Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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03.10.2019 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 03.10.2019 Geschäftszahl W216 2175806-1 Spruch W216 2175806-1/13E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Wolfgang Auner, Parkstraße 1/I, 8700 Leoben, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.09.2019, zu Recht erkannt: A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang: 1. Der Beschwerdeführer stellte am 25.12.2015 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Hierbei gab er an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein, der schiitischen Glaubensrichtung des Islam sowie der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe führte er im Wesentlichen aus, dass er in Afghanistan Soldat gewesen sei und ihn das Militär wegen seiner Vollksgruppenzugehörigkeit an die Taliban habe übergeben wollen. 2. Im Zuge einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 19.09.2017 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er im Iran geboren worden sei und dort bis zu seinem 14. Lebensjahr gelebt habe. Danach habe er für 7 bis 8 Jahre in Kabul gelebt und die für ihn fluchtauslösenden Probleme bekommen. Konkret habe er im Zuge seiner Tätigkeit als Soldat für das Militär Probleme mit einem Kommandanten gehabt, der den Beschwerdeführer als Ungläubigen angesehen habe, da er weder gebetet noch gefastet habe. Aus diesem Grund habe der Kommandant den Beschwerdeführer den Taliban überlassen wollen. Der Beschwerdeführer sei ohne Religionsbekenntnis und sei mittlerweile aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Er habe die letzten vier Jahre vor seiner Einreise in Österreich wieder im Iran gelebt. Im Zuge der Einvernahmen legte der Beschwerdeführer Dokumente aus seiner Heimat sowie auch integrationsbestätigende Unterlagen vor. Ebenso legte er eine Bestätigung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom 22.12.2016 (wonach er kein Mitglied der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ist) sowie des Magistrats der Stadt Wien vom 04.09.2017 über seinen Austritt aus der islamischen Kirche vor. www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 112 Bundesverwaltungsgericht 03.10.2019 3. Das BFA hat mit Bescheid vom 05.10.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz vom 25.12.2015 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.). 4. Am 03.11.2017 brachte der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde ein, worin er nochmals seine bisherigen Fluchtgründe zusammenfasste und unter Verweis auf entsprechend zitierte Länderberichte (u.a. zur Organisation der Taliban sowie Apostasie und der Situation in Afghanistan) eine GFK-relevante Verfolgung geltend machte. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde dem Beschwerdeführer eine Verfolgung durch die Taliban sowie den Staat selbst drohen. Der afghanische Staat sei nicht in der Lage bzw. willens, ihm ausreichend Schutz davor zu bieten. 5. Am 17.09.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Dari/Farsi/Paschtu beigezogen wurde. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm ebenso an der Verhandlung teil. Der Beschwerdeführer wurde vom erkennenden Gericht eingehend zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Dem Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertreter wurde in der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt, welche Länderinformationen - neben den Länderberichten des angefochtenen Bescheides - das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019, EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, EASO Afghanistan - Security Situation, Juni 2019, EASO Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, April 2019, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender [deutsche Fassung], 30.08.2018) In der mündlichen Verhandlung gab der anwesende Rechtsvertreter hiezu wiederholt an, dass der vom Beschwerdeführer geschilderte fehlende Glaube ursächlich für die von ihm geltend gemachten Probleme während seiner Tätigkeit beim Militär sowie innerhalb der Familie gewesen sei. Eine Konversion vom Islam werde als Apostasie betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tod bestraft. Im Übrigen fehle dem Beschwerdeführer mangels familiärer Kontakte jegliche Existenzgrundlage im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei nach wie vor prekär und würden die laufenden Terroranschläge ein sicheres Leben in Afghanistan keineswegs gewährleisten. Im Übrigen verwies der Rechtsvertreter auf eine (zugleich vorgelegte) Anfragebeantwortung vom 25.10.2018 hinsichtlich der Nichtausübung des Islam sowie Apostasie in Afghanistan und beantragte die Beiziehung eines länderkundlichen Sachveständigen zum Zweck der möglichen objektiven Überprüfung des Wahrheitsgehalts der vom Beschwerdeführer geschilderten Vorkommnisse im Heimatland in Form von möglichen Recherchen vor Ort. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: Im vorliegenden Fall wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers; durch Einsichtnahme in die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen, in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS und ZMR sowie durch Einsichtnahme in die in das Verfahren eingebrachten Informationen zum Herkunftsstaat. Weiters herangezogen wurden die Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung vom 25.12.2015, der Einvernahme vor dem BFA am 19.09.2017 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 17.09.2019. Demnach steht folgender Sachverhalt fest: 1. Feststellungen (Sachverhalt): 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers: www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 112 Bundesverwaltungsgericht 03.10.2019 Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er wurde als schiitischer Muslim geboren, hält sich aktuell aber nicht mehr an sämtliche Vorschriften des islamischen Glaubens. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Der Beschwerdeführer wurde im Iran/Teheran geboren und lebte dort bis zu seinem 14. Lebensjahr. Danach verbrachte er ca. 7 bis 8 Jahre in Kabul und kehrte anschließend für vier Jahre in den Iran zurück, bevor er schließlich nach Österreich reiste. Der Beschwerdeführer hat sowohl im Iran (bis zu seinem 14. Lebensjahr) als auch in Afghanistan (bis zur 12. Klasse) die Schule besucht. Danach war er in Afghanistan beim Militär tätig, wobei seine genaue Tätigkeit nicht festgestellt werden konnte. Als er anschließend wieder in den Iran ging, hat er dort in einer Fabrik gearbeitet. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers, konkret seine Mutter und zwei Brüder, waren zum Zeitpunkt des letzten Kontakts mit dem Beschwerdeführer in Kabul aufhältig. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er ist ledig und hat keine Kinder. 1.2. Zu den geltend gemachten Fluchtgründen: Der Beschwerdeführer war im Herkunftsstaat weder einer individuellen gegen ihn gerichteten Verfolgung - etwa durch einen Kommandanten - ausgesetzt noch wäre er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan einer solchen ausgesetzt. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan weder vorbestraft noch wurde er dort jemals inhaftiert. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ohne Hinzutreten weiterer wesentlicher individueller Merkmale mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet:) durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit (Hazara), seiner Religion (schiitischer Islam), Nationalität (Afghanistan), Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen