THÜRINGER VERFASSUNGSGERICHTSHOF

VerfGH 25/13 Im Namen des Volkes

Beschluss

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren der Gemeinde Oppershausen, vertreten durch die Bürgermeisterin Andrea Bolte, Hauptstraße 22, 99986 Oppershausen,

Beschwerdeführerin,

Anhörungsberechtigte:

1. Thüringer Landtag, vertreten durch den Präsidenten, Jürgen-Fuchs-Str. 1, 99096 Erfurt,

2. Thüringer Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, vertreten durch den Thüringer Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Werner-Seelenbinder-Str. 5, 99096 Erfurt,

VerfGH 25/13 gegen § 10 Abs. 5 des Thüringer Gesetzes zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2012 vom 11. Dezember 2012

hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof durch den Präsidenten Prof. Dr. Aschke und die Mitglieder Prof. Dr. Baldus, Prof. Dr. Bayer, Dr. Habel, Heßelmann, Dr. Martin-Gehl, Prof. Dr. Ruffert, Prof. Dr. Schwan sowie das stellvertretende Mitglied Eberhardt am 14. Januar 2015 beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen § 10 Abs. 5 des Thü- ringer Gesetzes zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2012 vom 11. Dezember 2012 (GVBl. 446), im Folgenden: Gemeindeneugliede- rungsgesetz 2012.

VerfGH 25/13 2 I.

1. Die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde mit 326 Einwohnern (Stand: 31. Dezember 2010), war bis zum 30. Dezember 2012 gemeinsam mit den Gemein- den Oberdorla, Niederdorla, und Langula Mitglied der Verwaltungsge- meinschaft „Vogtei“. a) Im Jahr 2011 beschlossen die Gemeinden Oberdorla, Niederdorla und Langula die Auflösung der Verwaltungsgemeinschaft „Vogtei“ und den Zusammenschluss zu ei- ner neuen Landgemeinde. Hierdurch stellte sich auch für die Beschwerdeführerin die Frage nach ihrer zukünftigen Verwaltungsstruktur. Bei einer zu diesem Thema durchgeführten Einwohnerversammlung sprachen sich zwei Drittel der ca. 100 Anwesenden für einen Beitritt der Beschwerdeführerin zur Verwaltungsgemein- schaft „Unstrut-“ aus. Ein Drittel der Anwesenden votierte für die Bestimmung der neuen Landgemeinde „Vogtei“ zur erfüllenden Gemeinde nach § 51 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO). Der Gemeinderat der Beschwerdeführerin fasste dar- aufhin in seiner Sitzung am 6. November 2011 mehrheitlich den Beschluss, im Falle der Auflösung der Verwaltungsgemeinschaft „Vogtei“ der Verwaltungsgemeinschaft „Unstrut-Hainich“ beizutreten. Parallel hierzu fassten auch die Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft „Unstrut-Hainich“ übereinstimmende Beschlüsse zur Aufnahme der Beschwerdeführerin.

Mit Schreiben vom 9. November 2011 teilte die Beschwerdeführerin der Kommunal- aufsicht des Landratsamtes Unstrut-Hainich ihre Absicht zum Beitritt zur Verwal- tungsgemeinschaft „Unstrut-Hainich“ mit. Zur Begründung führte sie die mehrheitli- chen Voten der Einwohnerversammlung und des Gemeinderates an. Durch diese Lösung werde die Gemeinde nicht mehr den Benachteiligungen ausgesetzt, die in den vergangenen Jahren bei Abstimmungen durch die drei Vogteigemeinden ent- standen seien. Das Votum der Gemeinde sei in der Vergangenheit vielfach ignoriert worden. Durch den Beitritt zur Verwaltungsgemeinschaft „Unstrut-Hainich“ gelangten

VerfGH 25/13 3 die Gemeinden Oppershausen und Kammerforst zu ihren historischen Wurzeln zu- rück.

Das Landratsamt Unstrut-Hainich-Kreis - Kommunalaufsicht - nahm gegenüber dem Thüringer Innenministerium mit Schreiben vom 28. November 2011 dahingehend Stellung, dass die Bestimmung der neu gebildeten Landgemeinde „Vogtei“ als erfül- lende Gemeine nach § 51 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) für die Gemeinde Oppershausen befürwortet werde. Zwar lägen die formellen Voraussetzungen für eine Aufnahme der Gemeinde Oppershausen in die Verwaltungsgemeinschaft „Unstrut-Hainich“ vor, da sämtliche Gemeinden entsprechende Beschlüsse gefasst hätten. Auch grenze die Gemeinde Oppershausen an das Territorium der Verwal- tungsgemeinschaft „Unstrut-Hainich“ an und nach Einschätzung des Gemeinschafts- vorsitzenden bestünden Verbindungen im kommunalen und im privaten Bereich. Demgegenüber seien jedoch vielfältige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Ver- flechtungen zwischen der Beschwerdeführerin und den ehemaligen Mitgliedsge- meinden der VG „Vogtei“ zu berücksichtigen. Hierzu zählten gemeinsame Schul- standorte, z. B. die Vogteigrundschule in der Gemeinde Oberdorla und die Regel- schule in Langula, sowie die Betreuung durch Kindertagesstätten in den vier anderen Orten der Verwaltungsgemeinschaft „Vogtei“. Die Gemeinden seien durch ein ÖPNV- und ein Radwegenetz verbunden. Die Gemeinde Oberdorla habe die faktische Be- deutung eines Grundzentrums mit einer dort bestehenden Filiale der Sparkasse, an- deren Banken und verschiedenen Einzelhandelsbetrieben.

Auf dieses Schreiben stellte die Beschwerdeführerin gegenüber dem Thüringer In- nenministerium mit Schreiben vom 29. Mai 2012 ergänzend fest: Bis zur Gebietsre- form hätte Oppershausen zum Landkreis gehört. Bereits im Jah- re 1346 sei Oppershausen dem Amt Langensalza unterstellt gewesen. Die Konzent- ration verschiedener Schulen im Gebiet der neuen Landgemeinde „Vogtei“ resultiere aus der demografischen Entwicklung und der Notwendigkeit, Schulen zusammenzu- legen. Außerdem würden Traditionsfeste wie das Fahnenschwenken (die Flurweihe) sowie das Maienfest in der Vogtei nicht oder anders begangen. Hinsichtlich der Ein- richtungen wie Kindertagesstätten oder privater Vereine sei ein Schwerpunkt der Be- nutzung der Einrichtungen in Oberdorla nicht feststellbar. Die infrastrukturelle Anbin-

VerfGH 25/13 4 dung von Linienbussen nach Mühlhausen sei wesentlich einfacher. Es sei auch zu negativen Äußerungen unter anderem des Bürgermeisters von Niederdorla gegen- über der Gemeinde Oppershausen gekommen. b) Am 20. Juli 2012 beschloss der Innenausschuss des Thüringer Landtages auf der Grundlage des Gesetzentwurfs der Thüringer Landesregierung (LT-Drs. 5/4714) die Durchführung des Anhörungsverfahrens der von den Maßnahmen der kommunalen Neugliederung betroffenen Kommunen und ihrer Einwohner. Das schriftliche Anhö- rungsverfahren fand vom 13. August bis zum 21. September 2012 statt. Am 16. November 2012 beriet der Innenausschuss über die Ergebnisse des Anhörungs- verfahrens und empfahl mehrheitlich die Annahme des Gesetzentwurfs ohne Ände- rungen.

2. Das vom Thüringer Landtag am 22. November 2012 beschlossene und am 31. Dezember 2012 in Kraft getretene Gemeindeneugliederungsgesetz 2012 enthält in § 10 folgende Regelung:

§ 10 Gemeinden Kammerforst, Langula, Niederdorla, Oberdorla, Oppershausen und Verwaltungsgemeinschaft "Vogtei" (Unstrut-Hainich-Kreis)

(1) Die Verwaltungsgemeinschaft "Vogtei", bestehend aus den Gemeinden Kammer- forst, Langula, Niederdorla, Oberdorla und Oppershausen, wird aufgelöst.

(2) Die Gemeinden Langula, Niederdorla und Oberdorla werden aufgelöst. Aus den Gebieten der aufgelösten Gemeinden wird eine Landgemeinde nach § 6 Abs. 5 Thür- KO gebildet. Diese ist Rechtsnachfolgerin der aufgelösten Gemeinden.

(3) Die nach Absatz 2 Satz 2 neu gebildete Gemeinde führt den Namen "Vogtei".

(4) Der Gemeinderat der neu gebildeten Gemeinde Vogtei entscheidet über den Sitz der Verwaltung.

(5) Die neu gebildete Gemeinde Vogtei nimmt als erfüllende Gemeinde für die Ge- meinden Kammerforst und Oppershausen die Aufgaben einer Verwaltungsgemein- schaft nach § 51 ThürKO wahr.

VerfGH 25/13 5 In der Begründung zu § 10 Abs. 5 des Gesetzes wird hierzu folgendes ausgeführt (Drucksache 5/4714, Seite 36-37):

„Nach Absatz 5 soll die neu gebildete Gemeinde Vogtei für die Gemeinden Kammer- forst und Oppershausen als erfüllende Gemeinde nach § 51 ThürKO die Aufgaben ei- ner Verwaltungsgemeinschaft wahrnehmen. Die Gemeinden Langula, Niederdorla und Oberdorla haben hierzu entsprechend beschlossen. Die bisherige verwaltungsmäßige Zusammenarbeit der Gemeinden würde somit fortgesetzt. Allerdings haben die Ge- meinden Kammerforst und Oppershausen keine Beschlüsse zur Übernahme der Auf- gaben einer erfüllenden Gemeinde durch die neu gebildete Gemeinde gefasst, son- dern ihren Beitritt zur benachbarten Verwaltungsgemeinschaft "Unstrut-Hainich" be- schlossen und beantragt. Alle sieben Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemein- schaft "Unstrut-Hainich" haben der Erweiterung der Verwaltungsgemeinschaft um die- se beiden Gemeinden zugestimmt.

Für eine Zuordnung der Gemeinden Kammerforst und Oppershausen zur Verwal- tungsgemeinschaft "Unstrut-Hainich" haben die Gemeinden keine überzeugenden und zwingenden Gründe vorgetragen. Diese sind auch nicht feststellbar. Vielmehr spre- chen überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für den Verbleib der beiden Ge- meinden bei der bisherigen Verwaltungsstruktur. Kammerforst und Oppershausen weisen zahlreiche traditionelle, infrastrukturelle, verwaltungsmäßige und soziale Ver- bindungen mit den Gemeinden Langula, Niederdorla und Oberdorla auf, zu denen au- ßerdem auch eine räumliche Nähe besteht. Diese Verbindungen sind in Richtung der Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft "Unstrut-Hainich" weniger stark ausge- prägt, auch wenn die Gemeinden Kammerforst und Oppershausen bis zum Jahr 1952 von den Gemeinden Langula, Niederdorla und Oberdorla durch eine Kreisgrenze ge- trennt waren und mit den Gemeinden der vorgenannten Verwaltungsgemeinschaft dem damaligen Kreis Bad Langensalza angehörten. Das vor allem von der Gemeinde Kammerforst vorgetragene Bestreben zum Erhalt der kommunalen Selbstständigkeit kann in einer Verwaltungsstruktur der erfüllenden Gemeinde ebenso realisiert werden wie in einer Verwaltungsgemeinschaft. Soweit die Gemeinden Kammerforst und Op- pershausen Benachteiligungen im Rahmen der Verwaltungstätigkeit der Verwaltungs- gemeinschaft "Vogtei" vortragen, sind diese auf der Ebene des Verwaltungsvollzugs und nicht durch das Instrument einer Neugliederung zu klären und erforderlichenfalls zu beheben. Durch die vorgeschlagene Gemeindeneubildung und Anordnung der er- füllenden Gemeinde ergibt sich ein Einsparpotenzial für alle beteiligten Gemeinden, denn die Verwaltungstätigkeit muss nur noch für drei statt für fünf Gemeinden erbracht werden. Darüber hinaus entfällt das Amt eines Gemeinschaftsvorsitzenden.“

VerfGH 25/13 6 II.

1. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 13. August 2013 beim Thüringer Verfassungsgerichtshof Verfassungsbeschwerde gegen § 10 Abs. 5 des Gemeinde- neugliederungsgesetzes 2012 erhoben und die Verletzung der Grundrechte nach Art. 1, Art. 2 Grundgesetz, einen Verstoß gegen Art. 28 Grundgesetz sowie die Ver- letzung des Art. 1 Abs. 2, Art. 2 und Art. 91 der Verfassung des Freistaates Thürin- gen gerügt.

Zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde trägt die Beschwerdeführerin vor: Die gesetzliche Regelung entspreche weder dem Willen der Einwohner, wie er im Rah- men der Einwohnerbefragung geäußert worden sei, noch dem hierzu ergangenen Beschluss des Gemeinderates. Im Rahmen der Beratung des Gesetzes in der Sit- zung des Landtages am 22. November 2012 hätte den Gemeinden im Ganzen nur eine Redezeit von 5 Minuten zugestanden, die Interessen seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Weiter sei die Neuregelung mit Mehrkosten für die Beschwerde- führerin verbunden, denn neben der ohnehin zu zahlenden Umlage, die dieselbe Hö- he aufweise, wie die vor der Neugliederung zu zahlende Umlage, sei der Gemeinde „Vogtei“ ein Mehrbelastungsausgleich in Höhe von 7.608,00 € als erfüllende Ge- meinde für die Wahrnehmung übertragener staatlicher Aufgaben mit Schreiben vom 17. April 2013 durch das Landratsamt des Unstrut-Hainich-Kreises mit der Genehmi- gung des Haushaltes 2013 zugesprochen worden.

2. Die anhörungsberechtigte Thüringer Landesregierung hält die Verfassungsbe- schwerde für unzulässig und unbegründet. a) Der Antrag sei bereits unzulässig, soweit er sich auf Normen des Grundgesetzes beziehe. Gleiches gelte für die behauptete Verletzung des Art. 1 Abs. 2 Thüringer Verfassung. Eine Grundrechtsfähigkeit der Gebietskörperschaften des öffentlichen

VerfGH 25/13 7 Rechts sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Landesverfassungsgerichte nicht gegeben.

Des Weiteren habe die Beschwerdeführerin den von ihr sinngemäß geltend gemach- ten Verstoß gegen ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 91 ThürVerf nicht hinreichend dargelegt und begründet. Dabei werde nicht die Festlegung einer erfüllenden Gemeinde als belastend empfunden, sondern die konkret bezeichnete Gemeinde. b) Dessen ungeachtet sei die Verfassungsbeschwerde jedoch auch unbegründet. Die Neugliederung sei auf der Grundlage des Art. 92 Abs. 2 Satz 3 ThürVerf nach der gebotenen Anhörung erfolgt. Die Stellungnahmen der Gebietskörperschaften seien vor der abschließenden Entscheidung zur Kenntnis genommen und bei der Abwägung der für und gegen die Neugliederungsmaßnahme sprechenden Gründe berücksichtigt worden. Dieses Abwägungsergebnis sei in der Begründung des Ge- setzentwurfes dargestellt worden. Insoweit werde auf den Gesetzentwurf (LT - Drs. 5/4714, Seite 3 und 35) Bezug genommen. Zuvor habe der Innenaus- schuss des Thüringer Landtages infolge Beschlusses vom 20. Juli 2012 der Verwal- tungsgemeinschaft „Vogtei“ und allen ihren Mitgliedsgemeinden Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben. Weiter habe der Innenausschuss über die Pe- tition E- 595/12 - BE - 520/12 beraten. In der 102. Sitzung des Thüringer Landtages am 22. November 2012 sei der Gesetzentwurf kontrovers diskutiert und von dem Vorsitzenden des Innenausschusses wegen der fehlenden Freiwilligkeit der Be- schwerdeführerin abgelehnt worden. Aus diesem Verlauf ergebe sich, dass eine aus- reichende gesetzgeberische Abwägung stattgefunden habe.

Die Neugliederungsregelung sei durch zureichende Gründe des Gemeinwohls wie die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und die Anhebung der Leistungsfä- higkeit, die den Anforderungen der Art. 91 Abs. 1 und 92 Abs. 1 ThürVerf genügten, getragen. Der Beschwerdeführerin bleibe ihr bestehender Rechteumfang erhalten. Bei der Zuordnung der Beschwerdeführerin zur neugebildeten Gemeinde Vogtei sei der gemeinsamen Historie der vergangenen 60 Jahre und der bestehenden infra- strukturellen Verbindung Rechnung getragen. Die Abwägung orientiere sich an dem

VerfGH 25/13 8 aus §§ 46 Abs. 2, 51 ThürKO folgenden Leitbild, das für Gemeinden mit weniger als 3.000 Einwohnern die Mitgliedschaft in einer Verwaltungsgemeinschaft oder Festset- zung einer erfüllenden Gemeinde vorsehe. Die Argumentation der Beschwerdeführe- rin stütze sich lediglich auf einen Vorfall im Rahmen des Vollzugs der früheren Ver- waltungsgemeinschaft, der jedoch in die verfassungsrechtliche Abwägung nicht ein- fließen müsste.

3. Der anhörungsberechtigte Thüringer Landtag hat von seinem Äußerungsrecht kei- nen Gebrauch gemacht.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Bestimmungen des Grundge- setzes über inhaltsgleiche Grundrechte der Landesverfassung hinaus geltend macht, steht der Zulässigkeit ihrer Verfassungsbeschwerde bereits entgegen, dass der Thü- ringer Verfassungsgerichtshof hierfür nicht zuständig ist.

2. Im Übrigen genügt die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht den Anfor- derungen des § 32 i. V. m. § 18 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 ThürVerfGHG. a) Zur Begründung einer kommunalen Verfassungsbeschwerde hat die beschwerde- führende Gemeinde die Möglichkeit darzulegen, dass sie in ihrem Recht auf Selbst- verwaltung aus Art. 91 Abs. 1 ThürVerf verletzt ist. Andere Vorschriften der Thüringer Verfassung sind nur Prüfungsmaßstab, soweit sie ihrem Inhalt nach das verfas- sungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind. Die Ge- meinde ist zudem darauf beschränkt, die Verletzung eigener Rechte geltend zu ma- chen (ThürVerfGH, Beschluss vom 4. September 2013 - VerfGH 18/10 -,

VerfGH 25/13 9 = ThürVBl. 2014, 40 [41]; Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, = LVerfGE 21, 493 [498 f.]).

Art. 91 Abs. 1 ThürVerf sichert den Gemeinden das Recht zu, in eigener Verantwor- tung alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze zu regeln. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in diesem Sinn sind alle Bedürf- nisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen. Innerhalb dieses Bereichs ist die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden besonders geschützt, soweit wesentliche Hoheitsrechte wie die Gebiets-, Planungs-, Organisations-, Personal oder Finanzhoheit betroffen sind (vgl. Thür- VerfGH, LVerfGE 20, 479 [500 f.]); BVerfG, Beschluss vom 27. November 1986 - 2 BvR 1241/82 -, juris Rn 9). b) Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen reichen zur Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht aus. Ihnen kann nicht die Möglichkeit entnommen werden, dass sie in ihrem Recht auf Selbstverwaltung, wie es in Art. 91 Abs. 1 Thür- Verf und den diese Gewährleistung mitprägenden Verfassungsvorschriften garantiert wird, verletzt ist. aa) Nach der Rechtsprechung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs kann das kommunale Selbstverwaltungsrecht einer Gemeinde auch durch deren Einbindung in eine Verwaltungsgemeinschaft verletzt werden (ThürVerfGH, Beschluss vom 19. Februar 1997 - VerfGH 31/96 - juris Rn 12; Beschluss vom 30. Juli 1999 - VerfGH 38/97 - Rn 58 ff.). Zwar handelt es sich hierbei um ein im Vergleich zur Ge- bietsänderung oder gar Auflösung der Gemeinde milderes Mittel der kommunalen Neugliederung. Gleichwohl wird durch diese Maßnahme das kommunale Selbstver- waltungsrecht der zugeordneten Gemeinde berührt. Die Zuordnung zu einer Verwal- tungsgemeinschaft belässt der zugeordneten Gemeinde zwar den kommunalen Wir- kungsbereich insofern, als ihren Beschlussorganen für die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises grundsätzlich weiterhin die Entscheidungsbefugnis zusteht. Die Ausführung dieser Aufgaben und Entscheidungen erfolgt aber durch die Verwal-

VerfGH 25/13 10 tungsgemeinschaft, die insoweit als Behörde der Mitgliedsgemeinden handelt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 2 ThürKO). Soweit die Verwaltungsgemeinschaft die Aufgaben der Mitgliedsgemeinden ausführt, wird das Recht zur Organisation der Verwaltung - ein- schließlich der Personalhoheit - von der Verwaltungsgemeinschaft wahrgenommen. Die Einbindung in eine Verwaltungsgemeinschaft gegen den Willen der betroffenen Gemeinde ist daher nur unter den formalen und materiell-rechtlichen Voraussetzun- gen des Art. 92 ThürVerf zulässig. In formaler Hinsicht bedarf es eines förmlichen Gesetzes, dem eine Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaft vorauszugehen hat. In materieller Hinsicht muss die Maßnahme durch zureichende Gründe des ge- meinen Wohls gerechtfertigt sein (ThürVerfGH, Beschluss vom 30. Juli 1999 - VerfGH 38/97 - juris Rn 69).

Gleiches gilt auch für die zwangsweise Begründung eines Zuordnungsverhältnisses zwischen zwei Gemeinden nach § 51 ThürKO. Das kommunalrechtliche Institut der „erfüllenden Gemeinde“ ist dem der Verwaltungsgemeinschaft nach § 46 ff ThürKO sehr stark angenähert. Nach § 51 Abs. 1 Satz 2 ThürKO gelten die auf die Verwal- tungsgemeinschaft bezogenen Bestimmungen für die erfüllende Gemeinde entspre- chend. Diese führt die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der ihr zugeordneten Gemeinde als deren Behörde und nach deren Weisung aus (§ 51 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 47 Abs. 2 Satz 2 ThürKO). Der zugeordneten Gemeinde verbleibt zwar noch die Entscheidungskompetenz, sie verliert aber die ebenfalls durch das kommu- nale Selbstverwaltungsrecht geschützte Ausführungskompetenz. Auch die zwangs- weise Begründung eines Zuordnungsverhältnisses nach § 51 ThürKO ist demnach nur nach vorheriger Anhörung und nur aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig, wobei der Gesetzgeber auch die spezifischen örtlichen Gegebenheiten und Alterna- tivlösungen in den Blick zu nehmen hat (ThürVerfGH, Beschluss vom 1. März 2001 - VerfGH 20/00 - juris). bb) Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Zuordnungsmaßnahme sei gegen ih- ren erklärten Willen erfolgt, ist für sich genommen nicht hinreichend, einen Eingriff in ihr Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 91 Abs. 1 ThürVerf darzulegen. Die Be- schwerdeführerin vertritt hier offenbar die Ansicht, dass in der von ihr so bezeichne- ten „Phase der Freiwilligkeit“ jegliche kommunale Neugliederungsmaßnahme, die

VerfGH 25/13 11 dem Willen der betroffenen Gemeinde nicht entspricht, unzulässig sei. Entgegen dem insoweit in der Tat missverständlichen Gesetzestitel, der nur von der „freiwilli- gen Neugliederung“ spricht, ist das Einverständnis der betroffenen Kommune mit der Neugliederungsmaßnahme von Verfassungs wegen gerade nicht erforderlich. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen festgehalten, dass die Landesverfassung Eingriffen in die gemeindliche Gebietshoheit bis hin zur Auflösung und Neubildung von Gemeinden grundsätzlich auch dann nicht entgegen- steht, wenn diese gegen den Willen der betroffenen Gemeinde erfolgen (vgl. z. B. ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996, - VerfGH 2/95, 6/95 - Isserstedt u.a.; Urteil vom 18. September 1998 - VerfGH 1/97, 4/97 - Kleinwechsungen, Werther; Urteil vom 25. Mai 2000 - VerfGH 31/97 - Rüdersdorf; Urteil vom 1. März 2001 - VerfGH 20/00 - Liebschütz; Urteil vom 10. September 2002 - VerfGH 8/01 - Saal- burg). Dies gilt erst Recht für solche Maßnahmen der kommunalen Neugliederung, die - wie hier die Begründung eines Zuordnungsverhältnisses nach § 51 ThürKO - in ihrer Eingriffsintensität deutlich hinter einer Gebietsveränderung oder gar einer Auf- lösung der Gemeinde zurückbleiben. Ein Eingriff in das Recht auf Selbstverwaltung ergibt sich somit nicht ohne weiteres dadurch, dass die Maßnahme gegen den Willen der Beschwerdeführerin erfolgte, sondern erst dann, wenn die für derartige Maß- nahmen von der Verfassung vorgesehenen Hürden nicht beachtet worden wären. cc) Ausgehend hiervon hätte es der Beschwerdeführerin im Rahmen der Begrün- dung ihrer Verfassungsbeschwerde nach § 32 ThürVerfGHG oblegen, jedenfalls in groben Zügen darzulegen, dass ihre zwangsweise Zuordnung zur neu gebildeten Landgemeinde „Vogtei“ nach § 51 ThürVerf in formaler oder materiell-rechtlicher Hinsicht nicht den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

Dass die von ihr angegriffene zwangsweise Zuordnung zur Landgemeinde Vogtei nicht den formellen Anforderungen der Landesverfassung genügt, hat die Beschwer- deführerin nicht in ausreichender Weise begründet. Insbesondere wurde die Be- schwerdeführerin zu dem ihre Zuordnung anordnenden § 10 Abs. 5 des Gemeinde- neugliederungsgesetzes 2012 angehört. Soweit die Beschwerdeführerin hierzu ein- wendet, ihr sei im Rahmen der Beratung des Gesetzes in der Sitzung des Landtages am 22. November 2012 nicht ausreichend Redezeit gewährt worden, wird hierdurch ein Mangel des Anhörungsverfahrens nicht aufgezeigt. Das Erfordernis der Anhörung

VerfGH 25/13 12 nach Art. 92 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf verlangt nicht, dass die betroffene Kommune im Parlament selbst angehört wird. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat hierzu bereits mehrfach entschieden, dass gegen das auch hier gewählte Vorgehen des Landtags bzw. seines Innenausschusses, die Anhörung durch die Landratsämter durchzuführen, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (ThürVerfGH, Ur- teil vom 10. September 2002 - VerfGH 8/01 - juris Rn 30 m. w. N.). Ebenso wenig stellt der Einwand der Beschwerdeführerin, dass ihr im Rahmen der Anhörung geäu- ßerter Wunsch, der Verwaltungsgemeinschaft „Unstrut-Hainich“ beizutreten, nicht berücksichtigt worden sei, eine dem Erfordernis des Art. 92 Abs. 2 ThürVerf entspre- chende Anhörung in Frage. Das Anhörungsrecht nach Art. 92 Abs. 2 ThürVerf ge- währleistet nur, dass der Gesetzgeber die Belange der betroffenen Gemeinden zur Kenntnis nimmt und in seine Abwägung einstellt, es gewährleistet nicht, dass den Wünschen der Kommune auch im Ergebnis der Abwägung Rechnung getragen wird.

Die Beschwerdeführerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass ihre Zuordnung zur neu gebildeten Landgemeinde „Vogtei“ nicht durch hinreichende Gründe des öf- fentlichen Wohls gerechtfertigt ist. Gegen die Begründung eines Zuordnungsverhält- nisses nach § 51 ThürKO an sich erhebt die Beschwerdeführerin keine Einwände. Ein damit verbundener Verlust kommunaler Kompetenzen und Handlungsmöglichkei- ten wird von ihr nicht beanstandet.

Die Beschwerdeführerin wendet sich vielmehr ausschließlich dagegen, dass ihr kon- kreter Zuordnungswunsch nicht berücksichtigt wurde. Zur Begründung ihres Zuord- nungswunsches stellt sie maßgeblich auf bestimmte, sie aus ihrer Sicht benachteili- gende Vorkommnisse in der früheren Verwaltungsgemeinschaft „Vogtei“ ab. Allein dies stellt jedoch die in der Gesetzesbegründung ausführlich wiedergegebenen Gründe des öffentlichen Wohls, die für die Zuordnung zur neuen Gemeinde „Vogtei“ sprechen, nicht in Frage. Der Beschwerdeführerin hätte es hier oblegen, darzulegen, dass der Gesetzgeber den entscheidungserheblichen Sachverhalt nur unzutreffend oder unvollständig ermittelt hat oder dass er die im konkreten Fall angesprochenen Gemeinwohlgründe und die Vor- und Nachteile der Regelung nur unzureichend in seine Abwägung eingestellt oder die einzelnen Belange in unvertretbarer Weise fehl- gewichtet hätte (zu den Maßstäben der verfassungsgerichtlichen Kontrolle gesetzli-

VerfGH 25/13 13 cher Maßnahmen der kommunalen Neugliederung vgl. ThürVerfGH, Beschluss vom 1. März 2001 - VerfGH 20/00 - juris Rn 96). Ein in diese Richtung zielender Einwand lässt sich dem Beschwerdevorbringen jedoch nicht entnehmen.

Um einen solchen Einwand handelt es sich gleichfalls nicht bei dem von der Be- schwerdeführerin gerügten mit Schreiben des Landratsamtes Unstrut-Hainich- Kreises vom 17. April 2013 festgesetzten Mehrbelastungsausgleich. Diese die Be- schwerdeführerin treffende Ausgabe ist erst nach Inkrafttreten der Gebietsreform wirksam geworden. Zudem hat die Beschwerdeführerin nicht deutlich gemacht, in- wieweit es sich hierbei um eine strukturell bedeutsame Ausgabe handelt, die in die gesetzgeberische Abwägung hätte einbezogen werden müssen.

C.

Das Verfahren ist kostenfrei, § 28 Abs. 1 ThürVerfGHG. Auslagen werden nicht erstattet, § 29 ThürVerfGHG.

Die Entscheidung ist nach dem Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz nicht rechtsmittelfähig.

Prof. Dr. Aschke Prof. Dr. Baldus Prof. Dr. Bayer

Dr. Habel Heßelmann Dr. Martin-Gehl

Prof. Dr. Ruffert Prof. Dr. Schwan Eberhardt

VerfGH 25/13 14