Transnationaler Grenzverkehr in Fatih Akins Gegen Die Wand Und Auf Der Anderen Seite
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Maha El Hissy Transnationaler Grenzverkehr in Fatih Akins Gegen die Wand und Auf der anderen Seite German-Turkish director Fatih Akin is regarded as one of the most important European film directors today. The characters in his films move between different worlds and unite several homes and influences in their personas. In Akin’s film Gegen die Wand the protagonists struggle to find a way between their desire for a life of their own and the traditional-conservative requirements of their ‘Turkish’family and countrymen. His lat- est film Auf der anderen Seite goes one step further and suspends the boundaries between the characters’ life in Germany and in Turkey completely. The chapter dis- cusses the transnational border crossings in Akin’s films and looks at how the worlds between these boundaries are erected, transgressed and suspended. Seit einigen Jahren hat sich das Migrantenkino als Bestandteil des deutschen Kinos etabliert und es ließe sich sogar fragen, was das zeitgenössische deutsche Kino ohne die Filme von Migranten wäre.1 Während die meisten Figuren in der früheren Phase der 1980er Jahre als Opfer dargestellt wurden, – zu nennen wäre hier beispielsweise Tevfik Bas¸ers 40 Quadratmeter Deutschland (1986) – entwickelten sich die Charaktere in den späteren Filmen der 1990er Jahre zu handelnden Akteuren.2 Das Gastarbeitermotiv, das in der früheren Phase des Migrantenkinos sehr präsent war, verlor im Zuge des andauernden Alltags in Deutschland an Bedeutung und wurde im Laufe der Entwicklung nur noch am Rande behandelt. Den größten Erfolg mit seiner Arbeit hat der deutsche Regisseur mit türkischen Wurzeln Fatih Akin zu verbuchen. Vor allem durch den Erfolg von Gegen die Wand (2004) und Auf der anderen Seite (2007), die ersten beiden Filme seiner angekündigten Trilogie “Liebe, Tod und Teufel”, hat er sich als einer der bedeutendsten deutschen Regisseure der Gegenwart etabliert. Gegen die Wand wurde mit dem Goldenen Bären preisgekrönt, Auf der anderen Seite feierte seine Premiere auf den Filmfestspielen in Cannes, wo Faith Akin den 1Vgl. dazu Deniz Göktürk: Migration und Kino – Subnationale Mitleidskultur oder transnationale Rollenspiele? In: Interkulturelle Literatur in Deutschland. Hg. von Carmine Chiellino. Stuttgart: Metzler 2000. S. 329–347. Hier: S. 329. 2Eine ausführliche Besprechung der Entwicklung des deutsch-türkischen Kinos findet sich vor allem bei Deniz Göktürk: Verstöße gegen das Reinheitsgebot. Migrantenkino zwischen wehleidiger Pflichtübung und wechselseitigem Grenzverkehr. In: Globalkolorit. Multikulturalismus und Populärkultur. Hg. von Ruth Mayer und Mark Terkessidis. St.Andrä/Wördern: Hannibal 1998. S. 99–114 und Göktürk: Migration und Kino [wie Anm. 1]. 170 Preis für das beste Drehbuch erhielt. Der Film wurde als offizieller deutscher Beitrag für den Oscar in der Kategorie ausländischer Film eingereicht und gewann den Deutschen Filmpreis für das Jahr 2008 in den Kategorien bester Spielfilm, Drehbuch, Regie und Schnitt. Kennzeichnend für Akins Filme sind die Figuren, die sich jenseits von nationalen Festschreibungen befinden und damit transnationale Züge aufweisen. Markant ist die Gelassenheit, mit der sich die Figuren in und zwischen den Welten zu bewegen wissen, wobei dies in seinem Werk eine Entwicklung durchläuft. In seinem ersten Spielfilm Kurz und Schmerzlos (1998) sind die drei männlichen Hauptfiguren noch hauptsächlich durch ihre ethnische Herkunft definiert. In Standaufnahmen werden sie vorgestellt: “Bobby, Serbe” (gespielt von Aleksandar Jovanovic), “Gabriel, Türke” (Mehmet Kurtulus¸) und “Costa, Grieche” (Adam Bousdoukos).3 Der Film skizziert insgesamt ein mul- tikulturelles Deutschlandbild und bleibt keineswegs auf deutsch-türkische Migrationsphänomene beschränkt. Vor der Kulisse Hamburg-Altonas, dem Schauplatz der Filmhandlung, hat sich Deutschland in einen Ort verwandelt, an dem das multikulturelle Leben eine Selbstverständlichkeit geworden ist. In den meisten von Akins Filmen führt der Weg die Protagonisten in die Türkei, auch wenn man in jedem Film unterschiedlich viel von diesem Land sieht. Im Juli (2000) zeigt ebenso, dass das Reisen nicht nur auf die deutsch- türkischen Protagonisten beschränkt bleibt. In dem Road Movie macht sich der deutsche Protagonist Daniel (Moritz Bleibtreu) auf die Suche nach seinem Glück und der großen Liebe. Seine Reise beginnt in Deutschland und führt über Österreich, Ungarn und Rumänien nach Istanbul. Im Laufe des Films zeigt sich, wie der Weg selbst zum Reiseziel wird. Solino (2002) dient als Beispiel gegen die Festschreibung, dass ein deutsch- türkischer Regisseur nur Filme über Deutsch-Türken dreht oder sich hauptsäch- lich zwischen Deutschland und der Türkei bewegt. Der Film handelt von einer italienischen Familie, die mit der Welle der Arbeitsmigration zu Beginn der 1960er Jahre nach Deutschland wandert. Auch hier führt der Weg die Protagonisten schließlich in ihr Heimatland zurück. Hervorzuheben ist aber, dass das Motiv der Rückkehr nicht zwangsläufig an einen geographischen Ort gebun- den ist, sondern dass die Heimkehr vielmehr die Ankunft der Protagonisten bei sich selbst bedeutet. Sie ist als Endziel einer Selbstfindungsreise zu verstehen, an das die Figuren nach einer Odyssee gelangen. In Crossing the Bridge. The Sound of Istanbul (2005) reist Akin durch Istanbul und dokumentiert dabei die Musikszene der Stadt. Die 3Für die Besprechung transnationaler Elemente in Kurz und Schmerzlos vgl. Barbara Mennel: Bruce Lee in Kreuzberg and Scarface in Altona: Transnational Auteurism and Ghettocentrism in Thomas Arslan’s Brothers and Sisters and Fatih Akin’s Short Sharp Shock. In: New German Critique. Nr. 87 (2002). S. 133–156..