Kulturlandschaften in Nordrhein-Westfalen 6.1
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Kap_6_1_Kulturlandschaften.qxp 18.10.2007 16:22 Seite 131 Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen // 2007 Kapitel Kulturlandschaften in Nordrhein-Westfalen 6.1 6 Kulturlandschaften in Nordrhein- der Genese abgeleitet und fließt als ein Parameter in die Westfalen Markierungen ein. Bei der Einteilung der gewachsenen Kulturlandschaften sind die Umgestaltungen und damit verbundenen Verän- 6.1 Markierungskriterien und Betrachtungsebenen derungen des Landschaftsbildes in den historischen Kon- der 32 Kulturlandschaften Nordrhein-Westfalens text eingeordnet worden. Diese Umgestaltungen wurden insbesondere durch die Veränderungen innerhalb der vor- Das Raumordnungsgesetz nennt gewachsene Kultur- handenen jeweiligen dominanten Funktion wie z.B. Forst- landschaften in der Pluralform. Damit wird deutlich, dass wirtschaft oder durch einen Funktionswandel etwa von der es sich je nach Planungsebene um differenzierbare räum- Landwirtschaft zur Industrie verursacht. Hierbei sind z.B. liche Einheiten handelt. Kulturlandschaften müssen flä- folgende Phänomene zu unterscheiden: chendeckend für die Raumordnung und Planung ausge- gliedert und in Teilbereichen besonders markiert werden G Dominanz einer historischen Epoche (vgl. Kap. 7). Hierbei ist die Beachtung der unterschiedli- (z.B. junge Kultivierungslandschaften, Bruchkultivierungen), chen Planungs- und Maßstabsebenen ebenso unabding- G Dominanz von persistenten Landnutzungsformen bar wie das Bewusstsein um die Notwendigkeit einer ver- (z.B. in den Börden), einfachenden Reduktion des dreidimensionalen und multi- temporalen Landschaftsraumes. G Vorhandensein von Flächen und Strukturen mit sehr unterschiedlichen Zeitstellungen, Die gesamte gewachsene Kulturlandschaft Nordrhein- G stark zeitgenössisch geprägte, überformte und dynami- Westfalens wurde im vorliegenden Fachbeitrag in 32 Kul- sche Räume mit einzelnen historischen Elementen so- turlandschaften gegliedert (s. Karte 9.A im Kap. 9). Dies sind wie lediglich Resten von überlieferten Strukturen und planungsrelevante Raumeinheiten, die durch zusammen- Flächen, gehörige Merkmale aufgrund ihrer kulturlandschaftsge- schichtlichen Entwicklung markiert sind. Diese Gliederung G ausgeräumte und umgeprägte Landschaften steht neben vorhandenen Gliederungen z.B. aus natur- (als Folge von Flurbereinigungen, Ressourcengewinnung schutzfachlicher Sicht. und Rekultivierungen). Notwendig ist je nach Betrachtungsmaßstab die Hervor- Für die kulturlandschaftliche Gesamtgliederung Nord- hebung der jeweiligen Aussageebenen, die entscheidend rhein-Westfalens sind nachstehend erläuterte Parameter in- 131 sind für die zugrunde gelegten Kriterien zur Markierung nerhalb eines morphogenetischen Ansatzes angewandt von gewachsenen Kulturlandschaften. Daraus ergibt sich – worden. Die Morphogenese beinhaltet die äußere Form in um überhaupt eine aussagefähige Datengrundlage zu er- ihrer ablesbaren zeitlichen Entstehungsgeschichte. Pla- halten – eine Generalisierung der Abgrenzungs- und Mar- nungsrelevant ist das Überlieferte als Kulturelles Erbe und kierungskriterien. Dies muss mit dem Wissen der komple- nicht das Rekonstruierte der Kulturlandschaftsgeschichte. xen Verbindungen und Verknüpfungen innerhalb eines prozessualen Geschehens und einer weit zurückreichen- den Zeitachse erfolgen. Naturräumliche Grobgliederung Auf der anderen Seite erfolgt die Abgrenzung der Kultur- Die Naturräume in Nordrhein-Westfalen variieren auf landschaften nach heutigen Kriterien der Kulturland- Landesebene und haben unterschiedliche Voraussetzun- schafts- und Denkmalpflege. Für die ur- und frühgeschicht- gen für die Herausbildung von charakteristischen, ge- lichen, aber auch für die meisten historischen Perioden vor wachsenen Kulturlandschaften geschaffen. Die naturräum- dem 18./19. Jh. wären jeweils für die unterschiedlichen lichen Gegebenheiten sind verantwortlich für die Heraus- Phasen andere Unterteilungen wissenschaftlich sinnvoll. bildung von Gunst- und Ungunsträumen, für die Verkehrs- Da die Inventarisation archäologischer Bodendenkmäler in erschließung und die Nutzungsarten. Die sich in der Glie- Nordrhein-Westfalen aus fachlicher Sicht nie abgeschlos- derung abbildenden Faktoren Relief, Böden, Hydrologie, sen sein wird, lässt sich für die älteren Zeiten besser von Klima und Vegetation sind für die jeweilige regionale Aus- Fundlandschaften sprechen. prägung maßgeblich. Darunter wird kein ausschließlicher Geodeterminismus verstanden, sondern die herausragen- Zu den gewachsenen Kulturlandschaften gehören kon- de Bedeutung der naturräumlichen Ausstattungsmerkmale stituierend die schriftlosen Geschichtsphasen hinzu, deren für die kulturlandschaftliche Entwicklung. Hinterlassenschaften im Boden als Kulturgut überliefert sind. Die Kenntnisse der archäologischen Landesfor- schung beziehen sich auf differenzierbare Fundregionen, Landschaftsbild z.B. die jungsteinzeitliche Kolonisation in den Börden, die Eisenzeit im Siegerland oder die römerzeitliche Kulturland- Nordrhein-Westfalen hat vielfältige Landschaftsbilder z.B. schaft westlich des Rheins mit Auswirkungen auch entlang von weitläufigen Lössbörden bis zu kleingekammerten Mit- der Lippe. Dieser Markierungsfaktor ist durch Kenntnisse telgebirgen, von ausschließlich ländlichen Regionen bis zu Landschaftsverband Rheinland und Landschaftsverband Westfalen-Lippe Kap_6_1_Kulturlandschaften.qxp 18.10.2007 16:22 Seite 132 Kapitel Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen // 2007 6.1 Kulturlandschaften in Nordrhein-Westfalen hochverdichteten urbanen Besiedlungslandschaften. Dies Grenzziehungen im 17. und 18. Jahrhundert. Territorial- schlägt sich als zweiter Parameter nach dem Naturraum grenzen waren besonders wirkungsmächtig, wenn sie sich unmittelbar optisch nieder und lässt sich markieren. Diese mit Grenzen unterschiedlicher Konfessionen paarten. Die Markierungen sind als Übergänge zu verstehen und nicht unterschiedlichen Glaubensvorstellungen sind an spezifi- als scharfe Grenzen, denn Landschaftsbilder sind oft weit schen Kulturlandschaftselementen sichtbar, wie etwa den raumwirksam. Entscheidend ist die jeweilige Landschafts- Wegekreuzen, Bildstöcken und Kreuzwegen in katholi- bilddominanz innerhalb der markierten Kulturlandschaft. schen oder spezifischen Formen der Bestattungskultur in reformierten Territorien. Siedlungstypen und regionale Baukultur Dieses Markierungskriterium ergibt sich aus der jeweili- gen regionalen Baukultur und den besonders häufigen re- gionalen Siedlungstypen. Während bis vor dem Zweiten Weltkrieg sowohl einzelne Siedlungstypen wie z.B. Hau- fen-, Straßen-, Hufen-, Angerdörfer, Weiler und Einzelhöfe als auch die Hauslandschaften deutliche regionale Verbrei- tungsmuster aufwiesen, ist dies durch die massiven Sied- lungserweiterungen ab ca. 1955 physiognomisch undeutli- cher. Auch die Baukultur ist erheblichen Nivellierungsten- denzen unterworfen. Trotzdem ist die Prägung durch be- stimmte Baumaterialien im Zusammenhang mit den örtlich anstehenden Gesteinen und den klimatischen Faktoren noch erkennbar oder auch die Bewahrung historischer Ortskerne innerhalb der Vorortbildung, die die Typisierung nicht grundsätzlich verändert. Die gewerblich-industrielle Entwicklung in Nordrhein-Westfalen hat auch spezifische Siedlungstypen wie Werkssiedlungen hervorgebracht, die in bestimmten Regionen häufiger auftreten und dort als Kriterium für eine Markierung dienen können. 132 Landnutzungsstrukturen Dieses Markierungskriterium ist eng mit dem Land- schaftsbild verbunden. Die Landnutzungsstrukturen erge- ben sich aus dem funktionalen Verhältnis von Wald zu Of- fenland, das sich weiter differenziert in Grün- und Acker- land. Unterschiedliches Erbrecht führte zu unterschiedli- chen Parzellenmustern. Die aus dem Erbrecht und Marken- teilungen resultierende Landnutzung mit entsprechender Parzellierung und deren Markierungen durch Zäune oder Hecken ist dann in Flurbereinigungsverfahren verändert worden. Dadurch ist allmählich das heutige agrarische Landnutzungsgefüge in Nordrhein-Westfalen entstanden. Die Forsten und Wälder erhalten durch Großgrundbesitz bedingte Nutzungssysteme und ehemals bäuerliche Wald- nutzungen, wie z.B. Nieder- oder Hudewald, verschiedene Aussehen. Ablesbare historische Nutzungen sind ein wich- tiges Kriterium für die Markierung von Kulturlandschaften. Territoriale und konfessionelle Grenzen Auch die Territorialgeschichte mit ihrer kleinteiligen Zer- splitterung Nordrhein-Westfalens zwischen dem 13. Jh. und 1815 ist in landesspezifischen Differenzierungen ab- lesbar. Unterschiedliche Baubestimmungen der verschie- denen Obrigkeiten haben ebenso zur Regionalisierung der Baukultur beigetragen wie die Bemühungen um feste Landschaftsverband Rheinland und Landschaftsverband Westfalen-Lippe Kap_6_2_KL_01.qxp 18.10.2007 13:19 Seite 133 Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen // 2007 Kapitel Kulturlandschaft 1 // Tecklenburger Land 6.2 6.2 Kulturlandschaften geringen Reliefenergie sind die Niederungsbereiche und ihre charakteristischen Teile häufig großflächig vermoort, stellenweise kam es zur Hochmoorbildung (z.B. Recker Moor). Die nährstoffarmen Sandböden besitzen nur eine geringe bis sehr geringe Kulturlandschaft 1 // Tecklenburger Land Bodengüte. Anthropogen sind die Plaggeneschböden und die durch Tiefpflügen kultivierten Moorböden (z.B. im Mettinger Moor). Lage und Abgrenzung Der südöstliche Teil der Kulturlandschaft „Tecklenburger Die Kulturlandschaft „Tecklenburger Land“ umfasst den Land“, bestehend aus