Auch er war Arzt

Auch er war Arzt

Peter Simon Pallas Deutscher Forschungsreisender in Russland

Von Manfred P. Bläske

„Die Natur in einem ansehnlichen Teil des woran Staat und Akademie interessiert Weltkreises, wo sie der Mensch noch nicht waren. Eine gewaltige Aufgabe, dessen verderbt hat, … erforscht und kennen- war sich Pallas bewusst, doch bereits vor gelernt zu haben, halte ich gegen meine Beginn der Unternehmung bewies er über- dabei verwandte Jugend und Gesundheit ragende organisatorische Fähigkeiten, be- für die schönste Belohnung“, schrieb ginnend mit der Auswahl seiner Begleiter. Pallas in seinem durch Lebendigkeit und Den russischen Naturforscher und Medizi- Bildhaftigkeit geprägten, rund zweitausend ner Iwan I. Lepjochin, den schwedischen Seiten umfassenden Bericht über seine Professor der Medizin und Naturwissen- Forschungsreise, die er in den Jahren 1768 schaften Johann Peter Falk (ein Schüler bis 1774 nach Südrussland, in den Ural Linnés), den o. g. , und in die unendlichen Weiten Sibiriens bis den Mediziner Johann Anton Güldenstädt zum Baikalsee unternahm. Er entdeckte un- aus Riga sowie sich selbst bestimmte Pal- ter anderem „unbegreifliche Überbleibsel las zu Leitern von Teilexpeditionen. Unter über ganz Sibirien verstreuter Elefanten- dem Motto „die Reisenden sollen sich we- gebeine“, woraus er schloss, „dass Nord- der unnöthig aufhalten, noch an Merkwür- asien einmal warm gewesen sein müsse“. digkeiten vorbey eilen …“ formulierte er Damit wies er auf das Phänomen Eiszeit gemeinsame Arbeitsprinzipien und legte hin, das erst einhundert Jahre später Ein- die Marschrouten fest. gang in die Wissenschaft fand. Diese große Expedition und eine zweite ✯ Peter Simon Pallas Reise in den Jahren 1793 und 1794 er- 1741 – 1811 brachten ein gewaltiges Material, mit dem Peter Simon Pallas wurde am 22. Septem- er nicht nur Botanik und Zoologie, Geo- ber 1741 in als Sohn des Professors systeme, … sie will beobachtet, nicht ein- graphie und Geologie um bedeutende Er- und ersten Wundarztes an der Charité, geschränkt sein“. Selbstbewusste Worte kenntnisse erweiterte. Pallas hatte auch als Simon Pallas, geboren. Der begabte Knabe eines jungen Mannes gegenüber dem we- erster Forscher eingehende Berichte über wurde von Hauslehrern in Latein, Fran- gen seiner Verdienste inzwischen geehrten asiatische Völkerschaften nach Europa ge- zösisch und Englisch unterrichtet, und Carl von Linné (1707 – 1778); sie wurden bracht. Viele Veröffentlichungen sicherten seine ausgeprägten naturwissenschaft- zum Motto seiner gesamten künftigen ihm einen hervorragenden Platz in der lichen Interessen veranlassten den Vater, Arbeit. Um sich an ausländischen Hospi- Natur- und Erdforschung. Die Reise durch dem erst Dreizehnjährigen bereits den Be- tälern weiterzubilden, ging Pallas nach verschiedene Provinzen des Russischen such von Medizinvorlesungen am Colle- London und Oxford, wo zugleich weitere Reichs ist jedoch jenes Werk, das uns gium medico-chirurgicum der Charité zu bedeutende zoologische Arbeiten erschie- den „so viel begabten Erforscher des Nörd- gestatten. Während seines vierjährigen nen, durch die er veranlasst wurde, die lichen Asiens“, wie ihn Alexander von Studiums entwarf er eigene Klassifika- naturwissenschaftlichen Sammlungen des Humboldt nannte, in seiner Vielfältigkeit tionssysteme der Vögel und experimen- Erbstatthalters in Leiden zu ordnen. Hier vorstellt. Es wurde im 18. und 19. Jahr- tierte, um die Metamorphose zu untersu- lernte er auch den Botaniker Samuel Gott- hundert zum Standardwerk der Naturge- chen, unter anderem mit Raupen. lieb Gmelin (1744 – 1774)*) kennen, der in schichte Russlands. Russland verstarb. Zum Studium der Mathematik und Physik Wie Steller**) war Pallas ein Kind der Auf- ging Pallas anschließend nach Halle und Wie diesen erreichte Pallas im Jahre 1767 klärung. Sein Blick für die Härte der russi- Göttingen und mit neunzehn Jahren nach überraschend ein Ruf in die russische schen Verwaltung in Sibirien war unbe- Leiden, um dort mit einer bahnbrechenden Hauptstadt. Er wurde Adjunkt, kurz darauf stechlich, und er ließ manches drucken, Arbeit auf dem Gebiet der Parasitologie Professor für Naturwissenschaften an der wozu andere nicht den Mut fanden. Seit zu promovieren. Er wies nach, dass Einge- Petersburger Akademie der Wissenschaf- 1795 lebte und arbeitete er in weidewürmer nicht aus „verdorbenen Säf- ten und ein Jahr später Akademiemitglied auf der Krim; erst im Jahr vor seinem Tod ten“, sondern aus Eiern entstehen, die der und Kollegienassessor. Zarin Katharina II. kehrte er nach Berlin zurück. Peter Simon Wirt des Parasiten mit der Nahrung auf- ernannte Pallas 1768 zum Leiter der oben Pallas starb am 8. September 1811. nimmt. Das war ebenso kühn wie seine genannten Expedition, die „zum Nutzen *) Neffe von Johann Georg Gmelin aus Tübingen, Kritik an der bis dahin gültigen Linnéschen des Reichs und zur Verbesserung der Wis- siehe: . KVS-Mitteilungen Klassifikation der Würmer. „Die Natur senschaften“ alles untersuchen, beschrei- Heft 3/2008, Seite 15 bindet sich nicht an gekünstelte Schul- ben, malen, zeichnen und sammeln sollte, **) siehe: ebenda

KVS-Mitteilungen Heft 3/2009 19