plagiatsprüfbericht es fertigbringt, eine 4%ige oder 40%ige Einzelpla- Ja, das ergibt nun leider eine Einzelplagiatswahrschein- giatswahrscheinlichkeit auszurechnen, ohne die Beleg- lichkeit in der bedenklichen Höhe von 40%. Aber locker. technik des Autors zu berücksichtigen. Denn seine Fußno- ten fehlen ja. Nicht immer allerdings. Bei S. 304 (S. 130 An dieser Stelle brechen wir die Lektüre des Prüfberichts des Berichts) werden sie z.B. mitgeliefert, nur warum? Schavan ab und in Hochrufe auf den Fortschritt der Plagiats- Das weiß an dieser Stelle wohl kein Mensch. Das weiß die suchautomatisation aus. Software. Und was heißt dies nun für den Wert der aktuellen Plagiats- Das Vorgehen und Auftreten von Herrn Kamenz ist in prüfung im Fall Steinmeier? Um es mit Uwe Kamenz zu mehrfacher Hinsicht schädlich. Das Thema “Kümmern sagen: um Plagiate” ist in der Öffentlichkeit ohnehin schon nega- tiv belegt. Es wird mit politisch motivierten Kampagnen Die Indizienlage ist vergleichbar mit dem Fall von Ex- verbunden, als Beweis für völlig verkommene Verhält- Bildungsministerin Annette Schavan. [2] nisse in der Politik und/oder Wissenschaft genommen, und die “Plagiatsjäger” sind Korinthenkacker, akademisch Gescheiterte mit Neidkomplexen und als Denunzianten die größten Lumpen im ganzen Land. Außerdem betreiben sie auch noch Geschäftemacherei. Und natürlich ist die

http://causaschavan.wordpress.com/ 80 ganze “Plagiatsjagd” auch methodisch völlig unseriös. Nachdenken nichts. Und “ich tu denen nicht den Gefallen, Und menschlich umso unanständiger. daran zu zerbrechen”, betonte Schavan als Schlusssatz zu Es ist schädlich, wenn solche Meinungen durch tatsäch- diesem Thema. [3] lich methodisch völlig unseriöse, mit wirtschaftlichen Für solche Äußerungen erntete die Tapfere anhaltenden Interessen verquickte Aktionen bestätigt werden. Applaus. Auch das grandiose Wahlergebnis wurde dann in Berichterstattung und Kommentaren regelmäßig mit dem Und ein Nachtrag wurde noch geliefert: Zusatz “trotz der Plagiatsvorwürfe” versehen. Simone G. | 2. Oktober 2013 um 11:55 | Trotz spielte wohl auch bei Schavans Entscheidung eine Es soll allerdings niemand sagen, im Kamenz-Labor Rolle, sich in den Hochschulrat der LMU wählen zu lassen. würde nicht ständig nachjustiert. Noch in der Version des Just am Tag nach der Bundestagswahl, als sie immer noch Prüfberichts vom 5. März 2013 lag die gemessene Pla- auf Wolke sieben war, wurde dieser nächste Sieg der Annet- giatswahrscheinlichkeit für die S. 11 (wir erinnern uns: te Schavan durch eine eher unauffällige Mitteilung mit nichts- Adolf Hitler) bei 99%. Inzwischen liegt sie bei 24%. Das sagender Überschrift auf der Homepage der Universität sind natürlich Verluste, die jede große Volkspartei kundgetan: “Zwei zusätzliche Mitglieder nachbestellt”. [4] All- schmerzlich treffen würden. Im Rahmen der Weiterent- gemein publik wurde er – nach frühen Reaktionen der Blog- wicklung wissenschaftlicher Messmethoden und -apparate gerszene [5, 6] – erst durch einen Beitrag der Süddeutschen sind derartige Schwankungen aber jederzeit zu tolerieren. Zeitung vom 30. September. [7] Seither scheint es, als habe Inzwischen dürfte der Fliegenschiss über dem Anfüh- sie überzogen, als habe sie nun eine Stimmung gegen sich. rungszeichen auf S. 11 vollständig durchgetrocknet sein, Die schönen positiven Meldungen und Kommentare zum so dass für einen erneuten Durchlauf ein Wert von etwa Wahlergebnis, die ja gut und gerne noch länger hätten nach- 0% prognostiziert werden kann. Oder doch jedenfalls ein wirken können, wurden verdrängt durch Berichte über einen Wert unter 100. Keinesfalls 100. Der Wert “100″ an dieser Vorgang, der offenbar ganz überwiegend als ungehörig Stelle würde nach Meinung von Experten auf ein ernstes empfunden wird. Unverhohlen und heftig äußert sich dieses Problem der Versuchsanordnung hindeuten. Empfinden in einer Flut von Wortmeldungen in den Online- Also zwischen 0 und 99. In der Summe bleibt es natürlich Foren und auf Twitter. [8] “Falsches Signal”, findet etwa nach wie vor bei einer Gesamtplagiatswahrscheinlichkeit “divan49″ in einem Kommentar zum Schavan-Bericht im von 100%. Insofern ist die Zuverlässigkeit erwiesen. Tagesspiegel: Das ist ähnlich instinktlos wie Merkels Bemerkung in der Etwas Besonderes ließ sich die Ludwig-Maximi- “causa Guttenberg”, sie habe ja keine wissenschaftliche lians-Universität München einfallen: Just am Tag nach der Bundestagswahl gab sie die Wahl Hilfskraft eingstellt, sondern einen Politiker für ein Amt. von Annette Schavan in das oberste Leitungs- Wie soll der akademische Nachwuchs zu einem korrektn gremium, den Hochschulrat, bekannt. Über das wissenschaftlichen Verhalten angehalten werden, wenn öffentliche Echo dieser Personalie zeigte man sich Verfehlungen geradezu bezahlt machen??? [9] sich unschuldig erstaunt. Im Münchner Merkur meldet sich “Gruensticht” besonnen und doch entsetzt zu Wort: 3. Oktober 2013 Wenn Frau Schavan der UNI München weiterhelfen kann, Hochschulrätin Schavan möchte derzeit nicht ist dies auch ohne Dr.-Titel in Ordnung. Das öffentliche von Simone G. Signal ist jedoch verheerend. [10] Auf Twitter meldet “Fabian” aus München ein Problem: Das öffentliche Echo auf die Schavangewinnung des Hoch- schulrats der Ludwig-Maximi- lians-Universität München darf man getrost als suboptimal bezeichnen. Gerade noch lief es so gut für Annette Schavan – mit rauschenden 52,1% der Erststimmen war sie erneut als Abgeordnete für den Wahlkreis Ulm/Alb-Donau in den Bundes- “Ranaipiri123″ schreibt im Leserforum der Süddeutschen tag gewählt worden [1] und fühl- Zeitung: te sich am Tag danach “noch immer auf Wolke sieben.” [2] Unglaublich. Das geht doch einfach nicht! Man hätte doch Welch wunderbare Bestätigung von Person und Gewissen! mindestens das Gerichtsurteil abwarten müssen. Jeder, Denn sie war ja mit sich im Reinen. Bei ihren Auftritten in der ehrlich promoviert wird hier eines besseren belehrt!! den letzten Wochen des Wahlkampfs hatte sie dies wieder- Ich kann es einfach nicht fassen und schäme mich für holt deutlich gemacht: meine Universität!! [11] “Ich finde meine Dissertation auch nach wie vor gut”, be- Und so weiter. – Für Schavan dürfte freilich eher von Be- tonte sie. Vorzuwerfen habe sie sich auch bei genauerem deutung sein, dass dieses Empfinden auch in der Bericht- erstattung und den bestenfalls verhaltenen Kommentaren

http://causaschavan.wordpress.com/ 81 der Medien durchscheint – und zwar auch in solchen wissenschaftlicher Perspektive eine wichtige Bereicherung” Medien, die ihr bisher jede Unterstützung angedeihen ließen. seien, [4] veranlasst ihn zu der sarkastischen Nachfrage: “Das passt nicht zusammen”, befindet der FOCUS knapp Soll Frau Schavan künftig die LMU bei (hoffentlich nicht) über die ehemalige Wissenschaftsministerin, der ihre Univer- auftretenden Plagiatsfällen sachkundig beraten? Oder soll sität den Doktorgrad entzogen hat, und die Funktion einer sie mit ihrer – unabhängig vom juristischen Ausgang des Hochschulrätin. [12] Schlimmer kommt es für Schavan aus- Verfahrens um die von der Universität Düsseldorf ver- gerechnet in der WELT. “Blonder Ehrgeiz” ist deren aktuelle hängte Aberkennung ihres Doktortitels – eindeutig nachge- Kopfnoten-Rubrik überschrieben, und das zielt auf die in die- wiesenen geringen wissenschaftlichen Qualität ihrer er- sem speziellen Organ bisher so verehrte und bedingungslos ziehungswissenschaftlichen Dissertation den an der LMU gestützte Ex-Ministerin: vertretenen pädagogischen Disziplinen fachwissen- Als sie noch blond war und schon ehrgeizig, schrieb sie schaftliche Unterstützung, gar Bereicherung bieten? ihre Dissertation. Jahrzehnte später hatte ihre Universität Und schließlich sei es ein in der deutschen Wissenschafts- in Düsseldorf Zweifel an der Redlichkeit der Arbeit, erkan- landschaft wohl einmaliger Vorgang, dass die LMU die nte den Doktortitel ab, und Annette Schavan trat als Bun- “akribisch begründete Entscheidung” der Düsseldorfer Fakul- desbildungsministerin zurück. Schavan klagt gegen die tät “in dieser ostentativen Weise unterläuft”: Düsseldorfer Uni. Und ist nun in den Hochschulrat der Universität München gewählt worden. Einstimmig. Ein Nennen wir es Instinktlosigkeit? Oder vielleicht nicht eher Trost? Vielleicht. Aber ist das klug? [12] Chuzpe?

Dafür gibt es im Hause Springer die Note “3″, und das ist im Auch an der Ludwig-Maximilians-Universität haben sich erste Allgemeinen schon ziemlich schlecht, für eine Annette Scha- kritische Stimmen zu Wort gemeldet. Christoph Neumann, van in diesem Moment der akademischen Erhöhung aber Vorstand des Instituts für den Nahen und Mittleren Osten, niederschmetternd. hält es für “völlig daneben, eine solche Berufung vorzuneh- men”: Doch am schlimmsten ist die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Das Blatt, in dem monatelang Heike Schmoll geradezu per- “Sie ist hoch fähig und kann vieles”, sagt Neumann. Aber sönlich eifernd für die Unantastbarkeit der Annette Schavan wenn jemand unter einem solchen Verdacht stehe, “ist es stritt, bietet nun Raum für heftigste Kritik an der Wahl der ungeschickt und falsch, eine Person in eine solche neuen Hochschulrätin und lässt es zu, dass bei dieser Gele- Position zu befördern”. genheit von einem Wissenschaftler sehr wenig schmeichel- [Süddeutsche Zeitung, 2.10.2013, bislang nicht online] hafte Dinge über die wissenschaftliche Dignität der ehemali- Ähnlich argumentiert der Informatiker François Bry: Schavan gen Ministerin, über ihr Verhältnis zur Wissenschaft und über sitze auf einem Schleudersitz. Wenn sie vor Gericht gegen ihren Anspruch auf einen Platz unter dem Dach der Wissen- die Düsseldorfer Fakultät unterliege, sei sie nicht zu halten. schaft gesagt werden. Der Bamberger Althistoriker Hartwin Bry hat inzwischen für die neue Hochschulrätin eine beson- Brandt erinnert zunächst noch einnmal daran, wie Schavan dere Begrüßung online gestellt, deren Doppelbödigkeit bei laufendem Plagiatsverfahren ihre erneute Kandidatur für spätestens in dieser Passage deutlich wird: den Bundestag anmeldete und dabei zugleich verlauten ließ, weiterhin Wissenschaftsministerin sein zu wollen – auch Sie fragen sich sicherlich, wieso die Universität München nach 2013, weil sie es der Wissenschaft schuldig sei: Sie in ihrem Hochschulrat noch vor dem Urteil des Verwal- tungsgerichtes Düsseldorf über Ihrer Anfechtungsklage Schon da fragte sich der staunende Wissenschaftler: Ist er (zum Entzug Ihres Doktortitels) aufgenommen hat. Das selbst gemeint? Nein, das konnte doch wohl nicht sein, fragen sich viele innerhalb und außerhalb der Universität denn ihm ist Frau Schavan zwar in der Tat vieles schuldig München. Sie haben sicherlich schwerem Herzens wahr- geblieben, zum Beispiel eine vernünftige Haltung in der genommen, dass niemand unter den Personen, die Sie für Bologna-Reform, aber gewiss schuldete sie ihm nicht den eine Mitgliedschaft in unseren Hochschulrat vorgeschlagen Verbleib in Parlament und Amt. oder ausgewählt haben, Ihre wissenschaftliche Integrität [FAZ, 2.10.2013, bislang nicht online] öffentlich verteidigt haben. Damit haben Sie von Anfang an Vielleicht, so mutmaßt Brandt, war sie es ja Christoph Mark- Ihrer Tätigkeit bei uns einen zwischenmenschlichen Um- schies schuldig, weiter im Amt zu verharren. Der Berliner gang kennengelernt, der auch an unserer Universität ver- Theologe und eifrige “Schavan-Anhänger” breitet ist: Kälte als Sachlichkeit verkleidet. [13] verstieg sich damals [...] zu erstaunlichen Äußerungen: Er Indem er am Ende seiner Willkommenswünsche dann einem habe Schavans Arbeit gelesen, sie habe offensichtliche eigentlich nicht gut wünschbaren Wunsch Ausdruck gibt, Mängel, was ihm offenbar nicht viel ausmachte, doch das macht Bry das Dilemma vollends deutlich, in das seine reiche nicht zur Aberkennung des Doktortitels, denn, so Universität durch den Beschluss ihres Senats gestürzt Markschies: “Wenn die Universität Düsseldorf in diesem worden ist: Verfahren den Titel entzieht, dann müsste sie sicher noch Und wenn Sie schon bei uns sind, dann wünsche ich mir vielen anderen Personen den Doktorgrad entziehen.” auch, dass Sie noch bei uns bleiben, sollte Ihnen der Von der gleichen “saloppen Einschätzung” sieht Brandt die Doktortitel aberkannt bleiben. Anderes wäre ja einer Münchner Entscheidung getragen, Schavan in den Hoch- Universität unwürdig. [13] schulrat zu wählen. Die frohe Bekundung des LMU-Präsi- Ja, in der Tat: Sollte der Doktortitel aberkannt bleiben, dann denten Bernd Huber, dass die neuen Hochschulratsmit- wird man in München die Sache womöglich noch einmal glieder “sowohl aus wissenschaftspolitischer als auch fach- überdenken wollen. Das wird dann in etwa so angenehm

http://causaschavan.wordpress.com/ 82 sein und so viel Handlungsspielraum eröffnen wie das Über- vor Gericht verliert? Dann wird es nicht nur für Schavan denken der Schavan verliehenen Honorarprofessur an der peinlich, sondern auch für die LMU. [15] FU Berlin. Doch wie sagte LMU-Präsident Huber zur Frage, Jürgen vom Scheidt bemerkt zu diesem vorerst letzten Kapi- ob die Glaubwürdigkeit seiner Universität nun vielleicht tel der traurigen Posse um die ehemalige Wissenschafts- leiden könne, etwa bei künftigen Plagiatsfällen? ministerin: “Das Leben hat so viele Risiken und so viele Fragen”, das Es ist unglaublich, wie diese Frau die Universität als Insti- sei jetzt kein Thema. [7] tution ein weiteres Mal massiv beschädigt. Konnte man ihr Auch der Vorsitzende des Akademischen Senats, Martin die problematische Dissertation noch als Jugendsünde Hose, sieht “vorläufig kein Problem”. [7] Und vorläufig ist in durchgehen lassen – so handelt sie jetzt vorsätzlich. Das diesem unserem Leben, so voller Risiken und voller Fragen, wiegt in meinen Augen wesentlich mehr. Aber nicht nur sie schließlich ja so gut wie alles. – auch der Präsident der LMU, seine Beiräte und und und – alle scheinen nicht zu kapieren, was sie da für Porzellan Die erste Sitzung des Hochschulrats der LMU in seiner zerdeppern. [15] neuen Zusammensetzung ist jedenfalls vorläufig für den 24. Oktober 2013 anberaumt. Es wird sicher sehr würdig werden So scheint es zu sein. Und wenn man sich die Liste der in und überhaupt sehr erfreulich für Annette Schavan. Nett ist Präsidium, Senat und Hochschulrat beteiligten Personen beispielsweise, dass ja Helmut Schwarz schon Mitglied des näher ansieht – denn der Hochschulrat wird ja im Vorfeld Münchner Hochschulrats ist: Der Präsident der Humboldt- sicherlich ebenfalls einbezogen worden sein – und dann Stiftung, der ihr stets heftig engagiert zur Seite stand in noch das bayerische Wissenschaftsministerium unter dem schwerer Zeit, auch auf ihrer letzten Dienstreise nach Süd- scheidenden Minister Wolfgang Heubisch (FDP) berücksich- afrika damals. Und wenn es die Terminlage so fügt, dass tigt, dann ist das Große Zerdeppern von München schon sich die Ereignisse überschneiden, wird sich ja vielleicht eine eine sehr beachtliche Gemeinschaftsleistung, wie sie nur Direktübertragung aus dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eine echte Elite im Zustand fortwährender Exzellenz voll- nach München einrichten lassen. Denn das wäre in dieser bringen kann. Runde ja vielleicht dann doch von gewissem Interesse. Vorläufig sieht man in Präsidium und Senat der LMU jeden- falls keine Notwendigkeit, auf der Angelegenheit Hochschul- rätin Schavan weiter öffentlich herumzureiten. Außerdem lässt Frau Schavan erklären, dass sie vorläufig über das ihr zuteil gewordene neue Ehrenamt kein Gespräch zu führen wünscht. 10. Oktober 2013 Deutscher Hochschulverband stellt sich Nachtrag gegen „überführte Plagiatorin“ Schavan Im Münchner Lokalteil der Süddeutschen Zeitung vom 30. September wird der Bericht über die Berufung Schavans in von Simone G. den Hochschulrat der LMU durch eine Glosse ergänzt, gleichfalls von Sebastian Krass verfasst. Sie trägt den Titel Mit außergewöhnlicher Schärfe hat der Deutsche Hochschul- “Falsches Signal” und lässt an Deutlichkeit nichts zu wün- verband gegen die Wahl von Annette Schavan in den Hoch- schen übrig. “Inhaltlich” sei Schavan für die Universität ja schulrat der Ludwig-Maximilians-Universität Stellung bezo- “ganz eindeutig ein Gewinn”. Doch unter dem Vorzeichen gen. Die Süddeutsche Zeitung zitiert den Pressesprecher des “nach ausgiebiger Prüfung” aberkannten Doktorgrades des DHV, Matthias Jaroch, mit den Worten: und der noch anhängigen Klage Schavans vor Gericht sei “Die Berufung von Frau Schavan in ein bedeutendes sie “im Moment nicht tragbar für Positionen im deutschen Leitungsamt einer Exzellenzuniversität widerspricht dem Hochschulbetrieb”, meint Krass: akademischen Comment und ist ein Affront gegenüber den Wenn sie gewinnt, steht ihr die volle Rehabilitierung zu. Kollegen der Universität Düsseldorf. Führende Positionen Aber bis dahin ist Schavans Glaubwürdigkeit erschüttert. in der Wissenschaft können nur diejenigen übernehmen, Dass der LMU-Präsident Huber darauf keine Rücksicht deren akademische Integrität außer Zweifel steht.“ nimmt, ist ein schwerer Fehler. Und die Mitglieder des Schavan hingegen habe derzeit „den Status einer durch Senats machen sich mitverantwortlich, indem sie dessen die Universität Düsseldorf überführten Plagiatorin“. [1] Vorstoß einstimmig abnicken. Mit seinem Handeln schadet Zugleich macht der DHV deutlich, wie er die Relevanz der Huber dem Renommee der – nach den Ergebnissen der noch anhängigen Klage der ehemaligen Wissenschafts- Exzellenzinitiative – besten deutschen Universität. Und wie ministerin gegen die Entscheidung der Düsseldorfer Fakultät sollen Professoren der LMU sich eigentlich künftig in Pla- einschätzt: “Innerhalb des akademischen Betriebs” sei das giatsfällen verhalten, wenn der Uni-Chef so nonchalant mit Verfahren bereits abgeschlossen. diesem derzeit sensibelsten Thema des wissenschaft- lichen Betriebs umgeht? Zugleich brüskiert Huber mit der Der Senat der LMU, der am 18. Juli 2013 einstimmig für die Personalie Schavan all die jungen Wissenschaftler, die an Berufung Schavans in den Hochschulrat votiert hatte, war der LMU unter teils prekären Arbeitsverhältnissen darum erst im Juni neu gewählt worden. Es ist nicht ohne Pikante- ringen, eine Dissertation oder Habilitation von höchster rie, dass bis dahin auch der Physiker Ulrich Schollwöck, Güte zu schreiben.Und was ist eigentlich, wenn Schavan Erster Vizepräsident des DHV, dem LMU-Senat angehört hatte.

http://causaschavan.wordpress.com/ 83 Die Süddeutsche Zeitung weiß auch von wachsendem Un- schwister sind noch nicht mal im Senat, der aber eh nichts mut an der Universität zu berichten. So halte der Dekan der zu sagen und schon gar nichts zu entscheiden hat. Der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften, Hubertus Senat ist nur noch symbolisch. Nur ob Annette Schavan in Kohle, Schavans Wahl in den Hochschulrat den Hochschulrat kommt: Das entscheidet laut Gesetz der Senat, hat der Präsident Huber jetzt erklärt. Der Senat ist für „ein eigentümliches Signal gegenüber den Studenten“, nämlich “ein Gremium der repräsentativen Demokratie, denen man sauberes wissenschaftliches Arbeiten ver- wenn man so will”, sagt der Präsident Huber. mitteln wolle. Wegen des Gerichtsverfahrens wolle er Und in diesem Fall will er das so. Es haben sich nämlich „nicht den Stab über Frau Schavan brechen. Aber wenn lauter Grantler gemeldet, die es nicht gut finden, dass sie damit nicht durchkommt, müsste klar sein, dass sie Annette Schavan in den Hochschulrat kommt. Weil ihr nicht mehr dabei sein kann“. [1] wegen anonymem P****** der Doktortitel aberkannt worden ist. In so einem Fall ist repräsentative Demokratie LMU-Präsident Bernd Huber hatte dagegen erkennen las- sehr wichtig, dass nicht alles einfach am Präsidenten sen, dass eine solche Konsequenz für ihn keineswegs hängt. zwingend sei. Noch vor wenigen Tagen kommentierte er Einwände, dass Schavan den Doktortitel endgültig verlieren Der Präsident Huber hat jetzt auch erklärt, dass er mit könnte und man dann über ihren Sitz im Hochschulrat wohl allen redet, die in dieser Frage das Gespräch wünschen. Wirklich: Mit allen. Zeitlich dürfte das für ihn kein noch einmal “grundsätzlich reden” müsse: Problem sein, denn das Gespräch wird in dieser Frage Ich will nur daran erinnern, dass das Plagiats-Verfahren eher wenig gewünscht. Im Senat zum Beispiel gab es bei Frau Schavan, das da an der Universität Düsseldorf keinen Gesprächswunsch in dieser Frage, nur einen stattgefunden hat, alles andere als unumstritten war. [2] Klopfwunsch.

Derzeit weilt Huber auf Dienstreise in Asien. Es mag sein, Wenn der Huber Bernd in dieser Frage mit jemandem reden will, dann muss er sich seine Gesprächspartner dass er bei seiner Rückkehr in München eine etwas verän- schon selbst suchen. Den Professor Nassehi zum Beispiel, derte Situation vorfindet. Eine Hochschulrätin, die nach der der zwar im Senat ist, aber dort wurde das Gespräch in öffentlich vertretenen Auffassung des Deutschen Hochschul- dieser Frage ja nicht gewünscht. Also hat er den Professor verbandes derzeit den Status einer überführten Plagiatorin Nassehi auf dem Professor-Huber-Platz getroffen, und der genießt, könnte bereits jetzt und ganz unabhängig vom Aus- hat ihm gesagt, Ja: Er kennt die Frau Schavan vom katho- gang irgendwelcher Verwaltungsgerichtsverfahren für zu lischen Kirchentag her, und sie ist eine gute Person und er viele Studierende, Mitarbeiter und Professoren als nicht ist unbedingt dafür, dass sie in den Hochschulrat kommt. mehr tragbare Belastung für die Universität erscheinen. Dann hat der Präsident Huber den Professor Levin getrof- An der Klugheit des Präsidiums und des Senats dieser fen. Der ist zwar nicht im Senat, aber er ist evangelischer Exzellenzuniversität darf jedenfalls heftig gezweifelt werden. Theologe und kennt sie auch und sieht sie oft. Er ist auch dafür, dass sie in den Hochschulrat kommt. Und schließ- lich hat der Präsident Huber noch den Professor Carell Solche Zweifel führten dann doch auch inner- getroffen. Der ist zwar auch nicht im Senat, aber er kennt halb der LMU zu heftigem Rumoren. Den Präsi- die Frau Schavan auch. Und er ist auch dafür, dass Annet- denten Huber focht dies nicht an. Er verwies te Schavan in den Hochschulrat kommt. namentlich auf die Unterstützung einer Nomi- nierung Schavans als Hochschulrätin durch die Was hat das denn auch für einen Sinn, solche Leute nach Professoren Armin Nassehi, Christoph Levin der Frau Schavan zu fragen, die die Frau Schavan gar und Thomas Carell – allesamt der einstigen nicht kennen? Die sind da doch gar nicht repräsentativ in Ministerin eng verbunden. Zugleich sickerte der Frage. durch, dass der Akademische Senat die heikle Personalie ohne vorherige Aussprache durch Nachdem der Professor Nassehi und der Professor Levin bloßes „Auf-den-Tisch-Klopfen“ abgesegnet und der Professor Carell also dafür waren, hat der Senat hatte. Der Senatsvorsitzende Hose wollte nun natürlich ohne weiteres repräsentativ geklopft. Jetzt behaupten, dass der Senat an bayerischen Uni- fürchten die Grantler, dass es der akademischen Glaub- versitäten heutzutage ja „nur noch eine sym- würdigkeit der Universität schadet, wenn Annette Schavan bolische Funktion“ habe. - Am Tag der Einfüh- in den Hochschulrat kommt. Wegen ihrem anonymen rung Schavans in ihr neues Amt meldete sich P******. Da muss sich der Präsident Huber aber wun- unser früherer Mitarbeiter A.M. Schnierl an dern, denn: anderer Stelle noch einmal zu Wort: “Zum Selbstverständnis der LMU gehören integres und A.M. Schnierl | 24. Oktober 2013 um 22:00 | sauberes wissenschaftliches Arbeiten”, sagt er. Und das sagt er als der Präsident, dann ist es auch wahr. Und An der Ludwigstraße unserer schönen Münchner Stadt, da deshalb sind die Befürchtungen der Grantler einfach wo sie zur Leopoldstraße wird, liegt der Professor-Huber- “daneben”, sagt er. Platz. So heißt er aber nur auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Diesseitig, wo der Professor-Huber-Platz die Es ist allerdings gerade nicht ganz leicht, den Professor Kutschenvorfahrt für die besseren Herrschaften zur Lud- Huber zu verstehen. Denn es wird schon wieder gebaut wig-Maximilians-Universität ist, heißt er bloß “Geschwis- am Professor-Huber-Platz, und es ist da etwas laut. Vom ter-Scholl-Platz”. Professor-Huber-Platz aus bauen sie gerade einen Verbin- dungsweg direkt hinüber in die Universität, dahin wo der So ist er halt, der Huber Bernd: Bescheiden, fast Hochschulrat tagt. Oder eigentlich hinunter. Denn diese g’schamig schon. Ihn kennt jetzt aber an der Universität Verbindung ist völlig unterirdisch. Heute noch muss sie eh ein jeder, was man von den Geschwistern Scholl nicht fertig werden, die aus Restmitteln der Exzellenzinitiative behaupten kann. Denn er ist der Präsident, und die Ge- gebaute Hochschulrätin-Schavan-Schleuse. [1]

http://causaschavan.wordpress.com/ 84 Wie kam die akademische Rehabilitierung der aber geschah es erst gegen Ende Februar, kurz bevor Ex-Ministerin inzwischen auf dem Forschungs- Markschies mit der guten Botschaft an die Öffentlichkeit sektor voran? Und wer sektierte da eigent- lich? Simone G. erstellte ein Gruppenbild der ging. IAG „Zitat und Paraphrase“ – ganz ohne Dame, Als Antragsteller trat neben Markschies der frühere Präsident doch immerhin mit zwei IMs der besonderen der Hochschulrektorenkonferenz Peter Gaehtgens auf. Wun- Art. derbar fügte es sich, dass Antragsteller Markschies zugleich auch stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen 15. Oktober 2013 Beirats der Fritz-Thyssen-Stiftung ist. Wunderbar ist es auch, Richtig zitieren mit Fritz und Nikolaus dass mit Georg Braungart und Matthias Kleiner gleich zwei weitere Mitglieder der IAG “Zitat und Paraphrase” dem Wis- von Simone G. senschaftlichen Beirat der Thyssen-Stiftung angehören. [4, 5] Über das Großprojekt “Zitat Der Wissenschaftliche Beirat berät die Stiftung bei der und Paraphrase” haben wir Durchführung der Stiftungsaufgaben, vor allem bei der bereits mehrfach berichtet. [1, Vergabe der Fördermittel [5] 2] Zweieinhalb Jahre lang werden 25 Gelehrte an der heißt es auf der Homepage der Stiftung, und das hat in Berlin-Brandenburgischen diesem Fall ja auch ganz wunderbar funktioniert. Dank der Akademie der Wissenschaften Beratung durch den Wissenschaftlichen Beirat konnten die all den Fragen nachgehen, die Forschungsgelder so zügig vergeben werden, dass sich die im Zuge des Skandals um die IAG “Zitat und Paraphrase” alsbald konstituieren und schon Doktorarbeit der ehemaligen im Mai 2013 ein erstes Arbeitstreffen abhalten konnte. Wissenschaftsministerin Doch der Wunder war es damit nicht genug. Denn schon Schavan aufgetaucht sind. nach wenigen Monaten konzentrierter Plagiatsphrasenfor- Heute können wir unsere schung wollte es die Vorsehung, dass der Wissenschaftsrat Berichte über dieses Forschungsprojekt ein wenig ergänzen. eine Tagung über “Wissenschaft in der Verantwortung. Gute Und da hier der große Nikolaus von Kues mächtig ins Spiel wissenschaftliche Praxis und Qualitätssicherung in der Pro- kommt, der ja auch in der Wissenschaftsgeschichte als motion” abhielt. Wunderbar fügte es sich, dass er als Ta- heiligmäßig gilt, müssen wir uns nicht wundern, wenn gungsort die Räumlichkeiten der Berlin-Brandenburgischen hieraus nun ein Wunderbericht wird. Akademie der Wissenschaften erwählte. Und ganz und gar Am 22. Februar 2013 kündete der Kölner Stadt-Anzeiger wunderbar musste es erscheinen, dass bei dieser Gelegen- erstmals von den bevorstehenden wissenschaftlichen heit das IAG-Mitglied Philipp Theisohn bereits erste wesent- Großtaten an der BBAW. Genauer gesagt: Es war der liche Arbeitsergebnisse der Forschergruppe vorstellen und langjährige Schavan-Weggefährte, der Berliner Theologe dabei heftig durchschimmern lassen konnte, was von der und Kirchenhistoriker Christoph Markschies, der dem Düsseldorfer Bewertung in Sachen Schavan zu halten war. langjährigen Schavan-Weggefährten, dem Theologen und Wunderbar auch, dass gerade diese Präsentation als der Journalisten Joachim Frank, gerne Auskunft gab. Nebenher einzige Vortrag den Höhepunkt und Abschluss der Tagung machte das Blatt vollends deutlich, dass dieses Vorhaben darstellte. Wunderbar schließlich, dass all dies geschah, ausschließlich dem hehren Ziel der wissenschaftlichen obgleich dieser bedeutende Auftritt im Arbeitsprogramm der Wahrheitsfindung dienen und keinerlei andere Zwecke IAG zunächst gar nicht vorgesehen war. verfolgen würde:

In dem Forschungsantrag, der dem „Kölner Stadt-Anzei-

ger“ vorliegt, ist von „dringendem Handlungsbedarf“ die Rede, weil die Debatte über Plagiate „erkennbar parteipolitisch grundiert“ sei. Im Hintergrund steht unter Diese im Wissenschaftsbetrieb leicht überdurchschnittliche anderem der Fall der ehemaligen Forschungsministerin Wunderfrequenz verdankt sich zweifellos der Mitwirkung des Annette Schavan (CDU), der die Universität Düsseldorf vor Nikolaus von Kues, genannt Cusanus. An Fortschritt und zwei Wochen wegen des Vorwurfs vorsätzlicher Täu- Zielen der IAG “Zitat und Paraphrase” nimmt er ungemein schung in ihrer Dissertation den Doktortitel aberkannt hat. lebhaften Anteil. Verständigungsschwierigkeiten zwischen Dagegen hat Schavan jetzt Klage beim Düsseldorfer dem Kirchenmann des 15. Jahrhunderts und den Mitgliedern Verwaltungsgericht erhoben. [3] der IAG dürfte es angesichts der personellen Zusammen- setzung der Arbeitsgruppe nicht geben. Und nun ist es wunderbar, dass auch die Fritz-Thyssen-Stif- tung diesen dringenden Handlungsbedarf angesichts der Die Liste der 25 Mitglieder der IAG “Zitat und Paraphrase” parteipolitischen Grundierung der Debatte sowie des anhän- birgt einige Überraschungen – jedenfalls für arglose Zeit- gigen Verfahrens beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht im genossen, die gerne glauben, dass es hier um die Erfor- Hintergrund erkannte und die nötigen Mittel für die Interdis- schung des Unbekannten oder des Noch-nicht-genau- ziplinäre Arbeitsgruppe “Zitat und Paraphrase” ungesäumt genug-Gewussten geht, und nicht um die eilbedürftige zur Verfügung stellte. Bei der Fritz-Thyssen-Stiftung nämlich Unterfütterung von interessengeleiteten Behauptungen in wurde der Forschungsantrag eingereicht, und das kann einem konkreten, politisch grundierten Konflikt mit einem frühestens in der zweiten Januarhälfte geschehen sein, denn Gerichtsverfahren im Hintergrund. Tatsächlich besteht die Mitte Januar war dieser Antrag noch nicht fertig. Vermutlich IAG in ihrem Kern aus vielfach bewährten Schavan-Anhän-

http://causaschavan.wordpress.com/ 85 gern, wobei die Schavanisten unter den Mitgliedern der Cusanuswerk tätig war, also ein Kollege von Annette Berlin-Brandenburgischen Akademie durch zusätzliche Schavan aus uralten Zeiten ist. Da muss man gar nicht wis- Hilfstruppen erheblich verstärkt wurden. Unter diesen sen, dass er an der Universität Bielefeld gelegentlich für den Hilfstruppen jedoch tut sich ein Bataillon aus Cusanus- Braungart-Bruder Wolfgang Lehrveranstaltungen abhält, um Leuten besonders hervor. Das macht ja auch Sinn. Schließ- seine Einbeziehung in die IAG “Zitat und Paraphrase” für lich war Annette Schavan von 1980 bis 1984 als Referentin, unbedingt zielführend zu halten. von 1988 bis 1991 als Geschäftsführerin und von 1991 bis Auch der Theologe und Philosoph Ludger Honnefelder ar- 1995 als Leiterin der Bischöflichen Studienförderung beitet in der IAG feste mit. Zu seinen zahlreichen einschlägi- Cusanuswerk tätig. gen Vorarbeiten zählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Von den 25 IAGlern sind 16 Mitglieder der BBAW sowie zwei die Erklärung, mit der sich im Juni 2012 “die Wissenschaft Mitglieder der “Jungen Akademie”. Unter ersteren finden sich selbst” gegen die Plagiatsjagd wandte, ferner ein entlasten- altgediente Haudegen des Wissenschaftsbetriebs wie Mark- des Gutachten zur Schavan’schen Doktorarbeit, das er im schies, Gaehtgens, der frühere DFG-Präsident und desig- Januar 2013 der Universität Düsseldorf vorlegte, und eine nierte Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner, vernichtende Stellungnahme zum Rohrbacher-Gutachten, der frühere Präsident des Wissenschaftszentrums Berlin für die er gleichzeitig veröffentlichte. Auch Honnefelder ist mit Sozialforschung und langjährige Leiter des Potsdamer Annette Schavan seit unvordenklichen Zeiten bestens ver- Zentrums für Zeithistorische Forschung, Jürgen Kocka, aber traut: 1982 hatte er die Leitung des Cusanuswerks über- auch der einstige Vorsitzende des Wissenschaftsrats und nommen, wo Schavan zunächst Referentin und später Ge- ehemalige Präsident der BBAW, Dieter Simon. schäftsführerin war. Als Honnefelder 1991 ausschied, wurde sie seine Nachfolgerin. Besonderes Interesse verdienen freilich jene sieben Wissen- schaftler, die nicht der BBAW angehören, auf deren Mitarbeit Dem Cusanuswerk verbunden ist auch der Jurist Rainer in der IAG “Zitat und Paraphrase” jedoch nicht verzichtet Maria Kiesow. Das macht ihn allerdings durchaus nicht werden konnte: Georg Braungart, Rainer Hank, Ludger Hon- schon zu einem Bruder im Geiste von Braungart, Hank und nefelder, Rainer Maria Kiesow, Glenn Most, Philipp Theisohn Honnefelder. In seinem Fall dürften vielmehr die enge Ver- und Johannes Zachhuber. bundenheit mit Dieter Simon und sein intensives Interesse an Fragen des Plagiats den Ausschlag gegeben haben. So Der Tübinger Literaturwissenschaftler Georg Braungart ist Kiesow, der ein ebenso feines wie scharfes intellektuelles konnte als Nicht-Mitglied der BBAW zwar nicht als Antrag- Florett führt, etwa Plagiatsvorwürfen entgegengetreten, die steller auftreten, spielt jedoch in der IAG neben Markschies Volker Rieble 2010 in seinem umstrittenen Buch “Das Wis- eine führende Rolle. Nicht zuletzt ist ihm die Mobilisierung senschaftsplagiat” erhoben hat. [8] Kiesow, ehemaliges Mit- der IAG-Wunderwaffe Theisohn zuzuschreiben. Braungart ist glied der “Jungen Akademie”, war zudem auch an anderen seit 2011 Leiter der Bischöflichen Studienförderung Cusa- Vorhaben der BBAW schon beteiligt. Dass er keineswegs nuswerk. Öffentlich äußerte er sich in der Angelegenheit der Cusanus-Fraktion zuzurechnen ist, dürfte beispielhaft seiner Vorvorgängerin in diesem Amte bislang eher zurück- seine phänomenal wenig respektvolle Besprechung einer der haltend. Im Oktober 2012 hatte Braungart noch die Zuver- Kleinschriften des von Schavan und ihresgleichen so verehr- sicht, dass der Fall Schavan “gut” ausgehen würde, und ten Ernst-Wolfgang Böckenförde verdeutlichen: Dieser sagte: dumpfe, verstaubte Mist sei “Volksverdummung”, urteilte Wenn übrigens jemand, der ein Stipendium vom Cusa- Kiesow. [9] nuswerk erhält, in gravierender Weise gegen die Regeln Bei dem Zürcher Literaturwissenschaftler Philipp Theisohn guter wissenschaftlicher Praxis verstößt und dies von der handelt es sich dagegen offenbar um einen wertvollen Mit- Hochschule abschließend festgestellt wurde, muss er sein streiter der Cusanus-Leute. Theisohn, der auf der Tagung Stipendium zurückzahlen. Aber eben erst dann. [6] des Wissenschaftsrats im Juli 2013 schon für die IAG brilliert Nachdem die Hochschule abschließend gravierende Ver- hat und von dem am ehesten weitere inhaltliche Beiträge zu stöße der Ministerin gegen die Regeln guter wissenschaft- erwarten sind, darf als Anwerbung des Cusanuswerk-Leiters licher Praxis festgestellt hatte, machte Braungart seinem Georg Braungart gelten, mit dem er seit gemeinsamen Herzen lieber hinter verschlossenen Türen Luft. So hielt er Tübinger Tagen in enger Zusammenarbeit verbunden ist. am 20. Juni 2013 im Rotary Club Reutlingen-Tübingen-Süd Die Mitwirkung des Pisaner Altphilologen und Leibniz- einen Vortrag zum Thema: Preisträgers Glenn Most erklärt sich durch einschlägige Denk ich an Düsseldorf in der Nacht … Der Umgang mit Vorarbeiten – etwa zu den Quellen der Rhetorik-Vorlesung Annette Schavan und die Folgen für die Geisteswissen- Friedrich Nietzsches – und durch seine vielfältige Vernet- schaften [7] zung in der Berliner Wissenschaftslandschaft, insbesondere durch seine enge Zusammenarbeit mit dem BBAW- und Die Beteiligung des Wirtschaftsjournalisten und Leiters der IAG-Mitglied Anthony Grafton, aber auch mit Markschies und Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemei- anderen Beteiligten. nen Sonntagszeitung Rainer Hank an der IAG könnte bei oberflächlicher Betrachtung eher seltsam erscheinen, obwohl Der Theologe Johannes Zachhuber, einst Assistent und er einst Literaturwissenschaft, Philosophie und Katholische Juniorprofessor am Lehrstuhl von Richard Schröder an der Theologie studiert hat. Gerade in diesen Disziplinen braucht Humboldt-Universität Berlin, ist dagegen bislang nicht durch die IAG eigentlich kaum noch fachliche Verstärkung vom besonderes Interesse am Forschungsgegenstand der IAG Wirtschaftsteil der FAS. Plausibel wird die Sache allerdings aufgefallen. Umso deutlicher springt seine besondere Nähe dadurch, dass Hank von 1983 bis 1988 als Referent beim zu Markschies ins Auge: Gemeinsame Veröffentlichungen

http://causaschavan.wordpress.com/ 86 und zahlreiche gemeinsame Lehrveranstaltungen zeugen nicht erübrigt, öffentlich darüber nachzudenken, wie von weit zurückreichender, enger Vertrautheit, die auch nach Wissenschaft funktioniert und wie sie in die Gesellschaft Zachhubers Berufung an das Trinity College zu Oxford hineinwirkt. [11] keineswegs schwand. So war es für den vielbeschäftigten Nun aber ist das Heft Nr. 29 erschienen, das sich der “Skan- Markschies durchaus angenehm, sich gelegentlich als dalisierung (in) der Wissenschaft” widmet. Damit darf der Visiting Fellow nach Oxford einladen lassen und so dem Versuch, die Diskussion öffentlich zu diskutieren, wohl als Berliner Trubel entfliehen zu können. erfolgreich abgeschlossen gelten, weshalb die “Gegenworte” ihr Erscheinen mit dieser späten Frühlingsnummer einstellen können. Unter den Autoren dieser letzten “Gegenworte” sind mit Peter Weingart und Christoph Markschies auch zwei IAG- Die IAG “Zitat und Paraphrase” ist keineswegs einfach eine Mitglieder. Der Soziologe Weingart setzt sich mit der Ablö- Schavan-Truppe. Das zeigt gerade das Beispiel Rainer sung der Wissenschaft aus ihrer bisherigen gesellschaft- Maria Kiesow. Spätestens an dieser Stelle ist auch von lichen Sonderstellung, der Ablösung von Vertrauen durch Dieter Simon zu sprechen, der in einschlägig interessierter Kontrolle auseinander: Literatur durchaus schon mal als prominentes Beispiel für den Aufstieg von Katholiken in exponierte Positionen im An die Stelle von Vertrauen in die innere Selbstregulierung deutschen Wissenschaftsbetrieb herhalten durfte. Gemein- von Institutionen treten die Kontrolle von außen und die sam mit Kiesow, Regina Ogorek und Benjamin Lahusen hat Rechenschaftslegung gegenüber einer imaginierten Öf- er die sehr ungewöhnliche juristische Zeitschrift “myops. fentlichkeit. Längst hat die Kontrollwut mit ihren Kennzahl- Berichte aus der Welt des Rechts” ins Leben gerufen, als orgien auch die Wissenschaft erreicht [...]. Man mag deren Erweiterung ins Internet uns der Mops-Block erfreut. diesen Wandel bedauern, und gerade Wissenschaftler tun Vom Verdacht des Muckertums ist das alles sehr weit ent- das mit besonderer Inbrunst, weil die Wissenschaft die fernt. Im Mops-Block erschien schon im Oktober 2012 eine letzte Institution war, der vertraut wurde. Aber sie [sic] ist Auseinandersetzung von Regina Ogorek mit dem Anverwan- auch ein inhärenter Teil von Demokratisierung. Rechen- deln der Ministerin Schavan, die wenig zimperlich war und schaftslegung folgt den Prinzipien der Transparenz und auch den Wunsch zum Ausdruck brachte, dass sich die Uni- der Öffentlichkeit. Es gibt kein wirklich gutes Argument versität Düsseldorf “bei ihren diesbezüglichen Ermittlungen gegen sie. [12] durch das Geifern der Renommierten aus Politik und Wis- Doch ohne deutliches Bedauern ist das nicht gesagt. Wein- senschaft nicht stören” lassen möge. Simon selbst äußerte gart, durchaus kein großer Verfechter von Transparenz in nach der Aberkennung des Doktorgrades im Februar 2013 der Wissenschaft, [13] befindet sich hier erkennbar in einem den für Schavan wenig schmeichelhaften Wunsch, dass die Zwiespalt. Im Übrigen zeigt sich bei Weingart eine be- noch nicht zurückgetretene Ministerin im Amt ausharren zeichnende Mischung von Ressentiment und Nüchternheit – werde: und eine Halbinformiertheit über die Szene der “Plagiats- Dann wäre die Sache nämlich in wenigen Tagen verges- jäger”, die gleichfalls so erstaunlich wie bezeichnend ist. sen und die Politikerin könnte, unauffällig, blass und ein- Denn immerhin ist diese Szene ja Beobachtungsgegenstand fallslos, wie sie ihr Amt geführt hat, in der Provinz weiter- des Wissenschaftlers, der sich mit Zitaten und Paraphrasen werkeln. Hoffentlich bleibt sie standhaft. Ansonsten wäre und ihrer medialen und politischen Skandalisierung befasst. das in vieler Hinsicht ein herber Verlust. [10] Da hätte er es schon wesentlich genauer nehmen dürfen: Im weiteren Verlauf oszilliert sein Beitrag dann zwar ziemlich Hinter den Plagiatsjägern wurden zunächst Linke ver- in der Gegend umher, und irgendwie kommen alle Beteilig- mutet, weil auffallend viele der von ihnen aufgedeckten ten dabei gleich schlecht weg – aber eine auch nur halb- Plagiate (mehr oder weniger) prominenten Politikerinnen herzige Schavan-Apologie sieht dann doch sehr anders aus. und Politikern des konservativ-liberalen Lagers zuzu- schreiben waren. Doch dieser Reflex ist rührend altmo-

disch. Es geht allein um die Prominenz der Ertappten, genauer die politische Prominenz, die selbst noch über die Kinder von Prominenten beliehen wird, wie im Fall der Markschies, Braungart und die Freunde von der IAG machen Taufpatin des VroniPlags. Prominente Politiker sind seit allerdings nicht den Eindruck, dass sie viel im Mops-Block jeher das primäre Ziel von Skandalisierung. [...] Rechtzeitig lesen. Dafür haben sie auch gar keine Zeit bei all der Pla- zur Bundestagswahl eröffnete der Begründer des Vroni- giatsphrasenforschung, die ja nun heftig vorangetrieben Plags Anfang Februar die “Plagiatsjagd” auf Politiker mit- werden muss. Das letzte Heft der “Gegenworte. Hefte für hilfe eines von ihm erstellten “PolitPlag”. [12] den Disput über Wissen” zeigt, wie es voran geht. Diese Da wird nur nacherzählt, was in mancherlei Gazetten zu Hefte der BBAW wurden 1997 begründet lesen stand. Solche Halbkenntnis, die sich dann in allge- als Versuch, die Diskussion über Voraussetzungen, Be- meinere Erkenntnisse einbetten lässt, ist umso bedauer- schränkungen und Erfolgsbedingungen der Wissens- licher, als sich Weingart ansonsten keineswegs “auf einem erzeugung öffentlich zu diskutieren. [11] Auge blind” zeigt. Trotz aller seither eingetretenen Veränderung der Wissen- Die bedeutenderen Erkenntnisse über die Fortschritte der schaftskommunikation in Deutschland hatte es sich bislang IAG “Zitat und Paraphrase” lassen sich freilich aus dem Beitrag von Christoph Markschies gewinnen. Hier geht es

http://causaschavan.wordpress.com/ 87 nun unmittelbar um die Sache selbst: “Plagiate in der Wis- ministerin Schavan, mit den nach der Bundestagswahl ver- senschaft” ist er betitelt. Und so erfahren wir nun allerlei änderten Voraussetzungen einer Regierungsbildung erledigt Wesentliches, Weiterführendes, direkt aus der Feder des sein. Das Hilfsbataillon der Cusanus-Leute mag auch ange- Sprechers der 25 Gelehrten. “Eigentlich”, so hebt er an, sichts des noch offenen Gerichtsverfahrens weiter treu zu “scheinen wir zum Thema ‘Plagiate’ in der Wissenschaft’ Schavan und ihrer Sache stehen, gewiss auch etwaige alles zu wissen”. [12] In Wahrheit wissen wir aber beileibe weitere Instanzenwege mit ihr gehen wollen, doch für die noch nicht alles zum Thema, weshalb es vonnöten war, mit IAG wird das kaum in gleicher Weise gelten. Fördergeldern der Fritz-Thyssen-Stiftung eine Gelehrten- Fritz hat also das Seinige bereits getan. Für Nikolaus könnte gruppe an der BBAW einzurichten, wonach es vonnöten war, es dagegen auch weiterhin noch allerhand zu tun geben. Um dass deren Sprecher diesen Beitrag verfasste. Und so ver- eine schöne Bescherung – wenn es erlaubt ist, so kolloquial nehmet denn von einer “sehr klugen tschechischen Studen- zu formulieren – handelt es sich in jedem Fall. tin”, die dermaleinst Christoph Markschies während seines professoralen Weilens in Jerusalem ob ihrer gänzlichen Un- bekümmertheit in Fragen der wissenschaftlichen Redlichkeit ins Grübeln brachte, von seiner akademischen Lehrerin, die sich am Buffet als “muntere Ostpreußin” erwies, und von allerhand außer Frage stehenden Heroen der Wissenschaft, die es in verschiedenen Zeitaltern mit den Fußnoten nicht so genau genommen haben und sich dennoch der weiterhin ungeschmälerten Verehrung durch Christoph Markschies erfreuen dürfen. Eher nebenher wird dabei dankenswerter- weise auch die zitatsphrasengeschichtlich wichtige Frage geklärt, wieso etwa der dezidiert katholische Bonner Histori- ker Konrad Repgen schon in den 1970er Jahren großen Wert auf korrektes Zitieren legte: Auf die Bundestagswahl des September folgte ein goldener Oktober. Und es zeigte sich: Repgen befand sich in einer dramatischen Abwehrschlacht Annette Schavan war noch keineswegs abgemel- gegen den von evangelischen Kollegen erhobenen Vor- det. Wie Hupe Weißkräcker und Simone G. in ihren folgenden Beiträgen schildern konnten, wurf, die katholische Kirche habe ebenso früh wie intensiv war sie vielmehr emsig um ihre Wiederanmel- gemeinsame Sache mit dem nationalsozialistischen Staat dung bemüht. gemacht – und schmiss daher, wenn es erlaubt ist, so kolloquial zu formulieren – mit Fußnoten und Zitaten nur so um sich. [12] 20. Oktober 2013 Ja, die ersten Ergebnisse der Forschungsarbeiten in der IAG Kalendarische Frühlingsgefühle “Zitat und Paraphrase” berechtigen zu den schönsten Hoff- von Hupe Weißkräcker nungen. Hier ist noch Großes zu erwarten.

Geraume Zeit war er kränklich, der öffentliche Terminkalender der einstigen Bundesministerin Annette Schavan. Zeigte kaum Die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe “Zitat und Paraphrase” ist eine Regung, so oft wir auch also keineswegs insgesamt als pseudowissenschaftlich in- nach ihm sahen. Wir waren teressengeleitetes Unternehmen von Schavanisten zu schon ernsthaft besorgt. Doch sehen. Im Kern und an der Spitze ist sie dies jedoch sehr seit einigen Tagen, gottlob! ist wohl. Markschies und seine engeren Mitstreiter haben ihre er wieder ganz der Alte. Oder Möglichkeiten in der Fritz-Thyssen-Stiftung genutzt, um doch so gut wie. Jedenfalls einen eilig zusammengeschusterten Antrag auf Forschungs- deutlich auf dem Wege der Bes- gelder in eigener Sache durch(zu)winken zu lassen, haben serung, bekommt zusehends mit einem gegenwärtigen Leiter des Cusanuswerks, einem wieder Farbe, fast könnte man früheren Leiter des Cusanuswerks und einem früheren Refe- schon sagen: Er blüht wieder auf. Auch ist er wieder richtig renten des Cusanuswerks ihre Kerntruppe wirksam verstärkt bei Stimme, schon draußen vom Flur her hört man ihn laut und zugleich mit dem Tausendsassa Theisohn einen ebenso und vernehmlich und merkt auch gleich: Wichtiges, höchst redebereiten wie irgendwie angesagten Kopf gewonnen, Wichtiges hat er zu vermelden, der Terminkalender der haben mit dem Wissenschaftsrat flugs die Kleinigkeit einer Annette Schavan. Tagung arrangiert, auf der Theisohn sein tendenziös Halb- Am Samstag, dem 12. Oktober, ist der Kalenderpulsschlag gedachtes präsentieren und approbieren lassen durfte. erstmals wieder regelmäßig und kräftig. Morgens weilt man Doch wie nun weiter? Ewig wird sich ja auch durch Erzählun- in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu gen von klugen Tschechinnen und munteren Ostpreußinnen Weingarten. Das Haus ist leicht zu finden, es liegt zwischen nicht verdecken lassen, dass man da eigentlich gar nicht der Pädagogischen Hochschule und dem Museum für recht zu forschen weiß. Auch Theisohn hat ja all sein Pulver Klosterkultur. Hier findet eine Tagung zum Thema “Martin schon verschossen. Vor allem aber dürfte das große Ziel, die von Tours – Leitfigur für eine humane Kultur und die Zukunft Re-Installation der so wunderbar goldeselhaften Bundes- des Christentums in Europa” statt. Laut Programm will man

http://causaschavan.wordpress.com/ 88 der Frage nachgehen, welches Potential Martin von Tours maligen Wissenschaftsministerin an der Beiratssitzung der bietet als Glaubenszeuge für eine Vernetzung von Orten, größten biomedizinischen Forschungseinrichtung des Instanzen und Nationen im Interesse eines sozial-huma- Landes ist bemerkenswert, weil in der veröffentlichten Liste nen Europas, das sich seiner christlichen Wurzeln, Werten der Beiratsmitglieder der Name “Annette Schavan” gar nicht und Leitbildern [sic] bewusst ist und bleibt. [1] auftaucht. Vermutlich gehört sie dem advisory council als natürliches und lebenslanges shavanity member an. Oder In einem Europa, wie man sollte die vorübergehend promoviert gewesene Erziehungs- es sich als Besucher sol- wissenschaftlerin Schavan etwa jenen “Wissenschaftlerinnen cher Tagungen erträumt, ist und Wissenschaftlern” zuzurechnen sein, mit denen sich die und bleibt sich keineswegs Beiratsmitglieder regelmäßig treffen, um sich “über aktuelle nur der Mensch und Euro- Forschungsprojekte und Infrastrukturmaßnamen” zu infor- päer christlicher Machart der mieren und “übergreifende strategische Fragen” zu disku- christlichen Wurzeln, der tieren? christlichen Werte und der christlichen Leitbilder Davon, dass sich das advisory council des Deutschen Krebs- bewusst. Annette Schavan forschungszentrums seinem Auftrag gemäß mit ehemaligen findet es am Platze, dem Wissenschaftsministerinnen zu treffen hätte, ist jedenfalls Reitet für Europa: St. Martin Publikum wenigstens pro nichts bekannt. Doch vielleicht ist Schavan hier ja in ihrer forma die Frage zu stellen: Eigenschaft als Mitglied des Bundestagsausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe zu- “Martin von Tours für das ganze Europa?” gegen. An die wirtschaftliche Zusammenarbeit und an die Die Antwort versteht sich fast von selbst. Laut Programm Entwicklungshilfe, welche sie in ihrer Amtszeit als Ministerin handelt es sich bei diesem Vortrag um “Anmerkungen einer gerade den Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft ange- christlichen Politikerin”, und so läuft die Sache unweigerlich deihen ließ, wird sich freilich kaum unmittelbar anknüpfen darauf hinaus, dass der heilige St. Martin (316-397 n. Chr.) lassen. Gerade drei Jahre ist es nun her, dass das Krebsfor- schon ganz auf einer Linie mit Robert Schuman, Jacques schungszentrum seinen sanierten Hochhausbau der Öffent- Delors und Ernst-Wolfgang Böckenförde war, als er seinen lichkeit vorgestellt hat – saniert für etwa 77 Millionen Euro, Mantel mit dem Bettler teilte: wobei die Ministerin Schavan 70 Millionen bereitgestellt hatte. [3] Vorbei die Zeiten! Martin verband seine Grundhaltung als Christ mit einer politischen Botschaft. [...] Der Vater des abendländischen Es ist wohl doch die shavanity membership card, die ihre Mönchtums war ein großer Europäer; ein Patron, der uns Mitwirkung im advisory council regelt. anregt zu einem neuen spirituellen Elan für Europa und zu Nur nebenbei bemerken wir, dass es sich bei dem Vorsitzen- Generosität. [2] den dieses Beirats um denselben Unternehmensberater Nach diesem Abschlussvortrag ist in Weingarten noch ein Roland Berger handelt, der auch dem Hochschulrat der politischer Frühschoppen zu absolvieren. Das war der Vor- Ludwig-Maximilians-Universität München angehört, welchem mittag. neuerdings kraft jubeldemokratischer Entscheidung auch Annette Schavan angehört. Den zum Abschied gespendeten bischöflichen Reisesegen verwendet man umgehend für eine Fahrt nach Frankfurt, wo Abends hat man an diesem 14. Oktober dann noch einen man nachmittags auf der Buchmesse eintrifft. Auch hier gilt wichtigen Termin in Köln. Das vor wenigen Jahren nach es, den Kampf um die Leitkultur zu kämpfen. Am Sonntag Plänen von Peter Zumthor neu errichtete Kunstmuseum des steht dort die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Erzbistums Köln, Kolumba, ist der würdige Schauplatz für ein Buchhandels an. Auch da ist man selbstverständlich zuge- hochkarätig besetztes Expertengespräch über “Bildung gen. Der Kampf um die Leitkultur gestaltet sich recht erfreu- durch Wissenschaft? Die Universität”, veranstaltet durch den lich, denn man kann einen angemessen erscheinenden Platz “Förderkreis Albertus-Magnus-Stiftung e.V.” Dieser Förder- in vorderer Reihe einnehmen. Genau besehen ist es ein kreis hat die Aufgabe, die Albertus-Magnus-Stiftung zu Platz so weit vorne, dass er eigentlich schon ganz vorne ist. fördern, welche ihrerseits die Aufgabe hat, das Albertus- Es zelebriert wie stets der Vorsteher des Börsenvereins des Magnus-Institut zu fördern. Das Albertus-Magnus-Institut deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder, der die an- wiederum, 1931 durch den damaligen Kölner Erzbischof aus genehme Eigenschaft hat, zugleich ein Bruder des einstigen der Taufe gehoben und seit 1954 am Bonner Collegium Vorgesetzten im Cusanuswerk, des lebenslangen Mentors, Albertinum angesiedelt, stand von 1995 bis 2011 unter der väterlichen Freundes und Nothelfers Ludger Honnefelder zu Leitung von Ludger Honnefelder. Der wiederum war von sein. 1982 bis 1991 als Leiter der Bischöflichen Studienstiftung Cusanuswerk der Vorgesetzte und sodann der Amtsvor- Am Montag, dem 14. Oktober, hat man an einer Sitzung des gänger der Annette Schavan, als deren treuer Wegbegleiter advisory council des Deutschen Krebsforschungszentrums in er sich seither stets und mannigfach erwiesen hat. Heidelberg teilzunehmen. Diese Veranstaltung ist nicht des- halb so sehr interessant, weil sie auf der Schavan’schen An diesem Abend diskutiert also “Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Homepage in die Kategorie “Schätze der Region” eingeord- Annette Schavan, Mitglied des Deutschen Bundestages, net ist. Auf der Schavan’schen Homepage, die ja nicht zu- Professorin für Katholische Theologie an der FU Berlin, letzt das Partei- und Wahlvolk in Ulm und Umgebung bei ehemalige Bundesministerin für Bildung und Forschung”, mit Laune halten soll, wird so ziemlich jede Veranstaltung unter Ludger Honnefelder sowie mit Andreas Speer, Professor für die “Schätze der Region” gesteckt. Die Teilnahme der ehe- Philosophie und Leiter des Kölner Thomas-Instituts. Ach ja,

http://causaschavan.wordpress.com/ 89 und Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen For- 20. Oktober 2013 schungsgemeinschaft, ist auch dabei. Eine wahrhaft hoch- Kulturkampf, oder: Vom Rücken her karätige Runde, in der Annette Schavan da sitzt, als Diamant erschossen unter Diamanten. von Simone G. Dann hat man einige Tage Ruhe, bevor es am 18. Oktober weitergeht. In Stuttgart tagt der Beirat der Stiftung “Bibel und Annette Schavan hat wieder einen Kultur”. Annette Schavan ist Vorsitzende des Kuratoriums vollen Terminkalender in diesem dieser Stiftung, in deren Satzung man liest: goldenen Oktober, und auch Joachim Mit der Gründung der Stiftung Bibel und Kultur sollen Frank ist in diesen Tagen mit Wichti- Bemühungen gefördert werden, die die kulturelle Be- gem beschäftigt. Am 14. Oktober ist deutung der Bibel öffentlich bewusst machen. Diese der Chefkorrespondent der DuMont- Aufgabe bedarf der Unterstützung der Christen, gleich Mediengruppe natürlich dabei in welcher Konfession sie zugehören, und aller Menschen, Kolumba, dem Kunstmuseum des denen daran gelegen ist, dass die Bibel auch in Zukunft Erzbistums Köln, beim Albertus- ihren bestimmenden Platz im geistigen Leben unseres Gespräch über “Bildung durch Volkes einnimmt. [4] Wissenschaft? Die Universität”, das Annette Schavan, Ludger Honnefelder, Andreas Speer und Gegründet wurde diese Stiftung nicht 1947 und auch nicht Peter Strohschneider führen. Er sitzt vorne im Publikum und 1957, sondern 1987. Es ist schön, dass sich seitdem eine schreibt eifrig mit, weil er darüber dann im Kölner Stadt-An- Stiftung um das geistige Leben unseres Volkes kümmert. zeiger berichten wird. Es ist sehr gut, auch für ihn persönlich Vom geistigen Leben unseres Volkes ist seit einiger Zeit viel ist es ganz famos, dass dieses Albertus-Gespräch gerade zu wenig die Rede. Im geistigen Leben unseres Volkes jetzt und gerade in Köln stattfindet, denn er hat da noch nimmt die Bibel bekanntlich ihren bestimmenden Platz ein, etwas anderes vor mit Schavan in diesen Tagen. Doch jetzt und das ist auch gut so und soll auch in Zukunft so bleiben. ist erst mal Albertus-Gespräch. Frank ist ein wenig Abends gibt es dann für die triumphal wiedergewählte Ab- aufgeregt, da vorne ist die sehr verehrte Prof. Dr. Schavan geordnete Schavan und ihre Wahlhelferinnen und Wahlhelfer ganz in ihrem Element, umgeben von anderen Großen, mit das wohlverdiente Wahlhelferfest. denen sie sichtlich vertrautesten Umgang pflegt und von denen sie, was das Wichtigste ist, mit allen Zeichen der Den 19. Oktober verbringt man in Blaubeuren auf dem Par- unveränderten Höchstachtung behandelt wird. Also es ist ein teitag des CDU-Bezirks Württemberg-Hohenzollern. Es folgt Unding, wie dieser Frau in der anonymen angeblichen am Montag, dem 21. Oktober, eine Sitzung der CDU/CSU- Plagiatssache mitgespielt wurde. Fraktion im Deutschen Bundestag. Der Dienstag beginnt früh um 8 Uhr 30 mit einem Ökumenischen Gottesdienst in der Zunächst hat Honnefelder das Berliner St. Hedwigs-Kathedrale, vormittags dann erneut Wort. Ganz im Geiste des Fraktionssitzung. Im Anschluss: Konstituierende Sitzung des Albertus Magnus spricht der 18. Deutschen Bundestags. Denn man hat ja gewonnen. Philosoph und Theologe. [1] Einmal mehr verkündet er Doch diese Woche bietet noch einen weiteren Höhepunkt, seine unwandelbaren Ge- einen weiteren Genugtuungs-Termin. Für den 24. Oktober wissheiten über eine “Idee der vermerkt der Kalender der Annette Schavan ganztägige Bildung durch Wissenschaft in Mitwirkung im Hochschulrat der LMU München. Auch dies Gestalt der Universität”, der natürlich eine Veranstaltung der Kategorie “Schätze der Albertus Magnus mit dem 1248 Region”, wobei man davon ausgehen darf, dass dieser eingerichteten Studium genera- spezielle Regionalschatz durch seinen neu gewonnenen le des Kölner Dominikaner- Inhaltsbestandteil “Schavan” im Schätzwert rapide gestiegen Ordens “in der westlichen Welt ist. zum Durchbruch verhalf” – in Ja, es ist ein goldener Oktober. Und es liegt eindeutig nachgerade direkter Vorläufer- Frühling in der Luft. schaft zu Wilhelm von Hum- boldt. [2] Wenn diese Sichtwei- Neulich in Kolumba se, die sich um kultur- und wis- senschaftsgeschichtliche Einzelheiten eher wenig scheren kann, auch diesmal wieder vermittels einer Anhäufung von Pathosformeln zur Geltung gebracht wird, [3] so ist das in Kolumba und im Erzbistum gerade recht.

Leider gestaltet sich die Fortsetzung des “Gesprächs” nicht ganz so weihevoll. Speer, Experte für mittelalterliche Philo- sophie und Leiter des Thomas-Instituts, hält ein Plädoyer gegen den Elfenbeinturm, für eine Universität, die Berührung mit dem allgemeinen Leben hat und gerne auch groß sein darf.

http://causaschavan.wordpress.com/ 90 Dann endlich redet jedoch Schavan: Sie “gibt sich entspannt” Es ist eine mit Zwischentexten versehene Sammlung von angesichts der Klagen über überfüllte Massenuniversitäten, Interviews, die Frank mit prominenten Kirchenvertretern und vertritt “vehement” die Bildungsreformen, hält gar nichts von engagierten Gläubigen geführt hat. Freilich geht es nicht irgendwelchen Debatten über die verkürzte Gymnasialzeit allen seinen Gesprächspartnern einzig darum, die Kirche zu und wirkt überhaupt entschieden selbstbewusst. Nur zu ver- kurieren. So verheißt die Vorankündigung zum letzten dieser ständlich, dass Joachim Frank ein wenig aufgeregt ist, denn Interviews: es liegt in der Luft, dass Annette Schavan wieder voll da ist. Annette Schavan, die frühere Bundesforschungsministe- Und daran hat auch er seinen kleinen, bescheidenen Anteil, rin, spricht erstmals über den persönlichen Halt, den ihr den er noch ein wenig zu vergrößern gedenkt. der Glaube in der Auseinandersetzung über ihre Doktor- Schavans Auftritt ist allgemein mit arbeit gegeben hat. Sie verteidigt das selbstbewusste Spannung erwartet worden. Es Engagement von Katholiken in der Politik. [8] ergibt sich da auch noch ein Der Ernstfall des Glaubens trete immer dann ein, wenn er kleiner Disput mit einer lebhaften sich in den Widrigkeiten des Lebens zu bewähren habe, Dame im Publikum. Kein Zweifel, schreibt Frank in der Einleitung zu seinem Gespräch mit die ehemalige Wissenschaftsmi- Schavan. Auch Johann Sebastian Bach weiß ein Lied zu nisterin ist die gar nicht so heim- singen von den Erschütterungen, liche Attraktion des Abends. Da hat es der Präsident der Deut- in denen sich der Glaubende ausgeliefert vorkommt, schen Forschungsgemeinschaft ausgesetzt in Feindesland: schwer, noch einmal die Aufmerk- Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben, samkeit der Zuhörer zu gewinnen. Steinschneider So gib, dass wir im festen Glauben Peter Strohmeier heißt er wohl, so (1816-1907) Nach deiner Macht und Hülfe sehn! steht es im Artikel des Joachim [Wie kurieren wir die Kirche, S. 262] Frank im Kölner Stadt-Anzeiger: “Peter Strohmeier, Präsi- dent der Deutschen Forschungsgemeinschaft”, spricht von Es ist genau diese Situation, in der Universität, die es “nur als Streit um sich selbst” gebe. In der sich Annette Schavan im der Diskussionsrunde sitzt “der Mediävist und Literaturwis- furchtbaren Jahr der anonymen senschaftler Strohmeier”, und es ist “Peter Strohmeier”, der Plagiatsvorwürfe wiederfand – kurz und bündig erklärt, dass er Perversionen des Bildungs- ausgeliefert, ausgesetzt in Fein- begriffs „zum Kotzen“ findet. [1] Trotz solch verbaler Kraft- desland. Man kennt das. Nicht meierei bleibt dieser DFG-Präsident eher blass. Man ist auch zum erstenmal wird das selbst- in Gedanken noch zu sehr bei Annette Schavan, um groß bewusste Engagement von auf diesen Strohmeier achten zu können. Auch an Frank- Katholiken in der Politik von stolz Walter Steinmeier muss man denken, der in diesen Tagen schnaubenden Feinden auf sol- das Schicksal der Annette Schavan zu erleiden droht, denn che Weise beantwortet. Denn er wird gleichfalls von Plagiatsjägern verfolgt. Mit geradezu wie erging es jüngst erst Ludwig alttestamentarischer Unerbittlichkeit war damals Schavan Windthorst? Joachim Frank weiß von dem Düsseldorfer Gutachter Rohrbacher verfolgt wor- Windthorst, vom Rücken her stark es. In der Endphase des Kultur- den, [4] einem peniblen Vertreter judaistischer Textgelehr- an Schavan erinnernd kampfs hatte sich Bismarck ins- samkeit in der Nachfolge eines Steinschneider. All das mag geheim mit dem Papst verstän- Joachim Frank durch den Kopf gehen, als er von Strohmeier digt und so den Führer der katholischen Zentrumspartei schreibt. ausmanövriert: Er ist wohl auch ein wenig in Eile mit diesem Bericht über “Erschossen! Vor der Front erschossen. Vom Rücken her das Albertus-Gespräch, denn am nächsten Abend steht erschossen! Ich geh nach Hause”, war Windthorsts ver- schon ein weiterer, wichtiger Termin an. An diesem 15. Ok- zweifelte Reaktion. Annette Schavan schildert – unter ganz tober geht es für Frank schon wieder um Schavan. Das anderen Bedingungen – ähnliche Stimmungslagen. Albertus-Gespräch war ein wunderbarer Auftakt für seine [Wie kurieren wir die Kirche, S. 262-263] große Buchvorstellung: “Wie kurieren wir die Kirche? Im Interview geht es dann jedoch zunächst um die Kirche. Katholisch sein im 21. Jahrhundert” heißt das neue Werk, Annette Schavan weiß der Kirche für ihre persönliche das der Verleger Alfred Neven DuMont herausgegeben hat. Zukunft so manchen Rat zu geben. Diesen beispielsweise: Es ist in solchem Fall praktisch, auch ein paar Zeitungen zu besitzen, in denen man sein Buch vorab schon ordentlich Für die Kirche entscheidend ist ihr Umgang mit dem bewerben kann. So wissen die Leser des Kölner Stadt- Scheitern. In der Aufarbeitung eigener Fehler ist die Kirche Anzeigers, [5] der Berliner Zeitung [6] und der Mitteldeut- noch längst nicht genug eingeübt. Dazu gehören die Ein- schen Zeitung [7] schon frühzeitig durch große Artikel, die sicht und das Zugeständnis, dass es in ihr genauso Alfred Neven DuMont und Joachim Frank geschrieben menschlich zugeht wie andernorts auch. haben, dass ein großes Buch kommt, das Alfred Neven [Wie kurieren wir die Kirche, S. 279] DuMont und Joachim Frank geschrieben haben. In der Es geht Schavan um eine “Fehlerkultur”, und in dieser Hin- Kölner Stadtbibliothek stellen sie ihr Werk nun gemeinsam sicht ist die Kirche leider noch nicht zitierfähig. vor. Schavan selbst sah sich dagegen bislang nicht zur besseren Einübung in der Aufarbeitung eigener Fehler herausgefor-

http://causaschavan.wordpress.com/ 91 dert, denn solche Fehler gab es ja nicht. Allenfalls Zitier- der Kirche, und ihre Gesprächspartner werden ihnen darin fehler, die jedoch nicht peinlich sind und gewiss kein Schei- zweifellos aus voller Überzeugung zustimmen. tern bedeuten. In diesem Interview ist deshalb dann auch nur Die drei Schlusssteine heißen “Glaubwürdigkeit, Realitäts- die Rede davon, wie ihr der Glaube in dieser Zeit ihrer größ- sinn, Bescheidenheit.” ten Krise als Politikerin geholfen hat. Er hat ihr sehr gehol- fen. “Ganz praktisch” habe sie sich in der schlimmen Zeit “intensiv mit Texten befasst”. Dabei handelte es sich freilich Schöne Schlusssteine wurden Anfang November nicht um den für die Gewissensbildung dann doch wenig 2013 auch in zwei prominenten Plagiatsver- ergiebigen Text ihrer Doktorarbeit und auch nicht um die dachtsfällen gesetzt: Die Justus-Liebig-Uni- Werke, aus denen sie die besseren Stellen dieser Doktorar- versität Gießen kam zu dem Schluss, dass die beit abgekupfert hatte. Es sind vielmehr Dissertation des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier keine Plagiate auf- Texte der Bibel, aber auch Texte von Theologen wie weise. Fast gleichzeitig erklärte die Ruhr- Tomás Haliks Buch “Berühre die Wunden” oder die Universität Bochum, dass der Plagiatsvorwurf gegen den Bundestagspräsidenten Norbert Lam- Schriften Karl Rahners – immer wieder und nach wie vor mert (CDU) unbegründet sei. RA Bongartz fand, Karl Rahner. dass sich die Universität Gießen ihres Namen- [Wie kurieren wir die Kirche, S. 280] gebers würdig erwiesen hatte: Das dort ge- führte Verfahren zeigte stark experimentelle Solche Lektüre bewahrt vor dem “Kreisen um die immer glei- Züge. chen Fragen, auf die es sowieso keine Antwort gibt”. Also den Fragen nach der Größe des Universums, der Unsterb- lichkeit der Seele und der Theodizee. Vielleicht bewahrt sie 7. November 2013 auch davor, sich den Fragen der Universität Düsseldorf zu Praktisch durchgängig, oder: Fenster auf für stellen. Wer sich in Feindesland ausgesetzt sieht und dem Steinmeier Schnauben der stolzen Feinde im festen Glauben standzu- halten hat, der wird wenig Neigung zur Aufarbeitung eigener von RA Bongartz Fehler, zu Einsichten und Zugeständnissen verspüren – gute Ratschläge für die Kirche hin oder her. Ein Umgang mit dem Die Justus-Liebig-Universität Scheitern findet gar nicht erst statt, da es ja kein Scheitern Gießen hat im Fall Frank-Walter ist, sondern eine Hatz. Ein übles Spiel, das da lief und dem Steinmeier (SPD) ein bemerkens- die Bundesministerin für Bildung und Forschung hilflos wertes Verfahren zu einem bemer- zusehen musste: kenswerten Ende gebracht. Das Verfahren soll “doppelsträngig” Du magst noch so felsenfest davon überzeugt sein, dass gewesen sein, womit man in du dir nichts vorzuwerfen hast und dass du im Recht bist – Gießen glauben machen möchte, du kannst nichts gegen ein Spiel machen, das gegen dich dass es mit der willkürlichen Ver- läuft. Wer ins öffentliche Leben geht, weiß das eigentlich mischung von Kompetenzen und auch. Wer in seiner politischen Laufbahn nie an einen Instanzen, von Recht und Gesetz solchen Punkt kommt, der hat Glück gehabt. Die Regel ist und selbstgemachten oder bei der das aber nicht. DFG e.V. abgeschriebenen Haus- [Wie kurieren wir die Kirche, S. 281] regeln irgendwie seine Ordnung Nein, nichts konnte die Ministerin machen – jedenfalls nichts, habe. Zu solcher Verquicksandung was am Ende geholfen hätte. Weder die verschiedenen ist hier nichts wesentlich Anderes zu sagen als im Fall Marc öffentlich ausgestellten Persilscheine noch die hochtrabende Jan Eumann – nur wird man an der TU Dortmund mit Eu- Grundsatzerklärung der “Wissenschaft selbst”, keine noch so mann so leicht wohl nicht in schöner Harmonie auseinan- massive Medienkampagne und noch nicht mal das Trommel- derkommen. In Gießen dagegen waren sich alle, alle einig. feuer der Allianz der Wissenschaftsorganisationen konnte Der Gießener Pressemitteilung zufolge wurde das “doppel- das Blatt eines abgekarteten Spiels wenden. Da kann man strängige” Verfahren durch den Vorsitzenden der Kommis- nichts machen. So geht das Spiel eben, wenn man ins öf- sion zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Wolf- fentliche Leben geht und eine politische Laufbahn einschlägt. Dietrich Walker, eingestellt. Dessen Einstellung hatte der Im Gebüsch längs des Weges lauern die Feinde, und wenn Promotionsausschuss dann nur noch zu teilen, und so sah er man Pech hat, brechen sie stolz und schnaubend hervor und “entsprechend” die Voraussetzungen für einen Entzug des fallen über einen her. Wer in seiner politischen Laufbahn nie Doktorgrades als nicht erfüllt an. Das war aber demnach an einen solchen Punkt kommt, der hat Glück gehabt. Und dann die Doppelstrangulierung des bereits eingestellten Schavan hat eben dieses Glück einfach nicht gehabt. Das Verfahrens. Nun, so belehrt uns die Pressemitteilung, kann war der Punkt. Und nicht irgendein Punkt in irgendeiner gegen diese Einstellung noch innerhalb von vier Wochen verstaubten Promotionsordnung oder irgendeinem Heftchen Beschwerde eingelegt werden. Und zwar durch den mit Zitierregelchen. Präsidenten der JLU. [1] Das Interview mit Schavan ist das letzte in diesem Band. Es Da ist es hilfreich, dass JLU-Präsident Joybrato Mukherjee ist aber noch nicht der Schluss des Bandes. Wenn wir wie- den glücklichen Ausgang der Sache bereits mit unverkenn- terblättern, finden wir auf den folgenden Seiten noch drei bar großer Erleichterung vor der Presse verkündet hat, “Schlusssteine”. Die Herausgeber des Bandes halten diese gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Kommission für gute drei Steine für außerordentlich wichtig für eine Gesundung wissenschaftliche Praxis und dem Dekan des Fachbereichs

http://causaschavan.wordpress.com/ 92 Rechtswissenschaft, Martin Gutzeit. Der ist zugleich Vorsit- (2) Der Promotionsausschuss kann den Doktorgrad ent- zender des Promotionsausschusses. Sein fachlicher Bereich ziehen, wenn sich die in Absatz 1 genannten Gründe in der Juristerei ist das Bürgerliche Recht sowie das Arbeits- nachträglich herausstellen oder die aus der Promotion und Sozialrecht. erworbenen Rechte nach § 16 Absatz 6 erloschen sind. [3] Ferner interessiert sich Gutzeit offenbar für Medizinge- schichte. Für einen Traditionalisten wird man ihn wohl außer- Nach § 19 Absatz 2 kann also der Doktorgrad entzogen wer- dem halten dürfen. Mitarbeiter von weiland Justus Liebig war den, wenn sich die in Absatz 1 genannten Gründe nachträg- in Gießen nämlich dermaleinst Max von Pettenkofer, der die lich herausstellen. Absatz 1 jedoch führt keineswegs nur die Miasmentheorie vertrat: Üble Ausdünstungen aus Gruben Täuschung in wesentlichem Umfange im Verfahren als Ver- und Kanälen waren demnach für Pest und Cholera verant- sagungsgrund an, sondern auch die Nichterfüllung wesent- wortlich. Abhilfe versprachen Nasenklammern, Motorrad- licher Erfordernisse für die Promotion. Gleiches gilt nun für brillen, Gesichtsmasken und Ganzkörperverhüllung. den Entzug des Doktorgrades. Und es ist nicht etwa so, dass Absatz 1 Satz 1 sich speziell auf die Dissertation bezieht, Der Gießener Promotionsausschuss hat sich mit Steinmeiers während dann Satz 2 die übrigen Umstände des Promotions- Dissertation offensichtlich auf der Grundlage der Miasmen- vorgangs meint. Vielmehr kann eine Täuschung “im Verfah- theorie beschäftigt. So kam Gutzeit zu dem Urteil: ren” – auch “in wesentlichem Umfange” – durchaus auch Ein Irrtum über die Urheberschaft wird beim Leser nicht außerhalb der Dissertation erfolgen. “Wesentliche Erforder- erregt. [2] nisse für die Promotion” wiederum sind durchaus nicht nur etwa in den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen oder Kein Irrtum, keine Erreger, alles nur schlechte Luft – intensiv im Bestehen der mündlichen Prüfung zu sehen, sondern zu riechen, sobald man sich den Güllegruben von VroniPlag auch in der Erfüllung der Anforderungen, die an die Disser- nähert. Nach dieser unzweideutigen Feststellung fährt dieser tation selbst gestellt werden. Nach § 10 Absatz 1 der Promo- Jurist fort: tionsordnung muss die Dissertation folgenden Ansprüchen Zumindest aber fehlt es praktisch durchgängig am genügen: Täuschungsvorsatz, [2] 1. sie muss einen Fortschritt der wissenschaftlichen was zumindest bei der nächsten Geschwindigkeitskontrolle Erkenntnisse aufgrund selbständiger Forschung bringen; praktisch ist, weil man dann auf Herrn Gutzeit verweisen 2. sie muss den methodischen Grundsätzen ihres Faches kann und darauf, dass man ja schon länger unterwegs ist gerecht werden; und auf dieser Strecke zumindest praktisch durchgängig den 3. sie muss eine den wissenschaftlichen Arbeitsprinzipien Vorsatz hatte, brav zu sein – nur eben hier gerade nicht, wo entsprechende Dokumentation über das ausgewertete man geblitzt wurde. Außerdem ist es vorliegend praktisch, Material und die herangezogene Fachliteratur enthalten; wie durchgängig Gutzeit argumentiert: Wenn man die objek- 4. sie muss ihren Gegenstand klar und formal einwandfrei tive Täuschung (“die Zwillinge sehen sich täuschend ähn- darstellen. [3] lich”) erst einmal ausgeschlossen hat, kann man die Frage Inwiefern die anführungszeichenlose Aneinanderreihung von der vorsätzlichen Täuschung (“wollte Zwilling A, dass ich ihn Sätzen und Absätzen aus den Werken Dritter, wie sie in der fälschlich für Zwilling B halte?”) ganz entspannt angehen: Doktorarbeit von Frank-Walter Steinmeier Seite um Seite zu Das bisschen Vorsatz – nicht der Rede wert. Praktisch besichtigen ist, den methodischen Grundsätzen des Faches durchgängig wird ja nichts erregt, gerecht wird und eine den wissenschaftlichen Arbeitsprinzi- und schon gar nicht lässt sich sagen, der Autor habe in pien entsprechende Dokumentation über das ausgewertete wesentlichem Umfange getäuscht, wie es unsere Promo- Material und die herangezogene Fachliteratur enthält, war tionsordnung für den Entzug eines Doktorgrades aber Dekan Gutzeit, dem Kommissionsvorsitzenden Walker und verlangt. [2] JLU-Präsident Mukherjee also keine Frage wert. Mukherjee beschrieb stattdessen die Vorzüge der Steinmeier-Disserta- Wir können offenbar nicht erwarten, dass man als Gesichts- tion: maskenträger mit Taststöckchen das seitenweise Fehlen von Anführungszeichen zur Kenntnis nimmt – in einer Arbeit, die Es handelt sich bei der Arbeit um ein solides wissenschaft- immer wieder über größere Abschnitte hinweg ein Zitat an liches Gebäude, das höchstens einige zugige Fenster hat. das andere fügt. Ohne Anführungszeichen. Also in wesent- [4] lichem Umfange täuscht. Und für diese Feststellung ist es Und in einer Welt voll giftiger Miasmen sind zugige Fenster zunächst einmal nicht erheblich, ob auch ein Täuschungs- natürlich nicht als Pfusch am Bau zu werten. vorsatz anzunehmen ist. Um Plagiate handelt es sich also nicht. Doch nicht nur han- Die Promotionsordnung des Fachbereichs, dessen Dekan delt es sich nicht um Plagiate, es ist auch kein wissenschaft- Herr Gutzeit ist, sagt übrigens auch in wesentlichem Um- liches Fehlverhalten festzustellen. Denn, so der Kommis- fange mehr, als uns hier suggeriert wird. Sie sagt in § 19: sionsvorsitzende Walker, bei einer Arbeit von derartiger (1) Der Promotionsausschuss hat den Vollzug der Promo- Originalität tion zu versagen, wenn sich vor Abschluss des Ver- führen allein Formulierungsübereinstimmungen mit fahrens herausstellt, dass anderen Veröffentlichungen in einem bestimmten 1. die Doktorandin oder der Doktorand im Verfahren in quantitativen Umfang, verschiedene Verstöße gegen wesentlichem Umfange getäuscht hat oder Zitierregeln sowie einzelne Stellen ohne Quellenangabe, 2. wesentliche Erfordernisse für die Promotion nicht erfüllt waren.

http://causaschavan.wordpress.com/ 93 bei denen ein Versehen nicht ausgeschlossen werden Annette Schavan übte unterdessen nach wie vor kann, nicht zu einem wissenschaftlichen Fehlverhalten. [1] äußerste Zurückhaltung: Nur ganz ausnahmswei- se sprach sie über das bittere Unrecht und Schließlich führt ein liegen gelassener Regenschirm ja auch die schmerzlichen Erfahrungen der vergangenen nicht zu Vergesslichkeit, sondern allenfalls zu einem anderthalb Jahre. Bei Gesprächen mit Medien- vertretern zum Beispiel, am Rande von Vorträ- Schnupfen. Man muss dem Kommissionsvorsitzenden gen und Podiumsdiskussionen, auf Wahl- und Walker auch nicht die Frage stellen wollen, wie er sich denn Parteiversammlungen oder gleich von der Pre- etwa die Konstruktion der Steinmeier’schen Seite 65 unter digtkanzel herab. Also praktisch kaum jemals. besonderer Berücksichtigung der Fußnote 199 erklärt? Praktisch war auch, dass sich die Universität Allerdings ist diese Seite nicht typisch für den bisherigen nach wie vor nicht äußern durfte. Befund. Doch es ist leider sehr wohl wahr, dass sich die Formulierungsübereinstimmungen mit anderen Veröffent- lichungen “in einem bestimmten quantitativen Umfang” 11. November 2013 finden lassen. Nämlich in einem sehr bestimmt sehr quanti- Zutiefst wissenschaftsfern: Geschichte ohne tativen Umfang. Und auch wenn wir annehmen wollen, dass Zulassung der Doktorand – dem ja laut Vorwort für solchen Zweck die von Simone G. Lehrstuhlsekretärin zur Verfügung stand – beim Diktieren regelmäßig die Anführungszeichen nicht mitsprach, oder Annette Schavan wusste immer, worum es in der Geschichte dass besagte hilfreiche Person beim Übertragen der Diktate in Wahrheit ging. Um die Wahrheit jedenfalls nicht. Die von den Tonbändern die Anführungszeichen regelmäßig Wahrheit aber ist der Endzweck der Wissenschaft, heißt es vergaß: Will man in Gießen allen Ernstes behaupten, dass bei Ernst-Wolfgang Böckenförde. Also ging es in dieser die Unterlassung des Kandidaten Steinmeier, das fertig Geschichte nicht um Wissenschaft. “Wissenschaft droht hier getippte Manuskript noch einmal sorgfältig durchzugehen, für andere Zwecke missbraucht zu werden”, erklärte sie im kein wissenschaftliches Fehlverhalten darstellt? Januar, [1] und dass sie sich “gerade deshalb” als Kandidatin Man will. Und der Kommissionsvorsitzende Walker, ein Jurist für die Wissenschaft Bundestagswahl nominieren lassen mit den Arbeitsgebieten Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und musste. Doch in Düsseldorf verhallten ihre warnenden Zivilprozessrecht, weiß hilfreich auszuführen: Hinweise ungehört. Und nun war es genug. Jetzt hat sie, noch ganz Ministerin, der Geschichte die Zulassung Für den SPD-Politiker spreche außerdem, dass die Arbeit entzogen. zu einer Zeit verfasst worden sei, in der es aufgrund der technischen Entwicklung schlicht nicht möglich war, ge- In Friedrichshafen war soeben Schlossgespräch. Es ging um samte Passagen einfach aus dem Internet oder digitali- Resilienz, also um die Fähigkeit, auf Veränderungen, Störun- sierten Texten zu kopieren und ohne Fußnote in einen gen und Beeinträchtigungen wie ein Stehaufmännchen rea- Text einzufügen. [4] gieren zu können. Das war die passende Gelegenheit für Schavan, um öffentlich zu erklären: Der Entzug des Doktor- Wohl wahr, das ging damals noch nicht. Steinzeitmeier hatte grades war eine “zutiefst wissenschaftsferne Entscheidung”. keine anderen Hilfsmittel als den Faustkeil und die Lehrstuhl- [2] Die Universität hatte alles andere als die Wissenschaft im sekretärin. Und diese bedauerliche Härte, die allgemeine Un- Sinn. Schavan dagegen: Schavan ging es stets um die Inte- gnade der frühen Geburt, durch die der Kandidat leider noch grität, und zwar ganz uneingeschränkt, weshalb sie die daran gehindert war, sein Werk ganz rasch und umstandslos Sorge um die Integrität der Wissenschaft persönlich vollstän- aus Internet und Digitalisaten zusammenzustoppeln: Sie dig in die Sorge um die Integrität ihrer Person integriert hat: stellt einen heftig zu berücksichtigenden Umstand dar. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben. Es Die nächste Überarbeitung der Regeln guter wissenschaftli- geht um Integrität und es geht darum, dass man solche cher Praxis durch DFG und HRK wird nach diesen Gießener Geschichten nicht zulassen darf, weil sie nicht nur der Novellen nicht lange auf sich warten lassen. betroffenen Person, sondern der Wissenschaft scha- den. [2]

Das war’s dann wohl. Jetzt steht sie ohne Zulassung da, die Geschichte.

In der Redaktionskonferenz hatten wir noch diskutiert: War es wirklich Böckenförde, der die Wahrheit zum Endzweck der Wissenschaft

erklärt hatte? Normalerweise stammten solche Sprüche doch von Sitting Bull oder dem Dalai Lama? Doch Simone G. beharrte darauf: Bei Schavan war es zuverlässig Böckenförde.

http://causaschavan.wordpress.com/ 94 Hatte RA Bongartz es nicht vorausgesagt? Er Vielmehr soll die Weiterleitung an den Fakultätsrat nun hatte, schon im September. So wie die TU erfolgen, Dortmund mit der Sache Eumann umging – das konnte ja gar nicht gutgehen! damit dieser zuständigkeitshalber prüft, ob die Fakultät ein Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades einleitet. [1]

16. November 2013 Aufschlussreich ist jedoch vor allem der Beipackzettel, der Fall Eumann: Betriebsstörung an der TU dieser deutlich verdünnten Version des Rektoratsbeschlus- Dortmund ses beigegeben wurde: Hierbei ist zu betonen, dass die Feststellung von wissen- von RA Bongartz schaftlichem Fehlverhalten einerseits und ein Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades andererseits zwei unterschiedliche Sachverhalte sind. Diese unterliegen unterschiedlichen Verfahren und Zuständigkeiten innerhalb der Hochschule sowie unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen und Wertungen. [1]

Wenn das so ist, dann stellt sich allerdings um so dringlicher die Frage, warum und wie diese unterschiedlichen “Sachver- halte” als “Verfahren” überhaupt mit einander verzahnt sein sollen und dürfen. Schließlich kann der Entzug des Doktor- grades nicht gut anderen rechtlichen Grundlagen und Wer- tungen “unterliegen” als die Feststellung der Voraussetzun- gen für diesen Entzug. Das Rektorat, dem nebenbei die Rechtsaufsicht über das Das Verfahren, das die TU Dortmund seit Beginn des Jahres Verfahren der Fakultät obliegt, hat ja im Fall Eumann bereits 2013 gegen den NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan öffentlich schwerwiegendes wissenschaftliches Fehlverhal- Eumann (SPD) führt, nimmt einen krisenhaften Verlauf. Es ten konstatiert. Nun beeilt man sich geht in diesem Fall um die Frage, inwieweit die 2010 einge- reichte Doktorarbeit von seiner zwanzig Jahre älteren festzustellen, dass das Rektorat die Fakultät bezüglich Magisterarbeit abhängig ist und ob Eumann selbst auf diese deren Entscheidung weder inhaltlich beeinflussen noch Magisterarbeit ordnungsgemäß hingewiesen hat. Doch es anweisen darf und dies auch zu keinem Zeitpunkt getan geht auch darum, wie so ein Verfahren zu führen ist. An der hat. Die Fakultät prüft nun die Frage, ob ein Verfahren zur TU Dortmund ist um diese Frage heftiger Streit entbrannt. Aberkennung des Doktortitels einzuleiten ist, und ob der Das Rektorat kann offenbar nicht mehr darauf rechnen, dass Doktorgrad gegebenenfalls entzogen wird, unabhängig sich die zuständige Fakultät seinen Vorgaben fügt. und eigenständig nach den Regeln der Promotionsord- nung und der sonstigen einschlägigen Grundlagen des Die TU hat ihr Verfahren nach den Vorstellungen und For- öffentlichen Rechts. [1] derungen der Hochschulrektorenkonferenz gestalten wollen: Sie ließ zunächst den Ombudsmann und die Kommission zur Der Beschwichtigungsgestus ist unverkennbar. Tatsächlich Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis prüfen, dann ist die um zwei Wochen verspätete Presseinformation wohl lag die Sache beim Rektorat. Das beschloss am 18. Juli überhaupt nur deshalb noch erfolgt, weil inzwischen bereits 2013, dass “erhebliches wissenschaftliches Fehlverhalten” an die Öffentlichkeit gedrungen war, dass das Vorgehen des vorliege und die Angelegenheit der zuständigen Fakultät Rektorats innerhalb der Universität heftig umstritten ist. Am zuzuleiten sei, damit diese ein Verfahren zur Aberkennung 10. November hatte die WELT am SONNTAG berichtet, des Doktorgrades einleite. Dieser Beschluss wurde andern- dass möglicherweise “Eumanns Schicksal wieder offen” sei. tags per Presseinformation mitgeteilt – und mit dem be- Aus TU-Kreisen hatte die Zeitung erfahren, fremdlichen Hinweis verbunden, dass erst noch Eumanns dass dort eine heikle Frage diskutiert wurde: Hat das Stellungnahme abzuwarten sei. Die Stellungnahme erfolgte Rektorat Eumann vorverurteilt und damit Recht gebeugt? am 16. August. Am 30. Oktober beschloss das Rektorat Immerhin hatte es im Juli ein “erhebliches wissenschaft- erneut, was es schon beschlossen und öffentlich verkündet liches Fehlverhalten” Eumanns öffentlich festgestellt. hatte. Damit hatte es dem noch gar nicht eröffneten Verfahren Doch diesmal ließ eine öffentliche Mitteilung des Rektorats- zur Titelaberkennung de facto das Ergebnis vorgegeben. beschlusses lange auf sich warten. Sie datiert erst vom 14. Und zwar ohne Eumanns Stellungnahme abzuwarten. [2] November und kommt nicht ohne allerhand defensives Bei- Auch war der Beschluss vom 18. Juli eben doch als die un- werk aus. Es heißt nun nicht mehr, die Sache sei zulässige Anweisung zum Entzug des Doktorgrades aufge- dem Fakultätsrat der Fakultät 15 zur Einleitung eines Ver- fasst worden. Uneins ist man sich auch darüber, auf welcher fahrens zur Aberkennung des Doktorgrads gem. § 19 der rechtlichen Grundlage denn überhaupt zu verfahren sei – ‚Promotionsordnung der Universität Dortmund der Fakultät und ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage gebe, die das Kulturwissenschaften vom 06.12.2001‘ zuständigkeitshal- Handeln der Hochschulleitung rechtfertige. ber zuzuleiten. [1]

http://causaschavan.wordpress.com/ 95 Um uns nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass wir die Wie- „Erstmals“ sprach Annette Schavan in einem derverwendung eigener Vorarbeiten nicht ausreichend WELT-Interview zur Weihnacht über den Verlust von Amt und Doktorwürde. Darüber äußerte sie deutlich gemacht hätten, verweisen wir an dieser Stelle sich zwar laufend „erstmals“, doch nie zuvor ausdrücklich auf unsere am 11. September 2013 bei Causa hatte sie so deutlich nahegelegt, dass sie Schavan vorgelegte Magisterarbeit über Dortmunder Verfah- das Opfer einer Intrige geworden sei. Und rensfragen. erstmals, wirklich erstmals äußerte sich die frühere Wissenschaftsministerin unverblümt In der damaligen Wahl der Fragestellung, in der Untersu- über den Geisteszustand Düsseldorfer Geistes- chungsmethode und den Ergebnissen sehen wir uns nun wissenschaftler. vollauf bestätigt. Wir beabsichtigen, diese Magisterarbeit zur

Dissertation zu erweitern, wobei wir insbesondere die Frage der Sachherrschaft der Fakultät über das Verfahren vertie- 28. Dezember 2013 fend behandeln wollen. Hier wäre dann auch Gelegenheit zu Schavan zur Weihnacht: „Irres Menschenbild“ stärkerer Berücksichtigung geltender Rechtsprechung, etwa – Uni Düsseldorf war falsch verbunden einer Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts Berlin vom von Hupe Weißkräcker 25. Juni 2009, in der es heißt: Wird – wie im vorliegenden Fall – mit der Feststellung wis- senschaftlichen Fehlverhaltens zugleich ein Tatbestand beschrieben, der nach § 34 Abs. 7 BerlHG die Entziehung eines akademischen Grades rechtfertigt, so sind die dafür vorgesehenen Zuständigkeiten sowie das dafür vorgese- hene Verfahren zu beachten bzw. durchzuführen. [3]

Die “Regeln guter wissenschaftlicher Praxis” stellen lediglich eine “Ehrenkodex-Satzung” dar. Das vorgesehene Verfahren kann aber nicht als durch das Untersuchungsverfahren nach der Ehrenkodex-Satzung durchgeführt angesehen werden. Insbesondere ist der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, die Ehrenkodex-Satzung stelle eine selbstbindende Verwaltungsvorschrift der Beklagten dar [...]. [3]

Das “Ehrenkodex”-Verfahren – also der Weg über Ombuds- mann, Kommission für gute wissenschaftliche Praxis und Rektorat – findet seine Grenzen dort, wo gesetzliche Rege- lungen greifen:

Von daher sind die im Ehrenkodex-Verfahren durchzufüh- renden Anhörungen des Betroffenen auch nicht unter In- Alle Jahre wieder erfreut uns die WELT zur Weihnachtszeit aussichtstellung einer beabsichtigten bzw. erwogenen mit einem großen Schavan-Interview. Das besorgt regel- Entziehung des Doktorgrades durchzuführen. [3] mäßig Jochen Gaugele, seines Zeichens Nachrichtenchef Denn auf solche Erwägungen darf dieses Ehrenkodex- der WELT-Gruppe. Am 25.12.2011 lautete die Chefnach- Verfahren gar nicht ausgerichtet sein. Vielmehr haben die richt, die aus diesem Interview zu gewinnen war: “Meditation hierfür Zuständigen selbst die Voraussetzungen für solche hilft – auch an verhangenen Tagen.” [1] Vor einem Jahr dann Erwägungen zu schaffen: durften wir an Heiligabend erfreut zur Kenntnis nehmen, dass die von der Plagiatsaffäre arg gebeutelte Ministerin ihre Die mit der Entziehung des Doktorgrades befassten Doktorarbeit nach bestem Wissen und Gewissen erstellt Organe der Hochschule haben den Sachverhalt für den hatte, und dass sie sich “derzeit intensiv” mit den Plagiats- Entziehungstatbestand eigenständig und unter Wahrung vorwürfen beschäftigte: Sie sprach “mit jenen, die viel Erfah- des Anhörungsrechts des Betroffenen zu ermitteln. [3] rung in der Wissenschaft haben”, und ließ sich von ihnen die Das Untersuchungsverfahren nach der “Ehrenkodex-Ord- Haltlosigkeit dieser Vorwürfe bescheinigen. Im Übrigen woll- nung” gehört also weder zum Verwaltungsverfahren, noch te sie “Ministerin bleiben über die Bundestagswahl hinaus” kann es als solches zur Entscheidung im Verwaltungsver- und verkündete: fahren vorbereitend beitragen. Damit ist aber auch auszu- Meine politische Arbeit für Bildung und Wissenschaft schließen, dass die zuständigen Organe der Hochschule bei macht mir Freude wie nie zuvor und gewinnt in vielerlei der eigenständigen Ermittlung des Sachverhalts etwa auf Hinsicht an Bedeutung. [2] den Verlauf einer Untersuchung nach der “Ehrenkodex- Ordnung” Rücksicht zu nehmen hätten – und sei es auch nur Sie selbst drohte allerdings soeben in vielerlei Hinsicht an dadurch, dass sie erst nach deren Abschluss tätig würden. Bedeutung zu verlieren. Da galt es Kraft zu sammeln für bevorstehende Kämpfe. Die Festtage würde sie im Rhein- Vielleicht ist unser Dissertationsprojekt nun aber doch ge- land verbringen, bei der Familie, bei Mutter, Geschwistern, scheitert. Denn all das haben wir ja auch schon in unserer Nichten, Neffen und Gottesdiensten: Magisterarbeit so gesehen. Es fehlt also an einer neuen These.

http://causaschavan.wordpress.com/ 96 Ich wünsche mir wie selten zuvor Ruhe – und dass die Predigtkanzeln verschiedener Konfession, all die innere Gottesdienste an Weihnachten zu einer Kraftquelle für das Einkehr, an der wir im zurückliegenden Jahr dankenswerter- nächste Jahr werden. [2] weise stets lebhaften Anteil nehmen durften, sie hat längst auch zu einer Abkehr von mancherlei weltlichem Streben Doch die Ruhe, die sich Schavan zu Weihnachten 2012 geführt. Das barmt die WELT: Wenigstens Ministerpräsi- wünschte wie selten zuvor, sie war ihr nicht vergönnt. Bereits dentin könnte sie doch noch werden, und wenn’s in Baden- am Zweiten Weihnachtsfeiertag musste sich die Ministerin Württemberg wäre! Denn Ministerpräsidentin war sie doch für Bildung und Forschung – erneut in der WELT – zu einem noch nie! Aber Schavan winkt ab: Kernthema ihres Ressorts äußern, zum geplanten NPD- Verbot nämlich. [3] Tags darauf war von ihr zu erfahren, Werde ich auch nicht sein. Ich öffne für mich eine neue dass Technik die Pflege Älterer menschlicher machen Lebensphase. Ich kann wirken ohne Amt. [5] könne. [4] Für die Pflege älterer Doktorwürden traf dies Das klang nicht immer so, [6] aber mittlerweile haben sich allerdings weniger zu. Düsseldorfer technizistische Text- die Dinge geklärt. Nicht zuletzt auf dem Wege der Kabinetts- vergleiche führten schließlich im Februar 2013 zur Aber- postenverteilung. Nun wirkt auch die für ihren brennenden kennung des Doktorgrades und zum schmerzlichen Verlust Ehrgeiz bekannte Schavan ganz abgeklärt. Bei der Vereidi- des Ministeramtes. gung der Minister war sie nur noch Zuschauerin und erlebte mit Wohlgefallen und fand sehr bedeutsam, dass sämtliche Kabinettsmitglieder den Wunsch “So wahr mir Gott helfe” ausgesprochen haben. Das ist ein Signal, Das ist lange her – ein langes Jahr war es. Und fast mussten das weit über die Politik hinausgeht. [5] wir schon fürchten, dass die WELT das diesjährige Schavan- Auf ihrer Homepage ist Schavan da allerdings schon ein Interview zur Weihnacht versäumt haben könnte. Heilig- ganzes Stück weiter. Hier lässt sie die lieben Bürgerinnen abend verging, der Erste Weihnachtstag – doch dann end- und Bürger anlässlich der erfolgten Regierungsbildung lich, am 26.12.2013, erschien das große WELT-Gespräch wissen: mit Annette Schavan doch noch und war nun um so schöner. Die Ministerinnen und Minister der neuen Bundesregierung In der Print-Ausgabe der WELT ist diesem pressegeschicht- haben ihren Amtseid abgelegt. Übrigens alle mit dem lichen Ereignis eine Fotografie beigegeben, in der man ge- Wunsch „so wahr mir Gott helfe“. Das ist ein schönes trost eine Ikone sehen darf. Zugleich sagt sie wohl mehr über Zeichen für einen Konsens, der weit über die Politik die Fotografierte aus, als ihr in ihrem vorgeblichen Bieder- hinausgeht. [7] sinn lieb sein kann: Wir sehen eine wütende Frau, deren Weste weiß sein mag, vor einem mächtig düsteren Hinter- Ja, Schavan ist sich wohl treu geblieben in der Art der Text- grund jedoch seltsam irisierend wirkt. Ein Schatten – der des restverwertung: Es kommt eher auf den gefälligen Wohlklang Betrachters – malt sich unmittelbar neben ihr groß und be- an, und nicht so sehr auf den genauen Sinngehalt. Und dass drohlich an die Wand. Die wütende, dunkel blickende Frau es sich bei den Worten “So wahr mir Gott helfe” keineswegs hat die Arme zum Schutz verschränkt, die linke Hand zur einfach um einen “Wunsch”, sondern um eine Beteuerungs- Faust geballt und wie zum Schlag leicht erhoben. formel handelt: Für die Ex-Ministerin, die stets als Theologin wahrgenommen werden wollte und diese Formel selbst bei Im Interview zeigt sich die Person Annette Schavan heute so zahlreichen Gelegenheiten gesprochen hat, ist das offenbar unangreifbar in ihrer Selbstgewissheit wie eh und je. Tat- kein Begriff. sächlich wird von dieser Person überhaupt recht wenig greifbar. Auch das war von jeher ein Markenzeichen Schavan’scher Selbstäußerungen: Sie sprach stets in vorgestanzten Worthülsen, die dann auch vielfach aus- tauschbar waren und sich bei verschiedensten Gelegen- heiten wiederverwenden ließen. Dieses Phrasenrecycling, Damit wären wir dann bei der Doktorarbeit und dem Plagiats- mit dem sie ebenso gut die Zukunfts Zuckunftsfähigkeit der vorwurf. Schavan empfindet die Aberkennung des Doktor- Kirche, der Wissenschaft oder der Runkelrübe abhandeln grades als ein Unrecht. Der ehemaligen Ministerin geht es konnte, dieses schavanspezifische Verbalgleißen, es war nicht um den Titel, sondern “um ein Vorgehen, das ich zu eigentlich immer das gleiche Schwenken des Weihrauch- hundert Prozent für falsch halte”. [5] Sie selbst erreicht in der fässleins in die eigene Richtung, mit gehöriger Vernebelung. eigenen Rückschau aus dem Abstand eines Jahres keine Unerwünschtes ließ sich gegebenenfalls auch mit jenem nennenswerte Fehlerquote. Auf die Frage, ob ihr in ihrer kaltstählernen Kampflächeln knapp und endgültig abtun, das Doktorarbeit “einfach Fehler unterlaufen” seien, kontert sie: Annette Schavan beherrschte wie wenige sonst. Es ging um Fragen an der Schnittstelle von Theologie, So auch heute. Allzu oft muss Annette Schavan dieses Philosophie und Pädagogik. Dazu gehörte auch, Gewis- Kampflächeln allerdings nicht einsetzen, denn Jochen senstheorien zu referieren und nach ihrer Bedeutung für Gaugele meint es ja nur gut mit ihr. Was empfand sie am Gewissensbildung zu fragen. Da finde ich heute auch Tag der Vereidigung der neuen Minister – sie, die nicht mehr schwache Stellen, aber es gibt angesichts von 880 Fuß- dabei sein durfte? Ach, das war schon nicht ganz leicht. noten keine Zweifel über die Textquellen. Meine Arbeit Doch sie hat mit der zurückliegenden Phase ihres Lebens wurde 30 Jahre lang als ein gutes Buch gesehen. [5] abgeschlossen und strebt nicht mehr nach hohen Ämtern. Die Teilnahme an Pilgerwallfahrten, die Besteigung von

http://causaschavan.wordpress.com/ 97 Bei früherer Gelegenheit war der ärgste Vorwurf, den sie verbunden sind demnach aber auch sämtliche anderen bis- gegen sich selbst gelten lassen wollte, der des lang vorgekommenen Aberkennungen von Doktorgraden, nichtpeinlichen “Zitierfehlers”, und: denn sie alle setzen ja nicht allein einen Betrug an Doktor- vater und Fakultät, sondern auch glatten Selbstbetrug Ich habe sorgfältig gearbeitet. Hier und da hätte man auch voraus. Mit einem irren Menschenbild sind demnach auch noch sorgfältiger formulieren können. Heute merke ich die Entscheidungen von Verwaltungsgerichten verbunden, zum Beispiel, dass ich damals bei Freud noch ziemlich die solch absurde Willkürmaßnahmen der Universitäten bis- verdruckst war. [8] lang fast ausnahmslos bestätigt haben – auch Jahre und Das war dann allerdings auch schon die äußerste, später nie Jahrzehnte nach der Promotion. Irre, einfach irre ist das. wieder erreichte Konkretisierung der Ergebnisse einer Demnächst werden wir Frau Schavan wohl als die Grün- vielfach beschworenen “intensiven Beschäftigung mit dem dungsvorsitzende des gemeinnützigen Vereins Menschen- Text meiner Dissertation”. Als Folge jungmädchenhafter bildlicher Irrsinnsopfer und Akademischer Unschuldslämmer Verdruckstheit war der Plagiatsvorwurf durch die Düssel- MIAU e.V. erleben dürfen. Weitere Vorstandsmitglieder: Sil- dorfer Fakultät freilich nicht behandelt worden. Stattdessen vana Koch-Mehrin, Margarita Mathiopoulos und Karl-Theo- hatte man ihr vorsätzliche Täuschung zugeschrieben. dor zu Guttenberg. Für die posthume Ehrenmitgliedschaft Schavan gibt sich abgeklärt, aber sie kann auch im Ge- wollen wir an dieser Stelle die unvergessene Elisabeth spräch nicht verbergen, was auf der Fotografie so offen- Ströker vorschlagen. sichtlich ist. “Sie sind wütend”, stellt Gaugele fest und wird in Nein, Betrug und Selbstbetrug in akademischen Abschluss- bekannter Schavan’scher Manier beschieden: arbeiten sind natürlich grundsätzlich nicht denkbar. So haben Ich bin auf Zuckunft ausgerichtet. Die Geschichte darf in ja auch die Erziehungswissenschaftler Heinz-Elmar Tenorth meinem Leben nicht bestimmend sein. Ich bin vor allem und Helmut Fend in ihrem Verriss des Rohrbacher-Gutach- nachdenklich, weil ich ein solches Vorgehen nicht für tens völlig zu Recht bemängelt, dass sich möglich gehalten habe. [5] Herr Rohrbach bei der Klärung der konkreten Textgestalt Diese Nachdenklichkeit der Annette Schavan richtet sich und der zu konstatierenden “Regelwidrigkeiten” nicht auf freilich allein auf die Unsäglichkeiten, die ihr widerfahren den Urheber des Textes, sondern auf seine eigene sind, die ihr angetan wurden, und keineswegs auf Bedenk- Methode der Analyse liches, das sie selbst zu verantworten hätte. Warum denn verlassen habe. [9] Dabei hätte er zur Klärung der Frage, ob auch – wo sie doch nur das Opfer einer Intrige wurde? Denn getäuscht worden sei, doch einfach die Selbstauskunft der der Anonymus “Robert Schmidt”, der den Plagiatsvorwurf im Autorin einholen können! Es ist absurd, wie im akademi- Mai 2012 öffentlich machte, hatte es ja auf ihren Sturz schen Elfenbeinturm oft die einfachsten Problemlösungen abgesehen. Das dürfte ja wohl klar sein. Gaugele fragt: beharrlich übersehen werden. In Schavans eigenem Fall ist Ist Ihnen das Motiv des Gutachters, der Ihnen eine die Absurdität freilich noch dadurch erhöht, dass es sich ja “leitende Täuschungsabsicht” unterstellt, ebenso klar? [5] um eine Doktorarbeit zu besonderem Thema handelt: Ge- wissensbildung! Schavan ist fassungslos: Nein, sagt Annette Schavan. Es ist ihr nicht klar, aus wel- chem Motiv heraus der Düsseldorfer Prodekan Stefan Rohr- Es ist eine Arbeit über Gewissensbildung gewesen. Die bacher in seinem verhängnisvollen Gutachten eine “leitende Vorstellung, jemand beschäftigt sich in jungen Jahren mit Täuschungsabsicht” unterstellt hat. Aber mit dieser Frage diesem Thema und erstellt einen Text mit Täuschung als und der knappen Antwort ist nun auch dem letzten WELT- Vorsatz, ist schlicht absurd. [5] Leser deutlich geworden, dass der Gutachter unsauber, ja Einmal mehr zeigt sich hier auch die vertrauensvolle men- unredlich gearbeitet hat. Rohrbacher muss für seine Unter- schenbildliche Verbundenheit des betagten Doktorvaters mit stellung der vorsätzlichen Täuschung ein Motiv gehabt seiner einstigen Doktorandin. Schon im Oktober 2012 stellte haben. Vorerst bleibt dieses Motiv leider unbekannt. Vorerst. Gerhard Wehle diese entscheidende Frage: Doch vielleicht liegt der Fall ja auch Wie kann man eine Arbeit über das Gewissen schreiben ganz anders. Vielleicht handelt es und dabei täuschen? [10] sich ja um einen Fall von akademi- schem Rinderwahnsinn. Schavan Die Antwort liegt auf der Hand: Das geht gar nicht. schaut in einen Abgrund: Jemandem zu sagen, er habe vor 33 Jahren in seinem Text zum Ab- schluss des Studiums absichtlich getäuscht, ist mit einem irren Men- schenbild verbunden. Das wäre ja glatter Selbstbetrug gewesen und Das große Interview der Annette Schavan zu besinnlicher nicht allein Betrug an Doktorvater und Fakultät. Ein Selbst- Zeit war schon recht ertragreich. Es ist auch ein schönes betrug massiver Art, den man in seinem Leben auch nicht Beispiel dafür, wie viel durch journalistische Selbstbe- vergessen würde. [5] schränkung zu gewinnen ist. So hätte Jochen Gaugele natürlich auch die Frage stellen können, warum Annette Schavan attestiert nicht nur dem Gutachter, sondern auch Schavan der Universität Düsseldorf nach wie vor die dem Düsseldorfer Fakultätsrat, der seinem Votum gefolgt ist, Offenlegung der Unterlagen des Verfahrens verweigert? menschenbildliches Irresein. Mit einem irren Menschenbild Warum sie also nicht will, dass sich die Öffentlichkeit ein

http://causaschavan.wordpress.com/ 98 eigenes Bild davon machen kann, auf welcher Grundlage Täuschung aufweisen und dennoch von Ethik handeln, also und mit welchen konkreten Begründungen die Entscheidung gar nicht auf unethische Weise verfasst worden sein kann, des Fakultätsrats gefallen ist? Welches Interesse sie, die so dürfte sich so schnell nicht finden lassen. reinen Gewissens und so fern jeden Selbstbetrugs ist, an fortgesetzten Mutmaßungen haben kann, wo die Universität konkrete und umfassende Information anbietet? Er hätte Darum also handelte es sich: Um den Versuch, solche Fragen stellen können. Doch dann wäre die ganze den akademischen Ruf einer angesehenen Frau zu beschädigen. Vor dem Verwaltungsgericht zu schöne Weihnachtsstimmung sofort perdü gewesen. Düsseldorf wird sich am 20. März 2013 zeigen, Stimmung macht nach dem WELT-Interview der Annette ob unsere Heldin nun endlich Gerechtigkeit finden wird oder ob sie auch noch den Opfer- Schavan auch die Rheinische Post. Das Düsseldorfer Quali- gang vor die nächste Instanz antreten muss. tätsblatt “für christliche Kultur und Politik” hatte stets so seine eigenen Vorstellungen von Hintergründen und Ablauf des Jetzt schon verloren hat die Wissenschaft. Weil eine Wissenschaftsministerin ohne jeden Plagiatsskandals. Sie trafen sich im Allgemeinen recht genau Skrupel entschlossen war, ihre persönlichen mit den Vorstellungen von Annette Schavan. Am 27.12.2013 Interessen über alles andere zu stellen und eröffnete Reinhold Michels den Prozeß zur Seligsprechung: zur Verfolgung dieser Interessen alle Mittel zu gebrauchen, die ihr zur Verfügung standen. Um die Christdemokratin Annette Schavan (58), die das C Sie hat aber vor allem deshalb verloren, weil im Namen ihrer Partei als Landes- und Bundesministerin in die „führenden Wissenschaftler“ des Landes, Stuttgart und Berlin stets ernst genommen hat, ist es stiller die in Wahrheit nur die ständig auf den ver- geworden. Das empfinden nicht wenige als bedauerlich, schiedenen Posten rotierenden Spitzenfunktio- denn die gebürtige Niederrheinerin (Jüchen), die in Neuss näre sind, wissenschaftliche Prinzipien wie z.B. das Prinzip der Wahrheitssuche systema- aufwuchs und im dortigen Stadtrat aktiv war, hätte noch tisch verraten haben, während sie ständig die vieles zu sagen. [11] wissenschaftlichen Prinzipien im Munde führ- Auch Michels spürt bei Schavan den “Zorn über die (noch ten. Eine ganze Kaste hat sich vor den Augen der Öffentlichkeit für die Interessen einer nicht rechtskräftige) Aberkennung ihres Doktortitels”, den Ministerin instrumentalisieren lassen, weil diese abstreitet (“Zuckunft”, “vor allem nachdenklich”). Der das wohl auch in ihrem Interesse lag. Zu die- angestrebten Beatifikation des heimischen Gewächses sen Funktionären und den üblichen Hofschran- (Jüchen! Neuss!!) sollte das aber nicht entgegenstehen. zen des Wissenschaftsbetriebs gesellten sich Immerhin durchleidet sie ein Martyrium und ist im Begriff, dann noch ein paar politische Karrieristen sowie Vertreter des gesellschaftlich-konfes- dieser Welt zu entsagen: sionellen Milieus, dem Schavan entstammt und Die unverheiratete Katholikin, die sich täglich in die Stun- dessen Galionsfigur auf höchster politischer dengebete vertieft, nach dem Rücktritt viel Zuspruch erfuhr Ebene sie sein durfte. Von der Schande, die diese „Elite“ über die Wissenschaft gebracht und in ihrer persönlichen Krise Kraft aus dem Glauben hat, dürfte sie sich so schnell nicht erho- schöpfte, will auch dann nicht mehr in die erste politische len. Reihe zurückkehren, sollte das Gericht ihr Recht geben. Verloren hat auch der investigative Journa- [11] lismus. Er war wegen weitgehender Abwesenheit Doch so traurig das auch ist, und so sehr wir auch bedauern daran gehindert, die Scharade aufzudecken, die hier aufgeführt wurde. Schlimmer noch, werden, dass Schavan zwar noch vieles zu sagen hätte, nun die „Qualitätsmedien“ haben sich an der Des- aber möglicherweise nicht mehr alles sagen wird: Der böse informationskampagne der Gruppe Schavan teil- Feind hat nicht gänzlich gesiegt. weise aktiv beteiligt. So haben sie uns nicht nur als Berichterstatter, sondern auch als Der Versuch, Schavans akademischen Ruf zu beschädi- Mitwirkende das Material für die Akte Schavan gen, verhinderte nicht, dass die angesehene Frau an der geliefert. Denn sie ist ja da, die Wahrheit: Freien Universität Berlin lehrt. Derzeit leitet sie ein Semi- Man muss sie nur wissen wollen, ihr nachspü- nar über christliche Ethik. [11] ren und sie auflesen. Dann kann auch eine Desinformationskampagne nicht verhindern, Dafür ist die frühere promovierte Erziehungswissenschaft- dass man das mit dem Wissen schafft. lerin als nunmehr katholisch-theologische Honorarprofes- sorin bereits durch ein einschlägiges Kapitel ihrer Doktorar- beit bestens ausgewiesen. Es heißt “Das Gewissen in der christlichen Ethik”, erstreckt sich über die Seiten 215 bis 253 und zeichnet sich durch eine besondere Dichte von Textstel- len aus, die ohne ausreichenden Nachweis aus fremden Texten übernommen wurden. Mehr als die Hälfte der Seiten Das Causa-Schavan-Team dieses Kapitels werden bei schavanplag mit problemati- (RA Bongartz, Simone G. und schem Befund aufgeführt, nämlich die Seiten 215, 216, 217, Hupe Weißkräcker) widmet 218, 221, 222, 225, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 241, diese Akte den Freunden A.M. 243, 244, 245, 246, 251, 252. Schnierl, Erbloggtes/m und Für eine eingehendere Behandlung im Rahmen eines Ethik- allen anderen, die uns Seminars empfiehlt sich etwa S. 225 der Dissertation der begleitet haben. angesehenen Frau. Ein überzeugenderes Beispiel für den Und natürlich B. Umstand, dass ein Text zahlreiche objektive Anzeichen der

http://causaschavan.wordpress.com/ 99 Gaehtgens, Peter 59, 85-86 Gärditz, Klaus Ferdinand 18, 21, 69 Gather, Ursula 71 Gaugele, Jochen 96-98 Dramatis personae Glökler, Paul 57 Gönner, Ivo 77-78

Gössmann, Wilhelm 51

von Graevenitz, Gerhart 3, 6, 12, 39-40, 46 Grafton, Anthony 59, 86 Gruss, Peter 40 Albertus Magnus 90 zu Guttenberg, Karl-Theodor 14-15, 32-35, Alt, Peter-André 48 58, 70, 76, 81, 98 Althusmann, Bernd 14, 15 Gutzeit, Martin 93 Bach, Johann Sebastian 91 Hank, Rainer 86 Bach, Thomas 50 Heidingsfelder, Martin 13, 79 Benner, Dietrich 3-5, 16,21, 26-28, 39, 41- Heldmann, Werner 77 42, 45-46 Heller, Arne 47-48 Berger, Roland 89 Heßbrüggen, Stefan 64 Biedenkopf, Kurt 36-38, 43, 46, 66 Heubisch, Wolfgang 83 von Bismarck, Otto 91 Hippler, Horst 19 Bleckmann, Bruno 45, 67 Hitler, Adolf 79, 81 Blome, Nikolaus 46 Holz, Bertram 76 Böckenförde, Ernst-Wolfgang 49-50, 86, 89, Honnefelder, Gottfried 89 94 Honnefelder, Ludger 6, 20-21, 26-27, 40-42, Böckle, Franz 4, 45 45-46, 86, 89, 90 Bogner, Magdalena 50 Horstkotte, Hermann 51 Bold, Hubert 77 Hose, Martin 83, 84 Botzenhart, Udo 78 Huber, Bernd 82-84 Brandt, Hartwin 82 von Humboldt, Wilhelm 90 Braungart, Georg 59-60, 85-86 Jaroch, Matthias 83 Braungart, Wolfgang 86 Kamenz, Uwe 79-81 Brügelmann, Hans 27 Kaube, Jürgen 10 Bry, François 82 Kauder, Volker 36, 46 Carell, Thomas 84 Kempen, Bernhard 47 Carstensen, Peter Harry 54-55 Kessing, Jürgen 75 Cassirer, Ernst 64 Kienle, Thomas 57 Dammann, Bernd 69 Kiesow, Rainer Maria 86-87 Delors, Jacques 89 Kleiner, Matthias 40, 85-86 Dimeery, Ibrahim el- 57 Klippel, Diethelm 34 Ebeling, Karl Joachim 57, 77 Kloos, Basina 50 Einhäupl, Karl Max 24-25, 40 Koch-Mehrin, Silvana 18-20, 58, 76, 98 Erhard, Ludwig 75 Kocka, Jürgen 86 Eumann, Marc Jan 70-72, 74, 92, 95 Köhler, Horst 70 Fend, Helmut 12, 16, 41, 98 Kohle, Hubertus 84 Fiala, Doris 63 Krass, Sebastian 83 Fischer, Ulrich 50 Kreidl, Jakob 63-64 Frank, Joachim 59, 85, 90-91 Kretschmer, Michael 21-22, 46 Freud, Sigmund 98 Küpper, Joachim 48-49 Fröhlich, Boris 51 Kulitz, Peter 57, 76 Frühwald, Wolfgang 3, 5-6, 12, 26, 39-40, Lahusen, Benjamin 87 46, 77 Lammert, Norbert 92

http://causaschavan.wordpress.com/ 100 Leibing, Eberhard 78 Roth, Hans-Walter 75 Lenzen, Dieter 47-49, 51-53 Schavan, Annette 1, 3-5, 7-8, 11, 12-16, Lenzen, Verena 51 17, 18-21, 22-24, 25-28, 31-32, 35-42, 43, 44-46, 47-55, 56-60, 62, 64-66, Levin, Christoph 84 67-69, 70-71, 73, 74-78, 79-80, 81-84, Liebig, Justus 93 85-92, 94, 96-99 Löwer, Wolfgang 35, 71 Schavoll, Heikette 22, 25-26 Lüst, Reimar 6, 40, 46 vom Scheidt, Jürgen 83 Mansour, Ashraf 57 Schlör, Joachim 66 Mappus, Stefan 76-77 Schmidt, Ansgar 50 Markschies, Christoph 6, 40, 42, 46, 59-60, “Schmidt, Robert“ 1, 44, 98 82, 85-88 Schmoll, Heike 1, 10-15, 32, 45-46, 60-61, Marquardt, Wolfgang 60 67, 82 Martin von Tours 88-89 Schnaudigel, Christoph 75 Mathiopoulos, Margarita 18, 58, 98 Schollwöck, Ulrich 83 Mayer, Karl Ulrich 55 Schröder, Richard 86 Meidinger, Heinz-Peter 36, 43 Schütte, Georg 67 Merkel, Angela 38, 53, 81 Schumann, Robert 89 Meyer, Hans Joachim 51 Schwan, Gesine 50 Michels, Reinhold 99 Schwarz, Helmut 35, 40, 46, 57, 83 Mittelstraß, Jürgen 35 Seidenspinner, Gundolf 66 Mlynek, Jürgen 40, 43-44, 54 Seiffert, Heinz 75 Most, Glenn 86 Simon, Dieter 86-87 Mukherjee, Joybrato 92-93 Spaemann, Robert 50 Nassehi, Armin 84 Späth, Lothar 75, 78 Neumann, Christoph 82 Speer, Andreas 89, 90 Neven DuMont, Alfred 91 Spendel, Stefanie Aurelia 50 Nietzsche, Friedrich 86 Spiewak, Martin 32-33, 35 Nikolaus von Kues 85 Stefanowitsch, Anatol 7 Oettinger, Günther 75, 77-78 Steinacker, Olaf 39 Ogorek, Regina 87 Steinmeier, Frank-Walter 79-80, 91, 92-94 Olbertz, Jan-Hendrik 23-24, 35, 40, 43-44, Steinschneider, Moritz 91 57, 69 Ströker, Elisabeth 98 Pätzold, Ulrich 70 Strohmeier, Peter 91 Pamuk, Orhan 52 Strohschneider, Peter 90-91 von Pettenkofer, Max 93 Stürmer, Michael 27 Piper, Hans Michael 17-18, 71 Tenorth, Heinz-Elmar 3-5, 16, 21, 24, 26- Pöttker, Horst 70 28, 39, 41-42, 45, 67, 98 Preuß, Roland 25, 45, 73 Teufel, Erwin 49, 75 Pröfrock, Matthias 76 Theisohn, Philipp 60-66, 67, 85-86, 88 Pufogel, Hein-Schmöke 19-20, 22-23, 55-56 Tillmann, Klaus-Jürgen 27 Quadbeck, Eva 46 Turner, George 27-28, 35-36 Quennet-Thielen, Cornelia 61 Turner, Sebastian 28, 36 Repgen, Konrad 88 Tutu, Desmond 52 Resing, Volker 50 Valtin, Renate 27 Rieble, Volker 46, 86 Walker, Wolf-Dietrich 92-94 Rietschel, Ernst Theodor 6, 40, 42, 46, 54- Wanka, Johanna 53-54, 57-58 55 Weber, Stefan 7 Rösler, Philipp 24 Weber-Wulff, Debora 61 Röttgen, Norbert 5 Wehle, Gerhard 12, 25-26, 28, 36, 37, 45- Rohrbacher, Stefan 9, 10, 11, 17, 21, 38, 46, 98 41-42, 45, 67-69, 91, 98 Weingart, Peter 87

http://causaschavan.wordpress.com/ 101 Welte, Bernhard 13, 50 Werrelmann, Lioba 17 Windthorst, Ludwig 91 Winkler, Michael 27, 46 Winnacker, Ernst-Ludwig 6, 40, 42, 43-44 Wolff, Hans 77 Wolfrum, Rüdiger 6, 21-22, 40, 42, 46 Wulff, Christian 70 Zachhuber, Johannes 86-87 Zaqzouq, Mahmoud Hamdi 57 Zumthor, Peter 89

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