Rüdiger Weißbach

Rundfunk und neue Musik

Eine Analyse der Förderung zeitgenössischer Musik durch den öffentlich-rechtlichenöffentliCh-rechtlichen Rundfunk

Materialien zur Kommunikations-Kommunikations— undund MedienforschungMedienforschung

Band 1

Barbara Weißbach VerlagVerlag

Dortmund CIPÜKurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Neissbach‚ Rüdiger: Rundfunk und neue Musik: e. Analyse d. Förderung zeitgenössischer Musik durch d. öffentlich-rechtlichen Rundfunk.— Dortmund: Weissbach‚ 1986. (Materialien zur Kommunikations— und Medienforschung; Bd. 1) ISBN 3„924100„g4„7

Barbara Weißbach Verlag Eichhoffstr. 17, 4600 Dortmund 50 2., arg. Auflage 1986

Umschlaggestaltung: RN/HJH Druck und Verarbeitung: Dissertations Druck Darmstadt- INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG 1

1. ZUR SITUATIÜN DER NEUEN MUSIK IN DER BUNDESREPU- 7 BLIK DEUTSCHLAND 1.1 Zur Entwicklung der Musik 7 1.1.1 Grundlegende Tendenzen der Mosik des 8 20. Jahrhunderts 1.1.2 Zur Entwicklung der Musik nach 1945 19 1.1..2.1. Die Situation im Jahre 1945 19 1.1.22.2 Neuanfänge in den ersten Nachkriegs- 19 jahren (bis 1948) 1.1.22.3 Die Entdeckung Schönbergs und die 22 Phase der Seriellen Musik (1948-1957) 1..1.2.41 Aleatorik, Klangkompositionen, Auflö- 27 sung des Nerkcharakters (1957—1970) 1 . 1 . 2 . 5 Tendenzen seit 1970 35 1.2 Zur ökonomischen Situation der Komponisten 40 1.3 Musik und Publikum 45

2. ZUM KULTURAUFTRAG DES ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN 52 RUNDFUNKS 2.1 Zum historischen Aspekt des 'Kulturauftrags' 52 2.2 Zum 'Kulturauftrag' der ARD-Anstalten 58 2.3 Zusammenfassung 68

3. MUSIK IM RUNDFUNK 7D 3.1 Zur Geschichte der Musikdistribution durch 70 den Hörfunk 3.2 Zur gegenwärtigen Situation der Musik im 74 Hörfonk 3.2.1 Sendeanteile/Rundfunkorchester und 74 —chöre 3.2.2 Hörerschaft von 'E-Musik'—Programmen 77 3.2.3 Programmgestaltung 78 3.2.4 Produktionen/Konzerte 79 3.3 Musik im Fernsehen 80 3.4 Das Verhältnis von Musik und Rundfunk in der 81 kulturtheoretischen Diskussion 3.5 Zusammenfassung 84

4. ZEITGENÜSSISCHE MUSIK UND RUNDFUNK 86 4.1 Zur stilbeeinflussenden Funktion des Rund- 86 funks 4.2 KompositionSaufträge der Rundfunkanstalten 92 4.3 Zeitgenössische Musik als Programmangebot 100 4.4 Produktion zeitgenössischer Musik in den 102 Rundfunkanstalten 4.5 Wettbewerbe und Musikpreise 103 4.6 Zeitgenössische 'E-Musik' als Konzertangebot 105 der Rundfunkanstalten .6.1 Bayerischer Rundfunk 108 6 2 Hessischer Rundfunk 109 6 3 110 6 4 Radio 111 6. 5 RIAS 111 .6. 6 Saarländischer Rundfunk 111 6 7 Sender Freies Berlin 112 6 8 Süddeutscher Rundfunk 112 6 9 Südwestfunk 113 thbbbbbhb . 0 115 4.7 u s ammenfassung 116

5. 'PRD MUSICA NÜVA' UND 'BREMER PDDIUM' 117 5.1 'pro musica nova' 117 5.1.1 Vorgeschichte 117 5.1.2 Die Anfänge der 'pro musica nova' 118 5.1.3 'pro musica nova' 1961 119 5.1.4 'pro musica nova' 1962 122 5.1.5 'pro musica nova' 1964 125 5.1.6 'pro musica nova' 1966 126 5.1.7 'pro musica nova' 1968 127 5.1.8 'pro musica nova' 1970 129 5.1.9 'pro musica nova' 1972 130 5.1A0 'pro musica nova' 1974 132 5.1J1 'pro musica nova' 1976 134 5JL12 'pro musica nova' 1978 137 5.1A3 'pro musica nova' 1980 138 5.1AA 'pro musica nova' 1982 140 5JL15 'pro musica nova' 1984 142 5 1A6 Zusammenfassung 143? 'Bremer Podium' . 151

um U101 Zur kulturpolitischen Funktion der 'pro mu— 152 sica nova' 5.3.1 Neue Musik in Bremen 152 5.3.2 Funktionsanalyse 154

6. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 157 6.1 Zusammenfassung 157 6.2 Perspektiven 163 6.3 Forschungsergebnisse 165

VERZEICHNIS DER VERWENDETEN LITERATUR 167

VERZEICHNIS DER BEI DER 'PRD MUSICA NOVA' AUFGEFÜHR* 187 TEN WERKE

STATISTIK ZUR 'PRÜ MUSICA NOVA' 208

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 209 EINLEITUNG

Gemessen an ihrem Anteil von mindestens 50 % am Gesamtprogramm des Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland (inkl. West-Ber- lin) wird Musik in ihrer Beziehung zu diesem Medium von der Kom— munikationsforschung weitgehend vernachlässigt. In empirische Un— tersuchungen findet Musik vor allem als Gegenstand der Präferenz- und Nutzungsmessung Eingang. Hintergrund diesbezüglicher Untersu- chungen in jüngerer Zeit ist vornehmlich die Reichweitenanalyse und damit der Versuch, das Programm an Hörerpräferenzen auszu— richten, um hohe Nutzungsratenrzo erzielen; 1 Untersuchungen zum Thema 'Musik und Rundfunk', v.a. empirische Arbeiten auf diesem Gebiet, wurden bisher zumeist von Musikwis- senschaftlern und —pädagogen durchgeführt. In besonderem Maße widmete man sich in den 70er Jahren, sowohl in 'ideologiekriti- scher' Absicht, als auch unter dem Aspekt einer 'musikalischen Ökologie' der Distribution von 'U—Musik'. Eine unter Umständen mögliche pädagogische Vermittlungsfunktion des Rundfunks der Mu- sik gegenüber wurde in der Forschung bisher weitgehend unberück- sichtigt gelassen. 2

Auch in der 'Kulturdiskussion' der 70er Jahre erschien das Ver- hältnis von Musik und Rundfunk eher als Marginalie. In den von Hilmar Hoffman herausgegebenen Schriften über kommunale Kulturar— beit beispielsweise, die zu ihrer Erscheinungszeit weiten Einfluß besaßen, finden sich keine Passagen zu diesem Thema. 3

1: Hohe Reichweiten dienen als Argument im Verkauf von Werbezeiten und biswei- len als Begründung senderinterner Finanzumschichtungen. Bei kommunikations— wissenschaftlichen Reichweitenuntersuchungen ist der Methodenapparat nicht hoch entwickelt. Lange Zeit begnügt(e) man sich mit einer rein verbalen Kae tegorisierung von Musikgattungen und —stilen. Auch der von Karbusicky vorgeschlagene ’klingende Fragebogen', wie er in der empirischen Musikforschung häufig benutzt wird, ist noch mit deutlichen Problemen behaftet. (Vgl. Karbusicky, Vladimir: Zur empirisch-soziologischen Musikforschung. Prag 1965, Berlin (DDR) 1966. Hier nach der geänderten Aus— gabe in: Dopheide, Bernhard (Hg.): Musikhören. Darmstadt 1975, S. 280—330, v.a. S. 286 ff.) 2: Mit einzelnen Aspekten beschäftigte sich die Funkmedienanalyse 1976. Eine Zusammenfassung der relevanten Ergebnisse bietet: Eckhardt, Josef: 'E-Musik'— Hörer: echte Minderheiten ? In: Rösing, Helmut (Hg.): Symposium Musik und Massenmedien. München/Salzburg 1978, S. 110-116, insbesondere S. 115. 3: Hoffmann, Hilmar (Hg.): Perspektiven der kommunalen Kulturpolitik. Beschrei- bungen und Entwürfe. Frankfurt/Main 1974. Ders.: Kultur für alle. Perspekti— ven und Modelle. Frankfurt/Main 1979, S. Auflage 1981 Speziell sind Untersuchungen über das besondere Verhältnis von zeitgenössischer 'E-Musik' und öffentlich—rechtlichem Rundfunk ausgesprochen selten. Zumeist handelt es sich hierbei - wie übri— gens bei einem Großteil der Literatur Zum Thema 'E-Musik' und Rundfunk — um Beiträge von Rundfunkmitarbeitern, die häufig über ihre konkreten Erfahrungen referieren. 4

Ein Großteil der Arbeiten über das Verhältnis des Rundfunks zu neuer Musik war insbesondere an der Darstellung einzelner Phäno- mene orientiert. Dies ist in verschiedenen Ursachen begründet und kann keinesfalls als Manko der Autoren angesehen werden

- Erstens wurden diese Arbeiten zumeist von Rundfunkmitarbeitern geschrieben, die insbesondere die Verhältnisse ihres Ressorts in 'ihrer' Anstalt darstellten. „ Zweitens ist Musikgeschichte von der prägenden wirkung heraus- ragender Einzelwerke bestimmt, insbesondere in jüngerer Zeit. Hieraus aber erklärt sich die bedeutende Rolle eben dieser Ein— zelwerke und damit auch eine scheinbar phänomenologische Dar- stellung.

— Drittens — und hierin dürfte der Hauptgrund liegen - waren ema pirische Daten bis Mitte der 70er Jahre kaum verfügbar. Die Ar- beiten über das Verhältnis von neuer Musik und Rundfunk sind

aber zumeist älteren Datums.

Seit etwa Mitte der 70er Jahre sind nur noch wenige Studien er- schienen. 5 Ein Grund für die Vernachlässigung des Themas in der Literatur dürfte die unzureichende Datenlage sein. Selbst die Landesrundfunkanstalten der ARD sowie das Deutsche Rundfunkarchiv in Frankfurt/Main verfügen nicht über lückenlos geführte Archive zu diesem Thema; Daten zu Kompositionseufträgen, Archivbeständen

4: Insbesondere trat in diesem Bereich Siegfried Goslich hervor. 5: Als wichtige empirische Studie ist zu nennen: Musik und Publikum (Deutsche Schweiz). Herausgegeben von M. Steinmann und E. Weibel (SRG Forschungs— dienst). Bern 1979. Wenngleich die Verhältnisse in der Schweiz nicht unmit— telbar mit denen in der Bundesrepublik zu vergleichen.sind‚ vermittelt diea se Studie doch verschiedene interessante Ergebnisse. Anmerkungen zu einzelnen Aspekten des Themas finden sich bei: NDR: Kommu— nikationsziele des Hörfunks. 0.0. (Köln) 197B. und Sendeanteilen sind nicht oder nur unzureichend vorhanden. Der einzige Versuch einer kontinuierlichen Teildokumentation wird seit 1957 von der Deutschen Sektion der Internationalen Gesell— schaft für Neue Musik e.V. unternommen. 6 Die Sammelbände enthal- ten u.a. Angaben zu den in Rundfunkkonzerten aufgeführten Werken, zu Rundfunkproduktionen sowie zu musikliterarischen Sendungen. Kriterium der Aufnahme in die Dokumentation ist, daß die Komposi—

tionen im Berichtszeitraum maximal 20 Jahre alt sein dürfen. So werden Neuproduktion bereits etwas älterer Arbeiten nicht mehr aufgeführt. Ebensowenig ist den Daten zu entnehmen, in welchem Rahmen neue Kompositionen in Konzerten vorgestellt werden. Das Deutsche Rundfunkarchiv zeichnete für die Herausgabe einer Übersicht über die von den Musikabteilungen der öffentlich-recht— lichen Rundfunkanstalten zwischen 1946 und 1975 vergebenen Kompo- sitionsaufträge verantwortlich. 7 Eine Fortschreibung dieser Do— kumentation fehlt jedoch. Eine Untersuchung der ökonomischen Situation von Künstlern (KÜnstler-Enquäte) wurde 1973 durchgeführt. 8 Auch sie ist bis heute nicht fortgeschrieben. Allerdings erscheint das Gebiet der Komposition, insbesondere der der 'E-Musik', als von Strukturver- änderungen seitdem weitgehend verschont geblieben. Dies dürfte - wie gezeigt werden soll - nicht zuletzt mit der fördernden Funktion der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in diesem Bereich zusammenhängen (vgl. auch Kapitel 1.2). Eine relativ umfassende Sammlung von Musikstatistiken, deren Fehlen lange Zeit bemängelt wurde 9, erschien zwar 1982. 10 Doch

6: Neue Musik in der Bundesrepublik Deutschland. Dokumentation. Herausgegeben von der Deutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik e.V. Dokumentationen 1957/58 bis 1979/80-1980/81. Verschiedene Verlagsorte. 7: Auftragskompositionen im Rundfünk 1946-1975. Zusammengestellt von Annelie- se Betz. Frankfurt/Main 1977 8: Fohrbeck, Karla; Wiesand, Andreas Johannes: Der Künstler—Report. Musik- schaffende, Darsteller/Realisatoren, Bildende Künstler/Designer. München/ Wien 1975 9: so beispielsweise bei Blaukopf, Kurt: Massenmedium Schallplatte. Die Stel- lung des Tonträgers in der Kultursoziologie und Kulturstatistik. Wiesbaden 1977, S. 16 10: Fohrbeck/Wiesand: Musik, Statistik, Kulturpolitik. Daten und Argumente zum Musikleben in der Bundesrepublik Deutschland. Köln 1982 auch hierin finden sich keine neuen Daten zum Verhältnis der Mu- sik zum Rundfunk. Zeitgenössische 'E-Musik' erscheint nicht als eigenständige Rubrik, sondern wird lediglich am Rande behandelt. Nichtsdestoweniger liefert diese Sammlung einen brauchbaren Fun— dus an statistischen 'Hintergrunddaten'.

Unter diesen Bedingungen soll es Ziel der vorliegenden Arbeit sein, die Förderung neuer Musik durch den öffentlich—rechtlichen Rundfunk in Aspekten von Produktion, Distribution und Rezeption darzustellen. Der Begriff der 'Förderung' wird hier weit gefaßt: als Förderung gegenüber dem Produzenten (dem Komponisten also), dem Objekt sowie dem Rezipienten. Aufgezeigt werden sollen Voraus- setzungen der Förderung (Kulturauftrag, strukturelle Bedingungen usw.), Maßnahmen (Kompositionsaufträge, Konzertveranstaltungen usw.) sowie etwaige Wirkungen. Abschließend soll kurz auf Perspek— tiven eingegangen werden, die sich durch Veränderungen im Rund- funksystem ergeben könnten. 11 Leitgedanke der Arbeit ist, daß neue Musik in ihrer Entwicklung im gewissem Maße vom Rundfunk ge— prägt erscheint, sowohl in Bezug auf ihre Situation im Musikleben, als auch in stilistischer Hinsicht.

Aufgrund des zwischenzeitlichen Vorliegens von einigen stati- stischen Daten können diese neben historischen und strukturellen Aspekten berücksichtigt werden. Bedingt durch die allgemeine Da- tenlage kann die Arbeit keinen erschöpfenden Charakter besitzen.12 Beschränkung findet sie in der Vorgabe, lediglich 'E-Musik' wei- tergehend zu behandeln. 13 Eine weitere Einschränkung ergibt sich

11: Die noch weitgehend offene Situation läßt die Erarbeitung detaillierter Szenarios nicht zu; dies wäre auch nicht das Ziel der Arbeit. Stattdessen soll in diesem Rahmen das Problem nur kurz angerissen werden. 12: Insbesondere ist die Datenlage für die Kapitel 1.2, 4.2, 4.6 relativ schlecht. So erscheint der Rückgriff auf mittlerweile ältere Daten als zwingend, was sich jedoch niCht stärker auswirken dürfte, da in diesen Be- reichen keine substantiellen Änderungen eingetreten sind. 13: An dieser Stelle sind einige Anmerkungen zur Terminologie zu treffen: 'zeitgenössische Musik' steht in dieser Arbeit, entsprechend dem allge- meinen musikwissenschaftlichen und -journalistischen Sprachgebrauch, stellvertretend für “zeitgenössische 'E-Musik'". Synonyme sind in dieser Arbeit 'neue' bzw. 'moderne' Musik. Hingegen bezeichnet der Terminus {Meue aus der Tatsache, daß die -Förderung von Musik innerhalb der Rundfunkanstalten im wesentlichen eine Angelegenheit des Hörfunks _ist. Somit wird - sofern nicht anders_erwähnt F lediglich von dessen Bedingungen ausgegangen. Allerdings besitzen bestimmte As- pekte, 2.8. die Forderungen des 'Kulturauftrags', auch für das

Fernsehen Gültigkeit, wenngleich in teilweise anderer Form. Entw sprechend dem Titel behandelt diese Arbeit ausschließlich die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland eingehender.

Die Arbeit ist in zwei Abschnitte gegliedert. Der erste, die Kapitel 1 bis 3 umfassend, dient der Darstellung der Grundlagen (Musik Und Musikleben; institutionelle Voraussetzungen; Musik im Rundfunk). Hierauf aufbauend soll der zweite Teil, Kapitel 4 bis

6, das Verhältnis von neuer Musik zum öffentlich—rechtlichen Rundfunk sowohl allgemein als aoch am Beispiel einer Festivalrei- he aufzeigen. I Zur Einführung in das Thema erscheint es erforderlich, zunächst als Hintergrund die Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert, ins- besondere nach 1945, zu skizzieren (Kapitel 1.1). Verkürzungen sind dabei allerdings nicht zu vermeiden. Weiterhin ist auf die ökonomische Situation der Komponisten als Urheber/Produzenten der zu fördernden Musik einzugehen (Kapitel 1.2). Auf den Rezipien— tenkreis und seine Präferenzen weit Abschnitt 1.3 hin. Das gesamw te 1. Kapitel dient somit einer kurzen 'Situationsbeschreibung' von Objekt, Produzent und Rezipient. Das 2. Kapitel hat den 'Kulturauftrag' der öffentlich—rechtliu chen Rundfunkanstalten zum Thema. Dieser ist qUasi die institu— tionelle Voraussetzung der Konzeption einer Kulturförderung. Hierbei wird sich zeigen, daß der 'Kulturauftrag' und die mit ihm verbundenen Erscheinungen primär traditionsbestimmt sind; der Rundfunk erweist sich von Anfang an als 'kulturelle Institution' und versteht sich selbst bewußt so. Aus diesem Grund erscheint es notwendig, verschiedentlich in den Kapiteln 2 bis 4 auf Entwick-

Musik' eine abgeschlossene Epoche (vgl. Kapitel 1.1). Anzumerken ist, daß die begriffliche Scheidung von 'U'- und 'E'—Musik auf die Praxis der Verwertungsgesellschaften, des Rundfunks und der Tonträger— industrie zurückgeht. lungen einzugehen, die sich vor der Gründung der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten in der heutigen Form vollzogen. Im 3. Kapitel sollen allgemeine des Verhältnisses von Musik und Rundfunk — wie Sendeanteile, Programmgestaltung, Rezep- tion usw. - kurz dargestellt werden. Außerdem wird in diesem Ka- pitel kurz auf die theoretisch geleitete Diskussion zu diesem Thema sowie auf die Musikdistribution im Fernsehen eingegangen. Auf diesem ersten Teil aufbauend, soll im 4. Kapitel das Ver- hältnis zwischen der zeitgenössischen Musik und dem Rundfunk in Aspekten der Förderung und Einflußnahme behandelt werden. Ausge— hend von der Annahme einer zentralen Bädeutung öffentlicher Kon- zertveranstaltungen für die Förderung neuer Musik 14 wird im 5. Kapitel die 'pro musica nova' von Radio Bremen exemplarisch dar- gestellt 15, ein - zumindest in Rundfunkkreisen s auch interna— tional bekanntes Festival. Durch den Weggang seines Initiatörs Hans Otte von RB im Jahre 1984 kann es in einer abgeschlossenen Phase betrachtet werden. Zur Bewertung der Funktion ist es sinn- voll, kurz Übmbeine zweite Konzertreihe von RB mit zeitgenössi- scher Musik, das 'Bremer Podium', zu berichten ‚ da beide Ver- anstaltungen verschiedene Aspekte der Förderung betonen und sich so ergänzen. Das 6. Kapitel schließlich soll die Ergebnisse zusammenfassen, um kurz auf etwaige Perspektiven der Musikförderung sowie auf Forschungsprobleme eiagehen.

Es scheint möglich, daß aufgrund der Veränderungen im Rundfunk- system der Bundesrepublik Deutschland die Musikförderung von strukturellen Änderungen betroffen sein könnte. Insofern wäre diese Arbeit als Versuch einer überblicksartigen Darstellung und Situationsbeschreibung am Ende eines rundfunkhistorischen Ab— schnittes zu verstehen.

14: In den Konzerten können sämtliche Förderungsmaßnahmen zusammentreffen; vgl. hierzu Kapitel 4.6. 15: Im Hinblick auf die exemplarische Darstellung einer Veranstaltung von RB wird auch in anderen Kapiteln ggf. näher auf die dortigen Verhältnisse verwiesen. 1. ZUR SITUATIDN DER NEUEN MUSIK IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

1.1 Zur Entwicklung der Musik

Die Musik dieses Jahrhunderts weist - auch bei einer Beschrän- kung der BetrachtUng auf die vorherrschenden Strömungen der soge- nannten 'EhMusik' _ keinesfalls jene Einheit auf, die ihr im all- gemeinen Sprachgebrauch oft auferlegt und gleichfalls in der MU* sikdistribution suggeriert wird. Während nämlich der Großteil der eurOpäischen 'Kunstmusik' nach Gattungen getrennt von der Musik— industrie angeboten wird, findet eine historische Kategorisierung zumeist nurfür die Bereiche 'Alte Musik' (vorklassische Musik) und 'Neue Musik' statt. Auch in den Rundfunkanstalten wird dieses Prinzip in der internen Organisation aufrechterhalten.

Tatsächlich hingegen ist die Musik des 20. Jahrhunderts in ih— ren stiliStischen und gattungsmäßigen Ausprägungen differenzier— ter als diejenige in den Jahrhunderten zuvor. Verantwortlich für diese Entwicklung dürften folgende Gründe sein: - die zunehmende Individualisierung des Künstlers in der bürger- lichen Gesellschaft unter dem Einfluß des Originalitätspostu— lates; - der bis heute fortwirkende Einfluß des Historismus' des 19. Jahrhunderts, aufgrund dessen ältere Musik nicht mehr nur als bloßes Handwerk vermittelt wurde, sondern als bewußte Tra— ditidn; ' - die Möglichkeit-der Kenntnisnahme fremder Kulturen (durch Ver- besserungen der Verkehrsmöglichkeiten, Entwicklung von Schall- aufzeichnungsgeräten usw.), die sich in dem Aufkommen der Disziplin der Musikethnologie seit der Jahrhundertwende nieder—

schlug; - Fertschritte in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, die I Möglichkeiten zur synthetischen Erzeugung von Klängen und de— ren Speicherung boten und gleichzeitig die Phantasie der Kempow nisten anregten. Im Gegensatz zur Umgangssprache ist die wissenschaftliche Terminologie entsprechend der o.a. Stilvielfalt deutlich diffe- renzierter. Der umgangssprachlich häufig allgemein benutzte Begriff 'Neue Musik' stellt seinerseits inzwischen im wissen— schaftlichen Bereich eine Epochen- und letztendlich auch eine Stilbezeichnung dar “Der Begriff 'Neue Musik' hat sich erst durchgesetzt, als die Sache, die er bezeichnete, nicht mehr ganz neu war. Das, woran der Begriff als Begriff zu erkennen ist, ist entweder die Großschreibung des Wortes 'neu', oder die Anführungsstriche, in denen es als Ganzes oder teilweise steht.“ Der "Begriff 'Neue Musik' (setzte) sich erst nach Mitte der zwanziger Jahre, als die 'Neue Musik' selbst histo- risch zu werden begonnen hatte", durch. 1 Eine grundlegende stilistische Differenzierung ist.diejenige in 'Moderne' und 'Avantgarde' "Letztlich an der Kategorie des Kunstwerkes orientiert, besitzt Neue Musik als Moderne aufgrund eines kritischen Traditionsbezugs zu frü— herer Klassik selbst einen latenten Zug zur Klassizität, und ihre Authentizität erweist sich daran, daß sie - trotz des Schocks, die ihr erstes Auftreten auslöst — früher oder später zu Klassik wird. ...Für die Avantgarde hingegen bedeutet Traditionskritik den isolier— ten, selbstgenügsamen Akt der Negation, in dem die Kunstüberlieferung ignoriert und die Möglichkeit neuer ästhetischer Erfahrungen - losge- löst von jeglichem Geschichtsbewußtsein - erprobt wird. Insofern Neue Musik als Avantgarde Über die Darstellungsmittel hinaus auch die 'Institution Kunst' zu revolutionieren trachtet, erhebt sie den Anspruch auf eine Gegenkultur, die dem geheimen Klassenideal der Moderne entsagt. Im historischen Wirkungszusammenhang der Neuen Musik nach 1950 waren freilich die Richtungen der Moderne und der Avantgarde oft eng verflochten.“ 2

Trotz aller Stildifferenzen lassen sich einige grundlegende Entwicklungen konstatieren, die zwar nicht verpflichtenden, insgesamt jedoch essentiellen Charakter besaßen.

1 : Stephan, Rudolf: Das Neue der Neuen Musik. In: Reinecke, Hans-Peter (Hg.): Das musikalisch Neue und die Neue Musik. Mainz 1969, S. 47-64, S. 47 2 : Danuser, Hermann. Die Musik des 20. Jahrhunderts. Laaber 1984, S. 286 (a) Erweiterung der Tonalität

Die Integration der Chromatik in den musikalischen Satz war schon am Anfang des 20. Jahrhunderts so weit fortgeschritten, daß diese keine akzidentielle Bedeutung mehr besaß, sondern bereits substantiell geworden war. Zunächst blieb jedoch die Harmonik weiterhin dem aus der musikalischen Klassik stammenden Funktionsdenken verhaftet. Dies wurde zwar partiell schon bei Liszt aufgegeben 3, doch erst Claude Debussy als Vertreter des musikalischen Impressionismus negierte die Tonalitätsbezo— genheit durch die Verwendung der javanesischen Slendroskale und der Ganztonleiter, die beide auf ein Leittonverhalten einzelner Töne verzichten. Außerdem arbeitete er mit Klangflä- chen (bspw. in "La Mer"), die dem Harmonischen einen eher statischen Charakter geben und primär kolorierende Funktion besitzen. In der Phase der 'freien Atonalität' (etwa 1907-1912) erreichte die Freiheit von harmonischen Bezügen ihren Höhepunkt: alle 12 Töne der chromatischen Skala waren nunmehr frei verfügbar. Arnold Schönberg (1874-1951) veröffentlichte 1911 seine "Harmo- nielehre" 5, in der er die zuvor als qualitativen Sprung betrach- tete Differenzierung in Konsonanzen und Dissonanzen als graduelle Differenzierung, die sich aus der Struktur der physikalischen Obertonreihe ergibt, ansah. Die Bezeichnung "atonal" lehnte Schönberg konsequenterweise ab.

Gleichzeitig aber mit der Preisgabe der traditionellen Harmo- nieanschauung wurden Versuche unternommen, das Material neu zu ordnen. Bereits 1907 erschien Feruccio Busonis (1866—1924) "Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst", in dem der Autor

3 : Diether de la Motte weist in seiner “Harmonielehre" (Kassel 1976, 2. Auflage 1978) auf die "Bagatelle ohne Tonart" hin, die auf einem ; lichen Einfall ohne direkte Verbindung zur traditionellen Akkordlehre beruht; es handelt sich um einen übermäßigen Dreiklang mit hinzugefügter großer Sekunde (S. 245). 4 : Vgl. auch Stuckenschmidt, H.H.: Neue Musik. Frankfurt/Main 1981, S. 18. Stuckenschmidt sieht die chromatische Alterierung und die "Entdeckung des Klangwertes" als unabhängig voneinander an, was allerdings proble- matisch erscheint. 5 : Schönberg, Arnold: Harmonielehre. Wien 1911, 3. Auflage 1921 _ 10 _ die Uktavteilung in temperierte Halbtöne als unzureichend ansieht und durch ein Sechsteltonsystem ersetzen möchte. 6 Alois Häba (1893-1973) komponierte in einem auf Vierteltönen beruhenden Sy— stem, für das er eine spezielle Harmonielehre veröffentlichte. Auf Basis des chromatischen Systems versuchten Josef Matthias Hauer 7 (1883-1959) sowie Schönberg eine primär intervallbezogene Musik. Hauer komponierte 1911/12 erste zwölftönige Werke. 1919 entdeckte er das dodekaphOnische Prinzip. 1921 erschuf er sein System der 'TrOpen'; diese werden aus einer kombinatorischen In- tervallreihung abgeleitet. Die Betrachtung eines musikalischen Problems als mathematisches, als “'Baustein'ö oder "'Fa11‘" 8, läßt bereits auf den tendenziell mechanistischen Charakter schliessen, den die Musik Hauers aufweist. Anders als Theorie und Terminologie suggerieren ist das klangliche Resultat dieser Musik durchaus traditionell. I Schönbergs Prinzip der 'Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen', das er erstmals in den Fünf Klavierstücken op. 23, der Serenade op. 24 und der Klaviersuite op. 25 (alle _ 1920-23; Schönberg erwähnt, daß er im Herbst 1921 die ersten dode- kaphonen Kompositionen fertigstellte 9) anwandte, “besteht in er- ster Linie aus der ständigen und ausschließlichen Verwendung ei- ner Reihe von zwölf verschiedenen Tönen. ... Sie ist in keiner Weise mit der chromatischen Skala identisch." 10 Die Reihe stellt die spezifische Anordnung des Tonvorrates der chromatischen Skala dar und kann in vier Formen dargeboten werden: in Grundform, in Umkehrung (Intervallumkehrung), als Krebs (in umgedrehter Reihen— folge), als Krebs der Umkehrung. Sie kann auf alle Stufen der chromatischen Skala transponiert werden, so daß sich 4x12=48 Er- scheinungsformen ergfimn. Teilungen der Reihe sind möglich. Relevant

6: Busoni, Feruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 1907, 2. er- weiterte Auflage Leipzig 1916; hier nach der Ausgabe Frankfurt/Main 1974, S. 54 ff. 7: Zu Hauer vgl.: Eimert, Herbert: Hauer. In: MGG, Bd. 5. Kassel 1969, Spalte 1823 f. / Stephan, Rudolf: Über Josef Matthias Hauer. In: Archiv für Musik- wissenschaft. 18. Jg. (1961), S. 265-293. ' 8: Hauer, Josef-Matthias: Vom Wesen des Musikalischen. Grundlagen der Zwölf— tonmusik. Berlin—Lichterfelde/Wien, 2. Auflage 1923, S. 40 9: Arnold Schönberg Gegenkausstellung 1974. (Katalog) Wien 1974, S. 299 10: Schönberg, Arnold: Komposition mit zwölf Tönen. In: ders.: Stil und Gedan— ke. Aufsätze zur Musik. Gesammelte Schriften 1. HErausgegeben von Ivan Vojtech. Frankfurt/Main 1976, S. 72-96, S. 75 _ 11 _ sind nicht die Töne in ihrer absoluten Höhe, sondern die Inter— vallrelationen. 11 Die Reihe bildet allerdings nur das Gerüst, das in der Komposition durch thematische Arbeit zu gestalten und nicht,wie bei Hauer, mechanisch 'abzuspulen' ist.

Die Ablösung der traditionellen Tonalität 12 hatte kaum zu Überschätzende Auswirkungen auf die Situation der zeitgenössi- schen 'E—Musik' "Mit dem Verlust der harmonischen VIonalität, der den Verfall der auf ihrer Grundlage entstandenen Formtypen nach sich zog, ist die materi- ale Basis der Geschlossenheit verloren gegangen." 13 HieImHJs “ergibt sich aber auch für den Hörer, für das Publikum eine objektive Schwierigkeit. ...; der Hörer muß sich, um die Komposition verstehen zu können, jeweils mit den spezifischen musiksprachlichen Gegebenheiten der Komposition vertraut machen. Und diese Notwendig- keit des immer neuen Lernprozesses erschwert den Zugang zur Neuen Musik erheblich." 14

(b) Integration volksmusikalischer und außereuropäischer Elemente

Vorbereitet durch die von Herder u.a. initiierte Sammeltätig— keit und die Herausbildung nationaler Musikstile, verwiesen- schaftlichte sich die Beschäftigung mit Volks- und außereuropä- ischer 'Kunst'musik durch die Institutionalisierung der Musik- ethnologie/Vergleichenden Musikwissenschaft an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Auch Komponisten beschäftigten sich mit der Sammlung von Volksliedern, so vor allem die Ungarn Bela Bartök (1891-1945) und Zoltan Kodäly (1882-1967) ab 1904 bzw. 1905.

11: Vgl. Stephan, Rudolf: Neue Musik. Versuch einer kritischen Einführung. Göttingen 1958, 2. Auflage 1973 : "Mag dies Verfahren aus einer Ver- absolutierung der motivischen Arbeit erwachsen sein, die ihrerseits wieder die Veränderungen innerhalb des Tonsystems reflektierte, so ist doch seine Funktion innerhalb einer Komposition kein einfacher Tonalitätsersatz, auch kein Ersatz für die motivische Arbeit, sondern . ausschließlich Regulierung der Tonbeziehungen." (S. 8) 12: Diese wurde in der 'E-Musik' nicht durch ein anderes allgemeinverbind— liches Prinzip ersetzt. In der 'U— Musik' blieb sie weiterhin von Bedeu- tung, wenngleich sie in zunehmendem Maße mit Elementen der dazzharmonik angereichtert wurde.

13: Schmidt, Christian Martin: Brennpunkte der Neuen Musik. Historisch- Systematisches zu wesentlichen Aspekten. Köln 1977, S. 9 14: ebd., s. 11 _ 12 _

Die Mehrzahl der Komponisten nahm bzw. nimmt allerdings ledig- lich die Ergebnisse der Musikethnologie zur Kenntnis oder be— gnüguä sich mit flüchtigen Eindrücken. Hierbei ist zu differen— zieren zwischen denjenigen Künstlern, die sich aus philosophi- schen Gründen mit bestimmten Musikstilen auseinandersetz(t)en, und denjenigen, deren Beschäftigung primär aus der Suche nach neuem musikalischen Material erwächst/erwuchs. Als ursprünglich ethnisch eingrenzbare Volksmusik nimmt der Jazz eine besondere Stellung ein; er wurde frühzeitig von vielen Komponisten, sowohl aus einfachem Materialinteresse (2.8. der "Ragtime" von Igor Strawinsky), als auch zur Charakterisierung.sozialer Sachverhal- te (so in Ernst Kreneks Oper "Johnny spielt auf“).aufgegriffen. Die substantielle Aneignung musikalischerElamwme desdazz Spielte hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Die Verwendung mitteleuropäischer und nordamerikanischer Volks— und 'U'-Musik-Idiome in der 'E'-Musik erschöpfflß sich primär in Zitaten, wobei jedoch die Zusammenstellung verschiedener Zitate als 'Beschreibung' durchaus das Ziel einer Komposition sein kann (2.8. in Charles Ives IV. Sinfonie). Ein bedeutender Einfluß von Volksmusik und außereuropäischer 'Kunstmusik' lag in der Verwendung fremder Instrumente. Insbe— sondere wuchs der Bereich der Percussionsinstrumente stark an. Gleichzeitig wurde die rhythmische Komponente zusehends wichti- ger; Strawinsky (1882—1971) und Bartök, die die rhythmische Dif- ferenzierung der osteuropäischen Folklore in die Kunstmusik ein- führten, sind hier zu nennen. Leos Janäcek (1854-1928), ein tschechischer Komponist, versuchte die Nachahmung des traditio- nellen Duktus der Volkssprache. 15

(c) Theoretisierung der Musik

Mit der Ablösung einer verbindlichen Tonsprache durch verschie- dene, oft privaten Charakter besitzende Kompositionsprinzipien in der Musik des 20. Jahrhunderts kam den Komponisten die Aufgabe zu, ihr Vorgehen einerseits 'handwerklich' nachvollziehbar dar-

15: Vgl. Danuser, S. 49 ff. _ 13 -

zulegen, andererseits ästhetisch zu legitimieren. 16 Insbesondere im Zuge einer - mehr oder weniger vermeintlichen - Rationalisie— rung der Musik in den 50er Jahren ist ein 'Überwuchern' der Theo— rie Über die Praxis zu erkennen; als Beispiel hierfür möge Stock—

hausen dienen.

_(d) Erweiterung des Klanglichen

Die Musik des 20. Jahrhunderts greift präexistente Tendenzen der Klangerweiterung sowohl im Bereich des_Instrumentenbaus als auch im Spieltechnischen auf. Die Erweiterung des Klangkörpers volzieht sich nicht mehr primär auf quantitativer Ebene 17, son- dern es werden in zunehmendem Maße neue Klangerzeuger gesucht. Neben der erwähnten Verwendung von außereuropäischen Instrumenten und solchen der Volksmusik-mach(t)en sich die Komponisten wissen— schaftliche Fortschritte zunutze, was sich.insbesondere im Be- reich elektroakustischer und elektronischer Musikinstrumente zeigt. I Erste Versuche mit synthetisch erzeugten Klängen wurden nach dem 1. Weltkrieg in EurOpa durchgeführt, zunächst in der Sowjet— union. 18 Frühe Instrumente waren das von Lew Termen entworfene "ÄtherOphon", das durch Handbewegungen in der Luft gesteuert wurde, sowie das von Jörg Mager gebaute "Elektr0phon" (später in "Sphärophon") umbenannt). Größere Bedeutung erlangten die in den 20er Jahren in Frankreich entwickelten "0ndes Martenot", für die bekannte Komponisten wie Messiaen, Milhaud und Jolivet

schrieben. Um 1930 entwickelte der deutsche Techniker Friedrich

16: Die ästhetische Legitimation eigener Werke ist keine neue Erscheinung, jedoch im 20. Jahrhundert verstärkt zu beobachten. 17: Im 19. Jahrhundert wurde das Orchester stark vergrößert. Die Instrumen— tenfamilien wurden für extreme Lagen erweitert. Bisweilen trat zu einem großen Orchester noch ein Chor (insbesondere bei Mähler). Neue Instru— mente wurden jedoch kaum eingeführt, wenngleich die vorhandenen z.T. we- sentlich verändert wurden (z.B. die Flöten). ‘18: Kühnelt, Wolf D.: Elektroakustische Musikinstrumente. In; Für Augen und Ohren. Von der Spieluhr zum akustischen Environment. Berlin 1980, S. 47—73, S. 51 _ 14 _

Trautwein in Kontakt mit-Hindemith das "Trautonium". 1933 ging dieses von Telefunken - einer Firma, die auch am Radiogeschäft in bedeutendem Maße beteiligt war - produzierte Instrument in Serie, konnte sich aber, obwohl die Werbung auch Hausmusiker an- sprach, nicht durchsetzen. 19 In den dreißiger Jahren wurde ver- mehrt elektroakustischen Instrumenten und Übertragungstechniken Aufmerksamkeit geschenkt. Nach dem 2. Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Orgeln auf den Markt 20, die primär zur Substitution der Kirchenorgeln gedacht waren, aber breiteren Absatz fanden. Mitte der 60er Jahre wurde von der US—amerikanischen Firma "M009“ der analoge Synthesizer entwickelt, der durch Fortschritte auf dem'Gmfiet der Mikroelektronik inzwisbhen allgemein erschwing- lich geworden ist und zur Ausrüstung insbesondere vieler Inter- preten der 'U-Musik' zählt. Mittlerweile wird der analoge Synthesi- zer zunehmend durch in Digitaltechnik operierende Geräte abge- löst. Neben elektrischen und elektronischen Musikinstrumenten wurden von den Komponisten auch Schallaufzeichnungsgeräte vermehrt in der Musik eingesetzt. Während ein Arbeiten mit Schallplatten auf starke Schwierigkeiten stieß 21, brachte das 1934/35 von der AEG entwickelte 'MagnetOphon' (das ab ca. 1940 serienreif war) dem Komponisten neue Möglichkeiten für die weitere Behandlung des Ma- terials. I Die Entwicklung Von Schallaufzeichnungsgeräten kam der von vie- len Komponisten angestrebten Integration von Umweltgeräuschen selbstverständlich entgegen, war jedoch keine notwendige Voraus—

19: Von 200 produzierten Geräten wurden wahrscheinlich lediglich 2 im freien Verkauf abgesetzt (ebd.‚ S. 61). 20: Die erste 'Hammond—Orgel' wurde 1934 in den USA gebaut Und im folgenden Jahr vorgestellt; ihr bedeutender Vorteil lag in der Unverstimmbarkeit. 21: Zu nennen sind hier insbesondere die unzureichende Möglichkeit eines ex- akten Schneidens sowie die schlechte mechanische Qualität des Tonträgers, die sich sowohl auf Klangtreue als auch auf Widerstandsfähigkeit auswirk- te. Nichtsdestoweniger arbeiteten und bis 1951 mit der Schallplattenmontage. Vgl. Frisius, Rudolf: Ein unvollendetes Gesamtwerk als mehrdeutige Komposition: Journal de mes sons von Pierre Henry. In: Melos. 46. Jg., Nr. 4/1984, S. 76—102, S. 102 _ 15 „

setzung für deren Realisierung, wie die Werke der Futuristen be— weisen. Beispielsweise kam es 1922 in Baku zu einem “Konzert für Fabriksirenen und Dampfpfeife". Edgar Varese (1883—1965), der anfangs von den Ideen der italie— nischen Futuristen beeinflußt war, sich jedoch bereits 1917 von ihnen distanzierte, beschäftigte sich ab 1929 mit elektrischer KlangerZeugung; bereits 13 Jahre zuvor arbeitete er an der Mani- pulation von Schallaufnahmen durch Geschwindigkeitsveränderungen, Überlagerung mehrerer Aufnahmen mit verschiedenen Geschwindigkei- ten und Abspielen in verkehrter Richtung. 1931 komponierte Varese “Ionisation" für 41 Schlaginstrumente und 2 Sirenen, ein sich auf die Darstellung des Geräuschhaften konzentrierendes Werk. Elektronische Klangproduktion und -manipu1ation wurden in großem Maßstab erst nach 1945 möglich, als einerseits das Magnet- tonband sich in der Praxis durchzusetzen begann, andererseits elektronische Klangerzeuger in vermehrtem Maße - primär bei den Rundfunkanstalten — zum Einsatz kamen. Zwar differieren die Anga- ben bzgl. den Anfängen elektronischer Studios, sicher ist jedoch, daß im Herbst 1951 der Umbau eines Tonträgerraumes im Funkhaus Köln des damaligen NWDR beschlossen wurde; im Frühjahr 1953 war dieses Studio fertiggestellt. Die Initiatoren dieses Projektes, Herbert Eimert und Werner Meyer-Eppler, stellten bereits während der Bauzeit erste elektronische Arbeiten der Öffentlichkeit vor. Ähnliche Studios wurden Später in München (durch Siemens), Frei— burg und verschiedenen ausländischen Städten eingerichtet. 22 Eine weitere Bereicherung der Arbeitsmöglichkeiten bieten seit 1955 computergesteuerte elektronische Tonerzeuger und die seit Mitte der 60er Jahre hergestellten Synthesizer (3.0.). Das Ver- 23 fahren der Digitalisierung erweitert die Möglichkeiten elek-

22: Kraemer, Rudolf-Dieter: Musik seit 1950 und ihr Niederschlag in der mu— sikdidaktischen Literatur. Diss. Saarbrücken 1975. Alle Zeitangaben S.55 _23: Im Digitalverfahren werden Klänge in zahlreichen diskreten Schritten zer- legt und gespeichert bzw. erzeugt. Dies ermöglicht beispielsweise die Verarbeitung von Naturklängen. Insgesamt werden die Möglichkeiten von Klangerzeugung und —verarbeitung gegenüber der herkömmlichen Analogtechw nik bedeutend erweitert. _ 15 _

tronischer Musik beträchtlich; abzuwarten bleibt jedoch, ob hier- durch eine verstärkte Tendenz zur elektronischen Musik im Bereich der 'E-Musik' eingeleitet wird. Neben neugeschaffenen Instrumenten spielt im 20. Jahrhundert auch die unkonventionelle Spieltechnik auf traditionellen Klang— erzeugern eine bedeutende Rolle. Besonders das Klavier war Objekt der neuen kompositorischen Ideen. Hier ist zunächst der Amerika- ner Henry Cowell (1897a1965) zu nennen. Bereits 1911 schrieb er sein erstes KlavierstÜCk unter Verwendung von Clustern (= Ton— trauben, d.h.‚ auf dem Klavier nebeneinanderliegende Tasten wer- den mit der Hand oder dem Arm gleichzeitig heruntergedrückt.) Zwar treten Sekundakkorde, die prinzipiell dem gleichen Aufbau unter- liegen, auch bei anderen Komponisten dieser Zeit auf; das Neuar- tige bei Cowell ist jedoch ihre Betrachtung als einzige Klang- fläche, die nicht harmonisch zu sehen ist, sondern letztendlich einen bloßen Klangeffekt darstellt. der in Cowells frühen Werken den Charakter einer Tonmalerei annimmt. 24 Als Theoretiker ver- suchte Cowell wie viele seiner Zeitgenossen eine Begründung der musikalischen Relationen auf Grundlage der Übertontheorie. 25 .Das klangliche Resultat bleibt bei ihm allerdings hinter der 26 avancierten Theorie zurück. Cowell entwickelte nicht nur die Clustertechnik, sondern arbeitete auch an neuen rhythmischen Organisationen und experimentierte mit der Manipulation des Kla- vierklangs durch direktes Anzupfen der Saiten mit den Fingern. 27

24: vgl. Fürst—Heidtmann, Monika: Henry Cowell und die experimentelle Kla— viermusik. In: Neuland. Ansätze zur Musik der Gegenwart. Bd. 2 (1981/82). Herausgegeben von Herbert Henck. Bergisch Gladbach 1982, S. 255—263. ins- besondere S. 256. Übrigens kannte Cowell ähnliche Versuche anderer Kom— panisten "nachweisbar nicht" (ebd.). 25: Cowell legte seine Theorie in “New Musical Besources", geschrieben zwi— schen 1916 und 1919, veröffentlicht erst 1930, dar. 26: vgl. Fürst-Heidtmann. S. 259 27: Dies realisierte Cowell erstmals in "Aeolian Harp“ (1923); vgl. ebd.. S.262 -17...

Hier existiert eine Verbindung zum 'prepared piano' von (* 1912). Cage begann 1938 mit der Funktionsumwandlung des Klaviers zu einem 'Klangfarbeninstrument', indem er beispielswei— se mittels Radiergummis, Papierstreifen etc. die Saiten abdämpf- 28 tel

Allgemein verwenden zahlreiche moderne Komponisten percussive Effekte und extreme Lagen in ihren Arbeiten. Die interpretatori- schen Anforderungen stiegen und führmpn tendeziell zu einem hoch— virtuosen, aber auch spezialisierten Interpretentyp.

(e) Negierung des Werkcharakters/funktionelle Musik

Nachdem in Klassik und Romantik das autonome Kunstwerk ästhe— tisches Vorbild war, kam es - zumindest in der ersten Hälfte dies ses Jahrhunderts — zu einer steigenden Relevanz der 'funktionel- len' oder 'angewandten' Musik. Hierfür dürften zwei Faktoren ausschlaggebend gewesen sein: - die zunehmende Politisierung der Künstler in der Weimarer Re— publik und im Nationalsozialismus, die sich in der Produktion explizit politisch konzipierter Musik äußerte; - das Vordringen neuer Medien (Schallplatte, Rundfunk, Film, Fernsehen), die eine auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Musik verlangten; gleichzeitig wurde durch die technischen Mittler die Musikdistribution so verändert, daß das Kunstwerk zum Mas— senprodukt wurde. Bereits Erik Satie (1866u1925) versuchte sich in einer 'Anti— Ästhetik', in der dem Musikwerk bisweilen (so in der "Musique d'ameublement", 1920) lediglich die Aufgabe zukommt, einen 'Klangteppich' darzustellen, der nur noch unbewußt rezipiert werden soll. Gleichfalls bloß als Untermalung diente in den mei— sten Fällen die Filmmusik, die mit der Erfindung des Tonfilms im Jahre 1927 keineswegs verschwand, sondern im Gegenteil einem neu-

‘28: vgl. Dibelius, Ulrich: Moderne Musik 1945-1965. München 1966, 2. Auflage 1972, S. 206,208 _ 18 -

en Filmgenre, dem Musikfilm, zur Existenz verhalf. 29 Jedoch schon zu Stummfilmzeiten entwickelte sich die Filmmusik zu einem eigenständigen Genre, das neben Eigenkompositionen mit nach Af- fektwert geordneten Potpourris arbeitete. Bei Schallplatte und Rundfunk führten technische Bedingungen zu bestimmten Reaktionen von Komponisten und Interpreten. Bei der Platte bestimmte die begrenzte Spieldauer die Dauer von Komposi— tionen, die speziell für diese Distributionsart konzipiert waren. Vor allem handelte es sich hier um Werke der 'U-Musik', aber auch Strawinsky beispielsweise komponierte 1925 seine "Serenade in A" für Klavier so, daß jeder der vier Sätze in seiner Länge einer Plattenseite entsprach. 30 Für die Entwicklung einer eigenständi— gen Rundfunkmusik war besonders die unzureichende Übertragungs- qualität entscheidend: die Rundfunkmusik hatte einen spezifi— schen, auf Transparenz bei eingeschränktem Frequenzgang der Über- tragung bezogenen Satztypus aufzuweisen. 31 Neben Musik für Film und Fernsehen nimmt in den letzten Jahren die Bedeutung von Musik als Unterstützung von Verkaufsstrategien (sowohl als 'Klangteppich' in Kaufhäusern als auch als Musikspot in der medialen Werbung) und zur Produktivitätssteigerung während der Arbeit 32 zu.

29: Bezeichnenderweise waren erste technische Versuche ab 1925 ebenso wie der erste Tonfilm, “The Jazz-Singer“ (UA 06.10.1927)‚und der erste große ökonomische Tonfilmerfolg ("The Singing Fool") Musikfilme. Vgl. Pauli, Hansjörg: Filmmusik. Ein historisch-kritischer Abriß. In: Schmidt, Hans-Christian (Hg.): Musik in den Massenmedien Rundfunk und Fernsehen. Perspektiven und Materialien. Mainz 1976, S. 91-116, S. 99 30: Jungk, Klaus: Musik im technischen Zeitalter. Von der Edison—Walze zur Bildplatte. (Schriftenreihe des Senders Freies Berlin. Bd. 11) Berlin 1971, S. 58 ' 31: vgl. hierzu Kapitel 4.1 dieser Arbeit 32: Die ersten Versuche mit Musikbegleitung am Arbeitsplatz wurden 1915 in den USA und kurz darauf in Rußland bzw. in der UdSSR durchgeführt. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit 5 Produzenten funk— tioneller Musik, die für beide angeführten Anwendungsbereiche Produkte herstellen. _ 1g _

Die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland hatte weitreichende Folgen für die Entwicklung von Kultur und kultu- reller Infrastruktur. Ein Grbßteil der wichtigen Komponisten fiel unter die Kategorie "Entartete Kunst". Insbesondere diejenigen der Wiener Schule stießen mit ihren Werken auf Ablehnung; Künst- ler wie Hindemith,.Strawinsky und Bartök nahmen eine Zwischen— stellung ein. Insgesamt allerdings blieb der nationalsoziali- stische Einfluß auf das Musikleben im Vergleich zu anderen Kün- sten beschränkt. " Bedingt durch Aufführungs— und Berufsverbote für Komponisten und Interpreten emigrierten viele Künstler, und das Zentrum der zeitgenössischen Musik verlagerte sich von_Mitte1europa in die USA, wo in den 40er Jahren viele ebropäische Komponisten die Lehrtätigkeit aufnahmen. In Deutschland verblieben u.a. Blacher, Egk, Fortner, Ürff, Pfitzner und Strauß. Zusammenfassend kann die Situation am Ende des 2. Weltkriegs als von 'neobarocken' bzw. 'neoklassizistischen‘ Tendenzen beherrscht angesehen werden.

Die Eckdaten dieses Abschnitts werden für Deutschland festge-

legt einerseits durch des Ende des 2. Weltkriegs und - damit verbunden — einer kulturellen Öffnung, andererseits durch einen Vortrag von Rene Leibowitz über Schönberg während der Darmstädter Ferienkurse 194B, wodurch das Interesse an den Komponisten der Wiener Schule wiederentdeckt wurde. _ Die Situation des Jahres 1945 war deutlich verschieden von der des Jahres 1918: Das Kriegsende 1945 bedeutete im internationalen Rahmen - anders als 1918 — keinen musikhistorischen Einschnitt.

33: Die Bedeutung der Darmstädter Ferienkurse auf die Entwicklung der Musik in der Bundesrepublik Deutschland (und darüber hinaus) nach 1945 ist all- gemein anerkannt; die Geschichte der zeitgenössichen Musik in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg ist 4 zumindest partiell „ als Institutionen- geschichte zu verstehen. _ 20 _

Für Deutschland jedoch stellte sich aufgrund der kulturpoliti— schen Änderungen eine neue Situation ein. Es gab 1945 keine Tra— ditionslinie, an der ein direktes Anhnmfen möglich (und verbind— lich) war. Nichtsdestoweniger wurde ein solches Anbinden ver— sucht; als einzig maßgeblicher deutscher Komponist wurde in Fach— kreisen Hindemith angesehen. 34 Die Gründe für die Hindemith- Renaissance waren mannigfaltig : Die beiden Aspekte Nationalität und Internationalität "schien damals nur ein einziges Gesamtwerk, ein einziger Komponist zu vereinigen: Paul Hindemith. Bei ihm fanden sie alles : sowohl das neue, zeitgemäße Vorbild, nach dem sie suchten, als auch den alten, im Einstmals verankerten An- knüpfungspunkt, der sinnvolle Kontinuität versprach; das exempla- rische Emigrantenschicksal, das es zu sühnen galt; die innerdeute sche Herkunft, die sie sich dennoch wünschten; den geprägten Na- men und den halbwegs vertrauten Stil. So wurde Hindemith zum gültigen Maßstab einer ersten, von vergangenen und augenblickli- chen Eindrücken belasteten Orientierung." 35 Außerdem prophezeite Hindemiths Tonalitätsauffassung "nach dem Krieg Ordnung im Chaos, Halt in der Flucht der unseligen Erscheinungen, Niedergewinnung der verlorenen musikgeschichtlichen Kontinuität". 36 Neben Hindemith und einigen in der Tradition des Neobarock bzw. Neoklassizismus stehenden deutschen Komponisten wurden zunächst Bartök, Strawinsky sowie französische Komponisten häufig aufge- führt.

Die Situation moderner Musik in den ersten Nachkriegsjahren war durch einen stiüsthnmen Pluralismus gekennzeichnet, der ver- schiedene Ursachen hatte:

- es gab einen bedeutenden Nachholbedarf an Werken zeitgenössi—

scher Kunst allgemein, von dem auch die moderne Musik profi- tierte; - es galt, wie Stuckenschmidt formulierte, den durch die natio- nalsozialistische Kulturpolitik vernichteten Glauben an eine eigengesetzliche EntwicklungckMrKunst zu restituieren, wobei

34: vgl. Strobel, Heinrich: Melos 1946. (Leitartikel zur 1. Ausgabe nach dem Krieg.) In: Melos. 14. Jg., Nr. 1/November 1946, S. 1-5, insbesondere S. 4 35: Dibelius, Moderne Musik 1945—1965, S. 17 36: Eberle, Gottfried: Die Götter wechseln, die Religion bleibt die glei- che. Neue Musik in Westdeutschland nach 1945. In: Heister, Hanns-werner; Stern, Dietrich (Hg.): Musik 50er Jahre. Berlin 1980, S. 34*49, S. 39 _ 21 -

- zumindest temporär - ein extremer Ästhetizismus als Kompen— sationsbedingung bewußt in Kauf genommen wurde 37; - es galt, den Anschluß an die internationale Musikentwicklung wiederherzustellen, der durch die Aufführungsverbote ab Kriegs“ 'beginn nicht mehr gewährleistet war 38; - schließlich waren materielle Gründe für die stilistische Viel- falt relevant: Aufführungsmaterial von abgelehnten Komponisten war nur schwer zugänglich, ausländisches Aufführungsmaterial durch die geringe Kaufkraft der bis 1948 geltenden Reichsmark nicht erschwinglich - demzufolge war man auf das von den Alli— ierten zur Verfügung gestellte Notenmaterial angewiesen. 39

Für die Förderung zeitgenössicher Musik wichtige Institutionen arbeiteten bereits wieder 1945/46 : im Herbst 1945 wurde von dem Komponisten Karl Amadeus Hartmann die Konzertreihe 'musica viva' in München gegründet, im folgenden Jahr wurden die 'Ferienkurse für Neue Musik' in Darmstadtranichstein von Wolfgang Steinecke initiiert und e veranstaltet vom Vorläufer des SWF - die 'Donau- eschinger Musiktage für zeitgenössiche Tonkunst' wiedereröffnet. Insbesondere die Darmstädter Ferienkurse erwiesen sich als fol- genschwer für die weitere Musikentwicklung; bald entwickelten sie sich zu dem wichtigsten Forum auf ihrem Gebiet, zumindest in Eu- ropa. Anfangs auf die Erfüllung des erwähnten 'Nachholbedarfs' angelegt, wurde dieses Ziel ab 1948 verlassen, nicht zuletzt, weil nunmehr der Rundfunk die Aufgabe der Information übernahm.40

37: so H.H. Stuckenschmidt in der ersten Ausgabe der Zeitschrift "Stimmen", November 1947; vgl. Dibelius, Moderne Musik, S. 23 38: vgl. Strobel, Melos 1946, S. 4 39: Von Seiten der USA wurde die Brücke geschlagen zu Hindemith, Strawinsky und Bartök, die UdSSR machte bekannt mit Prokoffieff und Shostakovitch, Großbritannien mit Merken von Britten, Frankreich mit Honegger. Vgl. Eberle, Die Götter wechseln..., S. 41 40: Steinecke, Wolfgang: Kranichstein - Geschichte, Idee, ErgebnisSe. In: Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik. Bd. IV 1961. Mainz 1962, S. 9-24, S. 10 _ 22 _

Die Eckdaten dieser Periode sind durch zwei Ereignisse bei den Darmstädter Ferienkursen bestimmt, die auf die kompositorische Entwicklung gewissen Einfluß besaßen : einerseits ist der Vor— trag von Rene Leibowitz über Schönberg im Jahre 1948 zu nennen, andererseits der Vortrag “Alea” von Pierre Boulez (* 1925) und die Aufführung des "Klavierstück XI" von (* 1928) bei den Ferienkursen 1957. Nachdem die Dodekaphonie auch vor 1933 in ihrer Rezeption auf Fachkreise beschränkt blieb und dort bereits um 1930 als 'tot' galt, erschien sie nach 1945 zunächst als 'Geschichte'. Erst auf den Darmstädter Ferienkursen 1948 führte der Webern-Schüler Rene Leibowitz (1913—1972) das - recht junge — Publikum in die dodeka- phonischen Werke Schönbergs und Weberns ein. Das nunmehr aufkom- mende Interesse an der Wiener Schule wurde forciert durch die 1949 erschienene Schrift "Philosophie der neuen Musik" von Theo— dor W. Adorno (als Komponist selbst Vertreter der Wiener Schule), eine der einflußreichsten Abhandlungen über Neue Musik. Adorno wertet die Musik des Neoklassizismus — vertreten insbesondere durch Strawinsky - als reaktionär ab, während er diejenige der Wiener Schule als progressiv erachtet. 41 Im traditionellen Sinn tonale Klänge kennzeichnet er als "falsch“ : "Sie erfüllen ihre Funktion nicht mehr." 42 Der Gegensatz zwischen der Musik der Wiener Schule einerseits, derjenigen Strawinskys andererseits manifestiert sich im Verhältnis zum Hörer : "Selbst Vollzug, will sie (die Musik der Wiener Schule, R.W.) vom Hörer mitvollzogen, nicht bloß reaktiv nacherlebt werden. Weil sie den Hörer nicht einspannt, denunziert das Bewußtsein Strawinskys sie als ohnmäch— tig und kontingent. ... Das Auftreten der Musik soll keinen Wi- derspruch dulden." 43

41: Bereits die Kapiteleinteilung Adornos spiegelt die Dichotomie wider: die beiden Abschnitte des Buches sind überschrieben "Schönberg und der Fort- schritt" bzw. "Strawinsky und die Reaktion". 42: Adorno, Theodor W.: Philosophie der neuen Musik. Frankfurt/Main 1978, S. 40 43: ebd., S. 128 _ 23 _

Im Jahr der Veröffentlichung des Adornoschen Buches, 1949, wirkte bei den Darmstädter Ferienkursen der französische Kompo- nist und Organist (* 1908), ein Begründer der Gruppe 'La jeune France'. Schon frühzeitig beschäftigte er sich mit der Organisation des Rhythmus'. 44 Als Reaktion auf die Kriw tik Boulez', daß Messiaen den Rhythmus nicht als polyphones Ele- ment, sondern lediglich als Effekt verwende 45, schrieb letzterer während der Ferienkurse 1949 seine "Mode de valeurs et d'intenn sites" für Klavier. Hier sind den verschiedenen Tonhöhen für jede der drei Stimmen spezifische Dauern, Intensitäten und Anschlags— arten zugeordnet. In AnaIOgie zur chromatischen Skala der Tonhöw hen arbeitete Messiaen mit (pro Stimme) 12 Ausprägungen der Dau- ern sowie 12 Anschlagsarten. Lediglich die Dynamik erscheint sie“ benstufig. Jeder Ton erhält seine festgelegte Oktavlage. Die Rei- henfolge der Töne ist vom Komponisten willkürlich wählbar, unter— liegt also keiner Reihenordnung. Hierin unterscheidet sich das Werk von seriellen Kompositionen. Durch die Wiederentdeckung der Werke Schönbergs und vor allem

Weberns, verbunden mit der ästhetischen Prämisse Adornos und dem kompositorischen Beispiel Messiaens, kam es in der Folgezeit zur Durchorganisation dmsgesamten musikalischen Materials nach scheinbar 'objektiven' Kriterien. Die 'serielle Musik' versuchte, sämtliche 'Parameter' — unter diesen nunmehr auch auf die Musik angewandten Begriff fallen Tonhöhe (inkl. Oktavlage), Dauer, In- tensität, Klangfarbe (bzw. Anschlagsart) - des Tons durchzuorga— . . 46 . . n151eren. Boulez, der in Konsequenz der Me831aenschen "Mode...

44: Grundlagen der Messiaenschen Rhythmusbehandlung sind 'zugefügte Werte', 'vergrößerte' und 'verkleinerte' Rhythmen, 'nicht umkehrbare Rhythmen' (= symmetrische Rhythmen), das 'rhythmische Pedal‘ (ostinatoartig wie“ derkehrende Rhythmen); diese Verfahren legte er bereits seinem “Ouatuor pour 1a fin du temps" (1941) zugrunde. Vgl.: Messiaen, Olivier: Ein.Vor* wert. In: Stimmen. 1. Jg., Nr. 3/1948, S. 82-86 45: Der Aufsatz "Propositions" erschien 1948, die deutsche Übersetzung ("Vorschläge") findet sich in: Boulez, Pierre: Werkstatt-Texte. Berlin/ Frankfurt a.M. 1972, S. 10—21. Die Kritik Boulez' an Messiaen findet sich auf S. 15. 46: Erste Versuche einer reihenmäßigen Organisation von Rhythmik und Metrik reichen weiter zurück : 1936 schlug der britische Komponist Daniel Jones die permanente Kombination verschiedener Taktarten vor. Zur gleichen Zeit erdachte Joseph Schillinger in den USA ein auf mathematischen Prinzipien beruhendes Ordnungsprinzip für die rhythmmische Struktur. Auf diese Kom— _ 24 _ sämtliche Parameter reihenmäßig, also seriell, konzipierte, vollendete 1951 sein Werk "Polyphonie X" für 18 Soloinstrumente; die Uraufführung in Donaueschingen im gleichen Jahr löste heftige Reaktionen bei Publikum-und Kritik aus. Insbesondere beriefen sich die Verfechter der seriellen Kompo— sition auf Webern. 47 Allerdings ist gerade am Beispiel der In- terpretation des Webernschen Werkes eine deutliche Diskrepanz zwischen der eher spätromantisch geprägten Auffassung des Kompo— nisten und einer explizit strukturalistischen durch die Serialin sten festzustellen. Die serielle Kompositionsweise wurde in ihren verschiedenen Ausprägungen innerhalb kurzer Zeit zur vorherr- schenden Arbeitsweise der musikalischen 'Avantgarde‘ und löste die Vorherrschaft der älteren Komponisten — von Dibelius als "Lehrer und Mittler" bezeichnet 48 - ab.

Bei den Darmstädter Ferienkursen 1952 fand ein Uraufführungs- konzert mit Werken von vier Komponisten statt, das einen Über- blick Über den damaligen Stand der seriellen Musik gab und gleichzeitig auf neue Tendenzen hinwies : (* 1924) stellte den ersten Teil des Garcia-Lorca—Epitaphs "Espafia en el corazön“ vor; dieses Werk "war der erste Versuch, serielle Musik mit einem neuen Vokalstil zu verbinden" 49; es antizipiert eine Tendenz der Auflösung der traditionellen Sprachsemantik, die spä- ter wesentlich für Nonos Schaffen wurde. Gleichzeitig ist dieses Stück auch noch unter einem anderen Aspekt für Nonos künstleri- sche Entwicklung bedeutend : das Zitat des populären italieni- schen Arbeiter— und Partisanenliedes “Bandiera Rossa" im Mittel— teil soll dem Werk ein politische Aussage vermitteln. Karlheinz

ponisten bezieht sich Boris Blacher in seiner Theorie der I'variablen Metrik“, die durch Zugrundelegung einer für jeden Takt verschiedenen metrischen Struktur den Formverlauf intensivieren soll. Vgl. Blacher, Boris: Über variable Metrik. In: Österreichische Musikzeitschrift (ÜMZ). 6. Jg., Nr. 6/1951, S. 219-222 47: Insbesondere der 2. Satz aus Weberns Symphonie op. 21 wurde immer wie- der als Anknüpfungspunkt einer seriellen Technik gesehen. 48: vgl. Dibelius, Moderne Musik, S. 32; unter diese Kategorie fallen für ihn Fortner, Dallapiccola, Blacher, Messiaen, Hartmann, Drff. 49: Steinecke, S. 15 „ 25 _

Stockhausen debütierte 1952 mit "Kreuzspiele" für Oboe, Baßklari— nette, Klavier und Schlagzeug, das durch Messiaens "Mode..." so— wie Karel Goeyvaerts "Sonate für 2 Klaviere" beeinflußt_wurde und "zu den ersten Kompositionen 'punktueller Musik'" zu rechnen ist. 50 "In der punktuellen Musik wird jede musikalisch relevan— te Eigenschaft eines Tones durch mathematische Operationen quan— tifiziert und den e möglichst nach der Größe — geordneten Quanten 51 eine Zahlreihe substituiert." Boulez stellte in jenem Jahr die “Structures pour deux Pianos" vor, deren erster Abschnitt einen der Modi aus dem “Mode...“ seines Lehrers Messiaen verarbeitet. Die "Structures I" (Boulez schrieb 1961 eine zweite Folge) wurden bald zum "Schulbeispiel" des punktuellen Serialismus. 52 Bruno Maderna (1920-1973) schließlich wandte in "Musica su due Dimen— sioni" erstmals elektronische Klangmittel in einer seriellen Kom- positiön an, während in den Jahren zuvor diese elektronischen Mittel insbesondere von den Vertretern der musique concrete be— nutzt wurden. Stärker als die musique concrete entwickelte sich jedoch der Zweig der seriellen Komposition mit elektronischen Klangerzeugern weiter, wie ihn nach Maderna insbesondere Stockhausen beschritt. Zwei Gründe dürften für das Aufkommen serieller elektronischer Kompositionen verantwortlich gewesen sein: einerseits ein allge- meines Interesse an neuen Möglichkeiten der Klangerzeugung, ande- rerseits die Unzulänglichkeit, mit der die Realisation serieller Musik in den Parametern Dauer, Intensität, Klangfarbe/Anschlag 53 behaftet blieb. Insbesondere Stockhausen versuchte die Konzeption einer sich nach scheinbar objektiven Kriterien richtenden Musik, was bei ihm allerdings tendenziell den Charakter einer 'Zahlenmy« stik‘ annahm. Adäquat erscheint hier die elektronische Klanger- zeugung, die numerische Ordnungen aller Parameter erlaubt und gleichzeitig sämtliche Klangfarben darstellbar macht. Als grund-

50: Stockhausen, Karlheinz: . In: ders.: Texte zu eigenen Werken, zur Kunst Anderer, Aktuelles. Köln 1964, 2. Auflage 1975, S. 11 f., S. 11 (Abdruck aus dem Programmheft der Darmstädter Ferienkurse 1959);-Hervor- hebung R.w. 51: Stephan, Das Neue der Neuen Musik, S. 58 52: Steinacke, S. 15 53: Zur Rezeption von Klangfarben vgl. Nitsche, Peter: Klangfarbe und Schwingungsform. München/Salzburg 1978 -26-

legender Einwand ist allerdings festzuhalten, daß kompositori— sche Strukturen bei der Rezeption oftmals nicht adäquat verstan— den werden können. Die vollkommene Durchstrukturierung des Mate- rials realisierte Stockhausen in den "Elektronischen Studien" I und II (1953 bzw. 1954, produziert im Kölner Studio für elektro- nische Musik des NNDR). 54

In den folgenden Jahren blieb die serielle Musik in der 'Avant- garde' vorherrschend, wenngleich sie sich von der punktuellen Struktur abwandte. Ein erster Auftritt der Amerikaner John Cage und David Tudor bei den Donaueschinger Musiktagen 1954 blieb zu- nächsäSOhne Folgen; die eurOpäische Musik entwickelte sich auto- nom. Bei Stockhausen löste die 'Gruppenkomposition', auch als 'sta- tistische Komposition' bezeichnet, die punktuell-serielle Kompo— sitionsform ab. “In der statistischen Musik wird nicht die Bezie- hung der einzelnen Töne zueinander durch Reihen determiniert, sondern die ganzer Komplexe, der sogenannten ." 56 Die oft unzureichende Faßbarkeit der seriellen Musik sah Stockhausen durch das Gruppenverfahren als verbessert an. 57 Punktuelle und statistische Verfahren stellen "Extreme dar, die sowohl in reiner Form als auch in mannigfachen Zwischenformen anzutreffen sind."58

Abseits von der seriellen Komposition vollzog sich die Entwick- lung der musique concrete. 1948 gründete Pierre Schaeffer in Pa- ris die "Groupe de recherches de musique concrete", deren Ziel es war, Umweltgeräusche kompositorisch zu verarbeiten. 'Konkret'

54: Eine vom Komponisten selbst vorgenommene Analyse dieser werke findet sich in Stockhausen, Texte zu eigenen Werken..., S. 22-42. Theoretische Erläu- terungen sind niedergelegt in: ders.: Texte zur elektronischen und instru- mentalen Musik. Köln 1963, S. 39—44 (Arbeitsbericht 1953: Die Entstehung der elektronischen Musik) und S. 45—61 (Zur Situation des Metiers). 55: vgl. Siegele, Ulrich: Entwurf einer Musikgeschichte der sechziger Jahre. In: Stephan, Rudolf (Hg.): Die Musik der sechziger Jahre. Mainz 1972, S. 9-25, S. 10

56: Stephan, Das Neue der Neuen Musik, S. 59 57: Stockhausen, Karlheinz: Gruppenkomposition: Klavierstück I (Anleitung zum Hören). In: ders.: Texte zur elektronischen und instrumentalen Musik, S. 63-74, S. 65 (der Aufsatz stammt aus dem Jahre 1955). 58: Stephan, Das Neue der Neuen Musik, S. 58 _ 27 _ nannte sich diese Musik, da sie — im Gegensatz zur traditionel- len 'abstrakten' Musik - nicht von einer kompositorischen Idee ausging, sondern die intellektuelle Handlung auf einen nachgeord— neten Arbeitsgang, nämlich das Bearbeiten des — eher ziellos - gesammelten Materials verlagerte. Mit der Integration von Umwelt- geräuschen stellt sich die musique concrete, deren bekannteste Vertreter Pierre Schaeffer und Pierre.Henry sind, in die_Tradiw tion des'Bruitismus‘bei den italienischen Futuristen und Varese.

Wenngleich es zunächst schien, als sei die serielle Musik auf dem Wege gewesen, verbindliche Technik der Avantgarde zu werden, so trug diese Auffassung doch : Weder war der Serialismus bei als len Komponisten in den 50er Jahren anerkannt, noch war er ein in sich geschlossenes System. Durchaus nicht alle Werke, die unter Verwendung des seriellen Verfahren erstellt wurden, wendeten die— ses auch dogmatisch und ausschließlich an. Insbesondere stellten sich drei Probleme : Erstens war fraglich, inwieweit komposito— rische Strukturen in der Rezeption nachvollzogen werden können. Zweitens stellte sich die Frage, inwieweit es sich noch um Musik als künstlerisches Produkt handele; drittens setzte sich die Er— kenntnis durch, daß sich der Zufall in der Musik nicht aus- schließen läßt. Überspitzt formuliert, existierten lediglich noch zwei 'Unsicherheitsfaktoren' : einerseits der Interpret (der a1- 1erdings bei elektronischer, auf Band aufgezeichneter Musik eli— miniert werden konnte), andererseits der Komponist. Die Konse- quenz aus den internen WiderSprüchen des Serialismus war die be- wußte Integration des Zufalls. Für die europäische Avantgarde sind auch hier als 'Vorreiter' Boulez und Stockhausen zu nennen, die auf den Darmstädter Ferien— kursen in Methoden und Ziele des als ‘Aleatorik' (alea; lat.: Würfel) bezeichneten Verfahrens einführten. Den theoretischen Hintergrund formulierte Boulez in seinem Aufsatz "Alea". Er be- klagt, daß "die Schemgäisierung ... ganz einfach an die Stelle der Erfindung" trete "anstelle des Zufalls aus Versehen (fin-

59: Der Erstabdruck dieses Aufsatzes findet sich in “La nouvelle Bevue fran— caise“, Nr. 59, November 1957; die deutsche Fassung erschien zunächst in Band 1 der "Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik", Hg. Wolfgang Steinecke, _ 28 _ de man, R.W.) einen Zufall aus Automatismus“. 60 Die ersten die- ser Stücke, die auf dem Prinzip einer variablen Form beruhen, sind die 3. Klaviersonate von Boulez (1957) und das Klavierstück XI von Stockhausen (1956, UA 1957). Beide Werke operieren mit der Variabilität der Folge der einzelnen Formteile, die - zumindest partiell - dem Interpreten überlassen bleibt. Dies Verfahren läßt jede Aufführung des Werkes Über eine bloße Neuinterpretation hin— aus zu einem 'anderen Stück' werden 61, in gewissem Maße ver- gleichbar mit Aufführungen im Bereich des Jazz. Improvisatorische Einflüsse finden sich allerdings bei Boulez und Stockhausen schon in früheren Werken (“Improvisations sur Mallarmä“ bzw. "Zeitmaße").

Vor der europäischen Avantgarde begannen jedoch in den USA ver— schiedene Komponisten, mit Zufallsoperationen zu arbeiten und in ihren Stücken den traditionellen Werkbegriff infragezustellen. Cage, ein Schüler Schönbergs und Cowells, arbeitete schon seit 1938 mit dem präparierten Klavier. Wendepunkte in seinem Schaf- fen, das sich zunächst unabhängig von der europäischen Avantgarde entwickelte, waren zwei 1951 entstandene Werke, die bewußt den Zufall integrierten : "Imaginary Landscapes No. 4" und “Music of Changes". Im erstgenannten Stück sind es 12 auf verschiedene Frequenzen eingestellte Bundfunkempfänger, deren Zusammenklang die 'Musik' ergibt; das Resultat ist hier von den Programmen der eingestellten Sender abhängig. In "Music of Changes“ wurde der Zufall in Gestalt des Münzwurfes direkt in die Tätigkeit des Kom- ponierens integriert. Die bereits hier angelegte Auflösung des Werkcharakters trieb Cage 1952 mit dem dreisätzigen "4'33"" auf die Spitze. In der ge- semten Zeit von 4 Minuten und 33 Sekunden wird kein einziger Ton

Darmstadt 1958. Der Aufsatz wird hier zitiert nach : Boulez, Werkstatt- Texte, S. 100-113, S. 101 60: ebd., S. 103 61: Entsprechend findet sich in Stockhausens Spielanweisungen der Hinweis, daß das Stück möglichst mehrmals in einem Konzert zu spielen sei. 62: vgl. Henck, Herbert: John Cage, Music of Changes (1951). In: Neuland. Ansätze zur Musik der Gegenwart. Bd. 3 (1982/83). Herausgegeben von Herbert Henck. Bergisch Gladbach 1983, S. 269 f. _ 29 -

gespielt. Im selben Jahr "entwickelte John Cage, damals Lehrer am Black Mountain Collage, den Prototyp des Happenings." 63 In den Partituren war lediglich eine Zeitfolge dargestellt, der Inhalt der Handlungen jedoch war beliebig. 64 Daß Cage in den USA nicht alleine stand, wird am Beispiel anderer Komponiäten deutlich, die ebenfalls — partiell hierbei auf Ives, Cowell und Cage rekurrie- rend - unkonventionelle Wege der Präsentation bzw. Gestaltung be- stritten. Earle Brown legte 1952 verschiedene Formen graphischer Notation vor, deren Bezug zur musikalischen Realisierung nicht eindeutig ist. 65 l Cages Besuch bei den Darmstädter Ferienkursen 1958 war, anders als noch vier Jahre zuvor in Donaueschingen, einflußreich; Siege- le, der nicht so weit gehen möchte, hier die Grundlage für neue Entwicklungen zu sehen, betrachtet Cage als forcierende Kraft. 66 Die Auffassung Cages, daß ein Ton für sich betrachtet werden müs— se und keine Rechtfertigung — weder eine musikalische, noch eine außermusikalische - benötige, paßte in die sich Ende der 50er Jahre ändernde Musikauffassung der europäischen Avantgarde.

Der Serialismus - der allerdings nie für alle europäischen Kom— ponisten beherrschend war - war 1957 bei den Darmstädter Ferien- kursen als Methode der Avantgarde theoretisch und praktisch über- holt. Neben Aufführungen aleatorischer Werke stand in jenem Jahr auch eine Veranstaltung mit indischer Musik auf dem Programm, welche vorher - wie gemeinhin die außereuropäische Musik - in der europäischen Avantgarde unbeachtet blieb (sieht man von Messiaen ab). 1958 kam Cage nach Darmstadt, außerdem erschienen mit Maurie cio Kagel (* 1931) und György Ligeti (* 1923) zwei Komponisten, die ihre Entwicklung zwar nicht völlig unabhängig, aber in gewis— ser Abgeschiedenheit von der europäischen Avantgarde vollzogen hatten — Kagel kam aus Argentinien, Ligeti aus Ungarn.

63: Block, Rene: Die Summe aller Klänge ist grau. In: Für Augen und Ohren, - S. 103»146, S. 119 '64: ebd. 65: Insbesondere gilt dies für "Folio. December 1952“. 66: Siegele, Entwurf einer Musikgeschichte...‚ S. 19 f. _ 30 -

Spätestens zu jener Zeit wurde klar, daß alle Komponisten auch der jungen Generation inzwischen mehr oder weniger getrennte An- schauungen besaßen; die theoretischen Gemeinsamkeiten des Seria- lismus stellten sich nunmehr als Vergangenheit dar. Die sechziger Jahre wurden von einem Stilpluralismus geprägt, der in zunehmen- dem Maße Elemente außereurOpäischer Musikkulturen - sowohl folk- loristische als auch solche der 'Kunstmusik' - und andere Kunst- formen integrierte. Zu Beginn der hier beschriebenen Periode waren primär diejeni- gen Komponisten bedeutend, die bereits in den 50er Jahren die Avantgarde prägten, wobei aus Osteuropa Ligeti (ab 1956), Pende— recki (ab 1960) und Lutoslawski (insbesondere ab 1964) zu dieser Gruppe hinzutraten. Diesen drei Komponisten, die insbesondere im Rahmen der Donaueschinger Musiktage bekannt wurden, ist gemein— sam, daß sie in ihren Werken von Klangkomplexen ausgehen, die nicht aus dem Zusammentreffen einzelner Stimmen hervorgehen, son- dern als geschlossene Einheit betrachtet werden. 67 Die Realisie- rung ist jedoch verschieden : Penderecki (* 1933) und LutosIawski (* 1913), zwei polnische Komponisten, sind stilistisch eher einem 'Neobruitismus' zuzurechnen, wohingegen Ligeti von einer konti- nuierlichen Veränderung eines Klanges ausgeht und dabei weitge- hend auf Kontraste verzichtet. Er stellt in "Apparitions" für Dr- chester (1958/59, UA 1960 Köln) zwei Arten von Drohesterclusters gegeneinander: "Zustands"- und "Ereignisclusters". 68 Der Ver- zicht auf die traditionelle Materialstruktur des Intervalls — und der Verzicht damit auch auf Motivik im traditionellen Sinn — wur— de in “AthmOSphäres" (Kompositionsauftrag des SWF für die Donau- eschinger Musiktage 1961) konsequent fortgesetzt; dieses Werk ar— beitet lediglich mit 'Zustandsclusters', die eine unmerkliche Veränderung erfahren. 59 Dieses Prinzip führte Ligeti weiter in

67: Bei Lutoslawski gilt dies nur mit Einschränkungen; er Operiert mit dem 'aleatorischen Kontrapunkt', in dem zwar jeder Stimme ein differenzierter Notentext vorgeschrieben ist, der Zusammenklang jedoch zufällig in der Im- provisation entsteht. 68: Salmenhaara, Erkki: Das musikalische Material und seine Behandlung in den Werken "Apparitions", “AthmOSphäres", "Aventures" und "Requiem" von György Ligeti. Regensburg 1969, S. 49 69: Ligeti selbst gebraucht hierfür den Begriff "Mikropolyphonie". -31- seinem — als Auftragskomposition für die 'pro musica nova' von Radio Bremen 1962 entstandenen w Orgelwerk "Volumina" und anderen Stücken, wobei er die Clustertechnik in "Aventures", "Nouvelles Aventures" und "Lux Aeterna“ mit vokaler AUSfÜhrung kappelte. Die Klangkompositionen der 60er Jahre stellen eine konsequente Fortentwicklung der Tendenz der Verselbständigung des Klanges dar. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, daß - wie Dahlhaus formuliert - sie ein "anderes Mittel (sind), um die Formschwäche postserieller Werke, ... auszugleichen". 70 Zu der Zeit, als Ligeti mit traditionellen Orchesterinstrumen- ten Klangflächen von bis dahin unbekannten Charakteren schuf, hatte die elektronische Musik zumindest partiell den innovatori- schen Reiz verloren, der ihr in den 50er Jahren anhaftete. Um 1960 gab es nur wenige Komponisten, die in bedeutendem Maße mit elektronischer Klangerzeugung arbeiteten, wengleich Verbesserun- gen der Schallübertragungsanlagen und die Erfindung des Synthesi- zers einen vermehrten Einsatz der Live-Elektronik ermöglichten.

Ein anderer, an Bedeutung zunehmender Zweig war die Verbindung von Musik mit anderen Künsten. arbeitete frühzei— tig mit szenischen Elementen und multimedialen Verbindungen. An- läßlich der Bremer 'pro musica nova' 1962 wurde von ihm "Sur scene“, ein kammermusikaliSChes Theaterstück für Sprecher, Mimen, Sänger und drei Instrumentalisten uraufgeführt. Kagel stellt gen wissermaßen eine 'Brücke' zwischen der europäischen und der ame- rikanischen Avantgarde dar, wobei letztere eine stärkere Tendenz zum 'Gesamtkunstwerk' aufweist, Kagels Musik hingegen eher das Konzept einer 'Metamusik' vertritt. Für die amerikanische Avantgarde sind zunächst die Happenings zu nennen, deren Anfänge in den 50er Jahren liegen. "Sie suchen die Distanz von ästhetischem und wirklichem Bereich, die Distanz auch von Vorführung und Publikum aufzuheben." 71

70: Dahlhaus, Carl: Über Sinn und Sinnlosigkeit in der Musik. In: Stephan, Rudolf (Hg.): Die Musik der sechziger Jahre, S. 90-99, S. 97. Anzumer— ken ist, daß Ligeti bereits um 1950 Planungen zu diesem Kompositione— verfahren gehabt hat (vgl. Salmenhaara, S. 25). 71: Siegele, Entwurf einer Musikgeschichte..., S. 20 _ 32 _

Verbunden mit den Happening—Gedanken sind Fluxus und musikali- sches Environment. George Macunias, mit Dick Higgins, George Brecht und Nam June Paik ab 1961 einer der ersten Vertreter von Fluxus, definierte dessen Ziele als ästhetische, die die schönen Künste stufenweise eliminieren sollen, um Materialverwendung und humane Fähigkeiten auf "sozial konstruktive Ziele zu richten". 72 Darüber hinaus soll Fluxus einen Widerpart zum institutionell- organisierten Kulturbetrieb darstellen. 73 Zwar organisierte Macunias in Wiesbaden bereits 1962 “Fluxus - Internationale Festspiele neuester Musik", jedoch war die Ver- breitung dieser ästhetischen Ansätze weitgehend an die Entwick- lung der 'Pop-Art' und an das Aufkommen von Jugend— und Studen- tenbewegungen geknüpft. In gewissem Maße verwandt mit Fluxus und Happenings, aber durch das Primat des Akustischen von diesen unterschieden, sind musi— kalische Environments. Sie haben die längste Tradition der hier angesprochenen Kunstformen: bereits am 8. März 192D führte Erik Satie Musik in Handelhallen auf; seine 'beabsichtigt absichtslo- se' Musik wurde zusammen mit derjenigen Cages zum Vorbild vieler Künstler. 74 Experimente mit der Raumwirkung von Musik wurden auch von Stockhausen, beispielsweise in dem "Gesang der Jünglinge" und in "Gruppen für drei Orchester", verfolgt; er positioniert hier Lautsprecher bzw. Orchester an verschiedenen Stellen des Baumes.75

In den frühen Nachkriegsjahren gab es im Musiktheater keinen Bruch mit der Tradition, der mit demjenigen in der Instrumental— musik vergleichbar wäre. Werke wie die "Abstrakte Dper Nr. 1" von Blacher/Egk (1953) 76 blieben die Ausnahme. Zu den herausragenden

72: Aus einem Brief von Macunias an Tomas Schmit; vgl. Block, Die Summe aller Klänge..., S. 135 73: ebd., S. 13B 74: Satie und Cage besaßen auch Relevanz für Fluxus. Block vermerkt hierzu : "Die musikalische Form der Darbietung beruhte auf der : Zeit z Mu- sik und orientierte sich an den musikalischen Theorien von Satie und Cage." (S. 136f.) 75: vgl. auch Stephan, Rudolf: Zum Problem des Sichtbaren bei der Darbietung von Musik. In: Musik im Programm. 0.0., o.J. (1974), S. 103-112 76: Nie bereits aus der Bezeichnung hervorgeht, verzichteten Egk und Blacher auf die traditionelle Sprachsemantik; ähnliche Arbeitsweisen fanden sich einige Jahre später bei Schnebel u.a. - 33 _

Werken in der Geschichte desMusiktheatersnach 1945 zählt die Üper "Die Soldaten" (1958-1960, Umarbeitung 1963/64, Uraufführung Köln 1965) von (1916-1970), mit der er in- ternationale Anerkennung erfuhr. Dieses Werk, mit dem Zimmermann die Entwicklung einer "pluralistischen Oper" 77 verfolgte, ba- siert auf reihentechnischen Verfahren, von Collagen und Zitaten erweitert. Im allgemeinen erweist sich die Dper nach 1945 als Gattung, in der stilistische Entwicklungen nicht eindeutig konstatiert wer— den können, zu gering war die Produktion In anderen Vokalgattungen existiert die Tendenz, die Sprache als abstrakte zu behandeln, d.h., die von ihrer traditionellen semantischen Bedeutung abzukoppeln und stattdessen ihren 'Klangw wert' hervorzuheben. Neben Nono und Ligeti sind Luciano Berio (* 1925) und Dieter Schnebel (* 193D) zu nennen. Schnabel erfuhr erst nach der Uraufführung der "deutschen messe" auf der 'pro musica nova' 1968 breitere Resonanz. 78

Andere relevante Einflüsse auf die Musik der sechziger Jahre gingen aus von dem wachsenden Einfluß außereurOpäischer, insbe- sondere indischer und ostasiatischer Kulturen. In erster Linie sind hier wieder amerikanische Komponisten zu nennen, außerdem der Koreaner , der 1956 nach Europa kam und "wohl der bedeutendste Komponist innerhalb der Avantgarde ist, der nicht dem abendländischen Kulturkreis entstammt". 79 Yuns Musik beruht auf Traditionen der koreanischen Hofmusik, in der es keine unver- ändert ruhenden Töne gibt, sondern lediglich Tonzentren, die durch Umspielungen moduliert werden. In Ürchesterwerken weitet Yun die Tonkomplexe zu Klangkomplexen aus. Gegenüber der euro— päischen Musik ist diejenige Yuns nicht an Metren gebunden, son— dern in ihrem Zeitverlauf frei.

77: Zimmermann, Bernd Alois: Oper als totales Theater ? In: Theater heute 5 (1966), S. 1 ff. Nach: Seibt, Angelus: Bernd Alois Zimmermann. Die Sol— daten. In: Vogt, Hans (Hg.): Neue Musik seit 1945. Stuttgart 1972, 2. Auf- lage 1982, S. 371—381, S. 376 78: Pauli, Hansjörg: Für wen komponieren Sie eigentlich ? Frankfurt/Main 1971, S. 14 79: Schmidt, Christian Martin, Brennpunkte der Neuen Musik, S. 116 i 34 _

Ebenso wie Yun ist der Grieche Yannis Xenakis (* 1922) keiner expliziten Schule zuzurechnen. Xenakis, der in den sechziger Jah- ren etwas bekannter wurde, war _ nach einem Architekturstudium bei Le Corbusier - ab 1949 Kompositionsschüler von Honegger, Milw haud und Messiaen. Xenakis arbeitet(e) primär mit aus Mathematik und Physik abgeleiteten Kompositionsprinzipien und benutzte den Computer zur Erstellung seiner Werke, die aber im allgemeinen nicht dem Serialismus verpflichtet sind.

Traditionelle Kategorien des Werkbegriffs verließ Stockhausen im Jahre 1968 mit "", einer 'intuitiven Mu- sik'. In diesem Werk werden dem Spieler die Anweisungen nicht mehr in Notenschrift gegeben, sondern lediglich in verbaler, extrem vieldeutiger Form. Dieses Werk diente Stockhausen im gleichen Jahr auf den Darmstädter Ferienkursen als Basis für die quasi 'intuitive' Kollektivkomposition "Musik für ein Haus", in der Werke verschiedener Komponisten in einem in mehrere Klangräu- me aufgeteilten Haus geSpielt wurden. Als Kollektivkomposition setzte dieses Stück die Komposition "" der vorjährigen Ferienkurse fort, für die 12 Komponisten jeweils einen Dialog "zwischen Instrument und Tonband oder Kurzwellenempfänger“ schrieben. 80

Ende der BDer Jahre verstärkten sich Bestrebungen, Musik als Medium politischer Auseinandersetzugen einzusetzen. Im Bereich der 'E-Musik' sind hier insbesondere Luigi Nono und (* 1926) zu nennen. Nono zog sich nach dem Erfolg seiner Oper "Intolleranza" (1961) aus Darmstadt zurück und hatte zu— nächst verschiedene Mißerfolge. Wiederentdeckt wurde er - nicht zuletzt im Zuge einer allgemeinen Politisierung — u.a. durch die 'pro musica nova' 197D. 81. Henze, der ab 1946 in Erscheinung trat, hatte schon 1953 die Bundesrepublik verlassen und war nach Italien gegangen, hatte aber hierzulande weiterhin Erfolge. Sti—

80: Gehlhaar, Rolf: Zur Komposition Ensemble. (Darmstädter Beiräge zur Neuen Musik. Band XI) Mainz 1968, S. 9 81: Pauli, Für wen..., S. 109 _ 35 _

listisch nie so festgelegt wie viele andere Komponisten, betätig— te Henze sich in verschiedenen Genres; er schrieb u.a. Sinfonien und Opern (darunter auch spezifische Funkopern) - also Gattungen, die nicht dem eher apMnfistimfimn Stil der Serialisten entspra- chen, wenngleich der Komponist, ein Schüler Fortners, durchaus

Reihentechniken benutzte.

Ende der 60er Jahre konnte man - wie gezeigt - nicht mehr von einem vorherrschenden Stil der Avantgarde sprechen, wie es noch Mitte der 50er Jahre der Fall gewesen war, sondern verschiedene musikalisch—künstlerische Strömungen standen nebeneinander, wobei anzumerken ist, daß der innovatorische Reiz mamfimr Strömungen im Abflauen begriffen war. Das Fehlen allgemeinverbindlicher An- schauungen seit Ende der 50er Jahre ließ Dahlhaus den Begriff der "Sinnkrise" 82 auf diese Zeit anwenden. Daß von einer solchen tatsächlich gesprochen werden konnte (und eventuell immer noch gesprochen werden kann), zeigte der Kompositionswettbewerb, den die Veranstalter der Darmstädter Ferienkurse zu deren 25jährigen Bestehen 1970 ausgeschrieben hatten : In zwei Werkkategorien sollten jeweils zwei Preise vergeben werden; 102 Kompositionen von 76 Komponisten aus 25 Ländern gingen bei der Jury ein. Von diesen Werken wurden 95 angenommen, jedoch wurde kein erster, sondern lediglich ein zweiter Preis in einer der beiden Katego- . 83 rien vergeben.

In bezug auf die 70er Jahre bemerkt von Blumröder, daß der "emphatische Impuls, der als stete Suche nach Neuem die fünfziger und sechziger Jahre bestimmt hatte und von grundlegender theoretischer Re- flexion und daran anschließenden, mitunter heftigen Kontroversen be— gleitet worden war, abzuklingen (beginnt). Verstand sich bis dahin die ' aktuelle zeitgenössische Musik noch ungebrochen als Neue Musik, werden nun Zweifel laut, ob diese - zuweilen als Fortschrittsideologie gen schmähte — Tradition, die das musikalische Denken des 20. Jahrhunderts leitete und deren Wurzeln weit in das 19. Jahrhundert zurückreichen, noch relevant und lebenswichtig sei." 84

82: Dahlhaus, Über Sinn..., S. 90 B3: Hierbei handelte es sich um "Versuch über Sprache" von Nicolaus A. Huber. Vgl. Thomas, Ernst: Von der Notwendigkeit, Ferienkurse für Neue Musik zu veranstalten. In: Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik. Bd. XIII, Ferien- kurse '72. Mainz 1973, S. 6—13, S. 8 - 35 _

Verantwortlich für diese Entwicklung sind verschiedene Faktoren Zunächst erweist sich, wie oben gezeigt, die Anwendung eines Fortschrittsbegriffs auf die Entwicklung der Musik der 60er Jahre als fragwürdig. Außerdem tritt in den 70er Jahren in EurOpa eine neue Komponistengeneration an die Öffentlichkeit, die ihre Grund- lagen zwar partiell als Schüler der Generation der Serialisten erwarb, deren Kompositionshaltung jedoch nicht mehr nachvollzie— hen kann. , ein Vertreter der 'Neuen Ein— fachheit', drückt diesen Sachverhalt und die sich (nicht nur) für ihn daraus ergebenden Konsequenzen folgendermaßen aus "Anfang der siebziger Jahre hatte die Neue Musik einen kritischen Punkt erreicht, indem ihr die eigene Entfremdung bewußt wurde. ... Aus der Be— troffenheit entstand ein neuer Ausdruckswille : das Bedürfnis nach Re— musikalisierung, und zwar auf allen Ebenen des musikalischen Materials. Das verlangte eine bewußte Orientierung der Melodik am Gesanglichen, der Harmonik an Tonalität, der Rhythmik an der körperlichen Bewegung und der Instrumentation an der individuellen Aura der einzelnen Instrumente, insgesamt also den Übergang von der eher intellektualistischen zu einer mehr ganzheitlichen kompositorischen Vorstellung." 85

In den USA entwickelte sich seit Mitte der sechziger Jahre der minimalistische Stil, ein auf variative Niderholung von einzelnen 'patterns' angelegtes Verfahren. Im Januar 1965 erschien in der amerikanischen Zeitschrift "Arts" ein kmfikel von Richard Woll- heim, in dem der Autor den Terminus 'minimal art' für einen Stil prägte, der durch geringen Aufwand versucht, “den Begriff der 86 schönen Kunst zu untergraben". Etwa gleichzeitig mit der 'mi- nimal art' entstand die 'minimal music', deren erster Vertreter La Monte Young (* 1935) war. Young spielte in den 50er Jahren Jazz. 1980 schrieb er mit "Composition 1960 No. 7“ und "1898 t0 Henry Flynt" zwei Werke, die mit lediglich einer leeren Quinte . . . . B7 . . bzw. einem e1n21gen Ton operieren. Neben dem Jazz waren 1nd1r

84: Blumröder, Christoph von: Formel—Komposition - Minimal Music — Neue Einfachheit. In: Neuland. Ansätze zur Musik der Gegenwart . Band 2 (1981/82). Herausgegeben von Herbert Henck. Bergisch Gladbach 1982, S. 183-205, S. 183 85: Wolfgang von Schweinitz in einer für Vogt geschriebenen Selbstdarstellung. In:Vogt, Neue Musik seit 1945, S. 89 86: Blumröder, Formel-Komposition..., S. 191 87: Sandner, Wolfgang: Vom Jazz zur Minimal Music zu ... La Monte Young. In: Jost, Ekkehard (Hg.): Musik zwischen E und U. Ein Prolog und sieben Kon— greßbeiträge. (Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musik- erziehung Darmstadt. Bd. 25) Mainz 1984, S. 25—31, S. 28 f. _ 37 _ sche und ostasiatische Kulturen, die traditionell eine starke Po“ sition an der amerikanischen Westküste besitzen, Anreger dieser Musik. Das Moment der Repetition charakterisiert ebenfalls die Werke der anderen Hauptvertreter dieses Stils, Philipp Glass, Steve Reich und Terry Riley. Während letzterer primär mit Live-Elektro- nik arbeitet, schreiben Reich und Glass in der Regel für be— stimmte Instrumentalensembles, mit denen sie kontinuierlich zu— sammenarbeiten. "Während Glass und Riley ihre Werke nach einem in sich kreisenden Reihungsprinzip formen und in dieser Hinsicht ei- ne musikalische 'Auseinandersetzung mit ungerichteter Zeit' be- treiben, kommt es Reich darauf an, mit einem einfachen und redu- zierten Material in einer einheitlichen Klangfarbe einen Prozeß darzustellen, den er der langsamen Bewegung des Minutenzeigers einer Armbanduhr vergleicht und mit der Formel 'Music as a Gra— dual Process' umschreibt.“ 88 Zu den bekanntesten Werken der minimal music zählen "Drumming" von Steve Reich sowie die Dper "Echnaton" von Philipp Glass und "In C" von Terry Riley. “Drumming” (1970/71) ist besonders durch seine 'phase—shifting'—Technik bemerkenswert : Rhythmen laufen mit geringfügig verschiedenen Tempi nebeneinander ab, so daß Pe- rioden annähernd gleicher Phasenlage mit solchen einander entge- gengesetzter abwechseln. Bei dieser Konzeption ist selbstver- ständlich jede Art der Improvisation, wie sie bei Cage anzutref- fen ist, ausgeschlossen, stattdessen muß die Anweisung für die Interpreten sehr detailliert ausgeführt sein. In den USA besaß und besitzt minimal music große Attraktion für andere Komponisten, auch im Übergangsfeld zur Rockmusik (2,8. Glenn Branca). In Europa blieb die Rezeption eher passiv; Ligeti griff die minimal music ironisierend auf 89, auf Peter Michael Hamel und Karel Goeyvaerts Übte sie stärkeren Einfluß aus 90.

88: Blumröder, Formel-Komposition..., S. 197 B9: Als zweites der 3 Stücke für 2 Klaviere (1976) schrieb Ligeti das "Selbst— portrait mit Reich und Riley (und Chopin ist auch dabei)“. 9D: vgl. Sabbe, Herman: Vom Serialismus zum Minimalismus. Der Werdegang eines Manierismus. Der Fall Goeyvaerts, 'Minimalist avant 1a lettre'. In: Neu- land. Ansätze zur Musik der Gegenwart. Band 3 (1982/83)._Herausgegeben von Herbert Henck. Bergisch Gladbach 1983, S. 203-208 _ 33 _

Im Zuge der von Schweinitz angesprochenen 'Remusikalisierung', die den Charakter eines generationsbedingten "Paradigmenwech- sels" 91 trägt und mit generell nostalgischen Tendenzen einher— geht, kam es in der Bundesrepublik Deutschland zur Herausbildung des 'Stils' der 'Neuen Einfachheit‘, dessen wichtigstes Merkmal die Berufung auf eine neue Tonalitätsauffassung ist. Die 'Neue Einfachheit' ist eine "spezifisch deutsche Erscheinung" und als Reaktion auf den Serialismus der fünfziger Jahre, den die Lehrer der neuen Komponistengeneration verkörpern, zu verstehen. 92 In diesem Stil schreiben u.a. Wolfgang von Schweinitz, Detlev Mül- ler—Siemens, und insbesondere . Im Zusammenhang mit der 'Neuen Einfachheit' ist auch Halter Zimmer— mann zu nennen, dessen Entwurf einer "lokalen Musik" 93 zwar das musikalische Material komplexer behandelt (nämlich ihm Strukturen zugrundelegt, die Zimmermann versucht, in Eigenschaften der Land- schaft zu begründen), jedoch von einer ähnlichen Ideologie, der 'Suche nach der heilen Helt', ausgeht. Inwieweit die Tendenz der 'Neuen Einfachheit' zukunftsträchtig ist, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Die europäische Rezeption der minimal music - deren Vorbildcharakter für die 'Neue Einfachheit' nicht so direkt ist, wie es aufgrund der Ter— minologie scheint - dürfte, nicht zuletzt mit dem Abklingen des allgemeinen Einflusses asiatischer Philosophien, an Bedeutung verlieren.

Seit den 60er Jahren, vermehrt jedoch um etwa 1970 und später, sind Interdependenzen zwischen 'U'- und 'E'-Musik zu verzeichnen, wobei man sich besonders am Jazz und — vereinzelt - an der Volks— musik orientierua. Der Fusionsversuch von Jazz und zeitgenössi- scher 'E-Musik' hatte einen ersten Höhepunkt bereits zwischen

91: Riethmüller, Albrecht: Wolfgang Rihm versus Feruccio Busoni. In: Neuland. Band 2, S. 126-131, S. 126

92: Blumröder, Formel-Komposition..., S. 200 93: vgl. Zimmermann, Walter: Nische oder das Lokale ist das Universale - Essay. In: Auslander, P.; Fritsch, J.: Weltmusik. (Feedback-Papers Sonder- heft) Köln 1981, S. 127-149 94: Blumröder geht davon aus, daß “die Rezeption der Minimal Music in den siebziger Jahren zu einem Teil nichts anderes als ein deutsches Mißver- ständnis gewesen ist." (S. 199) _ 39 _

1968 und etwa 1971; zu nennen ist hier etwa Pendereckis "Acw tions" (1969). 95 Grenzgänger sind seitdem in beiden Bereichen » oder dazwischen — tätig, so Manfred Schoof, Berry Guy und Mar- kus Stockhausen. Darüber hinaus sind Vertreter der 'Free Music' zu nennen, deren Selbstverständnis nicht lediglich auf 'Jazz' oder 'E-Musik' orientiert ist, sondern für sich die Kategorie 'improvisierte Musik' beansprucht. ZU diesem sich ab Ende der 70er Jahre ausweitenden Bereich zählen Musiker wie Albert Mangelsdorff, Gunter Hampel, Willem Breuker, Heiner Goebbels. Vereinzelt werden auch auf Musikfesten Verbindungen zwischen Jazz und 'E-Musik' versucht; auf diesem Gebiet haben sich insbe- sondere die Donaueschinger Musiktage hervorgetan. 96 Bereits 1957 wurde hier ein Konzert mit orchestralem Jazz mit Eddy Sauer sowie mit dem Modern Jazz Quartet veranstaltet. ' Verschiedene Beziehungen ekistieren auch zwischen Rockmusik und zeitgenössischer 'E-Musik'.

Insgesamt betrachtet, hat sich in den siebziger Jahren und der ersten Hälfte der achtziger Jahre der stilistische Pluralismus, der in den sechziger Jahren existierte, halten und seine Basis verbreitern können. Zusammenfassend läßt sich für die Zeit seit 1970 feststellen, daß die bis dato bekannten Komponisten weiter- hin das Bild prägen, gleichzeitig aber in den USA und in der Bun- desrepublik Deutschland mit minimal music und Neuer Einfachheit eine neue Komponistengeneration euftrat/-tritt, deren historische Bedeutung derzeit noch nicht abgeschätzt werden kann. Es hat in der Mitte der 80er Jahre den Anschein, daß sich die 'Enttheoreti- sierung' der Musik weitgehend durchgesetzt habe. Mystizismus, Ak- tionskunst und Environments scheinen zumindest partiell an Boden verloren zu haben; im Musiktheater sind —trotz verschiedener Er— folge ("Lear", Aribert Reimann; "Echnaton", Philipp Glass) - neue Tendenzen nicht zu erkennen, da hier die Entwicklung individuali— sierter verläuft. Wenngleich es heute noch nicht möglich ist, die derzeitige Periode historisch definitiv einzuordnen, so scheint _es sich doch um eine durch einen Generationswechsel bedingte Übergangsphase zu handeln.

95: Zum Verhältnis von Jazz und 'E-Musik' vgl. Jost, Ekkehard: Grenzgänger. Komposition und Improvisation im Niemansland zwischen Jazz und Neuer Mu— sik. In: ders. (Hg.): Musik zwischen E und U, S. 54-69 96: Der SNF vergab auch zahlreiche Kompositionsaufträge an Jazzmusiker. l 40 _

1.2 Zur ökonomischen Situation der Komponisten

Einer detaillierten Untersuchung dieses Themas stehen mehrere Hindernisse im Wege : einerseits wurde und wird dieses Thema rfixfifizalsso relevant angesehen, daß entsprechende Erhebungen re- gelmäßig gefördert werden müßten, andererseits existieren Proble- me in den schutzbedürftigen Interessen der 'Untersuchungsobjek— te' : für die Komponisten würde — gerade weil diese Gruppe abso- lut klein ist, so daß bei weitreichender Analyse die Anonymität der Daten nicht mehr unbedingt gewährleistet sein würde - eine Angabe über soziale Verhältnisse gegenüber Dritten unter Umstän- den einen bedeutenden Eingriff in die Privatsphäre bedeuten. Statistische Angaben Über Musikberufe wurden zunächst ab 1953 im Auftrag des Deutschen Musikrates gesammelt; eine erste um- fassende Erhebung als "Selbsthilfemaßnahme des Deutschen Musik- rates" 97 wurde 1960/61 durchgeführt, eine zweite 1965/67. Diese Untersuchungen bezogen sich lediglich auf die Zahlen der berufs- ausübenden bzw. in der Ausbildung befindlichen Personen. Daten zur sozialen Situation von Komponisten wurden in der Bun- desrepublik Deutschland erstmals in einer Untersuchung des Insti- tuts für Projektstudien, Hamburg, im Auftrag des Bundesministe- riums für Arbeit und Sozialordnung zwischen 1972 und 1974 erho— ben. Diese Künstler'Enquäte, deren Ergebnisse u.a. zur Einfüh- rung des Künstlersozialversicherungsgesetzes beitrugen, beschäf- tigte sich mit Künstlern der Bereiche Musik, Darstellung, Bil- dende Kunst. 98 Aufgrund der zeitlichen Distanz zur Entstehung dieser Untersuchung sind derenquantitativenErgebnisse lediglich als Anhaltspunkte verwendbar. Es fehlen jedoch aktuellere Anga— ben. Der Nachteil des historischen Abstandes wird auch dadurch relativiert, daß der Bereich der Komposition, insbesondere in der 'E-Musik', als von Strukturveränderungen relativ gering be- troffen erscheint. 99

97: Musikberufe und ihr Nachwuchs II. Statistische Erhebungen 1965/67 des Deutschen Musikrates. Herausgegeben von Herbert Saß. Mainz 1969, S. 9

96: Fohrbeck, Karla; Niesand, Andreas Johannes: Der Künstler-Report. Musik- schaffende, Darsteller/Realisatoren, Bildende Künstler/Designer. München 1975 99: Die relative Unabhängigkeit von Strukturveränderungen schließt nicht die Abhängigkeit von konjunkturellen Schwankungen aus. _ 41 _

Die Gesamtstatistik der künstlerischen Berufe wies für die dah- re 1970—73 (ohne Arbeitslose;berücksichtigt wurden lediglich deutsche Erwerbstätige) eine Gesamtzahl von 74.200 Künstlern aus, von denen 29.900 (2 40 % 10° ) im Bereich der Musik - hierunter werden bei Fohrbeck/Wiesand sowohl Komponisten, Texter, Interpre- ten sämtlicher musikalischer Gattungen als auch Musikpädagogen etc. gefaßt — tätig waren. Die Zahl der hauptberuflichen Kompo— nisten (die nicht weiter in die Bereiche 'U'- und 'E'—Musik auf- geschlüsselt wurde) betrug ca. 600 101; insgesamt waren im Be- reich "Komponisten, Textdichter, Musikbearbeiter" ca. 1.000 Per- sonen tätig 102, wobei der Männeranteil über 95 % lag 103. Das Berufsbild des Komponisten ist — wie in den meisten anderen künstlerischen Berufen - geprägt von "professional Clusters" 104, also von der Beschäftigung in verschiedenen, miteinander ver— wandten Berufen. Komponisten Übten 1972 durchschnittlich 4,5 Tä— tigkeiten aus und wurden damit im gesamten künstlerischen Bereich lediglich von Musikbearbeitern (5,2) und Jazz/Free-Rockmusikern (4,6) Übertroffen. 105 Der Grund dieser Mobilität dürfte in den begrenzten Erwerbsmöglichkeiten des Berufs liegen : Lediglich 41 % der Komponisten gaben an, den Schwerpunkt ihres Einkommens tatsächlich in dieser Berufsgruppe zu erwirtschaften. 106

Die Studie von Fohrbeck/Wiesand konnte die These von der Rele- vanz der Medien für die ökonomische Versorgung der Komponisten belegen. Diese waren 1972 durchschnittlich in folgenden drei Wirtschaftsbereichen schwerpunktmäßig tätig : Hörfunk (zu 47 %), Fernsehen (31 %), Schallplattenindustrie und Tonstudios (42 %). Es folgten Arbeiten für Konzertbüros/Gast5pieldirektionen u.a. Veranstalter (22 %) sowie Tätigkeiten für Öffentliche Bühnen und Orchester (21 %). Weitere Tätigkeiten in den Medien waren eben-

100: Prozentangaben werden hier gerundet angegeben. 101: 1981 dürfte die Zahl der hauptberuflichen Komponisten bei ca. 800w1000 gelegen haben. Vgl.Fohrbeck/Wiesand: Musik, Statistik, Kulturpolitik. Daten und Argumente zum Musikleben in der Bundesrepublik Deutschland. Köln 1982, S. 56, 116 102: Fohrbeck/Wiesand, Künstler-Report, S. 25, Tabelle 6 103: ebd., S. 27 104: ebd., S. 106 105: ebd., S. 105, Tabelle 25 106: ebd., S. 539, Tabelle 23a _ 42 _ falls relevant : Arbeit für Produktionsgesellschaften/Synchron— firmen (17 %), für Buch-, Musik- und Presseverlage (16 %). Eben- falls stark vertreten war der Bereich des öffentlichen Bildungs- und Ausbildungswesens (16 %). Die private außermediale Beschäfw tigung ist nicht mehr in dem Maße wichtig wie früher. “Einzel- kunden, Privatschüler, Mäzene", in früheren Zeiten bedeutende Einkommensgrundlage , wurden von 16 % genannt. 107

Aus der Beschäftigungssituation läßt sich ableiten, daß die massenmediale Musikdistribution den Arbeitsmarkt strukturell daw hingehend prägt, daß die hier tätigen Institutionen Hauptauf— traggeber der Komponisten sind. Private, nichtmediale Einrich- tungen besitzen einen deutlich geringeren Einfluß. Im Bereich der Arbeitfür'die Medien liegt der Schwerpunkt bei den öffentlich— rechtlichen Rundfunkanstalten. Der privatwirtschaftlich organi- sierte Teil des Medienmarktes besitzt insgesamt einen geringeren direkten Einfluß, ist aber insbesondere für den Bereich der 'U— Musik' relevant. 108 Fohrbeck/wiesand formulieren zusammenfassend: "Für einzelne Berufe (Komponisten, Sprecher, Kameraleute etc.) spielen die Arbeitsmöglichkeiten bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine ausschlaggebende, für die Übrigen Berufe in den Bereichen Musik und Darstellung/Realisation zumindest eine bedeutsame Rolle. Künstler stellen den größten Teil der hauptberuflichen 'Freien Mitarbeiter' der Sender." 109 "Für rund ein Viertel der hauptberuflichen Musikschaffenden, zählten die öffentlich-rechtlichen Rundfunk— und Fernsehanstalten in der BRD zu den (vom Einkommen her betrachtet) wichtigsten Auftrag— oder Arbeitgebern." 110

Ein großer Teil der Komponisten ist im steuerrechtlichen Sinn selbständig, jedoch lag der Anteil der “unternehmerähnlichen” Personen bei lediglich 8 %. 111 Etwa 3/5 der Komponisten/Texter/ Musikbearbeiter waren als arbeitnehmerähnliche Personen einzuord— nen. 112 Die Angehörigen dieser Berufsgruppe verdienten im Ver—

107: ebd., S. 120, Tabelle 27 108: ebd., S. 12i 109: ebd. 110: ebd., S. 180 111: ebd., S. 132. Unter “unternehmerähnlichen” Personen werden diejenigen Künstler verstanden, die das Kriterium der Beschäftigung eigener Ange— stellten erfüllen. 112: ebd., S. 135 _ 43 _ gleich zu anderen flnMusikbereich Tätigen überdurchschnittlich und lagen für den Bereich der abhängig Beschäftigten an der Spitze im Musikbereich. 113 Die Einkommensverhältnisse der Berufsgruppe Komponisten/Textdichter/Bearbeiter waren relativ breit gestreut, bei höherem Anteil der oberen Einkommensgruppen. 114 Insgesamt lagen die Einkommen der Komponisten zwar deutlich Über denjenigen der Arbeitnehmer, aber ebenso deutlich unter denjenigen ver- gleichbar ausgebildeter und qualifizierter Beschäftigter und Freiberufler. 115

Neben direkten Einkünften aus eigener Arbeit sind für die Be- rufsgruppe Komponisten/Texter/Arrangeure die Einnahmen aus den Ausschüttungen der in diesem Bereich tätigen Verwertungsgesell- schaft, der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und Verwertungsrechte),bedeutsam. 86 % der in dem Tätigkeitsbereich Arbeitenden waren "Mitglied einer Verwertungsgesellschaft"; zu 58 % bezogen sie hieraus Einnahmen, "die mehr als Bagatell—Ein- künfte waren". 116 Für 51 % der Berufsgruppe stellten die Bezüge via Verwertungsgesellschaften 117 die Haupteinnahmequelle im küsntlerischen Bereich dar.118 Die von der GEMA ausgeschütteten Gelder stiegen im Laufe der Jahre beträchtlich an, was sowohl aus der Vermehrung des Programmangebotes der Rundfunkanstalten als auch aus der Vergrößerung des Schallplattenmarktes - beide Fak— toren stellen neben der direkten Aufführung entscheidende Finanz-

quellen der GEMA dar - resultiert. Während 1972 ca. 216 Mio. DM eingenommen wurden 119, waren es 1981 knapp 503 Mio. DM 120. Die Verwaltungskosten der GEMA liegen bei ca. 12 % 121, die restli—

113: ebd., S. 271, Tabelle 65 114: ebd., S. 237, Schaubild 45 115: ebd., S. 229 f. 118: ebd., S. 249 117: Bei Nebentätigkeiten als Musiker/Dirigent kommen ggf. zu den Einkünften von Seiten der GEMA solche von der GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten). 118: Dies dürfte insbesondere für Komponisten der 'U-Musik' gelten. 119: Fohrbeck/Niesand, Künstler—Report, S. 221 120: Schulze, Erich: Urheberrechte und verwandte Schutzrechte als Wirtschafts— faktor. In: Musikspiegel. Informationsdienst des SPIDEM. Nr. 14, Septem— ber 1983, S. 6—18, S. 7 121: Wassner, Fernando: Geld für leere Bänder. In: FAZ, 07.08.1982 (zitiert nach Sonderdruck) _ 44 _ chen Gelder kommen zur Ausschüttung. An die 'ordentlichen Mit- glieder‘ - hierunter fallen Komponisten, Texter, Bearbeiter und Musikverlage, die ein bestimmtes Tantiemenaufkommen nachweisen können; ihre Zahl liegt bei ca. 1500 122 — ergingen ca. 60 % der zur Verteilung bestimmten Gelder. Faktisch ist mit der Existenz der GEMA im Bereich der Musikproduktion das closed—shop-Prinzip realisiert. Da die Einnahmen der Verwertungsgesellschaften zum Teil von den Abgaben der Rundfunkanstalten abhängen 123, erweist sich auch hier eine gewisse ökonomische Abhängigkeit der Komponisten/Tex- ter/Arrangeure von der massenmedialen Musikdistribution. Befürche tungen, daß sich Kunst und Massenmedien nicht 'vertragen', sind somit zumindest in ökonomischer Hinsicht nur eingeschränkt gül- tig. 124

Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß die Massenmedien - sowohl solche, die Musik als klingende distribuieren, als auch solche, die Noten vertreiben bzw. (über) Musik publizieren - die bedeutendsten Beschäftigungsmöglichkeiten für Komponisten/Texter/ Arrangeure bilden. In erster Linie sind hier die öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten zu erwähnen. (0b es sich hierbei um subjektiv zufriedenstellende Tätigkeiten handelt, kann nicht erörtert werden. Ebenso ist nochmals darauf hinzuweisen, daß die genannten Zahlen aufgrund des Erhebungsdatums lediglich als An- haltspunkte dienen können.) Prognosen Über künftige Entwicklungen können nicht mit Sicher» heit getroffen werden; anzunehmen ist jedoch, daß sich der Markt für musikalische Kompositionen weiter ausdehnen wird - vornehm- lich im Bereich der 'U-Musik' -, was jedoch nicht unbedingt auf den Schallplattenmarkt zurückschlagen wird. Dort ist die Tendenz widersprüchlich. Nach einer Stagnations- bzw. Rezessionsphase

122: Fohrbeck/Niesand, Musik,Statistik‚Kulturpolitik, S. 116 123: 1984 wurden von den Landesrundfunkanstalten 45,0 Mio. DM an die GEMA und 16,1 Mio. DM an die GVL entrichtet (ABDwJahrbuch 85, S. 367, Tabele 1e 27) 124: Abgenommen hat insgesamt v.a. die Zahl der in Unterhaltungsorchestern tätigen Musiker und Bearbeiter. _ 45 _

ab 1980 hat sich seit dem letzten Quartal 1984 der Absatzverlauf wieder gebessert. Bis Ende 1983 war besonders die 'E-Musik' vom Verkaufsrückgang betroffen. Ihr Anteil am Tonträgermarkt sank 1983 von 10 % auf 9 %, die Verkaufszahlen von 10,7 Mio. auf 9,6 Mio. Stück Langspielplatten. Allerdings gingen die neu ein— geführten Compact Discs (CD) noch nicht in die Statistik ein; sie sind zu einem bedeutenden Teil der 'E-Musik' zuzurechnen. 125 Die aus dem Plattenverkauf resultierenden Einnahmen kommen in der 'E—Musik' jedoch nur zu Bruchteilen den zeitgenössischen Kom— ponisten zugute (obwohl oder auch gerade weil die 'E—Musik' in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich einen relativ hohen Marktanteil besitzt). Umso mehr kommt es für diese Kompo- nisten darauf an. von öffentlichen Einrichtungen beschäftigt zu werden. Hierzu zählen neben Hochschulen und anderen Bildungsein- richtungen insbesondere die Rundfunkanstalten; deren Programm- planung aber richtet sich - in Anbetracht der kommenden privat- wirtschaftlich organisierten Konkurrenz und des daraus erwachsen- den Kampfes um Höreranteile - in immer stärkerem Maße an der Er— füllung von Publikumspräferenzen aus, was sich in der Erhöhung des Unterhaltungsanteils widerspiegelt. 126

1.3 Musik und Publikum

Der Musikmarkt ist mit einem Jahresgesamtumsatz von ca. 25 Mrd. DM (E 1,6 % des Bruttosozialprodukts der Bundesrepublik Deutsch- land; Stand 1980/81 127 ) der drittgrößte Freizeitmarkt in der Bundesrepublik Deutschland. 128 "6,5 Millionen Bundesbürger mu- sizieren selbst. 4,5 Millionen sind allein in Musikvereinen und

125: Schulze-Reimpell, Werner: Die rasante Talfahrt der tönenden Scheiben. In: Neue Musikzeitung (NMZ). 33. 39., Oktober/November 1984, S. 41 / Media Perspektiven 9/85, S. 718 _126: vgl. auch Kapitel 3 dieser Arbeit 127: vgl. Fohrbeck/Wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik 128: Da ist Musik drin. Bürger geben für Hörgenuß Milliarden aus. In: Kurier am Sonntag, Bremen, 14.10.84, S. 8 _ 45 _

Chören organisiert." 129 Das Musikhören gehört zu den beliebte- sten Freizeitbeschäftigungen : neben den 22 Minuten, die täglich durchschnittlich für das Hören von Industrietonträgern aufge- bracht werden 130, ist ein bedeutender Teil der Radionutzung (s.u.) sowie ein zunehmender Teil der Fernsehnutzung ebenfalls der bewußten oder unbewußten Musikperzeption, letztere beispiels- weise in Magazinprogrammen, zuzurechnen. “Auf der Fahrt zur Ar— beit und am Arbeitsolatz hört jeder im Durchschnitt eineinhalb Stunden Musik täglich." 131 Selbst wenn man eventuelle methodi- sche Probleme, die mangels genauer Angabe des Untersuchungsver- fahrens nicht diskutiert werden können, berücksichtigt, gelangt man zu dem Ergebnis, daß die Perzeption bzw. Rezeption von Musik einen quantitativ als auch qualitativ bedeutenden Stellenwert für einen Großteil der Bevölkerung besitzt. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen sämtliche anderen bekannt gewordenen Untersuchungen. Elisabeth Haselauer betont für "die breiten Mittelschichten ... die Existenz einer unvermutet großen Nunschwelt, in der die Musik eine äußerst beachtliche Rolle spielt." 132 "Die entworfene 'Nunschrealität' beweist einmal mehr, in welchem Maß der Stellenwert von Musik als sozial Leben— digem von der sozial-psychischen Verfassung der entsprechenden Pepulation abhängt." 133 Im Gegensatz zur Untersuchung Haselauers beziehen sich die mei- sten anderen Forschungen auf das tatsächliche Bezeptionsverhal— ten. Eine vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Illustrierten "Stern" im Januar 1984 durchgeführte Befragung Über das allgemeine Verhältnis der Bevölkerung zur 'Kultur' 134 belegt

129: ebd . 130: Arbeitsgemeinschaft Rundfunkwerbung (ARN)(Hg.): Media Perspektiven. Daten zur Mediensituation in der Bundesrepublik. Frankfurt/Main August 1983, S. 41. Datenbasis iSt der Zeitraum 1981/82, befragt wurden Personen ab 14 Jahren.

131: Da ist Musik drin... 132: Haselauer, Elisabeth: Musik - Luxusartikel oder Überlebensfaktor ? Umfrage-Ergebnisse. Wien/München 1982, S. 79. (Von 500 im Jahre 1981 in Wien durchgeführten Interviews waren 420 für diese Untersuchung auswertbar.)

133: ebd. 134: Kesting, Jürgen: Von Goethe reden, aber J.B. sehen. Der Michel und die Musen : Der STERN fragte die Bürger, was sie über Kultur denken, welche i 47 _

die Abhängigkeit des Musikinteresses vom Alter : im Bevölkerungs- durchschnitt (ab 16 Jahre) wird das Hören von Musik von 42,6 % der Befragten als eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen geb nannt. Dieser Anteil variiert jedoch beträchtlich : beträgt er bei den 16-2Üjährigen fast 3/4 (74,5 %), so sinkt er kontinuier- lich bis auf 27,1 % bei denjenigen, die 60 Jahre und älter sind. 135 Die Altersabhängigkeit spiegelt sich auch in den Ergebnissen 136 der teleskOpie-Erhebungen wider in denen nach tatsächlichen Reichweiten und Nutzungsdauern gefragt wurde. Tonträger werden durchschnittlich 22 Minuten/Tag gehört, von Männern (25 m/d) länger als von Frauen (20 m/d). Während die 14'19jährigen täglich 59 Minuten Platten]Kassetten/Tonbänder hören, sind es bei den 137 Über 78jährigen lediglich 6 Minuten. Die Reichweite des Hör- funks liegt im Tagesschnitt bei 78,6 %, wobei sie am größten in der Altersgruppe zwischen 20 und 49 Jahren ist (> 80 %). 138 Die tägliche Nutzungsdauer beträgt durchschnittlich 151 Minuten 139; die Streuung ist hinsichtlich der Variable 'Alter' bedeutend Die 14-19jährigen (115 m/d) und die Über 70jährigen (111 m/d) hören vergleichsweise am wenigsten Radio, bei den 20-29jährigen sind es hingegen bereits 172 m/d; die 30-39jährigen liegen mit' 181 m/d an der Spitze. 140 Stellt man diese Zahlen denjenigen gegenüber, die differenziert Aufschluß auf die jeweilige Sendernutzung geben 141, ergibt sich, daß der Anteil der Hörer, die die 'Service'— bzw. 'Easy Liste— 142 ning'—wellen empfangen bei weitem überwiegt; ausgesprochene 'Kulturprogramme' werden von weniger als 1U % der Hörer genutzt.

Geistesgrößen sie am meisten schätzen und wie sie mit den schönen Kün- sten im Alltag umgehen. In: Stern, Nr. 21/1984, 17.05.1984, S. 24-28 135: ebd., S. 26, Tabelle 2; Samplegröße n = 2171 (S. 24) 136: ARN, Daten zur Mediensituation..., S. 40f. 137: ebd., S. 41 138: ebd., S. 40 139: ebd., S. 41 140: ebd. 141: ebd., S. 38 142: Hierunter werden in Nord- und Westdeutschland die Zweiten Programme (AUSw nahme : RB 1), in Süddeutschland die Dritten Programme (Ausnahme : Euro- welle Saar) verstanden. _ 48 _

Hält man sich zusätzlich vor Augen, daß der Anteil der 'E—Musik' auch am Tonträgermarkt inzwischen auf unter 10 % abgesunken ist,

scheint eine relative Bedeutungslosigkeit der 'E-Musik' im Alltag zu existieren. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, daß ein An— teil von 1/10 an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Über 14 Jahren in absoluten Zahlen ausgedrückt immer noch eine Gruppe von gut 5 Millionen Menschen darstellt. Außerdem läßt die Quanti- tät der Nutzung keinen zwingenden Rückschluß auf deren Qualität

und Intensität zu.

Welche Faktoren die musikalischen Präferenzen beeinfluSsen, wurde verschiedentlich versucht, zu klären. Eine der differen- ziertesten derjenigen Untersuchungen, die sich auf die Rundfunk- distribution beziehen, wurde von der Schweizerischen Rundspruch- gesellschaft durchgeführt. 143 Ausgehend von der These, daß das "potentielle Publikum einer Musiksendung ... primär durch die Mu- sikpräferenzen als Grundraster, aber auch durch die im Tagesab— lauf wechselnden Erwartungen und durch die konkrete Gestaltung bestimmt" wird 144, wurde der Entwurf einer Hörertypologie ver- suicht. Die SRG-Studie, deren quantitative Ergebnisse aufgrund anderer Verhältnisse in der deutschsprachigen Schweiz nicht di- rekt auf die Bundesrepublik übertragen werden können, jedoch ten— denziell Gültigkeit haben dürften, teilt das Publikum in fünf Gruppen ein 145: . — "'Volkstümlicher' Typ" 21 % - "'Progressiver' Typ" 19 % — "'Rock-Pop'—Typ“ 19 % - "'Vielhörer'-Typ" 26 % — "'Klassik‘—Typ" 16 %. Der "'Klassik'—Typ" hört gerne 'klassische' Musik (d.h. Musik zwischen Barock und Anfang des 20. Jahrhunderts), aber er ist auch an 'U'-Musik interessiert. "Neben seinen besonderen Vorü

143: Musik und Publikum (Deutsche Schweiz). Herausgegeben von M. Steinmann/ E. Neibel (SBG Forschungsdienst). Bern 1979 144: ebd., S. 14 145: ebd., S. 40 f. _ 4g _

lieben unterscheidet ihn nichts von der Übrigen Bevölkerung, außer daß er Klassik lieber im Konzert hört und auch in leichter gemischter Musik vertreten haben möchte." 146 Die nach der SRG-Studie wichtigsten demographischen Faktoren, die die Musikpräferenzen beeinflussen, sind — in der Reihenfolge ihrer Relevanz -: Alter, Schulbildung, (mit deutlichem Abstand :) Wohnort, Geschlecht. 147 Verschiedene musikalische Sparten verhalten sich jedoch wei- testgehend neutral auch gegenüber den o.a. Faktoren. Hierzu ge- hört auch die zeitgenössische ‘E-Musik', die nicht an den “'Klas- sik'-Typ" gebunden ist “Einzig die Sparte 'Zeitgenössische ernste Musik, Avantgarde' zeigt praktisch keinen Ausschlag in bestimmter Richtung, auch nicht bei den Musikbeispielen, die in diese Kategorie gehören." 148 "Die Vorliebe für die Avantgarde ist offenbar unabhängig von musika— lischen Gattungsgrenzen. Im gesamten Übrigen Sektor der ernsten Mu- sik ist die Übereinstimmung der Präferenzen besonders ausgeprägt, d.h. daß das Publikum hier besonders homogen ist." 149 Zu vergleichbaren Ergebnissen gelangt die im Auftrag der Rund— funkanstalten in der Bundesrepublik durchgeführte Funkmedienana— lyse "Auf keinen Fall kann ... behauptet werden, daß E-Musik zu hören die Sache einer besonderen Bevölkerungsschicht sei. Eher läßt sich ver- muten, daß die Zahl der E—Musik—Hörer'zum Teil von der Qualität des entsprechenden Programmangebots abhängt.“ 150 Nutzer von 'Minderheitenprogrammen' hören auch andere Programme 151 . in starkem Maße; sie hören insgesamt mehr Radio. ‘E-Mus1k'- Hörer scheinen gekennzeichnet durch lediglich schwache Verzer- rungen hinsichtlich der formalen Bildung sowie der Nicht-Erwerbs- tätigkeit. 152 Innerhalb der Gruppe der 'E—Musik'-Hörer bzw. Nut- zer von Minderheitenprogrammen liegt der Anteil derjenigen, die

146: ebd., S. 56 147: ebd., S. 24 ff. 14B: ebd., S. 34 149: ebd., S. 38

150: Eckhardt, Josef: 'E—Musik'-Hörer: Echte Minderheiten ? In: Rösing, Hel- mut (Hg.): Symposium Musik und Massenmedien. München/Salzburg 1978, S. 111—116, S. 113. Eckhardt bezieht sich auf die Funkmedienanalysen 1974 und 1976. 151: ebd., S. 111 152: ebd., S. 112. Unter den 'E-Musik'—Hörern finden sich mehr formal hoch gebildete sowie mehr Nicht-Erwerbstätige. _ 50 _

Interesse an der Programmkategorie "Neue Musik, Avantgarde" be- sitzen, bei lediglich 13 %. 153 Eine Analyse dieser Hörergruppe in Bezug auf ihre soziale Zusammensetzung fehlt. Ähnlich groß wie diese Gruppe ist auch derjenige Teil der 'E—Musik'—Hörer, der mehr unbekannte Werke im Programm vertreten sehen möchte (14 %) 154 , wobei dies aber nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem Wunsch nach mehr zeitgenössicher Musik ist.

Es kann davon ausgegangen werden, daß die Distribution der 'E—Musik' im Rundfunk ein sowohl quantitativ als auch qualitativ breiteres Publikum anspricht, als wie es in Konzertveranstal— tungen geschieht, die zudem eine gewisse regionale Konzentration . 155 aufweisen.

Es stellt sich die Frage nach den Ursachen der relativ geringen Akzeptanz zeitgenössischer 'E-Musik'. Während bis vor etwa 150 Jahren ein tradiertes Repertoire für öffentliche Aufführungen außerhalb religiöser Veranstaltungen nur in Ansätzen existierte, kam es mit der Entstehung des bürgerlichen Konzertbetriebs und dem Aufkommen des Historismus' zur allmählichen Herausbildung eines Kanons verschiedener 'Standardwerke'. Nichtsdestoweniger bildeten jeweils neue Werke die Grundlage der öffentlichen Musik- distribution. Dies änderte sich erst mit der Handlung der musi- kalischen Sprache wesentlich. Mit dem Verlust einer tradierten, einheitlichen 'Sprache' (derjenigen der funktionellen Tonalität) schwinden auch die Chancen der neuen Musik, ein zunehmend indivi- dualisiertes Publikum zu erreichen. Dieses indessen besitzt in steigendem Maße durch die Verbreitung technischer Mittler eine weitgehend individuelle Zugriffsmöglichkeit mit hohem Anteil an

Unterhaltungsmusik. Zu konstatieren ist außerdem eine unzurei— chende musikalische Bildung in weiten Teilen der Bevölkerung.

153: ebd., S. 113. Für die Gesamtbevölkerung (ab 14 Jahre) wird für diese Kategorie ein Anteil von 10 % genannt (ebd.). 154: ebd., S. 115 155: Fohrbeck/Niesand nennen für 1980/81 eine Zahl von 4,8 Mio. Besuche öffentlicher Konzerte mit 'E—Musik' (ohne Kirchenmusik und Musikthea— ter). Zu berücksichtigen ist, daß die Zahl der Besucher jedoch deutlich unter der angegebenen Zahl der Besuche liegen dürfte Bad deutlich ge— ringer als die Zahl der 'E-Musik'-Hörer im Rundfunk sein dürfte. (Fohrbeck/Wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 64, Übersicht 0) _ 51 _

Grob skizziert lassen sich für die marginale Situation der zeitgenössischen 'E-Musik' folgende Ursachen anführen

— Zeitgenössische 'E—Musik' steht - von wenigen Ausnahmen abge- sehen - nicht in der Tradition der funktionalen Tonalität, die als ehemals universelle Tonsprache noch heute in der 'U—Musik' weitgehend verbindlich ist.

- Zeitgenössischer 'E4Mmik' haftet der Charakter des 'Atonal - Unschönen' sowie der gesellschaftlichen Exklusivität, des 'Ex» zentrischen', an; realiter vorhandene Tendenzen unterliegen ei- ner Eigendynamik. 156

- Die musikalische Sprache neuer Musik ist oftmals so weit indi— vidualisiert, daß sie ohne vorherige theoretische Kommentare nicht verständlich erscheint. Eine sofortige Faßbarkeit (nicht mit 'Verständnis' gleichzusetzen, sondern eine Vorstufe dessen) ist auch für einen geübten Hörer oft nicht möglich.

- Die musikalische Allgemeinbildung der Bevölkerung ist relativ gering und weitgehend an traditionellem Material ausgerichtet.

— Die Entwicklung der zeitgenössischen 'E—Musik' findet weitges hend in einzelnen Zentren statt; sie ist von der Masse der Mu- sikinteressierten (geographisch) entfernt. (Hierbei stellt sich allerdings die Frage nach den Kausalitäten !)

„ Oft ungewöhnliche Besetzungen wirken sich negativ auf eine eventuelle Integration moderner Werke in das normale Konzert— programm aus.

„ Das ökonomische Risiko in Produktion und Distribution wirkt

sich verstärkend auf die skizzierte Situation der neuen Musik

GUS.

Zusammenfassend stellt sich die zeitgenössische 'E-Musik' als eiü ne Musik dar, die in ihrer Rezeption auf quantitative Minderhei- ten beschränkt bleibt. fen bleibt, ob und wie diese Situation geändert werden kann.

156: Im Vergleich hierzu scheint die These Günter Kleinens (Massenmusik. Die befragten Macher. Wolfenbüttel/Zürich 1983), daß die “Avantgarde-Musik" aufgrund des Niederschlage der "zwiespältigen Lebensbedingungen" “für viele so Unerträglich“ sei (S. 21) von weitaus geringerer Relevanz. Der bei Kleinen angesprochene Sachverhalt dürfte in der Regel vom Zuhörer nicht direkt nachvollziehbar sein, sondernallenfalISEfir:auslösendes Mo- ment für den Komponisten darstellen. „ 52 _

2. ZUM KULTURAUFTRAG DES ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNKS

Der 'Kulturauftrag' des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zählt zu denjenigen Sachverhalten, die zwar in kommunikationspoliti- schen und —soziologischen Diskussionen immer wieder Erwähnung finden, jedoch nicht eindeutig definiert sind. An dieser Stelle soll deshalb versucht werden, den Begriff mit seinen Implikatio— nen so darzulegen, daß im weiteren Verlauf der Arbeit das Ver— hältnis von zeitgenössischer Musik zum Rundfunk auch unter die- sem Aspekt näher betrachtet werden kann.

2.1 Zum historischen Aspekt des 'Kulturauftrags'

Seit dem Beginn der ständigen Programmaufnahme des Rundfunks in Deutschland am 29.10.1923 wurden rundfunkpolitische Regelungen — zumindest offiziell - häufig durch auf 'die Kultur' verweisende Argumentationen begründet. Bereits die Subordination des Rund— funkwesens unter die — in der politischen Ordnung Deutschlands des 19. Jahrhunderts gründende - traditionelle Kulturhoheit der Länder verdeutlicht dies. In der politischen Debatte um die Ein- führung und Organisation des Rundfunks kam kulturpolitischen Ar- gumenten eine bedeutende Rolle zu. So wurde schon 1922 in der Begründung für das PostmonOpol bei der Bereitstellung der Sende- anlagen auch mit dem Argument einer kulturellen Aufgabe ope— riert. 1 Allerdings ist festzuhalten, daß sich die Einrichtung des Rundfunks letztendlich nicht primär kulturellen Zielen vere dankt. 2

Von Anfang an bildeten kulturelle Sendungen - zunächst auf Kunst und Unterhaltung konzentriert - Hauptbestandteile des Pro- gramms. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Gründungs—

1: Lerg, Winfried B.: Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik. (Rundfunk in Deutschland. Bd. 1) München 1980, S. 61 2: Dahl, Peter: Radio. Sozialgeschichte des Rundfunks für Sender und Em- pfänger. Reinbek 1983, S. 32 - 53 _ bedingungen der Rundfunkanstalten verständlich; v.a. zwei Fakto- ren waren hierfür verantwortlich - die in der Gründungsphase starke Beteiligung von Schallplatten— firmen, Konzertagenten und der Elektroindustrie 3; - die Furcht vor etwaigen Zensurmaßnahmen, die es den privaten Programmveranstaltern ratsam erschienen ließen, auf politi— sche Beiträge weitgehend zu verzichten, um einen ungestörten Sendeablauf zu ermöglichen

Als Indiz für die Bedeutung des 'Künstlerischen' mag auch die Verpflichtungserklärung der 1925 gegründeten Reichsrundfunkge— sellschaft dienen : Die RRG übernahm die Aufgabe, in (finanzielu le) Schwierigkeiten geratene Gesellschaften so zu unterstützen, daß diese in die Lage versetzt werden sollten, "ein künstlerisch einwandfreies Programm“ durchführen zu können. 5 Das ursprüngliche Konzept eines vermeintlich 'unpolitischen' Unterhaltungsrundfunks ließ sich in der Praxis nicht verwirkli— chen; es wich demjenigen eines 'überparteilichen' Radios, das sich in der Einsetzung verschiedener Kontrollgremien und letzt— endlich in der Verstaatlichung des Rundfunkwesens im Jahre 1932 ausdrückte, dabei aber selbst ad absurdum führte. 6

3: Bereits Ernst Ludwig Voss, Leiter der "Eildienst GmbH für amtliche und private Handelsnachrichten", der anscheinend als erster der Verantwortw lichen plante, den Rundfunk nicht nur zur Nachrichtenübertragung, son— dern auch für kulturelle Zwecke einzusetzen (vgl. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 63), bemühte sich für seine Saalfunkprojekte von Anfang an um die Mitwirkung von Schallplattengesellschaften, wobei er auf die am 30.12.1920 gegründete "Vox AG" stieß (ebd., S, 151). Diese Gesellschaft begann am 23.10.1923 mit der Aufnahme des ersten regelmäßigen Programmdienstes in Deutschland. Jungermann, Jimmy/ Götze, Werner (Vom Stehgeiger zum Disc—Jockey. Das Ra- dio der frühen Jahre und seine leichte Musik. In: 50 Jahre Musik im Hör— funk. Wien/München 1973, S. 120-125) weisen darauf hin, daß in der An- fangszeit des Radios Musikprogramme von Schallplattengeschäften zusame mengestellt und in den Ansagen neben den Künstlern noch Plattenfirma und Bestellnummer genannt wurden (S. 122). 4: Allerdings waren auch 'Kulturprogramme' der Zensur unterworfen. Maßgebliche Instanz waren dabei nicht die relativ wirkungslosen Kulturbeiräte, die lt. ”Genehmigung zur Benutzung einer Funksendeanlage der DRP für die Zwecke des Unterhaltungsrundfunks " (sic !) vom 04.03.1926 in jedem Sender zu gründen waren, sondern die Überwachung wurde direkt von den politischen Kontroll- ausschüssen vollzogen. 5: Verpflichtungserklärung der Reichs—Rundfunk-Gesellschaft mbH vom 10.09. 1925; abgedruckt in Lerg, Rundfunkpolitik ..., S. 400 ff.

6: Anzumerken ist, daß die vermeintliche 'Überparteilichkeit' , sofern sie -54._

Künstlerische/kulturelle Sendestrecken waren von Anfang an wichtigster Programmteil. In die zweite Hälfte der 20er Jahre fallen erste Versuche einer theoretischen Auseinandersetzung (insbesondere in Bezug auf die bloß auditive Vermittlungsform) mit diesen Programmen und deren systematischer Organisation. Die Westdeutsche RundfunküA.G. Köln begann 1927 mit der Aus- strahlung von Schulfunksendungen, die bald von anderen Anstalten nachgeahmt wurden. Zielgruppenorientierte Ratgeberprogramme beka- men bei allen Rundfunkgesellschaften feste Sendezeiten. Musik war quantitativ herausragender Programmpunkt, aber auch literarische Sendungen bis hin zum Hörspiel als funkspezifischer Gattung, philOSOphische Vorträge (Radio-Essays) und aktuell-kulturelle Beiträge wurden zu festen, quasi normativen Rubriken.

Als explizites Bildungsprogramm wurde auf nationaler Ebene 1926 die “Deutsche Welle" gegründet. Deren Musikbeiträge waren Über- nahmen von den regionalen Rundfunkanstalten , Bildungssendungen der verschiedensten Kategorien (Lehrerausbildung, Allgemeinbil- dung, zielgruppenorientierte Sendungen) wurden hingegen selbst produziert.

Die systematische Inanspruchnahme des Rundfunks durch die Re- gierung Hitlers bewirkte auch eine vollständige Integration kul- tureller Sendeinhalte in ein politisches Radiokonzept. Als Be- standteil einer vielfältigen Propagandaarbeit wurde der Rundfunk bereits 1932 als "stärkste Kulturweffe, die uns heute zur Verfü- gung steht“ 8, bezeichnet. Ihre Attacken gegen das Radio der Weimarer Republik führte die NSDAP u.a. mit Hinweisen auf die vermeintliche "Kulturschande, die heute vielfach in den Sende- häusern Deutschlands getrieben wird".9 Während des 'Dritten

überhaupt jemals existiert hat, 1932 praktisch längst überholt war. Poli— tische Einflüsse wirkten sich nicht nur auf Personalpolitik und politische Programme aus, sondern reichten auch in den künstlerischen Sendebereich. 7: vgl. Lerg, Rundfunkpolitik ...‚ S. 303 ff. 8: Völkischer Beobachter vom 06.08.1932. Nach: Diller, Ansgar: Rundfunkpoli- tik im Dritten Reich. (Rundfunk in Deutschland. Bd. 2) München 1980, S. 38 9: ebd., S. 39 _ 55 _

Reichs' kamen dem Rundfunk verschiedene Aufgaben zu, deren Ge- wichtungen sich zwischen 1933 und 1945 mehrfach verschoben. Poli- tisch—propagandistische Programme wechselten mit scheinbar unpo— litisch—unterhaltsamen, die eine 'Ablenkungsfunktion' ausüben sollten. Als Mittel, um den 'Volksgenossen"eine gesellschaftli- che Integration vorzuspiegeln und zu vermitteln, diente der Ver- such der Schaffung einer 'nationalen Kultur' durch Ausschluß 'nichtarischer' Künstler und Kunstformen aus den Programmen.

Nach Kriegsende wurden unter Leitung der Alliierten die Rund- funkanstalten wiedereröffnet und in den folgenden Jahren wieder in deutsche Aufsicht übergeben. Konzeptioneller Schwerpunkt war zunächst die antifaschistische Erziehung. “Politische Themen fan- den ihren Einzug in die Programme nur im Rahmen der Umerziehung der Deutschen. Für die Programmgestalter blieb somit nur der sozio—kulturelle Bereich übrig." 10 Hier überholte die Rundfunk- praxis die (fehlende) Theorie einer medialen Kulturarbeit : Der durch 12 Jahre kulturelle Isolation entstandene Nachholbedarf ermöglichte - insbesondere im Bereich der Musik - eine in stär» kerem Maße als zuvor übliche Programmgestaltung mit Werken moder- ner und ausländischer Kunst 11; dem Radio kam primär die Aufgabe der Informationsvermittlung zu.

Zu einer Formulierung kulturpolitischer Zielsetzungen des Rund- funks kam es in den drei Westzonen bzw. in der Bundesrepublik Deutschland/Berlin (West) in den nunmehr zu schaffenden Rundfunk- gesetzen und -satzungen. Deren Vorbild waren die Bestimmungen der BBC. Es wurden allerdings auch in den Rundfunkgesetzen die Aus— führungen hinsichtlich einer kulturellen Aufgabe des Rundfunks sehr vage gehalten und nicht näher konkretisiert. Primär waren und sind die Programmrichtlinien an politischen Zielsetzungen ausgerichtet. 12

10: Grün, Rita von der: Wer macht das Programm ? Rundfunkentwicklung nach 1945. In: Heister/Stern, Musik SOer Jahre, S. 25*33, S. 27 11: Als einflußreich für die Programmgestaltung erwiesen sich Importe und Spenden aus den Siegerstaaten des 2. Weltkriegs. 12: Dies gründet selbstverständlich mit auf den durch die Verwendung des Ra- dios als PrOpagandainstrument während des 'Dritten Reichs' gewonnen Erfah— rungen. Der Bereich der künstlerischen]kulturellen Programmgestaltung erwies sich demgegenüber als wenig problematisch, betrachtete man die bis dato vollzogene Entwicklung. _ 55 -

Bis in die sechziger Jahre hinein war der 'Integrationsrund— funkl unbestrittene Grundlage der Programmkonzeptionen. Zwar nicht direkt von einem 'kulturellen Sendungsbewußtsein' ausge— hend, jedoch in der Tradition einer humanistischen Bildung stew hend, ist es Ziel dieser Planung, durch Vermittlung spezifischen und allgemein-gesellschaftlichen Wissens die gesamte Bevölkerung am wachsenden Erkenntnisstand partizipieren zu lassen, um sozial und infrastrukturell verursachte Differenzen zumindest in Ansät- zen zu eliminieren; angestrebt wird das klassisch-humanistische Bildungsideal des allseitig ausgebildeten Citoyen. Das Ziel ist der bewußt selektierende Rezipient. 13 Der Integrationsrundfunk schließt die Verpflichtung zur Selektion des potentiellen Pro“ grammaterials nach qualitativen Kriterien ein. Diese wiederum leiten sich - zumindest im Idealzustand - von als objektiv er- achteten Bewertungsrichtlinien für Kunst-[Kulturerzeugnisse ab. 'Kultur' wird im engeren Sinn gesehen als Summe qualitativ hoch- wertiger Kunsterzeugnisse, Wissenschaftsergebnisse u.ä.; diese gilt es zu bewahren. In der Tradition des integrationistischen Rundfunkkonzeptes formulierte der damalige Intendant des WDR Klaus von Bismarck noch 1967 "Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundes— republik orientiert sich nicht an kömmerziellen Gesichtspunkten, nicht an den Wünschen der Mehrheit, sondern am Bewußtsein einer politischen und kulturellen Verantwortung im Blick auf die Gesamtbevölkerung des Ausstrahlungsbereichs. Wenn man die Frage nach den Kriterien solcher Verantwortung stellt, so mUß man zunächst die Informationspflicht nen- nen. Das Publikum hat ein Anrecht darauf, durch die Massenmedien Funk und Fernsehen Über alle Vorkommnisse auf den Gebieten der Kunst und Wissenschaft orientiert zu werden. Es gehört weiter zu den journali— stischen Aufgaben, diese Ereignisse und Entwicklungen Zu interpretie- ren, zu kommentieren und zu kritisieren." 14

Etwa 197D begann die verstärkte Umorientierung in Richtung eie nes zielgruppenorientierten Hörfunks, in dem nicht mehr nur ein- zelne Sendungen für bestimmte Hörergruppen konzipiert wurden (was

13: Bismarck, Klaus von: Der Rundfunk als Kulturfaktor. 0.0. (Köln) 1968, S. 9 (Bei diesem Buch handelt es sich um eine Sammlung von Referaten welche am 21.12.1967 vor zuständigen Gremien des WDR gehalen wurden.) 14: ebd., S. 10 -57- seit den Anfängen des Rundfunks Praxis war), sondern ganze Pro- gramme. Technische Voraussetzung dessen war die Einführung des UKW-Rundfunks in den 50er Jahren, wodurch zusätzliche Programme ermöglicht wurden. 1971 begann der BR mit der Ausstrahlung der ersten 'Servicewelle"(Bayern 3), ein Jahr später folgte der HR (hr 3). Die Programmvermehrung ermöglichte eine Differenzierung der Inhalte, wobei jedes Programm durch eine bestimme 'Musikfar- be' charakterisiert wird. Diese wiederum ist abhängig von den Präferenzen der angesprochenen Zielgruppe. Ausgangspunkt für die— se Veränderungen der Programmstrukturen waren Bestrebungen, die während der 60er Jahre durch die Verbreitung des Fernsehens zu- rückgegangene HörfunknutZung wieder zu verbessern — bei vielen Sendern nicht zuletzt, um durch so steigende Werbeeinnahmen die sich bei Marktsättigung Ende der 60er Jahre aufgrund wachsender Kosten ergebenden realen Mindereinnahmen auszugleichen. 15 Das Dilemma des traditionellen Integrationsrundfunks war jedoch nicht nur finanzieller Art : In dem Maße, wie die Hörerzahlen sinken, ist nicht nur die Finanzierung gefährdet, sondern die In— tention einer massenwirksamen Bildung ist nicht mehr erfüllbar, das Publikum wird nicht mehr erreicht.

Die Wandlung zum Zielgruppenrundfunk ist jedoch vor dem wei- terhin existierenden Gebot einer gesellschaftlich integrativen Funktion des Rundfunks zu sehen, wie sie das Bundesverfassungs— gericht festgeschrieben hat. 16

15: Zur sogenannten 'Finanzmisere' des Rundfunks Vgl. Herbers, HeinZFHermann: Wirtschaftliche Grundlagen und Probleme des Hörfunks. In: Aufermann, Jörg; Scharf, Wilfried; Schlie, Otto (Hg.): Fernsehen und Hörfunk für die Demo— kratie. Üpladen 1979, 2. Auflage 1981, S. 63-91 16: So im ersten der beiden Leitsätze zu dem Urteil des Zweiten Senats vom 27. Juli 1971 (- 2 BvF 1/68 - 2 BvR 702/68)('Mehrwertsteuerurteil') "1. Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten vollzieht sich im öffentlich- rechtlichen Bereich. Die Rundfunkanstalten stehen in öffentlicher Ver— antwortung, nehmen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und er— füllen eine integrierende Funktion für das Staatsganze. Ihre Tätigkeit ist nicht gewerblicher oder beruflicher Art." (Abgedruckt in: Kirche und Rundfunk/Kirche und Fernsehen — Dokumentation, Nr. I/1971, 29.07.1971) - 58 _

Im Gegensatz zu den zunächst als 'Kontrastprogramm' konzipier- ten zweiten Hörfunkprogrammen, die anfangs nicht als Vollprogram- me angelegt waren, manifestierte sich die Handlung zum Zielgrupw penorientierten Radio insbesondere mit der Herausbildung der 'Ta- gesbegleitprogramme'. (Zu deren publikumswirksamen Gestaltung wurden verstärkt Ergebnisse der empirischen Kommunikationsfor- schung herangezogen; diese übernimmt seitdem in immer stärkerem Maß die Funktion eines Planungsinstruments.) Insbesondere wird in den Tagesbegleitprogrammen die Toleranz des Hörers gegenüber Programminhalten w sowohl Wortbeiträgen als auch Musik 17- dazu benutzt, einerseits eine möglichst große Zahl von Hörern für das Prügramm zu interessieren, andererseits diese Hörer Über lange Zeit an das entsprechende Programm zu binden.

2.2 Zum 'Kulturauftrag' der ARD—Anstalten

Nie angedeutet, enthalten die in der Rundfunkgesetzgebung fest- gelegten Programmgrundsätze keine konkreten Ausführungen zu einem 'Kulturauftrag'. Ebenso bleibt dieser auch von der Kommunika- tionswissenschaft weitgehend unbeachtet. Bereichsstudien für Mu- sik und Literatur finden sich noch relativ häufig in der Litera- tur, zusammenfassende theoretische Beiträge hingegen haben Sel- tenheitswert. 1976 noch war die kulturelle Bedeutung des öffentlich—rechtli- chen Rundfunks kein Gegenstand der medienpolitischen Konzepte der Parteien. Lediglich in den Postulaten von DGB und RFFU fanden sich entsprechende Passagen. 18 Auch in den letzten Jahren wurde die Auseinandersetzung mit den Inhalten des 'Kulturauftrags' nur am Rande geführt, wenngleich in Zusammenhang mit der Diskussion um die Zulassunggnfivater Rundfunkveranstalter verstärkt mit kul— turellen Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks argu—

17: vgl. auch Magnus, Uwe: Unterhaltungsmsuik als Gegenstand der Medienfor— schung. In: Media Perspektiven, Nr. 10/1975, S. 467-471. Magnus bezieht sich auf eine von der Bremer Fa. GETAS im Auftrag des WDR durchgeführte Untersuchung. 18: vgl. Braun, Peter; Darkow, Michael: Kommunikationspolitische Konzepte für den Rundfunk. In: Aufermann/Scharf/Schlie, Fernsehen und Hörfunk für die Demokratie, S. 203-235, v.a. S. 228 f. 19 mentiert wurde. Der offenbar einzige theoretische Aufsatz aus jüngerer Zeit, der sich systematisch mit dem 'Kulturauftrag' beschäftigt, stammt 20 von Saxer. Aspekte der praktischen Umsetzung und Bereichsstu— dien finden sich hingegen häufiger in der Literatur; dies gilt auch für Ausführungen zur Ökonomie der Rundfunkanstalten, sofern dies Thema den 'Kulturauftrag’ tangiert.

Eine juristisch eindeutige Fixierung des 'Kulturauftrags' exi— 22 stiert nicht. In den - aufgrund der föderativen Struktur des

Rundfunks von Sender zu Sender verschiedenen - Gesetzen und Sat— zungen finden sich lediglich vage Formulierungen. Jedoch ist zu- nächst von der Geltung der allgemeinen Programmgrundsätze auch für das 'Kulturprogramm' auszugehen. Dies gilt sowohl für positi- ve Bestimmungen als auch für Limitierungen (Beachtung allgemeiner

19: So beispielsweise in - der Erklärung der Gremienvorsitzenden der ARD vom 19.18.1983 zur Posi- tion der öffentlich—rechtlichen Rundfunkanstalten in der künftigen Me- dienlandschaft (abgedruckt in: Media PerSpektiven, Nr. 11/1983, S. 802 f.) - der Stuttgarter Erklärung der ARD zur Medienpolitik (verabschiedet am 30.11.1983)(in: ebd., S. 801) — dem Schreiben der ARD—Rundfunkanstalten an die Ministerpräsidenten zur Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rund- funk in der Bundesrepublik Deutschland (3D.D4.1984)(in: Media Perspek- tiven, Nr. 4/1984, S. 295—297) _ - den Empfehlungen des Deutschen Kulturrates zur Medienentwicklung (19.08.1984)(in: Media Perspektiven, Nr. 10/1984, S. 793 f.) - der Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Ordnung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik Deutschland (Juli 1984) (in: Media Perspektiven, Nr. 7/1984, S. 571—573).

20: Saxer, Ulrich: Kulturförderung durch die Rundfunkanstalten. Der öffent— lich—rechtliche Rundfunk als Kunstmäzen. In: Media Perspektiven, Nr. 11/ 1981, S. 753—767 21: WDR: Kommunikationsziele des Hörfunks. 0.0. (Köln) 1978. / Lehr, Wolfgang: Programmauftrag und Wirtschaftlichkeit einer öffentlich-rechtlichen Rund- funkanstalt. In: Media Perspektiven, Nr. 6/1983, S. 365-376. / Rühl, Man— fred: Die Rundfunkgebühr - ein wohlfahrtsstaatlicher Preis. Versuch einer begrifflichen und problemorientierten Bestandsaufnahme sowie Hinweise auf Entwicklungsmöglichkeiten einer Gebührenpolitik. In: Media Perspektiven, Nr. 8/1984, S. 589-605 22: vgl. auch Bosman, Wieland: Rundfunkfreiheit und Programmgrundsätze. Frank— furt a.M.fBern/New York 1985, S. 152 f., 183 f. Bosman geht so weit, aus der rechtlichen Unbestimmtheit und der damit verbundenen "Gefahr aufsichts- rechtlichen Mißbrauchs" (S. 152) "die Verfassungswidrigkeit der Pflicht zu kulturellem Verantwortungsbewußtsein abzuleiten (S. 153). Dieses grund- sätzliche Problem kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit außer acht gelassen werden. _ 50 _

Gesetze usw.) In seiner realen Ausprägung hält Saxer den 'Kul— turauftrag' für gewohnheitsrechtlich bestimmt. 23 Es ist davon auszugehen, daß der ‘Kulturauftrag' über den 'Proe grammauftrag' hinausreicht. Während letzterer lediglich auf die Sendeinhalte abzielt, ist der erstgenannte durch sein Verhältnis zur Rundfunkanstalt als kultureller Institution mit weitreichen- der Bedeutung 24 bestimmt.

Formaliter ist der ’Kulturauftrag' des öffentlich-rechtlichen Rundfunks determiniert durch die Verpflichtungen — nach Präsentation von Unterhaltung, Bildung und Information, - nach einer kulturell verantwortungsvollen Programmgestaltung, „ nach kulturellem Pluralismus, - nach Beachtung regionaler kultureller Traditionen und Eigen- heiten 25, - nach Beachtung allgemeiner Programmgrundsätze. Zusätzlich existiert im RB—Gesetz die Forderung, die "künstleri— sche Aufgabe des Rundfunks" zu realisieren. 26 Diese Formulierung impliziert eine weiterreichende Verpflichtung der Rundfunkan- stalt.

Das Modell der 'drei Säulen' Unterhaltung, Bildung, Information ist für fast die gesamte Rundfunkgeschichte in Deutschland ty- pisch und beansprucht Gültigkeit für das gesamte Programm. Im

23: Saxer, Kulturförderung durch die Rundfunkanstalten, S. 753 24: Einflüsse des Rundfunks auf die 'kulturelle Sozialisation' sind in der Literatur unstrittig. Im 'Fernsehurteil' von 1961 formulierte das BVerfG : "Der Rundfunk ist mehr als nur 'Medium' der öffentlichen Meinungsbil— dung; er ist ein eminenter 'Faktor' der öffentlichen Meinungsbildung. Diese Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich keineswegs auf die Nachrichtensendungen, politischen Kommentare, Sende— reihen über politische Probleme der Gegenwart, Vergangenheit oder ZU* kunft; Meinungsbildung geschieht ebenso in Hörspielen, musikalischen Darbietungen, Übertragungen kabarettistischer Programme bis hinein in die szenische Gestaltung einer Darbietung. " (Aus der Begründung des Urteils des BVerfG vom 28.02.1961; nach: Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht. Eine Dokumentation des Prozeßmaterials. Hg. von Günter Zehner. Bd. 2. Karlsruhe 1965, S. 331) 25: Die genannten Aspekte stellen zusammengenommen einen Idealzustand dar, der in der Rundfunkgesetzgebung nicht erreicht wird. 26: Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts — "Radio Bremen" vom 18.06.1979 (GBl. Bremen S. 245), 5 2 (1) Satz 2 _ 51 _ engeren Sinn künstlerischen/kulturellen Programmen wird zumeist die Funktion der Unterhaltung zugeordnet, wenngleich sie — ab ei— nem bestimmten Qualitätsniveau - auch als spezifische Form von Bildung, nämlich als Aneignung hochwertiger Kulturgüter, verstan- den werden können. 27

Die Forderung nach einer verantwortungsbewußten Gestaltung des Programms beinhaltet die Notwendigkeit sowohl der qualitativen Sichtung des potentiellen Programmaterials als auch einer ent- sprechenden fachlich begründbaren Programmgestaltung. Dies impli- ziert neben der fachlichen Kompetenz die Kenntnis deren medialer Umsetzung als professionelle Voraussetzung. 28

Dem Gebot einer auch im kulturellen Bereich pluralistischen Programmgestaltung liegen verschiedene Faktoren zugrunde. Einer— seits spiegelt es Entwicklungen wider, einen traditionellen 'Kulm tur'-Begriff (im Sinne von 'Hochkultur‘)zugunsteneines breiteü ren, soziologisch bzw. anthropologisch begründbaren, aufzuge- ben 29, andererseits ist es eine Übertragung ästhetischer Gemein— plätze ("Über Geschmack kann man nicht streiten") und allgemeiner Programmgrundsätze, die eine einseitige Orientierung entweder auch theoretisch negieren oder aber reale Verflechtungen (bspw. zwischen Musikredakteuren und der Musikindustrie) aus Gründen der Unabhängigkeitswahrung zu verhindern suchen. 30

27: Zu diesem Gebot vgl.: Bayerisches Rundfunkgesetz vom 10.08.1948 in der Fassung vom 26.09.1973: Art. 4 (1) Satz 1 / Gesetz über den HR vom 02.10. 1948: ä 3.2 / Staatsvertrag über den NDR vom 10.08.1980: ä 5 (1) Satz 2 / BB—Gesetz vom 18.08.1979: ä 2 (1) Satz 1 / Satzung des SNF vom 20.08.1952 in der Fassung vom 07.06.1974: Art. 2 (2) 28: Zu diesem Gebot vgl.: BB-Gesetz: Art. 4 (1) Satz 2 / RB-Gesetz: 5 2 (1) Satz 2 / Satzung des SFB vom 05.12.1974: ä 3 (1) Satz 1 29: Dieses Gebot ist auch durch soziale Teilhabeansprüche der Rezipienten be- gründbar. Tendenziell ähnlich argumentiert Saxer : "Die Argumentationslage der Programmverantwortlichen ist um so prekärer, als pluralistische Ge- -sellschaften ... nur noch in beschränktem Maße einheitliche Kulturnormen hervorbringen oder sanktionieren.“ (Saxer, Kulturförderung..., S._754) Der erweiterte 'Kultur'—Begriff hat sich mittlerweile allgemein durchge— setzt. In Der Grosse Duden, Bd. 5, Fremdwörterbuch (Mannheim, 3. Auflage 1974) wird 'Kultur' definiert als "die Gesamtheit der geistigen und künst— lerischen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft, eines Volkes" (S. 409). 30: Explizit ist dieses Gebot lediglich im WDR—Gesetz vom 25.05.1954, 5 4 Satz 2, formuliert. _ 62 _

Die Forderung nach Berücksichtigung regionaler Eigenheiten scheint zunächst keine Probleme aufzuwerfen, wird jedoch in einem erweiterten Zusammenhang in der Diskussion um den (nationalen) Ursprung des Programmaterials wichtig. Dieses stammt im Hörfunk insbesondere im Musikbereich zu einem großen Teil von ausländi— schen Produzenten. 31'32

Die abschließend aufgeführte Verpflichtung, "die künstlerische Aufgabe des Rundfunks deutlich werden (zu) lassen" 33, führt Über die o.a. Punkte hinaus. Sie läßt sich interpretieren als Forde- rung nach künstlerisch innovativer Tätigkeit allgemein — auch außerhalb des rundfunKSpezifischen Rahmens und mit dem Medium in— adäquaten Inhalten.

Bezüglich der formalen Festlegung des Kulturauftrags faßt Saxer zusammen

"Den Rundfunkgesetzen der Länder ist also ein mehrdimensionaler Kultur- auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu entnehmen : Er kann als umfassend-pluralistisch definiert werden, und zwar bevöl- kerungs- wie richtungsmäßig; als Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf relativ allgemein anerkannte kulturelle Institutionen und Überzeugungen breiter Bevölkerungssegmente und insgesamt zu Kulturqualität; und als Aufforderung, 'gute' Kultur als solche, nicht nur vom Rundfunk verwertbare, zu fördern.“ 34

Tatsächlich wird die Programmgestaltung durch den, im 'Kultur- auftrag' bereits angelegten, Widerspruch zwischen Rezipientenprä- ferenzen und künstlerischer Qualität geprägt “Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als souveränem Sachwalter seines Kulturauftrags kommt so der Rundfunk als allgemeine Berechtigungsanstalt in die Quere. Kulturförderung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muß sich mithin von vornherein in der Spannung zwischen kulturellen Quali- täts- und sozialen Teilhabeansprüchen bewähren.“ 35

31: Zur Herkunft der Tonträger vgl. Kapitel 3 dieser Arbeit. 32: Zu diesem Gebot vgl. BR—Gesetz: Art. 4 (1) Satz 2 / NUR—Staatsvertrag Q 5 (2) / Gesetz Nr. 806 über die Veranstaltungen von Rundfunksendungen im Saarland vom 02.12.1964 in der Fassung vom 01.08.1968: g 10 (1) Satz 3/ WDR-Gesetz: 5 4 Satz 3. Entsprechende Passagen mit Schwerpunkt auf der Darstellung der nationalen Kultur finden sich im Gesetz Über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29.11.1960: 5 1 (1) Satz 2 sowie im Entwurf eines Staats- vertrages zur Neuordnung des Rundfunkwesens (14.12.1984): Art. 8 Abs. 1. 33: RB-Gesetz, 5 2 Satz 2; Hervorhebung R.w. 34: Saxer, Kulturförderung..., S. 755 35: ebd., S. 754 - 53 _

Die bloße Erfüllung beider Ziele in verschiedenen Programmen ent— spricht jedoch nicht der Forderung nach einer 'verantwortungsvol— len Programmgestaltung'. Diese ist auf jedes Programm als solches anzuwenden. 36 Unter den Bedingungen eines zielgruppenorientier— ten Tagesbegleitrundfunks wäre dies in Form des Anknüpfens an den Präferenzen der Rezipienten möglich, um einerseits deren Quali— tätsbewußtsein durch die Präsentation qualitativ hochwertiger Programmbeiträge zu fördern und andererseits deren 'Erfahrungs— . . 37 horizont' zu erweitern. Im Musikbereich beispielsweise voll— zieht das Radio eine Programmkonzeption, die an der Überrepräsen- tation quantitativ wenig bedeutender Gattungen bzw. Stile ausge- richtet ist. 38 Die Spannweite der zur Sendung kommenden Werke ist deutlich breiter als diejenige des Üblichen Konzertreper- toires. Analoges gilt für die 'Produktionspolitik' der Rundfunk— anstalten "Das Hauptprinzip heißt : in die Lücken produzieren : Das gilt sowohl in bezug auf das Schallplattenangebot als auch auf das öffentliche Konzertleben, das zum Teil ja durch unsere Übertragungen erfaßt wird." 39 Unter dem Aspekt der kulturellen Verantwortung betrachtet, er" scheint es notwendig, die Programmgestaltung an (im weitesten Sinn) pädagogischen Kriterien auszurichten. Hierbei bleibt - ab- gesehen von praktischen Problemen - allerdings zu beachten, daß die Rezipienten ihre an das Medium gerichteten Erwartungen er- füllt sehen müssen. Sie besitzen jedoch im juristischen Sinn nicht das Recht, aufgrund der Zahlung der Rundfunkgebühr Einfluß auf das Programm zu nehmen.

36: Ableitbar ist dies u.a. aus der Aufgabe der Integration, die das BVerfG dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuerkannt. 37: Beispielsweise sollte die Musik in der (inzwischen abgesetzten) Jugend- funk-Sendung "Radiothek" (WDR) "ein kleines bißchen besser (sein) als das, was gewünscht wird". (“Radiothek"—Redakteur im Interview mit Hans—Chri- stian Schmidt. Schmidt, H.-C.: Radiothek. Konzeption, Struktur und Ziel- setzung einer jugendspezifischen Wort— und Musiksendung des Hörfunks. In: ders. (Hg.): Musik in den Massenmedien. Mainz 1976, S. 170—208, S. 197) '38: Während der 'E-Musik'-Anteil am Tonträgermarkt bei ca. 9 % liegt, beträgt er im Musikprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ca. 35 %. Über- repräsentiert dürften in.den Rundfunkprogrammen die Sparten ‘Alte Musik', 'Neue Musik/Avantgarde', außereuropäische Volksmusik und moderner Jazz sein. Genaue Programmeufschlüsselungen fehlen jedoch. 39: Seifert, Wolfgang: Musikalische Aspekte des Themas. In: Bismarck (Hg.), Der Rundfunk als Kulturfaktor, S. 43 _ 64 _

Angesichts des Gegensatzes zwischen kultureller Qualität und sozialer Parizipation formuliert Saxer folgende These “Unter den Gegebenheiten des kulturellen Pluralismus wird auch das Ge— schäft des verbindlichen Kunstqualifizierens dermaßen problematisiert, daß professionelles Rundfunkschaffen sich statt des Etablierens künst— lerischer Hierarchien auf die Optimierung von Vermittlungsformen verle- gen mag, was auch wieder der angespannten Finanzlage des öffentlich- rechtlichen Rundfunks entspricht." 40

Eine herausragende Rolle für die praktizierte Umsetzung des 'Kulturauftrags' nehmen realiter und in der Argumentation der Rundfunkanstalten die sogenannten 'Minderheitenprogramme' und 'Kulturprogramme' ein. 41 In ihnen werden Sendungen für meist kleinere, relativ eng umrissene Zielgruppen präsentiert. Typische BeiSpiele sind bestimmte künstlerische Sendungen (Hörspiele, künstlerische Features, Lesungen moderner Literatur, moderne 'E-Musik‘, Jazz). Ebenso gehören - bezogen auf die Einschaltquo- ten - manche politische (v.a. nichtaktuelle) Beiträge, Abhand- lungen zu kulturellen und wissenschaftlichen Spezialgebieten so— wie pädagogische Sendungen in diesen Bereich. Die Einschaltquoten dieser Programme liegen bei ca. 5—10 %, eher darunter. Aus den geringen Höreranteilen kann jedoch nicht auf eine 'Nutzlosigkeit' geschlossen werden : ein potentielles Publikum von selbst nur 1 % der Bevölkerung (über 14 Jahre) stellt als absolute Größe immer noch eine Gruppe von ca. 1/2 Mio. Menschen dar. Das durch den Rundfunk erreichbare Publikum ist deutlich größer als dasjenige entsprechender live-Veranstaltungen. Insofern kann nicht davon gesprochen werden, daß - inhaltlich unter Umständen 'elitär' er- scheinende - Sendungen der 'Minderheitenprogramme' generell am Publikum 'vorbeiproduziert' werden. Für einen interessierten Re— zipientenkreis abseits der kulturellen Zentren stellen diese Ra- dioprogramme häufig die einzige Möglichkeit dar, Über bestimmte kulturelle Entwicklungen informiert zu werden und an diesen zu partizipieren. Die geringe Reichweite wird partiell außerdem da- durch ausgeglichen, daß es sich bei den Nutzern dieser Programme oftmals um 'Multiplikatoren' im Sinne des 'two-step-flow of come munication' bzw. um 'opinion leader' handelt.

40: Saxer, Kulturförderung..., S. 761 41: Beide Begriffe sind nicht ganz deckungsgleich; während z.B. Ausländerpro- gramme unter 'Minderheitenprogramme' subsumiert werden, ist deren Einord- nung als 'Kulturprogramm' im herkömmlichen Sinn nur sehr begrenzt möglich. _ 55 _

Auch bei den 'Minderheitenprogrammen' ist in den letzten Jah— ren eüm Tendenz zum Ausbau als tagesbegleitendes Vollprogramm zu 42 erkennen.

Argumentativ häufig mit den 'Minderheitenprogrammen' verbünden

ist die 'Mäzenatenfunktion' des öffentliCh-rechtlichen Rundfunks für verschiedene, in ihrem Markt beschränkte, kulturelle Berei- che (makmrqfiel,neue Musik). Diese Aufgabe wird von vielen Kultur— theoretikern und -praktikerh, insbesondere aus dem Bereich der Musik, seit Beginn des Rundfunks hervorgehoben. Eine empirische Absicherung der ökonomischen Bedeutung der Rundfunkanstalten ge— lang Fohrbeck/Wiesand. 43 Für einen bedeutenden Teil der Künstler ist der öffentlich—rechtliche Rundfünk wichtig(st)er Arbeitgeber. Teilweise problematisch erscheint allerdings die Definition dieser Arbeitsverhältnisse als 'Mäzenatentum' - in der Regel geht es in der Rundfunkpraxis weniger um die bloße Schaffung'künstle— rischer Freiräume, als auCh um die Erstellung von Programmbeiträ— gen, die ihrerseits wieder der Befriedigung der Rezipienteninter- dienen sollen. 44 Der Charakter der Arbeitsverhältnisse differiert bei den einzelnen Gruppen : Während bei Sprechern] Schauspielern, Bühnengrafikern, Tanzmusikarrangeuren und Kamera- leuten das eigenschöpferische Potential der Arbeit eher gering ist, besitzen Autoren im künstlerischen Bereich, Regisseure und Komponisten in der Regel größere inhaltliche Freiheiten in ihrer Arbeit. Insbesondere in der Musik existieren aufgrund der quanti- tativen Bedeutung der Auftragsvergabe in Verbindung mit dem von der stofflichen Seite her unkonkreten Gegenstand letztendlich größere individuelle Einflußmöglichkeiten und 'künstlerische

Freiräume'.

42: Als 'Kulturprogramme' werden in Nord- und Westdeutschland die dritten Programme (Ausnahme: RB II), in Süddeutschland hingegen die zweiten Pro- gramme verstanden. Eine Magazinisierung ist inzwischen auch in diesen Programmen anzutreffen, wenngleich noch nicht bestimmend. '43: Fohrbeck/wiesand, Künstler—Report. Vgl. Kapitel 1.2 dieser Arbeit. 44: vgl. Fohrbeck/wiesand, Künstler—Report, S. 161 f. Die Autoren problemati- sieren die Definition als 'Mäzenatentum' am Beispiel der öffentlichen Hand, ohne dabei die Rundfünkanstalten in ihre Betrachtung mit einzube— ziehen. _ 55 _

Das Problem der Orientierung der Programmgestaltung einerseits an den Rezeptionsgewohnheiten der Hörer, andererseits an der 'Mä- zenatenfunktionh wird von den Verantwortlichen gesehen "Je mehr sich die informierenden Programme des Hörfunks an den Erwar- tungen und Bedürfnissen der Hörer orientieren, desto deutlicher stellt sich allerdings die Frage nach dem Freiraum der künstlerischen Produk- tion und der durch sie ermöglichten Innovation. ... Autoren— und Nach— wuchSpflege, Aufträge an Komponisten, Förderung von Dirigenten, Soli- sten, Ensembles und eine breites Programm öffentlicher Veranstaltungen gehören nach wie vor zum Programmauftrag, der die Berücksichtigung der künstlerischen Richtungen verlangt. ... Das vielzitierte Mindest— maß an Ausgewogenheit stellt sich nicht nur im publizistischen, son- dern auch im künstlerischen Bereich als eine Forderung dar, der nur 1 durch weitestmögliche Offenheit entsprochen werden kann." 45 Einen anderen Schwerpunkt setzt Saxer, indem er die 'Mäzenaten- funktion' in ein Gesamtkonzept eingebettet sehen möchte "Mäzenatentum muß sich ja zumindest durch eine gewisse Hör- und Seh- bereitschaft des Publikums legitimieren können, umsomehr als der Kult turauftrag sicher eine tatsächliche Informier- und Integrationslei— stung meint und nicht bloß eine mehr oder minder selbstgenügsame Kul- turofferte. Dies aber heißt, daß der Rundfünk sich ständig um die Konstituierung von Kunstpublika und um die Optimierung von deren Em- pfangsverhalten bemühen muß. Einesteils hat er also diese potentiellen Kunstnachfrager dort abzuholen, wo sie nach ihren Rezeptionsmöglichkei- ten und -präferenzen sich befinden, und andernteils muß er versuchen, sie an Kulturmuster anzuschließen, die ihnen zum Teil fremd oder sogar unwillkommen sind." 46

Verbunden mit einer Funktion als Mäzen waren Auflagen für ver- schiedene Sender, etwaige Überschüsse kulturellen Zwecken zuzu- führen; die ab 1948 durch die Einführung von Hörfunk- und (spä- ter auch) Fernsehwerbung erzielten Gewinne kamen verschiedenen Kulturprojekten zugute. “Blieben die ‘Spenden' für künstlerische und wissenschaftliche Zwecke zunächst bescheiden, so nahmen sie später nach der Einführung des Werbefernsehens vor allem beim WDR

45: WDR, Kommunikationsziele des Hörfunks, S. 10 4B: Saxer, Kulturförderung...‚ S. 762. Kurz einzugehen ist an dieser Stelle auf ein terminologisches Problem : Anders, als Saxer den Begriff des 'Mäzenatentums' betrachtet, impliziert dieser eben nicht unbedingt die Notwendigkeit einer Rücksichtnahme auf den oder die Rezipienten. Die allgemeine Definition von 'Mäzen' ist "Gönner". (Der Grosse Duden, Fremd— wörterbuch, definiert M. als "...; freigebiger Gönner und Geldgeber für Künstler"; S. 452.) Diese Definition macht sich Saxer auch zunutze, wenn er die Förderung “'gute(r)' Kultur als solche(r), nicht nur vom Rundfunk verwertbare(r)" als Bestandteil des 'Kulturauftrags' betrachtet (S. 755). „ 57 _

beachtliche Ausmaße an. Allein zwischen 1953 und 1973 betrugen die ‘Gewinnausschüttungen' für kulturelle Zwecke 208 Mio. DM." 47 Bald jedoch mußten die Einnahmen aus werbeeinkünften zunehmend zur Unkostendeckung des Sendebetriebes herangezogen werden. 48

Zu den kulturpolitischen Aktivitäten der Rundfunkanstalten zähleaeiterhiradie Durchführung öffentlicher Veranstaltungen und die Kooperation mit anderen Kulturorganisationen. Der wohl größte Teil öffentlicher Veranstaltungen vollzieht sich im Musik— bereich. Kooperationspartner bei diesen und sonstigen Projekten können sowohl Stellen der öffentlichen Hand, Stiftungen und Vereini- gungen als auch kommerzielle Unternehmungen sein. Beispiele die- ser Zusammenarbeit sind vielfältig; sie reichen von einer bloß finanziellen Beteiligung bis hin zu vollständigen Koproduktionen unter Aufbietung technischer, personeller und finanzieller Mit+ tel. Zu erwähnen sind hier v.a. in Gemeinschaft mit anderen Trä- gern veranstaltete Konzerte, Gemeinschaftsproduktionen nach dem Filmförderungsgesetz sowie Schallplattenproduktionen (insbesonde- re in den Bereichen Oper und zeitgenössische Musik).

Hinzuweisen ist auf den finanziellen Aspekt der Kulturförderung durch die Rundfunkanstalten. Vorrangige Förderung erfahren dieje- nigen Programmsparten, die keine 'Selbstläufer' sind - weder in finanzieller noch in rezeptiver Hinsicht. Dies sind häufig ko— stenintensive Programme. Aufgrund des Verhältnisses von Aufwand zu Hörerzahl stehen diese Programmteile unter der besonderen Be- achtung von Rechnungshöfen einerseits, Kritikern des traditionel— len Rundfunksystems andererseits. Ausgehend von einem weitge- faßten 'Kulturauftrag', wie er sich in der Praxis entwickelt hat und den juristischen Vorgaben entSpricht, ist jedoch auch die Subventionierung dieser Programme abgesichert.

'47: Bausch, Hans: Rundfunkpolitik nach 1945. Zweiter Teil : 1963-1980. (Rund— funk in Deutschland. Bd, 4) München 1980, S. 533. Bausch bezieht sich hier auf Friedrich w. Hymmen: Werbeeinnahmen und Kostenstruktur. In: M. Kötter- heinrich u.a. (Hg.): Rundfunkpolitische Kontroversen. Frankfurt/M. 1976, S. 272. ' 48: Bausch, ebd. Wenngleich die Rundfunkwerbung auf Betreiben der Markenarti- kelindustrie eingeführt wurde, existiert heute eine wechselseitige Ab- hängigkeit, hervorgerufen durch unterproportional steigende Rundfunkge- bühren bei gleichzeitig stagnierender Teilnehmerzahl. - 68 i

Im Rahmen der Kulturförderung ist zwischen strukturellen und fallweisen Hilfen zu differenzieren. 49 In den erstgenannten Bew reich fallen kontinuierliche Förderungsmaßnahmen (Beschäftigung von Orchestern und sonstigen ständigen künstleriSChen Mitarbei- tern usw.). Bei den Einzelförderungsmaßnahmen ist weiterhin zwi- schen werk— und personengebundenen zu differenzieren. “Hörspie1-, Kompositibns-, Regieaufträgen oder Einzelauftritten stehen z.B. auch nichtkünstlerische Brottätigkeiten oder bloß verwandte jour— nalistische Arbeitsfelder in Rundfunkanstalten gegenüber." 50

In Bezug auf die personelle Förderung besitzt der Rundfunk fak- tisch ebenfalls große Relevanz, was gleichzeitig seine Funktion problematisiert "Es handelt sich um die Spannung zwischen dem Anliegen, jungen Talenten den Weg zu ebnen, und dem Zwang, erfolgreiche Künstler im Programm zu belassen. So wie der Rundfunk mit hoher De-facto-Verbindlichkeit, näm— lich durch seine Auswahl und Präsentation, definiert, was Kunst sei, so schafft er auch personelle Hierarchien unter den vielen Kunst- schaffenden.“ 51 In der Rundfunkpraxis wird ein besonderer Wert auf künstlerische NachwuchSpflege gelegt. Mikrofonproben, Wettbewerbe, Konzerte, Sendungen mit jungen Autoren und Komponisten/Interpreten sowie Reportagen Über junge Künstler sämtlicher Bereiche sind fester Programmbestandteil des Radios; im Fernsehen werden analog auch Werke junger Regisseure berücksichtigt.

2.3 Zusammenfassung

Der 'Kulturauftrag' des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in der kommunikationspolitischen Diskussion primär unter dem Aspekt eines weitgefaßten kulturpolitischen Programmauftrags zu sehen, dessen Prämissen zunächst in einer umfassenden, überparteilichen,

49: vgl. auch Saxer, Kulturförderung..., S. 759 50: Saxer, Kulturförderung..., S. 760 51: ebd. _ 59 _ wahrheitsgetreuen und sachlichen Berichterstattung liegen; seine stofflichen Inhalte sind durch die drei 'Programmsäulen' Informah tion - Bildung - Unterhaltung gekennzeichnet. Spezifische Regelungen zum 'Kulturauftrag' sind sehr vage ge— faßt und orientieren sich an den Geboten einer kulturell 'verant- wortungsvollen' Programmgestaltung sowie eines kulturellen Plura— lismus'. Primär ist der 'Kulturauftrag' quasi gewohnheitsrecht- lich bestimmt. In diesem Rahmen intendiert die Forderung nach 'kultureller Verantwortung', sowohl Ansprüche der Rezipienten zu befriedigen und ihnen Möglichkeiten zur allgemeinen und speziel- len Qualifikation bereitzustellen, als auch Arbeitsmöglichkeiten für die Produzenten zu schaffen. Der 'Kulturauftrag' der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal— ten geht über den allgemeinen Programmauftrag und die medienspe— zifische Programmarbeit hinaus.

Der 'Kulturauftrag' des deutschen Rundfunks ist historisch ge— wachsen; er gründet auf dem Konzept eines zunächst 'apolitischen' Unterhaltungsrundfunks, der unter finanzieller Beteiligung spezi- fischer Firmen gegründet wurde. Erste inhaltliche Konzeptionen arbeiteten mit der Zielsetzung eines Integrationsrundfunks, wenn- gleich bereits mit Zielgruppenorientierten Sendungen. Mit der Wandlung vom Integrationsa zum Zielgruppenrundfunk hat sich die ursprüngliche Bedeutung des 'Kulturauftrags', der in seiner Funk- tion dem Rezipienten gegenüber stets auch 'Bildungsauftrag' gewe- sen war, gewandelt : Das Ziel ist nicht mehr die Umsetzung eines 'kulturellen Sendungebewußtseins', sondern es wird versucht, inw dividuelle Präferenzen qualifiziert zu erfüllen und weiterzuent- wickeln. Die Bildungsfunktion wird relativiert. 3. MUSIK IM RUNDFUNK

3.1 Zur Geschichte der Musikdistribution durch den Hörfunk

Die Präsentation von Musik bestimmte den Programmdienst des Rundfunks seit seinem Beginn. Folgende Gründe können hierfür an— geführt werden - die stoffliche Adäquanz der Musik gegenüber dem neuen Medium 1, - die Musikpräsentation kam Erwartungen und Wünschen der Hörer entgegen 2, — die Konzeption eines 'unpolitischen' Unterhaltungsrundfunks beherrschte insbesondere in den ersten Jahren die Rundfunkpo— litik in Deutschland 3, — Musikprogramme konnten unter Rückgriff auf Schallplatten ko— stengünstig erstellt werden 4, - in der AnfangSphase des Radios in Deutschland beteiligten sich verschiedene im Musikgeschäft tätige Kapitalgeber an den Rund- funkgesellschaften (2.8. Schallplattenfirmen, Plattenhändler und Konzertagenten).

Sowohl in der Versuchsphase 5 als auch im regulären Programm- dienst wurde Musik häufig live Übertragen. Zunächst wurden die Interpreten fallweise verpflichtet. Später vollzogen die Rund—

1: Dies gilt selbstverständlich für die Bereiche Oper, Operette, Ballett u.ä. nur eingeschränkt. 2: Eine Befragung der Radiozeitschrift “Der deutsche Rundfunk" von Mai/Juni 1924 ergab folgende Rangliste der Hörerwünsche : 1. Operette 83,3 % 2. Tagesneuigkeiten 72,8 % 3. Zeitansage 71,3 % 4. Kammermusik 83,8 % 5. Gemischtes Konzert 83,5 % 8. Wetterdienst 53,8 % (nach: Bessler, Hansjörg: Hörers und 7. Tanzmusik 48,7 % Zuschauerforschung. (Rundfunk in 8. Oper 48,2 % Deutschland. Bd. 5) München 1880, 15.Dhormusik 33,3 % S. 20 f.) 3: Vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit. Selbstverständlich kann diese Konzeption nicht als voraussetzungslos betrachtet werden; u.a. sollte sie der massen- haften Einführung des neuen Mediums dienen, welche wiederum zur Amortisa- tion des eingesetzten Kapitals erforderlich war. 4: Dies galt nicht mehr generell nach Einführung fester Rundfunkorchester. 5: Das erste Rundfunkversuchskonzert in Deutschland wurde am 22.12.1920 vom Sender Königswusterhausen ausgestrahlt. _ 71 _

funkanstalten den Aufbau eigener Klangkörper oft hoher Qualität.6 Frühzeitig kam es zur Herausbildung funkspezifischer Musik— und Literaturgattungen 7 sowie zur Präsentation musikdidaktischer Sendungen 8. 1930 betrug der Programmanteil der Musik etwa 65 %‚ wobei schon zu dieser Zeit der Schwerpunkt auf der 'U-Musik' 9 lag, mit der dem Rundfunk neue Hörerschichten erschlossen werden sollten. 10_ Die zunehmende politische Kontrolle des Rundfunks wirkte sich auch auf das Musikprogramm aus. Hier wurde die Zunahme von Mili— tär- und Marschmusik mit der "'Pflege nationalen Kulturgutes'" begründet. 11 Ein breites Angebot existierte im Bereich der leichten Orchestermusik. Die Tanzorchester besaßen Überwiegend senderspezifische Profile. 12

Die zeitunabhängige Vorproduktion in großem Maßstab wurde erst ab 1930 möglich : In diesem Jahr löste die Schellackplatte die ein Jahr zuvor bei der Reichsrundfunkgesellschaft eingeführte Nachsplatte, die zur Aufnahme eine bestimmte Temperatur benötigte und zudem in ihrer Klang- und Archivqualität ungenügend war, ab. 13 Als neues Speichermedium, das den Nachteil der zu kurzen Spieldauern der Platte eliminieren sollte 14, wurde ab 194D das 'Magnetophon' - ab 1934 bei der AEG in Entwicklung — im Rundfunk systematisch eingesetzt. 15

6: Auf internationaler Ebene ist unter den frühen Rundfunkorchestern insbe- sondere das der amerikanischen Gesellschaft NBC unter Arturo Toscanini zu erwähnen. 7: Zu 'Rundfunkmusik', 'Funkopern' usw. vgl. Kapitel 4. 8: Beispielsweise traten zeitgenössische Komponisten als Analytiker auf. 9: In diese Rubrik fallen auch Operetten. 10: vgl. Bessler, Hörern und Zuschauerforschung, S. 28 f. 11: Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, S. 523 12: vgl. Jungermann/Götze, Vom Stehgeiger zum Disc-Jockey7(in: 5D Jahre Musik im Hörfunk), S. 125 '13: vgl. Hymmen, Friedrich Wilhelm: Fremdproduktionen für den Rundfunk. In: Aufermann/Scharf/Schlie, Fernsehen und Hörfunk für die Demokratie, S. 92— 115, S. 92 14: Schellackplatten hatten eine Spielzeit von lediglich etwa 5 Minuten je Seite; dies wirkte sich selbstverständlich auf die Repertoirebildung, aber auch auf die Tempowahl der Interpreten aus. 15: Hymmen, Fremdproduktionen für den Rundfunk, S. 92_ Erste Einsätze der elektromagnetischen Tonaufzeichnung fanden allerdings bereits früher statt. - 72 _

Die zeitunabhängige Produktion gestattete eine Verbreiterung des Senderepertoires um diejenigen Werke, die zuvor aus beset— zungstechnischen Gründen nicht live zu realisieren waren. Gleich- zeitig ermöglichte sie so neue Tendenzen in der Programmgestal- tung. Weiterhin erlaubte sie erstmals eine Archivproduktion mit hervorragenden Interpreten und war somit prinzipiell in der Lage, hoheinterpretatorischeStandards zu vermitteln. Allgemein förderte die Musikdistribution im Rundfunk, besonders aber die zeitunabhängige Produktion, die Wandlung zu einem “rein auf das Werk hin orientierte(n) Interpretentyp“. 16 Die visuelle Komponente einer virtuosen öffentlichen Aufführung fehlt in einer Rundfunksendung. Zudem ist es bei der Vorproduktion möglich, Auf— nahmen so lange zu wiederholen, bis eine fehlerfreie, weitgehend optimal erscheinende Interpretation gelingt. 17 Durch die Vorproduktion verringerten sich insgesamt die Be— schäftigungsmöglichkeiten für Musiker beim Rundfunk, was sich zu- nächst allerdings nicht so stark auswirkte, da auf dem Gebiet der Archivproduktion ein großer Nachholbedarf zu tätigen war. Die Vorproduktion ermöglichte auch Programmübernahmen, die einerseits kostengünstiger waren, andererseits auch kleinere Sender in die Lage versetze, ein anSpruchsvolleres Programm durchzuführen.

Strukturelle Veränderungen der Musikdistribution durch das Ra- dio waren Folgen der Weltwirtschaftskrise ab 1929 : Rundfunkor— chester wurden teilweise oder vollständig entlassen, der Anteil der von Platten gesendeter Musik erhöht, Koproduktionen und Übernahmen vermehrt durchgeführt. 1933 waren gegenüber dem Vor- jahr 25 % der freien Künstler nicht mehr engagiert. 18

Zwischen 1933 und 1945 wurde auch die Musik zur ideologischen Beeinflussung der Bevölkerung eingesetzt. Um die Hörer nicht zu ausländischen Sendern 'abwandern' zu lassen, war das Programm

16: Krenek, Ernst: Bemerkungen zur Rundfunkmusik. Aus: Zeitschrift für Sozial— forschung, 7. Jg. (1938). Hier nach: Musik im Programm, 0.0., o.J. (1974), S. 37—50, S. 48 17: Dies forderte auch Theodor W. Adorno: Über die musikalische Verwendung des Radios. In: ders.: Der getreue Korrepetitor. Lehrschriften zur musika- lischen Praxis. Frankfurt/Main 1963, S. 217—248, S. 237 ff. 18: Diller, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, S. 171-177 _ 73 _

nach einer ersten Phase offener Propaganda stark von Unterhal- tungssendungen durchsetzt. Das Musikprogramm war bestimmt von Wunschkonzerten, staatlich reglementierter 'U—Musik' und besonde- rer Berücksichtigung 'repräsentativer' deutscher Komponisten der

'E—Musik'. 19

Nach Kriegsende half der Rundfunk zunächst, den 'kulturellen Nachholbedarf' aufzuarbeiten, wobei Privatsammlungen und von den Alliierten gespendete Tonträger als Programmaterial dienten. Die Sender beschäftigten nach ihrer Neugründung bald wieder eigene Orchester für 'U'- und 'E'-Musik. Von der noch relativ geringen Sendezeit war bereits wieder ein großer Teil der Musik vorbehal— ten, der Schwerpunkt lag in der 'U-Musik'. Anfang der 50er Jahre betrug der Musikanteil des Radioprogramms 50-60 % eines inzwi— schen normalerweise 18-stündigen Tagesprbgramms.

Auch die als Koordinationszentrale der Landesrundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland am 05.08.1950 gegründete 'Arbeitsge- meinschaft der öffentlich—rechtlichen Rundfunkanstalten der Bun- desrepublik Deutschland' (ARD) Übernahm verschiedene Funktion im Rahmen der medialen Musikdistribution. Ihre erste Tätigkeit war die Einrichtung eines Schallarchivs, das zunächst historisch wertvolle Tonträger Speicherte und nach einem Intendantenbeschluß vom Dezember 1976 zusätzlich eine zentrale Schallplattenkatalogi— sierung vornimmt. Bereits im Februar 1951 beschloß die ARD die Durchführung eines internationalen Interpretenwettbewerbs, der seit 1952 alljährlich stattfindet und dessen Kosten von den der ARD angeschlossenen An— stalten gemeinsam getragen werden. Die Preisträger in diesen der NachwuchSpflege gewidmeten Veranstaltungen erhalten Gelegenheit, in Konzerten gemeinsam mit den Rundfunkorchestern aufzutreten. 21

19: In der 'U-Musik' wurde der Jazz als 'Negermusik' verboten. Die Reichssen— deleitung verabschiedete "neue Richtlinien für Unterhaltungskonzerte" im April 1935 (Diller, S. 152). Forciert wurde nun die Entwicklung des deut- schen Schlagers. Als Repräsentanten einer deutschen 'E-Musik' galten ins- besondere Beethoven und Wagner. Komponisten jüdischer Abstammung waren weitgehend aus dem Programm verbannt. Zeitgenössische Musik blieb — ins- besondere, wenn sie moderne stilistische Mittel benutzte — weitgehend un— berücksichtigt. 20: Grün, Wer macht das Programm ?, S. 27 21: Der BR als ausrichtende Anstalt führt mit den Preisträgern die Konzert— reihe "Junge Solisten" durch. - 74 _

Die allgemeine Einführung des Ultrakurzwellen-Hörfunks nach der Stockholmer Hellenkonferenz 1952 ermöglichte den Aufbau mehrerer Programme je Sendeanstalt und damit die Differenzierung des Ge— samtprogramms bei gleichzeitiger Erweiterung des Angebotes. Außerdem gewährleistete die UKW-Technik eine bessere Klangquali- tät 22, wodurch aufgrund der nunmehr hörbaren Mängel der alten Produktionen Neuaufnahmen erforderlich wurden. Ein weiterer Produktionsschub wurde durch die Einführung der stereOphonen Musikaufzeichnung und -Übertragung ab 1958 verur-y sacht. Eine letzte Ausweitung der Eigenproduktionen 1966 war die Folge der Forderung der GVL nach einer Tantiemenerhöhung (zweiter "Schallplattenkrieg"). 23

3.2 Zur gegenwärtigen Situation der Musik im Hörfunk

3.2.1 äendeafltgileLRundfunkorchestgr_ugd_-ghöre

1984 entfielen 54,3 % der gesamten Sendezeit aller Hörfunkpro- gramme der Landesrundfunkanstalten auf die Programmsparte Mu— sik. 24 In den Jahren zuvor lag dieser Anteil ähnlich hoch. 25 Der tatsächliche Programmanteil der Musik dürfte allerdings noch höher liegen, da auch in anderen Programmen (insbesondere in Ma—

22: Während der Frequenzgang des mit dem AM-Verfahren (AM: Amplitudenmodula— tion) arbeitenden MN-Radios bis ca, 4,5 kHz reicht, sendet der die FM- Technik (FM: Frequenzmodulation) benutzende UKWaRundfunk bis ca. 15 kHz. Außerdem zeichnet sich der UKW-Hörfunk durch die Möglichkeit der stereo- phonen Technik sowie durch ein verbessertes Signal/Rausch-Verhältnis aus. 23: Der Versuch der Industrie, diese Kosten auf die Rundfunkanstalten abzuwäl— zen, führte zu einer Ausdehnung der Eigenproduktionen, da für diese keine GVL-Abgabe erhoben wird. Der Streit wurde 1967 durch einen gerichtlichen Vergleich geschlichtet, bei dem sich die Rundfunkanstalten bereiterklär— ten, ihre Zahlungen an die Plattenindustrie zu erhöhen; diese wiederum zahlt die Abgaben an die Orchestermusiker. 24: ARD-Jahrbuch 85, 17. Jg., S. 405 25: Der Programmanteil der Sparte 'Musik' veränderte sich wie folgt : total 'E-Musik' 'L-Musik' 1973 51,1 % 17,1 % 34,0 % ('L-Musik' = "Leichte 1978 50,2 % 16,3 % 33,9 % Musik") 1982 55,6 % 20,1 % 35,5 % 1983 55,8 %. 19,6 % 36,2 % 1984 54,3 % 19,2 % 35,1 %

(Angaben nach ARD—dahrbüchern 74, 79, 83, 84, 85) _ 75__

gazin- und Unterhaltungssendungen) Musik als 'Brücke' oder 'Rah— men' benutzt wird. Dieser nicht—explizite Musikanteil wird von Fohrbeck/Wiesand auf ca. 13-15 % der gesamten Sendezeit ge— schätzt. 26 19,2 % des Gesamtprogramms entfielen 1984 auf 'Ernste Musik', 35,1 % auf 'Leichte Musik'. 27 Die Gesamtsendezeit der von den Musikabteilungen bestrittenen Programme betrug 1984 7.205.878 Minuten. 28 Etwa die Hälfte dieser Sendezeit wurde mit Industrie— tonträgern bestritten. 29

In der Bundesrepublik existiert keine Quotenregelung bezüglich des Mindestanteils inländischer Kompositionen. Der Anteil auslän— discher Werke an den gesendeten urheberrechtlich geschützten Kom— positionen betrug 1980 im Schnitt aller Rundfunkanstalten mit GEMA-Inkasso 50 %. 30 Für 'U'w und 'E'mMusik existieren hierbei Unterschiede : Während der Inlandsanteil der gespielten Titel in ersterer nur 48 % beträgt, sind es in letztgenannter 61 %. 31 Der Anteil ausländischer Produktionen ist für die verschiedenen

Rundfunkantalten unterschiedlich. 32

26: Fohrbeck/Wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 209. Anzumerken ist, daß andererseits von den Musikabteilungen auch Wort-Musik—Sendungen (je- doch mit relativ geringem Wortanteil) produziert werden. 27: Die Relationen differieren zwischen den einzelnen Rundfunkanstalten. Der Anteil der 'Leichten Musik' im Programm von RB ist lt. Hörfunkstatistik 1984 der zweithöchste der Landesrundfunkanstalten, wohingegen der Anteil der 'E—Musik' unterdurchschnittlich ist. Insgesamt liegt bei RB die von den Musikredaktionen bestrittene Sendezeit anteilsmäßig Über dem Durch— schnitt (61,9 % : 54,3 %) (vgl. ARD-Jahrbuch 85, S. 404 f.) 28: ARD-Jahrbuch 85, S. 405. Zwar lag der Anteil der Musikprogramme 1984 unter dem des Jahres 1983, jedoch stieg die absolute Sendedauer um ca. 55.000 Minuten (vgl. ARD-Jahrbuch 84, S. 357; ARD—Jahrbuch 85, S. 405). 29: Fohrbeck/Wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 209 _30: ebd., S. 211; alle weiteren Angaben zu diesem Thema stammen gleichfalls aus dieser Quelle. Zu den in die Rechnung einbezogenen Rundfunkanstalten zählen auch RTL und Radio Free Europa als "nichtdeutsche Rundfunkanstal- ten mit GEMA—Inkasso" (ebd.). ‘31: Aufgrund der Beschränkung der Betrachtung auf urheberrechtlich geschützte Werke fällt ein Großteil des der 'E-Musik' zugeordneten Repertoires aus der Statistik. -

32: Während der Anteil ausländischer Produktionen an der Sendezeit im Jahre 1980 bei DLF, NDR, RIAS, SR, SWF Und WDR Über 60 % lag, betrug er bei RB lediglieh 43 %, womit diese Anstalt den geringsten Auslandsanteil aufwies. _ 75 _

Musikprogramme weisen sich durch insgesamt relativ niedrige Kosten aus : 'Leichte Musik' ist - nach den Ausländerprogrammen (32,—/Sendeminute) und den 'sonstigen Programmen‘ (52,—/m) - die drittbilligste Programmkategorie (54,-/,); die 'Ernste Musik' liegt mit 115,ufm zwar Über den Durchschnittskosten des Hörfunks (98,—fm), ist jedoch trotzdem die fünftbilligste der Programm— sparten. 33 Daß trotz des geringeren Anteils an urheberrechtlich geschützten Namen 34 die 'E-Musik' deutlich teurer als die 'U- Musik' ist, resultiert aus dem höheren Anteil an Eigenproduktio— nen und den Personalkosten der Bundfunkorchester und “Chöre. Der Anteil der Urheberrechtsgebühren an den Gesamtausgaben der ARD—Rundfunkanstalten (Hörfunk und Fernsehen) belief sich 1980 auf 3,5 %. Hinzu kommen noch Gebühren an die Verwertungsgesell- schaften aus den Werbearträgen, außerdem Honorarzahlungen an frei beschäftigte Musiker. 35

Den Musikabteilungen der bundesdeutschen Rundfunkanstalten (inkl. BIAS Berlin) waren 1981 insgesamt 24 Orchester und Chöre 36 (12 Symphonieorchester, 7 Tanzorohester, 5 Chöre) zugeordnet. Deren Personalkosten beliefen sieh 1979 auf 128,7 Mio. DM 37 Lediglich RB und der SFB verfügen nicht über festangestellte Klangkörper. Jedoch hat der SFB eine Sonderregelung mit dem selbständigen, als GmbH organisierten, Radio—Symphonie-Orchester Berlin (880) getroffen. Auch RB arbeitet relativ kontinuierlich mit der Nordwestdeutschen Philharmonie Herford sowie mit ver-

schiedenen Ensembles aus dem Bereich der 'U-Musik' zusammen.

33: ARD-Jahrbuch 85, S. 375 34: Deren Anteil dürfte in den 'E-Musik'-Programmen (nach SPIDEM—Angaben) weniger als ein Drittel, in den 'U-Musik'-Programmen hingegen mehr als 9/10 betragen (Fohrbeck/Niesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 209). 35: Fohrbeck/wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 206. Komponistenhono- rare sind in dem genannten Anteil bereits enthalten. 38: Eine detaillierte Aufstellung findet sich bei Fohrbeck/Wiesand, Musik, Statistik,Kulturpolitik, S. 207. Die oben noch mitgezählte 'Media-Band' (11 Musiker), eines der beiden Tanzorchester des WDR, wurde im Sommer 1982 aufgelöst. 37: Diese Summe entspricht 13,15 % der Hörfunkgebühren sämtlicher Sender. Ne— benkosten (Technik, Noten, Gastsolisten usw.) sind in diesem Betrag noch nicht enthalten. (Dibelius, Ulrich: Musikkultur aus eigener Kraft. Die doppelte Rolle der Rundfunkorchester und Rundfunkchöre. In: ARD-Jahrbuch 81, S. 26-37, S. 33) Die Zahl der Planstellen belief sich auf 1254 (ebd., S. 31). -77-

Die Rundfunkorchester unterscheiden sich von üblichen Orche- stern durch eine geringere Tendenz zur Bildung eines festen Re— pertoires; bedingt duch die Spezifika des Rundfunkbetriebs müssen die Orchester stilistisch vielseitig sein, um den wechselnden Be— dürfnissen der Produktionen und Konzertveranstaltungen gerecht werden zu können.

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'EwMusik' findet sich fast ausschließlich in den 'Minderhei* tenprogrammen', deren durchschnittliche Einschaltquote liegt un- ter 10 %. Allerdings hören Nutzer dieser Programme "insgesamt mehr Radio als der durchschnittliche Hörer pro Tag oder die Ge— samtbevölkerung. Die Hörer der Minderheitenprogramme nutzen also durchaus auch die unterhaltenden und informierenden Sendungen in den p0pulären Programmen, und zwar ebenso intensiv wie die spe- ziellen Minderheitenprogremme." 38 Diese haben somit ergänzenden, keinen substituierenden Charakter. Bei der Funkmedienanalyse 1974 gaben lediglich 13,3 % der Be- fragten an, in den letzten 14 Tagen vor der Befragung 'E-Musik' im Radio gehört zu haben. 39 Sicherlich beinhaltet diese Quote auch einige Zufallshörer, so daß der Anteil des ständigen Publi- kums noch niedriger liegen dürfte. Innerhalb dieses Personenkrei— ses besaßen 24 % bzw. 34 % Interesse an neuerer Musik, aber le— diglich 11 % bzw. 7 % (Mehrfachnennungen mögliCh) ein solches an avantgardistischer Musik. 40 Insbesondere ein jüngeres Publikum interessiert(e) sich für diese Musik. Es scheint, als rekrutierten die Rundfunkanstalten das Publi— kum von 'E-Musik' zumindest partiell selbst : bei 50 % der Hörer dieser Programme hatten Radiosendungen das Interesse an dieser

38: Bessler, Hörer- und Zuschauerforschung, S. 313 39: Eckhardt, 'E-Musik‘—Hörer : Echte Minderheiten ? (in: Rösing, Symposium“ Musik und Massenmedien), S. 114 4D: ebd. Die jeweils erstgenannten Zahlen beruhen auf der Frage nach musika— lischen Gattungen, die letztgenannten auf der nach musikalischen Epochen. 41: ebd. Zu in der Tendenz ähnlichen Ergebnissen gelangte die 3. Emnid-Unter- suchung "Jugend — Bildung und Freizeit" (im Auftrag der Deutschen Shell AG); vgl. Pape, Winfried: Studien zu Hörpräferenzen Jugendlicher. In: Rösing (Hg.), Symposium Musik und Massenmedien, S. 129. _ 7g _

Musik geweckt und vertieft. Konzertbesuche lagen mit 48 % Nennungen an zweiter, Fernsehsendungen mit 25 % immerhin noch an sechster Stelle. Unterschiedlich waren die Wünsche der Hörer an die Rundfunkanstalten : 47 % wünschten eine stärkere Programm- ausrichtung an populären Werken der 'E-Musik', 38 % waren für die Beibehaltung eines status quo, lediglich 14 % traten für eine stärkere Berücksichtigung unbekannterer Werke ein. Bezüglich In- formationssendungen über Musik “zeigten sich 44 % stärker und 54 % weniger interessiert". 42 Bezüglich ihrer sozialen Zusammensetzung erweist sich die 'E-MusikJ-Hörerschaft nicht als deutlich abgrenzbare Minderheit, wenngleich hinsichtlich-der Variablen Schulbildung und Einkommen ein "leichtes Übergewicht" der formal höher gruppierten exi— stiert. 43

Diese Befunde verdeutlichen, daß der Rundfunk tatsächlich - wie im 2. Kapitel angedeutet - eine gewisse pädagogische-Funktion ausübt. Als Mittel einer didaktischen Vermittlung von Musik sind zunächst die expliziten Bildungsprogramme zu nennen, deren Kon- zeptionen entweder auf Schüler (Sehulfunkprogramme) oder aber auf Erwachsene (Funkkolleg, BIAS-Bildungsprogramm u.ä.) zuge- schnitten sind. Im Programm des Musikschulfunks nehmen die aktiv— musikalische Rezeption fördernde Sendungen eine bedeutende Rolle ein. Solche Beiträge sind in den anderen Programmteilen in der Regel nicht zu finden. 44 Die Sendungen der Erwachsenenbildungs- programme beziehen sich fast ausschließlich auf musikgeschicht- liche bzw. -ana1ytische Themen. ' Die Wirkung explizit musikdidaktischer Sendungen ist‘aller— dings begrenzt. Sie erreichen nur ein begrenztes Publikum, das zudem oft nicht mit dem intendierten Zielpublikum identisch ist?5

42: sämtlich: Eckhardt, 'E-Musik'-Hörer..., S. 115 43: ebd., S. 116 44: Eine Ausnahme im Hörfunkbereich stellt z.B. die Sendereihe "Improvisa- tionen mit Musik", seit 18.08.1984 wöchentlich im Programm Von WDR I, dar. Im Fernsehen finden sich solche Beiträge etwas häufiger. 45: Dies gilt besonders für Sendungen des Musikschulfunks, der nur wenig von Lehrern genutzt wird. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, daß die Zielgruppe der Lehrer eine Gruppe von 'kommunikativen Multiplikatoren‘ darstellt, was die relativ geringe Reichweite z.T. ausgleicht. - 7g _

Auch die Gestaltung 'normaler', nicht explizit pädagogischer Programme ist nach pädagogischen Kriterien möglich. Insbesondere geschieht dies durch einführende Wortusik-Sendungen und einfüh— rende Kommentare. Derartige Sendungen sind sowohl im Bereich der 'E'— als auch in dem der 'U'-Musik zu finden. Einen — nur selten realisierten _ Sonderfall der Moderation schlug Adorno vor : die Livemoderation mit einem Über die Musik gesprochenen Kommentar (running comment), was eine Aufhebung der Trennung von Werk und Analyse bedeuten würde. 46

Weitere Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich aus der Möglich- keit der Interessenweckung bei Zufallshörern und der 'Horizont- erweiterung' derRezipientendurch eine vielfältige Programmge- staltung. 47

3.2.4 ErgduktignenLKgnzertg

Während - bedingt durch technische Veränderungen — nach 1945 zunächst das Standardrepertoire mehrfach produziert werden mußte, ist mittlerweile längst die Repertoireerweiterung in den Vorder- grund getreten. Die Zahl der Produktionen beläuft sich normaler- weise auf mehrere hundert Werke pro Jahr und Anstalt. Verpflich- tet werden hierfür - neben den beim Rundfunk fest beschäftigten Musikern - sowohl einheimische Künstler als auch auswärtige; für letztere wird unter Umständen erst durch die Verbindung mit sol- chen Pääduktionsaufträgen eine Konzerttournee ökonomisch sinn- voll.

Häufig werden auch Konzerte zur späteren Sendung mitgeschnit— ten, was jedoch in der Programmgestaltung_weniger Spielräume läßt als eine Studioproduktion. Die Rundfunkanstalten führen derartige

46: Adorno, Über die musikalische Verwendung des Radios, S. 246 f. Gleiches vertritt Wilhelm Matejka (Musik im Radio. Wien/München 1982, S. 75), der emphatisch in Anlehnung an Brecht formuliert, daß die Musik— moderation der Chance gleichkomme, den Rundfunk partiell "aus einem Di- stributionsapparat in einen Kommunikationsapparat" zu verwandeln (S. 85). 47: Ein Beispiel für ein im 'E*Musik'—Bereich gemischtes Programm ist das "Bremer Konzert“ (RB II), in dem Werke sämtlicher Stile und Gattungen nebeneinander stehen. 48: Hierauf weist Seifert, Musikalische Aspekte des Themas, S. 43, hin. -BÜ-

Konzerte im Bereich der 'E—Musik' zum großen Teil mit eigenen Klangkörpern durch; in der Regel werden lediglich Solisten fall- weise verpflichtet. Die Konzerte weisen eine große Repertoire- breite auf. Neben Konzertreihen werden auch Sonderkonzerte veran- staltet. Die Veranstaltungen der Rundfunkanstalten stellen eine Bereicherung der kommunalen Kulturarbeit der jeweiligen-Anstalts- sitze dar, wobei anzumerken ist, daß auch im Um- und Ausland Kon- zerte von den Rundfunkanstalten bzw. mit deren Drchestern durch— geführt werden. Neben Konzerten der 'E-Musik' führen die Sender solche mit 'U- Musik‘ durch 49, wobei es sich mehr um Jazz- und Folk- als um Rockkonzerte handeln dürfte. Verpflichtet werden hierfür sowohl bekannte Interpreten als auch unbekannte im Rahmen der Nachwuchs- förderung. 50 Da eigene Interpreten-in diesem Bereich im allge— meinen-fehlen, sind hier Kooperationen der Rundfunkanstalten mit anderen Trägern häufig. Generell zeichnen sich Rundfunkkonzerte durch relativ geringe Eintrittspreise aus (meist bis ca. 10 DM, verschiedentlcih auch umsonst).

3.3 Musik im Fernsehen

Anders als im Hörfunk kommt im Fernsehen der Musikausstrahlung eine untergeordnete Rolle zu, wenngleich offenbar ihre Bedeutung steigt. Musik wird im Fernsehen in vielen Formen präsentiert; ab- gesehen von politischen Informationssendungen sind sämtliche an-' deren Programmsparten mehr oder weniger mit Musik durchsetzt bzw. von ihr begleitet. Explizite Musiksendungen hingegen finden sich relativ selten und sind primär den verschiedenen Bereichen der

49: Außerdem werden zur musikalischen Untermalung von Unterhaltungssendungen verschiedentlich Musiker eingeladen; dies soll hier jedoch nicht weiter berücksichtigt werden. 50: Als Beispiel einer auf die Nachwuchsförderung ausgerichteten Veranstal- tungsreihe sei die "Stadtmusik" des NDR genannt. Unter diesem Titel begann die Anstalt 1982 "eine umfangreiche, langfristig angelegte Förderungsmaß- nahme für junge Musiker und Musikgruppen, die Pop, Rock, Folk oder Jazz spielen" (ARD-Jahrbuch 83, 15. Jg., S. 175). _ 81 _

'U-Musik' zuzuordnen ("Lustige Musikanten", "ZDF—Hitparade", “Rockpalast" u.a.). Sendungen aus dem Bereich der 'E—Musik‘ sind selten und finden sich vorwiegend in den III. Programmen und im ZDF (Opernübertragungen, musikdidaktische Sendungen, Festspiel— aufzeichnungen). Das Medium Fernsehen eignet sich aufgrund der Integration der visuellen Komponente besonders für die Wiedergabe szenisch konzi- pierter Musik. Jedoch exiStiert eine Tendenz in Richtung der Vi— sualisierung sämtlicher musikalischer Sparten : Nachdem in der 'U—Musik' schon seit langem Musikfilme zur finanziellen Auswer— tung der Kompositionen verwendet werden, mittlerweile Hitparaden bereits mit Videoclips produziert werden 51, hält die kommer- zielle Auswertung mittels audiovisueller Aufzeichnungen inzwi- schen auch Einzug in die 'E-Musik'. Die steigende Bedeutung der Musikdistribution im Fernsehen spiegelt sich auch in den Programmen der privaten Programmanbie— ter wider. 52

3.4 Das Verhältnis von Musik und Rundfunk in der kulturtheore-

tischen Diskussion

Wenngleich die Diskussion Über das Verhältnis von Musik und Ra— dio so alt wie das Medium ist, so ist die Auseinandersetzung in der Regel wenig hilfreich_gewesen‚ zur tatsächlichen Klärung des Sachverhaltes beizutragen. Empirische Untersuchungen bezogen und beziehen sich primär auf Programmpräferenzen und Rezeptionsver- halten. Eventuelle Kausalbeziehungen zwischen der medialen Musik— distribution und musikalischer Bildung bzw. musikbezogenem Vern halten halten waren bisher kaum Gegenstand der Forschung, sondern wurden lediglich mehr oder weniger spekulativ abgehandelt.

51: Videoclips gehören seit ca. 1980 neben 'Demobändern' zu den wichtigsten Promotion-Artikeln in der 'U—Musik'. Anfänglich lediglich die Bühnenshows der Interpreten darstellend, wandelten sich die Erzeugnisse zu Kurzfilmen mit künstlerischem Anspruch. 52: Beispielsweise bringt das seit Jahresanfang 1985 sendende SAT 1—Programm täglich eine Stunde Videoclips. Im Kabelpilotprojekt Ludwigshafen sendet der britische Thorn/EMI-Konzern einen 'Musikkanal' auf der Basis von Vi— deoclips; einen zweiten Musikkanal richtete das ZDF ein ('ZDF Musikkanal‘). „ 32 _

Im Rahmen der spekulativ-theoretischen Auseinandersetzung lassen sich zwei diametral entgegengesetzte Positionen untere scheiden, zwischen denen in der Literatur verschiedentlich, je— doch nicht häufig, vermittelt wurde ' - eine 'kulturpessimistische‘, - eine 'bildungsoptimistische'.

Vertreter der erstgenannten Positionen bemängeln insbesondere, daß durch ihre Dmnipräsenz die Musik zur bloßen Geräuschkulisse verkomme 53 und so einem atomistischen Hören Vorschub geleistet werde. 54'Alphons Silbermann versucht dies mit einer "Distanz" zwischen Hörer und Medium zu erklären 55, die neben der mangeln- den Konzentration beim Hören eine geringe Wertschätzung der Ra- diosendungen hervorrufe. 56 Hansjörg Bessler verweist — zumindest indirekt — auf eine fortschreitende Polarisierung des musikali- schen Bildungsstandes : Da "auch erklärte Liebhaber dieser Sen- dungen (mit 'klassischen' Musikprogrammen, R.w.) am Abend häufig fernsehen und, entgegen manchen anderen Annahmen, dabei gar nicht selten die Fernsehsendungen auswählen, die auch die großen Mehr— heiten regelmäßig frequentieren", wird "die Nutzung von Beiträgen der 'Hochkultur' ... immer stärker auf eine kleine Kerngruppe eingeschränkt." 57

Die Vertreter der Gegenposition weisen auf die Möglichkeit hin, ein breites Publikum, das bisher - aus infrastrukturellen, ökonoä mischen oder sonstigen Gründen - kaum in der Lage war, Konzerte zu besuchen, mit musikalischen Werken vertraut zu machen. Sie

53: Vgl. Roberts, John: Musik im Hörfunk und die Jugend von morgen. In: 50 Jahre Musik im Hörfunk. Ähnlich Goslich, Siegfried: Daten und Tendenzen - Eine Bilanz über 50 Jahre Radiomusik. In: 50 Jahre Musik im Hörfunk, S. 7-18, S. 9. Vgl. auch Adorno, Über die musikalische Verwendung..., S. 221 f. 54: So Adorno: The Radio Symphony. An Experiment in Theory. In: Lazarsfeld, P.; Stanton, P. (Hg.): Radio Research 1941. New York 1942. Nach: Wangermäe, Robert : Rundfunkmusik gegen die Kulturmoralisten verteidigt. Versuch zur künstlerischen Kommunikation. Karlsruhe 1975, S. 11 55: Silbermann, Alphons: Musik, Rundfunk und Hörer. Köln/Dpladen 1959, S. 14D 56: ebd., S. 141 57: Bessler,Hansjörg: Der Rundfunk und sein Publikum. In: Bausch, Hans (Hg.): Königssteiner Gespräche über Rundfunkpolitik, Programm und Technik. Ham— burg 1975, S. 116-156, S.136 _ 83 _ verweisen auf in der Programmgestaltung liegende Chancen der Po- pularisierung. 58 Auch auf stilprägende Funktionen des Rundfunks wirdlüngmüesmm 59 Hinzu kommt die bereits angesprochene, struk- turell fördernde,Mäzenatenfunktion. Weiterhin ist auf ein häufig hohes Interpretationsniveau hinzuweisen, das letztendlich der Qualifizierung des Hörers dienen kann. Außerdem ist es im Rahmen des Radiohörens zumindest theoretisch möglich, die Werke unge- „ . . . 60 storter als 1m Konzertsaal zu r921p1eren.

Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht weiter auf die theoretisch geleitete Diskussion eingegangen werden; festzuhalten bleibt, daß die Position des Rundfunks gegenüber Musik und Musikleben der Ge- genwart eine widerSprüchliche bleibt. Für eine weitreichende Theorie wären als Basis umfangreiche empirische Untersuchungen, insbesondere über den Prozeß der Rezeption, notwendig 61, ist doch mit theoretischen Mitteln kaum über die bereits vor ca.

58: Vgl. Matejka, Wilhelm: Musik im Radio. Wien/München 1982, insbesondere S. 72—85. Ähnlich argumentiert Robert Wangermee (Rundfunkmusik gegen die Kulturmora— listen verteidigt), der darauf verweist, daß Radioübertragungen ein größeres Publikum als live-Veranstaltungen erreichen. Insbesondere be— schäftigt er sich in seiner Schrift mit der Widerlegung der These des durch die mediale Musikdistribution verursachten atomistischen Hö— rens. Vgl. auch Kundler, Herbert: Über die kulturelle Bedeutung des Rundfunks und seine Rolle als Mäzen. Referat ARD/ZDF—Seminar Baden-Baden, März 1969 (Typoskript): "Die kulturellen Minderheitenprogramme von heute werden nicht die Massenprogramme von morgen werden. Aber vieles deutet auf eine kon- tinuierliche Ausweitung von Ansprechbarkeit, Aufnahmebereitschaft und Urteilsfähigkeit beim Gesamtpublikum der Massenmedien. Es kann das, was als blosses Mäzenatentum von Hörfunk und Fernsehen gegenüber Autoren und Interpreten besonders der avantgardistischen Bereiche er— scheinen mag, de facto Vorarbeit für die Programmgestaltung künftiger Jahre sein." (S. 7) Hinzuweisen ist auch auf Nachahmungseffekte; musikalische Aktivitäten von Jugendlichen in der 'U-Musik' dürften zum bedeutenden Teil durch medial distribuierte Vorbilder veranlaßt worden sein. 59: In den 50er Jahren beispielsweise hatten israelischer und mexikanischer Rundfunk die Aufgabe, nationale Musiktraditionen zu fördern. Zur stilprägenden Funktion des Rundfunks vgl. auch Kapitel 4.1 dieser Ar— beit. '

60: vgl. auch Adorno, Über die musikalische Verwendung..., S. 217 61: Zu Methodenproblemen vgl. Kleinen, Günter: Massenmusik und Alltagskultu- ren. In: Musikpsychologie. Jahrbuch der deutschen Gesellschaft für Musike psychologie. Bd. 1/1984, S. 53-72, insbesondere S. 67 ff. _ 84 _

25 Jahren markierten Positionen (Adorno, Silbermann B2) hinaus“ zugelangen: Die Bereitschaft zu empirischen Arbeiten, die über eine bloße Präferenzfi bzw. Nutzungsmessung hinausgehen, findet sich vor allem im Bereich der Musikpädagogik.

3.5 zusammenfassung

Eine enge Verbindung von Musik und Rundfunk existiert seit der Einführung des Mediums, was sowohl auf historische Ursachen als auch auf stofflich-strukturelle zurückzuführen ist. Darüber hinaus kam die Mosikdistribution den Hörerpräferenzen entgegen. Früh wurde Musik zum dominierenden Programmteil. Bereits in der Anfangsphase wurden sendereigene Orchester und Chöre gegründet. Im Zuge technischer Verbesserungen wurde der Einsatz von Schall- platten und magnetischer Tonaufzeichnung als primärer Programm- quelle möglich, was zwei Auswirkungen hatte : Einerseits erlaubte dies eine Archivproduktion, die e Zumindest theoretisch — Qua- litätssteigerung und Repertoireerweiterung ermöglicht, anderer- seits erwies sich die Ausweitung des Einsatzes von Industrieton- trägern als relevant in Bezug auf die Kostenentwicklung und die allgemein werbende Funktion des Radios für Erzeugnisse der Müsik— industrie. I _ Die der ARD angeschlossenen Landesrundfunkanstalten (sowie der RIAS Berlin) unterhalten Zusammen eine Vielzahl von hauseigenen Klangkörpern. Diese sind nicht nur für die Produktion - insbe- sondere in der 'E-Musik' - zuständig, sondern repräsentieren die Rundfunkanstalten auch nach außen hin durch die mit ihnen veran- stalteten Konzerte. Diese stellen ihrerseits wieder Ereignisse dar, Über die der Rundfunk berichtet. Mit einem Anteil am Gesamtprogramm des bundesdeutschen Hör: funks von deutlich Über 50 % nimmt auch heute die Kategorie

62: Anzumerken ist, daß sich bei Walter Benjamin (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt/Main 1963, 4. Auflage 1977) keine explizit auf die mediale Musikdistribution bezogene Aussage findet, wenngleich selbstverständlich seine These vom Verlust der Aura eines Kunstwerkes durch seine massenhafte Reproduzierbarkeit auf die Verhältnisse im Bereich der Musik Übertragbar ist. _ 85 _

'Musik' mit Abstand den ersten Platz unter den verschiedenen Pro- grammsparten ein. Insgesamt ist auch für die Gegenwart zu könsta- tieren, daß direkt und indirekt eine Vielzahl Musikschaffender primär oder zu wesentlichen Teilen ökonomisch vom Rundfunk ab- hängig sind. Das ökonomische Potential der Rundfunkanstalten im Musikbereich beläuft sich insgesamt auf mehrere hundert Millionen DM pro Jahr. Neben die ökonomische Bedeutung des Rundfunks für den Musikhe- reich tritt die kulturpolitische, die durch die Programmarbeit vollzogen wird : Zwar ist tendenziell das Programm an den Inter» essen der Hörer ausgerichtet - mit deutlichem Übergewicht der 'U-Musik' „‚ jedoch werden 'Hörerminderheiten' durch die Pro- grammgestaltung relativ gut mit spezifischen Programmen versorgt. Für bestimmte Musikstile/-gattungen stellt das Radio die einzig relevante Distributionsform dar (Avantgarde, außereuropäische Mu- sik, moderner Jazz, 'Alte Musik'). Aus der Präsentation von Musik im Radio (und zunehmend auch im Fernsehen) sich ergebende Konsequenzen bedürfen eingehender empi— rischer Erforschung; abgesehen von wenigen Teilbereichen ist der gesamte Aspekt primär der soziologischen und philosophischen Spe- kulation verhaftet. -86-

4. ZEITGENÖSSISCHE MUSIK UND RUNDFUNK

Seit Einführung des Rundfunks weisen dieses Medium und die je— weils zeitgenössische Musik Verbindungen auf verschiedenen Ebenen auf. Einerseits fungier(t)en die Rundfunkanstalten als Auftrag- geber und Produzent, andererseits stell(t)en sie durch Sendungen und öffentliche Konzertaufführungen einen grundlegenden Pfeiler der Distribution dar. Darüber hinaus besitzt das Radio eine stil- bildende bzw. -prägende Funktion, was in den besonderen Eigen— schaften dieses Mediums gründet.

4.1 Zur stilbeeinflussenden Funktion des Rundfunks

Stilistische Auswirkungen des Rundfunks auf das jeweils aktuels 1e Musikschaffen werden durch zwei Faktoren ermöglicht - durch eine F bewußt oder unbewußt - selektive Vergabe von Kom— positionsaufträgen sowie eine 'steuernde' Programmgestaltung, die es dem verantwortlichen Redakteur ermöglichen, bestimmte stilistische Tendenzen besonders zu fördern; — durch technisch—strukturelle Bedingungen des Mediums. In diesem Abschnitt soll lediglich auf den latztgenannten Punkt eingegangen werden, der erstgenannte wird kurz in Abschnitt 4.2 behandelt. Teilweise handelt es sich bei den durch strukturelle Bedingungen hervorgerufenen Einflüssen um bereits historisch ge- wordene. Auf sie ist trotzdem in diesem Kapitel einzugehen Durch diese ersten Formen einer 'Rundfunkmusik' wurden Entwick— lungen hinsichtlich des Zusammenhangs von Rundnk und neuer Musik ausgelöst, die bis in die Gegenwart Einfluß sowohl auf das musikalische Gegenwartsschaffen als auch auf das Selbstver- ständnis der Rundfunkanstalten in bezug auf deren Verhältnis zu eben diesem besitzen.

Erste Einflüsse der technischen Bedingungen des Mediums auf die musikalische Entwicklung ergaben sich aus dem Stand der Tonträ- ger-, Sender- und Empfängertechnik. 1 Hieraus resultierte eine

1: Sämtliche Elemente der 'Übertragungskette' waren von weitaus schlechterer Qualität, als dies heute der Fall ist. Dies gilt für die Schallaufzeichnung _ 87 _

Einschränkung in der Möglichkeit, musikalische Strukturen, die durch Instrumentation und Dynamik 2 bestimmt werden, adäquat zu Übertragen. Frühzeitig arbeiteten zahlreiche Komponisten an mediengerech— ten Werken, die die technischen Beschränkungen des Radios durch kompositorische Mittel auszugleichen versuchten. In diese Arbeit flossen auch Ergebnisse der Hörerforschung ein, nach denen das Rundfunkpublikum dem gesendeten Werk nicht so viel Aufmerksamkeit zukommen läßt, wie das Konzertpublikum. "Die neu zu schaffenden Werke sgllten also kurzweilig und keinesfalls zu anspruchsvoll sein.“ Stilistische Eigenschaften der Rundfunkmusik 4 lagen sowohl in der Satztechnik als auch in der Instrumentation. "Man gab allge— mein der Kammerform, der Polyphonie und der zyklischen Anlage der Suite besondere Chancen, mied die auch heute noch wegen ihrer großen Schallintensität schwer auszusteuernden Pauken, schränkte den Umfang der Dynamik und die Stärke der Besetzung ein und hielt die Dauer der Werke klein.“ 5 Neben Pauken galten noch besonders Trommeln, Becken und andere Percussionsinstrumente sowie Orgeln, Hörner, Bässe und Klaviere als ungeeignet. 6 An Bedeutung gewann das Saxophon, das die Hörner und — in den Radioorchestern in den USA — gelegentlich auch die Basisfunktion der Streicher ersetz- te. 7 Einen gewissen Einfluß erlangten auch elektroakustische Mu- .sikinstrumente (Ondes Martenot, Trautonium), deren Entwicklung z.T. vom Rundfunk unterstützt wurde.-Auch die Frage der Tempi

(Mikrofone, Aufzeichnungsgeräte, Tonträger) ebenso wie für die Senderteche nik (obere Grenzfrequenz ca. 4,5 kHz, schlechtes Signal/Rausch-Verhältnis) und die Empfangsgeräte (inklusive der Lautsprecher). 2: Gewisse dynamische Einschränkungen existieren auch noch heute, sie können erst unter Einsatz der Digitaltechnik weitestgehend eliminiert werden. 3: Goslich, Siegfried: Musik im Rundfunk. Tutzing 1971, S. 165 4: Von Silbermann (Musik, Rundfunk und Hörer, S. 63) wird deren Spezifität in funktioneller und soziologischer Hinsicht bestritten, da sämtliche Mu- sik im Radio Übertragen werden kann. Diese These dürfte sich aber ledigfl lich für den Bereich der Rezeption aufrechterhalten lassen, nicht jedoch für den der künstlerischen Produktion, also der Komposition.

5: Goslich, MuSik im Rundfunk, S. 167 6: ebd., S. 166 f. 7: ebd., S. 167. Goslich nennt Ferde Grofä als Urheber dieser Besetzung in den amerikanischen Orchestern (ebd.). _ 88 _ wurde von den medialen Gegebenheiten beeinflußt. 8 Zumindest für den Bereich der spezifischen Funkkompositionen läßt sich festhal- ten : "Das Ideal einer ‘Rundfunkmusik' war das Ideal der — musik in den zwanziger Jahren, wobei freilich die Bedingungen des Rundfunks zunächst tatsächlich diese Spielmusik zu bevorteilen schienen." In besonderer Weise entsprach der Jazz den Anforderungen des neuen Mediums. 10 Es kann nicht weiter verwundern, daß die er- sten speziell für das Radio geschriebenen Kompositionen dessen Idiom aufgriffen. 11 Zahlreiche Komponisten versuchten sich in der Produktion einer 'gehobeflefl Enterhaltungsmusik'. Diese verdankt ihr Entstehen der Intention, eine Synthese aus den Interessen des Publikums und ei- nem künstlerischen Anspruch zu erzielen. Viele der Radiokomposi— tionen aus allen stilistischen Bereichen trugen einen Verweis auf den Rundfunk im Titel. 12 ' ' Die Bedeutung, die man der Rundfunkmusik zunächSt zumaß, spie— gelt sich in der Einrichtung verschiedener Institutionen wider.13

8: Das Fehlen der visuellen Komponente der Konzertaufführung sowie der be— grenzte Frequenzbereich verlangten als Ausgleich eine Verdichtung der musikalischen Ereignisse und damit eine Temposteigerung. 9: Kühn, Hellmut: Die Musik in deutschen Rundfunkprogrammen. In: Schmidt (Hg.), Musik in den Massenmedien, S. 24-43, S. 33 10: Vgl. auch Berendt, Ernst Joachim: Die besondere diskreter Toll- heit. In: Kirche und Rundnk. Nr. 68/1975, 24.09.1975, S. 1-5, S. 1 11: Zu den ersten speziell für das Radio geschriebenen Kompositionen zählen die - Jazzelemente aufgreifenden — Sinfonietten von Max Butting und Ernst Kreneks "Radio Blues" (Vgl. Brennecke,w11fried: Die Entwicklung der Sym—' phonie in Deutschland, Österreich und der Schweiz von etwa 1885 bis in die Gegenwart. In: Musikalische Gattungen in Einzeldarstellungen. Band 1. Sym- phonische Musik. Kassel/München 1981, S. 74-91, S. 84. / Großmann—Vendrey, Susanne u.a.: Auf der Suche nach sich selbst. Anfänge des Hörfunks in Deutschland. Oktober 1923 bis März 1925. In: ARD-Jahrbuch 83, S. 41—61, S. 50). 12: Goslich verweist auf drei Werke von Werner Egk aus dem Jahre 1929: "Ein neuer Sender sagt sich an", "Zeit im Funk", "Ein Cello singt in Daventry" (Daventry war der Sitz eines Senders)(Goslich, Musik im Rundfunk, S. 189). 13: Ende der 20er Jahre wurde in Berlin an der Akademischen Hochschule für Musik die Rundfunkversuchsstelle gegründet, deren Aufgabe die Mitarbeit so- wohl an einer funkspezifischen Musik als auch an der Forschung zur Verbesse- rung der Übertragungsqualität war (vgl. Kühn, Die Musik. , S. 32). 1928 fand in Göttingen die erste Tagung für Rundfunkmusik statt, der 1931 eine zweite folgte. Programmschwerpunkte waren spezifische Funkarrangements und Werke der 'U*Musik' (vgl. Goslich, Musik im Rundfunk, S. 168). -89-

Mit den Veränderungen im Rundfunkwesen nach Antritt der Regierung Hitlers endete zunächst der Versuch, eine funkspezifische Musik im bisherigen Sinn zu schaffen. Nach 1945 wurden auf diesem Ge- biet andere Schwerpunkte gesetzt, zumal die Rundfunktechnik seit dieser Zeit große Fortschritte verzeichnen konnte.

Länger von Bedeutung waren die sogenannten Funkopern. Sie ver— suchten, nicht bloß auf technische Unzulänglichkeiten zu reagie- ren, sondern die strukturelle Beschränkung auf das Auditive zu verarbeiten. Der Wegfall der Optischen Komponente sollte durch eine spezifische, mit epischen Elementen arbeitende Dramaturgie ausgeglichen werden. Als Prototyp der FunkOpern kann das musika- lische Funkspiel "Mord" von Walter Gronostay (DW, 1929) angesehen werden. 14 Auch für die Entwicklung der Funkopern bedeutete die Zeit von 1933 bis 1945 einen Rückschritt. Im Gegensatz zur nur instrumentalen 'Rundfunkmusik' ging die Entwicklung nach Kriegs- ende jedoch weiter und wurde durch die Kompositionsaufträge der Rundfunkanstalten gefördert. 15 Zunächst dürfte auch die Zerstö- rung der Theater die Produktion solcher Werke unterstützt haben. Neben der Erarbeitung eigenständiger Funkopern wurde eine mediengerechte Bearbeitung des Opernstoffes — zumeist mit Kür— 16 zungen, weniger mit Umarbeitungen — versucht. Später ging man zu hörspielartigen Montagen über.

Verwandt mit der Gattung der Funkoper ist die Hörspielmusik. Das Hörspiel als medienspezifische literarisch-künstlerische Gattung erhielt bereits 1925 eine theoretische Grundlage. 17

Auch adf'normalen'Musikfesten wurden Rundfunkkompositionen vorgestellt. So wurden auf dem Deutschen Kammermusikfest 1929 in Baden-Baden u.a. die Badiokantate "Lindbergh-Flug“ von Brecht /Weill (als 'Lehrstück' mit akti— ver Integration des Hörers konzipiert) und eine "Suite für Rundfunk" von Hugo Herrmann aufgeführt (vgl. Goslich, Musik im Rundfunk, S. 165). 14: Goslich, Musik im Rundfunk, S. 202 15: Als Komponisten von Funkopern sind nach 1945 u.a. Henze ("Ein Landarzt. H. verwendet hier rückwärts laufende Tonbänder. Dieses Stück wurde 1950/51 im Auftrag des NWDR geschrieben und mit dem Premio Italia ausgezeichnet.), Dallapiccola, Zillig und Badings in Erscheinung getreten. 16: vgl. Jungk, Musik im technischen Zeitalter, s. 36 17: vgl. dazu Goslich : Hörspiel-Musik. Entwicklung und Wandlung einer radio- phonen Gattung. In: Rösing (Hg.), Symposium Musik und Massenmedien, S. 139-145, S. 141 _ gg -

Zunächst wurden Hörspiele mit unspezifischen Vor- und Zwischen— spielen ausgestattet. Im Laufe der Zeit ersetzte ein dramaturgi- sches Konzept den zuvor in der Musik herrschenden Naturalismus.18 In den 60er Jahren entwickelte sich das experimentelle Hörspiel zu einer verschiedene Stile und Techniken integrierenden Gattung, die partiell die Trennung von Text, Geräusch und Musik aufzuheben in der Lage ist, Auch arbeiten verschiedene Komponisten seit etwa jener Zeit mit der bloß phonetischen Qualität der Sprache, so daß eine Annäherung der Bereiche Hörspiel und Musik verzeich— net werden kann.

Eine Bereicherung der kompositorischen Möglichkeiten erfuhr die Musik des 20. Jahrhunderts durch elektroakustische/elektronische Instrumente und die Möglichkeit der magnetischen Tonaufzeichnung. Die Entstehung dieser Techniken ist eng an die Geschichte des Rundfunks geknüpft. 19 Die Einführung der magnetischen Tonauf» zeichnung schuf neuartige Möglichkeiten für Collagen und (nach— trägliche) Manipulationen, wie sie zunächst besonders von den Vertretern der musique concrete genutzt wurden, aber auch von den Komponisten der elektronischen Musik. In der Avantgarde der 50er Jahre nimmt die elektronische Musik eine bedeutende Stellung ein. Später relativierte sich ihre Be- deutung durch den Verlust des innovatorischen Reizes etwas. Von Herbert Eimert und Werner Meyer—Eppler initiiert, wurde im Früh- jahr 1953 das Studio für elektronische Musik im Funkhaus Köln des

18: Vgl. ebd., S. 142. "Die Hörspielmusik war sinndeutend und ersetzte die mangelnden visuellen Eindrücke durch klangliche Mitte1.Aphoristische Kürze bildete eines ihrer Hauptmerkmale." (S. 143) Die erste dramatischwfunktionelle Hörspielmusik soll von Victor Hely- Hutchinson 1927 zu "Garnival" geschrieben worden sein (Salter, Lionel: Musik im HörSpiel. In: 50 Jahre Musik im Rundfunk, S. 40-49, S. 41) 19: In den 30er Jahren entwickelten beispielsweise in Berlin zwei Forschungs— gruppen in Verbindung von Industrie (Telefunken, Siemens); Rundfunk (Rund- funkversuchsstelle) und Forschung (Heinrich-Hertz-Institut) das Trautonium, das Förster—Elektrochord und den Neo-Bechstein—Flügel (eigentlich Bech— stein-Nernst-Siemens-Flügel)(vgl. Kühnelt, Wolf D.: Elektroakustische Mu— sikinstrumente . In: Für Augen und Uhren, S. 59 ff.). 1955 wurde bei der Radio Corporation of America (RCA), einem US-amerikani- schen Medienkonzern, von Harry F. Dlson und Herbert Belar der ' Synthesizer' entwickelt, der - gesteuert durch Lochstreifen mit bi— när codierten Daten — bereits eine Frühform des Musikcomputers darstellt. 20: Vgl. auch Kapitel 1 dieser Arbeit. Angesichts u.a. der werke Schaeffers, der sich zunächst an Hörspiel und moderner Literatur orientierte, ließe sich die These aufstellen, daß die Einführung der magnetischen Tonauf— zeichnung die Grenzen zwischen Musik und Hörspiel tendenziell reduzierte. _ 91 _

NWDR eröffnet. An-diesem Beispiel zeigt sich ein Zusammengehen

von Rundfunkanstalten, die über das technische Potential verfü— gen, und zeitgenössischer Musik; diese Verbindung ließe sich in— terpretieren als "Förderung gegenüber der 'Sache' der neuen Mu- sik". Der öffentlich-rechtliche Rundfunk schafft auch durch die Bereitstellung von technischen Möglichkeiten einen 'künstleri-_ schen Freiraum' mit der Möglichkeit zu Innovationen. Mit der Verkleinerung und Verbilligung der elektronischen In- strumente verlor der Rundfunk seine Schlüsselposition für den Produktionsvorgang elektronischer Musik. Jedoch werden die elek- tronischen Studios weiterhin genutzt 21 und der Rundfunk besitzt aufgrund seiner Position in der Distribution neuer Musik weiter— hin eine wichtige Funktion auch für die elektronische Musik. Stereotechnik und mehrspurige Tonaufzeichnung, eingeführt ab Ende der 50er Jahre bzw. Mitte der 60er Jahre,botm1den Komponi- sten weitere Möglichkeiten in der Gestaltung elektronischer bzw. elektronisch manipulierter Kompositionen. Während die Stereopho— nie für die Lautsprechermusik u.ä. Raumwirkungen ermöglicht und auch zu einem gewissen Grade einen Ersatz der visuellen Komponen- te darstellt, werden durch MehrSpurverfahren die Komponisten in die Lage versetzt, ein Werk Über längere Zeit immer wieder neu zu bearbeiten, alle Stimmen selbst einzuspielen, das endgültige Rs- sultat durch verschiedene Abmischungen zu verändern etc.

Eine künstlerische Reaktion auf das Medium Hörfunk stellen die- jenigen Kompositionen dar, die den Radioempfänger als Klangerzeu- ger in das Werk integrieren. In "Imaginary Landscapes No. 4" (1951) beispielsweise operiert Cage mit 12 auf verschiedene Fre— quenzen eingestellten Rundfunkempfängern, deren Zusammenklang das konkrete Werk ergibt. 1956 wiederholte Cage ein ähnliches Prin—

211 Neben dem Kölner Studio ist der Rundfunk in der Bundesrepublik noch am Heinrich-Strobel—Experimentalstudio Freiburg (SMF) beteiligt. PrivateStudios, wie beispielsweise das 1955 von Siemens gegründete "Stu- dio für elektronische Musik München",blieben im Inland zunächst ohne weitreichenden Einfluß; das Münchener Studio wurde später von der Geschwister—Scholl-Stiftung, Ulm, übernommen. Auch im Ausland ist ein Teil der elektronischen Studios öffentlich orga— nisiert. -92- zip in "Radio Music" : ein bis acht Spieler bedienen hier je ein Empfangsgerät. Ähnlich arbeite(te)n auch andere Komponisten. In der 'U—Musik' werden ebenfalls als D-Töne benutzte Radiogeräusche als Collagenmaterial verwendet. 22 Der BR veranstaltete in den 80er Jahren mehrfach "Radiophone Stadtkonzerte". Hier wurden die Hörer aufgefordert, einen be— stimmten Sender zu empfangen, dessen Programm bei offenen Fen— stern in einer gesamten Ortschaft erklingen sollte. 23

4.2 Kompositionsaufträge der Rundfunkanstalten

Kompositionsaufträge zählen zu den wichtigsten Mitteln der För- derung zeitgenössischer Musik : einerseits wird den Komponisten eine ökonomische Basis für ihre Arbeit gegeben, andererseits wird die-Auftragsvergabe normalerweise an die öffentliche Aufführung der Werke nach Vollendung gebunden, was die Grundlage für eine eventuelle weitere Verbreitung darstellt.

Kompositionsaufträge werden für verschiedene musikalische Gate- tungen und zu verschiedenen Zwecken vergeben, sowohl für 'auto- nome' Werke als auch für funktionelle Musik (hierunter fallen Hörspiel- und Filmmusiken, Pausenmusiken usw.). Die Rundfunkanstalten sind der wichtigste Auftraggeber der Kom- ponisten. 24 Über das gesamte — sowohl mengen- als auch wertmäßie ge — Volumen der Kompositionsaufträge in der Bundesrepublik lie— gen keine Angaben vor. Lediglich Nerke der Bereiche 'E-Musik', 'gehobene Unterhaltungsmusik' und 'Jazz', die von den Musikabtei- lungen der Rundfunkanstalten der ARD und des RIAS in Auftrag ge— geben wurden, sind für den Zeitraum von 1946 bis 1975 zusammen— fassend aufgeführt. 25

22: So bei The Beatles ("Revolution 9") und Pink Floyd (auf dem Album "The Wall"). 23: Vgl. Katz, Anne Rose: Die Serenade aus den Fenstern. Radiophones Stadt- konzert in Lohr am Main. In: medium. 13. Jg., Nr. 10/1983, S. 45 f. 24: vgl. Kapitel 1.2 dieser Arbeit 25: Auftragskompositionen im Rundfunk 1946—1975. Zusammengestellt von Anne- liese Betz. Hg.: Deutsches Rundfunkarchiv. Frankfurt/Main 1977. Falls nicht anders angegeben, nehme ich in diesem Abschnitt auf diese Quelle _ 93 _

Die Vergabe von Kompositionsaufträgen durch die Rundfunkan— stalten ist durch quantitative und qualitative Differenzen sowohl im historischen Prozeß als auch zwischen den einzelnen Anstalten gekennzeichnet. Die Förderung setzte in Deutschland, anders als in Großbritannien, wo die BBC frühzeitig aktiv wurde 26, erst nach dem 2. Weltkrieg verstärkt ein. Forciert wurde die Auftrags: vergebe durch die föderalistische Rundfunkstruktur in der Bundes- republik. "Entsprechend der Lage des deutschen Rundfunks ab 1945 setzten Kompositionsaufträge erst allmählich ein. Bis Ende 1948 haben nur drei Anstalten für insgesamt sechs Werke Aufträge ver— geben. Nach der Währungsreform, mit dem Übergang der Stationen in alleinige deutsche Verantwortung, mit den Ländergesetzen über den Rundfunk und der Beschaffung von Auslandsverbindungen ändert sich das schnell. Durch die fünfziger und sechziger Jahre zieht sich ein breiter Strom im Auftrag des Rundfunks geschriebener Stücke, der in der ersten Hälfte der siebziger Jahre zwar merklich dünner wird, aber — soweit man sehen kann — keineswegs verebbt.“ 27 In den ersten Nachkriegsjahren war die Auftragsvergabe von se- zialen und kulturpolitischen Kriterien geprägt; letztere waren darauf gerichtet, verfemte Komponisten wieder der Öffentlichkeit bekannt zu machen. “Das soziale Moment wirkt dann noch lange wei- ter, wird aber mehr und mehr auf die Unterstützung von älteren, lokal oder regional wirkenden Komponisten abgestellt." 28 Später wurde vor allem die 'erste Generation' der Nachkriegskomponisten berücksichtigt. Ausländische Komponisten wurden verstärkt ab Ende der 50er Jah- re gefördert; neben Kagel sind hier vor allem Penderecki und Li- geti zu nennen, die mit solchen Werken, die im Auftrag der Rund— funkanstalten entstanden, die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Mit

Bezug. Weiterhin wurden mir vom Deutschen Rundfunkarchiv verschiedene Ma— terialien aus jüngerer Zeit Zur Verfügung gestellt, die jedoch nicht voll- ständig sind und deshalb nur am Rande erwähnt werden können. 26: vgl. Kulenkampff, Hans-Wilhelm: Auftragskompositionen im Rundfunk. In: ‘ Auftragskompositionen im Rundfunk 1946—1975, S. VII—XIII, S. VII 27: ebd., S. VIII. Anzumerken ist, daß diese Beschreibung lediglich die Berei— che 'E-Musik', 'gehobene Unterhaltungsmusik' und 'Jazz' adäquat kennzeich- net; Daten zu anderen Bereichen fehlen, wie bereits erwähnt wurde. 28: ebd. S. VIII. In den Anfangsjahren des Rundfunks wurden ebenfalls regio- nal wirkende Komponisten besonders gefördert und aufgeführt (vgl. Großmann— Vendrey, Auf der Suche nach sich selbst, S. 50). l 94 _

Aufkommen des Stilpluralismus der 60er Jahre verbreiterte sich das Spektrum der geförderten Kompositionen. Das Absinken der Zahl der Kompositionsaufträge in den 70er Jah- trn ist teilweise sicherlich, wie Kulenkampff behauptet, auf die eher stagnierende Avantgarde zurückzuführen 29, andererseits sind möglicherweise auch ökonomische Gründe hierfür verantwortlich zu machen. Für die Zukunft ist eine weitere Rücknahme der Auftrags— vergabe aufgrund von Einsparungen und Etatumschichtungen wahr- scheinlich. In der Regel spiegelten die geförderten Werke allgemeine kome positorische Tendenzen wider; häufig entstanden aber auch Stücke, die ihrerseits prägend wirkten. Funkspezifische Einflüsse lagen - neben in technisch bedingten Faktoren - in der Verfügbarkeit von Klangkörpern bei den einzelnen Anstalten "Bis weit in die sechziger Jahre hinein dominiert die Anziehungskraft, die auf ambitionierte Komponisten von den trainierten Sinfonie-Orche- stern und den leistungsfähigen Berufschören des Rundfunks ausging. In diesem Punkt trafen sich häufig die Interessen der Partner Rundfunk und Komponist. Nicht von ungefähr verzeichnet also der Katalog wesentlich mehr Stücke für große, ja ausladende Besetzungen, oft gemischt mit So- listen und Chören, als für kleinere Ensembles oder reine Kammermusik.“ 30 Letztere war aufgrund des Fehlens eigener Orchester besonders beim RIAS und bei RB vertreten. Es kann die These formuliert wer- den, daß das Vorhandensein der Rundfunkorchester in den 50er/60er Jahren viele Werke für große Besetzungen anregte.

Das unterschiedliche Verhalten der einzelnen Rundfunkanstalten bezüglich der Vergabe von Kompositionsaufträgen soll durch fol- gende Übersicht verdeutlicht werden

Bayerischer Rundfunk : Zwischen 194B und 1975 vergab der BR le- diglich 8 Kompositionsaufträge, die mit größeren Abständen Über den gesamten Zeitraum erteilt wurden. Gefördert wurde lediglich 'E-Musik'. Die Aufträge wurden primär an inländische Komponisten vergeben. Zwischen 1976 und Mitte 1985 wurden weitere 5 Arbeiten im Rahmen der 'Musica Viva' (vgl. Kapitel 4.6) bestellt.

29: Kulenkampff, Auftragskompositionen im Rundfunk, S. XIII 30: ebd., S. IX 31: Als Quelle diente die Sammlung Auftragskompositionen im Rundfunk 1946-1975 sowie verschiedene Informationen des Deutschen Rundfunkarchivs und einiger Landesrundfunkanstalten. „ 95 _

Hessischer Rundfunk : Der HR begann erst 1952 mit der Auftragse vergabe. Bis 1975 wurden relativ kontinuierlich 44 Werke in Aufw trag gegeben, ebenfalls zumeist an Komponisten aus der Bundesree publik. In stilistischer HinsiCht gab es keine Einschränkungen. Neben sinfonischer Musik und Kammermusik wurde auch elektronische Musik und 'U-Musik' berücksichtigt.

Norddeutscher Rundfunk 32: Der NWDR/Hamburg erteilte seinen er— sten Auftrag 1951,.bis 1975 wurden 56 Werke bestellt. Der Anteil ausländischer Auftragsempfänger lag relativ hoch. Gefördert wur- den sowohl noch unbekannte als auch bereits arrivierte Komponi— sten. Die Auftragsvergabe erfolgte relativ kontinuierlich. Sie beschränkte sich auf 'EwMusik'.

Radio Bremen : RB vergab zwischen 1949 und 1975 99 Kompositions- aufträge. Ein relativer Einbruch in quantitativer Hinsicht ist für die Jahre 1952-1959 (11 Aufträge) zu verzeichnen. Bis 1959 wurden lediglich nationale, oft regionale Komponisten gefördert; ein großer Teil der bis dahin entstandenen Werke ist den Berei- chen 'leichte sinfonische/konzertante Musik' und 'geistliche Mu— sik‘ zuzuordnen. Eine Funkoper und ein Funkoratorium zählen zu den größeren medienspezifischen Kompositionen. Nachdem die Leie tung der HA Musik von Siegfried Goslich 1959 auf Hans Dtte Über- ging, veränderten sich Ausmaß und Art der Förderung. Die Zahl der Kompositionsaufträge stieg, in zunehmendem Maße wurden ausländi— sche Künstler berücksichtigt. Kirchenmusik wurde bedeutungslos. Verschiedene im Radio nicht adäquat Übertragbare Werke wurden ge- fördert. Seit 1961 sind die vergebenen Aufträge in starkem Maße an die 'pro musica nova' (vgl. Kapitel 5) gekoppelt. Bedingt durch den Wegfall des Orchesters im Jahre 1957 standen kammermu- sikalische Werke im Vordergrund

5159 r'Der RIAS begann als erster Sender der-Westzonen mit der Auftragserteilung. Zwischen 1946 und 1975 wurden 77 Werke finan- ziert. Auftragsempfänger waren primär inländische Komponisten. Die geförderten Werke wiesen eine große stilistische Breite auf.

32: bis 1956: NWDR/Funkhaus Hamburg _ 95 _

Saarländischer Rundfunk : Zwar begann der SR 1953 mit der Auf- tragsvergabe, jedoch weist die Liste dann bis 1965 eine Lücke auf. Insgesamt wurden 17 Aufträge in dem Zeitraum bis 1975 er— teilt, die primär an Komponisten aus der Bundesrepublik Deutsch- land ergingen. Nach einem Wechsel in der Leitung der Musikabtei— lung wurden von 1982 bis 1984 7 Werke in Auftrag gegeben.

Sender Freies Berlin : Der SFB erteilte 1958 seinen ersten Kompo- sitionsauftrag; bis 1975 wurden insgesamt 15 Werke finanziert, die von Komponisten im In— und Ausland erstellt wurden. Die AUf- tragsvergabe blieb auf 'E—Musik' beschränkt.

Süddeutscher Rundfunk : Der SDR erteilte ab 1950 'Kompositions- aufträge für 'gehobene Unterhaltungsmusik', ab 1951 für 'E-Musik'. Die 'U-Musik' überwiegt, was auf das Vorhandensein eines eigenen 33 . Unterhaltungsorchesters zurückzuführen sein dürfte. Bis 1975 standen 100 Aufträgen für 'U-Musik' 46 Arbeiten im Bereich der 'E-Musik' gegenüber. Berücksichtigt wurden primär inländische Komponisten. Anzumerken ist, daß Aufträge für ‘U-Musik' auch an Komponisten der 'E-Musik' ergingen (wenn man diese Trennung nach— vollziehen möchte). Berücksichtigt wurden auch Bühnenwerke. Der- zeit vergibt der SDR pro Jahr etwa 10 Aufträge für 'U'— und etwa 4 bis 8 für 'EnMusik'.

Südwestfunk : Der SWF ist diejenige Bundfunkanstalt in der Bun- desrepublik, die bisher die meisten Kompositionsaufträge verge— ben hat. Bis 1975 wurden 378 Arbeiten bestellt, verteilt auf die Ressorts 'E-Musik' (ab 1947/196 Werke), 'Jazz' (ab 1954/82 Werke) sowie 'Gehobene Unterhaltungsmusik' (1950-1970/100 Werke). Auch ausländische Komponisten wurden in bedeutendem Maße berücksich— tigt. Die hohe Zahl der erteilten Aufträge ist in der 'E-Musik' sicherlich auf die Durchführung der Donaueschinger Musiktage zu— rückzuführen, im Jazz auf das Wirken Joachim Ernst Berendts, der dieser Musik beim SWF und darüber hinaus zu einer relativ starken

Position verholfen hat.

33: Offiziell hat der SDR nur einen Vertrag mit der Erwin-Lehn-Gesellschaft, nicht aber mit den einzelnen Musikern (Fohrbeck/Wiesand, Musik‚Statistik, Kulturpolitik, S. 207, Anm. 4). _ g7 _

Westdeutscher Rundfunk : Zwischen 1951 und 1975 vergab der NNDR Köln/WDR 93 Aufträge im Bereich 'E—Musik‘, wobei auch ausländi— sche Komponisten in starkem Maße Berücksichtigung fanden. Trotz des Vorhandenseins des elektronischen Studios in Köln wurden in der 'E-Musik' nur etwa 20 elektronische Werke erstellt. Das wird jedoch dadurch relativiert, daß das Studio für zahlreiche Aufträ— ge angewandter Musik genutzt wurde, die in der Statistik nicht erfaßt sind. 34 In besonderem Maße wurde Stockhausens Frühwerk vom WDR in Auftrag gegeben; Stockhausen ist beispielhaft für die Förderung eines Künstlers durch eine Rundfunkanstalt.

Insgesamt wurden zwischen 1946 und 1975 also 933 Aufträge für nicht-funktionelle Musik von den Musikabteilungen der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten der ARD und des RIAS erteilt.

Es sind vielfältige - wenn auch widersprüchliche - kulturpoli- tische Funktionen der Auftragsvergabe erkennbar. In einer Erklä- rung der UER 35 vom 04.06.1969 wird dem Rundfunk primär die Auf— gabe der Förderung eines nationalen Repertoires zugewiesen. 36 In diesem Sinn würden den Rundfunkanstalten in der BundeSrepublik gleichermaßen ökonomische, pädagogische und auch (qualitativ) selektierende Aufgaben zukommen. Kompositionsaufträge müßten dem— nach primär an inländische Künstler vergeben werden. 37 Dem wi— derspricht die Auffassung, daß in einer Zeit internationaler Kommunikationsmöglichkeiten und tendenzieller Aufhebung nationa- ler Stile die Musikförderung umfassendtxm ihr primäres Ziel die Förderung zeitgenössischer Musik 'als solcher' sein soll. Diese

Position war in der Praxis des Rundfunks zumindest in der Bundese republik die real einflußreichere, was venmmlidm partiell dazu beigetragen haben dürfte, daß die eurOpäische Avantgarde zum be-

34: Kulenkampff, Auftragskompositionen im Rundfunk, S. IX 35: Union Europeenne de Radiodiffusion (auch EBU : European Broadcasting Union); gegründet 1950. Sitz der UER ist Genf. Zu ihren Aufgaben zählt u.a. die Koordination eines internationalen Programmaustausches. Die ARD wurde 1952 in die UER aufgenommen. 36: Schulze, Erich: Die Politiker beim Hort nehmen. Vorschläge der Musik- schaffenden im Spitzenverband Deutsche Musik (SPIDEM). Bonn 1977, 3. Auf- lage 1982. S. 39 37: Dieser Begriff ist nicht eindeutig : einerseits leben Komponisten deutscher Abstammung im Ausland, andererseits arbeiten Künstler ausländischer Her- kunft in der Bundesrepublik Deutschland. _ 98 _

deutenden Teil ihre Wirkungsstätte in der Bundesrepublik hatte oder dort immerhin zeitweilig arbeitete. International bedeuten- de Foren zeitgenössischer Musik wie die Darmstädter Ferienkurse oder die Donaueschinger Musiktage wurden von den Rundfunkanstal- ten (mit)durchgeführt. Ein wichtiges Moment der Auftragsvergabe ist die Nachwuchsför- derung. Wolfgang Seifert (WDR) vermerkt hierzu "Heute, da die Avantgarde von gestern (wie Boulez und Stockhausen) arri- viert ist, müssen wir uns unter der jüngsten Generation umsehen, um die Avantgarde von morgen zu entdecken ! Hier hat der Rundfunk die Rolle des Mäzens früherer Zeiten zu spielen und durch Kompositionsaufträge und an— dere Verpflichtungen Voraussetzungen zu schaffen, die in der Übrigen Öffentlichkeit aus vielerlei Gründen historischer, ästhetischer und so- ziologischer Natur nicht mehr gegeben sind. ... Dabei wird auch bewußt das Risiko des ... künstlerischen 'Reinfalls' in Kauf genommen, ohne welches andererseits ein so ungeheurer Erfolg ... nicht möglich wäre." 38 In der Tat läßt sich ein Erfolg der Förderung durch den Rundfunk konstatieren, geht man von dem Faktum aus, daß zahlreiche für die Entwicklung der modernen 'E-Musik' seit Ende der 40er Jahre rele— vanten werke Auftragskompositionen waren. Die Bedeutung dieser Tatsache ist jedoch dahingehend zu relativieren, daß direkt kauü sale Beziehungen nur in seltenen Fällen existiert haben dürf— ten 39, viele der Stücke also wahrscheinlich auch ohne die Rund-

funkanstalten entstanden wären.

Der ‘künstlerische Freiraum', den Kompositionsaufträge bieten, wird in der Literatur verschieden eingeschätzt; die jeweilige Position hierzu ist abhängig von der Betrachtung des Verhält- nisses der Komponisten zum Rundfunk. Silbermann beispielsweise sieht den Komponisten primär als Angestellten der Rundfunkan- stalten an "Besonders problematisch wird die Stellung des Rundfunks als Komponist (im Sinne von Auftraggeber, R.w.), wenn die von der Institution be- nutzte und ihr soziologisch integrierte Komponistenpersönlichkeit aufs neue den alten Schrei nach 'Freiheit' ausstößt.“ 4U

38: Seifert, Musikalische Aspekte des Themas, S. 41. Seifert nennt die "Lukas- Passion" Pendereckis als Beispiel einer erfolgreichen Auftragsvergabe. 39: Denkbar sind Fälle, in denen Auftraggeber und —empfänger einen bestimmten Rahmen gemeinsam erarbeiteten. Außerdem ist auf die Frühphase der elektro- nischen Musik zu verweisen; zu jener Zeit war der Rundfunk fast alleinig im Besitz der erforderlichen technischen Infrastruktur. 40: Silbermann, Musik, Rundfunk und Hörer, S. 94 _ gg _

Gerhartz sieht die Möglichkeit der Einflußnahme der Rundfunkan— stalten im ästhetischen Bereich “Freilich kann nicht verschwiegen werden, daß zugleich mit dem Verdienst um die Neue Musik bei den Rundfunkanstalten auch von einem MonOpol gere— det werden muß. Die Förderung bedeutete zugleich auch Macht, das Mäzena- tentum des Mediums Rundfunk zugleich auch ganz konkret Einfluß auf den jeweiligen Inhalt der ästhetischen Produktion. Die lange unbestrittene Führungsrolle der Darmstädter Schuele, ... und damit das Totschweigen' z.B. der sozialistischen Alternative bei Hanns Eisler - das alles sind Dinge, die von Rundfunkleuten entscheidend mit getragen und mit verant- wortet worden sind." 41 Gerhartz weist indirekt auf die Abhängigkeit der Auftragsvergabe von der Person des zuständigen Redakteure hin. Dies bedingt Über persönliche Vorlieben, Freundschaften u.ä. einen Teil der unter— schiedlichen Ausprägung der Förderungsmaßnahmen bei den verschie— denen Rundfunkanstalten. Stilistische Einflüsse lassen sich auf diese Art und Weise prinzipiell kaum vermeiden. Auch die Ein— richtung einer Kommission, die für die Auftragsvergabe gemeinsam verantwortlich zeichnen würde, könnte die personale Abhängigkeit nicht völlig eliminieren.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Vergabe von Komposi- tionsaufträgen an mehreren Forderungen ausgerichtet ist, die ein- ander partiell widersprechen - Kompositionsaufträge sollen zeitgenössische Musik (als Abstrak- tum) in ihrer historischen Entwicklung durch die Bereitstellung von Möglichkeiten zur Innovation fördern. - Kompositionsaufträge sollen der Erfüllung der kultUrpolitischen Aufgabe dienen, das nationale Musikleben (primär ökonomisch) zu

unterstützen. 42

41: Gerhartz, Leo Karl: Rundfunk, Musik und musikalische Produktion — Überle- gungen eines Rundfunkredakteurs. In: H.+C. Schmidt (Hg.), Musik in den Massenmedien, S. 18-23, S. 21 42: Hierbei "muß berücksichtigt werden, daß es darauf ankommt, das Musikleben insgesamt attraktiv für geeignete Nachwuchskräfte zu halten. ... Gelingt es nicht, die Einkommensmöglichkeiten aus einer künstlerischen Tätigkeit zumindest denjenigen vergleichbar anspruchsvoller Angestelltentätigkeiten angenähert zu halten, ist eine Abwanderung qualifizierter Kräfte zum Zeit— punkt der Berufsentscheidung unvermeidlich. Das würde für die Bundesrepu— blik und ihr musikalisches Leben ernste Folgen haben. Es kommt also darauf an, daß die Rundfunkanstalten dazu beitragen, die Musikausübung, die häus- liche Musikpflege wie das Interesse an Musik so breit wie möglich zu hal- ten." (WDR, Kommunikationsziele des Hörfunks, S. 65) - 100 -

- Der Rundfunk hat mit der Vergabe von Kompositionsaufträgen das Gebot des kulturellen Pluralismus zu erfüllen und muß Möglich- keiten zum Experiment (künstlerische Freiräume') bereitstellen. Das aber schließt die Möglichkeit des — künstlerischen und/oder ökonomischen - Mißerfolgs ein. - Der Rundfunk hat die Aufgabe, Selektion nach qualitativen Kri— terien zu betreiben. (Vgl. dazu Kapitel 2.)

- Der Rundfunk hat im Interesse einer Sparsamen Betriebsführung auf die Programmverwertbarkeit der in Auftrag gegebenen Arbei- ten zu achten. — Die Aufgabe des Mäzenatentums schließt auch die Förderung unpo- pulärer und/oder nicht direkt verwertbarer Kulturprodukte ein.

4.3 Zeitgenössische Musik als Programmangebot

In den Programmen der Rundfunkanstalten ist zeitgenössische 'E-Musik' weniger vertreten als ältere. Dies kann keineswegs Überraschen, betrachtet man die geringe Zahl der interessierten Hörer einerseits (vgl. Kapitel 1.3), die relativ hohen Kosten der Programmgestaltung andererseits. Letztere resultieren aus - der Notwendigkeit aufwendiger Eigenproduktionen, da das Mate- rial nur in Ausnahmefällen auf Industrietonträgern vorliegt (vgl. Kapitel 4.4) 43

— höheren Urheberrechtskosten.

Die Programmgestaltung ist durch folgende Charakteristika ge— kennzeichnet — Zeitgenössische 'E-Musik' existiert primär als Programmangebot für 'Eingeweihte'; die Sendezeiten liegen in der Regel nicht zu Hauptnutzungszeiten. Typisch für eine spezialisierte Sendeform war das'NachtstudioH noch heute sind Sendeplätze am Abend Üb- lich.

43: Zwar werden auch ältere Werke immer wieder von den Rundfunkanstalten pro- duziert, jedoch stehen hier auch zahlreiche Industrietonträger zur Verfü— gung, die gleichfalls zum Einsatz kommen. — 101 „

Zeitgenössische Musik ist nur in Ausnahmefällen in das sonstige Musikprogramm integriert, im Regelfall wird sie in-besonderen Sendungen behandelt. 44

Einführende Sendungen, die notwendig wären, um für das Publikum grundlegende Informationen zum Verständnis der Werke zu offe- rieren, finden sich nur selten. 45 Fraglich ist, ob die derzeit vorherrschende Präsentationsform, nämlich die bloße Aneinander- reihung der Werke, die Interessen des vermutlich fachlich hoch qualifizierten Publikums befriedigen kann. Ebenso scheint es unmöglich, ohne Kommentare zur Musik ein ZufallSpublikum er— folgreich anzu3prechen.

Das Repertoire hat sich mangels historischer Distanz noch nicht in standardisierter Form ausprägen können, wie es für andere historische Epochen der Fall ist; es ist damit bei geringerer Sendefrequenz breiter gestreut.

Die Übertragung von Konzerten bzw. die Sendung von Konzertauf- zeichnungen nimmt einen großen Raum ein, nicht zuletzt, da in den Konzerten oftmals neue Kompositionen zur Ur- und Erstauf— führung gelangen.

Trotz der relativen Unbeliebtheit beim Publikum nimmt die zeit- genössische Musik einen festen Programmplatz ein.

Auch für die Präsentation neuer Musik existiert kein theoreti- sches oder empirisch abgesichertes Konzept. Ausgehend von der These einer Polarisierung der Rezipienten hinsichtliöh der "Nut— zung von Beiträgen der 'Hochkultur'" formulierte Bessler 1975 "Es ist eine vordringliche Aufgabe der Hörfunkforschung in der nächsten Zukunft, für die typischen Minoritätenprogramme des öffentlich-rechtli— chen Rundfunks genauere Planungsunterlagen bereitzustellen." 46 Dieser Forderung wurde bis heute nicht entsprochen.

44: Ein seltenes Beispiel integrativer Programme ist das "Bremer Konzert" (RB II, montags bis freitags und sonntags, jeweils nachmittags). '45: Für den Zeitraum vom 01.07.1979 bis zum 30.08.1981 sind jedoch als Ergeb- nis einer Auszählung (nach: Neue Musik in der Bundesrepublik Deutschland. Dokumentation 1979/80—1980/81. Mitten 1982. Es fehlen Angaben für ow, NDR, RIAS, SR sowie Sendungen der Schulfunk- und Bi1dungsprogramm-Redaktionen.) für sieben Rundfunkanstalten immerhin 280 journalistisch gestaltete Sen- dungen Über neue Musik festzustellen. Am deutlichsten institutionalisiert ist die Reihe "Neue Musik - kommentiert“ des SFB. 46: Bessler, Der Rundfunk und sein Hörer (in: Bausch (Hg.), Königssteiner Gespräche), S. 138 - 102 -

4.4 Produktion zeitgenössischer Musik in den Rundfunkanstalten

Wie bereits erwähnt, ist der Anteil an Eigenproduktionen neuer Musik sehr hoch. Große Teile der in den Rundfunkanstalten vorhan— denen Produktionskapazitäten werden von den entsprechenden Redak- tionen ausgenutzt. Im Zeitraum vom 01.07.1979 bis zum 30.06.1981 beispielsweise wurden von den Rundfunkanstalten in der Bundesre- publik mehr als 2.000 Werke, deren Entsttng zu diesem Zeitpunkt maximal 20 Jahre zurücklag, produziert. 47 Deutlich wird dabei, daß — weltliche Musik ein deutliches Übergewicht Über geistliche hat, - die Zahl der Orchesterwerke.deutlich unter der kammermusikali- scher Werke liegt,

47: Eine Auszählung nach Neue Musik in der Bundesrepublik Deutschland, Doku— mentation 1979/80-1980(81, ergab für die einzelnen Rundfunkanstalten fol- gende Produktionsziffern : BR München 199 Produktionen Nürnberg 119 Produktionen DLF 24 Koproduktionen mit dem HR HR 95 Studioproduktionen 48 Konzertmitschnitte NDR Hamburg 22 Produktionen Hannover 38 Produktionen RB 113 Produktionen RIAS 60 Produktionen SR 25 Produktionen SFB 209 Produktionen SDR Stuttgart 172 Produktionen Heidelberg/Mannheim 70 Produktionen/Mitschnitte Karlsruhe 48 Produktionen/Mitschnitte div. 3 Opernmitschnitte SWF 123 Produktionen WDR 793 Produktionen total 2161 Produktionen/Mitschnitte. (Abweichende Zahlen sind möglich bei anderer Zählung von Werken unter einem Sammelnamen, verschiedenen Teilstücken eines Werkes sowie in ei- nigen Fällen, in denen nicht erkennbar war, ob es sich um einen Unterti- tel oder mehrere Werke eines Komponisten handelt.) Für den Zeitraum von Jahresmitte 1977 bis Jahresmitte 1979 waren 1.904 Produktionen zu verzeichnen (vgl. Fohrbeck/Wiesand, Musik,Statistik, Kulturpolitik, S. 208). Nicht von der Statistik erfaßt wurden Kompositionen, die älter als 20 Jahre waren, so daß große Teile der seriellen Musik aus der Zählung herausfielen. Es fehlen auch Angaben Über die Archivbestände an zeit— genössischer Musik. - 103 _

— das Repertoire der Produktionen - übrigens nicht nur bei zeit— genössischer Musik - auch am Repertoire der Interpreten ausge- richtet ist, - häufig nur Unikate produziert werden (die aber durch den Pro- grammaustausch sämtlichen Anstalten zur Verfügung stehen).

Auf dem Schallplattenmarkt besitzt zeitgenössische 'EuMusik' eine marginale Rolle. Das Gesamtangebot an Tonträgern mit 'EwMu— sik' belief sich 1981 auf ca. 10.000 LP und ca. 3.000 MC. 48 Hierunter befinden sich zahlreiche mehrfach aufgenommenen Werke. Von den Tonträgern dürften maximal ca. 5 % dem neueren Musik- schaffen zuzurechnen sein, der Anteil der expliziten Avantgarde dürfte noch deutlich niedriger liegen. 49 Berücksichtigt man wei- ter, daß mit der Distribution dieser Musik primär kleine Firmen, die nur selten Über hinlänglithe Vertriebsmöglichkeiten verfügen, in Erscheinung treten, so zeigt sich, daß die öffentlich-rechtli— chen Rundfunkanstalten eine Schlüsselposition hinsichtlich der

Produktion und Distribution neuer 'E-Musik' innehaben.

4.5 Wettbewerbe und Musikpreise

Musikpreise und Stipendien sind als Formen punktueller Unter- stützung in Bezug auf die ökonomische Versorgung der Komponisten von geringer direkter Bedeutung. Die Relevanz von Musikpreisen liegt in der Popularisierung der Künstler, welche häufig Folge— aufträge nach sich zieht. Die Rundfunkanstalten nehmen hinsicht- lich dieser Förderungsmaßnahmen eine untergeordnete Rolle ein. 50

48: Fohrbeck/Wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 110 (berechnet nach: Der Musikmarkt, Nr. 24/1981). In der Regel wird auf Music-Cassetten (MC) nur solches Materials angeboten, das auch auf LP vorliegt, so daß von etwa 10.000 verschiedenen Tonträgern auszugehen ist. Die Zahl der Titel redu— ziert sich deutlich, berücksichtigt man die Mehrfacheinspielungen. 49: Zeppenfeld, Werner (Tonträger in der Bundesrepublik Deutschland. Bochum 1978) nennt für die Rubrik "Sonstiges", die auch die Avantgarde beinhal- tet, einen Anteil von 4 % (S. 58) (Stand 1977; die Angaben dürften sich aber nur unwesentlich verschoben haben). 50: Fohrbeck/Wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 181 -104-

Der einzige nationale Kompositionswettbewerb der bundesdeut— schen Rundfunkanstalten ist der "Karl-Sczuka—Preis", der seit 1955 vom SWF für Hörspielkompositionen vergeben wird. Sein inter- nationales Gegenstück ist der "Premio Italia", seit 1949 für funkspezifische Musik und Hörspiel ausgeschrieben.

Gemeinsam von den europäischen Rundfunkstationen wird der "Eurovision Song Contest" (bekannt als "Grand Prix") seit 1955 für die Ressorts 'Schlager' und 'Chanson' ausgeschrieben. Die na- tionalen Vorentscheidungen in der Bundesrepublik werden von der ARD und der "Arbeitsgemeinschaft deutscher Musikwettbewerbe" ver- anstaltet.

Der international bedeutendste Kompositionswettbewerb der Runde funkanstalten im Bereich der 'E—Musik' ist "The International Ro— strum of Composers". Er wird vom International Music Council der UNESCO in Zusammenarbeit mit inzwischen mehr als 30 Rundfunkan- stalten aus aller Welt durchgeführt. 1954 wurde dieser alljähr- lich stattfindende Wettbewerb vom HR mitbegründet. Inzwischen ist der RIAS Repräsentant der bundesdeutschen Rundfunkanstalten. Ziel des 'Rostrum' ist primär die POpularisierung der Komponi— sten. Die Teilnahmebedingungen sind auf die Praxis des Rundfunks zugeschnitten. Die Kompositionen sind stilistisch und genremäßig nicht festgelegt. Ihre Dauer soll 35 Minuten nicht überschreiten; bis das Zeitlimit erreicht ist, darf jede Nation mehrere Komponi— sten mit ihren Arbeiten vorstellen. Die Werke dürfen maximal fünf Jahre alt sein. Ein Komponist darf nur einmal innerhalb von drei Jahren an dem Wettbewerb teilnehmen. Die Einsendung von Arbeiten bereits verstorbener Künstler ist ebenso verboten wie von Werken bereits international arrivierter Komponisten. Gewünscht ist die Teilnahme möglichst junger Künstler. Die Jury besteht aus Deligierten der teilnehmenden Rundfunkan- stalten, die alle Werke‚mit Ausnahme der aus dem eigenen Land stammendenrnach einem Punkteverfahren bewerten. Es wird ein Sie- ger ermittelt sowie für neun weitere Komponisten eine Empfehlung ausgesprochen. Die teilnehmenden Rundfunkanstalten verpflichten sich, in der laufenden Saison mindestens sechs der vorgestellten Werke als Rundfunkproduktionen oder Übernahmen zu senden und mög— - 105 - lichst auch in öffentlichen Konzerten aufzuführen. Erwünscht ist ferner die Sendung weiterer Stücke innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren.

Neben den Kompositionswettbewerben führen die Rundfunkanstalten verschiedene Interpretenwettbewerbe und Forumsveranstaltungen durch, wobei auch 'U—Musik' Berücksichtigung findet. Nicht alle der Veranstaltungen werden in alleiniger Verantwortung der Rund— funkanstalten durchgeführt.

4.6 Zeitgenössische 'ErMusik' als Konzertangebot der Rundfunk—

anstalten

Außer im Bereich der eigentlichen Programmarbeit sind die Rund- funkanstalten auch als Konzertveranstalter tätig. Die Konzerte wiederum fließen als Live-Übertragungen bzw. Mitschnitte in das Programm ein. In der 'E—Musik' werden von den Anstalten neben allgemeinen Symphonie" und Kammerkonzerten eine Vielzahl von Ver- anstaltungen speziell mit zeitgenössischer Musik durchgeführt. 51 Auch in diesem Bereich besitzt der Rundfunk eine Schlüsselposi— tion : "Soweit es spezielle Konzerte und Reihen für NM betrifft, dürften die Anstalten mit ihren hier z.T. besonders qualifizier- ten Orchestern mehr als die Hälfte solcher Veranstaltungen in der Bundesrepublik Deutschland bestreiten." 52 Von den ausschließlich neuer Musik gewidmeten Festivals und Kursen des Jahres 1984 waren die Rundfunkanstalten bei fast allen Veranstaltungen alleiniger Träger oder zumindest an der Organisation beteiligt. 53

51: Für den Zeitraum vom 01.07.1977 bis zum 30.06.1979 sind 297 öffentliche Konzerte mit zeitgenössischer Musik (maximal 20 Jahre alt) zu verzeichnen, die von den Rundfunkanstalten durchgeführt wurden. In diesen wurden über 800 Werke mit einem maximalen Alter von 20 Jahren aufgeführt. "Gegenüber dem Vergleichszeitraum von 1961/62-1962/63 hat sich die Zahl der bei Kon— zarten der Anstalten aufgeführten Werke um 292 oder 56 % erhöht (nach S. Borris: 'Public Aid for Musical Creativity', Straßburg 1979)." (Fohr— beck/Wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 208; Auszählung nach: Neue Musik in der Bundesrepublik Deutschland. Dokumentation 1977/78—1978/79.) 52: Fohrbeck/wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 208 53: Nach: Inter Nationes (Hg.): Deutsches Musikleben ‘84. Bonn 1984.Die Rund- funkanstalten waren lediglich an der Durchführung zweier Tanzfestivals ' und den Darmstädter Ferienkursen nicht beteiligt. - 106 -

Im Rahmen der Förderung zeitgenössischer 'E—Musik' durch den öffentlich—rechtlichen Rundfunk kommt den Rundfunkkonzerten eine zentrale Bedeutung zu. Dies erklärt sich aus dem Zusammentreffen verschiedener Aspekte der Förderung. Konzerte vollziehen Funk— tionen gegenüber - dem Komponisten, - dem Publikum, - der kommunalen Infrastruktur

— und wirken auf den Rundfunk selbst wieder zurück.

Die Rundfunkkonzerte übernehmen gegenüber den Komponisten die Präsentation ihrer Werke. Hierdurch wird den Künstlern eine Mög- lichkeit geboten, ohne eigene ökonomische Risiken an ein öffent- liches Publikum zu treten. Die Rundfunkkonzerte sind auch der Rahmen der Uraufführung der Auftragswerke. Neben „ für den Kompo- nisten u.U. bedeutenden — individuell—psychologischen Momenten, auf die in dieser Arbeit jedoch nicht eingegangen werden kann und soll, ist hier insbesondere auf den Faktor der Popularisierung hinzuweisen ‚ der indirekt auch wieder ökonomische Bedeutung für die Komponisten besitzt.

Gegenüber dem Publikum stellen Konzerte mit zeitgenössischer Musik die Information über aktuelle kompositorische Tendenzen in den Vordergrund. Insbesondere gilt dies für ausschließlich moder— ner Musik gewidmeten Veranstaltungen. Sie dienen primär der In— formation eines quantitativ beschränkten, fachlich qualifizier— ten Publikums. 54 Im Gegensatz dazu zielen in allgemeine Konzerte eingebettete Werke des musikalischen Gegenwartsschaffens insbe- sondere auf deren Integration in das öffentliche Musikleben (ohne aber dieses Ziel letztendlich durchsetzen zu können). Festivals mit neuer Musik besitzen durch ihren meist hohen In— formationswert Attraktivität für ein überregionales, oft inter— nationales (Fach-)PUblikum. Dieses wiederum entscheidet aufgrund seiner Zusammensetzung aus teilweise professionellen 'Multiplika- toren' (Musikkritiker ‚ Dozenten künstlerischer und wissenschaft-

54: Die Teilnahme eines fachlich qualifizierten Publikums und die Präsentation von Ur- und Erstaufführungen bedingen einander. - 107 -

licher Hochschulen, Programmgestalter usw.) in gewissem Maße über den weiteren Erfolg der aufgeführten Werke. Rundfunkkonzerte können jedoch auch gegenüber einem 'Liebhaber- publikum', sofern es erreicht wird, eine wichtige musikpädagogi— sche Funktion ausüben : In dem Veranstaltungsrahmen ist aufgrund des direkten Feedbacks mit dem Publikum eine Einführung in den Themenbereich bzw. in die vorgestellten Werke sinnvoll und wird in Form von Workshops, Einführungsvorträgen usw. auch gelegent- lich praktiziert.

Als öffentliche Veranstaltungen besitzen die Rundfunkkonzerte, insbesondere die Festivals, Bedeutung für die regionale und - in

ihrer Gesamtheit — nationale kulturelle Infrastruktur. Für ver— schiedene Drte (z.B. Donaueschingen) tragen die Veranstaltungen zum kulturellen Image bei. Dieses wiederum scheint auch auf die lokale/regionale wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere des tertiären Sektors, zurückzuwirken. 55

Weiterhin wirken die Rundfunkkonzerte auch auf die Anstalten selbst wieder zurück : Im Rahmen der Programmgestaltung werden sie als live-Übertragungen oder Bandaufzeichnungen eingesetzt. Besondere Möglichkeiten für die Information des Publikums erge— ben sich aus dem internationalen Programmausteusch und der Simul- tanübertragung. Außerdem besitzen die Konzerte eine werbende Funktion für die Rundfunkanstalten. Mit ihnen tritt der Rundfunk an die Öffent- lichkeit, schafft eine im Vergleich zum Programmdienst konkretere Verbindung zu seinen Nutzern und präsentiert sich insgesamt, wenn auch wohl nur für einen begrenzten Teil des Publikums, als Förde- rer der neuen Musik, als Mäzen. In der bisherigen Diskussion um die Änderung des Rundfunkwesens kam diesbezüglichen Argumenten jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung zu.

.55: Vgl. hierzu Fohrbeck/Wiesand, Musik,Statistik,Kulturpolitik, S. 39, S. 42 f. Ebenso .: Wie anziehend.ist Kultur ? Kunstsenator gab Gutachten in Auftrag. In: Weser-Kurier (Bremen), 29.05.1985. In diesem Artikel wird auf ein für die Region Zürich erstelltes Gutachten eingegangen, in dem naChgewiesen wurde, "daß sich die direkten und indirekten Ausgaben an die Wirtschaft (insbesondere des Dienstleistungsgewerbes, R.W.) auf das Mehr— fache des ursprünglichen Subventionsbetrages (für den Kulturbereich, R.W.) belaufen." - 108 e

Eine Übersicht über die Aktivitäten der Rundfunkanstalten soll die Verschiedenheit dieser Veranstaltungsreihen aufzei— gen. 55 Anzumerken ist, daß neben den speziell zeitgenössischer Musik gewidmeten Konzerten auch in allgemeinen Konzerten das mu- sikalische Gegenwartsschaffen berücksichtigt wird. In die Über- sicht gingen keine Sonderkonzerte und Gastkonzerte mit aus— schließlich neuer Musik ein.

Wichtigste Konzertreihe des BR im Bereich zeitgenössischer 'E— Musik' ist die in München stattfindende ‘Musica Viva'. Begründet wurde sie von dem Komponisten Karl Amadeus Hartmann (1905-1963) im Herbst 1945. Träger war zunächst die Bayerische Staatsoper. Seit 1947 beteiligt sich der BR. Zunächst stellte die StaatSOper, für die Hartmann als musikalischer Berater tätig war, Räumlich- keiten und Orchester. 1948 spielte erstmals das Orchester des BR. Das Programm der 'Musica Viva' berücksichtigt(e) vorwiegend Dr- chesterwerke. Während es früher fast ausschließlich auf die Wie— dergabe bereits bekannter Werke ausgerichtet war, ist für die letzte Zeit eine Zunahme von Ur— und Erstaufführungen zu ver- zeichnen. Auch Kompositionsaufträge wurden im Rahmen dieser Kone zertreihe erteilt. In den ersten Nachkriegsjahren ermöglichte die 'Musica Viva' die Bekanntschaft mit wichtigen Werken der Neuen Musik. Seit An- fang der 50er Jahre wurde in stärkerem Maße die neue 'Komponi- stengeneration' berücksichtigt, wobei anzumerken ist, daß die Avantgarde in München zu keiner Zeit so dominierte, wie bei— spielsweise in Darmstadt oder Donaueschingen. Frühzeitig wurden Xenakis, Ives und Varese dem PublikUm vorgestellt. Die Konzerte der 'Musica Viva'-Reihe, welche nach dem Krieg die erste explizit moderner Musik gewidmete Veranstaltungsreihe war, hatten für die Einrichtung ähnlicher Vörhaben bei anderen Rundfunkanstalten eine quasi prototypische Funktion.

58: Die Übersicht wurde nach den Dokumentationsbänden Neue Musik in der Bun- desrepublik Deutschland der Deutschen Sektion der IGNM, erstmals erschie- nen als Bericht über die Saison 1957/58, erstellt. Eine Geschichte der Institutionen im Bereich zeitgenössischer Musik findet sich in Bd. 2 der Dokumentationen (1958/59). - 109 -

Als spezifisch kammermusikalische Ergänzung der 'Musica Viva' begründete Willy Spilling zur Saison 1963/64 in Nürnberg die Kon- zertreihe 'Ars nova'. Deren Programm besteht gleichfalls gemischt aus Ur—‚ Erst“ und Niederholungsaufführungen. I Bei der auch in Nürnberg stattfindenden 'Internationalen Orgel- woche', die allerdings nicht ausschließlich zeitgenössischer Mu: sik vorbehalten ist, ist das Programm insgesamt doch stark am Gegenwartsschaffen ausgerichtet.

1946 wurde von Heinz Schröter am Radio Frankfurt, dem Vorläufer des HR, die 'Noche für Neue Musik' eingerichtet. Die ersten Kon— zerte fanden noch in Bad Neuheim statt. Zunächst zielte das Pro— gramm auf die Behebung des kulturellen Informationsdefizits ab, allerdings fanden bereits im ersten Jahr einige Uraufführungen von Werken deutscher Komponisten statt. Die Auswahl von Werken aus dem Ausland war — wie auch bei anderen Konzertveranstaltun— gen — in starkem Maße abhängig von dem verfügbaren Aufführungs— material. 1949 wurde der inzwischen selbständige HB Veranstalter. In diesem Jahr waren aufgrund der Währungsreform erstmals "auch materiell die VoraussetZungen gegeben, ungehindert internationale aufzunehmen". 57 Außerdem gingen in diesem Jahr erstmals die 'woche...‘ und die mittlerweile internationale Anerkennung findenden Darmstädter 'Ferienkurse für Neue Musik' organisato— risch eine Verbindung ein. Die Kooperation wurde jedoch wieder unterbrochen und erst 1955 erneut aufgenommen. Die ursprüngliche Dauer der 'Noche für Neue Musik' wurde schrittweise reduziert; das Festival wurde 1955 und 1956 an je zwei Tagen durchgeführt. Entsprechend wurde die Veranstaltung in 'Tage für Neue Musik' um— benannt. 1957 wurden die 'Tage ...' mit den Darmstädter 'Ferien- kursen für Neue Musik' zusammengelegt, die jedoch inzwischen ohne

direkte organisatorische Beteiligung des HR durchgeführt werden.

57: Steinecke, Wolfgang: Frankfurt. Woche für Neue Musik. In: Neue Musik in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 2. Dokumentation 1958/59. Mainz o.J. S. 36-41, S. 38 - 110 —

Ab der Saison 1963/64 organisierte der HR die Konzertreihe

'Musica viva', hinzu kmnab 1973/74 die Reihe 'Neue Musik in der Hochschule', die gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Dar— stellende Kunst organisiert wurde. In Verbindung mit dem Städel— schen Kunstinstitut wurde eine Reihe 'Neue Musik im Städel' ein— gerichtet. Seit 1977 veranstaltet der HR - das Konzept der ‘Tage für Neue Musik' aufgreifend — das 'Mini-Festival' 'Neekend - Neue Musik in Franfurt', das sich, ebenso wie die o.a. Konzertreihen, in beson- derem Maße der Avantgarde widmet. In sämtlichen Veranstaltungen werden ausländische Komponisten in starkem Maße berücksichtigt. Der Schwerpunkt liegt auf Musik für kleine Besetzungen.

Noch als Veranstaltung des NNDR Hamburg wurde 1951 von Herbert Hübner die Konzertreihe 'das neue werk' gegründet. Von Beginn an orientierte sich diese Reihe an dem jeweiligen Gegenwartsschaf- fen; Rückgriffe auf die Musik der ersten Jahrzehnte des 20. Jahr— hunderte, die in den 50er Jahren bei anderen Veranstaltungen noch dominierten, kamen auch in Hamburg gelegentlich vor, erlangten jedoch keine besondere Bedeutung. Zunächst hatte 'das neue werk' einen halböffentlichen Charakter. Zahlreiche Ur— und Erstauffüh— rungen, oft mit der Vergabe von Kompositionsaufträgen verbunden, sind für diese Veranstaltung, die inzwischen öffentlich ist und gelegentlich auch außerhalb Hamburgs stattfindet, charakteri- stisch.

1958 initiierten Klaus Bernbacher und Hashagen als Vertreter der Musikalischen Jugend Deutschlands und des NDR Hannover die 'Tage der Neuen Musik Hannover'. Anders als bei der Hamburger Veranstaltung wird hier ein breiteres Spektrum der Musik des 2D. Jahrhunderts berücksichtigt, der Schwerpunkt liegt nicht so eindeutig auf der Avantgarde. Mitlerweile wird diese Veranstal- tung vom NDR Hannover, dem Verein der Tage der Neuen Musik Hanno- ver, der Musikhochschule sowie der städtischen Bühne durchge- führt. Die Beteiligung des Rundfunks ist allerdings nicht mehr direkt organisatorischer Art, wenngleich eigene Konzerte im Rah- men der 'Tage ...' veranstaltet werden. - 111 -

4.6.4 Radio Bremen

Radio Bremen veranstaltet die Biennale 'pro musica nova' sowie die Konzertreihe 'Bremer Podium'. (Auf beide Vorhaben wird in Ka- pitel 5 näher eingegangen.)

4.6.5 EIflS

Der RIAS tritt nicht als Veranstalter kontinuierlicher Konzert- projekte mit zeitgenössischer 'E—Musik‘ auf, ist jedoch an ver- schiedenen Veranstaltungen beteiligt. So vertritt der RIAS die Bundesrepublik Deutschland beim 'Rostrum of Composers' der UNESCO und war am 'Metamusik'-Festival in Berlin beteiligt.

Über lange Zeit war das Konzertwesen des SR im Bereich zeitge- nössischer Musik eher Sporadischer Art. Die ersten Veranstaltun- gen mit zeitgenössischer Musik waren Jugendkonzerte (ab 1949). Verschiedene Werke einheimischer Komponisten wurden in diesem Rahmen zur Uraufführung gebracht. “In jedem Konzert gab es neben den vorerwähnten Uraufführungen jeweils wenigstens zwei bis drei Erstaufführungen zeitgenössischer Komponisten.“ 58

Erst Mitte der 60er Jahre wurden ausschließlich mit zeitge— nössischer Musik bestrittene Konzerte geplant. Zunächst wurden unter dem Titel 'Musik der Zeit' einige Veranstaltungen durchgeführt. Fest wurde die Avantgardeförderung jedoch erst mit der Reihe 'Musik im 20. Jahrhundert' in die öffentlichen Aktivitäten des SR seit 197D eingefügt. Dieses Festival, das alljährlich in Saar— brücken stattfindet, widmet sich dem aktuellen Schaffen; ent- Sprechend häufig wird das Programm mit Urn und Erstaufführungen bestritten. Gelegentlich werden auch Orchesterwerke vorgestellt.

58: Neue Musik in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 1. Dokumentation 1957/ 58. Frankfurt/Main_o.d. S. 42 — 112 -

4.6.7 Sender Freies Berlin

Seit Oktober 1955 führt der SFB Konzerte unter dem Titel 'Musik der Gegenwart' durch. Zunächst war das Programm — nicht zuletzt aufgrund der Finanzlage der Anstalt - primär auf Kammer- musik beschränkt. Kompositionsaufträge wurden im Rahmen dieser Reihe nur selten erteilt. Seit Dezember 1961 beteiligt sich der WDR, wodurch eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem RSO Berlin ermöglicht wurde. Gelegentlicht unterstützte auch der RIAS die Vergabe von Kompositionsaufträgen. Berücksichtigt werden in der Veranstaltung gleichermaßen Künstler des In— und Auslands. Kennzeichen dieser Konzertreihe ist der Rückgriff auf ältere Werke, sowohl aus diesem Jahrhundert als auch aus früherer Zeit. In einigen Konzerten wurden inhaltliche Verbindungen zu anderen Kunstgattungen geknüpft sowie andere Musiksparten berücksichtigt. Die.Mischung des Programms mit alter und neuer Musik wird von dem zuständigen Redakteur Peter Bockelmann mit der "Aufgabe, die neue Musik wieder in das normale Musikleben zu integrieren", anstelle sie in ihrem "viel beschworenen elfenbeinernen Turm" zu belassen, begründet.

Aus schon davorliegenden Bemühungen um die neue Musik entwik— kelte sich die Konzertreihe 'Musik unserer Zeit' seit 1954. Sie hat ihren Höhepunkt in jährlichen "Ateliers", die jeweils einem Komponisten gewidmet sind und aus mehreren Konzerten be- stehen. Diese Konzertreihe berücksichtigt vorwiegend das gerade aktuelle Schaffen, ohne ein ausgeprochenes Uraufführungsfestival zu sein.

Seit 1951 ist der SDR an den Stuttgarter 'Tagen zeitgenössi- scher Musik' beteiligt. Die Dauer dieses Festivals beträgt knapp eine Woche. Die Programmgestaltung ist mit der der o.a. Konzert-

59: Bockelmann, Peter: Manuskript zur Sendung "Apropos" (SFB II, 16.01.1984) — 113 —

reihe vergleichbar. In organisatorischer Hinsicht werden die 'Tage ...' unabhängig vom SDR durchgeführt.

Ebenfalls als Mitveranstalter tritt der SDR bei den jährlich seit 1952 stattfindenden 'Schwetzinger FestSpielen' auf, einer .Veranstaltung, die zwar nicht ausschließlich neuer Musik gewid: met ist, in deren Rahmen jedoch verschiedentlich auch Bühnen- werke uraufgeführt wurden.

Lange Zeit veranstaltete der SDR zwei weitere Konzertreihen. Unter dem Titel 'Jugend hört neue Musik' wurden öffentliche Ju- gendkonzerte, verbunden mit einführenden Referaten, monatlich ab- wechselnd in Stuttgart, Karlsruhe und Ulm durchgeführt. Von überregionaler Bedeutung war die von dem Komponisten Mo1f« gang Fortner 1948 in Heidelberg begründete Konzertreihe 'Musica Eiva'. Zunächst in Kooperation mit dem dortigen Städtischen Sym- phonieorchester durchgeführt, wurde der SDR 1952 alleiniger Ver- anstalter. Während das Programm zunächst auf das Informations- defizit reagierte und insbesondere Orchesterwerke aufgeführt wur— den, änderte die 'Musica Viva' bald ihren Charakter und wurde zu einer Überwiegend sich avantgardistischer Kammermusik widmenden Konzertreihe, die jedoch die 'Klassiker der Moderne' und den wie— derentdeckten Webern gleichfalls berücksichtigte. Fortner über— nahm nach dem Tod Hartmanns 1963 die Münchener Konzertreihe glei- chen Namens. Unter dem Titel 'Musica Viva' veranstaltete der SDR

noch in den 70er Jahren Konzerte.

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Im Vergleich zu anderen Landesrundfunkanstalten sind die Akti- vitäten des SWF im Bereich des Konzertwesens vielfältiger, wozu in starkem Maße die Landesstudios beitragen. Seit Mitte der 60er Jahre wird die Konzertreihe 'Ars nova' durchgeführt. Präsentiert werden in deren Rahmen überwiegend kammermusikalische werke, häuw fig finden sich Ure und Erstaufführungen. Die Konzerte der ‘Ars nova'—Reihe finden in verschiedenen Städten des Sendegebietes statt. Die Landesstudios Rheinland-Pfalz, Tübingen und Freiburg bieten ihrerseits weitere Konzertreihen an, die in etwa dem Charakter der 'Ars nova' entsprechen. -114—

In Freiburg ist das Experimentalstudio der Heinrich-Strobel- Stiftung des Südwestfunks e.V. ansässig. Das von Hans-Peter Haller geleitete Studio gastiert auch in verschiedenen Orten des In- und Auslands. Zusammen mit dem Studio für elektro- nische Musik des WDR ist das Freiburger Experimentalstudio die einzige inländische Einrichtung dieser Art, die in Regie der Rundfunkanstalten betrieben wird.

Die wichtigste Veranstaltung des SWF auf dem Gebiet der zeitge- nössischen 'E-Musik' sind die Donaueschinger 'Musiktage für zeit- genössische Tonkunst'; sie besitzen internationale Bedeutung. Die Donaueschinger Veranstaltung ist in der Bundesrepublik das älte— ste noch bestehende Festival des aktuellen musikalischen Schaffl fens; es wurde bereits 1921 initiiert. In den 20er Jahren waren (fiese Musiktage, die sich primär Kammermusik und Chorwerken wid— meten in dmmm1aber auch Musik für mechanische und elektroakusti- sche Instrumente vorgestellt wurde, die bedeutendste Veranstal- tung ihrer Art. 1925 wurde Paul Hindemith Mitglied des Arbeits- ausschusses. Noch in den 20er Jahren wurde das Festival nach Baden-Baden verlegt, später nach Berlin. Nach Kriegsende hatten die - wieder in Donaueschingen stattfindenden - Musiktage zu- nächst keine überragende Bedeutung. Erst 1950 - die 'Darmstädter Ferienkurse‘ hatten sich mittlerweile etabliert - "ist Donau- eschingen zu einer Institution geworden". 60 Der SNF beteiligte sich mit seinem Orchester an dem Festival und der Redakteur Hein- rich Strobel besorgte die Programmauswahl. Von Beginn an waren die 'Donaueschinger Musiktage' ein Urauf- führungsfestival. Zusammen mit der Darmstädter Veranstaltung be- saßen sie weitreichende Bedeutung für die Entwicklung der Musik in den 50er und BOer Jahren. Die SWF—Veranstaltung unterschied sich wxlden 'Darmstädter Ferienkursen', die Übrigens nur einge- schränkt öffentlich waren, durch eine weitergehende Offenheit in Bezug auf neue Tendenzen. Bereits 1954 - zu einer Zeit, als in

60: Häusler, Josef: Donaueschingen. Musiktage für zeitgenössische Tonkunst. In: Neue Musik...‚ Bd. 2, S. 31-35. S. 31 - 115 _

Darmstadt der Serialismus vorherrschte - wurden in Donaueschingen Cage und Tudor vorgestellt. Im gleichen Jahr begann auf Initiati- ve J.E. Berendts die Integration des Jazz in das Festival.61 An— fang der 60er Jahre war der SWF mit den Donaueschinger Musiktagen an dem Aufstieg Ligetis, Pendereckis und Lutoslawskis beteiligt. Als Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre die 'Darmstädter Fe— rienkurse' Krisensymptome zeigten und etwas an Bedeutung verlo- ren, blieb die Donaueschinger Veranstaltung weiterhin in gewis— sem Sinn ein 'Aushängeschild' der zeitgenössischen 'E+Musik‘.

4.6.10 Westdeutscher Rundfunk ——_———__.....-—_———.—._.

Die Anfänge der Konzertreihe 'musik der zeit' liegen in den ab der Saison 1951/52 veranstalteten Konzerten 'Neue Musik‘, in de- ren erstem - gewissermaßen als programmatischer Auftakt - Stra— winsky dirigierte, der zu diesem Anlaß erstmals nach dem Krieg wieder in Deutschland erschien. Zur Saison 1953/54 erhielt die Veranstaltung den nunmehr beibehaltenen Namen. Zunächst wurden pro Saison in der Regel fünf Konzerte durchgeführt, außerdem ge— legentliche Sonderveranstaltungen; später ging man dazu Über, themenorientierte 'Mini-Festivals', jeweils einen oder mehrere Tage dauernd, zu veranstalten. Gelegentlich finden die Konzerte auch außerhalb Kölns statt. Das Programm dieser Reihe ist inzwi— schen deutlich an der aktuellen Avantgarde ausgerichtet, entSprew chend hoch ist heute der Anteil an Ur— und Erstaufführungen. Dr— chesterwerke und kammermusikalische Kompositionen stehen neben— einander, allerdings mit deutlichem Übergewicht der letztgenann- ten

Die 'Wittener Tage für Neue Kammermusik' beschränken sich auf die Präsentation zeitgenössischer Kammermusik. In Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Witten wird ein Programm bestritten, das zu einem hohen Anteil aus Ur— und Erstaufführungen besteht. Verschiedentlich vergibt die Stadt Witten auch Kompositionsauf- träge.

61: Das SWF-Orchester und die Kapelle Kurt Edelhagen spielten in diesem Jahr das "Concerto for Jazzband and Symphony Orchestra" von Rolf Liebermann. — 116 —

Außerdem ist der WDR am 'Rheinischen Musikfest' beteiligt, das seit 1983 nach 50jähriger Unterbrechung wieder in verschiedenen Orten im Rheinland jährlich stattfindet. Das Programm ist histo- risch gemischt, Avantgardekonzerte stellen jeweils einen bedeu- tenden Programmteil, gleichzeitig sind zeitgenössische Werke in gemischte Konzerte integriert. Rockmusik, Jazz und Volksmusik finden gleichfalls Berücksichtigung.

4.7 Zusammenfassung

Die Verbindung von aktuellem Musikschaffen und Rundfunk ist seit Einführung des Mediums vielschichtig und liegt in verschie- denen Faktoren begründet. Im ökonomischen Bereich sorgt der Rund- funk mit der Vergabe von Kompositionsaufträgen sowie mit der Zah— lung von Urheberrechtsgebühren direkt und indirekt für die Ver- sorgung der Komponisten. Als Distributionsorgan dient das Radio insofern sowohl der zeitgenössischen Musik als Abstraktum als auch einzelnen Komponisten, wie es die Werke überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich macht und so zur Popularisierung 62 beitragen kann. Außerdem besitzt der Rundfunk die Möglichkeit der didaktisch konzipierten Einführung eines potentiell inter- essierten Publikums in die zumeist nur schwer zu erschließenden Werke. Als Institution dient das Radio der Information über kom- positorische Tendenzen. Weiterhin übt der Rundfunk stilbildende bzw. -prägende Funk- tionen aus. Was zunächst in der technischen Beschränktheit des Mediums begründet lag, bezieht sich mittlerweile auf die techni- schen Möglichkeiten des Radios im positiven Sinn (Schnitt- und

Montagetechniken, elektronische Verfremdung usw.) sowie auf me- diengerechte dramaturgische Möglichkeiten (Hörspielmusik u.ä.). Als Konzertveranstalter stellt der Rundfunk einen bedeutenden Teil der kulturellen Infrastruktur des Sendegebietes. Insgesamt besitzt der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Schlüsselposition hinsichtlich der Produktion und Distribution zeitgenössischer 'E-Musik'.

52: Die Bedeutung dieses Begriffes ist in diesem Zusammenhang relativ zu be— trachten. - 117 —

5. 'PRO MUSICA NÜVA' UND 'BREMER PÜDIUM' 1

Als exemplarische Beispiele der von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kontinuierlich durchgeführten Konzerte mit zeitgenössischer 'E-Mus1k' sollen beide Veranstaltungsreihen von Radio Bremen in diesem Kapitel dargestellt werden. Hierbei han-- delt es sich einerseits um die mittlerweile international bekann- te 'pro musica nova', die nach dem Fortgang ihres Gründers Hans Ütte von Radio Bremen 2 ihren Charakter verändern wird und somit hier in einer abgeschlossenen Phase betrachtet werden kann, ande— rerseits um das - primär im regionalen Bereich wirkende — 'Bremer Podium'. Anhand beider Beispiele, schwerpunktmäßig jedoch der 'pro musica nova', sollen ASpekte der Bedeutung von Rundfunkkon- zarten aufgezeigt werden.

5.1 'pro musica nova' 3

Die erste Veranstaltung unter dem Titel 'pro musica nova' fand 1961 statt. Jedoch wurden von RB bereits in den 50er Jahren unter dem damaligen Hauptabteilungsleiter Musik, Siegfried Goslich,Vor- läuferveranstaltungen durchgeführt. Für zwei 1952 und 1953 veran- staltete Konzertwochen, die durch Vorträge und Konzerte eine Ein” führung in die "moderne Tenkunst" geben sollten 4, wurde die Be— zeichnung 'Wege zur neuen Musik' geprägt. 1952 wurden sowohl be-

1: Als Grundlage dieses Kapitels dienten - sofern nicht anders angegeben - Programmhefte sowie Informationen, die ich in GeSprächen mit den verant- wortlichen Redakteuren erhielt. Des weiteren wurden verschiedene Pressear- tikel herangezogen. Monographien existieren nicht. Primär behandelt dieses Kapitel die 'pro musica nova', auf das 'Bremer Po— dium' ist jedoch gleichfalls kurz einzugehen. _2: Hans Ütte trat aus gesundheitlichen Gründen zum 01.10.1984 in den vorzeiti— gen Ruhestand. 3: In diesem Abschnitt wird die Veranstaltung primär chronologisch—deskriptiv behandelt. Auf funktionelle Aspekte wird in Kapitel 5.3 eingegangen. 4: Radio Bremen, Abteilung Presse und Publizistik (Hg.): Jahrbuch 1952 1953. Bremen o.J., S. 13 - 118 — reits arrivierte Komponisten (wie Hindemith und Britten) als auch weniger bekannte (2.8. Maler und Riegger) vorgestellt. Uraufge- führt wurden Arbeiten von Maler, Henze und Hessenberg. 5 Die Ver- anstaltungen des Jahres 1953 berücksichtigten besonders französi— sche Komponisten und Interpreten (Messiaen, Francaix, Loriod u.a.). Ausländische Künstler waren stärker vertreten als im Vor- jahr. 6 Die beiden Veranstaltungen"wege zur neuen Musik' hatten ledig- lich singulären Charakter. Zeitgenössische Musik wurde zwar in verschiedenen Konzerten von Radio Bremen vorgestellt, jedoch richtete man keine besondere Reihe hierfür ein. Schwierigkeiten bei der Durchführung von Konzerten ergaben sich aus der Auflösung des Bremer Rundfonkorchesters‚ die - bedingt durch den Wegfall der Finanzzuwendungen aufgrund der Kündigung des ersten Finanzausgleichabkommens und der Reduzierung der nun- mehr vom NDR aufgebrachten Beihilfen — zum 31.03.1957 erforder— lich wurde.

_"———H._.—.——__———n-—n-..————

Siegfried Goslich schied 1958 aus seinem Amt. Nach etwa einjäh- riger Vakanz wurde die Stelle im folgenden Jahr mit Hans Utte be- setzt. Dtte (* 1926) studierte bei Johann Nepomuk David und Paul Hindemith Komposition und ist darüber hinaus als Pianist, Orga— nist und Dirigent ausgebildet. Als Komponist beschäftigte er sich mit verschiedenen Genres (u.a. Kammermusik, Lied, Klaviermusik); unter anderem wandte er sich auch musikalischen Environments ("Ün Earth“, sein wohl bekanntestes Werk) zu.

Zu jener Zeit wurde im Bremer Musikleben eindeutig das tradi- tionelle Konzertrepertoire bevorzugt. Sowohl vorklassische Musik als auch solche das 20. Jahrhunderts war - auch im Vergleich zu

5: Ulmann, Hellmuth v.: Neue Musik im Rundfunk. In: Melos. 19. Jg. Nr. 4/1952. S. 12D f., S. 12D 6: Roselius, Ludwig: Zweites zeitgenössisches Bremer Musikfest. In: Melos. 20. Jg. Nr. 4/1953. S. 121 f. 7: Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, Erster Teil 1945-1962, S. 291 f. - 119 -

anderen Städten - dort unterrepräsentiert. Diese Bedingungen ver- anlaßten Otte, zwei Festivals gegensätzlichen Inhalts, aber ein— ander ergänzend, einzurichten. In diesen Veranstaltungen unter den Titeln 'pro musica antiqua' und 'pro musica nova‘ sollte ver- .sucht werden, das in den städtischen Konzerten unzureichend be- rücksichtigte Repertoire dem — eher konserativ scheinenden - Eros mer Publikum vorzustellen. Die Konzeption sah vor, daß jährlich beide Veranstaltungen stattfinden sollten :-die 'pro musica anti- qua' sollte im September die Konzertsaison eröffnen 8, die 'pro

musica nova' sie im Mai beschließen.

Die Konzerte der ersten 'pro musica nova' standen unter folgen— den Themen — "Die Wiener Schule“ — "Die Klassiker der Moderne" - "Die neue Komponistengeneration" „ "Kompositionsabend Karlheinz Stockhausen“ — "Musique concrete - Filmes experimentales“. Weiterhin wurde eine Ausstellung “Neue musikalische Graphik" durchgeführt. Die Prügrammgestaltung muß vor dem Hintergrund betrachtet wer- den, daß einerseits noch nicht eindeutig absehbar war, ob und wie das Festival in den folgenden Jahren weitergeführt werden sollte, so daß es konsequent war, wichtige Etappen in der Entwicklung der modernen Musik gleichfalls vorzustellen. Andererseits muß dieser Versuch einer „ zweifellos fragmentarischen -historisch vermit- telnden Darstellung_vor dem mangelnden Angebot an zeitgenössi— scher und Neuer Musik in Bremen gesehen werden.

8: Noch bevor 'Alte Musik' von breiten Publikumsschichten (wieder)entdeckt wurde, hatte sie im Rahmen der 'pro musica antiqua' einen festen Platz. In der jüngeren Geschichte dieser Veranstaltung wurde auch traditionelle Musik außereuropäischer Kulturen in das Programm aufgenommen und damit eine in" haltliche Verbindung zur 'pro musica nova' geschaffen. 9: Im Folgenden sollen die einzelnen Veranstaltungen kurz beschrieben werden. Auf die einzelnen aufgeführten Werke kann in diesem Rahmen nur verschie- dentlich näher eingegangen werden. Eine Übersicht Über die Programme der 'pro musica nova' sowie statistische Daten finden sich im Anhang. — 120 -

Es sind bereits für die erste 'pro musica nova' vier Charakte— ristika in der Programmgestaltung zu konstatieren, die im weite— ren Verlauf diese Veranstaltung in besonderem Maße prägten 1. der Stil— und GattungSpluralismus; 2. die Verpflichtung bedeutender Künstler, auch aus dem Ausland; 3. die Beschränkung auf Werke für kleine Besetzungen; 4. die Verbindung mit anderen Kunstformen. ad 1) Stilistische Schwerpunkte wurden zugunsten 1961 zugunsten des Versuchs einer Übersicht - sofern dies Überhaupt in fünf Ver— anstaltungen geleistet werden kann - vermieden. So standen elek— tronische Kompositionen neben traditionell hervorgebrachten auf dem Programm. Es waren sowohl solistisch aufzuführende Werke als auch solche für kleinere Ensembles vertreten. ad 2,3) Da Radio Bremen seit 1957 keine eigenen Musiker mehr fest beschäftigt, war und ist es notwendig, mit fallweise verpflichte- ten Interpreten zu operieren. Hierbei konnten sich zwei Entwick- lungen ergeben : Einerseits war es möglich, international bekann— te Künstler einzuladen (so 1961 das Wiener Ensemble "die reihe", die Pianisten David Tudor und die Brüder Kontarsky), andererseits unterlag die Auswahl der Kompositionen nicht der Notwendigkeit der ’Amortisation' eines vorhandenen Orchesters. Hieraus resul- tiert(e) teilweise die stilistische und gattungsmäßige Breite des Festivals. Anzumerken ist, daß aufgrund der mäßigen Finanzaus- stattung (die 'pro musica nova' begann 1961 mit einem Etat von lediglich 18.000 DM) größere Besetzungen kaum hätten realisiert werden können. Die Konzentration auf Werke für kleine Besetzungen entsprach im übrigen auch allgemeinen kompositorischen Tendenzen in der neuen

Musik. ad 4) Die Verbindung mit anderen Kunstformen, die in der auf das Auditive beschränkten Vermittlung durch den Hörfunk nicht adäquat reproduzierbar sind, zeigte sich 1961 primär in der Präsentation der Experimentalfilme der "Groupe de Recherche Images" des fran— zösischen Rundfunks. Zu erwähnen sind darüber hinaus die Ausstel- lung "Neue musikalische Graphik" und das szenische Elemente ver- wendende, zunächst als Ballet konzipierte,Werk "daidalos" von Otte/Helms. - 121 w

Der erste, historisch ausgerichtete, Programmteil wurde mit so— listischen Klavierwerken und Kompositionen für kleinere Ensembles bestritten. Vorgestellt wurden weniger bekannte Werke von den wichtigsten Komponisten der Wiener Schule (Schönberg, Berg, Wen _bern) und den anderen als 'Klassiker der Moderne' apostrOphieru ten Komponisten Neuer Musik (Strawinsky, Bartök, Hindemith). Im zweiten, an der künstlerischen Gegenwart orientierten, Teil des Festivals wurden drei Werke uraufgeführt. Von diesen übte Karl- heinz Stockhausens “Klavierstück IX" eine gewisse Wirkung auf an— dere Kompositionen jener Zeit aus. Auch Roman Haubenstock-Ramatis “Mobile for Shakespeare“, das gleichfalls zur Uraufführung kam, zählt - aufgrund der Verbindung von Aleatorik und menschlicher Stimme - zu den wichtigeren Kompositionen der 60er Jahre. Das Abschlußkonzert „ Experimentalfilmen und musique concräte vorbehalten - dürfte der vergleichsweise ungewöhnlichste Pro- grammpunkt des Bremer Festivals gewesen sein.

Die Resonanz, die die erste 'pro musica nova' bei Presse und Besuchern fand, war differenziert. Die beiden ersten Konzerte mit Werken bereits arrivierter Komponisten stießen auf ungeteilte Zu- stimmung. Die folgenden Veranstaltungen jedoch wurden zum Anlaß einer Kontroverse, in der es um den Fortbestand des Festivals ging. Während die ersten Werke des-dritten Konzertes (Bo Nilsson: "Reaktionen für einen Schlagzeuger“, Henri Pousseur: "Caracteres" und Haubenstock-Ramatis “Mobile for ShakeSpeare") ohne besondere Reaktionen aufgenommen wurden, stieß die Komposition von Dtte/ Helms (“daidalos”) auf Ablehnung durch das Publikum, vermutlich hervorgerufen durch die Verwendung von 'Vulgärsprache' in Verbin- dung mit der Länge von 40 Minuten. Die heftigsten Reaktionen ent- zündeten sich an den Werken Stockhausens; der Komponist brach die Aufführung seüms Stückes “Kontakte" wegen Störungen aus dem Pu— blikum, die in besonderen Maße von Jugendlichen ausgingen, ab.

Auch die Rezensenten der Tages- und Fachpresse standen diesen Werken in der Regel ablehnend gegenüber. Der Kritiker der "Bremer “Nachrichten" überschrieb seinen Artikel beispielsweise mit "Klein ner Skandal um großen Lärm"; der Redaktion war diese Veranstal- tung eine Hinweiszeile auf der Titelseite wert. 10

10: Piersig, Fritz: Kleiner Skandal um großen Lärm. In: Bremer Nachrichten (im Folgenden : BN), 08.05.1961. Die BN sind die älteste und zweitgrößte Tageszeitung in Bremen. — 122 —

Wenngleich in abschließenden Stellungnahmen der Rezensenten von

"Weser—Kurier" 11 und "Melos" 12 die Konzertreihe insgesamt posi- tiv bewertet wurde, kam es über die 'pro musica nova' zu Ausein- andersetzungen im Rundfunkrat von Radio Bremen, wobei die Exiw stenz der Veranstaltung für die Zukunft in Frage gestellt wurde. Bedeutende Unterstützung erfuhr Dtte in diesem Disput durch den damaligen Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst des Landes Bremen, willy Dehnkamp, der die Konzertreihe als notwendiges Ex— perimentierfeld und Forum zeitgenössischer Kunst verteidigte.

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Entsprechend der ursprünglichen Konzeption fand im Mai 1962 das zweite 'pro musica nova'—Festival statt. In der Ausdehnung gegenüber dem Vorjahr gekürzt, war die Veranstaltung den Themen — Orgelwerke, — Musik und Literatur, - Musik und Darstellung gewidmet.

Am ersten Tag standen vier, sämtlich zur Uraufführung bestimmte Orgelwerke von Otte, Ligeti, Hambreaus und Kagel auf_dem Pro- gramm. Mit "Volumina“ von György Ligeti wurde hierbei - aus orga— nisatorischen Gründen lediglich als Bandaufnahme - ein für moder- ne Drgelkompositionen prototypisches Nerk vorgestellt; Ligeti realisiert hier das bereits aus seinem Drchesterstück "Athmo- spheres" bekannte Verfahren der Klangkomposition mit Clusters statischenCharakters,die sich kontinuierlich, kaum merklich, weiterentwickeln. Anzumerken ist, daß ein Konzert mit zeitge- nössischer Orgelmusik zu jener Zeit eine gewisse Besonderheit war, da die Gattung in den SOer und 609r Jahren lediglich eine marginale Position innehatte.

11: Der "Weser-Kurier“ ist die größte regionale Tageszeitung in Bremen. 12: Wolf—Eberhard von Lewinsky schrieb unter dem Titel "Kompositorische Spiele mit Klang und Sprache" in Melos, 28. Jg., Nr. 10/1961 : "Insgesamt erweist sich mit den fünf Konzerten nämlich die Konstruktion eines Festivals der Moderne, wie sie sinnreicher und anregender kaum zu denken ist. Für Bremen war dergleichen neu."I (S. 329) - 123 -

Die zweite Veranstaltung war Hans G Helms gewidmet, der ver— schiedene literarische Werke vorstellte, darunter — als Urauffüh— rung - "Golem", eine "Polemik für 9 Vokalsolisten“, die gegen Sprache und Philosophie Heideggers zielen sollte. Am Abschlußabend wumkm ein Film sowie Kompositionen von Kagel vorgestellt. In "Caroline Brown und Merce Cunningham tanzen", ei- ner Fernsehproduktion das NDB, die auf der 'pro musica nova' ur- aufgeführt wurde, wird die tänzerische Umsetzung verschiedener Werke von Cage und dessen Schüler Christian Wolff dargestellt. Bemerkenswert hierbei war die Zusammenarbeit zwischen Hörfunk und Fernsehen, die in Späteren Jahren zwar gelegentlich wieder aufge— griffen wurde, aber nie substantielle Bedeutung erhielt, obwohl sie inhaltlich notwendig, da\delmiaufgefikmtm1 Werken adäquat, ge- wesen wäre. Bei dem gleichfalls uraufgeführten Werk von Mauricio Kagel, "Sur Scene. Kammermusikalisches Theater für einen Spre— cher, einen Mimen, einen Sänger und drei Spieler", handelt es sich um einen "Vortrag über Neue Musik, in dem nidfiß vorgetragen wird". 13 Kagel zielt in diesem wie in einem Großteil seiner spä- teren Werke auf das Konzept einer 'Metamusik'. "Sur Scene" ist, wie Rudolf Stephan schreibt, das "erste Hauptwerk" eines 'neuen Musiktheaters', in dem die Musiker gleichzeitig szenische Akteure sind. 14 Diese Werk gehört zusammen mit “Volumina” (Ligeti) zu denjenigen auf dem Bremer Festival aufgeführten Kompositionen, denen im historischen Kontext eine größere Bedeutung zukommt. Neben den genannten Konzerten wurde wie im Vorjahr eine beglei— tende Ausstellung "Neue musikalische Graphik" durchgeführt, in der graphische Partituren verschiedener Komponisten gezeigt wur- den.

Vergleicht man die ersten beiden Veranstaltungen 'pro musica nova', so ist festzustellen, daß im zweiten Jahr die Abkehr von einem Musikforum geläufiger Art noch deutlicher-zutage trat. Der

13: Bachmann, Claus-Henning: Vom Paradoxen in der Musik. In: Musica. 16. Jg., Nr. 4/1982, S. 198

14: Stephan, Rudolf: Zum Problem des Sichtbaren bei der Darbietung von Musik. In: Musik im Programm, 0.0., o.J (1974), S. 103-112, S. 111 —124—

historisch ausgerichtete Programmteil entfiel, stattdessen wurde der Schwerpunkt auf Uraufführungen gelegt. Diese Ausrichtung blieb ab 1962 für die gesamten Veranstaltungen der 'pro musica nova' weitgehend gültig.

21.5 33011118203 20183. 19ä4

Nach zwei Jahren fand im Mai 1964 an vier Tagen die dritte 'pro musica nova' statt. Die Änderung des Austragungsmodus‘ ist auf zwei Faktoren zurückzuführen - einerseits auf organisatorische Probleme, da die Musikabteilung von RB quantitativ relativ schwach besetzt war/ist und die Durchführung des Festivals einen großen Teil der technischen und personellen Kapazitäten bindet; - andererseits ist die geänderte Konzeption als Kompromiß zu ver- stehen; bedingt durch verschiedentlich heftige Kritik an den Konzerten der 'pro musica nova' (insbesondere zur Veranstaltung 1961) schien es angebracht, die Veranstaltung nur noch als Bi— ennale, alternierend mit der 'pro musica antiqua', durchzufüh- ren, um so die Situation etwas zu entspannen.

Neben einem - mit einem Vortrag Theodor w. Adornos (“Über eini— ge Schwierigkeiten des Komponierens heute") verbundenen - Eröff- nungskonzert standen Veranstaltungen mit — neuer Klaviermusik - neuer Bläsermusik - elektronischer Musik und Experimentalfilm auf dem Programm. Die von Beginn an vorhandene Verbindung zur elektronischen Mu- sik und zu den darstellenden Künsten etablierte sich zu jener Zeit endgültig als besonderes Charakteristikum. der Veranstal— tung. Berücksichtigt man weiterhin den Charakter als De—facto— Uraufführungsfestival (1964 waren von 18 geplanten Programmteilen 10 Ur- und weitere 4 deutsche Erstaufführungen), so zeigt sich, daß mit der 'pro musica nova' 1964 das Festival einschließlich des Durchführungsturnus' vollständig in seiner späteren Form ent- wickelt erscheint und bis zum Neggang Ottes von RB keinen grund- sätzlichen Wandlungen mehr unterworfen war. - 125 -

Das Publikumsinteresse war 1964 gering, sieht man von der Ab— schlußveranstaltung “Elektronische Musik und Experimentalfilm" ab, die aufgrund des Andrangs eine Woche später wiederholt wurde. In diesem Konzert wurde erstmals in der Geschichte der 'pro musi— ca nova' ein Werk eines japanischen Komponisten ("Parallel Music" von Toshi Ichiyanagi) aufgeführt. Gründe für die geringe Publikumsresonanz können nur vermutet werden. Ein Teil der potentiellen Besucher mag in Anbetracht der in den Jahren zuvor verschiedentlich enttäuschten Erwartungen, deren Ausdruck u.a. der Skandal um die Stockhausen—Aufführung des Jahres 1961 war, nicht erschienen sein. Es fehlten jedoch auch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bekannte Namen im Programm. 15

Die Gesamtbeurteilung in der Presse war dennoch_tendenziell po- sitiv. Hans Otto Spingel beispielsweise schrieb in "Die Welt“ "Erstaunlich, daß dieser kleine Sender es fertigbringt, in der konsera— tiven Hansestadt einen solchen zu veranstalten in einer Zeit, in der nur noch Musik möglich ist, die sich nach Adornos Worten 'dem Dun- klen, Drohenden stellt und sich am eigenen Verstummen mißt'." 16 Kritisch mit der Programmgestaltung setzte sich hingegen vor dem Festival der Rezensent der "Bremer Nachrichten“, Peter Hentschel, auseinander "Diese Musiktage werden im Gegensatz zu ihren beiden Vorgängerinnen kaum in die Annalen der neuen Musik eingehen. Denn das radikale musikalische Experimentieren, die Neulandsuche auf dem Podium des Sendesaales, wird nicht stattfinden. Das Programm verheißt zwar eine Vielzahl Uraufführun— gen, aber es verrät im Vergleich zu anderen derartigen Veranstaltungs- reihen in Deutschland auf den ersten Blick (bis auf den letzten Abend) relative Konvention. Das ist bedauerlich, obwohl das diesjährige Pro— gramm einigen bitter notwendigen - aber eben nur - Nachholbedarf deckt. Hat Radio Bremens Avantgarde eine kalte Dusche bekommen ?" l7 In der Tat griff Otte mit Werken von Webern und Boulez ein zwar immer noch modern erscheinendes, aber bereits bekanntes Reper— toire auf. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß durch das Feh— len eines dominierenden stilistischen bzw. materialbezogenen Ein-

15: An bereits bekannt(er)en Komponisten waren lediglich Webern, Boulez und ' Henze vertreten; die geplante Uraufführung eines Werkes von Penderecki fiel aus. 16: Spingel, Hans Otto: Über Schwierigkeiten des Komponierens heute. In: Die Welt, 23.05.1964 17: ph (Peter Hentschel): Grenzsituation. In: BN, 07.05.1964 — 126 - flusses die Frage nach dem Verhältnis zur musikalischen Tradition neu zu stellen war. Die aktuellen Tendenzen von Happening und Fluxus hatten zu jener Zeit noch keinen festen Platz in der deut— schen Avantgarde.

1964 fand im Rahmen der 'pro musica nova' erstmals ein theore— tischer Vortrag statt. Theodor w. Adorno referierte "Über einige Schwierigkeiten des Komponierens heute". Die Reflexion Über neue Musik und ihre Vermittlung wurde von diesem Jahr ab zum festen Bestandteil des Festivalprogramms.

Die vierte 'pro musica nova' fand an einem verlängerten Wochen— ende statt. Die Zahl der Veranstaltungen wurde auf sechs erhöht, erstmals fanden mehrere Konzerte an einem Tag statt. Das Festival wurde, wie zwei Jahre zuvor, mit einem Vortrag Adornos ("Über ei- nige Schwierigkeiten in der Auffassung Neuer Musik") eröffnet. Es folgten Aufführungen von Vokal— und Instrumentalmusik, Musik- theater, eine ausschließlich Franco Evangelisti 18 gewidmete Ver- anstaltung sowie - wiederum zum Abschluß - eine Veranstaltung mit

Literatur und Filmen.

Das Festivalprogramm umfaßte Arbeiten sowohl von bekannten eu- ropäischen als auch von amerikanischen Komponisten. Eine Konzen- tration auf hochvirtuose Werke, zugeschnitten für bestimmte In- terpreten, eine "Flucht in die Virtuosität" 19, war unverkennbar und spiegelt eine allgemeine Tendenz neuer Musik wider: die Erhö- hung der manuellen Anforderungen an den Spieler, der zum stili- stischen Spezialisten wird und für den besondere werke komponiert werden (was verschiedentlich bereits in den Titeln zum Ausdruck kommt). Herausragende Interpreten der 'pro musica nova' 1966 wa—

18: Evangelisti stellte bereits um 1960 verschiedene Werke, darunter auch Auf- tragskompositionen von BB, in Bremen vor. (Vgl. auch Schneider, Norbert: Im Brennpunkt '1960' der neueren Musikgeschichte: Spazio a 5 von Franco Evangelisti. In: Melos. 46. Jg. Nr. 1/1984. S. 4 ff., S. 4) 19: Schwinger, Wolfram: Bremer Uraufführungen: Flucht in die Virtuosität. In: Melos. 33. Jg. Nr. 7/8 /1966. S. 234 ff. —127- ren neben den Pianisten David Tudor, Frederic Rzewski und den Brüdern Kontarsky der Cellist Siegfried Palm sowie die Sängerin Cathy Berberian. Für Palm komponierte Yannis Xenakis des - stück "Nomos alpha". Cathy Beflxmim1 stellte für sie geschriebene Arbeiten von Luciano Berio ("Sequenza III"), Henri Pousseur ("Phonemes pour Cathy“) und John Cage ("Arie with fontana mix") sowie eine Eigenkomposition ("Stripsody for one voice") vor. Das letztgenannte Werk wurde von einem Rezensenten als "Haupterfolg der Bremer Tage“ deklariert. 20 Eine gewisse Bekanntheit erfuhr das Stück Berios. Auch 1966 wurden wieder szenisch angelegte Werke aufgeführt (Ütte: "Modell", Kegel: "Tremens“).

In verschiedenen Rezensionen wurde der überblicksartige Charekw ter des Bremer Festivals positiv bewertet 21, unabhängig von der Qualität der vorgestellten Kompositionen. 22 Skandalhafte Publi- kumsreaktionen blieben aus, wohl nicht zuletzt, weil die Besu- cherschaft "zum Großteil aus nur beobachtenden, registrierenden Fachleuten bestand". 23 Im regionalen Musikleben scheint das Fe— stival zu jener Zeit weniger stark verankert gewesen zu sein, je- doch erfuhr es allmählich überregionale und auch internationale P0pulerität in Fachkreisen. 24

Im Rahmen der 'pro musiCa nova' 1968 wurden an einem Wochenende fünf Veranstaltungen durchgeführt. Themen des Festivals waren Chor-, Ürgel- und Kammermusik; es wurde,wie in früheren Jahren, mit einer Aufführung-von Filmen und elektroniScher Musik beendet.

20: ebd., S. 236

21: So z.B. bei Bachauer, Walter: Es ist nicht alles so schlimm wie es ist. In: Die Welt, 13.05.1966. Weiterhin bei Dehlschlägel, Reinhard:_Mezkalin und scharfe Dialektik. In: FAZ, 16.05.1966. 22: Hans Stephan schrieb hierzu: "So machte man die zweite interessante Beob- achtung, daß die experimentelle Musik sich auf der Stelle bewegt.“ (In: Musica. 20. Jg., Nr. 6/1966, S. 271) 23: Schwinger, Bremer Uraufführungen, S. 236

24: Rezensionen des Festivals fanden sich beispielsweise in den Züricher Zei- tungen "Die Weltwoche“ und "Neue Zürcher Zeitung" sowie in "Musica Madrid". - 128 -

Bei dem größten Teil der vorgestellten Kompositionen handelte es sich um Uraufführungen. Im eröffnenden Chorkonzert wunün1mit der "deutschen Messe" von Dieter Schnebel und der Gemeinschaftsarbeit "Jugend. Komposition für Sänger und Instrumente" von Konrad Boehmer und Ferdinand Kri- wet zwei Stücke aufgeführt, die die Sprache in relativ ungewöhn- licher Weise verwenden. Schnabel zerlegte und benutzte sie als bloß phonetisches Material. Boehmer/Kriwet hingegen stellten Tex- te zum Thema 'Jugend' aus verschiedenen historischen Epochen als Collage zusammen und kombinierten sie mit musikalischen Bruch— stücken, dabei u.a. Elemente der Rockmusik benutzend. Im Programm folgten ein Orgelkonzert sowie zwei Kammerkonzerte, deren erstes verschiedene Kompositionen für Streichtrio vorstell— te. Im zweiten wurden unter anderem ein szenisch determiniertes Stück sowie das Cellowerk "capriccio per Siegfried Palm" von Pen- derecki, eimaseiner bekannteren Arbeiten, aufgeführt. Im Abschlußkonzert wurden zwei Fernsehproduktionen, Mauricio Kagels "Solo" (NDR) sowie Hans Dttes "Nolimetangere" (SNF), neben zwei elektronischen Kompositionen vorgestellt. Gottfried Michael Königs "funktion grün", ein computergesteuertes Werk, arbeitet vorwiegend mit Klang(farben)veränderungen. Karlheinz Stockhausen stellte mit " für sechs Spieler" eine Kollektivimprovi- sation vor, die als ein Beispiel für die Reaktion der Komponisten auf das Medium Radio zu verstehen ist : Klangmaterial ist hier das Programm des Kurzwellenrundfunks, das mit traditionell er- zeugten Klängen kombiniert wird.

Zu dieser Zeit erschien die 'pro musica nova' als Festival weithin anerkannt, ihr Spezifisches Profil wurde zum Gegenstand der Rezensionen. Beispielsweise schrieb Hansjörg Pauli in “Die Zeit" "Die Mini-Biennale der kleinsten und schwächst dotierten bundesdeutschen Rundfunkanstalt steht jedenfalls innerhalb der ARD konkurrenzlos da; vermutlich hat sich auch im Ausland kein Pendant. Einmal, weil sie sich nicht der jeweils marktgängigen Moderne verpflichtet fühlt; und dann, weil sie das Risiko auf sich nimmt, stets wieder ins Unreine und Offene zu gehen; die Bremer Programme werden grundsätzlich rundherum mit Auf- tragsprogrammen bestritten.“ 25

25: Pauli, Hansjörg: Ohne Pendant. In: Die Zeit, 10.05.1968 „ 129 -

LLE _LPELmHSiCa 11018; 1910

Für das sechste Festival waren sechs Musik- bzw. Filmveranstal— tungen, ein Vortrag sowie zwei Diskussionen vorgesehen. Konzert- themen waren Kammermusik, Drgel— und Chormusik, Musik niederlän- discher Komponisten, "Engagierte Musik" sowie wiederum Filme und elektronische Musik. Der begleitende theoretische Programmteil wurde mit einem Vortrag Heinz-Klaus Metzgers über "Die organische Zusammensetzung der Musik" und zwei Diskussionsveranstaltungen zu den Themen “Neue Musik und Rundfunk" sowie "Neue Musik und Jour- nalismus“ bestritten. I Die in den Konzerten vorgestellten Kompositionen verstanden sich zum großen Teil als politische Werke, was oft bereits in den Titeln ausgedrückt wurde. Das erste Konzert wurde, mit einer Aus- nahme, mitAflxfitmilateinamerikanischer Komponisten bestritten. Diese waren zu jener Zeit zumeist ohne relevanten Einfluß auf das mitteleurOpäische Musikleben, verkörperten aber in gewisser Hin— sicht aufgrund ihrer Herkunft 'politische Musik'. Die folgenden Veranstaltungen blieben weitgehend ohne besondere Ereignisse. Die aufgeführten Werke waren keiner einheitlichen Stilrichtung verpflichtet; es gab um 1970 keine dominierenden kompositorischen Tendenzen mehr, sondern der Stilpluralismus der 60er Jahre verursachte — zumindest in MitteleuroPa - eine Indif- ferenz, in der Personalstile zunehmende Wichtigkeit erhielten, was wiederum die Rezeption der Werke erschwerte. Die größte Resonanz des Festivals erhielt ein Konzert mit "En- gagierter Musik", in dem Werke von Kagel ("Klangwehr"), Nono ("Non consumiamo Marx") sowie Kriwet ("Apollo Amerika") vorge- stellt wurden. Insbesondere Kagels Komposition wurde von ver— schiedenen Rezensenten immer wieder aufgegriffen : Der Komponist stellte einer Combo von Militärmusikern in der Absicht, "eine 26’ MU— kleine Gruppe von musizierenden Menschen zu emanzipieren" sikstücke von fik‘ihren Bereich sonst unüblicher Qualität. Kegel

verband dies mit szenischen Elementen.

26: Krellmann, Hanspeter: Pro Musica Nova 1970. In: Schweizerische Musikzei- tung (SMZ). 110. Jg., 1970, S. 260 - 130 —

Wie frühere Festivals, so endete auch die 'pro musica nova' 1970 mit einem Filmabend, der a "Rotes Kino: Italien - Lateiname— rika" Überschrieben - das Thema 'politische Kunst' wieder expli- zit aufgriff.

Die Bewertungen der 1970 aufgeführten Werke waren eher negativ, ohne in der Regel dabei die Konzeption des Festivals in Frage zu stellen. Die in Bremen herrschende Stilbreite stieß verschiedent- lich auf Mißfallen, die aufgeführten Werke wurden oft als mangel- haft oder zumindest als nicht Überzeugend bewertet. Die politi— sche Konzeption verschiedener Werke - so wurde vermerkt — scheine lediglich in den Köpfen der Komponisten existiert zu haben. Vor- herrschende Meinung der Rezensenten war, daß "Bremen 1970 ... insgesamt gezeigt (habe), daß die gesellschaftliche Revolution mit den Mitteln der Musik eine Illusion ist." 27

Ein Problem des Festivals wird deutlich, betrachtet man die Di- skrepanz zwischen der von dem Komponisten intendierten Zielgruppe und dem tatsächlichen Besucherkreis : Die Musik, die auf ein breites Publikum politisch aufklärerisch wirken soll, wird von diesem - zumindest im Rahmen des Festivals - nicht rezipiert. Von dieser Diskrepanz war jedoch nicht nur das Bremer Festival allein betroffen, sondern alle Veranstaltungen ähnlicher Anlage.

5.1.9 lpro_musica hole; 1922

1972 fanden zehn Veranstaltungen an vier Tagen statt; Schwer- punktthema war die neuere amerikanische Musik. Das Festival be- gann mit den deutschen Erstaufführungen von Cages "Mureau" und David Tudors "Rainforest"; beide Kompositionen beruhen auf der Integration elektronischer Klangerzeugung. Das Stück Tudors zählt zu den herausragenden Werken in der Geschichte des musikalischen_ Environments. In einem Tonband—Konzert wurden minimalistische Kompositionen von La Monte Young präsentiert, darunter auch eine Aufnahme von "The well-tuned piano“. In gewisser Weise besaß dieses Konzert

27: ebd. - 131 -

Parallelen zur Eröffnungsveranstaltung mit Werken von Cage und Tudor. Während dort die Erwartungshaltung des Publikums dadurch gebrochen wurde, daß die adäquate Rezeptionsweise diejenige des 'sich—berieseln-lassen' ist, existiert bei einem Tape—Konzert allgemein kein die Aufmerksamkeit des Publikums anziehender In" terpret. Zwei aufeinanderfolgende Veranstaltungen mit Laura Dean & Dance Company sowie Steve Reich & Ensemble stellten erstmals im Rahmen der 'pro musica nova' minimalistische Werke live vor. Als euro- päische Erstaufführung wurde zunächst "A Concert of Dance and Mu— sic" von beiden Gruppen aufgeführt, anschließend als deutsche Erstaufführung "Drumming" von Steve Reich, ein exemplarisches Werk der minimal music. 28 Die Sonic Arts Union (Gordon Mumma, Robert Ashley, David Behr“ man, Alvin Lucier) bestritt ein Konzert mit eigenen Werken, die visuelle in elektroakustische Musik integrierten. Eine weitere Veranstaltung führte Nam June Paik mit einer Lesung, Vor- trägen Über experimentelles Fernsehen sowie der Uraufführung sei- ner "Sonate for piano, candle and TV“ durch. Weiterhin wurden Kompositionen von Cage und dessen Schüler Christian Wolff aufge— führt. Das einzige Konzert, das nicht ausschließlich amerikanischen Komponisten vorbehalten war, bestritt die Societä Camaeristica Italiana mit den Uraufführungen von drei Streichquartetten von

Wolff, sowie Carlos Farinas.

In Zusammenarbeit mit der Bremer Kunsthalle erstellte RB die einen Monat dauernde Ausstellung "Hören und Sehen. Texte — Bil- der - Environments". Auch hier wurden in bedeutendem Maße ameri- kaniSChe Künstler berücksichtigt. Diese Ausstellung kann als kon— zeptioneller Vorläufer der 1980 in Berlin (West) durchgeführten Veranstaltung "Für Augen und Ohren" angesehen werden. Eine Diskussion der Programmgestalter der ARD-Rundfunkanstalten und des RIAS unter dem Titel "Neue Musik und Rundfunk" behandelte

28: Zu diesem Werk vgl. auch Kapitel 1.1.2.5. — 132 — primär die Frage der Präsentationsformen zeitgenössischer Musik, die durch ihre oftmals substantielle Kombination mit visuellen (insbesondere szenischen) Elementen nicht mehr adäquat im Hörfunk Übertragen werden kann. Gefordert wurde auf der Tagung eine stär— kere Beteiligung des Fernsehens im Bereich der neuen Musik sowie eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit durch Magazinsendungen und/ oder Workshops. (Bis heute wurden die Forderungen nur - sofern überhaupt - unzureichend erfüllt.)

Die 'pro musica nova' 1972 stellte schwerpunktmäßig neue Ten- denzen der amerikanischen Musik — sowohl des Kreises um Cage als auch der Minimalisten — vor. Skandale und bedeutende Auseinander— setzungen um die Werke, wie sie in der Frühzeit der Veranstal- tung und auch 1970 noch die Rezensionen in Tages— und Fachpres- se bestimmten, fehlten. Die Neuartigkeit der amerikanischen Musik wurde zur Kenntnis genommen, jedoch bezog man nicht eindeutig Stellung. Ebensowenig wurde kaum reflektiert, daß der letzte Auf- tritt Cages in Deutschland - ebenfalls zusammen mit Tudor - be- reits zehn Jahre zurücklag. 29 Inzwischen scheint es - mit histo- rischer Distanz betrachtet „‚ daß die 'pro musica nova' 1972 trotz des Fehlens besonders öffentlichkeitswirksamer Ereignisse zu einem bedeutenden Teil der neuen amerikanischen Musik den Weg in die Bundesrepublik Deutschland ebnete.

5.1.10 Lpro_musica 501a: 1914

Das achte Festival wurde wieder in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Bremen durchgeführt; neben den eigentlichen Konzerten fand dort eine ca. sechswöchige Ausstellung statt. Schwerpunkt der 'pro musica nova' waren Environments und Happenings, also dem Hörfunk hochgradig inadäquates Material. Zur Eröffnung der Biennale wurden drei Environments (darunter zwei Uraufführungen) sowie verschiedene Filmproduktionen vorge- stellt. Stockhausen brachte seine "", ein vierteiliges

29: o.V.: John Cage und David Tudor kamen an. In: BN‚05.05.1972, S. 25. Cage/ Tudor stellten 1962 noch Werke für präpariertes Klavier vor; dieses Ver— fahren hatte in der Zwischenzeit einen festen Platz in der Arbeit der Avantgarde erhalten. - 133 —

Werk, in dem er Umweltgeräusche aufgreift und diese durch die Darstellung der zugrundeliegenden Bilder ("Ein Dach vernageln", “Holz brechen", "Dreschen", "Laub und Regen") im Konzertsaal re— produziert, zur Uraufführung. Wolf Vostell, ein Vertreter von 'Fluxus', realisierte ein elektronisches Happening (“Umgraben”) als Freiluftveranstaltung in dem als 'Künstlerdorf' bekannten Ort Worpswede_bei Bremen; ein Bustransfer für die Besucher wurde von RB organisiert. I In zwei Konzerten wurden Werke vorgestellt, die ihre Funktion als Musik selbst thematisierten. Drei uraufgeführte Arbeiten von Fritsch, Gehlhaar und Reepos hatten die Weiterführung des mensch- lichen Hören durch eine Darstellung von bisher 'Unerhörtem' zum Ziel. Andere Komponisten griffen die Idee einer 'Metamusik' auf bzw. betrachteten die Musik_als spezifische Form der Kommunika— tion. 30 I I Auch 1974 wurden wieder Filme auf dem Festival gezeigt, deren Regisseure waren Wolf Vostell und Josef Beuys. Wie in früheren Veranstaltungen, so war auch in diesem Jahr ein theoretischer Vortrag Bestandteil des Programms. Herbert Marcuse trug einige "Bemerkungen zum Thema: Kunst und Revolution" vor.

Nach Ende der eigentlichen 'pro musica nova' wurden in den Räu— men der Kunsthalle im Rahmen einer Ausstellung weitere Environn ments und elektronische Kompositionen vorgestellt. KOOperations— partner waren elektronische Studios der Universität Utrecht, der Stiftelsen Elektronmusikstudio Stockholm sowie das "Studio Feed- back" aus Köln. Im Rahmen dieses Ausstellungsprogramms fand fast vier Wochen nach Ende des Festivals noch ein Sonderkonzert mit Werken verschiedener Komponisten statt.

Während 1972 amerikanische Musik das Geschehen bestimmte, so herrschten bei der 'pro musica nova' 1974 wiedEr europäische Kom- ponisten vor. In besonderem Maße präsentierte das Festival in

30: Dies wurde bereits in den Werktiteln ausgedrückt. Beispielsweise benannte seine Komposition "In understanding music, the sound dies. Komposition der Entstehung einer Komposition". Die Werke Heißenbüt— tels und Globokars trugen beide den Begriff 'Diskurs' im Titel. -134— diesem Jahr dem Hörfunk inadäquates Material. Viele der aufge- führten Werke bedürfen der audiovisuellen Umsetzung, um entspre- chend der Intention des Komponisten rezipiert zu werden. 31 Das galt offenbar zu jener Zeit jedoch für einen großen Teil der eu— ropäischen Musik, vermutlich aufgrund des Fehlens eigener innova— torischer oderzumindest stilistisch herausragender Tendenzen. Die Seit Beginn des Festivals existente Verbindung von Musik mit anderen Bereichen zeitgenössischer Kunst erreichte 1974 einen er- sten Höhepunkt. 32 Claus—Henning Bachmann schrieb in der Neuen Zeitschrift für Musik über das Festival "Das Medium Rundfunk stellte sich mit dieser Veranstaltung (gemeint sind insbesondere die Aufführungen Vostells und Haupts in der Kunsthalle, B.w.) produktiv in Frage. ... In Bremen trat die Institution Rundfunk zurück; auf Verwertbarkeit und Sendefähigkeit wurde nicht geachtet." 33

Anzumerken bleibt, daß erstmals zur Veranstaltung 1974 ein reich kommentiertes Programmheft erschien, das neben biographi- schen Angaben von den Komponisten geschriebene Einführungen in ihre Werke beinhaltete.

Das Programm des Jahres 1976 war dreigegliedert : Zwischen dem 11.04 und dem 23.05.1976 wurden in der Kunsthalle fünf Ausstel— lungen mit Partituren und Videobändern durchgeführt. Dieses Pro- gramm umfaßte Arbeiten von Joseph Kosuth und Allan Kaprow sowie Video—Präsentationen von Nam June Paik, Kaprow und Giuseppe Chia- ri. Vom 12.05. bis 18.05. fand der Hauptteil des Festivals statt, am 21. und 22. Mai wurde Kaprows Happening "Durations" vorberei- tet und aufgeführt sowie "The well—tuned piano" von La Monte Young wiederholt aufgeführt.

31: Es scheint angesichts der Kommentare der Komponisten zu ihren Stücken al- lerdings das 'Verstehen' der Werke nicht immer intendiert gewesen zu sein. 32: Ähnliche Verhältnisse ergaben sich 1978. 33: Bachmann, Claus-Henning: Appell ans Unbewußte — 'Pro musica nova' 1974. In: Neue Zeitschrift für Musik (N2). 135. Jg. Nr. 7/1974, S. 440 - 135 -

Inhaltlicher Schwerpunkt des Festivals war - wie vier Jahre zu- vor, wenngleich nicht in dieser Ausschließlichkeit — die neuere amerikanische Musik. Das wichtigste der aufgeführten Werke war La Monte Youngs "The well—tuned piano", das zwar bereits 1972 als Bandaufnahme erklang, nun aber live als deutsche Erstaufführung dreimal während der Veranstaltung zu hören war. Young verwendet in diesem Stück, das in einem von seiner Frau Marian Zazeela ge— stalteten "Lichtraum" stattfand, ausschließlich Töne, deren In- tervallverhältnis sich in rationalen Brüchen ausdrücken läßt. Ein meditatives Moment - charakteristisches Merkmal vieler Werke der minimal music und aufgrund der ostinaten Konzeption dieser Musik prinzipiell strukturimmanent — ist auch in dieser Komposition, deren Länge von drei Stunden beim Hörer eine besondere Bereit— schaft zur Wahrnehmung erfordert, vorhanden, wenngleich nicht die musikalische Hauptsache. Zweiter herausragender Programmpunkt war die Tonbandpräsenta- tion verschiedener Werke von zwei in Europa „relativ unbe— kannten Komponisten, Richard Maxfield (1927w1965) und Conlon Nan— carrow (* 1912). Insbesondere erregten die Stücke Nancarrows In- teresse. Der in Mexico City lebende, von Cage 'entdeckte', Künst- ler arbeitet mit Pianolas ("Player Pianos"), die er mit rhyth- misch stark differenziertem Material, oft auf Jazzelementen beru- hend, präparierte. Pandit Pran Nath führte gemeinsam mit seinen Schülern Riley und La Monte Young Abend-Ragas auf und zeigte so die Verknüpfung von fernöstlicher Kultur und minimal music. Die Einbettung fernöstli- cher Musik in das Programm der 'pro musica nova' 1976 war der Be- ginn einer längflen Entwicklung, die allerdings nicht isoliert ge— sehen werden kann, sondern im Zusammenhang einerseits mit dem allgemeinen 'Entdecken' außereuropäischer Kulturen, andererseits mit der bewußten Nachahmung dieser Musik durch europäische und nordamerikanische Komponisten betrachtet werden muß.

Auf dem Programm standen weiterhin Werke von Charlemagne Pale— stine, Terry Riley sowie Max Neuhaus. Neuhaus' "Underwater Music", “ein akustisches Environment, arbeitete mit einem von zwei Genera- toren erzeugten Ton, der unter der Wasseroberfläche eines Schwimm-

bades zu hören war. ü 136 —

Neben der Präsentation amerikanischer Musik standen ein Ürgel- konzert, eine Veranstaltung mit Kompositionen der in Italien le- benden Bremer Komponistin Christina Kubisch und Videoarbeiten ih- res Mannes Fabrizio Plessi auf dem Programm. Das Prima-Materia-Ensemble (Rom) führte Vokalimprovisationen in Nachahmung tibetanischer Gesangstechniken auf und leitete ein Se- minar über die "erweiterte Vokaltechnik als Meditationspraxis". Darüber hinaus fanden Synthesizervorführungen durch Udo Hof— schneider statt. Erstmals in der Geschichte des Festivals wurden damit Workshops als spezifische Programmteile durchgeführt; die- ser didaktische Aspekt wurde seitdem immer wieder aufgegriffen. Zeitlich abgetrennt von dem Hauptteil der Veranstaltung wurde

- unterstützt von dem Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) und der Bochumer Galerie Inge Baecker - Allan Kaprows Hap— pening "Duration" aufgeführt. 'Inhalt' dieser 'Aktion' ist das Schmelzen verschiedener Eisblöcke auf freier Fläche. Bezüge zur Musik im traditionellen Sinn sind folglich nicht vorhanden, eine hörfunkadäquate Realisierung ist ausgeschlossen.

Im Rahmen des Festivals wurde weiterhin eine Ausstellung Über die Geschichte der Biennale unter dem Titel "Neue Musik in Bremen 1961—1975" durchgeführt; Exponate waren primär Partituren und F0" tos. Ebenso wie bei früheren Festivals wurde auch 1976 wieder eine Diskussionsveranstaltung in das Programm aufgenommen, das Thema lautete : "Die Neue Musik und ihre Vermittlung durch das Nort."

Insgesamt war für einen Großteil der aufgeführten Kompositionen die Reduktion einer allgemeinen 'Aussage' zugunsten einer Indivi- dualisierung, eines Rückzugs in die "privaten Mythologien" 34, als Tendenz festzustellen.

34: Bachmann, Claus-Henning: Bremen. Pro musica nova. Die privaten Mytholo— gien. In: Melos/NZ, Nr. 4/1976, S: 308 - 137 -

5.1.12 lpro_mgsica novaL 1918

Die zehnte 'pro musica nova' erstreckte sich Über eine Woche, wobei an einigen Tagen mehrere Veranstaltungen stattfanden. Das Programm wies keinen eindeutigen Schwerpunkt auf, sondern war stark gemischt. Besondere Berücksichtigung fanden wieder Film— und Videoarbeiten. Als Retrospektive wurden zwei Filme Über Ka- prows Happening “Durations” (aufgeführt bei der 'pro musica nove' 1976) gezeigt. Des weiteren waren Arbeiten des EXperimentalfil— mers und Komponisten Michael Snow vertreten. Die sich durchset- zende Aufzeichnung und (Simultan-)Übertragung mittels Videotech— nik-wurde von verschiedenen Künstlerinnen aufgegriffen. Auch akustische Environments' wurden wieder vorgestellt. Walter Giers präsentierte einen "Zeitmaschine" genannten elektronischen Khwgernmger . Peter Michael Hamel, stilistisch einer der wenigen deutschen Verteter der minimal music, betrat mit der Uraufführung von "Übergänge" das Gebiet akustischer Environments. In diesem Werk musizieren zehn Personen simultan in drei Räumen; dem Zuhö- rer bleibt es überlassen, auf welche Weise er die Musik rezipie- ren möchte. In Zusammenhang mit dieser Aufführung wurden von Pe— ter Müller und Hamel Workshops für Tambura und Gesang durchge- führt. Zwei Veranstaltungen waren dem Bereich 'Performances‘ zuzurechw nen : einerseits das Konzert des sich selbst als 'Aktionskünst- ler' bezeichnenden Albrecht D., in welchem er und zwei Musikerin— nen sangen und auf selbstgebauten Instrumenten spielten, anderer- saüß die "ICE-MUSIC for Bremen" von Jim McWilliams, gespielt von der New Yorker Cellistin Charlotte Moorman. Der Titel des letzt- genannten Werkes resultiert aus der Eigenschaft des Instrumente Es war aus Eis gefertigt und sollte im Verlauf des Konzertes zer— schmelzen. Erstmals in der Geschichte der 'pro musica nova' waren in be— deutendem Maße ostasiatische Komponisten vertreten, aufgeführt wurden von ihnen Werke für Klavier, Schlagzeug und Orgel. Seinen ersten europäischen Auftritt realisierte das Canadian Creative Music Collective im Rahmen des Festivals 1978. Weiter— hin wurden von Meredith Monk und Joan La Barbara Vokalwerke vor— gestellt. - 13B -

Zum Abschluß des Festivals fand das erste Orchesterkonzert in der Geschichte der 'pro musica nova' statt. 35 Unter Leitung von Klaus Bernbacher 36 brachte das Philharmonische Staatsorchester Bremen mit wechselnden Solisten vier Werke zur Uraufführung. Die verschiedenen Vorgaben der Stücke scheinen symptomatisch für die stilistische und ästhetische Unentschiedenheit der 'E-Musik' in jüngerer Zeit : Michael Denhoff berief sich in seiner "Sinfoe nia" explizit auf das Vorbild Gustav Mahler, Wolfgang von Schwei— nitz ("Septett für Bratsche und Bläser“ op. 11) versuchte, sein Werk als kulturpessimistisches 'Espressivo' zu gestalten 37, Frank Michaels "Veränderungen einer Landschaft" - 1976 im Auftrag von RB entstanden und im gleichen Jahr mit einem Preis ausge- zeichnet - möchte programmatisch die Zerstörung der Landschaft in sieben Teilen (“Bildern") darstellen. John McGuires "Pulse Music II" schließlich arbeitet mit geometrischen Dauernverhält- nissen als Ordnungsprinzip und polyphonen Techniken. Auch 1978 fand wieder eine Ausstellung von Partituren beglei- tend zu den übrigen Veranstaltungen statt.

Die 'pro musica nova' 1978 blieb ohne herausragende Resonanz; aus heutiger Sicht für die Entwicklung der neuen Musik relevante Werke wurden nicht aufgeführt. Für die Geschichte der Veranstal- tung erscheint die starke Berücksichtigung ostasiatischer Kompo- nisten wichtig.

5.1.13 lpro_mgsica 301a; 1980

Das sich wiederum über eine Woche erstreckende elfte Festival wies keinen eindeutigen Schwerpunkt auf. Die Veranstaltung unter— schied sich von den vorigen allerdings durch den Rückgriff auf

35: Zwar wurden gelegentlich Werke für größere Besetzungen realisiert, jedoch kein explizites Orchesterkonzert durchgeführt. 36: Klaus Bernbacher, zu jener Zeit bereits bei RB tätig, wurde nach dem Weg— gang von Hans Otte dessen Nachfolger als Leiter der Hauptabteilung Musik von RB. Bernbacher war auch an der Gründung der 'Tage der Neuen Musik Hannover' im Jahre 1958 beteiligt. 37: Der Komponist schreibt zu seinem Werk: “Die Musik betreibt eigentlich eine Sisyphosarbeit, sie mag nicht wahrhaben, wie kaputt sie im Grunde ist, und doch gelingt ihr dabei nichts als ein Lamento Über ihr eigenes Schicksal." (88 (Hg.): pro musica nova 1978 (Programmheft), S. 43) - 139 — einige wichtige ältere Werke. In einem Orchesterkonzert, das von BB in Zusammenarbeit mit der Philharmonischen Gesellschaft Bremen und dem Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst durchgeführt wurde, Spielte das Bremer Philharmonische Staatsorchester unter Leitung von Klaus Bernbacher, Uwe Mund und Wolfgang Schmid als Bremer Erstaufführung die "Gruppen für drei Orchester" von Stock— hausen (1956); außerdem wurden in diesem Konzert zwei Produktio- nen des Elektronischen Studios des WDR von Herbert Eimert aus den Jahren 1952/53 vorgestellt. Auch in der Abschlußveranstaltung, die wie 1972 als Gemeinschaftskonzert der UER durchgeführt wurde, kam mit "In C" von Terry Riley eine bereits bekannte Komposition zur Aufführung. Dieses 1964 geschriebene Werk besteht aus 53 me— lodisch—rhythmischen, zumeist kurzen und einfachen‚Motiven‚ die von den Interpreten in freier Wiederholung geSpielt werden. Auch in anderen Konzerten (einer Veranstaltung mit Werken für Baßklarinette, zwei Kammerkonzerten sowie einem Orgelkonzert) wurden primär Kompositionen vorgestellt, die wenige Jahre alt wa- ren; vom Charakter eines Uraufführungsfestivals wurde 1980 etwas Abstand genommen. Viele der aufgeführten Arbeiten basierten auf der Verwendung elektronischer Klangverfremdungen. Wie in früheren Jahren standen wieder Performances und Video- vorführungen auf dem Programm, sie beherrschten aber nicht mehr in dem Maße das Feld wie noch zwei Jahre zuvor. Akustische Envi- ronments von Bernhard Leitner und Julius wurden in Zusammenarbeit mit der 'Kunstschau Böttcherstraße' und der Bremer Kunsthalle vorgestellt. Auch Vorträge und Workshops waren wieder Programmbestandteil der 'pro musica nova'. Das Experimentalstudio der Heinrich- Strobel—Stiftung des SWF führte unter der Leitung von Hans Peter Heller täglich zwei Seminare zum Thema ‘elektronische Klangum- wandlung' durch. Der Psychologe Dieter Duhm hielt einen Vortrag über "Geistige Evolution und neue Kultur". Michael Vetter, der sich mit Blockflötenmusik und ostasiatischer Vokalpraxis beschäf- tigt, trug verschiedene "Thesen zur Zukunft der Musik" vor. 'Im abschließenden EBUHKonzert kamen Arbeiten amerikanischer Komponisten zur Aufführung : neben "In C" wurden zwei Werke für elektronische Ürgel von Philipp Glass sowie eine Tonbandaufnahme des EBU-Auftragswerkes “Music for player piano No. 39“ von Conlon Nancarrow gespielt. —140-

Die 'pro musica nova' des Jahres 1980 unterschied sich von den meisten ihrer Vorgängerinnen durch die Berücksichtigung verschie- dener etwas älterer Kompositionen, die für die Geschichte der mo- dernen Musik herausragende Bedeutung besitzen. Erklärbar wird dies bei Berücksichtigung der Indifferenz der musikalischen Avantgarde jener Zeit, die bereits in den Werken des vorigen Fe- stivals zum Ausdruck kam.

Die 'pro musica nova' 1980 scheint im Vergleich zu den vorher- gehenden wieder auf stärkeres Publikumsinteresse gestoßen zu sein. Der Bremer Musikkritiker Hartmut Lück schrieb hierzu "Offenbar wächst hier aus 'Szene', Universität und alternativen Musik- gebräuchen ein neues Publikum heran, das - der drögen philharmonischen Abonnementskonzerte überdrüssig — die 'Nova' als Möglichkeit musikali- scher Kommunikation entdeckt und ihr damit jenes elitäre Elfenbeinda- sein nimmt, an dem sie früher oft gekränkelt hat." 38

5.1.14 lpro_musica noval 1982

Das Festival 1982 war mit neun Veranstaltungstagen bedeutend länger als die vorhergehenden. Das Programm war schwerpunktmäßig von dem 70. Geburtstag John Cages in diesem Jahr bestimmt, jedoch nicht auf Werke dieses und anderer amerikanischer Komponisten be- schränkt . Als Retrospektive wurden von Herbert Henck (Klavier), Gerd Zacher (Orgel) und Cage selbst verschiedene Werke aus der Zeit zwischen 1951 und 1978 vorgetragen. Darunter befand sich auch eine Gesamtaufführong der "Music of Changes" (1951), eine der ersten auf Zufallsoperationen beruhenden Kompositionen. In einem UER-Konzert wurde -am vorletzten Tag der 'pro musica noa va' "A House full of Music" (Kompositionsauftrag der UER) urauf- geführt. Cage greift hier das Konzept des Wandelkonzertes auf; die Zuhörerf—schauer konnten etwa 800 Musiker — zumeist Schüler der Jugendmusikschule Bremen - im Bremer Überseemuseum an ver— schiedenen Plätzen simultan wahrnehmen. Für die Rundfunküber-

38: Lück, Hartmut: "Pro musica nova". In: Schweizerische Musikzeitung. 120. Jg., 188D, S. 233 -141„ tragung wurden die einzelnen Gruppen nach einem von Cage konzi— pierten Plan zusammengemischt. Die Leiterin des Bremer Balletts, Reinhild Hoffmann, bestritt eine gemeinsam von BB und dem Theater der Freien Hansestadt Bre— men durchgeführte Aufführung mit szenischen Umsetzungen von Wer- ken Cages und Ligetis. Ein geplanter weiterer Kooperationsversuch zwischen Rundfunk und Theater scheiterte : Wolf Vostells als "Hör-Environment" bezeichnetes Werk "Garten der Lüste", das urb sprünglich in Zusammenarbeit mit dem Theater szenisch aufgeführt werden sollte, konnte aufgrund von Streitigkeiten über den künst- lerischen Wert lediglich als Tonbandaufnahme ohne Beteiligung des Theaters vorgestellt werden. Neben Vostell war Dick Higgins als einstiger Vertreter von 'Fluxus' eingeladen; er stellte — zum Teil assistiert von seiner Tochter e eigene Werke aus den Jahren 1961—82, eine Komposition von Setie sowie verschiedene literarische Werke vor. Bei seinen musikalischen Arbeiten_handelte es sich primär um einfache Klang— schichtungen bzw. —ballungen ohne erkennbare rationale Ordnung. Higgins, der Fluxus, Happening und Multimedia-Arbeiten mitinitiu ierte, war Schüler von Cage und Cowell. Terry Riley brachte die "Songs for the ten Voices of the two PrOphets“ zur Uraufführung; er sang und bediente zwei je fünf- stimmige Synthesizer der Typenbezeichnung "Prophet" (hieraus re— sultiert der Werktitel) sowie polyphone Sequenzer. 39 Wie auch in seinen anderen Werken, berief sich Riley hier auf fernöstliche Musik. Ein weiterer inhaltlicher Akzent des Festivals lag auf der me— ditativen Musik. Chaitanya Hari Deuter stellte zusammen mit zwei MitSpielern eigene Werke vor. Peter Müller führte seine "Music for Unborn Children" erstmals auf; hier treten zu vier live ge- Spielten Tamburas verschiedene Bandzuspielungen, die auf anderen Zeitebenen beruhen.

Weiterhin standen zwei Konzerte mit Werken für zwei Klaviere auf dem Programm; eine Veranstaltung war hierbei deutschen Kompo— nisten vorbehalten, die andere wurde mit Stücken des 1981 verun-

39: Ein Sequenzer wiederholt kontinuierlich eingespeicherte Tonfolgen. Er ar— beitet quasi als 'Endlos—Tonband'. -142-

glückten britischen Komponisten Cornelius Cardew, der im Bereich politisch intendierter Musik tätig war, bestritten. In einem wei- teren Konzert wurden verschiedene Arbeiten des durch sein Projekt 'Lokale Musik‘ hervorgetretenen Walter Zimmermann aufgeführt. Die 'pro musica nova' 1982 wurde mit einem Workshop "Music Moves. Energiearbeit" mit Swami Anand Somendra beschlossen. Auch 1982 wurde wieder ein Diskussionsforum durchgeführt, dies- mal zum Thema “Musik am Ende des 20. Jahrhunderts". Teilnehmer waren die künstlerischen Leiter internationaler Festspiele und Konzertreihen zeitgenössischer Musik.

In der Presse stießen insbesondere die Werke Cages auf Interes- se; vor allem war es die Aufführung von "A House full of Music", die in Anbetracht des bevorstehenden 7D. Geburtstags des Komponi— sten die Aufmerksamkeit auf sich zog. Dieses Stück unterschied sich durch seine Anlage sowohl von den meisten bei der 'pro musi— ca nova' bisher aufgeführten Werken als auch von den meisten bis- herigen Arbeiten Cages. Durch die Wahl der Interpreten bedingt, stieß die Veranstaltung auf breites Publikumsinteresse (Familien— angehörige der Interpreten) auch bei denjenigen Bevölkerungskrei- sen, die bei den anderen Konzerten der Veranstaltung eher unter- repräsentiert waren (Ausländer, Ältere, musikalische 'Laien' usw.).

5.1.15 lpro_musicg novaL 19g4

Die 'pro musica nova' 1984 war die letzte Veranstaltung, die von Hans Dtte, dem Begründer der Konzertreihe, organisiert wur- de. Programmschwerpunkte waren — in chronologischer Reihenfolge - Musik aus Japan, elektroakustische Musik sowie amerikanische Kla— viermusik. Das Programm begann mit verschiedenen Performances sowie einem Konzert mit Kompositionen für Marimba, für Klavier und für Gitar— re; Urheber waren ausschließlich japanische Komponisten. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen stellte sich das Studio für elektroakustische Musik in Metz vor. Vier Stücke, die Instrumen— talpassagen mit Live-Elektronik (zumeist Bandechos) kombinierten, wurden aufgeführt, außerdem zwei Workshops durchgeführt. —143-

Neuere amerikanische Klaviermusik, zumeist dem Bereich der mi- nimal music zuzurechnen, wurde am vorletzten Veranstaltungstag in einem etwa elfstündigen "Klavier—Marathon" aufgeführt. Neben 'rein' musikalischen Werken wurden hier außerdem literarische Texte sowie eine mit Diapositiven untermalte 0-Ton-Collage (Doris Hays: "M.Ü.M.'N P.O.P Part II") vorgestellt. Neben diesen Programmschwerpunkten wurden in einzelnen Veran— staltungen verschiedene weitere Aspekte zeitgenössicher Komposi- tion gestreift. Peter Michael Hamel stellte drei "Miniaturen" vor und improvisierte zu Filmen von Helmut Zimmermann. Meditative Mu- sik erklang in einer Veranstaltung von Ulrike Trüstedt. Gerhard Rühm, Träger des Hörspielpreises der Kriegsblinden 1983, stellte eigene Klavierwerke vor, in denen er teilweise Sprache und Musik kombinierte, teilweise eine tendenziell mechanische Um- setzung schriftlicher Texte in Musik versuchte. In Zusammenarbeit mit dem Theater der Stadt Bremen und der Hör- spielabteilung des WDR wurde von Mauricio Kegel "... nach einer Lektüre von Orwell. Hörspiel in germanischer Metasprache" in szenischer Uraufführung vorgestellt. Als geschichtlicher Rückblick erklangen in einer Aufführung mit dem Kölner Pianisten Herbert Henck die drei Klaviersonaten von Pierre Boulez, entstanden zwischen 1946 und l957. Am letzten Tag des Festivals berichtete Ütto Piene über die Arw beit des "Center for Advanced Visual Studies“ am Massachussetts Institute of Technology. Außerdem wurden in der Veranstaltung ei- ne "Video-Disc-Performance" und ein Klavierstück uraufgeführt.

Im Vergleich zu den vorangegangenen Veranstaltungen ist 1982 und 1984 ein deutlicher Rückgang des Anteils außermusikalischer Ner- ke zu beobachten gewesen. Außerdem zeichnete sich die 'pro musica nova' 1984 im Gegensatz zu dem vorigen Festival wieder durch ein nen hohen Anteil an Uraufführungen aus.

5.1.16 zusammenfassgng

Die Geschichte der Bremer Konzertreihe läßt sich in verschiede- ne Abschnitte gliedern. Eine singuläre Positione nimmt das erste Festival (1961) ein, in welchem versucht wurde, eine Verbindung —144— von den 'Klassikern der Moderne' zur musikalischen Avantgarde herzustellen. Aber bereits in jenem Jahr wurde der Charakter ei- nes traditionellen Musikfestivals durch die Kombination mit Film- vorführungen gebrochen. Die Veranstaltungen zwischen 1962 und 1970 lassen sich als eine erste Gruppe zusammenfassen. In jenen Jahren gelangte die 'pro musica nova' als Uraufführungsfestival zu nationaler und interna- tionaler Anerkennung. Die Veranstaltung des Jahres 1972 nimmt aufgrund der fast al- leinigen Ausrichtung auf neuere amerikanische Musik ebenfalls ei- ne singuläre Position ein. In einer Phase von 1974 bis 1978 stand die Verbindung von Musik mit anderen Künsten im Vordergrund des Festivals. Zwar blieben diese Werke weiterhin von Bedeutung, jedoch reduzierte sich ihr Einfluß deutlich. Seit 1978 ist im Programm eine verstärkte Hinwendung zu ferne östlichen Kulturen und Künstlern zu erkennen. Seit 1980 zeichnen sich die Veranstaltungen durch'historische'Bückgrife auf wichti- ge, bereits etwas ältere, Werke aus.

Zusammenfassend sind_für die 'pro musica nova' folgende Charak— teristika zu konstatieren - hoher Anteil an Ur- und Erstaufführungen — Vermeidung von Wiederaufführungen in späteren Jahren 40 — fast ausschließliche Berücksichtigung von solistisch und mit kleinen Ensembles auszuführenden Werken - besondere Berücksichtigung elektronischer und experimenteller Musik (jedoch unter weitgehendem Ausschluß von Jazz) - relativ hoher Anteil-an Orgelmusik - stilistischer Pluralismus

40: Lediglich drei Werke wurden in verschiedenen Festivals mehrmals aufge- führt. Hierbei handelt es sich um die 3. Klaviersonate von Pierre Boulez (die auf dem Prinzip einer variablen Form beruht.I alsoin jeder Aufführung eine andere Gestalt annehmen kann), um “Funktion Grün" von Gottfried Mi- chael Koenig (das einmal im begleitenden Ausstellungsprogramm der Kunste halle aufgeführt wurde) sowie um "The well-temperated piano" von La Monte Young (das einmal in einer Bandaufnahme gespielt wurde). —145-

- Verknüpfung mit anderen Formen zeitgenössischer Kunst, insbe— sondere mit Film und Multimedia—Arbeiten; jedoch auch Berück— sichtigung von HörSpiel, Literatur und Theater - bedeutender Anteil an ausländischen Interpreten und Komponisten (insbesondere aus Frankreich, den USA und n in letzter Zeit — Üst- und Südasien) - häufige Kooperation mit anderen regionalen kulturellen Institu- tionen (Theater der Stadt Bremen, Kunsthalle, Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen u.a.) — inhaltliche Reflexion im Rahmen von Vorträgen, Diskussionen etc. - kontinuierliche Zusammenarbeit mit Komponisten und Interpreten über einen längeren Zeitraum hinweg - die Festivals werden nicht von einem allein herrschenden Über— thema bestimmt (Ausnahme : neue amerikanische Musik im Jahre 1972).

Die Konzeption der 'pro musica nova' läßt also das Bemühen er— kennen, jeweils neue, in der Bundesrepublik Deutschland oft noch unbekannte, Tendenzen zeitgenössischer Musik in ihrer interna— tionalen Entwicklung aufzugreifen und vorzustellen. Dabei ist das Programm nicht auf Musik im engeren Sinn beschränkt, sondern spiegelt die Tendenzen einer multimedialen Verschmelzung ver— schiedener Kunstformen im Sinne eines neuen 'Gesamtkunstwerkes', wie sie seit Ende der 50er Jahre existieren, wider.

Das Programm der ‘pro musica nova' wurde bisher von Hans Ütte alleine gestaltet. Die Planung erstreckte sich jeweils bis zur nächstfolgenden Veranstaltung. Die im Vergleich zu anderen Festi- vals eher längere Vorlaufzeit von zwei Jahren schränkt zwar theo- retisch die Möglichkeit des Reagierens auf kurzfristige Trends geringfügig ein 41, andererseits aber erfolgt die Auftragsvergabe ohne.konkrete Vorgaben. Das wiederum bedeutet, daß es den Kompo— nisten möglich ist, in ihrer eigenen Arbeit auf aktuelle Tenden- zen zu reagieren.

41: Bedingt durch die internationale Anlage des Festivals, verbunden mit der Vergabe zahlreicher Kompositionsaufträge, kann die Vorlaufzeit praktisch jedoch kaum kürzer sein. — 146 -

Die Werkselektion wird einerseits nach konzeptionellen Vorstel- lungen vollzogen, andererseits schlagen die verpflichteten In— terpreten verschiedene Werke aus ihrem Repertoire vor. Da RB kein eigenes Orchester unterhält, ist.die Anstalt zwar darauf angewie- sen, für jede Veranstaltung Musiker gesondert zu verpflichten; dadurch aber wird es möglich, auf spezialisierte Interpreten zu- rückzugreifen. Häufig stellen auch die Komponisten ihre eigenen Werke vor. Die einzige Einschränkung des PrOgramms liegt in der nur exeptionell möglichen Aufführung von Drchesterwerken. Die Be- schränkung auf kleine Besetzungen ermöglicht aber in stärkerem Maße künStlerische Experimente; darunter fallen in der Praxis des Festivals auch Arbeiten, die mit den Mitteln des Hörfunks nicht adäquat reproduzierbar und damit für eine Spätere Weiterverwen+ dung quasi wertlos sind. 42

Die Vergabe von Kompositionsaufträgen an bestimmte Komponisten ist nicht von außerkünstlerischen Kriterien abhängig (wie es bei einer expliziten Förderung lokaler bzw. nationaler Künstler der Fall wäre), sondern richtet sich lediglich nach dem Informations- wert, der von einem Werk; des entSprechenden Komponisten erwartet wird. Die Konzeption der 'pro musica nova' besteht darin, über aktuelle Tendenzen zu informieren 43 und einen Überblick Über in- ternationale Entwicklungen zu geben. Dadurch allerdings ist eine Einflußnahme wenn auch nicht explizit beabsichtigt, so doch rea— liter möglich und auch existent. Insbesondere die Verbreitung neuer amerikanischer Musik sowie die Verknüpfung zeitgenössischer Musik mit anderen Bereichen modernen Kunst scheinen in der Bun- desrepublikrdurch das Festival wenn nicht direkt initiiert, so doch in bedeutendem Maße vorangetrieben worden zu sein.

42: Der experimentelle Charakter zahlreicher Werke der zeitgenössischen Musik schlägt sich auch in der vorrangigen Stellung der Klaviermusik nieder : Da das Klavier das traditionelle Instrument der Musikausbildung ist, kann Musik für dieses Instrument in aller Regel von dem Komponisten selbst, seiner Intention entsprechend, vorgetragen werden.

43: Hans Ütte im Interview mit Imke Gehl ("Gerade weil Bremen nicht New York ist, kann man hier so vie1 machen I" In: BN, 01.05.1982, S. 33). — 147 „

Die Spannweite der aufgeführten Werke umfaßt auch szenisch an- gelegte und nicht—musikalische, partiell bloß visuelle, Werke. Das Programm versucht, einen stilistischen Pluralismus zu reali- sieren, der jeweils die neuesten kompositorischen Entwicklungen auf internationaler Ebene zu berücksichtigen versucht. Hieraus resultiert eine scheinbare 'Beliebigkeit' der Programmgestaltung; diese Programmbreite ist jedoch intendiert. Der Charakter als Uraufführungsfestival resultiert aus dem Fehlen eines eigenen Orchesters. 44 Unter den Kompositionsaufträgen, die im Rahmen der 'pro musica nova' erteilt wurden.befinden sich verschiedene Werke, die auf die Geschichte der 'E—Musik' in den letzten Jahrzehnten einen gewissen Einfluß ausübten. ' ‘Außer an der Durchsetzung der neuen amerikanischen Musik war die 'pro musica nova' an der (Wiedera)Entdeckung von Schnebel (1968) und Nono (1970) beteiligt. 45

Der Charakter als 'pluralistisches Uraufführungsfestival' ließ die 'pro musica nova' auch international bekannt werden, zumal die teilnehmenden Künstler oft aus dem Ausland stammten. Bei der Durchführung einzelner Konzerte beteiligte sich die EBU finan— ziell und finanzierte auch Kompositionsaufträge. Mehrere hundert Bandaufträge wurden von anderen Rundfunkanstalen, auch aus Über- see und sozialistischen Staaten, angefordert. Für BB besitzen die 'pro musica nova'—Veranstaltungen somit auch eine gewisse werben- de Bedeutung.

Das Festival wird, der Finanzlage Radio Bremens entsprechend, mit einem geringen Etat durchgeführt. Für die erste Veranstaltung (1961) standen 18.000 DM bereit; die verfügbare Summe stieg über 30.000 DM 1966 und 80.000 DM im Jahre 1974 auf schließlich 150.000 DM 1984. 45 Dieser Betrag verteilt sich zu etwa gleichen

'44: ebd. 45: Vgl. Pauli, Hansjörg: Für wen komponieren Sie eigentlich ? Frankfurt/Main 1971, S. 14 und 109 46: In dieser Summe sind bereits Spesen für Interpreten und nicht mitwirkende Komponisten, die ebenfalls eingeladen werden, enthalten. -148-—

Teilen auf die Bereiche Auftragshonorierung, Interpretenhonorare und Lizenzkosten, Technik und Werbung. Auftragswerke werden im Regelfall mit 2.000 DM bis 4.000 DM/Werk honoriert, nur in Aus" nahmefällen wird dieser vergleichsweise geringe Betrag über- schritten. Einziges Kriterium der Zahlungshöhe ist die Werkgröße; die Person des Komponisten (bzw. seine Popularität, damit sein 'Marktwert') hat u ähnlich wie im früheren Berliner 'Metamusik'- Festival - keinen Einfluß. Abgesehen von einer direkten Honorierung der Werke liegt für die Komponisten ein bedeutender Nutzen in der Verbreitung, den ihre Stücke als Bandaufnahmen international finden. Während in den ersten Jahren der 'pro musica nova' die in Auftrag gegebenen Arbeiten unabhängig von ihrer öffentlichen Uraufführung noch ex; tra im Studio produziert wurden, begnügt man sich inzwischen aus Gründen der technischen und personellen Kapazität von RB Zumeist mit Mitschnitten, sofern möglich.

Auf die Veranstaltungen der 'pro musica nova' entfällt der bei weitem größte Teil der insgesamt von RB erteilten Kompositions-' aufträge. Insgesamt waren für die 13 Veranstaltungen zwimflmn 1981 und 1984 145 Uraufführungen vorgesehen 47, die Anzahl der Aufträ— ge pro Veranstaltung lag dabei zwischen 4 (1972) und 22 (1984). Insgesamt wurden 118 Komponisten bei der Auftragsvergabe berück- sichtigt; die meisten Aufträge ergingen an Mauricio Kagel (6 Wer- ke zwischen 1962 und 1984). Trotz der starken Stellung der ameri- kanischen Komponisten wurden diese bei der Auftragsvergabe nicht überdurchschnittlich berücksichtigt. Insgesamt waren von 1961 bis 1984 im Rahmen der ‘pro musica no- va' 402 Arbeiten von 293 Komponisten und anderen Künstlern ge- plant 48, darunter 145 Uraufführungen, 8 eurOpäische und 10 deut— sche Erstaufführungen. Der Anteil an Uraufführungen belief sich somit auf 36 %; der Anteil der insgesamt in der Bundesrepublik

47: Nicht alle der vorgesehenen Werke kamen auch tatsächlich zur Aufführung; insbesondere geplante Uraufführungen mußten gelegentlich abgesagt werden. 48! Abweichende Ergebnisse sind-möglich bei anderer Zählung von Einzelwerken bzw. bei Gemeinschaftskompositionen usw. - 149 — vordem nicht aufgeführten Werke (Ur— und Erstaufführungen) betrug 41 %. In vergleichsweise starkem Maße berücksichtigte die 'prc muw sica nova' Komponistinnen "Außer im Jahr 1982 und 1970 war mindestens eine Werk einer Komponistin pro Festival vertreten. Von 1961 bis 1984 wurden insgesamt 355 Werke auf— geführt, 36 Werke, davon 15 im Jahr 1978, somit immerhin 10,1 % stammten von Komponistinnen." 49 Die Programmauswahl Ottes spiegelt einerseits internationale Ent- wicklungen wider, andererseits - was sich besonders in der Einbet— tung anderer Kunstformen niederschlägt - bestimmte persönliche Vorlieben und Interessen. Verschiedene Kontakte zu Künstlern erga— ben sich aus Uttes Tätigkeit als Interpret und Komponist, seine ei- genen Werke weisen gleichfalls häufig integrationistische Züge auf. 50 Die substantielle Integration außermusikalischer Künste stellt einer Besonderheit unter den Musikfesten in der Bundesrepu— blik Deutschland dar. 51 Die Orientierung auf Musik für kleine En— sembles und der hohe Anteil an Uraufführungen sind hingegen auch bei anderen Veranstaltungsreihen mit neuer Musik anzutreffen.

Über das Publikum des Bremer Festivals liegen keine gesicherten Angaben vor. Lt. Aussage Gttes bestand es früher zu einem relativ großen Teil aus Kritikern des Tages— und Fachpresse. Der Rückgang dieser Besuchergruppe scheint durch die Tendenz, auf die Bericht- erstattung über derartige Ereignisse aus Kostengründen zu verzich— ten, veranlaßt worden zu sein. In den ersten Festivals waren jüngere Personen im Publikum zahl— reich vertreten, wie auch den Rezensionen zu entnehmen ist. Zwischen Mitte der 60er und Ende der 70er Jahre scheint das Publikum an Zahl abgenommen zu haben. Seit etwa 1978/80 gewinnt die 'pro musica nova' wieder stärkeren Zuspruch, insbesondere unter jüngeren Personen. In starkem Maße scheint das Festival auf das Interesse von älteren Schülern und Studenten zu stoßen. Eine eigene Beobachtung während

49: Schmidt, Mia: Sappho in Prozenten. Zur statistischen Repräsentanz der Frau in der neuen Musik. In: MusikTexte. Zeitschrift für neue Musik, Nr. 8, Fe— bruar 1985, S. 23. Trotz der bei Schmidt abweichenden Zählung ist ihr Ergeb- nis aussagekräftig, da — zum Vergleich - der Anteil der von Komponistinnen geschriebenen Werke, die auf den Musifesten der IGNM aufgeführt wurden, le- diglich 3,3 % betrug (ebd.), so daß geringfügige Anteilsverschiebungen keinen Einfluß auf das Ergebnis in seiner Tendenz besitzen. 50: Dies läßt sich auch an denjenigen seiner Arbeiten aufzeigen, die im Rahmen der 'pro musica nova' aufgeführt wurden. 51: Allenfalls das ehemalige ‘Metamusik'-Festival erscheint vergleichbar. - 150 -

der 'pro musica nova' 1984 ergab, daß das Publikum hinsichtlich Geschlecht und Alter in relativ starkem Maße gemischt erscheint und zumal hinsichtlich des Alters dem Bevölkerungsschnitt eher entsprechen dürfte, als die Besucherschaft üblicher sinfonischer oder kammermusikalischer Konzerte. Ein Großteil der Besucher stammt direkt aus Bremen, jedoch erscheinen gewöhnlich größere Be- suchergruppen aus Hamburg, Hannover , Osnabrück und dem Rheinland. Auch aus dem europäischen Ausland werden Karten vorbestellt. 1984 erschienen zu den Konzerten jeweils ca. 100 Zuschauer, wobei oft weitere Interessenten aus Platzgründen abgewiesen werden mußten. Radio Bremen wirbt für das Festival mit Zeitungsanzeigen, Eigen- werbung in den Hörfunkprogrammen, öffentlich ausgehängten Plakaten sowie kleinen Handzetteln, die in verschiedenen kulturellen Ein- richtungen der Stadt ausliegen und auf überregionaler Ebene Fach- periodika beigelegt werden. Die im Kartenverkauf erzielten Einnahmen fließen als 'besondere Einnahmen‘ in den Gesamthaushalt des Senders, nicht in den Etat der Musikabteilung. Über die Höhe der Einnahmen — und damit den Grad der Kostendeckung - liegen keine Angaben vor. Die Eintritts- preise betrugen lange Zeit bis einschließlich 1984 in der Regel 5 DM, sind also im Vergleich zu Konzerten anderer Träger niedrig.

In der Fachöffentlichkeit genießt die 'pro musica nova' ein po- sitives Image als Beispiel für eine Veranstaltung, die sich konse- quent der Förderung der jeweiligen Avantgarde - mit allen Proble— men, die dies aufwirft — verschrieben hat. Als Beispiel hierfür sei ein Musikredakteur des HR zitiert “Es scheint in diesem Zusammenhang kein Zufall, daß sich gerade die großen Rundfunkanstalten mit Drchestern heute mit einer sinnvollen Förde— rung Neuer Musik besonders schwertun , und allein diejenige Rundfunkan- stalt, die über kein Orchester verfügt, nämlich Radio Bremen, mit der Bremer Pro-Musica-Nova—Biennale das zur Zeit vielleicht aktuellste und informativste Forum der Neuen Musik in Europa hat aufbauen können.“ 52

Die Besonderheit der Programmkonzeption trug zur heute interna- tionalen Bekanntheit der Veranstaltung bei. Die Subjektivität der Gestaltung des Festivals erscheint bei dieser Veranstaltungsform

52: Gerhartz, Rundfunk, Musik und musikalische Produktion - Überlegungen eines Bundfunkredakteurs (in: Schmidt, Musik in den Massenmedien), S. 22 - 151 -

zwingend. Nach dem vorzeitigen Ausscheiden Ottes aus der Musikab- teilung von BB wird die 'pro musica nova' bei teilweiser Änderung des Konzeptes weitergeführt werden. Der Anteil der Uraufführungen wird weiterhin hoch bleiben, jedoch soll stärker als bisher auf die Verwendbarkeit für den Hörfunk geachtet werden. Gleichfalls ist geplant, deutsche und europäische Komponisten tendenziell stärker zu berücksichtigen. Für die Programmgestaltung ist nunmehr Solf Schäfer, Redakteur für Neue Musik, in Verbindung mit dem jet— zigen Leiter der Hauptabteilung Musik,Klaus Bernbachen zuständig.

5.2 'Bremer Podium'

Neben der 'pro musica nova' führt RB seit Herbst 1979 eine zwei— te ausschließlich. neuer Musik gewidmete Konzertreihe durch. Das Konzept dieser 'Bremer Podium' genmvmen Veranstaltung differiert gegenüber dem der Biennale grundlegend. Ziel ist es hier, in über das Jahr verteilten Veranstaltungen kammermusikalische Werke in Workshop und Konzert vorzustellen. Initiatoren dieser Konzertreihe waren Solf Schäfer und der Pianist Bernhard Wambach. Unterstützt wird diese Veranstaltung vom Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst des Landes Bremen.

Die erste Veranstaltung fand im Oktober 1979 statt. Seitdem wur- den (bis Mitte 1985) Konzerte mit Werken folgender Komponisten durchgeführt

1979 : Charles Ives, Arnold Schönberg, Johannes G. Fritsch 1980 : Karlheinz Stockhausen, Wolfgang Rihm 1981 : Isang Yun, Hans-Peter Ostendorf, Tilo Medek 1982 : Hans-Joachim Hespos, Bernd Alois Zimmermann, Mauricio Kegel 1983 : György Ligeti, Aribert Heimann 1984 : Yannis Xenakis, Luc Ferrari 1985 : Luigi Nono. Verschiedentlich waren die Komponisten selbst anwesend.

Im Rahmen des 'Bremer'PodiumsF wurden nur ausnahmsweise Werke uraufgeführt. Das Programm berücksichtigt in der Regel ältere und neuere Arbeiten eines Komponisten, die im Workshoo näher erläutert — 152 —

53 . . „ . . werden. In diesem Zusammenhang ist zu erwahnen, daß Univer51- tät und Musikhochschule Bremen in ihren Veranstaltungen ebenfalls näher auf die vorgestellten Stücke eingehen. Das Publikum der 'Bremer Podium‘—Konzerte ist relativ jung, überwiegend sind es Personen aus Bremen und der näheren Umgebung (bis Hamburg bzw. Hannover).

'Pro musica nova' und 'Bremer Podium' ergänzen einander. Während die 'pro musica nova' als Uraufführungsfestival internationale Be— deutung besitzt und primär dem Überblick Über das aktuelle Schaf— fen dienen soll, ist das 'Bremer Podium' didaktisch ausgerichtet. Es besitzt im Gegensatz zur 'pro musica nova'-&Um stärker auf die Region zielende Wirkung.

5.3 Zur kulturpolitischen Funktion der 'pro musica nova' 54

5.3.1 Mege_Musik_in Bremen

Bremen war und ist kein Zentrum moderner 'E—Musik' wie Köln oder Darmstadt. Wichtige Uraufführungen fanden hier nur selten statt. Als Ursache wird allgemein ein konserativer kultureller Geschmack der Bevölkerung angesehen. Die Frage der Kausalitäten kann an dieser Stelle nicht erörtert werden, festgehalten werden soll le- diglich die Tatsache, daß die zeitgenössische Musik in Bremen nicht in dem Maße Bedeutung erlangt hat, wie in einigen anderen Städten. Sieht man von der 'pro musica nova' und dem 'Bremer Podium' ab, so gibt es in der Stadtgemeinde Bremen folgende Veranstaltungen mit zeitgenössischer Musik

53: Während früher Workshop und Konzert an verschiedenen Tagen stattfanden, so ist man mittlerweile dazu übergegangen, beide Veranstaltungen an einem Tag durchzuführen. 54: Zur Darstellung der regionalen infrastrukturellen Bedeutung scheint es er— forderlich, zunächst auf die Situation neuer Musik in Bremen allgemein ein— zugehen. - 153 -

Vorwiegend der 'Klassikern der Moderne' widmet sich die Kon- zertreihe 'Musik des 20. Jahrhunderts'. Träger der Veranstaltung ist das Philharmonische Staatsorchester Bremen, Mitveranstalter sind Radio Bremen sowie die 'Philharmonische Gesellschaft'. Ur- aufführungen finden nur selten im Rahmen dieser Reihe statt. 55 Verschiedentlich kommen in den Programmen der 'Waage - Konzerte' Werke des 20. Jahrhunderts zur Aufführung. Diese Kammerkonzerte werden mehrmals jährlich von dem Archiv "Deutsche Musikpflege" e.V., welches 1955 von dem Chorleiter und Musiklehrer Friedrich Hinkel in Bremen gegründet wurde, durchgeführt. Sie dienen “vor— nehmlich der Pflege der klassischen modernen Kammermusik unter besonderer Berücksichtigung bremischer Komponisten und Soli- sten." 56 1984 und 1985 führt(e) Radio Bremen je ein Festival mit moder— ner französischer Musik durch.“ Weiterhin werden gelegentlibh singuläre Konzerte mit neuer Mu— sik von verschiedenen Trägern durchgeführt. Neue Ürgela und Kir- chenmusik kommt in den Gemeinden zur Aufführung.

Seit 197B wird vom Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst der 'Bremer Förderpreis für Musik' verliehen. 57 Zunächst alle zwei Jahre für Komponisten und Interpreten durchgeführt, wurde der Modus so geändert, daß nunmehr jährlich alternierend der Preis für Komponisten und Interpreten ausgeschrieben wird. Die—

55: Freie Hansestadt Bremen; Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst (Hg.): Kulturförderung in Bremen. KulturentwicklungSplan 1983. Bremen o.J., S. 80. (Im Folgenden : Kulturentwicklungsplan.) Bei der 'Philharmonischen Gesellschaft handelt es sich um eine Vereinigung sowohl von Privat— als auch juristischen Personen. (Vgl. dazu: Fohrbeck/ Wiesand: Kulturelle Öffentlichkeit in Bremen. Herausgegeben vom Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst. Bremen 1980, S. 39) 56: KulturentwicklungSplan, S. 85 57: Vorgänger dieses Preises war der von der Philharmonischen Gesellschaft ge- stiftete 'Bremer Musikpreis', der an die Vergabe eines Kompositionsauftrags gekoppelt war. Träger des Preises waren nach dem 2. Weltkrieg Carl Ürff (1956), Rolf Liebermann (1958), Ernst Pepping (1962), Ludwig Roselius (1964), Henning Brauel (1973) sowie Martin—Christoph Redel (1975). (Vgl. Blum, Klaus: Musikfreunde und Musici. Tutzing 1975, S. 586-588.) — 154 -

ser Preis ist mit 5.000 DM dotiert. "Bewerben können sich Künst- ler, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben sollen und die im Land Bremen oder in seinem Einzugsbereich leben." 58 Weiterhin existiert eine 'Inititative Bremer Komponisten'. "Ziel der Initiative ist, Kontakte zwischen den auf verschieden- sten Gebieten tätigen Komponisten und Arrangeuren in Bremen und Umgebung zu schaffen, ihre materielle Situation zu verbessern und eine größere Öffentlichkeit für diesen kreativen Musikbereich herzustellen". 59 Gelegentliche Zuschüsse in Höhe von unter 10.000 DM , die dar Durchführung versehiedenster Projekte (Kon— zert, Kompositionsauftrag, Unterrichtshonorare usw.) dienten, wurden vom Senat vergeben. Die Notwendigkeit der Aufstockung dieses Etats ist bei der zuständigen Stelle zwar anerkannt, es ist aufgrund der finanziellen Situation des Landes Bremen jedoch fraglich, wie sich die weitere Subventionierung des Kulturbea reichs entwickeln wird. Am 26. April 1985 wurde in Bremen eine Außenstelle des Pariser 'Centre de Documentation de 1a Musique Contemporaire‘ eröffnet.

Für Interessenten werden hier zahlreiche Partituren und Aufnahmen mit zeitgenössisbher französischer Musik bereitgehalten.

Neben den genannten Aktivitäten im Bereich der 'E-Musik' exi- stieren verschiedene weitere auf dem Gebiet der 'U—Musik', auf die in diesem Rahmen jedoch nicht weiter eingegangen werden kann.

Bei der Betrachtung der Funktionen, die die 'pro musica nova' im Rahmen kultureller bzw. kulturpolitischer Fragestellungen be—

sitzt, ist zu unterscheiden zwischen primär musikbeoenen und primär kulturpolitisch—infrastrukturellen.

Im Vordergrund steht der Informationswert, den die Veranstal— tung besitzt. Dieser wird bestimmt durch die internationale Her- kunft der Komponisten, den Anteil der Ur- und Erstaufführungen sowie die stilistische Breite der vorgestellten Werke. Die ’pro

58: Kulturentwicklungspian, S. 84

59: ebd., S. 83 - 155 - musica nova' stellt internationale kompositorische Tenden- zen vor und weist auf Verbindungen zu anderen Künsten hin. Auch Arbeiten aus anderen Kulturkreisen, insbesondere sÜd— und ost— asiatischer Provenienz, werden aufgeführt. In ihrer Vielfalt steht die 'pro musica nova' in der Bundesre- publik Deutschland weitgehend alleine. Die BetOnung des Informa— tionswertes geht einher mit einer Überregionalen Bedeutung des Festivals. Diese wird unterstützt durch die internationale Ver- breitung der Konzertmitschnitte sowie durch die Beteiligung der UEB an einzelnen Veranstaltungen. In diesem Rahmen vollzieht das Festival eine für BB - insbesondere in Rundfunk- und Musik-

kreisen - werbende Funktion.

Bezüglich einer etwaigen stilbeeinflussenden Funktion des Fe- stivals ist zu konstatieren, daß einerseits von RB in Auftrag gegebene Werke ihrerseits stilprägend wirkten, andererseits die 'pro musica nova' an der Durchsetzung verschiedener Komponisten und Stile 60 beteiligt war und somit indirekt beeinflussend wirk— te. Die stilistische Breite der Veranstaltung zielte tendenziell auf eine 'Horizonterweiterung‘ bzw. eine Erweiterung des Ver— ständnisses von Musik durch die Integration anderer Kunstformen.

Die Förderung von dem Hörfunk inadäquaten Werken ist unter der dem RB-Gesetz eigenen Forderung nach der Realisierung der 'künst— lerischen Aufgabe des Rundfunks' zu betrachten und ließe sich auch damit begründen. Eine weitere Forderung des Kulturauftrags, diejenige nach der qualitativen Selektion, scheünzbei einem Urauf- führungsfestival nur sehr eingeschränkt realisierbar.

Eine herausragende Bedeutung besitzt die 'pro musica nova‘ für die regionale kulturelle Infrastruktur. Die 'pro musica nova' bietet eine für Norddeutschland einzigartige Möglichkeit der überblicksartigen Kenntnisnahme von zeitgenössischer Musik. In diesem Rahmen ist sie sowohl für professionelle Besucher als auch

60: Vgl. Kapitel 5.1.16 dieser Arbeit. - 156 -

für allgemein Musikinteressierte von Bedeutung. Neben einer wer- benden Funktion für RB vollzieht das Festival durch seine regio— nal und Überregional herausragende Stellung ebenfalls eine wer- bende Funktion für die Stadt Bremen. Diese Größe ist nicht ein- deutig feststellbar; hier bedarf es weitergehender (empirischer) Untersuchungen.

Durch die Vergabe zahlreicher Kompositionsaufträge bedingt, scheint die ökonomische Bedeutung gegenüber den Komponisten rele- vant. Eine direkte Bedeutung, zumal im nationalen Rahmen, ist je- doch nur untergeordneter Art, da die Honorarhöhe gering ist und ein Großteil der Aufträge an ausländische Künstler ergeht. Die ökonomische Bedeutung der 'pro musica nova' dürfte eher in der Popularitätsförderung liegen, die die Komponisten durch die in— ternationale Verbreitung ihrer Werke mittels Bandaufnahmen erfah- _ren und die eine Grundlage für etwaige Folgeaufträge darstellt.

Ein Effekt der Popularisierung zeitgenössischer Musik in einem allgemeinen Sinn ist nicht nachweisbar. Jedoch kann als sicher gelten, daß der Rundfunk nicht alleine in der Lage ist, Bildungs- defizite auszugleichen. Auch die Workshops der 'pro musica nova' zielen auf ein bereits vorgebildetes Publikum und nicht auf die Bekrutierung neuer Zuhörer. Insgesamt steht bei dem Festival die Leistung für Fachbesucher und die Komponisten im Vordergrund. — 157 +

6. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

6.1 Zusammenfassung

Im Folgenden sollen die vorliegenden Ergebnisse noch einmal in Thesenform zusammengefaßt werden

(1) Es existiert eine enge Verbindung zwischen einerseits der zeitgenössischen 'E-Musik' und ihrer Position im Musikleben sowie andererseits dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese Verbin- dung ist sowohl technischer bzw. struktureller Art, als auch hi- storisch begründet.

(2) In verschiedenen Punkten weist die Musik des 20. Jahrhunderts engere Verbindungen zum Rundfunk aus

- Die Komponisten reagiefimen auf das Medium Hörfunk mit der Er— stellung medienspezifischer, 'radiOphoner', Kompositionen. Wäh- rend diese zunächst die technischen Unzulänglichkeiten in der 'Übertragungskette' ausgleichen sollten, konzentrierte man sich bald auf Arbeiten, die die struktUrellen Bedingungen und Mög— lichkeiten des Mediums berücksichtigten.

— Das Medium Radio schuf erstmals die Möglichkeit, das jeweilige musikalische Gegenwartsschaffens an ein breites, disperses Pu— blikum zu vermitteln. 1

- Die Geschichte der 'E-Musik' im 20. Jahrhunderts ist zu einem gewissen Teil Institutionengeschichte. 2 An entsprechenden Ver- anstaltungen ist der Rundfunk seit seinen Anfängen beteiligt.

1 : Diese Möglichkeit ist selbstverständlich theoretischer Art und wurde/wird lediglich von einem Teil des Publikums genutzt. 2 : Bereits nach dem 1. Weltkrieg wurde mit der Veränderung ästhetischer Prä- missen und einer sich wandelnden musikalischen 'Sprache' die neue Musik zu einer zunehmend von dem allgemeinen Musikleben gesonderten Angelegenheit, die sich ihren Ausdruck in zahlreichen Festivals, Vereinigungen und Zeit- schriften gab. Diese Abgeschiedenheit der neuen 'E—Musik' im Konzertwesen setzte sich nach dem 2. Weltkrieg fort. Neue Werke werden kaum noch in allgemeinen Konzerten uraufgeführt, sondern zumeist auf Festivals bzw. in speziellen Konzertreihen. — 158 -

— In bedeutendem Maße werden in der neueren Musik elektronische Instrumente, Speichermedien usw. eingesetzt. Deren Entwicklung geht z.T. direkt auf die Rundfunkanstalten zurück bzw. wurde aufgrund der dortigen Verhältnisse vorangetrieben. In der Früh- zeit der elektronischen Musik war deren technische Infrastruk- tur in der Bundesrepublik Deutschland bei den Rundfunkanstalten

konzentriert.

(3) Die Förderung neuer 'E-Musik' durch den Rundfunk besitzt so- wohl traditionsbestimmte als auch juristische Grundlagen; letzte— re liegen in der öffentlichen Aufgabe begründet, die aus der Rundfunkgesetzgebung ableitbar ist und auch in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts gefordert wurde. Diese Aufgabe fand ihren Ausdruck in dem - juristisch nicht eindeutig fixierten — 'Kulturauftrag'. Dessen Inhalt geht Über allgemeine Programm- grundsätze hinaus und ist primär gewohnheitsrechtlich bestimmt.

(4) Für den Bereich der Musikförderung ist insbesondere die hi— storisch herausgebildete 'Mäzenatenfunktion' des Rundfunks rele— vant. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erweitert den - sonst begrenzten — Markt für bestimmte künstlerische Bereiche und wirkt somit strukturell fördernd.

(5) Insgesamt vollzieht sich die Förderung zeitgenössischer 'E- Musik' durch den öffentlich—rechtlichen Rundfunk auf drei Ebenen. Sie kann produzentenbezogen, objektbezogen sowie rezipientenbezo— gen sein. Innerhalb dessen ist zu differenzieren zwischen ökono- mischen Aspekten, solchen der künstlerischen Produktion sowie der Distribution. Realiter erscheinen sämtliche Funktionen verknüpft. In folgender Darstellung soll eine Übersicht Über den Komplex der Förderung gegeben werden

3: Eine solche Übersicht muß zwangsläufig schnematisierend sein; sie ist selbstverständlich nicht in der Lage, reale Prozesse erschöpfend zu be- schreiben. - 159 -

L *RECHTLICH RUNDFUNKANSTALTEN

flnproduzentenbezogenb* Vergabe von Kompositionsaufträgen

-h- Zahlung von Lizenzgebühren

indirekte ökonomische Funktion über

f Popularisierung

Übernahme ökonomischer Risiken von Produktion und Aufführung

ASPEKTE ‚1: gezielte Nachwuchsförderung

—iqöbjektbezogen die ökonomische Unterstützung ermöge eine weitgehende Konzentration auf künstlerische Tätigkeiten ‘ JOKONOMISCHE _ v Absicherung von künstlerischen Expe- ... rimenten; Schaffung von künstleri— schen 'Freiräumen' durch strukturelle Bedingungen das

KUNSTLE- Mediums sowie die Bereitstellung von krh Technik und Orchestern sind stilisti—

DER PRODUKTION ' sche Einflüsse möglich stilistische Steuerungsmöglichkeiten durch bewußte Selektion bestimmter Stile usw.

ASPEKTE

RISCHEN

.__‚..|rezipientenbezogenk——7 der Rundfunk besitzt eine Schlüssel- position hinsichtlich - Produktion - medialer Distribution — öffentlicher Konzertaufführung

UND -_ zeitgenössischer Musik und wirkt damit strukturell beein- flussend gleichermaßen auf das Musik- leben als auch auf die regionale kul* turelle Infrastruktur

PRODUKTION ermöglicht durch Sendungen und Kon— -— zerte eine weitgehende Information

VON eines interessierten Publikums besitzt gewisse pädagogische Möglich- .p. keiten (wenngleich diese niöht zu hoch zu veranschlagen sind)

REZEPTION

ASPEKTE vollzieht eine eigenwerbende Funktion für die Rundfunkanstalten (Image- 5 L pflege J -— 160 -

(6)(6) Die Komponistenförderung vollzieht sich sowohl konkret-fall-konkret—fall— weise, als auch weitgehend abstrakt-strukturell. Sie besitzt di- rekte und indirekte ökonomische Bedeutung für die Künstler. Die Rundfunkanstalten sind Haupteinnahmequellen für die von ihrer kompositorischen Arbeit lebenden Künstler, zumal sie gelegentlich auch mit redaktionellen u.a.u.ä. Aufgaben betreut werden. Hauptmaß- nahme ist die Vergabe von Kompositionsaufträgen. Ein weiterer Faktor der Komponistenförderung liegt in der Pu-Pu— blizität, die - insbesondere in Folge von Kompositionsaufträgen -— durchdurcht fidiee KonzertaufführungenKonzertaufführungen (und(und inin geringeremgeringerem Maße die Sendun- gen) hervorgerufen werden kann.

(7)(7) Die - weitgehend abstrakte -— objektbezogene FörderungFörderung wird primär durch die Schaffung von ökonomisch quasi unbeeinflußten 'künstlerischen'künstlerischen Freiräumen'Freiräumen' inin Verbindung mit der Bereitstellung von Technik und Orchestern vollzogen. Aufgrund der ökonomischen Absicherung ist es den Komponisten weitgehend möglich, lediglich künstlerische AspekteASpekte berücksichtigen zu müssen. (Vgl.(Vgl. jedoch These 13.)

(8)(8) Das Verhältnis des Hörfunks gegenüber den Rezipienten istist inin bezug auf die Förderung neuer Musik uneinheitlich. Einerseits ist neue 'E-Musik''E-Musik' für den weitaus größten Teil der Hörer inattrak- tiv. FürFür einen geringen Höreranteil aber (für(für den hohe fachliche Qualifikationen anzunehmen sind) stellt der Rundfunk als Pro- gramm- undund KonzertveranstalterKonzertveranstalter eineeine primärepnüüre Informationsquelle überÜber die aktuelle musikalische Entwicklung, auch im internationa- len Rahmen, dar. Diese Position resultiert aus der zentralen Stellung der Rundfunkanstalten für die Dokumentation zeitgenös-zeitgenös— sischer Musik. Für ein interessiertes Publikum außerhalb der kul-kuln turellen Zentren kann das Medium infrastrukturelle Nachteile par- tiell eliminieren.

(9)(9) Zentralpunkte der Förderung.zeitgenössischer 'E-Musik''E-Musik' insge-insge— samt sind Kompositionsaufträge und öffentliche Konzertveranstal-Konzertveranstal— tungen. Kompositionsaufträge vereinigen Aspekte der produzentenbezoge-produzentenbezoge— nen als auch der objektbezogenen Förderung. Für die Berücksichti- — 161 —

gung künstlerischer Qualität, eine der Zentralforderungen des 'Kulturauftrags', kann dabei selbstverständlich nicht im Voraus garantiert werden, zumal gleichzeitig Aspekte des möglichen künstlerischen Experiments, der Nachwuchspflege usw. berücksich— tigt werden sollen. I Öffentliche Konzertaufführungen zeitgenössischer Musik vereim nigen sämtliche Aspekte der Förderung und besitzen darüber hinaus infrastrukturelle Bedeutung; außerdem schaffen sie in gewissem Maße eine Verbindung zwischen den Rundfunkanstalten und ihren Nutzern und dienen so zusätzlich der Eigenwerbung.

(10) Zwar besitzt neue Musik ein vergleichsweise ungünstiges Kosten-Hörer-Verhältnis. Jedoch kann dies nicht zur Bewertung der Förderungsmaßnahmen herangezogen werden. Vielmehr sind — aufgrund des Über den eigentlichen Betrieb der Rundfunkanstalt hinauswei— senden Charakters der Förderungsmaßnahmen - volkswirtschaftliche und kulturpolitische Maßstäbe anzulegen. Dies ist notwendig, da der 'Kulturauftrag' als formale Grundlage der Förderung die Auf-_ gabe des Rundfunks nicht auf die bloße Programmerstellung und de- ren publikumswirksame Optimierung beschränkt, sondern von einer weitgefaßten öffentlichen Aufgabe ausgeht. Zu dieser gehört, zu“ mal inzwischen institutionalisiert, auch die Förderung ökonomisch

inattraktiver Bereiche der Kunst.

(11) Die individuellen und strukturellen Förderungsmaßnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erweisen sich insgesamt als strukturell relevant für das aktuelle Musikleben und somit auch für die gesamte kulturelle Infrastruktur.

(12) Dem Rundfunk kommt die zentrale Rolle in der Dokumentation (Produktion und Distribution} der zeitgenössischen Musik zu. Dies erscheint bereits dadurch, daß diese Musik von der Tonträgerindu- strie vernachlässigt wird, kulturpolitisch notwendig.

'(13) Diese zentrale Position des Rundfunks ist e neben technisch— strukturellen Bedingungen - Ursache einer gewissen stilistischen Einflußnahme auf die neue Musik. Selbst in Anbetracht der Forde— rung nach einem 'kulturellem Pluralismus' sind subjektive Ein— - 162 - flüsse der Redakteure auf die Förderung bestimmter Stile, Kompo— nisten usw. nicht auszuschließen. Entsprechend unterscheiden sich Umfang, Art und Ziel der Förderung zwischen den einzelnen Rund- funkanstalten beträchtlich. Die föderalistische Rundfunkstruktur schafft insgesamt jedoch einen gewissen Ausgleich.

(14) Aus der zentralen Stellung der öffentlich-rechtlichen Rund- funkanstalten für die Förderung neuer Musik resultiert eine par- tielle Abhängigkeit des musikalischen Gegenwartsschaffens von Än— derungen des Rundfunksystems.

(15) Direkte Einflüsse der Rundfunkanstalten auf musikalische Werke können nur in bestimmten Bereichen konstatiert werden. So erscheinen, nebmader eigentlich funkspezifischen Musik, elektro— nische Musik und musique concräte sowie die hohe Zahl der Orche- sterwerke nach dem 2. Weltkrieg vom Rundfunk vorangetrieben worden zu sein. Andere offensichtliche Einflüsse liegen in der Förderung bestimmter Komponisten über einen gewissen Zeitraum (Stockhausen, Kagel, Ligeti, Penderecki, Henze u.a.). Insgesamt erscheint der Einfluß auf das Musikleben deutlich stärker als derjenige, der konkret auf die Musik ausgeübt wird. Ein etwaig denkbares Argument, daß der Rundfunk eine musikali— sche Mittelmäßigkeit gefördert habe, indem er durch die Vergabe von Kompositionsaufträgen die qualitative Sichtung - wenn auch zwangsläufig - außer Acht gelassen habe und durch die ökonomische Absicherung die 'Entfremdung' der neuen Musik vom Publikum ge- stärkt habe, scheint nicht relevant.

(16) Die 'pro musica nova' ist ein Avantgardefestival, das - bei starker Freiheit der Programmgestaltung — einen Überblick Über aktuelle internationale Entwicklungen gibt. Die Präsentation auch von nicht-hörfunkadäquaten Arbeiten ließe sich aus der Forde- rung des RB-Gesetzes nach Berücksichtigung der 'künstlerischen Aufgabe' des Rundfunks ableiten, ist jedoch primär auf die In- teressen des Initiators Hans Ütte zurückzuführen.

4: Ein derartiges Argument findet sich in der bearbeiteten Literatur nicht. - 163 —

(17) Von den Ansprüchen des Kulturauftrags erfüllt die 'pro mu— sica nova' - wie praktisch sämtliche Konzertveranstaltungen mit neuer Musik e lediglich wenige. Zu nennen sind die Informations— leistung, sowie — in geringerem Umfang — die Komponistenförderung und die 'objektbezogene' Förderung (durch die Ermöglichung künst- lerischer Experimente). Interessen der Masse der Radionutzer wer— den nicht erfüllt. Ebensowenig dient die 'pro musica nova' der besonderen Förderung nationaler Komponisten. Das speZialisierte Konzept der Veranstaltung kann jedoch nicht als Schwäche oder Fehlkonzeption angesehen werden : Der Kulturauftrag der öffent- lich-rechtlichen Rundfunkanstalten vollzieht sich im Bereich zwi— schen einer expliziten 'Kunst'förderung und sozialen Partizipa- tionsansprüchen. Der Rundfunk ist nicht in der Lage, bildungs— mäßige Defizite alleine auszugleichen. Unter diesen Bedingungen existiert keine alleinig 'richtige' Veranstaltungskonzeption; vielerlei AUSprägungen scheinen möglich und sinnvoll.

6.2 Perspektiven

Mit der Zulassung privater Hundfunkveranstalter entwickelt sich prinzipiell Konkurrenz für die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Welches Ausmaß diese erreichen wird, kann nicht eindeutig progno- stiziert werden. Zur Beantwortung dieser Frage ist auch das künf- tige Verhalten der öffentlich-rechtlichen Anbieter, inwieweit sie sich als Konkurrenz oder aber als Ergänzung zu den neuen, privat organisierten Veranstaltern verstehen, von Relevanz. Weiterhin sind für die Entwicklungen im Rundfunksystem auch politische Ent- scheidungen und mögliche Änderungen im Nutzungsverhalten der Re— zipienten von Bedeutung. Die hier skizzierten-möglichen Perspek-

tiven sind keinesfalls als Szenarios mißzuverstehen.

Private Programmveranstalter werden weitgehend - das erscheint _angesichts der ausländischen und bisherigen inländischen Erfah— rungen als sicher - die Inhalte bisheriger 'Kulturprogramme' ver— nachlässigen. Das schließt nicht aus, daß es einen oder wenige

Anbieter in diesem Bereich geben wird, zumal ein auf 'E—Musik‘ --164- 164 - konzentriertes Programm bei Verzicht auf aufwendige Eigenproduk- tionen undund diedie BeschäftigungBeschäftigung eigener KlangkörperKlangkörper wahrscheinlich bedeutend kostengünstiger als ein vorwiegend mit 'U-Musik''U—Musik‘ be- strittenes Programm wäre. 5 JedochJedoch kannkann auchauch fürfür denden Fall,Fall, daßdaß sich ein Anbieter im Bereich der bisherigen 'Kulturprogramme''Kulturprogramme' be- tätigen sollte, nicht davon ausgegangen werden, daß er gleichzei-gleichzei— tig zeitgenössische 'E-Musik''E—Musik' in bedeutendem Ausmaß fördern wür- de. Zu kraßkraß wärewäre hierhier dasdas MißverhältnisMißverhältnis zwischenzwischen denden KostenKosten undund dem betriebswirtschaftlichen Nutzen. Andererseits ist anzunehmen, daß im Zuge der wachsenden Konkur- renz die öffentlich-rechtlichenöffentlich—rechtlichen Rundfunkanstalten -— nicht zuletzt aufgrund der partiellen Abhängigkeit von den EinnahmenEinnahmen ausaus demdem Verkauf von Werbezeitenwerbezeiten -- ihrihr ProgrammProgramm verstärktverstärkt anan denden .Präferen-Präferen- zen der Hörermajoritäten ausrichten werden. Dies steht zwarzwar inin gewissem Gegensatz zu den Forderungen des Kulturauftrags, istist je- doch schon angesichts der derzeitigenderZeitigen Entwicklung wahrscheinlich, zumal gerade die 'künstlerisch-kulturellen''künstlerisch-kulturellen' Programme, deren Hö- reranteile gering sind, hohe Durchschnittskosten je Sendeminute aufweisen. Denkbar , , wennwenn auchauch nichtnicht gleichermaßengleichermaßen wahr-wahr- scheinlich, wäre allerdings, daß die 'Kulturprogramme''Kulturprogramme' zumindest partiell eine stärkere Rolle in der Imagepflege der öffentlich-öffentlich— rechtlichen Rundfunkanstalten erhalten und ggf. mit zielgruppen-Zielgruppen- spezifischerSpezifischer Werbung versehen werden.

Möglich ist somit, daß - indem der Umfang der Förderung, derder bisher ihre strukturelle Bedeutung hervorrief, eingeschränkt wird - die Förderung der zeitgenössischen 'E-Musik''E-Musik' durch denden öffentlich-rechtlichenöffentlich—rechtlichen Rundfunk sich von einer strukturellen zuzu einer fallweisen wandeln könnte. Dies wiederum besäße - derzeit nicht überschaubare - strukturelle Auswirkungen auf den Markt für musikalische Kompositionen und allgemein auf das Musikleben bzw. das kulturelle Leben im weiteren Sinn.

5:5: So würden weitgehend GEMA-GebührenGEMA—Gebühren entfallen. Vermutlich könnten sich auch Einsparungen im technischen und administrativen Bereich ergeben. Möglicher- weise wäre allerdings dasdas WerbevolumenWerbevolumen geringer;geringer; diesediese GrößeGröße ist jedoch von zahlreichen Faktoren abhängig (Verbreitungsgebiet,(Verbreitungsgebiet, Konkurrenzsituation Homogenität der Rezipienten usw.). — 165 -

6.3 ForschungSprobleme

Es konnte aufgezeigt werden, daß - der öffentlich—rechtliche Rundfunk im nationalen Rahmen die derzeit einzig relevante Institution für die Dokumentation (so- wohl Produktion als auch Distribution) der zeitgenössischen Mu— sik ist; — dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinsichtlich der ökonomi- schen versorgung der Komponisten eine bedeutende Rolle zukommt; — der Rundfunk bedeutende regionale und nationale infrastruktu- relle Wirkungen ausübt; - der Rundfunk eine gewisse stilprägende Wirkung besitzt. Hinsichtlich der Funktion gegenüber den Rezipienten kann allge- mein formuliert werden, daß der Rundfunk aufgrund seiner Schlüs- selposition im Rahmen der Dokumentation neuer Musik für einen in- teressierten Personenkreis notwendig erscheint. Weitere Schlüsse können jedoch mangels (empirischer) Untersuchungen nicht getrof—

fen werden.

Insgesamt bedarf der Bereich der Musikförderung durch den Rund- funk noch weitergehender, insbesondere empirischer, Untersuchun- gen, um über bereits markierte Pesitionen hinauszugelangen und de- taillierte Planungsdaten zu liefern. Ein bloß normativer Ansatz würde zu keinen neuen Ergebnissen führen, könnte jedoch Aspekte der kultur— und medienpolitischen Diskussion ansprechen.

Probleme bei der Darstellung der Förderungsmaßnahmen und -lei- stungen ergeben sich bereits aus der unzureichenden Datenlage. Diese wiederum scheint „ zumindest partiell _ dadurch erklärlich, daß der öffentliCh-rechtliche Rundfunk bislang eine (erstens) ex- tern weitgehend unhinterfragte kulturpolitische Aufgabe (zwei— tens) traditionell wahrnahmf—nimmt und quasi seit seinen Anfän— gen an der Förderung zeitgenössischer Musik beteiligt war. Auch außerhalb des Rundfunks ist die Datenlage unzureichend.

6: Vgl. auch Dehlschlägel, Reinhard: Neue Musik und Information. Zur Situa- tion in der Bundesrepublik. In: MusikTexte. Heft 10, S. 3 f. Weiterhin: Braucht die Bundesrepublik ein Musik—Informations-Zentrum ? In: ebd., S. 44—55 -—166-— 166 -

Um gesicherte Aussagen über die Wirkung der Förderungsmaßnahmen treffen zu können, bedarf eses detaillierterdetaillierter UntersuchungenUntersuchungen ver- schiedener Bereiche. Insbesondere sind hier zu nennen : -— eine differenzierte Fortschreibung der Künstler-EnquäteKünstleenque e ausaus demdem Jahre 1973 als nationalökonomische Input-Output-Analyse; -— Untersuchungen überÜber die Besucherstruktur der von den Rundfunk- anstalten durchgeführten Konzerte (v.a.(v.a. zur Gewinnung von In- formationen über die tatsächliche regionale Bedeutung, auchauch zur Optimierung etwaiger Begleitprogramme); — Untersuchungen überÜber das Publikum speziellerSpezieller Radiosendungen überÜber

bzw. mit neuer Musik.

Der Versuch, eine direkte Wirkung des Rundfunks auf musikali- sche Werke zu bestimmen, dürfte weitgehend an der mangelnden Meß- barkeit auf Schwierigkeiten stoßen. Möglich erscheint jedoch eine Rückführung dort, wo es sich um medienspezifische Kompositionen handelt,handelt,bzw.wo bzw.wo infrastrukturelleinfrastrukturelle BedingungenBedingungen desdes Rundfunks ein- flußreich waren (z.B.(z.B. in der elektronischen Musik).

Angesichts der derzeitigen Veränderungen im Mediensystem scheinen FragenFragen derder Musikförderung-zumindestMusikförderung-zumindest fürfür diedie Rundfunk-Rundfunk— anstalten-eineanstalten-—eine untergeordneteuntergeordnete BedeutungBedeutung zuzu besitzen.besitzen. EinEin Ver- zicht auf eine systematische Förderung des musikalischen Gegen- wartsschaffens dürfte allerdings -— derzeit noch unabsehbare - negative Folgen auf das Musikleben und die 'Kulturlandschaft' allgemein hervorrufen.hervorrufen. - 167 -

VERZEICHNIS DER VERWENDETEN LITERATUR

1. Monographien, Sammelwerke und Aufsätze aus Sammelwerken

Adorno, Theodor w.: Philosophie der neuen Musik. Frankfurt/ Main 1978 (Erstauflage 1949) ’ Adorno, Theodor w.: Der getreue Korrepetitor. Lehrschriften zur musikalischen Praxis. Frankfurt/Main 1963 Angewandte Musik — 20er Jahre. Berlin 1977 Ansermet, Ernest; Piguet, J.-Claude: Gespräche Über Musik. München 1973 (Orginalausgabe Neuchätel 1983) Arbeitsgemeinschaft Rundfunkwerbung (Hg.): Media Perspektiven. Daten zur Mediensituation in der Bundesrepublik Deutsch- land. Frankfurt/Main 1983 Arnold Schönberg Gedenkausstellung 1974. Katalog. Wien 1974 Aufermann, Jörg; Scharf, Hilfried; Schlie, Otto (Hg.): Fern- sehen und Hörfunk für die Demokratie. Ein Handbuch über den Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 1979, 2. Auflage 1981 Auftragskompositionen im Rundfunk 1946-1975. Zusammengestellt von-Anneliese Betz. Frankfurt/Main 1977 Austin, William N.: Neue Musik. In: Epochen der Musikgeschichte in Einzeldarstellungen. Kassel 1974, S. 386—461 Bausch, Hans: Rundfunkpolitik nach 1945. Erster Teil 1945- 1962. (Rundfunk in Deutschland. Bd. 3) München 1980 Bausch, Hans: Rundfunkpolitik nach 1945. Zweiter Teil 1963- 1980. (Rundfunk in Deutschland. 8d. 4) München 1980 Beusch, Hans (Hg.): Königssteiner Gespräche Über Rundfunk— ' politik, PrOgramm und Technik. Referate und Diskussio- nen des Presse-Seminars der ARD in Königsstein/Taunus am 27./28. Mai 1975. Hamburg 1975 Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner techniw schen Reproduzierbarkeit. Frankfurt/Main 1963, 4. Auf— lage 1977 ' Bessler, Hansjörg: Hörer- und Zuschauerforschung. (Rundfunk in Deutschland. Bd. 5) Mönchen 1980 Bismarck, D. Klaus von (Hg.): Der Rundfunk als Kulturfaktor. Köln 1988 Blaukoof, Kurt: Massenmedium Schallplatte. Die Stellung des Tonträgers in der Kultursoziologie und Kulturstatistik. Wiesbaden 1977 Blaukopf, Kurt: Musik im Wandel der Gesellschaft. Grundzüge der Musiksoziologie. München/Zürich 1982

Blum, Klaus: Musikfreunde und Musici. Tutzing 1975 Bockelmann, Peter: Manuskript der Sendung 'Apropos', SFB II 16.01.1984 - 168 -

Boehmer, Konrad: Zwischen Reihe und Pop. Musik und Klassen- gesellschaft. Wien/München 1970 Bosman, wieland: Rundfunkfreiheit und Programmgrundsätze. (Europäische Hochschulschriften Reihe 2, Rechtswissen— schaften. Bd. 441) Frankfurt a.M./Bern/New York 1985 Boulez, Pierre: Werkstatt—Texte. Berlin/Frankfurt a.M. 1972 Brack, Hans: Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks und des Fernsehens in Deutschland. (Schriften— reihe des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität' zu Köln. Bd. 2) München 1968 Brennecke, Hilfried:_Die Entwicklung der Symphonie in Deutsch- land, Österreich und der Schweiz von etwa 1885 bis in die Gegenwart. In: Musikalische Gattungen in Einzeldar- stellungen. Band 1: Symphonische Musik. Kassel/München 1981, S. 74-91 Bundesrepublik Deutschland; Deutscher Bundestag: Drucksacke 10/2236 vom 31.10.1984 Busoni, Feruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 1907, 2. erw. Auflage Leipzig 1916; hier nach der Ausga- be Frankfurt/Main 1974 . Dahl, Peter: Radio. Sozialgeschichte des Rundfunks für Sender und Empfänger. Reinbek 1983 Danuser, Hermann: Die Musik des 20. Jahrhunderts. (Neues Hand— buch der Musikwissenschaft. Bd. 7) Laaber 1984 Dibelius, Ulrich: Moderne Musik 1945—1965. Voraussetzungen. Verlauf. Material. München 1966, 2. Auflage 1972 Dibelius, Ulrich (Hg.): Verwaltete Musik. Analyse und Kritik eines Zustandes. München 1971 Diller, Ansgar: Rundfunkpolitik im Dritten Reich. (Rundfunk in Deutschland. Bd. 2) München 1980 Dopheide, Bernhard (Hg.): Musikhören. Darmstadt 1975

Der Grosse Duden. Bd. 5. Fremdwörterbuch. Mannheim, 3. Auflage 1974 Eberhard, Fritz: Der Rundfunkhörer und sein Programm. Ein Beitrag zur empirischen Sozialforschung. (Abhandlungen und Materialien zur Publizistik. Bd. 1) Berlin 1962 Eimert, Herbert: (Artikel) Hauer. In: Musik in Geschichte und Gegenwart. Bd. 5. Kassel 1956, Spalte 1823f. Englert, Hans: Der Markt für musikalische Kompositionen. Die Ordnung des 'Musikmarktes' unter besonderer Berücksichti- gung der sozio-ökonomischen Situation der Urheber und ihrer Organisationen sowie deren Position im Zusammenspiel der für den Musikmarkt relevanten Medien. Eine wirtschafts- und kunstsoziologische Studie Über die Situation in der' Bundesrepublik Deutschland. Diss. Köln 1971 - 169 —

Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht. Eine Doku— mentation des Prozeßmaterials. Herausgegeben von Günter Zehner. 2 Bände. Karlsruhe 1964 f. FohrbeCk, Karla; Wiesand, Andreas Johannes: Der Künstler-Report. Musikschaffende, Darsteller/Realisatoren, Bildende Künst— ler/Designer. München/Wien 1975 Fohrbeck, Karla; Wiesand, Andreas Johannes: Kulturelle Öffent- lichkeit in Bremen. Herausgegeben im Auftrag des Senators für Bildung, Wissenschaft und Kunst der Freien Hansestadt Bremen. Bremen 1980 Fohrbeck, Karla; Wiesand, Andreas Johannes: Musik, Statistik, Kulturpolitik. Daten und Argumente zum Musikleben in der Bundesrepublik Deutschland. Köln 1982 Freie Hansestadt Bremen; Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst (Hg.): Kulturförderung in Bremen. Kulturent- wicklungsplan 1983. Bremen o.J. Friedl, Alfred: Musik Und Musikerziehung auf dem Weg ins Unge- wisse? Kulturkritische Analysen - kulturpolitische Konse- quenzen. Frankfurt/Main 1974 50 Jahre Musik im Hörfunk. Beiträge und Berichte. Herausgegeben aus Anlass des 9. Internationalen IMZ-Kongresses von Kurt Blaukopf, Siegfried Goslich und Wilfried Scheib. Wien/München 1973 ' Für Augen und Ohren. Von der Spieluhr zum akustischen Environ— ment. Objekte, Installationen, Performances. (Ausstellungs- katalog der Akademie der Künste Berlin.) Berlin 1980 GEMA-Stiftung. Bestimmung und Struktur. München 1983 Goslich, Siegfried: Musik im Rundfunk. Tutzing 1971 Haselauer, Elisabeth: Musik - Luxusartikel oder Überlebens- faktor ? Umfrage-Ergebnisse. Wien/München 1982 Hauer, Josef Matthias: Vom Wesen des Musikalischen. Grundla- gen der Zwölftonmusik. Berlin-Lichterfelde/Wien, 2. Auf— lage 1923 Heister, Hanns—Werner; Stern, Dieter (Hg.): Musik 50er Jahre. Berlin 1980 Hoffmann, Hilmar: Kultur für alle. Perspektiven und Modelle. Frankfurt/Main 1979, 2. Auflage 1981 Hoffmann, Hilmar (Hg.): Perspektiven der kommunalen Kultur- politik. Beschreibungen und Entwürfe. Frankfurt/Main 1974 Hoffmann-Riem, Wolfgang: Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorga— nisation. Anmerkungen zur Neufassung des Radio Bremen— Gesetzes. (Beiträge zum Rundfunkrecht. Heft 21) Frank- fort/Main 1979

Holzer, Horst: Medien in der BRD. Entwicklungen 1970-1980. Köln 1980 — 170 --

Institut für Wertungsforschung Graz (Hg.): Der musikalische Futurismus. Ästhetisches Konzept und Auswirkungen auf die Moderne. (Studien zur Wartungsforschung. Bd. 8) Graz 1976 Jost, Ekkehard (Hg.): Musik zwischen E und U. Ein Prolog und sieben Kongreßbeiträge. (Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung. Bd. 25) Mainz 1984 Jungk, Klaus: Musik im technischen Zeitalter. Von der Edison— Walze zur Bildplatte. (Buchreihe des SFB 11) Berlin 1971 Kann ein Massenmedium bilden ? Referate der Tagung unter glei- chem Namen vom 11./12.5.1965 in Tutzing. (Schriftenreihe der Evangelischen Akademie für Rundfunk und Fernsehen. Heft 11) München o.J. (1965) Kleinen, Günter: Massenmusik. Die befragten Macher. Wolfen- büttel/Zürich 1983

Koszyk, Kurt; Pruys, Karl Hugo: Handbuch der Massenkommunika- tion. München 1981 Kraemer, Rudolf-Dieter: Musik seit 1950 und ihr Niederschlag in der musikdidaktischen Literatur. Diss. Saarbrücken 1975 Kundler, Herbert: Über die kulturelle Bedeutung des Rundfunks und seine Rolle als Mäzen. Referat zum ARD/ZDF-Seminar— Baden-Baden März 1969 (Manuskript) Lehr, Wolfgang; Berg, Klaus: Rundfunk und Presse in Deutsch— land. Rechtsgrundlagen der Massenmedien - Texte. Mainz 1971, 2. Auflage 1976 Lerg, Winfried 8.: Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik. (Rundfunk in Deutschland. Bd. 1) München 1980 Matejka, Wilhelm: Musik im Radio. (Fragmente als Beiträge zur Musiksoziologie. Bd. 10) Wien/München 1982 Motte, Diether de la: Harmonielehre. Kassel 1976, 2. Auflage 1978 Musik im Programm. Seminar der Abteilung Musik Radio DRS vom 21_-23_ April 1974 auf Boldern ob Männedorf/ZH. 0.0., o.J. (1974) Musik in den technischen Medien. Probleme und Perspektiven der Aus— und Fortbildung von Medien-Mitarbeitern. Bericht über eine internationale Fachtagung des IMZ in Hamburg vom 2. bis 4. April 1979. Herausgegeben vom Internatio- nalen Musikzentrum Wien und der Deutschen Phono—Akademie e.V. Hamburg. Wiesbaden 1979 Musik und Publikum (Deutsche Schweiz)._Herausgegeben von M. Steinmann und E. Weibel (SRG Forschungsdienst). Bern 1979 Musikberufe und ihr Nachwuchs. Statistische Erhebungen 1960/61 des Deutschen Musikrates. Herausgegeben von Herbert Saß und Walter Wiora. Mainz 1961 - 171 -

Musikberufe und ihr Nachwuchs II. Statistische Erhebungen 1965/67 des Deutschen Musikrates. Herausgegeben von Herbert Saß. Mainz 1969 Neitzel, Lucian: Rundfunk und Erwachsenenbildung. Aufgaben, Probleme und Möglichkeiten einer pädagogischen Gestal- tung des kulturellen Wortprogramms. (Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft) Ratingen bei Düsseldorf 1965 Nitsche, Peter: Klangfarbe und Schwingungsform. München/Salz- burg 1978 Pauli, Hansjörg: Für wen komponieren Sie eigentlich ? Frank— furt/Main 1971 Radio Bremen, Hauptabteilung Erziehung (Hg.): 1948-1968. 20 Jahre Schulfunk Radio Bremen. Bremen o.J. (1966) Radio Bremen, Pressestelle (Hg.): 40 jahre rundfunk in bre— men. Erinnerungen, Berichte, Dokumente. Bremen o.J. (1964) Das gesamte Recht der Publizistik. Sammlung Delp RdPubl. Bd. 2 (Loseblattsammlung) Reinecke, Hans-Peter (Hg.): Das musikalisch Neue und die Neue Musik. Mainz 1969 Reinken, Liselotte von: Rundfunk in Bremen 1924—1974. Bremen 1975 Rösing, Helmut (Hg.): Symposium Musik und Massenmedien. Refe- rate gehalten am 10./11. Juni 1977 in Saarbrücken. München/ Salzburg 1978 Salmenhaara,-Erkki: Das musikalische Material und seine Behand- lung in den Werken 'Apparitions', 'AthmoSpheres', 'Aven— ture‘ und 'Requiem' von György Ligeti. Regensburg 1969 Schmidt, Christian Martin: Brennpunkte der Neuen Musik. Histo- risch-Systematisches zu wesentlichen Aspekten. Köln 1977 Schmidt, Hans-Christian (Hg.): Musik in den Massenmedien Rund- funk und Fernsehen. Perspektiven und Materialien. Mainz 1976 Schönberg, Arnold: Harmonielehre. Wien 1911, 3. Auflage 1921 Schönberg, Arnold: Stil und Gedanke u Aufsätze zur Musik. Gesammelte Schriften 1. Herausgegeben von Ivan Vojtech. Frankfurt/Main 1976 Schulze, EriCh: Die Politiker beim Wort nehmen. Vorschläge der Musikschaffenden im Spitzenverband Deutsche Musik Spidem. Bonn 1977, 3. Auflage 1982 Silbermann, Alphons: Musik, Rundfunk und Hörer. Die sozio- logischen Aspekte der Musik am Rundfunk. (Kunst und Kom— munikation. Schriften zur Kunstsoziologie und Massen— kommunikation. Bd. 1) Köln/Opladen 1959 (Originalausgabe Paris 1954) Soziographie des Musiklebens. Beiträge zur Datensammlung und Methodik. (Schriftenreihe Musik und Gesellschaft. Heft17) - 172 -

Spahlinger-Ditzig, Ursula: Neue Musik im Gruppenurteil. (Beiträge zur Systematischen Musikwissenschaft. Bd. 1) Hamburg 1978 Spitzenverband Deutsche Musik: Auftrag und Programm. Bonn 1982 Steinmann, M.; Weibel, E. (SRG-Forschungsdienst)(Hg.): Musik und Publikum (Deutsche Schweiz). Bern 1979 Stephan, Rudolf: Neue Musik. Versuch einer kritischen Einfüh— rung. Göttingen 1958, 2. Auflage 1973 Stephan, Rudolf (Hg.): Die Musik der sechziger Jahre. Zwölf Versuche. (Veröffentlichungen des Instituts für neue Musik und Musikerziehung Darmstadt. Bd. 12) Mainz 1972 Stockhausen, Karlheinz: Texte zur elektronischen und instru- mentalen Musik. Köln 1963 Stockhausen, Karlheinz: Texte zu eigenen Werken, zur Kunst Anderer, Aktuelles. Köln 1964, 2. Auflage 1975 Stuckenschmidt, H.H.: Neue Musik. Frankfurt/Main 1991 Vogt, Hans (Hg.): Neue Musik seit 1945. Stuttgart 1972, 2., erweiterte und Überarbeitete Auflage 1982 Der Handel des Musikalischen Hörens. (Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung. Bd. 3) Ber- lin 1962 ' Wangermee, Robert: Rundfunkmusik gegen die Kulturmoralisten verteidigt. Versuch zur künstlerischen Kommunikation. (Schriftenreihe Musik und Gesellschaft. Heft 16) Karls— ruhe 1975 Westdeutscher Rundfunk: Kommunikationsziele des Hörfunks. 0.0. (Köln) 1978 Zeppenfeld, Werner:'Tonträger in der Bundesrepublik Deutsch— land. Anatomie eines medialen Massenmarkts. (Bochumer Studien zur Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Bd. 18) Bochum 1978 Zweites Deutsches Fernsehen, Information und Presse/Öffent- lichkeitsarbeit: ZDF. Informationen für Sie. Musikka- nal und ZDF 2. Mainz 1983

2. Periodika

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Melos. Vierteljahresschrift für zeitgenössische Musik. Jg. 46; Jg. 47, Nr. 1. Mainz 1984 f. MusikTexte. Zeitschrift für neue Musik. Herausgegeben von Ulrich Dibelius u.a. Nr. 1—10. Köln 1983 ff. - 173 —

Neue Musik in der Bundesrepublik Deutschland. Dokumentation. Herausgegeben von der DeutschenSektion der Internatio- nalen Gesellschaft für Neue MUsik e.V. Dokumentationen 1957/58 bis 1979/80—1980/81. Verschiedene Verlagsorte. Neuland. Ansätze zur Musik der Gegenwart. Jahrbuch. Heraus— gegeben von Herbert Henck. Bd. 1-4. Köln 1980, ab Bd. 2: Bergisch Gladbach 1982 ff. Radio Bremen, Abteilung Presse und Publizistik (Hg.): Jahr- buch. 1950-1951, 1952-1953, 1954-1955. Bremen 1951‚(1953), (1955)

3. Einzelbeiträge_aus Periodika.

Eckhardt, Josef: Hörerminderheit 'E—Musik'. In: Das Orchester (Organ der Deutschen Orchestervereinigung). 25. Jg., Nr. 1/1977, S. 9—11 Goslich, Siegfried: Funkorchester und Fchöre in der Pionier- zeit des Rundfunks. In: Das Orchester. 28. Jg., Nr. 1/ 1980, S. 5-7 Goslich, Siegfried: Die Bedeutung der Rundfunkproduktion für die Entwicklung der zeitgenössischen Musik. In: Das 0r- chester. 28. Jg., Nr. 4/1980, S. 289-293

Katz, Anne Rose: Die Serenade aus dem Fenster. Hadiophones Stadtkenzert in Lohr am Main. In: medium. 13. Jg., Nr. 10/ 1983, S. 45 f. ' ' Kesting, Jürgen: Von Goethe reden, aber J.R. sehen. Der Michel und die Musen: Der STERN fragte die Bürger, was sie über Kultur denken, welche Geistesgrößen sie am meisten schät— zen und wie sie mit den schönen Künsten im Alltag umge— hen. In: Stern, Nr. 21/1984, 17.05.1984, S. 24-28 Kleinen, Günter: Massenmusik und Alltagsstrukturen. In: Musik- psychologie. Empirische Forschungen - Ästhetische Experi— mente. Jahrbuch der deutschen Gesellschaft für Musikpsy— chologie. Bd. 1. Wilhelmshaven 1984, S. 53—72 Lehr, Wolfgang: Programmauftrag und Wirtschaftlichkeit einer öffentlich—rechtlichen Rundfunkanstalt. In: Media Per- spektiven, Nr. 8/1983, S. 365a378 Magnus, Uwe: Unterhaltungsmusik als Gegenstand der Medien— forschung. In: Media Perspektiven, Nr. 10/1975, S. 467- 471 Messiaen, Olivier: Ein Vorwort. In: Stimmen. 1. dg., Nr. 3/ 1948, S. 82-86 Üehlschlägel, Reinhard: Kartelle und Monopole. Über die Stel— lung des Komponisten in der Musikwirtschaft. In: HiFi- Stereophonie, Nr. 8/1975, S. 581-585 -174-

Rühl, Manfred. Die Rundfunkgebühr — ein wohlfahrtsstaatlicher Preis. Versuch einer begrifflichen und problemorientier- ten Bestandsaufnahme sowie Hinweise auf Entwicklungsmög- lichkeiten einer Gebührenpolitik. In: Media Perspektiven, Nr. 8/1984, S. 589-605 Saxer, Ulrich: Kulturförderung durch die Rundfunkanstalten. Der öffentlich—rechtliche Rundfunk als Kunstmäzen. In: Media Perspektiven, Nr. 11/1981, S. 753-767 Schulze, Erich: Urheberrechte und verwandte Schutzrechte als Wirtschaftsfaktor. In: Musikspiegel. Informationsdienst des Spitzenverbandes Deutsche Musik (SPIDEM), Nr. 14, September 1983, S. 8-16 Schulze-Reimpell, Werner: Die rasante Talfahrt der tönenden Scheiben. In: Neue Musikzeitung. 33. Jg., Oktober/Novem- ber 1984, S. 41 Seifert, Wolfgang: Musik in den Massenmedien. Referat für das Musik- und Medienseminar der Deutschen Phonoakade- mie Bonn 25./26.4.1977. In: Das Orchester. 25. Jg., Nr. 7/8 /1974, S. 519-523 Steegmann, Monica: Nur Verwalter des Bestehenden ? Arbeits- felder und Aufgaben eines Musikredakteurs. In: Kirche und Rundfunk, Nr. 15/1979, 24.02.1979, S. 2-5 Stephan, Rudolf: Über Josef Matthias Hauer. In: Archiv für Musikwissenschaft. 18. Jg. (1981), S. 285—293 Strebel, Heinrich: Melos 1948. In: Melos. 14. Jg., Nr. 1/ 1946, S. 1—5 _ Thomas, Michael Wolf: Rundfunk hat goldenen Boden. Hörfunk, Fernsehen und die Plattenindustrie. In: medium. 6. Jg., Nr. 4/1978, S. 4-7 Nassner, Fernando: "Geld für leere Bänder". In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.08.1982. Zitiert nach Sonderdruck Zimmermann, Walter: Nische oder das Lokale ist das Universale - Essay. In: Auslander, P.; Fritsch, J.: weltmusik. Feed- back—Papers-Sonderheft. Köln 1981, S. 127—149

(ohne Verfasserangaben :) Da ist Musik drin. Bürger geben für Hörgenuß Milliarden aus. In: Kurier am Sonntag (Bremen), 14.10.1984, S. 8 Wie anziehend ist Kultur ? Kunstsenator gab Gutachten für Bremen in Auftrag. In: Weser—Kurier (Bremen), 29.05.1985

(In den Fußnoten angegebene Aufsätze aus unter 2. genannten Pe— riodika sind hier nicht gesondert aufgeführt.) — 175 —

4. Dokumente

ARD: Erklärung der Gremienvorsitzenden der ARD vom 19.10.1983 zur Position der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal— ten in der zukünftigen Medienlandschaft. Abgedruckt in: Media Perspektiven, Nr. 11/1983, S. 602 f. ARD: Stuttgarter Erklärung der ARD zur Medienpolitik. (Verab- schiedet von der Hauptversammlung der ARD am 30.11.1983 in Stuttgart.) Abgedruckt in: Media PerSpektiven, Nr. 11/ 1983, S. 601 ARD: Schreiben der ARD-RUndfunkanstalten an die Ministerpräsi— denten zur Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich—rechtlichen Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland. (Verabschiedet von den Intendanten der ARD am 30.04.1984.) Abgedruckt in: Media Perspektiven, Nr. 4/ 1984, S. 295-297 ' ARD/ZDF; Juristische Kommission: Synoose der rundfunkrechtli- chen Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland (Lan-- desrundfunkgesetze, Landesmediengesetze, Staatsverträge und deren Entwürfe). Stand: 20. Juni 1985. Abgedruckt in: Media Perspektiven Dokumentation, Nr. III/1985, S. 116—163 Bundesrepublik Deutschland, Bundesverfassungsgericht: Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht. Eine Do— kumentation des Prozeßmaterials. Herausgegeben von Gün— ter Zehner. 2 Bände. Karlsruhe 1964 f. Bundesrepublik Deutsbhland, Bundesverfassungsgericht: Das Ur- teil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 1971 zur Frage der Mehrwertbesteuerung der Rundfunk— und Fernseh— gebühren. (Inklusive des Textes der Verlautbarung der Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts Vom 27.7.1971 sowie der 'Leitsätze' zum Urteil). Abgedruckt in: Kirche und Rundfunk/Kirche und Fernsehen - Dokumentation, Nr. I/ 1971, 29.07.1971 Bundesrepublik Deutschland, Ministerpräsidenten: Vorläufiges ErgebniSprotokoll der Ministerpräsidentenkonferenz vom 17. bis 19. Oktober 1984_in Bremerhaven. Konzept der Län- der zur Neuordnung des RundfunkwesEns. Abgedruckt in: Me— dia Perspektiven, Nr. 10/1984, S. 791—793 Deutscher Kulturrat: Empfehlungen des Deutschen Kulturrates zur Medienentwicklung. (Am 19.06.1984 auf dem VII. Ple- num in Unna beschlossen.) AbgedrUckt in: Media Perspek— tiven, Nr. 10/1984, S. 733 f. Evangelische Kirche in Deutschland: Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Ordnung des Rund- funkwesens in der Bundesrepublik Deutschland (Juli 1984). “Abgedruckt in: Media Perspektiven, Nr. 7/1984, S. 571-573 “Inter Nationes (Hg.): Deutsches Musikleben '84. Bonn 1984

“Weiterhin wurden verschiedene Programmhefte usw. der 'pro musi- ca nova', des 'Rostrum of Composers' sowie einiger anderer Kon- zertveranstaltungen verwendet. - 176 -

5. Konzertberichte*

Hege_zgr_Ngugn_Musik_1952:

Ulmann, Hellmuth v.: Neue Musik im Rundfunk. In: Melos. 19. Jg., Nr. 4/1952, S. 120 f.

Nege_zur_Nguen_Musik_1959:

Roselius, Ludwig: Zweites zeitgenössisches Bremer Musikfest. In: Melos. 20. Jg., Nr. 4/1953, S. 121 f. pro musica nova 1961:

Blum, Klaus: Die Schwierigkeit maßzuhalten. In: Süddeutsche Zeitung ** Gähl, Hans: Klänge aus dem Laboratorium. In: Weser-Kurier (im folgenden: NK), 08.05.1961 Lewinski, Wolf—Eberhard v.: Spiele mit Klang und Sprache. In: Die Welt, 10.05.1961 Lewinski, WolfüEberhard v.: Kompositorische Spiele mit Klang und Farbe bei Radio Bremen. In: Melos. 28. Jg., Nr. 10/ 1961, S. 328-330 Piersig, Fritz: Kleiner Skandal um großen Lärm. In: Bremer Nachrichten (im folgenden: 8N), 08.05.1961“ Roselius, Ludwig: Klänge unserer Zeit. In: NK, 04.05.1961 Roselius, Ludwig: Zwischen Beifall und Pfui. In: NK, 06.05.1961 Stephan, Hans: Pro musica nova. In: Musica. 15. Jg., Nr. 9/ 1961, S. 500 - pro musica nova 1962:

Bachmann, Blaue-Henning: Vom Paradoxen in der Musik. In: Musica, 16. Jg., Nr. 4/1962, S. 198 LewinSki, Wolf—Eberhard v.: Avantgardisten entdecken die 0rgel. In: M8108. 29. dg., Nr. 7/8 /1962, S. 249-251 pro musica nova 1964:

Engelhard, Ernst 6.: "Nur Verzweiflung kann uns retten". In: WK, 07.05.1964 ph (Hentschel, Peterj: Grenzsituation. In: BN, 07.05.1964 Hentschel, Peter: Noch nicht gesellschaftsfähig ? In: BN, 09.05.1964 Hentschel, Peter: Totalkunst am letzten Tage. In: BN, 11.05.64 Mann, Carl-Heinz: Keine Schonzeit für den Flügel. In: Hambur- ger Abendblatt, 12.05.1964

* Zusammenstellung anhand der bei Radio Bremen gesammelten Presseaus- schnitte, ergänzt durch Berichte in Fachzeitschriften. ** in der Ausschnittsammlung ohne Datum geführt - 177 -

Meyer-Denkmann, Gertrud: Elektronik und Experimentalfilme ziehen auch in Bremen. In: Melos. 31. Jg., Nr. 10/1964, S. 310—312 Roselius, Ludwig: Kraftfelder und Klangorgien. In: WK, 09.05.1964 Boselius, Ludwig; Engelhard, Ernst G.: Zuckerguß für ungebak- kene Kuchen. In: WK, 11.05.1964 Spingel, Hans Otto: "Über Schwierigkeiten des Komponierens heute“. In: Die Welt, 23.05.1964 zm : Zeitgenössische Musik in Bremen. In: Neue Zürcher Zeitung '(Morgenausgabe), 13.06.1964 pro musica nova 1966:

Bachauer, Walter: Es ist alles nicht so schlimm, wie es ist. In: Die Welt, 13.05.1966 Freytag, Werner: Artistik, Charme und Zeitkritik. In: Hannover- sche Presse, 10.05.1966 Marco, Tomas: Pro müsica nova 1966. In: Musica Madrid (als deutsche Übersetzung vorliegend)* Metzger, Heinz-Klaus: Die Bremer Tage 'Pro Musica' 1966. In: Die Weltwoche, Zürich * Neubauer, Simon; Züghart; Manfred: Nutzlose Proben aufs Exem- pel. In: WK, 09.05.1966 ' Dehlschlägel, Beinhard: Mezkalin und scharfe Dialektik. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (im folgenden: FAZ), 18.05.1966 Piersig, Fritz: Festival musikalischer ArtiStik. In: BN, 07.05.1966 Piersig, Fritz; Hentschel, Peter: Instrumente — Elektronik - Sprache — Leinwand. In: BN, 09.05.1966 Roselius, Ludwig: Schließlich siegte die Heiterkeit. In: WK, 07.05.1966 - Schwinger, Wolfram: Ausflüchte der neuen Musik. In: Stuttgar- ter Zeitung, 14.05.1966 Schwinger, WOlfram: Bremer Uraufführungen: Flucht in die Vir- tuosität. In: Melos, 33. dg., Nr. 7/8 /1966, S. 234—236 Stephan, Hans: Pro musica nova. In: Musica. 20. Jg, Nr. 6/1966, S. 271 zm : Pro Musica Nova in Bremen. In: Neue Zürcher Zeitung *

t in der Ausschnittsammlung ohne Datum geführt - 178 -

Asche, Gerhart: Kammermusikalische Übungen am entgrenzten Ton. In: BN, 06.05.1968 Bachauer, Walter: Die Katze aus dem Lautsprecher. In: Die Welt, 16.05.1968 Burde, Wolfgang 6.: Schöngesang und Hexenkünste. In: Der Tages- spiegel, 08.05.1968 Burde, Wolfgang 6.: Festival der Avantgarde. In: Neue Zeit— schrift für Musik (im folgenden: NZ). 129. Jg., Nr. 6/ 1968, S. 245 f. es: Signale der Zukunft. In: BN, 07.05.1968 Freytag, Werner: Ein an die Konzertmusik. In: Hannover- sche Rundschau, 07.05.1968 Hommel, Friedrich: Provo—Stimmen in der Wüste. In: FAZ, 10.05.1968 Krellmann, Hanspeter: Sprache als Rohstoff. In: Düsseldorfer Nachrichten, 09.05.1968 - Krellmann, Hanspeter: Wenn die Sprache zum Klangträger wird. In: Kieler Nachrichten, 10.05.1968 Krellmann, Hanspeter: Der jüngste Stand der Komposition. In: Stuttgarter Zeitung, 10. 05. 1968 Krellmann, Hanspeter: Aus Reden Musik gemacht. In: Kölner Stadtanzeiger, 12.05.1968 Krellmann, Hanspeter: Pro musica nova. In: Musica. 22. Jg., Nr. 4/1968, S. 272 Limmert, Erich: Leb wohl, du schönes Saitenspiel. In: Hanno- versche Allgemeine Zeitung, 07.05.1968. Unter dem gleichen Titel erschienen in: Darmstädter Echo, 16.05.1968 Limmert, Erich: Bremer Musiktage mit 16 Uraufführungen. In: Melos. 35. Jg., Nr. 7/8 /1968, S. 301 f. Neubauer, Simon: Wege und Irrwege im Klangkosmos. In: WK, 06.05.1968 S.N. (Neubauer, Simon): Neue Töne auf dem Klangspektrum. In: WK, 07. 05. 1968 Pauli, Hansjörg: Ohne Pendant. In: Die Zeit, 10.05.1968 Piersig, Fritz: Adieus an die Konzertmusik. In: BN, 06.05.1968 Rulfs, Christian: Klangmedium Orgel. In: BN, 06.05.1968 Züghart, Manfred: Experimente mit der menschlichen Stimme. In: WK, 06.05.1968 - 179 n pro musica nova 1970: __—..__..—..—..—.———— Asche, Gerhart: Schweigen mit Unterbrechung. In: BN, 29.05.1970 Asche, Gerhart; Bulfs, Christian; Piersig, Fritz: Akustische Attacken geschritten. In: BN, 01.06.1970

Bachauer, Walter: Die Bundeswehr marschiert nach Noten. In: Die Welt, 18.06.1970 - Baucke, Ludolf: Neue Musik auf dem Rasen. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 03.06.1970 -ff—: Wieder 'Pro musica nova 1970'. In: Stedinger Bote, Ber- ne, 30.05.1970 Freytag, Werner: Bremen: Licht aus und spontane Stille. Musi-‘ kalischer Aufstand gedeutet. In: Göttinger Presse. Zei- tung für Südhannover, 29.05.1970 Freytag, Werner: Neue Musik in Bremen gab sich revolutionär. In: Hannoversche Rundschau, 01.06.1970 Freytag, Werner: Neue Musik in Bremen bald unter dem Rasen. In: Hannoversche Presse, 03.06.1970 -hi: Kehraus 'pro musica nova'. In: Bremer Bürgerzeitung, 05.06.1970 Kirchberg, Klaus: Musik und Revolution in Bremen. In: Musik- handel, Nr. 4/1970, S. 156 f. Krellmann, HenSpeter: Musik als sozialer Auftrag. In: Darm- städter Echo, 05.06.1970 Krellmann, HanSpeter: Musikalische Wehrzersetzung ? In: West- falen-Blatt, Bielefeld, 06.06.1970 Krellmann, Hanspeter: Ein Heeresmusikkorps spielt Avantgardi» stisches. In: Lahrer Anzeiger. Mittelbadische Heimatzei— tung, Lahr* Krellmann, Hanspeter: Pro Musica Nova 1970. In: Musica. 24. Jg., Nr. 5/1970, S. 463 f. Krellmann, Hanspeter: Pro Musica Nova 1970. In: Schweizerische Musikzeitung (im folgenden: SMZ). 110. Jg., 1970, S. 260 f. Lück, Hartmut: Einzug der Bundeswehr in die Neue Musik. In: Neue Musikzeitung (im folgenden: NMZ). Nr. 3/1970 Mahlke, Sybill: Klänge im Schatten der Wirklichkeit. In: Der Tagesspiegel, 02.06.1970 0ehlschlägel, Beinhard: Auf der Suche nach kritischer Musik. In: Stuttgarter Zeitung, 27.06.1970

Piersig, Fritz; Ehlers, Hans-Dieter: Strenge Präzision — freie Aktion. In: BN, 30.05.1970 Boselius, Ludwig: Pro musica nova. In: WK, 29.05.1970 Boselius, Ludwig: Tonwerk und Machwerk. In: WK, 30.05.1970

* in der Ausschnittsammlung ohne Datum geführt - 180 —

—ss-: Der Spielplatz 'Pro musica nova'. In: Delmenhbrster Kreisblatt* Nendland, Jens: Neues_von Nono und Kagel. In: Neue Osnabrücker Zeitung, 04.06.1970 Züghart, Manfred; BoSelius, Ludwig: Der Spielplatz bleibt nach allen Seiten offen. In: NK, 01.06.1970 pro musica nova 1972:

Albrecht, Herbert: Entregelung aller Sinne. In: BN, 08.05.72 Asche, Gerhart: Das Publikum wird frei. In: BN 08.05.1972 Asche, Gerhart: "Ich finde die Tragödie schön bescheuert." (Interview mit John Cage). In: BN, 10.05.1972 G.A.: Das Publikum wird frei. In: Nordsee—Zeitung, Bremer— haven, 09.05.1972 Bachmann, Blaue-Henning: 'Pro musica nova' in Bremen. In: Lübecker Nachrichten, 19.05.1972 Bachmann, Claus-Henning: Der Rattenfänger von Bremen. In: Badische Neueste Nachrichten, Karlsruhe, 25.05.1972 Bachmann, Blaue-Henning: Ein Traumhaus für die Musik. Ein» drücke von den Tagen 'Pro musica nova'. In: NZ. 133. Jg., Nr. VII/1972, S. 384—386 Eberle, Gottfried: John Cage und die Folgen. In: Der Tages— spiegel, Berlin, 11.05.1972 Herbort, Heinz Josef: Die neueste neue Musik. In: Die Zeit, 12.05.1972 Hommel, Friedrich: Manchmal ein frischer Nindstoß. In: FAZ, 07.06.1972 Krellmann, Hanspeter: Europa ruft John Cage. In: Badische Zeitung, Freiburg, 15.05.1972 Krellmann, Hanspeter: Die Avantgarde altert. In: Main—Echo, Aschaffenburg, 19.05.1972 Krellmann, Hanspeter: Pro musica nova. In: SMZ, 112. Jg., 1972, S. 229—231 Lesch, Helmut: Wird Neue Musik wieder anhörbar ? In: AZ Mün- chen, 10.]11.05.1972 Lesch, Helmut: Bremens Musica nova-Tage. In: NMZ, Juni/Juli 1972 Lesle, Lutz: Wo Beethoven nur noch schlummert. In: Die Welt, 12.05.1972 Lex, Hans-Eberhard: John Cages Geräuschsalat im Glockensaal. In: Braunschweiger Zeitung, 18.05.1972 Limmert, Erich: Eine Fülle von Informationen. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 10.05.1972 Limmert, Erich: Die Avantgardisten treffen sich in Bremen. In: Melos. 39. Jg., Nr. Vl1972

* in der Ausschnittsammlung ohne Datum geführt - 181 -

Matysiak, Günter: 'Pro musica nova 1972' in Bremen. In: Delmen- horster Kreisblatt, 16.05.1972 ' Neubauer, Simon; Zü(ghart, Manfred): Die Magie der Nieder- holung. In: NK, 09.05.1972 Piersig, Fritz; Gehl, Imke: Brücken in neue Bereiche. In: BN, 09.05.1972 Polaczek, Dietmar: Anarchie, Irrationalität - und Skepsis. In: Süddeutsche Zeitung, 27./2B.05.1972 L.B.: Drei moderne Streichquartette uraufgeführt. In: NK, 08.05.1972 ' Züghart, Manfred; S.N. (Neubauer, Simon): Material für Augen und Uhren. In: WK, 08.05.1972 Züghart, Manfred; S.N. (Neubauer, Simon): Neue Gestaltung „ neue Wahrnehmung. In: NK, 10.05.1972 o.V.: John Cage und David Tudor kamen an. In: BN, 05.05.1972, S. 25 o.A.*: Brennende Kerzen spielen Klavier. In: AZ München, 09.05.1972 pro musica nova 1974:

Albrecht, Herbert: Warum die Musik notwendig ist. In: BN, 06.05.1974 Albrecht, Herbert: Ziel ist das Gesamtkunstwerk. In: BN, 06.05.1974 Asche, Gerhart: Sendesaal: Fritsch, Gehlhaar, Hespos. In: BN, 06.05.1974 Asche, Gerhart: Dada und die Folgen. In: BN, 30.05.1974 C.H.B. (Bachmann. Claus—Henning): Das angekratzte Bewußtsein. In: Mannheimer Morgen** Bachmann, Blaue-Henning: Mehr als Schein kann Kunst nicht geben. In: National—Zeitung Basel, 01.06.1974 Bachmann, Claus-Henning: Appell ans Unbewußte _ 'Pro musica nova' 1974. In: NZ. 135. Jg., Nr. VII/1974, S. 440-443 Bachmann, Claus—Henning: 'Pro musica nova' 1974. In: SMZ. 114. Jg., 1974, S. 236-238 Baucke, Ludolf: Von der Kunsthalle zum Teufelsmoor. In: Hanno- versche Allgemeine Zeitung, 07.05.1974 Burda, Wolfgang: Ein Festival der Antithesen..In: Der Tages- spiegel, Berlin, 08.05.1974 -es—: Gags ohne Esprit. In: Bremer Bürgerzeitung, 10.05.1974 Heiderich, Günter: Der moralische Schock bleibt aus. In: NK, 06.05.1974

* in der_Ausschnittsammlung ohne Angabe geführt ** in der Ausschnittsammlung ohne Datum geführt - 182 -

Heiderich, Günter; S.N. (Neubauer, Simon): Nicht immer bewäl— tigte Ansprüche. In: NK, 07.05.1974 Herbort, Heinz Josef: Mit Hammer und Flegel. In: Die Zeit, 10.05.1974 Krellmann, HanSpeter: Ein melancholisch getönter Abgesang. In: Rheinische Post, 10.05.1974 Lichtenfeld, Monika: Pro musica nova 1974. In: Musica. 28. Jg., Nr. 4/1974, S. 343 f. Muggler, Fritz: Pro Musica Nova in Bremen. In: Melos. 41. Jg., Nr. V/1974, S. 301-303 F.P. (Piersig, Fritz): Es gab auch Kleinholz. In: 8N, 06.05.1974 Polaczek, Dietmar: Ein Stachel im Fleisch der Musikfeste. In: Süddeutsche Zeitung, 08.05.1974. Polaczek, Dietmar: Die Materialien miteinander vermählen. In: Süddeutsche Zeitung, 13.05.1974 Wichmann, K.E.: Zimmermann, Globokar und Heißenbüttel. In: BN, 06.05.1974 pro musica nova 1976:

Albrecht, Herbert: Bewußtsein soll durch Aktionen geschärft werden. In: BN, 04.05.1976 Bachmann, Claus-Henning: Nie das Eis im Glashaus schmilzt. In: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 27.06.1976 Bachmann, Claus-Henning: Pro musica nova. Die privaten Mytho- logien. In: Melos/NZ. 43./137. Jg., Nr. 4/1976, S. 308- 311 Baucke, Ludolf: Blick Zurück in Neugier. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 21.05.1976 Becker-Foss, H.C.: Varel gewidmete Klänge. In: BN, 15.05.1976 bs: Konzertbesuch nur in Badehose. In: BN, 04.03.1976 Degens, R.N.: Nieww muziek voor onder en boven water. In: Trouw, Niederlande, 19.05.1976 Diederichs—Lafite, Marion: 'Pro Musica Nova' in Bremen. In: Dsterreichische Musikzeitschrift (im folgenden: 0MZ). 31. Jg.‚ Nr. 6/1976, S. 310 f. Fuhrmann, Peter: Meditation und Unterwasser-Spektakel. In: Musica. 30. Jg., Nr. 4/1976, S. 314-316 kd; S.N. (Neubauer, Simon): Der Meister und seine Jünger. In: NK, 18.05.1976 Kleinau, Peter: Musik für die Psyche importiert aus USA. In: Nürnberger Zeitung, 26.05.1976 Lesch, Helmut: Christina ließ Pianisten fingern. In: AZ Mün- chen, 18.05.1976 183 -

Neubauer, Simon; L.R.: Improvisationen verschieden er Art. In: WK, 15./16.05.1976 S.N. (Neubauer, Simon): Underwater Music. In: WK, 18.05.1976 Neubauer, Simon: Entspannung durch sanfte Klänge. In: NK, 21.05.1976 F.P.: Beispiele exotischer Musikpflege. In: BN, 18 .05.1976 Polaczek, Dietmar: Musik, o du mystischer Kunsthonig ! In: Süddeutsche Zeitung, 18.05.1976 Polaczek, Dietmar: Musik in der Badehose, aus Eisblöcken und mit Puppen. In: Neue Zeit, Österreich, 02.06.1976 Sandner, Wolfgang: Überhitztes Klavier. In: FAZ, 25.05.1976 Spingel, Hans Otto: Für Hörer im Schneidersitz. In: Die Welt, 29.05.1976 Züghart, Manfred: Klangmeditationen in Guru-Pose. In: NK, 17.05.1976 pro musica_n2va 1918:

Baucke, Ludolf: Wo Frauen ihre Stimme entdecken. In: Hannover- sche Presse, 10.05.1976 Hentschel, Peter: Wie man den Eisblock Kunst zum Schmelzen bringt. In: BN, 09.05.1978

Hentschel,.Peter: Passierschein für Musica Nova. In: BN, 10.05.1978 ph (Hentschel, Peter): Da gab es allerlei Schlagfertigkeiten zu bewundern. In: BN, 11.05.1978 Hentschel, Peter: Avantgardistisches aus traditioneller Schu- le. In: BN, 12.05.1978 ph (Hentschel, Peter): Biblische Winde inspirierten. In: BN, 13.05.1978 Koch, Gerhard R.: Die Stimme der Frau. In: FAZ, 26.05.1978 Kech, Gerhard 6.: Zum zehnten mal 'Pro Musica Nova' Bremen. In: OMZ. 33. Jg., Nr. 7/8 /1978, S. 408 f. Neubauer, Simon: Anbruch der Frauen-Herrschaft. In: WK, 08.05.1978 Neubauer, Simon: Die Last des großen AUfwandes. In: NK, 11.05.1978 Züghart, Manfred: Konzert für ein gefrorenes Cello. In: WK, -06./07.05.1978 Züghart, Manfred: Die phänomenale Meredith Monk. In: WK, 08.05.1978 Züghart, Manfred: Die Befreiung von kulturellen Zwängen. In: WK, 09.05.1978 Züghart, Manfred: Und alles endete in Frieden. In: WK, 12.05.1978 -184»

21‘9. 51021584192 1910: Bachmann, Claus-Henning: Gedankenfracht und Narkotika. In: Tages-Anzeiger, Zürich, 21.05.1980 Bachmann, Clau5*Henning: Ein Fest für Neue Musik tritt an der Stelle. In: Vaterland, Luzern, 23.05.1980 Bachmann, ClaUSvHenning: 'Pro musica nova' 1980 in Bremen. In: Schaffhauser Nachrichten, 24.05.1980 Bachmann, Claus-Henning: Alptraum von den Traumtänzern. In: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 25.05.1980 Bachmann, Claus-Henning: Weltschmerz-Musik und Musikthera- pie. In: Neue Zeit, Österreich, 25.05.1980 Bachmann, Claus-Henning: Die Musik—Avantgarde hat keine Biß mehr. In: Nordsee-Zeitung, Bremerhaven, 27.05.1980 Bachmann, Claus-Henning:A1tert die Neue Musik rascher ? In: Baseler Zeitung, 30.05.1980 Bachmann, Claus—Henning: Musikalische Avantgarde hat gar kei- nen Biß mehr. In: Lübecker Nachrichten, 05.06.1980 Bachmann, Claus-Henning: 'Pro musica nova 1980' in Bremen. In: ÖMZ. 35. Jg., Nr. 7/8 /1980‚ S. 400 f. Baucke, Ludolf: Das Ohr ist kein Mülleimer. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22.05.1980 Gronemeyer, Gisela: Feine Klavierstücke vom Lochstreifen. Die neue Musik war beim Festival in Bremen nicht son— derlich neu. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 22.05.1980 ig: Neue Einfachheit zelebriert. Soloperformance von Lucinda Childs im Concordia-Raumtheater. In: BN* Jungheinrich, Hans-Klaus: Man—Nam und TamnTam. In: Frankfur— ter Rundschau, 23.05.1980 Lück, Hartmut: 'Pro musica nova' hat elitären Zirkel verlassen. In: BN, 09.05.1980 ' Lück, Hartmut: Mit Baßklarinette und Streichquartett auf neuen Wegen. In: BN, 10.05.1980 Lück, Hartmut: MUSik für Orgel, Tonband und tanzenden Schlag— zeuger. In: BN, 12.05.1980

H.L. (Lück, Hartmut): Performance mit Durststrecken. In: BN, 12.05.1980

Lück, Hartmut: Sechs Pianisten improvisierten Über das hohe C. - In: BN, 14.05.1980 H.L. (Lück, Hartmut): Klang-Architektur in der Kunsthalle. In: BN, 31.05.1980 Lück, Hartmut: Sechs Pianisten Und das hohe C. In: Süddeutsche Zeitung, 10.06.1980 Lück, Hartmut: Schwarze Messe mit originellen Show—Effekten. Virtuoses und Abgeschmacktes bei Bremens 'Pro musica nova'. In: NMZ, Nr. 3/1980

in der Ausschnittsammlung ohne Datum geführt - 185 -

Lück, Hartmut: 'Pro musica nova'. In: SMZ, Nr. 4/1980* Matthes, Werner: Das Abenteuer der 'Gruppen für 3 Orchester'. In: Nordwest—Zeitung, Bremerhaven, 10.05.1981 Neubauer, Simon: Bewegte Klänge. Stockhausens 'Gruppen für drei Orchester' in der Glocke. In: WK, 09.05.1980** S.N. (Neubauer, Simon): Vom Einsehen zum Schwarzsehen. MultiMe- dia, Video-Performance, Kammer- und Orgelkonzert und Vorträge bei ‘Pro musica nova'. In: WK, 12.05.1980 Neubauer, Simon: Magie der Wiederholung. Lucinda Childs gab einen Tanzabend im Rahmen von 'Pro musica nova'. In: WK, 13.05.1980 Schalz-Laurenze, Ute: Freier Umgang mit dem Klang. Hans Peter Haller gestaltet aufschlußreiche Workshops zu den Tagen 'Pro musica nova'. In: WK, 08.05.1980 Schalz-Laurenze, Ute; G.H.: Neue Lust an Neuer Musik. In: WK, 10.05.1980' Züghart, Manfred: Amerikas Beitrag zur neuen Musik. Werke für Tasteninstrumente zum Abschluß der Woche 'Pro musica nova'. In; WK, 14.05.1980

Erg musiga_n2va 1982:

Baucke, Ludolf: Wildes Hören und Zufallsklänge. In: Hannover— sche_Allgemeine Zeitung, 17.05.1982 Gehl, Imke: "Gerade weil Bremen nicht New York ist, kann man hier so viel machen !" (Interview mit Hans Otte.) In: BN, 01.05.1982 Koch, Gerhard 8.: Das wohlorganisierte Tohuwabohu. In: FAZ, 19. 05.1982 Kühn, Georg—Friedrich: Salatherzen als Beilage. In: FB, 24.06. 1982 Kühn, Georg-Friedrich: Lustvolle Happenings. Cage und Vostell bei der Bremer 'pro musica nova'. In: Musica. 36. Jg., Nr. 4/1982, S. 355 f. Lesle, Lutz: Das Haus voller Töne. In: Die Welt, 13.05.1982 Lesle, Lutz: Sandkastenspiele - und Kies wird immer wieder rot. In: Allgemeines Deutsches Sonntagsblatt, Nr. 21/ 1982, 23.05.1982 Lesle, Lutz: Vordersinn hintersinnig durchkreuzen. In: Stutt- garter Zeitung, 02.06.1982 Lück, Hartmut: Rebellion für zwei Klaviere. In: 8N, 06.05.1982 ck (Lück, Hartmut): Musik von extremer Privatheit. In: BN, 08.05.1982 Lück, Hartmut: Wie auf dem Highway. In: BN, 10.05.1982 ck (Lück, Hartmut): Greinender Guru Terry Biley. In: BN, 10.05.1982

* in der Ausschnittsammlung ohne Seitenzahl geführt ** Ein Abdruck hieraus findet sich in: Das Orchester, Nr. 7/8 /1980, S. 625 f. — 186 -

Lück, Hartmut: Konstruktionen und Zufälle. In: BN, 12.05.1982 Lück, Hartmut: Eine Sinfonie der Tausend. In: BN, 12.05.1982 Lück, Hartmut: Eine Sinfonie der Tausend. In: NMZ, Nr. 3/1982 Lück, Hartmut: Mit Kochtöpfen und Supransarrusuphon. In: SMZ. 122. Jg., Nr. 4/1982, S. 282—284 S.N. (Neubauer, Simon): "Wünsche meinem Werk alles Gute." (Gespräch mit John Gage.) In: NK, 05.05.1982 Üehlschlägel,„Reinhard: Experimentelle Kompositionen im Rück— blick. In: NZ. 143. Jg., Nr. VIII/1982, S. 39 f. usl (Schalz—Laurenze, Ute): Anfangs- und endlose Klangteppiche. In: WK, 04.05.1982 Schalz-Laurenze, Ute: Der Traum des John Cage. In: NK, 12.05.1982 Schönberg, Wolf—Christoph: Das 'Pro musica nova'—Festival in Bremen. In: FonoForum, Nr. 7/1982 Schreiber, wolfgang: A House Full of Music. In: Süddeutsche Zeitung, 19./20.05.1982 Züghart, Manfred: Stilistische Wandlungen ins Extrem. In: NK, 06.05.1982 Züghart, Manfred: “Zu bewältigen ist das Unmögliche". In: NK, 12.05.1982 pro musiga_n2va 1984:

Herbort, Heinz Josef: Der Sinn des Un—Sinns. Szenisches Hör- spiel: Mauricio Kagels "...nach einer Lektüre von Orwell" in Bremen. In: Die Zeit, Nr. 23/1984, 01.06.1984 Lück, Hartmut: Das Horn aus Lothringen. In: BN 10.05.1984* Lück, Hartmut: Einen Tag lang “Klavier—Marathon". In: BN, 14.05.1984 Lück, Hartmut: Phon-Faschismus statt Musik. In: BN, 15.05.1984 S.N. (Neubauer, Simon); Schalz—Laurenze, Ute: Grenzüberschrei— tungen._dapanische Komponisten und Interpreten eröffneten das Festival 'Pro musica nova'. In: BN, 07.05.1984 ‘ Neubauer, Simon: Totalitäre Bedrohung. Szenische Uraufführung von Mauricio Kagels "... nach einer Lektüre von Orwell". In: BN, 14.05.1984 usl; -ck (Schalz—Laurenze, Ute; Lück, Hartmut): Miniaturen. Zwei Demonstrationen bei 'Pro musica nova'. In: 8N, 08.05. usl (Schalz-Laurenze, Ute): Sehnsucht nach neuen Klängen. In: BN, 09.05.1984 Schalz-Laurenze, Ute: Kongenialer Nachvollzug. Herbert Henck spielte bei der 'Nova' Klaviersonaten von Boulez. In: BN, 11.05.1984 Züghart, Manfred: Grenzgänger Gerhard Rühm. In: BN, 12.05.1984

* Zur 'pro musica nova' 1984 verfügten BN und NK bereits über einen identischen Kulturteil, so daß sich sämtliche in den BN veröffent- lichten Rezensionen gleichfalls in dem NK finden. - 187 -

VERZEICHNIS DER BEI DER ' PRO MUSICA NÜVA' AUFGEFÜHRTEN WERKE

'PRD MUSICA NÜVA' 1961

Die Wiener Schule Anton Webern op. 7, op. 8, op. 10, op. 14, op. 24 Alban Berg _ Klarinettenstücke op. 5 Arnold Schönberg Suite ap. 29 Die Klassiker der Moderne Igor Strawinsky Serenade en la Bela Bartök Improvisationen op. 20 Paul Hindemith Klaviermusik 0p. 37 Die neue Komponistengener ation Bo Nilsson Reaktionen UA Henri Pousseur Caractäres UA Franco Evangelisti Aleatorio UA Roman Haubenstock-Ramati Mobile for Shakespeare UA John Cage Musik for Cärillon I und II # Hans G Helms/Hans Dtte 'daidalos' - Komposition in UA sieben Szenen für vier Vokal- solisten und Instrumentalen- semble Kompositionsabend Karlhei nz Stockhausen Karlheinz Stockhausen für 3 Spieler (ders.) Klavierstück IX ' UA (ders.) Zyklus für einen Schlagzeuger (ders.) Kontakte für elektronische Klänge, Klavier und Schlagzeug Musique concräte - Filmes experimentales Kompositionen der 'Groupe de Recherche Musicales‘ Michel Philippot Ambiance I Yanis Xenakis Diamorphoses Francois—Bernard Mache Prelude Mireille Chamass Etude I Luc Ferrari Täte et queue du Dragon Pierre Schaeffer Etude aux objects Experimentalfilme der 'Gr oupe de Recherche Images' . Jacques Brissot Dbjets animes (MUsik: Pierre Schaeffer) Gerard Patris Chute d'Icare (Musik: Mireille Chamass) Piotr Kamler Conte (Musik: F.-B. Mache) Gerard Patris Caustiques (Musik: F.—B. Mache) Raymond Hains Etude aux allures (Musik: Pierre Schaeffer) Peter Kassovitz Steinberg (Musik: ) Ausstellung 'Neue musikalische Graphik'

LEGENDE : UA : Uraufführung ' EE : Europäische Erstaufführung DE : Deutsche Erstaufführung # : geplante Aufführung konnte nicht stattfinden - 188 — 'PRU MUSICA NOVA' 1962

Neue Orgelmusik Hans Otte alpha—omega UA György Ligeti Volumina UA Bengt Hambraeus Interferenzen UA Mauricio Kagel Improvisation ajoutee UA

Herkabend Hans G Helms Hans G Helms Präliminarien zu einer Lesung Der Autor Gisela Sauer- Kontarsky und Cathie Berberian lesen aus Fa:m'Ahniesgwow und den Geschichten von Yahud Golem: Polemik für 9 Vokal- UA solisten Musik - Theater - Tanz Franco Evangelisti Incontri di fasce sonore (Film des NDH) Caroline Brown und Merce Cun— UA ningham tanzen (Musik: John Cage, Christian Wolff) Mauricio Kegel Sur Scäne UA

Ausstellung 'Neue musikalische Graphik' mit Arbeiten von Earl Brown, Sylvano Bussotti, John Cage, Franco Evangelisti, Roman Haubenstock—Ramati, Bengt Hambraeus, Mauricio Kagel, György Ligeti, Hans Ütte, Karlheinz Stockhausen - 189 —

'PRO MUSICA NÜVA' 1964

Eröffnungskonzert Theodor w. Adorno (Vortrag:) Über einige Schwie- rigkeiten des Komponierens heute Anton Nebern Streichquartett op. 28 Pierre Boulez Heft für Streicher 1,2 und 3 Neue Klaviermusik Pierre Boulez Structures Heft 2 Walentin Silvestrow Zeichen—Serenade UA Earle Brown Corrobborree UA Sylvano Bussotti Tableaux vivants (avant 1a UA Passion selon Sade) Milko Kelemen Dessins commentes UA Mensura sortis ' UA‚# Neue Bläsermusik KlauS'Hashagen Rondell für Bläserquintett UA Norbert Linke Coloratura per tre flauti UA Dieter Schönbach Hoquetus für Bläseroktett UA (in Zusammenarbeit mit Günter Neseler) Ernst—Albrecht Stiebler Stadien für 3 Klarinetten UA Hans Werner Henze Quintett für Bläser Elektronische Musik und Experimentalfilm Luigi Nono Dmaggio a Vedove DE Josef Anton Riedl Studien 1962-1‚2 _ UA Toshi Ichiyanagi Parallel Music DE Robert Lapoujade Prison (Musik: Luc Ferrari) DE Gerd Dahlmann 27min.45sec. Film nach Samuel DE Becketts Texte um Nichts (Musik: Charlotte Niemann) - 190 -

'PRÜ MUSICA NOVA'

Vortrag Theodor w. Adorno Über einige Schwierigkeiten in der Auffassung neuer Musik

Neue Vokal- und Instrumentalmusik Cornelius Cardew “solo with accompaniment UA für Flöte und Klavier Henri Pousseur phonemes pour cathy UA für Solostimme Yannis Xenakis nomos für Violincello solo UA Luciano Berio sequenza III für Solostimme UA Earle Brown Music for Cello and Piano

Musiktheater Hans Otte modell — eine probe aufs UA exempel Mauricio Kagel tremens — szenische montage UA eines tests

Vokal- und Instrumentalmusik - Elektronik Luc Ferrari und so weiter für Klavier UA und Tonband John Cage aria with fontana mix für eine Solostimme und Tonband Herbert Brün non sequitur VI für Flöte, UA Violoncello, Harfe, Klavier, Schlagzeug und Stereotechnik Cathy Berberian stripsody for one Voice UA Cardew/Hzewski plus—minus für zwei Spieler von KarlheinzStockhausen Franco Evangelsti Franco Evangelisti proiezioni sonore (ders.) vom schweigen zu einer neuen musik (erste Öffentliche Lesung)

Texte und Filme Samuel Beckett 'spiel' (Regie: Karl Fruchtmann) Kurt Schwitters lautsonate - anna blume (histo- rische Tonbandaufnahme des SDR, 1927) Jean Antione 'metamorphoses - dieu est il UA pop ?‘ - 191 —

'PRO MUSICA NÜVA' 1968

Chorkonzert Dieter Schnebel deutsche messe . _ UA geistliche Chormusik dt 31,6 amn :!(madrasha 2) Hans G Helms konstruktion für 16 Chor— UA sänger Konrad Boehmer/Ferdiw jugend Komposition für UA nand Kriwet Sänger und Instrumente Orgelkonzert- Ernst Albrecht Stiebler betonungen UA Gerd Zacher szmaty UA Sylvano Bussotti julio organum julii (litur— UA gia d'organo 1968) Luis de Pablo modulos V pour orgue UA Kammermusik I Rainer Riehn 'leb wohl du schönes saiten- UA,# 'spiel' termini technici (nach Leopold Mozarts gründlicher Violinschule, i787, 3. Auflage) Arnold Schönberg op. 45 (Ersatz für obiges Werk) Hans-Joachim Hespos endogen - UA Guiseppe G. Englert ‘tarok' un jeu musical pour UA 3 ä 6 instruments ä cordes Kammermusik II Bojidar Dimov komposition III für Bläsern UA quintett Krzysztof Penderecki cappricio per siegfried palm UA Jeanne Hericard metathäses (extraits de UA flaubert modules) scene pour soprano Isang Yun no — re für Violoncello und UA Klavier Günther Becker serpentinata für fünf Bläser UA Filme und Elektronik Mauricio Kegel solo (Filmproduktion III. Pro— gramm NDR/HB/SFB) 'funktion grün' für elektro- UA nische Klänge- ' Hans Otte nolimetangere (Fernsehproduk- tion von SWF III) Karlheinz Stockhausen 'kurzwellen' für 6 Spieler - 192 -

'PRO MUSICA NOVA' 197D

Vortrag Heinz—Klaus Metzger Die organische Zusammensetzung der Musik

Neue Kammermusik 1 Cäsar Bolarios 'Nacahuasu' für drei Kammer- UA musikgruppen Juan Allende-Blin 'Silences interrompus' für UA. Klarinette, Kontrabaß, Klavier Mariano Etkin 'Muriendo entonces' für Kam— UA mermusikensemble Leo Brouwer 'El Reino de Este Mundo' für EE Bläserquintett Tomas Marco 'Tea-Party' für Vokalisten _ UA und Instrumentalisten

Diskussion Neue Musik und Rundfunk Neue Kammermusik 2 Gottfried Michael Koenig Übung für Klavier UA Iraj Schimi Triglotte für Oboe, Klari- UA nette, Fagott Pierre Boulez Sonate III: Constellation mi— roir Giuseppe Chiari Dpera UA Filme, elektronische und instrumentale Musik Takahiko Iimura, Kurt Filme Kren, Vlado Kristl, Die- ter Meier, Otto Muehl Vincent Schwab Light Show Josef Anton Riedl Musik, Regie

Diskussion Neue Musik und Journalismus Orgel- und Chormusik Friedrich Cerha 'Verzeichnis‘ für 16 Stimmen UA Peter Schulze 'Alerte Alors' für Orgel UA Morton Feldman 'Chorus and Instrumente II' EE (ders.) 'Christian Wolff in Cambridge'EE Dieter Schnabel 'Choralvorspiele' für Orgel UA Mauricio Kegel Halleluja Engagierte Musik Mauricio Kagel 'Klangwehr' für schreitendes UA Musikkorps und LautSprecher Luigi Nono 'Non Consumiamo Marx' DE (ders.) 'Manifest No. 1' für zwei Vo- kalisten und Tonband Ferdinand Kriwet 'Apollo Amerika' * Hörtext Co-Produktion des SNF,NDR,BR - 193 -

Niederländische Komponisten Sonate op.2 Nr. 1 DE Misja Mengelberg Amaga UA - Hypothema UA Konrad Boehmer Weg szenisches Moratorium UA für Akteure und Musiker Rotes Kino: Italien — Lateinamerika Revolutionäres Studen- 'Filmmitteilüng Nr. 1: Der Angriff' komitee Huelga Anonymes Arbeiter-Film- 'Arbeitskampf in Italien' kollektiv Maria Handler, Montevi- 'Mir gefallen die Studenten' deo (Kubanische Produktion) 'Now' (dass.) 'I Johnson I' (Columbianische Produk— 'Der Zug' tion) —194-

'PRÜ MUSICA NÜVA' 1972

Environments John Cage Mureau DE David Tudor Hainforest DE Ausstellung 'Hören und Sehen. Texte—Bilder—Environments' mit Exponaten von John Cage, Dick Higgins, La Monte Young, Mauricio Kegel, Hans Dtte, Nam June Paik, Dieter Schnebel, Karlheinz Stockhausen (Eröffnungskonzert:) John Cage Music for Marcel Duchamp Musik für Streichquartett ‘ _ Christian Nolff Lines UA Helmut Lachenmann Gran Torso UA Carlos Farinas Tatomaite UA Sonic Arts Union Robert Ashley In Sara (ders.) „Mencken (ders.) Christ and Beethoven there were men and women Alvin Lucier The Bird of Bremen flies through the Houses of the Burghers Gordon Mumma Ambivex David Behrman/Katherine Pools of Phase locked Loops Morton

Nam dune Paik Nam June Paik Lesung (ders.) experimentelles Fernsehen (ders.) Sonate for piano, candle and UA ' TV Tape-Konzert La Monte Young/Marian Zazeela La Monte Young (Musik)/ —Mäp of ID's Dream the two Sy— Marian Zazeela (Licht) stems of eleven Sets of Galac— tic Intervals ornamental Light- years Tracery (dies.) Dorian Blues (dies.) Sunday Morning Blues (dies.) The well-tuned piano

Laura Dean&Dance Company/Steve Reich&Ensemble Laura Dean/Steve Reich A concert of dance and music EE Steve ReichBMusicians Drumming DE Diskussion der ABD—Programmacher Neue Musik und Rundfunk UER/EBU-Konzert (Musik des XX. Jahrhunderts) John Cage Mesostics Re—MErce Cunningham David Tudor Untitled (ders.) New electronic piece - 195 -

'PHO MUSICA NÜVA' 1974

Environments Wolf Vostell elektronische Environments: - Heuschrecken — E.H.R. = Elektronischer Hap— pening HaUm - Induktion „ Türklinken Walter-Haupt Kontemplation UA Roland Kayn simultan UA monostabile - sources ergo— diques — logatome — matrix — invarianten - kybernetisches projekt, quadrofonische fassung Filmproduktionen Wolf Vostell Sun in your head Starfighter 20. Juli Aachen Notstandsbordstein Ruhender Verkehr Vietnam Desastres T-Ü-T Neue KammermuSik Hochtöner UA Rolf Gehlhaar Solippse ' UA Hans»Joachim Hespos monod UA Musik und Sprache Walter Zimmermann 'In understanding music, the UA sound dies', Version I (ders.) 'In understanding music, the UA sound dies', Version II: Analy- tisch ' Helmut Heißenbüttel Krazykatz Bremenwodu (ein UA Diskurs über Kommunikation für 7 Sprecher in 13 Nummern) Discours IV “für 3 Klarinet— UA -tisten Happening Karlheinz Stockhausen Karlheinz Stockhausen Herbstmusik . UA Ein noch vernageln - Holz bre- chen - Dreschen - Laub und Regen

Vortrag Herbert Marcuse Bemerkungen zum Thema : Kunst und Revolution Happening Wolf Vostell Rolf Vostell 'Umgraben' ein elektroni- UA sches Happening Filmproduktionen Josef Beuys Josef Beuys Eurasienstab (ders.) Transsibirische Bahn (ders.) Celtic - 196 -

AUSSTELLUNGSPRÜGRAMM DER BREMER KUNSTHALLE, 325.+16.6.1974

Wolf Vostell elektronische Environments (s.o.) Walter Haupt Kontemplation (3.0.) Timm Ulrichs Übersetzung-Translation-Traduction Elektronische Musik des Studio voor elektronische Muziek Utrecht Luctor Ponse Radiophonie II Gottfried Michael Koenig Terminus II Makoto Shinohara Personnage Konrad Boehmer Aspekt Eric Brabant Figure H.C.M. (ders.) Figure T.R. Peter Schat de Aleph Will Eisma An 01d House in Mulberry Street Jaap Vink Screen Milan Stibilj Hainbow Frits Weiland Textuur Barry Truax Tapes from Gilgamesh Simeon ten Holt I am Sylvia 'but somebody else Werner Kaegi Hydroohonie I Mary Beth Nelson 'I'‚moros Otto Laske Structure IV Gottfried Michael Koenig : 'Funktionen' Gottfried Michael Koenig Grün (ders.) Gelb (ders.) Orange (ders.) Rot (ders.) Blau” (ders.) Indigo (ders.) Violett (ders.) Grau Environment Roland Kayn Roland Kayn simultan (8.0.) Elektronische Musik des Stiftelsen Elektronmusikstudio Stockholm Hans Rytterkvist 'Saggio' the electronic version Gottfrid Gräsbeck Dptiones Knut Wiggen Space Kare Kolberg Des Kaisers neue Krawatte Tamas Ungvary basic barrier Michael Hinton Joker Miklös Maros Bewegungen II Eberhard Eyser _.„71 (Chanson populaire) (ders.) La Valse Peter Lyne Digitalis Zaid Holmin Computer Lotus Environment David Johnson David Johnson Organica IV Elektronische Musik des Studio Feedback Silvio Foretic Interludium Klarenz Barlow Sinophonie II Michael von Biel Fassung Peter Eötvös Mese Silvio Foretic Interludium Peter Eötvös Feuermusik Johannes Fritsch Fabula Rasa (ders.) Modulation IV Silvio Foretic Interludium Johannes Fritsch Radiostück I — 197 -

David Johnson Telefun Mesias Maiguashca Hör zu Silvio Foretic Interludium Johannes Fritsch Violectra Rolf Gehlhaar Beckenstück Sonderkonzert Bernd Alois Zimmermann Tempus loquendi Kurt Schwitters Ursonate (1926-32) Luis de Pablo sölo un paso UA - 198 —

'PHÜ MUSICA NOVA' 1976

Ausstellung Neue Musik in Bremen 1961-1975 (Fotos, Partituren, Fernsehproduktionen, Vide0*VorfÜhrungen, Klangbar) Vokale Improvisationen Prima—Materia-Ensemble (vokale Improvisationen) (dass.) Seminar: Introduction to Exten- ded Vocal Technique as a Medi- tation Practice SynthesizermworkShop Udo Hofschneider SYNLAB Gesprächsrunde mit Journalisten Die neue Musik und ihre Vermittlung durch das Wort Orgelkonzert Toshi Ichiyanagi Multiple Spaces UA Peter Ruzicka Z—Zeit UA Claude Lefebvre ' Verzweigungen UA La Monte Young/Marian Zazeela La Monte Young (Musik)/ The well-tuned piano EE Marian Zazeela (Licht) (3 Aufführungen) _Tapekonzert Richard Maxfield Cough Music Tders.) Pastoral Symphony (ders.) Bhagavad Gita Symphony, Chapter XI (ders.) Trinity Piece (ders.) Peripateia Conlon Nancarrow Studies for Player Piano Kompositionen von Christina Kubisch Christina Kubisch Indentikit für fünf Piani- UA sten an einem Flügel und Kassettenrecorder (dies.) Emergency Solos für Flöte solo Christina Kubisch/ The Circle which bites its UA Fabrizio Plessi Tail für Stimme und Perkus- sionsinstrumente Charlemagne Palestine Charlemagne Palestine The golden mean für Klavier UA Terry Eile! ' Terry Riley The Shri Camel Trinity UA für elektronische Orgel

Elektronische Installation Max Neuhaus Underwater Musik UA Fabrizio Plessi: Nater Art (Video—Präsentationen) Fabrizio Plessi Nater Percussion UA Liquid Piece Se promener sur 1'eau Travel — 199 -

Indische Musik Pandit Pran Nath Abend-Ragas Happening/Landschaftsobjekt Allan Kaprow Durations/Zeitverläufe UA (mehrere Veranstaltungen)

Ausstellungsprogramm der Kunsthalle Bremen Joseph'Kosuth (Neue, unveröffentlichte Ar- beiten) Nam June Paik Video—Buddha Allan Kaprow Third Routine (Video-Präsen- tation) (ders.) Activity-Partituren Giuseppe Chiari Kunst ist einfach (Video—Präw sentation) (ders.) I1 suono (Video-Präsentation) — 200 —

'PHO MUSICA NOVA' 1978

Ausstellung George Brecht Musik-‚ Tanz- und Ereignis— Partituren Filme Über das Eishappening von Keprow 197B in Bremen Allan Kaprow Durationes/Zeitverläufe Peter Wehr Durationes/Zeitverläufe Konzert mit Charlotte Moorman Jim McWilliams ICE-MUSIC for Bremen EE Neue Klaviermusik Sesshu Kai Music for Piano Jo Kondo Sight Rhythmics Yuji Takahashi Three Poems of Mao Tse-Tung Klaus Huber Ein Hauch von Unzeit II Giacinto Scelsi Cinque Incantesimi Video-Arbeiten „ Rebecca Horn 'Berlin — Ubungen in neun Stük- ken' (dies.) 'Performances 2 (Masken)' Meredith Monk/Selections from vocal music Meredith Monk Our lady of late (dies.) Anthology (dies.) Tablet (dies.) Songs of the hill (dies.) Dolmen Music UA Neue Musik für Schlagzeug Toru Takemitsu Munari by Munari Michael Ranta Mayhalba Hinoharu Matsumoto Archiphase n01 Norio Fukushi Ground I Video—live—Performance Ulrike Rosenbach 'Salto Mortale' Vokalmusik von und mit Joan La Barbara Joan La Barbara Circular Song (dies.) Zwölfgesang/Twelvesong (dies.) Ides of March No 7 (dies.) Ohandra UA Ausstellung 'Klangobjekte' Walter Giers Zeitmaschine UA Orgelkonzert Makoto Shinohara Elevationen für Orgel DE Zsigmond Szathmäry Air für Orgel, Stimme und UA Tonband Maki Ishii Lost sounds 2 for organ Ufl Shin-ichi—Matsushita Fhrabolische Parabel UA — 201 -

Experimentalfilme Michael Snow 'Wavelength' (ders.) 'Breakfast' (ders.) 'One Second in Montreal' CCMC-Konzert Canadian Creative Music (verschiedene Werke; erster Collective europäischer Auftritt des En- sembles) Environment Peter Michael Hamel Übergänge Musik in mehreren UA Räumen Konzert mit Albrecht D. Albrecht D. Endless Music-Musik der Unend- lichkeit Performanc/Video Valie Export Raum-Ton—Performance UA (Adjungierte Dislokationen II) (dies.) Raumhören-Raumsehen (Video- produktionen)

Orchesterkonzert MIchael Denhoff Sinfonia ' UA Wolfgang von Schweinitz Septett für Bratsche und UA Bläser Frank Michael Veränderungen einer Land— UA schaft John McGuire Pulse Music II ' UA 202 —

'PRÜ MUSICA NOVA'

Klangumwandlung Das Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWF.

Orchesterkonzert Karlheinz Stockhausen Gruppen für drei Orchester Herbert Eimert Glockenspiel, Etüden Über Ton- gemische (ders.) Klangstudien I und II Solokonzert Harry Sparnaax_(Baßklarinette) David Porcelijn 2 Frank Denyer A book of songs 4 Brian Ferneyhough Time & Motion Study 1 Ton de Leeuw Mountains Michael Fahres Minimal

Kammerkonzert 1 Michael Fahres piano für Piano solo, Elek- UA tronik und magnetisches Feld Younghi Pagh-Paan MAN-NAM (Begegnung) für Klari- nette und Streichtrio Hans Zender 'Hölderlin lesen' UA für Streichquartettund Sprech- stimme Nitold Szalonek 1+1+1+1 per 1-4 strumenti ad arco Vortrag Dieter Duhm Geistige Evolution und neue Kultur

Multi—Media—Arbeiten Eberhard Blum/ Reflections Peter Sedgley Christina Kubisch/ TAMTAM Video-Live-Auffüh— Fabrizio Plessi rung Ausstellung Julius Grau—Musik No. 1 Vortrag/Diskussion Michael Vetter .Thesen zur Zukunft der Musik

Kammerkonzert 2 Hans Peter Haller Workshop 2 für Flöte und UA Klangumformung Franz Mon 'hören und sehen vergehen' James Fulkerson Fields and Traces UA für Posaune und Klangumformung Dieter Mack Saba für 3 Vokalisten, Zu- UA spielband und 3 live—elektro- nische Spieler - 203 -

Orgelkonzert mit Hans Ola Eriosson Tamas Ungvary Interaction Nr.2 für Orgel und Tonband Tamae Okatsu Sylphe UA E. Helmuth Flammer 'Es dauert nur noch einen UA kurzen Augenblick ...' für Orgel und Stimme Torsten Nilsson ‘Satire' Petite Symphonie UA Ole LÜtzow-Holm 'L' ieu d'ad Orgue' für Orgel UA und Tonbänder ' Richard P. Soott 'Distillations II' für UA ' Organ—Solo and 4 Assistents Hans-Ola Ericsson 'd'ecris ton nom...‘ für UA Orgel, Tanzenden, Schlagze ger und Tonbänder Ausstellung Bernhard Leitner TON:RAUM TONflLiege‚ Kreuz—Raum, Raum—Wiege Video—Vorführung Nulf Herzogenrath Klang im Bild Soloperformance Lucinda Childs Particular Real (dies.) Katema (dies.) Nork—in-Progress (Musik: don Gibson) ' (dies.) Dance #4 from Dance (Musik: Philipp Glass) UER/EBU—Konzert; Musik für Tasteninstrumente Philipp Glass Music from danoe (ders.) Music from fourth series, UA part 4 Conlon Nancarrow Music for player piano Nr.39 UA Terry Riley In C (Keyboard—Version)

'PHÜ MUSICA NOVA' 1982

Deuter - .Chaitanya Hari Deuter (Konzert) Corneliüs Cardewi Werke für ein und zwei Klaviere Cornelius Cardew February Pieces (ders.) Volo solo -(ders.) Winter Potatoes (ders.) Vietnam Sonata (ders.) Ne sing for the future (ders.) Boolavogue - 204 -

Müller Peter Müller Music for Unborn Children UA für 4 indische Tamburas auf verschiedenen Zeitebenen und Spektralfarbenprojektion Heinhild Hoffmann/Soloabend Reinhild Hoffmann Solo mit Sofa (mit John Cage: Empty words) (dies.) Bretter Steine (Zwischenmusiken: John ' Cage: Sonatas and Interludes) (dies.) auch (Musik: György Ligeti: 1. Satz des Konzerts für Vio- lincello und Orchester) Terry Riley . ‘Terry Riley Songs for the Ten Voices of UA the Two Prophets

Neue Werke für zwei Klaviere Detlef Heusinger Haferialermüdung UA Friedhelm Döhl Fiesta Ballett für zwei UA Klaviere Hans-Joachim Hespos tja UA Erhard Großkopf Harmonien UA Kompositionen von Walter Zimmermann Walter Zimmermann Wolkenorte für Harfe mit Stimme (ders.) Entr'act: Aus dem Klangtage- buch (ders.) Freunde (Schalkhäusser-Lie- UA der I) Dick Higgins: Durchschnittskonzert Dick Higgins 3 slide movies (ders.) (aus dem) Piano Album: Short - Piano Pieces, 1962e1984 (ders.) Big Snowflake UA (ders.) Constellation #6 und #11 (ders.) Card Game for George Erik Satie Oviges Dick Higgins Lesung aus: 7.7.73 ; Unterre- den mit den Winden ; bodies electric:arches ; some recent snowflakes ; how the abbott trilled with his lady easy yet (ders.) Danger Music #3 Hör-Environment Wolf Vostell Wolf Vostell Garten der Lüste (Text König UA Salomon aus dem Hohen Lied) John Cage zum 70. Geburtstag I John Cage Music of Changes 1951 (ders.) Composition in Retrospect — 205 -

John Gage zum 70. Geburtstag II John Gage Variations I for any kind and number of instruments (ders.) Variations III for one or any number of people performing the action (ders.) The Harmony of Maine Internationale Gesprächsrunde Musik am Ende des 20. Jahrhunderts John Gage zum 70. Geburtstag III/UER-Konzert John Gage A House full of Music UA Music Moves - Swami Anand Somendra Energiearbeit (WorkshOp) Ipao MUSICA NÜVA' 1984

Performance I Yoshi Üida Interrogations. One Man Theatre Japanische Komponisten Minoru Miki Time for Marimba Satoshi Ohmae Undulation I (ders.) Undulation II Keiko Abe Michi Yasuo Sueyoshi Mirage pour Marimba Mayako Kubo Klavierstück für 2 Hände ' UA (dies.) Le mie passacallie für UA 2 Gitarristen

Performances II Yoshi Nada Evoked Response Audiometry UA Akio Suzuki - ' Study Time UA Takehisa Kosugi '9 Soundings/S Lightnings UA Konzert Peter Michael Hamel Peter Michael Hamel Miniaturen I‚II und III UA Helmut Zimmermann Film 4 (Live-Improvisation PeteruMichael Hamel) (ders.) _ Drei Akte (Live-Improvisation Peter Michael Hamel) Ulrike Trüstedt _ Ulrike Trüstedt Ich bin Wind und du bist UA Feuer (Rumi) Klangritual für 3 gleiche Rohr- blatt-Instrumente in Grundton Das Studio für elektroakustische Musik Metz I Claude Lefebvre/Mesias (Workshop I für Schüler und Maiguashca Studenten) (dies.) (Workshop II) Eberhard Blum Akustimflms Objekt II für UA Flöten, Stimme, Tonband und steuerbares Bandschleifensystem Lefebvre/Maiguashca _ (Über die Arbeit des Centre Europeen pour la Recherce Musi- cale Metz) - 206 -

Das Studio für elektroakustische Musik Metz II Mesias Maiguashca Fmelodies II für Violoncel— UA 10, Schlagzeug, Tonband und ein Licht-Environment Lichael Levinas Spirales d'oiseau für Solo— UA horn und Tontechnik Claude Lefebvre Lorraine für Horn und Tonband Klavierabend Herbert Henck Pierre Boulez Premieere Sonate pour piano _(ders.) Troisiäme Sonate pour piano (ders.) 2eme Sonate pour piano Klavierabend Gerhard Rühm Gerhard Rühm Tondichtungen und Melodramen UA für Sprechstimme und Klavier (ders.) reime für klavier UA (ders.) melodramen vom deutschen wald mit einem abgesang nach robert -schumann (ders.) pornophonie für klavier (ders.) aus dem leben der taugenicht— UA se. melodramen (ders.) meditation über die letzten UA dinge. für klavier Hörspielabend Mauricio Kagel ... nach einer Lektüre von ' UA Orwell. Hörspiel in germani- scher Metasprache. Szenische Uraufführung Klavier-Marathon Richard Teitelbaum Solo for three Pianos UA William Duckworth Time Curve Üreludes EE Gertrude Stein (Texte) Doris Hays M.0.M.'N P.O.P. Part II UA Tom Johnson Voicing for four pianos UA Richard Kostelanetz (AusSchnitte aus dem HörSpiel '') Philip Corner Gamelan Rite ... Hight UA (ders.) Gamelan CUNCERTO for five pianists Frederic Rzewski A machine for two pianists UA Gathering Together # Emmett Williams (Texte: Nhen the music stops) Morton Feldman Pianos and Voices II Vortrag Otto Piene Kunst, Technologie, Medien. Über die Arbeit des Center for Advanced Visual Studies/Massa- chussetts Institute of Tebhno- logy Abschlußkonzert Mauricio Kagel Der Eid des Hippokrates UA für Klavier zu drei Händen Bernd Kracke Video-Break UA Video-Disc-Performance - 207 —

'PRÜ MUSICA NÜVA‘ 1986

Musikalisches Environment Rolf Gehlhaar/Philippe Klang-Raum (Version Bremen UA Prevot 1986) - Orchesterkonzert Hans Dtte "philharmonie" für Chor und UA Orchester Musikalisches Environment Gehlhaar/Prevot "Eichung 1986“ für 3 Instru- UA mentalisten in einem Klangraum Streichquartett des Ensembles für Neue Musik Berlin (Ost) Lojze Lebic . Streichquartett DE Georg Katzer 2. Streichquartett DE Jakob Ullmann Komposition für Streichquar- DE tett Nic01aus Richter de Vroe lum'q'uart'inance UA Computer Mediated Performance with the Electronic Violin jänos Negyesy/Lee Ray _Questions+ EE (dies.) Black Noise EE (dies.) Zivatar EE Klavierwerk Karlheinz Stockhausen Karlheinz Stockhausen Klavierstücke I-XIV Environment Negyesy/Ray A Violin Controlled Environ- UA ment Frances—Marie Uitti, Violoncello Salvatore Sciarrino Ai Limiti della Notte _ DE Ernstalbrecht Stiebler Sequenz II - Kottos Giacinto Scelsi -Sauh IV DR Louis Andriessen La Voce ' DE Per Ndrgäsd Solo in Scena DE Luciano Berio Hecitativo Luigi Nono ... dal Diario Polacco DE Frances—Marie Uitti Ricercar UA Giorno Poetry Systems Inc., New York Texte und Musik von Jayne Cortez, William S. Burroughs, Jim Carroll, John Giorno, Diamanda Galas Violinkonzert Malcolm Goldstein Malcolm Goldstein - Soundings (ders.) The Edges of Sound Within (ders.) Üut of the Corner of My Eyes (ders.) . Marin's Song, Illuminated Karlheinz Stockhausen Karlheinz Stockhausen (1966) (ders.) ' MICHAELS REISE Ensemble Köln unter Robert HP Platz Claudio Ambrosini Hic Sunt Leones für Ensemble Mauricio Kagel - _ HRRRRRR...: 4 Jazzstücke DE Denys Bouliane Nie ein aufgesprungener Silen UA Veranstaltung 1961 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 total

Veranstaltungstage 5 3 4 4 3 4 4 3/42 9 7 7 8 10 113

Zahl der Veranstaltun— XILSIlVlS

gen 5 3 4 6 5 10 9 7/2 18 17 14 14 13 127 Z

fl H Zahl der vorgesehenen

Arbeiten 31 9 18 17 19 32 24 26/48 23 39 35 38 43 402 ÜHd. Zahl der Komponisten, Regisseure usw. 25 8 19 14 20 26 16 11/38 13 28 30 14 31 293

Zahl der vorgesehenen VÜISHW Uraufführungen 6 6 10 9 16 14 4 11/1 10 13 13 10 22 145 Zahl der europäischen Erstaufführungen — — — — — 3 1 - 1 1 — — 2 8 .VAÜN Zahl der deutschen Erstaufführungen — - 4 — w 2 2 — — 1 - - 1 10

Anteil der UA (in %) 19 67 56 53 84 44 17 42/2 43 33 37 26 51 36 803 Anteil von UA und EA (Anteil der erstmals — in der Bundesrepublik aufgeführten Werke) _ (in %) 19 67 78 53 84 59 29 42/2 48 38 37 26 58 41

Ausstellungen x x x x x x xx 8 Vorträge x x x x xx x 7 Diskussionen xx x x x 5 Workshops xx x x xx 6

Anmerkungen : Bei der Zahl der Komponisten, Regisseure usw. wurden in den Programm einzeln geführte Namen jeweils einzeln gezählt, bei Gemeinschaftsarbeiten entsprechend sämtliche angegebenen Urheber gezählt (die erklärt, daß die Zahl der Komponisten diejenige der Werke im Jahre 1964 über— trifft). Wurde, was jedoch nur in Ausnahmefällen vorkam, ein Ensemble als Urheber genannt, so wurde es als ein Urheber gezählt. Nicht alle der vorgesehenen Werke kamen auch tatsächlich zur Aufführung. Die Zahlen für 'pro musica nova' 1974 unterscheiden zwischen dem regulären Konzertprogramm und dem begleitenden AusstellungSprogramm in der Kunsthalle (vor bzw. nach dem Schrägstrich). - 209 —

Abkürzungsverzeichnis

AM Amplitudenmodulation ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentliCh—rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland BR Bayerischer Rundfunk BVerfG Bundesverfassungsgericht DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DLF Deutschlandfunk Dw Deutsche Nelle EBU EurOpean Broadcasting Union (vgl. auch UER) FM Frequenzmodulation HA Hauptabteilung HR HessisChEr Rundfunk KW Kurzwelle Lw Langwelle Mw Mittelwelle NDR Norddeutscher Rundfunk NNDR Nordwestdeutscher Rundfunk RB Radio Bremen RFFU Rundfunk—Fernseh-Film-Union RIAS Rundfunk im Amerikanischen Sektor RRG Reichs—Rundfunk-Gesellschaft mbH RTL Radio—Tele-Luxembourg SDR Süddeutscher Rundfunk SFB Sender Freies Berlin SR Saarländischer Rundfunk SNF Südwestfunk UER Union Europeenne de Radiodiffusion (vgl. auch EBU) UKW Ultrakurzwelle WDR Westdeutscher Rundfunk

ZDF Zweites Deutsches Fernsehen