Vierzehnter Jahres-Bericht Hiftoriscljen Vereins»

fiik

die Grafschaft xiavenøberg

zu Bielefeld

1900.

Z3iecefekd. Druck von Velhagen F: Klasing. 1900. Inhalt.

Bericht des Vorstandes ......

Statut für das städtische Museum ...... Wilbrand, Die Verkehrswege der Bielefelder Gegend in der Urzeit

Tütnpel, Der Schmied von Bielefeld ......

Weddigen, Das alte Rathaus ......

Bahrseldt, Beiträge zur ravensbergischen Münzkunde . . . . . Will-rund, Mitteilungen über Münzen der Grafschast Ravensberg. 1609 Rübel, Der Rezeß zu Dortmund . . . . Eickhoff, Eine Wanderung durch Gütersloh und HandderGeschichte tBerikht des Vorstandes.

Der Vereinsvorstand, dessen einzelne Mitglieder im vorigen Jahresbericht aufgezählt sind, blieb im Jahre 1899 bis zur Generalversammlung am 1. Dezember unverändert. Während die übrigen Mitglieder wiedergewählt wurden, schied der Biblio- thekaiz Herr Th. Weddigen, auf seinen Wunsch aus und das betreffende Amt wurde von Herrn Oberlehrer Dr. Tiimpel über- nommen. Die Versammlung sprach Herrn Weddigen für seine langjährige und mühevolle Thätigkeit ihren Dank aus. Darauf erstatteten die Vorstandsmitglieder Berichtsp Alle Vereinsinstitute find m gedeihlicher Entwickelung; dagegen sind die Kassenverhältnisse, wie immer, mißlich Trotzdem der Verein 195 Mitglieder zählte, reichen die Einnahmen nicht aus, da der Jahresbeitrag sich nur auf drei Mark beläuftsz Es wäre sehr zu wunschen, daß noch recht viele Mitglieder beiträten. Zu einer neuen Werbung liegt eine besondere Veranlassung vor, da der Verein am 27. Mai 1901 sein Zöjähriges Stiftungsfest feiert. Es liegt in der Absicht, dem betreffenden Jahresbericht ein Verzeichnis der Vereinsmitglieder einzufügen, und es wäre nach den hiesigen Verhältnissen die Hoffnung keineswegs zu kühn, bis dahin auf 300 zu kommen. Die Anmeldungen geschehen am bequemsten durch Postkarte an Herrn Buchhändler Johannes Klasing — Die Bemühungen aus Provinzialmitteln eine jährliche Unterstützung zu erhalten, haben sich bis jetzt als erfolglos erwiesen. Ob der Umstand, daß unser Verein jetzt dem westfälischen Provinzialverein für Kunst und Wissenschaft als korporatives Mitglied beitritt, die leidige Angelegenheit endlich günstig erledigen wird, muß abgewartet werden. Die historische Sammlung war auch im abgelaufenen Jahre in stetiger Entwickelung. Es wurden zwei neue Glas- schränke aufgestellt und mit wertvollen ethnographischen Gegen- —V1... ständen gefüllt, welche bis dahin im Gymnasium aufgestapelt lagen. Für die Münzsammlung bewilligte der Magistrat zwei elegante Schaukästen. Von den zahlreichen Erwerbungen des Museums sind folgende hervorzuheben. Zunächst wurde uns ein langgehegter Wunsch erfüllt: Wir erhielten eine Ravensberger Bauerntracht Jm Laufe des Jahres 1899 verstarb hochbejahrt Frau Ummel- mann dahier, weit bekannt als letzte Trägerin der alten male- rischen Bauernkleidungx Der Sohn, Herr Hofbesitzer Ummelmann, hatte die Güte, die nierkwürdige und wertvolle Tracht für unser Museum zu stiften. Schon früher hatte das Mitglied unsers Vorstandes, Herr Johannes Klasing, für die zu beschaffenden Trachten zwei Figuren gestiftet und wir waren nun in der Lage, wenigstens die weibliche Figur zweckentsprechend zu bekleiden. Es ist nun auch erhöhte Hoffnung vorhanden, eine männliche Tracht zu erhalten. Diese Aussicht verdanken wir der unmittelbaren An- regung Sr. Excellenz des frühern Oberpräsidenten Studt in Münster, des gegenwärtigen Kultusministers Als derselbe aus unserm vorigen Jahresberichte ersah, daß wir trotz aller Be- mühungen kein Exemplar der alten Bauerntracht erlangen könnten, verwandte sich Se. Excellenz persönlich bei der Königlichen Re- gierung zu Minden, uns bei unsern Bemühungen zu fördern. Bei der gütigen Bereitwilligkeit genannter hoher Behörde dürften die eingeleiteten Nachforschuugeii wohl auch zum Ziel führen. — Unsere Erinnerungszeichen an die Zünfte wurden vermehrt durch den zinnernen Willkommenbecherund andere Besitztümer der Metall- arbeiterinnnng Ein anhängendes silbernes Schildchen trägt die Jahreszahl 1826. Von kleinern Stücken führe ich an: drei Pfeil- spitzen aus Feuersteiih gefunden bei den Hünengräbern am Blömke- berg, einen Steinhammer aus Kieselschiefey gefunden bei Loecum und eine Kasette mit reicher Schmiedearbeit, vielleicht ursprünglich einer Behörde gehörend Sie fand sich vor vielen Jahren herren- los in der jetzigen katholischen Schule, welche eine Zeitlang als Rathaus gedient hat. —- Die Sammlung Ravensberger Münzen blieb in erfreulichem Wachstum. An Silbermünzen dieser Art wurden erworben 1 Denar Ottos III. (1249—-1306), 3 Denare Wilhelms d. A. (1360—1395), ein Denar Wilhelms d. J. (1405 bis 1428), welcher denselben noch als Bischof (von Paderborn)« darstellt und ein sog. Gosler, eine Hohlmünze ohne Aufschrift, welche nur das Ravensberger Wappen zeigt. Ferner je ein Ravensberger Groschen von 1598 und 1609, ein Zweimarieip —v11-.

groschenstück von 1644 und ein Matier von 1653. An Rabens- berger Kupfermünzen: ein Sechspfennigstück von 1655, welches bis dahin fehlte, und 1 Einpfennigstück von 1620, von welcher Sorte wir nur ein kaum lesbares Exemplar hatten. Von Erwerbungen römischen Urfprunges nenne ich zahlreiche Thongefäße aus Gräbern, gefunden am Niittelrheiiy angekauft aus den Dubletten des Nkuseums zu Wiesbaden. Schenkweise gab uns das Museum aus seinen reichen Beständen Bruchstücke von Gefäßen aus Terra sigillater Der Direktor des"Museums, Herr Dr. Ritterling, hatte die Güte, Zweck und Ursprungszeit der betreffenden Stücke näher zu bestimmen. — Hierzu kamen zwei antike Lämpchen aus Ägypten, 1 rön1ische Silbermünze und 6 aus Bronze Von letztern wurde eine bei Recklitighausen gefunden, zwei aber dahier. Die eine (Maximianus 285—305) gehörte zu den römischen Münzen, welche vor einem Menschenalter in dem ehemals Kottniaiinschen Garten, welcher jetzt einen Teil des Neumarktes bildet, gefunden wurden. Die andre (Anrelianus 270—«75) ist von besonderm Interesse. Sie fand sich mit Bruchftücken einer Urne in dem Hügel 10 Piiiiuteii östlich der Hünenburg, auf welchen Berichterftatter seinerzeit be- sonders aufmerksam gemacht hatte. (Vergl. Wilbrand, Elfter Jahresberichh S. 38, letzte Zeile und S. 39.) An diesen Fund knüpfen sich so wichtige Folgerungen über das Alter unsrer Hünen- gräber, daß die Stelle noch weiter untersucht werden soll. Von ethnographischeic Gegenständen sind diesmal nur einige Jndianerwasfen zu erwähnen. So erfreulich nun diese stetige Entwickelung unsrer Samm- lung auch ist: eine organisatorische Frage von viel größerer Be- deutung scheint ihrer aussichtsvollen Lösung näher gerückt. Wie im Vorstandsberichh welcher dem zwölften Jahresbericht (1898) beigegeben ist, mitgeteilt wurde, fanden bereits in der General- versammlung vom 12. November 1897 Verhandlungen darüber statt, ob es nicht möglich sei, für das Museum ein geeigneteres Lokal zu finden als den Sparenberg Dieser erwies sich als so feucht, daß minder dauerhafte Stoffe da oben sicher verderben müssen. Außerdem sind die verfügbaren Räume nahezu gefüllt und die Entwickelung des Niuseums geht einer Stockung entgegen. Ferner ist während der strengern Jahreszeit das Elliuseum für das Publikum so gut wie nicht vorhanden, und wie sehr die Verwal- tung durch die abgeschiedene Lage erschwert wird, liegt auf der

Hand. — An die Ausführung des alten Wunfches: der Sammlung — VIlI ——— zugleich den Charakter eines Gewerbemuseums zu geben, konnte bei den seitherigen Verhältnissen nicht gedacht werden. Durch den Ankauf der Kaselowskyschen Besitzung seitens der Stadt gelangte nun ein Haus in öffentlichen Besitz, welches sich so sehr zu einem Museum eignet, daß dieser Gedanke wohl, ohne einen einzelnen Urheber zu haben, gleichzeitig in vielen Köpfen auftauchte. Man kann sagen: das Projekt war von der öffentlichen Meinung schon gutgeheißen, noch ehe es in geschäftliche Behandlung genommen war. Diese trat mit Beginn des Witttersemesters ein und ist gegen- wärtig so weit gediehen, daß die grundlegenden Statuten für ein ,,Museum der Stadt Bielefeld« zunächst vom Magistrat und am 28. März 1900 auch von der Stadtverordneten-Versammlung genehmigt worden sind. Auch setzten die genannten Behörden mit dem neuen Rechnungsjahr 1900 zum erstenmal für das Museum eine bestimmte Summe (zunächst 1000 M.) in den städtischen Haus- haltsplan ein. So wären denn die Fundamente zu einem Unternehmen gelegt, welches hoffentlich bald die Stadt um eine anregende und lehrreiche

Anstalt bereichern wird. — Allerdings ist zur Stunde die Lokal- frage noch immer nicht endgültig geordnet. Die unvermutet auf- tauchende Gefahr, daß das wertvolle Gebäude dem Theaterprojekt zum Opfer fiele, scheint ja beseitigt. Der Mangel eines geeigneten Rathauses setzt aber bekanntlich die Stadt in die Zwangslage, auch für ihre Behörden vorläufig Noträume aufzusuchen. So wurde das städtische Bauamt vorläufig im Kaselowskyschen Hause unter- gebracht, und es ist im Augenblick noch unentschieden, ob noch soviel Platz bleibt, wenigstens im obern Stock mit dem Museum beginnen zu können. Doch diese Schwierigkeiten sind nicht unüber- windlich, und wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg. Der Vorstand spricht für alles, was für das Museum bis jetzt von den städtischen Behörden geschehen ist, in froher Hoffnung für die Zukunft, seinen herzlichsten Dank aus. Bei dem Interesse, welches der Museumsfrage in allen Kreisen der Bürgerschaft entgegengebracht wird, bringen wir die oben erwähnten grundlegenden Statuten mit Genehmigung des Herrn Oberbürgermeistcrs im Nachfolgenden zum Abdruck. Jn der Generalversammlung vom 1. Dezember 1899 hielten folgende Herren Vorträge: Prof. Dr. Wilbrand über »Dr. Schach- hardts Forschungen über sächsische und fränkische Kastelle und über das Römerkastell bei Haltern«; Herr Dr. Tümpel über »das —.Ix-.

Märchen vom Schmied von Bielefeld«;«Herr Direktor Dr. Reese über »Ravensberger Bauerntracht«. An jeden dieser Vorträge knüpften sich nähere Erörterungen. Zum Schluß machte Herr Prof. Wilbrand verschiedene lokalhistorische Mitteilungen über die Ausgrabungen am sog. Römerkirchhof in Spiegelsbergem über die Grabfunde auf der Hermannshöhe und über Tillys Anwesen-

heit in Bielefeld im Jahre 1625. — Es ist in Aussicht genommen, daß in Zukunft über wichtigere historische Entdeckungen in Deutsch- land, vornehmlich aber in Westfalen, regelmäßig Bericht erstattet werden soll. Geeignete Themata für die nächste Zeit dürften ins- besondere bieten: Die Ausgrabung des Römerkastells bei Haltern a. d. Lippe, in welchem das vielgesuchte Aliso vermutet wird und die Entdeckung der großartigen Befestigung bei Neuwied, welche zunächst für eine Anlage Cäsars gehalten wurde, bis der Fort- schritt der Ausgrabungen diese Auffassung wieder beseitigte und neue Rätsel aufgab. Bielefeld, am 1. Mai 1900. Yer Vorstand. Statut für das städtische Museum.

§ 1. Die Stadt Bielefeld begründet hierdurch ein Museum. § Z. Gliederung. Das Museum gliedert sich zunächst in zwei Hauptabteiluiigeih eine für Geschichte und eine für Gewerbe. a) Als Grundstock der Sammlungen werden dem Museum die bis jetzt auf dem Sparenberg aufgestellteth seiner Zeit vom »Historischen Verein für die Grafschaft Ravensberg« übernommenen Gegenstände zugewiesen. b) Die Gründung weiterer Hauptabteilungem etwa für Kunst, Ethnographie und Naturwissenschaften, wird für später in Aussicht genommen. c) Da bereits zahlreiche ethnographische Gegenstände vor- handen sind, so ist die Vermehrung derselben erwünscht· Doch soll diese sich vorläufig auf Annahme schenkweiser Zuwendungen beschränken d) Naturaliekh welche zufällig in Besitz des Museums ge- langen und nicht etwa als Rohstoffe für die Gewerbe in Betracht kommen, sind bis auf weiteres an die naturwissenschaftlichen Sammlungen der höhern Schulen der Stadt Bielefeld abzugeben. § Z. Ziele der Sammlungen. a) Die Abteilung für Geschichte sammelt historische Gegen- stände und hat in erster Linie die Interessen der Heimatskunde zu berücksichtigen. ..-x1—

b) Die Abteilung für Gewerbe erstrebt vornehmlich ein an- schauliches Bild der gewerblichen Thätigkeit der Stadt Bielefeld und Umgegend zu bieten durch Ausstellung charakteristischer Pro- dukte, sei es in Natura oder im Bild. Die Herftellung des Gegenstandes ist womöglich vom Rohstoff an zu veranschaulichen. Die historische Entwickeliing des betreffenden Industriezweiges ist dabei mit zu berücksichtigen. Ebenso ist es Aufgabe dieser Ab- teilung, für gute Vorbilder durch Anlage einer.Mustersamm- lung zu sorgen. § 4. Einreihung der Erwerbungen in die Abteilungen. Über die Aufnahme der Gegenstände in das Museum ent- scheidet der Verwaltungsrat. Ebenso werden Erwerbungeiy deren Zugehörigkeit zu einer der Hauptabteilungen zweifelhaft ist, z. B. ethnographische Gegenstände, Trachtem Schmucksachem Me- daillen u. a. nach Entscheidung des Verwaltungsrates eingeordnet. § 5. Pflege der Sammlungen. Für jede der Hauptabteilungenist in der Regel ein besonderer Pfleger zu bestellen, welcher vom Magistrat zu ernennen ist. a) Der Pfleger der »geschichtlichen Abteilung« ist vom »Historischen Verein für die Graffchaft Ravensberg« vorzuschlagen b) Derjenige der »Abteilung für Gewerbe« von der Handels- kammer zu Bielefeld. Bis sich eine anderweitige Regelung der Verwaltung als nötig herausstellen sollte, sind die Pflegschaften unbesoldete städtische Ehrenämten § 6. Verwaltungsrat. Die Verwaltung des Museums leitet ein Ausschuß, welchem angehören: a) der Oberbürgermeister oder ein von ihm deputiertes Magistratsmitgliedz b) ein Deputierter der Stadtverordneten-Versammlung; c) die Pfleger der Hauptabteilungen Stellt sich die Notwendigkeit einer Unterstützung der Pfleger heraus, so ist Zuwahl geeigneter Persönlichkeiten gestattet. —x11— § 7. Unterhaltung des Museums. Die Stadt Bielefeld übernimmt die Sorge für die Räumlich- keiten, für ständige Aufsicht und Bedienung, Mobiliar, Ausstellungs- schränke und Schaukästen. Außerdem wird für Sammlungsgegem stände eine bestimmte Summe in den jährlichen städtischen Haus- haltsplan aufgenommen. Über die Verwendung der zur Verfügung stehenden Gelder beschließt der Verwaltungsrat § 8. Sonstige Förderung des Museums. Die städtischen Behörden fördern das Museum weiterhin durch geeignete Einwirkung auf Staatsbehörden, Korporationen und Publikum, durch Anregung zu Stiftungen und durch Bildung eines besondern Grundkapitals für Museumszwecke Bielefeld, am 6. November 1899. Der Magistrat. gez. Bunnemann.

Einstimmig genehmigt von der Stadtverordneten-Versammlung am 28. März 1900. Die Illerkehrgwege der iBielefelder Gegend in der Urzeit. Lson Professor Dr. Julius Wilbraiiix

Naturgemäß wächft das geschichtliehe Jnteresse für eine Gegend in dem Maße, als diese nachweislich Schauplatz großer Ereignisse war, oder wenigstens zu solchen in naher Beziehung stand. Jm allgemeinen können wir Derartiges vom Ravensberger Lande nicht sagen, wenn auch die Wechselfälle der Zeiten fiir die kleine Chronik Stoff genug geliefert haben· Es ist dies eigentlich zu verwundern, da der Bielefelder Paß, der durch die Köln-Winden« Eisenbahn eine Durchgangspforte fiir einen so großartigen Verkehr geworden ist, seine lockende Kraft doch zu allen Zeiten bewährt haben muß. Dies gilt insbesondere auch für die Periode der Römer, und ohne daß man direkte Beweise liefern kann, darf aus allgemeinen Gründen wohl mit Sicherheit angenommen werden, daß auch der Bielefelder Paß, ebensowohl wie die Dörenschluchh von einem militärisch so hochftehenden Volk nach Gebiihr gewürdigt und benutzt wurde. Daß die Germanen Veranlassung hatten, diese ebengenannten Zugänge zum Cheruskerland wohl im Auge zu behalten, beweisen die Befestigungem welche zum Schutze beider Pässe von ihnen er- richtet wurden, die Grotenburg bei Detmold und die Hünen- burg bei Bielefeld. Noch neuerdings (1899) sprach sich Direktor 1)r. Schuchhardt (in Hannover), gegenwärtig wohl der beste Gewährsmann in solchen Fragen, für den altgermanifchen Ursprung beider Volksburgen aus. Jn den römischen Schriftstellern findet sich nirgends eine An- gabe, welche unmittelbar auf die hiesige Gegend bezogen werden könnte. Ziemlich nahe aber kommt uns Tacitus in der berühmten Stelle, wo der Teutoburger Wald genannt wird (Ann. l, 60). Er erzählt hier den Rachezug des Germaniens im Jahre 15 n. Chr. 1 —2— Dieser Feldherr vereinigte auf verschiedenen Wegen seine Streit- kräste an der mittleren Eins. »Von dort wurde das Heer bis an die äußersten der Brueterer geführt und alles, was zwischen der Ems und der Lippe lag, wurde- Verwüster« — Aus diesen Worten geht unzweideutig hervor, daß es sich um das Land im Quellgebiet und innerhalb der parallelen Oberläufe beider Flüsse handelt. Diese-Gegend aber liegt im Gesichtskreis unserer Berge. Dort saßen die »kleinen Brueterer«, die Grenznachbarn der Che- rusker Daß die Vorfahren der hiesigen Bevölkerung bei den ruhm- vollen Kämpfen, welche mit der Abschüttelung des Römerjoches endigten, in erster Linie mitbeteiligt waren, ist gar nicht zu be- zweifeln, und ihr mutmaßlicher Anteil würde in dem Verhältnis klarer, je benachbarter für uns sich einst das Teutoburger Schlacht- feld erweisen wird. Die alte Vermutung, daß es im Lipper Lande, also in unserer Nachbarschast, zu suchen sei, hat bis jetzt alle Wett- bewerbungen überdauert. Die Frage würde vielleicht längst sicher entschieden sein, wenn ein glücllicher Instinkt die Altertumsforscher rechtzeitig auf die Erforschung alter Heerstraßen und Befestigungs- reste geführt hätte. Allein hier liegen Unterlassungssünden vor, welche nie wieder gut zu machen sind. Es ist allmählich ganz un- zweifelhaft geworden, daß weder die Angaben der alten Schrift- steller, noch die seither gemachten Kleinfunde römischer Altertümer ausreichen, ein klares Bild jener kriegerischen Vorgänge zu liefern. Dies ist nur möglich durch ausgiebigere Erforschung der alten Römerstraßen und römischen Befestigungen des sraglichen Gebietes. Diese verdanken ihre Entstehung selbstverständlich zielbewußtem leitenden Grundgedanken. Je mehr es gelingt, die vereinzelten Reste einem zusammenhängenden System einzugliedern, desto deutlicher werden jene militärischen Absichten zu Tage treten und weitere Folgerungen begünstigen Jn Sachen der Varusforschung sind auf rein litterariscljem Gebiet manche blendende Scheinerfolge erzielt worden, welche einander ablösten Viel unscheinbarer, aber thatsächlich sörderlicher, ist die mühsamere, mit viel Selbstverleug- nung und Enttäuschung verbundene Wegeforschung Es muß rüstigen « jüngeren Forschern dringend angeraten werden, hierbei mit Hand anzulegen. Da sich solche hoffentlich auch dahier finden werden, dürfte ein Überblick über die Vorarbeiten anderer, soweit sie unsere Gegend betreffen, erwünscht sein. Angriffspunkte für eigene Forschungen ergeben sich dann von selbst. »Z-

Jm Nachfolgenden ist hauptsächlich Bezug genommen auf die Schriften von J. Schneider (»Die alten Heer- und Handelswege der Germanen, Römer und Franken im deutschen Reiche« Düssel- dorf, Bagel 1890. 9. F2eft),- Hölzermann (»Lokaluntersuchungen 2c. Münster, Fu Regensberg 1878) nnd neuere Arbeiten von Professor Nordhoss und Dr. Westhoff. l. Alte Verbindung vom Niederrhein über Bielefeld zur Nord- und Ostsee. Schneider sagt (S. 23): »Über die Maus bei Gennep und dann über den Rhein bei Rees kommt eine alte Straße, die über Bocholt und Borken nach Dülmen führt. Von da lassen sich die Spuren mit vielen Unterbrechungen über Drensteinfurt und nörd- lich an Ahlen vorbei verfolgen —.k—

Brackwede in einem großen Winkel ganz von der Eisenbahn ab und läuft in westlicher Richtung dem Osninggebirge entlang« Ebensowenig wie dieses nördliche Ende stimme das südliche Ende der von Schmidt gezeichneten Linie mit dem Lauf der Eisenbahn überein. (Diese fragliche Straße läuft nach der Schmidfschen Zeichnung von Drensteinfurt fast genau nach Osten und trifft zwischen der Hinteler und Eckeler Bauerschast den von Ahlen kommenden Strang. Die Aufklärung dieser Verhältnisse böte z. B. einem rüstigen Forscher Gelegenheit, von hier aus mit einzugreifen) Auch auf der Hölzermaiinschen Karte findet fich diese Straße mit nur geringen Abweichungen. Leider ist nicht ersichtlich, ob eigene Forschungen zu Grunde liegen. Zur Beglaubigung dieser alten Straße führt Schneider nun römische und vorrömische Funde an, welche an dieser Linie gemacht wurden. Jch kann diese teils ergänzen, teils (vergl. S. 10) berichtigen Als im Jahre 1819 die Straße von Bielefeld nach Giitersloh gebaut wurde, fand sich zwischen dieser Stadt und Wiedenbrück, wo der Olbach die Chaussee kreuzt, eine bronzene Lanzenspitze — Etwas östlich dieser Straße, einige Kilometer südwestlich von Brackwede, liegt der Hof Barlag. Hier wurde vor einer Reihe von Jahren ein Vronzebeil gefunden. — Weiter nördlich fand man beim Bau der Eisenbahn, zwischen Dorf und Bahnhof Brackwede, Urnen. Eine derselben enthielt neben Knochenresten ein Armband von Bronze. Jnnerhalb des Pasfes zog fich die Straße vor alters nvie Schneider ganz richtig angiebt) am Westabhange her, über den sandigen Fuß des Blömkeberges an Galgenbritik und Radbreite vorbei und mündete dann in die alte von Münster kommende Post- strasze, den noch jetzt vorhandenen ,,alten Haller Weg«. Jhr gemeinsamer weiterer Lauf bis zur Stadt Bielefeld ist durch den Einschnitt der Eisenbahn stark verwifcht. Jm Besitz unseres histori- schen Vereins befindet sich die Handzeichnung einer wahrscheinlich aus dem Jahre 1768 stammenden Karte eines Herrn von Haus- mann, welche die ehemaligen Straßenverhältnifse noch aufzeigt Jener durch unseren Paß am Galgenbriiik (Blömkeberg,) her führende Weg ist uralt, worauf auch einige ihm entlang liegende Gruppen von Hünengräbern deuten, welche jetzt zerstört sind. Jch habe sie jedoch noch gekannt und war bemüht, von dem Inhalt zu retten, was zu retten war. Die Ausbeute war höchst dürftig. Von Nietallsachen fanden fich nur zwei Stückchen eines dicken Bronze- .—5—

drahtes, ob Reste einer Haar- oder GewandnadeL ist nicht zu ent- fcheiden Die beiden Stücke fanden sich in weit von einander getrennten Gräbern. Ferner wurde (1869) innerhalb des Passes, allerdings am östlichen Abhang, eine römische Silbermünze des M· Metelliis gefunden, welche zwischen 134 und 114 v. Chr. geprägt sein muß. Diese, wie die zuvor aufgezählten Fundstücke befinden sich in der hiesigen Sammlung. Schneider sagt: »Aus den Funden ist zu schließen, daß der Weg in seiner ganzen Ausdehnung, sowohl in vorriimifcher als römischer Zeit, als Handelsweg gedient, während die Uberreste des Straßendammes wie die zahlreichen römischen Altertümey die von seinen Anfängen bis Minden an demselben vorkommen, bezeugen, daß er in dieser Strecke bei den Römern auch als Heer- weg in Gebrauch war« Eine neuere kritische Untersuchung römischer Straßen Land- wehren und Erdwerke in Westfalen geben die Herren Nordhoff und Westhoff in den ,,Bonner Jahrbüchern« (1895, S. 184 u. f.). Danach stellt sich die Verbindung unserer Gegend mit dem Nieder- rhein erheblich anders. Die von Rees über Borken verlaufende Römerstraße führte weiter durch das Merfelder Bruch (westlich von Dülmen, wo schon General von Müffling und Oberftleutnant Schmidt die vielgesuchten ,.pontes longrs voraussetzten) und über- windet den Sumpf bei der Letter Kluse »Etwa von diesem Punkte sandte sie einen Arm nordöstlich gerade auf Warendorf und Bielefeld, einen südlicheren gegen Osten auf Wiedenbrück ab. Beide Arme sind also zur Ems gezogen und streckenweise wahre Muster römischer Dammstraßen« (S. 188). Die Verfasser be- schreiben den 1871 von Hülsenbeck entdeckten, durch das Moor führenden Damm, welchen sie für eine Teilstrecke der im Jahre 15 n. Chr. von Caecina mit großer Not passierten ,,pontes longi« halten. Sie sind der Meinung, daß diese durch das Merfelder Bruch führende Strecke trotz aller Schwierigkeiten augenscheinlich gewählt sei, um die geradefte Verbindung mit der oberen Ems und den Osningpässen zu gewinnen. Der Südarm obiger Römer- straße ,,mündet bei St. Vit in den breiten und geraden Landweg von Stromberg nach Wiedenbrück Dieser erweist sich nicht un- deutlich als ein zerstörtes oder vielmehr zerfahrenes Teilstück des alten ,,Hellweges« von Hamm über Beckum zur Bielefelder Schlucht« (Bonner Jahrb S. 225.«) Dieser Südarm entspräche also in seiner Richtung wohl der von Schneider beschriebenen —5— Straße, liese aber etwas nördlicher als diese. Wie sich der Wider- spruch erklärt, muß ich vorläufig dahin gestellt sein lassen. Weitere Mitteilungen über römische Spuren in Westfalen, ins- besondere auch über Römerstraßem machen die Herren Nordhoff und Westhoff in der »Zeitschrift für vaterländische Geschichte 2c;««, Jahrgang 1895, Bd. 53, S. 259 u. s. Sie erwähnen hier eine Römerstraße »von Ahlen ziemlich genau nach Westen laufend«. Eine zweite konnten sie von Herbern (nordwestlich von Hamm) in oft-nordöstlicher Richtung vorläufig bis Beckum verfolgen. Sie sagen (S. 276): »Der Beckum-Herberner Strang bleibt, bis die Forfchung nähere Aufschlüsse bringt, vorerst als Torso oder viel- mehr seinem Westlaufe nach im Dunkeln liegen. Vielleicht geht er in einen ,alten Postweg« über, welcher von Recklinghausen über Datteln, Selm (nord-nordwestlich von Lünen an der Lippe), Süd- kirchen (nördlich von Lünen), Ahlen in die Bielefelder Schlucht führt« Bestätigt sich diese Linie, so käme sie für uns als eine weitere alte Verbindung mit dem Niederrhein in Betracht. — Von ganz besonderem Interesse für uns sind die in derselben Abhand- lung gemachten Mitteilungen über das Land der »kleinen Brueterer«, welche »aus der Ferne die Ein- und Ausgänge des Osning bei der Dörenschlucht, bei Stapellage und Bieleseld und auf ihrem Ostsaume die alte Völkerstraße von Lippstadt nach Wiedenbrück bewachten.« Die »kleinen Bructerer« waren unsere südlichen Nach- barn. Sie wurden von dem Rachezug des Germaniens beson- ders schwer getroffen, und der Einfall des gemeinsamen Feindes muß auch die Bewohner unserer Gegend in tiefste Mitleiden- leidenschaft gezogen haben.

II. Alte Straße am Südrand des Osning. Nordhoff und Westhoff erwähnen (S. l99) noch eine andere von Westen über Rheine zum Osning laufende Römerstraße Diese teilt sich vor Bevergern in zwei Stränge, welche dem Gebirge ent- lang ziehen. Der nördliche über Jbbenbiiren der südliche über Riefenbeck und Dissen. Beide sind auch bei Hölzermaiin verzeichneh während bei Schneider der am Siidrande des Gebirges herziehende Weg befremdlicherweise fehlt. Auch mir scheint das hohe Alter dieses Weges gut beglaubigt Die oben genannten Forscher schreiben: »Für die Echtheit der Südlinie sprechen wichtige Funde zn Riesenbeck, Dissen und Halle.« Jch kann hierzu ergänzen, daß sich in der hiesigen Sammlung fünf zu Dissen gesundene römifche »— .- z —

Bronzemünzen befinden, welche voii mindestens zwei verschiedeiien Fundstellen herrühren. Die Jnschristen sind zerstört, doch möchte ich drei dieser Münzen der konstantinischeii Periode zuioeisen Ju einer für unsere Sammlung erworbenen Urne von Dissen befand sich außer Knochen ursprünglich noch eine bronzeiie Schere nach Art der jetzt üblicheii Schafschereii. Leider wurde dieselbe ver- schleppt. Uber hierher gehörige Funde zu Halle ist mir nichts bekannt. Vielleicht siiid damit die merkwürdigen Bronzegefäße (5 Stück) gemeint, welche 18338 am Fuß des Ravensberges gesunden wurden. —- Eines erwarli der verstorbene Herr C. F. Westerniaiiii dahier und schenkte es dem germanischen Museum in Nürnberg. Die vier andern gelangten nach Münster. Die Photographien sind in unserer Sammlung. — Bei Vierschlingen, nahe dein Bahnhof Steinhagem findet sich eine Gruppe von Hügelgraberii nahe der Straße. Nahe deiii Vieleselder Paß führt sie an einein umfang- reichen germanischen Ringwall an der sogenannten Hünenburg vor- bei. l) Für den über Brackwede iiach Osten weiter führeiiden Weg hat sich stellenweise der Name ,,Helliveg« (der auf hohes Alter deutet) noch bis heute erhalten. Zwischen diesein Wege und dem nahen Gebirge sah man noch vor wenigen Jahren, etwa eine Stunde östlich von Brackioede eine Gruppe jetzt verschwundener Hünengräber Die dürftige Ausbeute gelangte in unser Museum. Metallsachen fanden sich nicht vor. Hölzermann läßt diesen Hell- weg an der Dörenschlucht nach Süden abbiegen und über Schlangen und Lippspringe iiach Paderborn laufeii. Unsere Sammlung besitzt ein be»i Schlangen gefundenes Bronzebeil Uber die Beglaubigung alter Wege durch Funde sagen Nord- hoff und Westhoff (S· 2l8): »Höchst wertvoll sind charakteristische Funde auf oder an einer fraglichen Linie (es sind Römerstraßeii gemeinti, zumal römische Altertümerz Münzen, Geräte, Geschirre u. s. w. Die Kleinfunde wiegen allein so schwer, daß wir nun nach langer Forschung und weiter Umschau behaupten di.irfen: Sie gehören nur dein engen Flankenbereiche einer Römerstraße an.« Auf dem gleichen Boden steht Schneider, während z. B. Knoke (»Die römischen Moorbrückeii.« Berlin, Gärtner. 1895, S. Ob) im Gegensatz zu dieser Anschauung steht.

’) Über andre Erdmerke und Hügelgräber an dieser Straße vergl. die Jsliittheiluiigen von A. Wulfmeher in unserm zwölften Jahresbericht (1898) S. 77 u. f. —8—

I11. Hellweg am Nordrand des Osning Bei Bielefeld hat sich der Name »Hellweg« auch für den Rest einer alten Straße erhalten, welche am Nordrand des Gebirges nach Detmold führte. Von Bielefeld bis zum Wirtshaus »Zum Schwan« bei Sieker ist dieser Hellweg zur jetzigen Straße nach Detmold benutzt. Am »Schwan« aber zweigt der alte Hellweg rechts ab, läuft oberhalb des Kruges von Sieker am Gut Ober- siebrasse vorbei und mündet bei Hillegossen wieder in die Land- straße. Dieser Weg ist bei Hölzermann verzeichnet, fehlt aber ebenfalls bei Schneider. Er verband unsere Gegend mit einem andern Hellweg, welcher von Südosten kommend die bei Hameln erreichte. W. Verbindungen der Bielefelder Gegend nach Süden. Jn der Abhandlung von Nordhoff und Westhoff beziehen sich auf unsere Gegend noch folgende Angaben (S. 20l)): »Die zuver- lässige Römerstraße von Paderborn nach Norden ging über Neuhaus durch die Dörenschlucht ins Werrethal zur Weser und nicht auf Bielefeld (Dieser Weg ist schon am Schluß von lI erwähnt) Eine gerade Verbindung hatten Paderborn und Viele- feld von jeher in einem heimischen Sandwege, der am Westfuß des Lippifchen Waldes längs der Senne verläuft. (Beide Wege auch bei Hölzermann.) Sobald es aus eine gangbare Bahn und festen Fuß ankam, mußten die Römer ihre eigene, noch in Dammstücken vorliegende Kiinststraße mit einem gewissen Umschweife benutzen Sie führte von Paderborn über Delbrück und Wiedenbrück und von hier mit einer von Westen heranziehenden Straße durch die Viele- felder Schlucht« Hölzermann läßt diese Straße von Rietberg ab nicht direkt nach Wiedenbrüch sondern etwas nordwestlicher verlaufen. Schneider beschreibt kS. 7 u. f.) einen Handelsweg welcher von Südosten nach Nordwesten ganz Deutschland durchquerte, über Eger, Kassel, Marburg, Paderborn, Neuhaus, Delbrück bei Rietberg die Enis erreichte und an dieser entlang über Telgte, Rheine bis zum Dollart lief. »Von Bingum (an der Ems bei Leer) bis nach Warburg finden sieh vielfach Reste eines kiinstlich angelegten Straßendammes an zwei sumpfigen Stellen bei Delbrück und zwischen Lichtenaii und Kleinenberg (beide zwischen Paderborn und Warburg) auch Pfahlbrückem und es kann kein Zweifel sein, daß der Weg in der .—9—. genannten Strecke den Römern als Heerweg gedient, während er in der weiteren Fortsetziing von Warburg an bis zur Donau zur Römerzeit nur als Handelsweg anzusehen ist.« Die westfälische Strecke dieses Weges ist in ziemlicher Ubereinstimmung mit der Schneiderschen Linie anch bei Hölzermann verzeichnet Es wäre für hiesige Lokalforscher angezeigt, vorhandene Spuren der alten Römerstraße im Auge zu behalten und nach noch unbeachteten zu suchen. Nach einer sehr drirchsichtig mit N. gezeichneten Mitteilung in den ,,Bonner Jahrbüchern« (1894, S. 2251 haben sich von der römischen Emsuferstraße stellenweise noch Wälle erhalten. Bei Wiedenbrück kreuzte sie sich mit einer andern ,,bedeutenden Verkehrsader«, welche von Lippstadt kam und durch die Senne weiterging Letztgeiiaiinte Straße ist weder bei Hölzermann noch bei Schneider verzeichiiet Entlang jener Ems- uferstraße zog Germaniens im Jahre 15 n. Chr· in unsere Gegend »und verwüstete alles Land zwischen Ems und Lippe« Wie weit er nach Osten vordrang, ist Streitfrage. Wohl sicher ist, daß die Gernianeii bei dieser Gelegenheit unsere Pässe besetzt hielten. Es ist hier am Platz, Mitteilungen über ein Erdwerk einzu- schalten, dessen Nordende in unser Untersnchnngsgebiet fällt, den sogenannten ,,Lannerdamm«. Die betreffenden Mitteilungen ver- danke ich Herrn Pfarrer Dr. Mertens in Kirchborchen Derselbe schrieb mir: »Jn der Richtung zwischen Delbrück und Brackwede liegt in der Senne der sogenannte »Lannerdann« (Landwehrdamm). Nördlich habe ich den Damm bis in den Kreis Bielefeld verfolgt. Zwischen Schloß Holte und deinWirtshause Pohlhans überschreitet der Damm die Chaussee Holte-Orlinghausen. Eine kurze Strecke läuft die alte PaderborwBielefelder Landstraße auf demselben fort. Der Damm verliert sich sodann hinter Mickenbecker und Brinkort Die übereinstimmende Tradition läßt den Lannerdamm aber nach Brackwede weiter sich fortsetzen, er sei aber dort meist schon ab- getragen. Weil ich nun auf der Karte an dem Hellwege südlich des Osnings den Namen Lanfermann (= Landwehrmaniy fand, so glaubte ich die Fortsetzung des Dammes dort suchen zu müssen, traf auch hinter dem Kolonate eine zum Gebirge laufende Wallung, konnte jedoch auf der andern Seite nach der Holte zu, keine Spur finden. —— Von Holte aus läßt sich der Damm nach Süden zu bis Boke an der Lippe verfolgen. Während er nördlich der Ems den Namen Lannerdamm trägt, heißt er südlich derselben anfangs »Alter Venneivall«, dann ,,Schanze« und zwischen Delbrück nnd Boke wieder »Lanfert«. Jm ganzen und großen sind überall nur schwache Spuren zu finden. Dennoch konnte ich aber die Linie mit absoluter Gewißheit festlegen.« Da Herr Pfarrer Dr. Mertens seine Beobachtungen mit Beigabe einer Karte veröffentlichen will, halte ich mich nicht befugt, hier weiteres mitzuteilen. Auch etwas westlich von Friedrichsdorf in der Senne findet sich, nach weiteren Privatmitteilungendes Herrn Dr. Pkertensiz eine ,,Landwehr«, welche näherer Erforschung wert ist. Herr Dr. Mertens verfolgte sie nach Süden durch die Bauerschaft Avenwedde wo sich vorläufig ihre Spur verlor. ,,Nördlich scheint sie auch noch in der Ge- meinde Umn1eln, Kreis Bielefeld, vorhanden. Sie soll sich in der Richtung nach ,Peter auf dem Berge« erstrecken, ,bei der Steinkuhle

von Hindahl««.—- Herr I)1·. Merteiis hat Anhaltspunkte, daß auch dieser Damm sich bis zur Lippe erstreckt und wird die Sache weiter verfolgen. Um so mehr wäre zu wünschen, daß rüstige Forscher unseres Gebietes den Verlauf des Nordendes aufklärten Herr l)r. Mertens hält für wahrscheinlich, daß die in den Lippischen Regesten (Bd. IV. Nr. 2671.) unterm 22. Januar 1484 genannte »alte Landwehr in der Zeende« dieser Wall sei, nicht aber der oben genannte »Lannerdamm«. V. Verbindungen der Bielefelder Gegend nach Norden. Daß die durch unsern Paß führende Heerstraße in ihrem ehe- maligen Laufe am Westabhange uralt ist, wurde schon oben an- geführt. Dieses hohe Alter darf man als selstverstiindlich zunächst auch für ihre Fortsetzung nach Norden zur Porta Westfalica vor- aussetzeir Daß zwischen beiden Pforten von jeher eine Verbindung sein mußte, ist durch die Modellierung der Gegend bedingt. Jen- seits der Porta tritt die Straße in das Flachland Hierdurch werden für unsere Gegend wieder die Straßen wichtig welche nörd- lich der Porta, bei Minden, zusammenliefeii Die von Schneider

beschriebene Linie (vergl. l) Rees iam Rhein) —- Dülmen —

Ahlen — Bielefeld — Minden —- Nienburg — Verden — » Har-

burg — Lübeck war nach ihm bis Minden »ein römischer Heer- weg aus vorgeschichtlichen Wegen«· Der Laus der Straße ist von Schneider und Hölzermann übereinstimmend angegeben. Für die Strecke zwischen Bielefeld und der Porta führt Schneider zwei Fundstätten römischer Altertümer an: »Jrrendorf« bei Bielefeld und Oeynhauseir. Unter dem »Jrrendorfer« Fund ist ganz augen- scheinlich der angebliche Fund bei Meier zu Jerrendorf gemeint, an dem kein wahres Wort ist. «Vergl. darüber meine Mit- teilung im zehnten Jahresbericht des »Historischen Vereins für die Grafschaft Raoensberg« S. 105). Diese 9Ji1)stifikation, die vor Jahren von einem albernen Pienscheii in die Zeitungen gefchmuggelt wurde, ist in der Littcratur gar nicht wieder tot zu schlagen! Geht nun dieses Beweisstück verloren, so kann ich einigen Ersatz bieten. Jn den Besitz, unseres Museums gelangten drei römische Bronzemüiizeti («eine von Maximianus 28.7)—3U5; die beiden andern noch nicht sicher bestimmtr welche bereits zu Anfang der t860er Jahre in einem Garten dicht bei Bielefeld gefunden wurden. Ferner sah ich bei Herrn Ortsvorsteher Redeker in Berlebeck tLippei eine römische Silbermiinze tTrajan 98— l17), welche nach Angabe des Besitzers bei Anlage einer Cementsteingruba etwa eine halbe Stunde ost-nordöstlich von Bielefeld gefunden wurde. Für das Alter der Straße spricht anch ihr früherer Name »Hell1oeg«. Unter dieser Bezeichnung findet sie sich, nach gütiger Ijiitteiliing des Herrn Th. Weddigen, im »Lagerbuch der Stadt Bielefeld« in den Jahren 1627 und 1720 angeführt. Von Minden ab bis zur Ostsee bei Lübeck bezeichnet Schneider die Straße als ,,rön1ischen Handelsweg auf vorgeschichtlichen Wegen«." Diesen traf bei Minden tnach Schneider) ein »römischer Heerweg aus vorge- schichtlichen Wegen«. Letzterer kam von der Zuhder See, über- schritt bei Lingen die Eins und lief über« Bramsche, Engter und Lintors bis Minden. Sein weiterer Verlauf, von Schneider als ,,alter germanischer Verkehrsweg« bezeichnet, erreichte die Elbe bei Magdeburg. Von ,,röinischen Heerwegen«, welche von der Ems nach Minden führten, sind bei Schneider drei verzeichnet Einer von der Zuhder See über Rheine und Osnabrück laufend (S. 26). Der zweite iiberschritt die Ems bei Lathen tzwischen Meppen und Papenburg), der dritte begann an der Eins bei Leer. Beide führten in ihrem konvergierenden südlichen Verlaufe durch das Venner Moor, süd- westlich des Dämmer Sees und machten in ihrem Verlauf mehr- fach die Anlage von Bohlivegen tMoorbrücken) nötig. Nach den interessanten Entdeckungen Knokes ivergl dessen oben angeführte Schrift) scheint jedoch in der alten slriegsgeschichte der Teil des Pioores nördlich des Düm1ner Sees, die Gegend zwischen Vechta und Diepholz, eine größere Rolle gespielt zu haben. Diese Gegend heißt das ,,Brägeler Moor«. Knoke sagt (S. 54): »Die Ineisten der Bohlwege im Brägeler Moor haben die Richtung von Nord- .-12— westeu nach Südosten Namentlich ist das mit den beiden parallelen Straßen zwischen Brägel und Mehrholz der Fall. Die Linie dieser Ubergänge macht es daher deutlich, daß es sich bei ihrer ursprünglichen Anlage um eine Verbindung zwischen den Gegenden der unteren Ems mit der mittleren Weser, also vermutlich um die Gewinnung eines Weges nach Minden, zu gehandelt hat.« Wieviel von dem hier Zusammengestellten nun aufrecht erhalten werden kann und wieviel Ergänzungen dazu kommen werden, wird die Zukunft lehren. Soviel aber ist schon jetzt klar: selbst zur Römerzeit war unsere Gegend keine verlorene Ecke, sondern sie war schon damals durch Heer- und Handelsstraßen mit der Außenwelt verknüpft und höchst wahrscheinlich auch in hervor- ragender Weise in die kriegerischen Ereignisse jener Zeit verwickelt.

Der Schmied von jBielefeld. Vortrag, gehalten in der Generalversammlung des Hist. Vereins für die Grafschaft Ravensberg am 1. December 1899, von Oberlehrer Dr. H. Tümpei. Jm 12. Jahresberichth unsers Vereins ist die volkstümliche Geschichte vom Schmied von Bielefeld abgedruckt, wie sie ein Recklinghäuser, der unterdes verstorbene Herr Fritz Walter, in dortiger Mundart aufgeschrieben hatte. Die Erzählung zerfällt in zwei Teile. Erst wird berichtet, wie der Schmied durch Täuschung des hl. Petrus in den Himmel gelangt, dann: wie er durch List wieder hinausbefördert wird. Diese Verbindung ist nicht üblich, sondern gewöhnlich ist die erste Hälfte mit einer andern Erzählung verbunden, die sie in der eutgegengesetzten Richtung ergänzt. Sie berichtet nämlich, wie der Schmied den Teufel beträgt, bevor ihm das Gleiche mit Petrus gelingt. Auch in dieser Fassung ist das Märchen in dem ge- nannten Jahresberichth abgedruckt und zwar aus einem Buche Bahlmannssx der, wie er mir mitteilt, die erste Hälfte (Täuschung des Teufels) aus Weddigen und Hartmann4),

!)- S. 35 ff. E) S. 93 f. s) Miinsterländische Märchen, Sagen re. Münster 1898. S. 7. «) Sagenschatz Westfalens Minder! i. W. 1884. S. I? f. die zweite iErlistung des Eintritts in den Himmel) aus den An- merkungen der Brüder Grimm zu ihren Kinder- und Haus- Inärchenh entlehnt hat. Die Erzählung besitzt für uns einen lokalen Wert als eine der wenigen volkstümlichen Überlieferungen, die sich an den Namen Bielefelds knüpfen. Aber auch an sich hat sie Jnteresse: man kann an ihr das Wesen des Märcheiis studieren. Deshalb hat es bereits bei Grimm«·’) eine eingehende Behandlung erfahren, und auch R. Köhlery der ausgezeichnete Märchenkenuey behandelt es in seinem lesenswerten Aufsatz: Sankt Petrus, der Himmels- pförtner3). Auffallend ist zunächst die weite Verbreitung unsers Slliärchens Walter hat die Geschichte aus dem Piunde sseiner aus Ahlen iKreis Beckutn) gebürtigen Mutter ausgezeichnetz in Ahlen und Umgegend ist sie noch heute im Schwange. Aus dem Münsterlande stammt auch die oben erwähnte von Vahlmann benutzte Griinmsche Fas- sung, sowie eine«Erzählung bei Kuhn4), auf die mich Bahlmann aufmerksam macht. Erzählt wird das Märchen außerdem in den verschiedensten Gegenden Deutschlands und des Auslandes So weist es Grimm im Paderbörnischen Hannöverschem in Hessen, Bayern, Deutsch-Böhmen, Krain, den Niederlandem Norwegen nach, und Köhler5) vervollständigt dies Verzeichnis noch wesentlich. Unter andern erwähnt es Fassungen aus Frankreich und Jtalien. Merkwürdig ist nun zu sehen, wie das Märchen, in seinem Kern überall dasselbe, in Einzelheiten variiert. Und zwar vermute ich, daß diese Verschiedenheiten in den außerdeutschen Fassungen größer sind. Diese kenne ich aber nicht genauer, da meine Haupt- gewährsmänney Grimm und Köhlery fast nur den Jnhalt der deutschen wiedergeben. Alle meine Angaben sind mit dieser Ein- schränkung zu verstehen. Deutlich kann man auch ursprüngliche und verderbte Fassungen unterscheiden. Die im Jahresbericht mitgeteilte Bahlmannsche Version erweist sich in ihrer ersten aus WeddigemHartmann ent- lehnten Hälfte in mehreren Beziehungen als minder gut. Einmal ist das Bündnis mit dem Teufel nur in wenigen andern Fassungen

Z. 1856. S. 139. a. a. s) B. Band dieses Werkes· Aufl. Göttingen E) . «) Anfsätze über Märchen und Volkslieden Berlin 1894. S— 58ff- «) West- fälisckje Sagen, Gebräuche und Märchen. l. Teil. Leipzig 1859. S. 85, Nr. 79. s) S. 77 f. Annr 14——— enthaltenl) und in der That ein überflüssiger Zusatz. Es soll erklären, warum der Teufel ein Anrecht auf den Schmied besitzt; dieser hat aber nach der ursprünglichen Erzählung den Himmel schon dadurch verscherzt, daß er, als ihm beim hl. Petrus Wünsche freistanden, nicht die ewige Seligkeit allem andern vorzog Walters Erzählung, in der gerade so wie bei Kuhn dieser ganze Teil fehlt, macht den Schmied zu einem Trunkenbold, der als solcher nicht in den Himmel gehört. Ferner thut bei Bahlmann der Schmied nur einen Wunsch, sonst sind es meist drei Wünsche, und zwar begehrt er außer Sack oder Tasche oder Z) Nagelkastem die nichts herauslassen, einen Stuhl und einen Apfelz Birn- oder Kirschbaum mit ähnlichen Eigenschaften. Stuhl und Sack werden auch Wohls) durch Schmied- stock und Feuerrohr, bei Be chstein4) durch eine Stube, in die man nur durch das Schlüsselloch kommen kann, und eine nie leer werdende Pulle ersetzt. Nur den Baum kennt die Krainer5), nur den Sack die hessische Fassung6), und in letzterer schenkt ihn der Teufel dem Schmied. Eine unserm Märchen sehr ähnliche hollän- dische Dichtung (Druck von 1634) spricht von einem eisernen Stuhl und einem Lindenbaum, die der Schmied Doddus von Eremiten, die er beherbergt hat, erhält7). Den mehrfachen Wünschen entsprechend findet meist eine mehr- fache Prellung statt. Es kommen demgemäß Tod und Teufels) oder drei Teufel oder der Teufel dreimal oder der Tod zweimal und der Teufel oder drei böse Engel 9). Einer wird dann auf den Stuhl, der andre auf den Baum, der dritte in den Sack gelockt und, vielsach nach gehörigen Schlägen, nicht früher fort- gelassen, als bis er den Schmied in Ruhe zu lassen verspricht. Die Phantasie einiger Erzähler wurde durch die Frage be- schäftigt, wie es möglich war, daß der Teufel in der Tasche Platz fand. So kommt in einigen FassungenW der Zug dazu, daß er sich, um seine Macht zu zeigen, in eine Maus verwandelt, was dann als Gegensatz wieder die vorausgehende Verwandlung in eine Tanne oder einen Elefanten hervorruft. Jn einer dieser Fassungeu")

Griimn S. 136 und S. Nr. S. X) 1Z7, sowie Kuhn W, 85, vgl. 89, « Nr. 87. T) Grimm S. Hi. S) Grimm S. 138. «) Märchenbuclx Pracht- ausgabe s. Aufl. S. 29. I) Grimm S. 141. s) Grimm S. 136. 7) Köhler a. a. O. Über einen vierten Wunsch s. u. S. 15. S) Köhler und Bechstein a. a. O. «) Grimm S. 134 ff. W) Griiniii S 136. l39. «) Grimm S. 139. —1·«)—— kriecht die Ninus nicht in Sack oder Tasche sondern in einen Handschnh Diese Erzählung hat auch den eigentümlichen Schluß, daß der Schmied, in Hölle und Himmel abgewiesen, zwischen beiden fchioeben muß. Nach Bechstein 1) begiebt er fich in den Kyffhäuser zu Kaiser Friedrich. Sonst weiß er fich iiberall, wo nicht, wie in Grimms siebenter und neunter Erzählung2), sowie in der holländischeii Dichtung von 16343) der zweite Teil überhaupt zu fehlen scheint, in den Himmel einzuschleicheiy und zwar in der Regel auf dieselbe Weise mit dem Schurzfell Wie er bei Walter ausruft: Ek sitt op min Gegen, so in der deutsch-böhmischen Geschichte: Eitza sitz i af mein Hob un Gout, i will sehrn, wer mi asse thout4), und in der bahrischem Jetzt sitz’ ich auf meinem Gut! Ein Schelm, der mich abthiitPi »Wir haben hier, sagt Köhlersx die alte Rechtsanschauung von der Unverletzlichkeit des Besitzes, aus dem der Besitzer nicht verdrängt werden darf7), und es ist deshalb eine unnötige Änderung und Entstellung wenn in einer Verfion des Märchenslh einer (der vierte) der Wünsche des Schmiedes der ist, daß seine Kappe ihm immer eigentümlich verbleibe und daß, wenn er sich darauf setze, ihn keine Gewalt davon vertreiben könne» Jn der Krainer Erzählungh wirft der Schmied Korant den hier die Stelle des Schurzfelles vertretenden Mantel nicht in den Himmel, sondern der Mantel befindet fich schon dort, weil jener ihn einst einem Armen gefchenkt hat. Übrigens trägt auch in Grimms fünfter Fassungtth die Wohlthätigkeit des Schmiedes dazu bei, ihm einen Platz im Himmel zu verschaffen. Ganz anders wird die Sache in der hessischeii Versiontll be- gründet: da fordert der Teufel selbst die Aufnahme des Schmiedes in den Himmel, um vor ihm sicher zu sein. Wieder in einer andern FassungW erlangt er sie durch seine Kunstfertigkeit; bei WeddigewHartmann einfach deshalb, weil nach seiner Abweisung in der Hölle es kein ander Unterkommen als im Himmel für ihn giebt·

l) a. a. O. S. 30. Z) S. 140 und litt. «) sröhler a. a. O. «) Grimm S 136. I) Kiihler S. 59. «) a. a. O. 7) vgl. Beati possidentes Tpl· «) Grimm S. 138. V) Grimm S. 141. W) S. 139. «) Grimm S. 137. «) Grimms achte Erzählung S. 140. —.16.—

Verschieden ist auch die Lokalisierung Nach Bielefeld ver- setzen unsern Schmied außer WeddigewHartmann und Walter noch die Fassungen aus dem Münsterschen und Paderbörnischenh — letztere braucht auch wie Walter das Deminutivum Schmidtken-— während bei Münster selbst der Grinkenschmied zum Helden der Geschichte gemacht wird, der in der Nähe von Münster gehaust haben soll2). Drei Versionen reden vom Schmied von Jüterbog3), zwei nennen als seine Heimat Apolda in Thüringens, eine Mitter- bach in Bayern5). Sonst wird kein bestimmter Ort genannt, und dies entspricht eigentlich dem Charakter des Märchens besser. Während nämlich die Sage an einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen haftets), also örtlich und zeitlich gebunden ist, ist das Märchen namen- und zeitlos, d. h. es spielt in einem Überalb und Nirgeiidsland und beginnt ganz unbestimmt mit: Es war einmal. Durch die Lokalisierung thut also unsre Geschichte einen Schritt in das Gebiet der Sage. Wie sie sich hier mit einer ganz andern Art von Erzählungen berührt, so auch mit andern Märchenstoffen. Vor allem mit dem, dessen Held bei Grimm Bruder Lustig oder Spielhansel heißt7). So eng ist diese Verwandtschaft, daß unser Märchen vom Schn1ied in den Kinde» und Hansmärchen gar nicht selbständig erscheint, sondern in den Anmerkungen zu Nr. 82 behandelt wird8). Bruder Lustig ist ein abgedankter Soldat, der von St. Petrus einen Ranzen bekommt, in den er alles, was er will, hineinwünschen kann. Erst fängt er also auf diese Weise die Teufel ein. Schließlich aber wirft er den Ranzen in den Himmel und wünscht sich selbst hinein. Wir sahen ferner, wie die Waltersche Fassung, von der wir ausgingen, den Schmied nicht im Himmel bleiben läßt, sondern wieder aus diesem hinausbefördert Dieser Schluß erinnert an eine große Zahl volkstümlicher Erzählungen, wonach Leute, die nicht in den Himmel gehören oder sich dort unmöglich gemacht haben, durch eine List daraus entfernt werden. Meist läßt St. Peter vor der Himmelsthür einen Ruf ertönen, der für die Ein-

l) Grimm S. 139. 2) Kuh« a. a. O. I) Grimm S. 139. Bechstein a. a. O. S. 28. Köhler S. 78. «) Grimm S. 140. Köhler a. a. O. E) Grimm S. 141. s) Grimm, Deutsche Sagen. Berlin 1816 S. V f. 7) Kinder- und Hausmiirchen l. Band. Nr. 81 und 82. s) Vgl. auch Grimm Z. Band S. 409. Köhler S. 61 ff. —17.. gedrungenen etwas besonders Verführerisches hat, so für einige Spanier die Ankündigung eines StiergefechtesM Schließlich gehe ich mit ein paar Worten auf die Frage nach dem Ursprung oder der Heimat der Märchen überhaupt und unsers Märchens insbesondere ein. Diese Frage ist darum so schwierig weil dieselben Märchen an den verschiedensten Punkten nicht nur Deutschlands, sondern Europas, ja der Welt erzählt werden. Wilhelm Grimmh er- klärte diese weite Verbreitung in der Hauptsache aus der Urver- wandtschaft der indogermanischen Völker. Die Märchen wären dann also wie die Sprachen gemeinsames Erbgut aus der Urzeit; sie enthielten mythische Bestandteile, Uberreste eines in die älteste Zeit hinaufreichendeii Glaubens. Demgegenüber steht die Wandertheorie; danach sind die Märchen von Volk zu Volk gewandert, und zwar wies der Orientalist Benfey auf Jndien als die reichste Märchenquelle hin, von wo sie in großem Niassstab erst in nachislamischer, also verhältnismäßig später Zeit nach Europa gekommen wären. Seine Ansicht ist heute die herrschende. Uingekehrt leitet neuerdings der Germanist Fu Vogt-F) das Dornröschen-2)Jiärchen, dessen Heimat man gleichfalls in Jndien suchte, aus dem griechischen, in Sicilien und Unteritalien lokalisierten Thalia-Mythus ab; von dort habe es sich über Europa wie zu den Arabern verbreitet. Drittens besteht noch die Möglichkeit, daß selbständig an ver- schiedenen Orten dasselbe Märchen aufkam. Man wird jede Erzählung für sich auf ihren Ursprung hin untersuchen müssen. Was nun unsre Geschichteanbetriffh so sind einzelne Züge derart, daß die menschliche Phantasie recht gut an verschiedenen Orten darauf verfallen konnte. So ist die Vorstellung von einem Stuhl, der den sich darauf Setzenden festhält, so naheliegend, daß es Zufall sein kann, wenn von einem solchen schon in der griechischen Mythologie die Rede ist"1); zwischen diesem und dem Stuhl in unserm Märchen braucht kein Zusammenhang zu bestehen. Aber die Verbindung, die dieser Zug in unsrer Erzählung mit andern eingeht Schmied, St. Petrus, die drei Wünsche, Tod und Teufel» «) Köhleir S. 55 ff. T) Kinde» und Hausmärchen 33 Band S. 405 ff. «) Germanistisäse Abhandlungen. Heft XJ1. Beiträge zur Volkskunde Breslau 1896. S. 195 ff. «) Grimm S. US. 2 -.18.. ist so eigenartig, daß, wo diese Vereinigung begegnet, "ein Zufall ausgeschlossen ist. Selbstverständlich kann in dieser Form die Geschichte erst in christlicher Zeit aufgekommen sein. An sich wäre es freilich nicht unmöglich, daß hier nur die Umbildungvorchristlicher Vorstellungen vorläge. So heißt es denn bei Grimm1) von der ersten Hälfte unsers Märchensx »An dem Alter darf man nicht zweifeln, und denkt man sich unter dem Schmied mit seinem Hammer den Gott Thor, unter dem Tod und Teufel einen ungefiigen Riesen, so gewinnt das Ganze eine wohlgegriindete altnordische Ansicht« Jn seiner Deutschen Mhthologie aber2) fühlt sich Jacob Grimm durch den vom Schmied gefangenen und zerhämmerten Teufel an den gebundenen Loki erinnert. Indessen abgesehen davon, daß man neuerdings die nordischen mythologischen Vorstellungen nicht mehr einfach für Deutschland in Anspruch nimmt, so sind die genannten Anklänge derart, daß sie nichts beweisen. Ebensowenig ist mir aus Jndien oder anderswoher eine vorchristliche Geschichte bekannt, die als der Keim zu diesem Teil unsers Märchens be- trachtet werden könnte. Dasselbe gilt von der Fortsetzung des- selben (Erfchleichung des Eintritts in den Himmel) So vermute ich also, daß das ganze Märchen im wesentlichen autochthon im Mittelalter auf christlichem Boden erwachsen ist. Religiöse Fragen, so nach dem Schicksal des Menschen nach dem Tode, beschäftigten früher die Gemüter ganz anders als heutzu- tage. Gerade aber weil man in diesen Dingen lebte und wehte, behandelte man sie mit einer Vertraulichkeit, die uns wunder nimmt. Man Verwandte sie, ohne sich etwas Böses dabei zu denken, auch zum Scherz. So hinderte der Schauder vor der ewigen Verdammnis keineswegs die fchaffende Phantasie, darüber nachzusinnen, wie man durch List dem Teufel entgehen könne. Und die Ehrfurcht vor St. Petrus vertrug sich recht gut mit Anekdoten, in denen er eine mehr oder weniger komische Rolle spielte. Wo man unser Märchen zuerst erzählte, wird sich kaum er- mitteln lassen. Gedruckt ist es vollständig zuerst in einer 1700 erschienenen Predigtsammlung eines Kapuzinerpaterssx Die erste Hälfte begegnet aber schon, wie wir S. 14 sahen, ähnlich in einer

I) S. 142. s) 4. Aus» 2. Bank: 187s. S. 845. s) Gkinkm S. 138. Kiihter S. 59 ff. .-19—· 1634 gedruckten holländischen Dichtung. Und die Pointe der zweiten Hälfte findet sich bereits in einem deutschen Gedicht des spätern Mittelaltersh mit der Wendung, die wir oben S. 15 in der Krainer Erzählung fanden; der Sack, auf den sich der Ab- gewiesene setzt, ist von ihm einst um Gotteswillen verschenkt worden. Held der Geschichte ist hier ein Müller. Daß er sonst Schmied ist, erklärt sich daraus, daß dies Handwerk von je besonders viel galt und dem Ausübenden den Ruf hervorragender Klugheit verschaffte Die Lokalisierung an diesem oder jenem Orte mag damit zusammenhängem daß es an diesen Orten zu irgend einer Zeit einen Schmied gegeben hat, der besonders bekannt war. So übertrug man bei Münster, wie wir oben S. 16 sahen, die Ge- schichte auf den sagenhaften Grinkenschmied von dem man sich schon in dortiger Gegend alle möglichen andern Stücke erzählteA Als Kuriosum sei zum Schluß erwähnt, daß P. Höfer3) . unserm Märchen einen dunkeln Nachklang der Varusschlacht zu sehen geneigt ist. ,,Jft es ein Zufall, fragt er, daß der wackre Schmied gerade in Bielefeld (also am Teutoburger Walde) wohnen mußte?« Ungefähr mit demselben Rechte könnte man im Schmied von Jüterbog eine Prophezeiung aus die Schlacht von Dennewitz erblicken.

Das alte Rathaus. Von Ich. Wcddigew

Unsere Altvordern betrachteten die Kirche und deren Umgebung als gemeinsamen Versammlungsort, wie solches in ländlichen Be- zirken heute noch der Fall ist, und pflegten ihre Gerichts- oder Dingtage in der Nähe der Kirche abzuhalten. War die Witterung zu rauh, so ging man in die Kirche. An der Stelle, wo an der Neustädter Kirche die Kapelle angebaut ist, wurde (nach Schubart

«»- «« 1) Kiihiek S. 52 ff. s) Kuh« S. 84 ff. s) Die Vqkusfchp « —20—.

S. 174) von dem Neustädter Magistrat vor Zeiten Gericht ge- halten. Der Erzähler hat solches wahrscheinlich aus mündlichen Uberlieferungen niedergeschrieben, da sich bis jetzt kein Beleg dafür gefunden hat. Mutmaßlich ist es jedoch der Fall gewesen, da die Neustadt für sich an dem Kirchhof ihr Rathaus errichtete. Dieses überspannte am Ende der Breitenstraße die dort anfangende Burg- straße von dem Hause Papenmarkt 8 (Körner) bis gegenüber vor dem Hause Siekerstraße 2 (Reiffs und war nur vom Kirchhofe her zugängig zu den obern Räumen. Zu ebener Erde befand sich in dem Durchgang der Fleischscharren der Neustadt. Nach Vereinigung der beiden Städte wurde dieses Rathaus im Jahre 1558 das Gerichtshaus für das Gogericht des Amtes Sparenberg und erscheint späterhin als Audienzhaus hie und da in städtischen Akten. Jm Jahre 1823 wurde es niedergelegt. Jn der Nähe der Alt- städter Kirche findet sich gleichfalls für die alte Stadt das Rat- haus, welches ebenso als Gerichtshaus diente. Das Rathaus der alten Stadt findet im Jahre 1442 (Cule- man Ill S. 51) seine erste Erwähnung. Vermutlich war dieses ein Holzgebäude, welches abgebrochen, und dann auf derselben Stelle im Jahre 1569 ein neues in Steinwerk errichtet wurde. Es sind noch Abbildungen vorhanden, welche die Giebelseite des- selben an der Niedernstraße in dem Stile des prächtigen Auf- baues von Nr. 1 Obernstraße (Crü1vell) zeigen. Der reiche Schmuck des letztgenannten, gemäß einer im Kellergewölbe vorhandenen ein- gemeißelten Zahl im Jahre 1531 erbauten Hauses, wie der Schmuck von Nr. 29 (Beek) und 41 (Denker) derselben Straße, dann das mit einem Schiff erkennbar gemachte Haus Nr. 23 Niedernstraße (Schröder), ferner der an verschiedenen Häusern aus jener Zeit so reichlich angebrachte Mufchelfchiniick und die geschnitzten Gesimfe, namentlich aber das um 1590 erbaute von Grest’sche Haus, 1711 Waisenhaus, jetzt Nr. 30 Waldhof, zeigen in Stein und Holz den damaligen Reichtum der Bürger und die durchgehende Wohlhaben- heit des Landes. Zu jener Zeit sind auch die bemerkenswerten Stadt- und Privatbauten in Lemgo, Hameln und an andern Orten errichtet. Jn dem alten Folianten, betreffend die Jurisdiktion der Stadt, ist die Erbauung des Rathauses Bl. 24 erwähnt, und ebenso in Culeman Ill 289. Gemäß der erstern Nachricht, welche als eine ursprüngliche zu gelten hat, da sie 1577 niedergeschrieben, ist das Rathaus derzeit mit Zuthnn und gnädiger Mithilfe des Landesherrn erbauet, und andere vom Adel und der Bürgerfchaft 21 »· « haben von ihren in Bielefeld gelegenen Höfen gutwillig zum Bau kontribuiert. Der Bericht von Culeman vom Jahre 1752 lautet: Das Rathaus ist Hef1569 erbaut und noch heutiges Tages in sehr gutem Stande. Auf demselben befinden sich auch die Aecise- und Legge-Ka1nmern. Unten aber ist die Hauptwache und ein Keller. Vom Jahre 1790 schreibt Weddigen, Grafsch. Ravens- berg II 15: Das Rathaus ..ist ein großes im gotischen Geschmack X «- Markt.

Ratskammer Wachtstube

Raumpott

Markt. Rathaus.

Leggehaus Scheune. Haus Nr. 237. vgvujuaaqoyk

»Ist» Hosraum

Küsterhuuss Haus; Nr. 236 des Bärkermeisters Modersohn Jyskischkøvfs aufgeführtes Gebäude, auf welchem sich wöchentlich der Magistrat versammelt. Die große Flur desselben diente vormals dem hiesigen Militär bei Regenwetter zum Exerzierplatze Seit einem Jahre aber ist demselben ein eigenes Exerzierhaus auf der Neustadt an- gewiesen worden. Unter dem Rathause befindet sich die Haupt- wache. (Das Exerzierhaus auf der Neustadt befand sich auf der Hausstätte Nr. 25 Breitestraße.) —22-.

Das wenige, was von vergangenen Tagen schriftlich auf uns gekommen ist über das alte Rathaus, wurde durch einige ältere Herren, welche es noch gesehen und in ihrer Kindheit den Umbau 1819—22 mit erlebten, so weit es erreichbar, ergänzt. Eine Auf- nahme der Giebelseite nach der Niedernstraße vor dem Umbau, welche Zeichnung sich im Besitz, des Historischen Vereins befindet, hat manches Fragliche wieder sicher stellen lassen. Das Kellergeschoß des Rathaufes, der Stadtkeller, ist mit seinen schweren Kreuzgewölben derselbe geblieben wie vor alters, doch ist seine Benutzung vielfachen Veränderungen unterworfen gewesen. Der Stadtkeller war bis zu dem Umbau des Rathaufes von zwei Seiten zugängig Neben der aufsteigenden Treppe in das Rathaus an der Niedernstraße führte eine Treppe hinunter in das Kellergefchoß, und ebenso eine andre an der entgegengesetzten Ostseite des Gebäudes, gegenüber Nr. 11 am Markte, neben dem Fleischscharren. Mit Festhaltung dieser Thatsachen versteht man die Verpachtung zweier Keller unter dem Rathause, wie in den Ratsverhandlungen vom Jahre 1586—1628 im 8. Jahresbericht des Historifchen Vereins ersichtlich. Von den 1690er Jahren an fcheint der Keller an der Niedernstraße, laut den neu aufgefundenen Ratsverhandlungen vom Jahre 1628—1698, zu andern Zwecken benutzt worden zu sein, denn feine Verpachtung hört auf und die - Bemerkung bei Culeman, daß in1 Rathause unten die Hauptwache und ein Keller sei, läßt sich nicht anders deuten. Ein abzu- schließender Raum an der andern Seite der niederführenden Treppe, bemerklich auf der Abbildung Nr. 52 in der Sammlung auf dem Sparenberg durch zwei kleine Fensterchen hieß vor dem Umbau der Brummstall und diente initunter zur Einfchließung von Verhafteten Es wird im Jahre 1718 unter der Stadt Bielefeld Pächtern (Burggrafe) nur ein Stadtkeller an Jakob Jäger für 12 thlr. als verpachtet angegeben, ebenso 1740 der rathäusliche Keller für 12 thlr. 24 Sgr. an Witwe Kosfeld für 5 Jahre, als der her- gebrachten Mietezeit Für den Stadtkeller-Wirt wird 1781 bei der Teilung der Stadt Feldmark eine Portion ausbedungen, »der Keller wurde demnach als eine bestehende Wohnung für eine an- sässige Familie angesehen, und der Pächter war wie ein öffent- licher Beamter befreit von allen städtischen Abgaben (s. Verp. v. J. 1690). - Mittels der aufsteigenden Treppe, welche von der Niedertr- straße in das Rathaus führte, gelangte man in eine große Hallq Zur linken Hand am Eingange war ein kleiner Raum, welcher dazu diente, Gefangene, welche auf dem Transport begriffen waren, für die Nacht unterzubringen. Jn der Halle wurde vermntlich alljährlich vor Zeiten auf 9Jiichaeli-Llbend, Ende September, die Bürgersprache oder das Stadtrecht bei für jene Zeit passender Beleuchtuug verlesen, Anträge gestellt und darüber beraten, sowie Beschwerden der Bürger vorgebracht Dem Erinnern unsrer alten Herren nach war der Raum vor dem Umbau durch Brandleitern und anderm Material eingeengt, und es wurden in demselben, als dem größten Saale der Stadt, von herumziehenden Schauspielerii und anderm Volke Vorstellungen gegeben; einer solchen hat einer der heimgegangenen alten Herren als Junge von dem Dache des dem Rathause angebanten Wachtlokals von außen insofern bei- wohnen können, als man durch die Fenster in die Halle schauen konnte. Die erwähnte Treppe an der Niedernstraße befand sich da, wo jetzt das niittlere Fenster ist, und als Erinnerung an alte Zeiten findet sich, daß bei Rauhfrost und nachfolgendem Regen sich noch mitnnter die das Fenster nmgebenden schweren Bausteine erkennen lassen, welche als Umrahmnng der früheren Thiir dienten. Oberhalb derselben war eine Steinhauerarbeit, Adam und Eva darstellend, mit der Jahreszahl1569 eingelassen, welcher Stein sich noch in beschädigtem Zustande-in der Sammlung aus dem Sparen- berg befindet. Zu Ende der Halle des Rathanses d. h. an seiner Ostseite, befanden sich drei Geschästszimmey in welchem einen (nach Eule- man) im Jahre 1752 die Accise, in dem andern die Legge unter- gebracht war. Die wenigen rathäuslichen Geschäste der Zeit werden hierdurch ins Licht gestellt. Aus dem dritten Zimmer, für den Stadtsekretär, führte eine Thür in die Ratkamrney in welche man auch durch eine andre Thür aus der Halle gelangen konnte. Die Verhandlungen des Rats fanden in der Ratkammer oder Ratstube statt. Dieser Anbau an das jetzige Rathaus war bei einer Länge von 341J2 gegen 1972 Fuß Breite mit einem hohen Giebel und Fenstern altertümlicher Art versehen. Er war ein Anbau an der Südseite des Rathauses und sein Giebel nach dem Gehrenberg hin gekehrt. Unterhalb der Ratstube befand sich zu ebener Erde der Fleisch scharren der alten Stadt als die öffentliche Verkaufsstelle der Knochenhauey Schlachter oder Metzger an dem Markte. Der Scharren war mit der offenen Verkaussseite nach Osten gewendet. —.24— Diese Lage wurde durch die Angabe einer alten Dame bestätigt, daß sie als Kind aus der Sakristei an der Altstädter Kirche, wo sie Kinderlehre gehabt habe, unter Bogen oder Lauben nach der andern Seite des Niarktes mit ihren Gespielen gelaufen sei. Es besagt dieses eine Taxe von dem Vorgebäude an dem hiesigen Rat- hause, die Ratstube genannt, von dem Baumeister Althof vom Jahre 1817, wo er den Ausdruck braucht: der Fußboden der Ratstube oder die Decke der Scharre. Aus dem Umstande, daß zu dem Fußboden der Ratstube 11 Balken angegeben werden und davon 4 von 22 Fuß Länge als Decke der Schurke, ist zu ent- nehmen, daß dieselbe bis zu IX; der besagten Ratstube, d. h· den Raum unter derselben inne gehabt hat, welche eine Länge von 34IJ2 Fuß hatte. Bei allem Wandel der Landeshoheit nnd Gesetze war den sinochenhauerm Bäckern und Brauern gegenüber von Seiten des Rats die seit 1558 eingeführte Gülichische Polizety Ordnung gehandhabt worden bis zur Aufhebung der Gilden oder Llmter im Jahre 1809, zu welcher Zeit so manches gute Alte zusammenbrach. Die Notwendigkeit zwang den Maire Consbruch und den Unterpräsekten v. Bernuth im Jahre 1811 dazu, den Verkauf des Fleisches an den Scharren zwangstveise wieder ein- zurichtezx welcher demnach damals in dieser Weise aufgehört hatte. Die ,,Offentlichen Anzeigen des Distrikts Bielefeld« (die jetzige ,,Westfälische Zeitung«) gaben darüber Auskunft, auch die Be- stimmungen dieser Zeit stimmen in vielen Punkten mit denjenigen von damals überein. Jn dem Erlaß wird der Fleischverkaufgenau so eingeführt wie er 1558 geordnet wurde: mit der hängenden Preistafel und den Fleischsetzerm ferner, daß die Fleischer an den Markttagen nirgend anders als an den anzuweisenden Scharren- ständen verkaufen sollten. Die Fleischsetzer sind durch das Polizei- amt ersetzt. Man hatte 1811——13 eine öffentliche Preissetzung wie 1558. Man trank 1811 -13 Einfaches braunes Bier die preuß. Maaß zu 1 mgr. 2 pfg., und zahlte für Rindfleisch, das beste, 3 mgr. 2 pfg., für das ord. 3 mgr., für Hammelfleisch 2 mgr. 6 pfg., für Kalbfleisch, wovon der Braten 14 Pfd Z mgr. 4 pfg., S) Pfd. 2 mgr., für Schweinefleisch 4 mgr. Die Scharrenstände sind mit dem Uinbau des Rathause-Z verloren gegangen und nicht wieder eingerichtet worden. Am Markte war außen an der Ratstube eine schwere Kette mit einem schließbaren Ringe, ein sog. Halseisen angebracht, welches Eisen sich erhalten hat und sich im Besitz des Historischen Vereins -.25.- befindet. Es diente zur Bestrafung von Übelthäterm welche dort am Schandpfahl wegen falschen Eides bestraft wurden. Deshalb wird im s. Jahresbericht der neben der Ratstube belegene Keller der Kaks-Keller genannt, (Kak: SchandpfahL Pranger). Es ist noch hie und da in Erinnerung, daß in den 1830er Jahren zu dem Zwecke einer solchen Bestrafung vor dem Hause Nr. 4 auf dem Markte ein Gerüst errichtet wurde, an welchem ein Meineidiger mit besagtem Halseisen angethan, am Schandpfahl der allgemeinen Verachtung zur Schau gegeben wurde. Wo jetzt die Treppe vom Markte aus in das Rathausführt, war vor dem Umbau eine Freitreppe Die Bezeichnung Raumpott für die Plattform der Treppe dürfte auf den vom Volksmund verdorbenen Ausdruck Rampe zurückzuführen sein. Auf dem Rat- hause wurde 1689 von dem Kurfürsten Friedrich III. die Huldiguug der Ravensbergischen Lande entgegengenommen· Der Kurfürst kam mit seiner Gemahlin von Cleve über Wesel, Dorsten, Lünen, Hamm, Lippstadt, erreichte Bielefeld am Dienstag und am Nkittwoch gefchah die Huldigung Aleman berichtet darüber: Den 10. Novembris 1689 geschahe die Huldigung in Bielfeld und zwar von der Ritterschaft und dem Magistrat der Stadt Herford auf dem Rathause, von dem Magistrat und Bürgerschaft der Stadt Bielfeld aber auf dem Markte. Seine Churfürstl Dchlt saßen vor dem Rahthause auf dem Raumpoth fo mit grün bezogen, auf einem erhabenen, mit rotem Wande behangenen Stuhle unter einem grünen Himmel. Herr Geheimrath von Fuchs that die ovation nnd l1arangue, und Herr Bürgermeister Dr. Frohne die antwort, und geschahe darauf die Huldigung, und wurd vom Sparenberg aus den Stücken wacker gefeuert. Vorher that der Hofprediger Herr Ursinus in der alten Städter Kirchen die Hnldigungspredigt und hatte zum Text Rom. XIlL v. I. Die Stände und die Städte erhielten die reversales betreffs ihrer Gewohnheiten und privjlegiea Die Herren Landstände verfprachen Sr. Churfl Durchl. 3000 thlr., Serenissima aceepjt 1500 thlr., Herren Ober-Cammerherr, Ober- Marschall, von Fuchs, von Dankelmann quiscjue ein Fuder Wein, Herr Hoff-9)?arfchall 50 Dukaten = 100 Rthlr., Küche, Kelleiy Silberkanimer70 Rthlr., Conditor 10 Rthlr., Trompeter 30 Rthlr., Mundschenk 10 thlr., Hoff Courier 8 thlr., Futter Marschall d’ thlr., Trabanten 36 thlr., Lacqiiaien 15 thlr., Cammer Fourier 18 thlr., Herrn Urfinus 50 thlr., Cammerdiener 30 thlr., Cammer-Lacquaien 15 thlr., von der Lühr 50 thlr., Weesen 40 thlr., Greven 40 thlr. — .-26— Die Erklärung des Wortes Raumpott bleibt offen, läßt sich jedoch kaum anders, als auf die Freitreppe deuten, welche bei dem Um- bau des Rathauses abgebrochen und durch eine neue ersetzt wurde. Es war allgemeiner Brauch in früherer Zeit, dem Landesherrn und feiner Begleitung bei einein Besuche eine Verehrung zu über- reichen. Jn welchem Jahre und unter welchen Verhältnissen die Stadt zuerst mit einer ständigen Garnison belegt wurde, ist bis jetzt nicht aufzuklären. Unter der Jülichfchen Herrschaft scheint man fast stets nur den Sparenberg besetzt gehalten und die Bewachung der Stadt der bewaffneten Bürgerschaft unter ihren Rottmeiftern tiberlasfen zu haben. Über die Zeit des 30jährigen Krieges sind nur bruch- weife Andeutungen vorhanden, welche die Stadt als sehr unter dem Druck der Kriegsheere leidend wiedergeben. Unter andern! mußte die Pacht für den Ratskeller ,,zu rechter Hund«, also nach der Niedernftraße für das Jahr 1631 von 20 Rthlr auf 6 Rthlu ermäszigt werden: »weil viel durch die Soldaten darin verdorben und dieses auf der Pächter Kosten repariert werden muß« Zur Zeit des Großen Kurfürsten fcheint die ständige Belegung der Stadt stattgefunden zu haben, denn für das Jahr 1683 wird als General des Regiments ein Prinz von Curland genannt. Die Organisation der Armee war bekanntlich früher eine andre und eine erhaltene Sammlung von Verfügungen aus jener Zeit läßt erkennen, auf welche Weise die Armee zusammen gebracht wurde. Der König Friedrich I. verbot 1688 die fremden Werbungen Von 1688 an folgen 1693, 1694, 1695, 1699, 1701,1703,1706,1709, 1711, 1712, 1713 Verfügungen gegen die Deserteurs. Jm Jahre 1709 sollen die Namen derselben an den Galgen ihres Geburtsorts genagelt werden, und 1711 werden sie mit Abschneiden der Nase und eines Ohrs, dann ferner mit Festschmieden an eine Karre und Festungsarbeit bis an ihr Lebensende bedroht. Der König Fried- rich Wilhelm l., von 1713 bis 1740, brachte es durch seine Werber dahin, daß die Bürger und Bürgersföhne aus dem Lande flüchteteik den Werbern zu entgehen und den Betreffenden Schutzbriese an- geboten wurden, wenn sie nur wieder zurückkehren wollten Für die Aufspürung eines Deserteiirs wurden 1715 bezahlt 10 Thlr., später 6 Thlr. Es liegen aus den Jahren 1714 und 1715 für jedes Jahr drei Verfügungen, für 1717, 1718, 1720 deren je zwei, für 1721, 1722, 1723, 1724 je eine gegen die Desertion vor. Mit der Stadt als Garnison beschäftigt sich ein besonderer ·— 27.-

Erlaß des Kijnigs aus dem Jahre 1718 an den Landdrosten v. d. Bussche und dem Kriegsrat v. Illieinders lautendt Unsern Je. te. Wir ersehen aus eurer allerunterthgsten rcsslalion vom Z. hastig, daß bei der garnison zu Bielfeld sowol eine Wachtstube vor die Ober-Officiere, als auch 14 neue Schilderhäuser zur verhiitung der siege-»Man. des csoinmandirenden ofuejers Anzeige nach, gar nötig sind, Weil nun dergleichen nohtwendigkeiten an allen übrigen orten aus derer Städte Cämmereymitteln angeschaffet werden müssen, So habet ihr zu verfügen, daß der Magister-et zu Bielfeld aus dem fand der Cämmerey gleichfals dieses besorge, damit die garnison bey etwa vorgehender cikssertioii nicht über den Mangel von dergleichen Anstalten sich zu beklagen Ursach haben möge. Seind se. Je. Berlin, d. 22. Mai 1718. — Wenn eine Desertion dem Befehlshaber der Mannschafteii in der Stadt ge- meldet wurde, so wurden schnelliiiöglichst auf dem Sparenberge drei Kanonenschläge gelöst, worauf dann die landesherrlichen eigen- hörigen Bauern in der Grafschaft an bestimmten Orten die Wege befetzeti mußten, den oder die Unglücklicheii abzufassen, welche, wenn glücklich, nach Lippe, Rietberg, Paderborn, Münster, Osnabriick hin in wenigen Stunden das Ausland erreichen konnten. Dieses letzte habe ich aus einer Mitteilung von Kolon Ewers in Lämershagem im Jahre 1790 Lemershagen, vormals Lewenbergshagen Es ist anzunehmen, daß die Stadt während des 30jährigen Krieges und fernerhin den Besatzungstruppen eine Wachtstube ein- zuräumen hatte, welche nirgendwo füglicher als in der Mitte der Stadt gegeben werden konnte. Eine bemerkenswerte Verhandlung des Ehrsamen und Wollweisen Rats der Stadt Beilfeldt vom Jahre 1665 lautet: Ahm 25 February ist von Hn Bürgermeister vnd Rhatt Joachim Diebrock Bürger vnd Bitchhändler hieselbst das kleine hieselbst fürm Rhatthauße belegene Wachthäusleim umb eine Buchladen darin anzurichten, vnd jährlichs drey thlr. Heuer- gelder davon zu entrichten, zehen nach einander folgende Jahre, von Ostern des laufenden 1658sten Jahrs anfahend, elocirt vnd verpachtet, jedoch darbeneben verabscheidet worden, daß er nach den verlaufenen pfacht Jahren, daßelbige in den Standt, da es itzo inne befindlich wieder liefern, hingegen da die Stadt des besagten Häußleins nicht würde zu gebrauchen haben, Er der erste zur Heuer verbleiben folle. — Das Wachthäuslein war der Aufenthalt der Wachtmannschaft wahrscheinlich für die ganze Dauer des großen Krieges gewesen. Als unbenutzt hatte es der Buchhändler seit -28 -. 1658 für seinen Buchhandel in Pacht bekommen, worüber 1665 vom Rat Beschluß erhoben wird. Diebrock war Buchhändler und Buchdrucker und die ersten Bielefelder Drucksachen rühren von ihm her· Für die Oberoffiziere wurde dann 1718 auf Befehl des Königs auf die Stätte des alten eine neue Wachtstube gebaut an dem Markte in der Verlängerung der Niedernstraße und in seiner Länge bis nahe an die Freitreppe reichend Bei einer Länge von 33 Fuß und 1982 Fuß Breite und fast gleichen Flächeninhalts wie die Ratstube war die Wachtstube als einstöckiges Gebäude mit Eingang zur ebenen Erde an das Rathaus gebaut. Das mit roten Dachpfannen gedeckte Gebäude enthielt eine Vurschen- und eine Offizierstube und die Mannschaft hatte ihren Aufenthalt im Rathauskeller Das Haupt-Wachtlokal, Wachtlokal, Haupt-Wächt- gebäude, alte Wachtgebäude, wie die Bezeichnungen lauten, war vor Erbauung der Kaserne im Jahre 1775 in Verbindung mit der im Ratskeller gelegenen Wachtstube der natürliche Sammel- punkt des militärischen Lebens in der Stadt. Ein im Jahre 1819 angefertigter Plan der Stadt zeigt am Rathause zwei Vorbauten, von denen der eine die Ratstube, der andre das Wachtgebäude ist. Eine Zeichnung ist bei Gelegenheit des Umbaues des alten Rathauses und des alten Hauses von Modersohn hergestellt worden, wobei ein Austausch von Grundstückeii und Gerechtigkeiten stattfand. Jm Februar 1817 wird der Umbau des Rathauses durch den Reserendar und Stadtdirektor Delius angeregt auf Grund einer durch den Bau-Kondukteur Althof geschehenen Besichtigung. Vorläufig ist nur der Abbruch der alten Ratstube und der Bau einer neuen geplant, zu welchem Bau keine besondern Gelder nötig sind, da das Material hinreichend erscheint, mit demselben eine neue Ratstube herzustellen. Es findet sich, daß, wo die Mauer des Flügelgebäudes an die des Hauptgebäudes stößt, ein Riß vom Dache bis an den Boden läuft, der oben eine Weite von 5 Zoll hat. Die Pfeiler, auf welchen die Vorderseite des Flügelgebäudes ruhet, sind gesunken, das ganze Gemäuer des Gebäudes nach ver- schiedenen Richtungen geborsten, und der vordere Giebel desselben herüber hängend. Althof ist der Meinung, daß, wo der Grund dieses Anbaues gewichen, und sämtliche Wände und Bogen durch die Borsten ohne festen Zusammenhang seien, augenscheinliche Gefahr in dem jetzigen Zustande vorhanden sei. Aus den An- gaben der eingereichten Taxe läßt sich der Anbau annähernd bilden mit 4 kleinen Fenstern im Giebel, 4 größere darunter, und mit einem großen mächtigen Fenster an der schmalen Seite nach der Obernstraße zu. Die Ecken des Mauerwerks und Gesimse, auch der Dachgiebel in Sandftein gearbeitet, das andre in grauem Kalkstein mit Fensterbogen von rotem Backstein. Nach der Ost- feite war der Fleischscharren Der Reg.-S)kat Ganzer giebt am s. April seine Ansicht dahin ab, daß der Abbruch des Vorbaues sehr zweckmäßig und notwendig, auch eine Erweiterung« des Marktplatzes anzustreben sei. Das untere Stockwerk des Rathauses sei für die rathäuslichen Geschäfte, fiir die Hauptwache und für Gefängnisse zu bestimmen, und dadurch das jetzt vor dem Rathause befindlichen hölzernen Wachtgebäude zu entbehren, auch damit der Marktplatz zu vergrößern und zu verschönern Jn das zweite Stockwerk sei das Land- und Stadt- gericht unterzubringen. Auf den Boden solle dann die Mon- tierungskammer und andre ähnliche Sachen. Der Stadtdirektor Delius ist ebenfalls dafür, die Wache und das Land- und Stadt- gericht in das Rathaus zu verlegen, handelte es sich doch für die Stadt um die Gewinnung von 300 Rthlr. jährlicher Miete. Leider findet sich eine von dem Bau-Kondukteur Gethman an: 5. Mai eingesandte Zeichnung der Grund- und Profilrisse des alten Rathauses nicht vor. Der Stadtdirektor legt Januar 1818 der Regierung in Minden einer Eritwurf zur zweckmäßigen Benutziing des Rathauses vor und beschreibt dessen Zustand wie folgt: Das Rathaus zu Viele- feld ist ein altes, massives, in seinen Grundmauern noch sehr festes Gebäude von 81« Länge und 37« Breite im Lichten, das auf zwei Seiten von Hauptstraßen und in seiner ganzen Länge vom Markte umgeben wird. Der große innere Raum desselben ist bisher sehr unvollkommen benutzt. Zuvörderst dient das unter dem ganzen Gebäude herlaufende Gewölbe zum Stadtgefängnis und zur Woh- nung eines Handwerkers Jm ersten Stock befinden sich drei kleine Zimmer für das Geschäftslokal des Magistrats, ein Gefängnis für ArrestantewTransport und 2 Kammern, die jetzt zur Aufbewahrung von Montierungsstücken dienen. Das ganze zweite Stockwerk ist unausgebaut und wird nebst dem Bodenraum zur Niederlage einiger Militärefsekten undstädtischen Gerätschaften benutzt. Jn einem Flügel des Gebäudes, welcher« auf den Markt vorspringt, befindet sich das einzige geräun1ige, zu Versammlungen bestimmte Zimmer. Diesem Flügel droht aber der Einsturz, das Zimmer hat deshalb seit längerer Zeit nicht benutzt werden können, und —30— da auch die vorher genannten drei kleineren Zimmer höchst bau- fällig und unbequem sind, so ist man gezwungen, das Rathaus im Februar d. J. zu verlassen, und den untern Teil des sog. Kämmereihofes (die jetzige Gesellschast »Eintracht«) eines der Stadt zugehörigen Gebäudes, zum Geschäftslokal zu gebrauchen. Durch eine Verfügung der Regierung an die landrätliche Behörde sei der Abbruch des erwähnten verfallenen vordern Vorsprungs des Rat- hauses bereits genehmigt. Dieser Vorsprung und die an das Rathaus gelel)nte Hauptwache beengten und verunstalteten den sonst regelmäßigen Markt· Der Stadtdirektor stellt die Vorteile des innern Ausbaues des Rathauses ins Licht und erstrebt die Verlegung des Land- und Stadtgerichts welches sich damals in dem Rosen’schen Hof an der Fiönigsstraße (die jetzige erste Bürger- schule an der Kreuzstraßei befand, in das Rathaus, das außerdem das landrätliche Bureau, das Niagistrats-Bureau, die Leggekammer und die Hauptwache aufnehmen soll. Der Kostenanschlag wies ein Erfordernis von 7819 Rthlr auf, und die Beschaffung der Mittel für den Ausbau machte große Not. So erfährt man, daß die Einnahme aus der Legge jährlich cirea 5000 Rthlr betrage, von denen 2862 Rthlr als Kompetenz in die Kämmereikasse flossen. Eine Anleihe bei der Bürgerschast wird vorgeschlagen. Dann der Verkauf zweier städtischer, un- mittelbar an das Rathaus stoßenden Gebäude: ,,Jn dem einen befindet sich die Leggekammer; das zweite dient teils einem pen- fionierten Stadtmusikus zur unentgeltlichen Wohnung und ist teils vermietet. Dieses vorzüglich ist baufällig.« Dann Verkauf des alten Wachthauses am Obernthor zum Abbruch. Dasselbe ist der Stadt früher hin überwiesen und wird nicht benutzt Dann Ver- kauf des sog. Neustädter Rathauses zum Abbruch. Dasselbe be- findet sich über einem alten Thore, am Ende der breiten Straße, und dient jetzt zur dHypothekewRegistratur des Gerichts, welche sobald dieses in das Rathaus verlegt, füglich zu entbehren ist. Die Materialien aus dem abzubrechenden Rathausanbau und dem Wachtlokal sollen den Bau mit billig machen. Die unmittelbar an das Rathaus angebaute Legge, sowie das dem Vecker Moder- sohn zugehörende, nur 2 Fuß vom Rathausentfernte Haus Nr. 237 nebst dem dahinter liegenden Kuhstall machen den Gebrauch der hintern Zimmer des Rathauses fast nicht möglich und soll bei dem Umbau desselben dieses beseitigt werden. Der Bauinspektor Rei- mann und Zimmermeister Piepenbrinker geben wegen der Ent- —31 schädigung an Modersohn ihr Guthaben ab. Die KönigL Re- gierung geht darauf ein, das Land- und Stadtgericht in das Rat- haus zu verlegen unter den schon vereinbarten Bedingungen und dem zu führenden Nachweis der nötigen Räumlichkeiten. Von allen diesen Vorverhandlungen ist noch keine einzige erledigt, da erklärt sich der Gemeinderat, bestehend aus den Mitgliedern Woer- mann, Laer, Männer, Bertelsmanm Afchoff Krummachey Becker, Meyer, Waldecker H. A. Weber, Petranr Weddigem Delius, Laer damit einverstanden, den Verkauf des Kämmereihofes versuchsweise einzuleiten. Es waren in diesem außer den Erfordernissen für die rathäuslichen Geschäfte das Landratsamt und die Landwehr-Jn- spektion untergebracklp und lieferte an Miete den Betrag von 214 Rthlr. Die »Offentlichen Anzeigen der Grafschaft Ravens- herg«, das ,,Paderbornsche Jntelligenzblatt« und der ,,Mindener Offentliche Anzeiger« brachten die Ankündigung des Verkaufes, bei welchem am b. April 1819 Eisenstädter mit 7050 Rthlr der Letztbietende bleibt, jedoch den Zuschlag nicht erhält. Man hatte auf 8500 Rthlr. mindestens gerechnet. Ein Anerbieten der Königl Regierung geht seitens des Landrats von Borries ein, ihr den zweiten Stock des Rathauses nebst Bodenraum als Landwehr- Zeughaus einzuräumen, wobei der davor liegende Marktplatz die Verteilung der Effekten sehr erleichtern, und der ganz nahe dabei befindliche Kirchhof eine bequeme Gelegenheit zur Reinigung der- selben gewähre. Dieses Anerbieten wird abgelehnt, jedoch dagegen das Waisenhaus am NebelsthorwalI zu dem Zwecke angeboten Nachdem das Oberlandgericht zu Paderborn sich mit der neuen Einrichtung des Gerichtes auf dem Rathause zufrieden erklärt hat, findet sich ein Käufer für den Kämmereihof in H. M. Wittgen- stein in Gütersloh, welcher dafür 7500 Rthlix bietet, die ange- nommen werden, da 8000 Rthlr. nicht zu erreichen sind. Die Rechtmäßigkeit der Annahme von beigefügten 20 Rthlr als Gottes- heller für die Armen wird in Bedenken gezogen, da solche Beigabe dem Gesetze nicht mehr entspreche, doch endlich der Armenkafse überwiesen. Der Kontrakt datiert vom 7. September 1820· Es erhoben sich noch Schwierigkeiten bezüglich des Besitztitels der Stadt auf den Kämmereihof Gemäß des endlich aufgefundenen Subhastations-Patents ging dieser als Graf von Kettlers Hof im Jahre 1788 an die Bielefelder Kaufleute Heitz, Rabe und Niemeyer über. Jm Jahre 1802 kaufte die Stadt den Hof für 5600 Rthr. für das beständige Quartier des zeitigen Regimentschefs und ist ». 32 .— im Jahre 1812 die Wohnung des Präfekten von Bernuth. Aus den Händen von Wittgenstein ging er in diejenigen der Gefell- schaft »Eintracht« über. ENit dem Bäcker Modersohn wird den 15. November abge- schlossen und zwar: Um dem hiesigen Rathause bei dessen bevor- stehenden neuen Einrichtung zum Gerichts-, Magistrats- und Legge- lokal von der Nordfeite das erforderliche Licht zu verschaffen, ver- pflichtet sich der Bärker Gottfried Heinr Nioderfohn sein sub Nr. 2337 in der Niedernstraße neben dem Rathause belegenes, jetzt zur Schenne eingerichtetes Haus, sowie den hinter demselben be- findlichen Kuhstall spätestens bis zum Ende März 1821 abzu- brechen in der Art, daß zwischen dem Rathause und dem ihm gleichfalls zugehörenden Wohngebände sulp Nr. 236 ein freier Platz von 17 rheinländischen Füßen Breite verbleibt. Die Stadt übernimmt, den Bäcker Piodersohn für diese Llbtretxingeti vollständig zu entschädigen. Gleichwie nun Modersohn an die Stadt 17 Fuß Breite längs seines Grundstückes abtritt, giebt ihm dafür die Stadt vor dem Platze, auf welchem die zum Abbruch bestimmten bau- fälligen Häuser, das Legge- und das Küsterhaus stehen, einen gewissen Teil als Ersatz. Die Stadt übernimmt die Unterhaltung der neu anzulegendeu Straße zwischen dem Rathause und Moder- sohn, und vergiitet an letztern 610 Rthlr. 14 gr. zum Aufbau einer neuen Schenne. Es wurde dann auch seitens des beauftragten Landrats mit dem dirigierenden Bürgermeister das Abkominen getroffen, daß der Stadt das auf dem Markte besindliche Haupt-Wachtgebäude in dem Zustande, wie sich solches befinde, mit dem Platze, worauf solches stehe, als Eigentum und zum Abbruch überlassen werde, und die Stadt dagegen ohne weitere Entschädigung die Aulegung nnd Er- haltung eines angemessenen Wachtlokals im Souterrain des Rat- hanses übernehme. Durch den Abbruch des Wachtgebäcides der Ratstnbe und der alten Legge nebst dem Ksüsterhaus welche beide letztern Gebäude vor dieser Zeit 11 Fuß nach der Ressoureenstrasze wie selbige im Jahre 1822 genannt wird, vorsprangen, gewann der Markt seine jetzige Gestalt. Der Umbau des Rathauses wurde Herbst 1822 beendet, und das Piagistratsbureau das bis dahin nach dem Ver- kauf des Kämmereihofes sich in einem der Seitenflügel desselben unentgeltlich hatte aufhalten können, wieder wie vorher in 3 Zim- mern des Rathauses untergebracht, außerdem stand, wie früher, —::38 — ein Konferenzsaal zur Verfügung. Für die rathäuslichen Gefchäfte war bei einer Bevölkerung von 6000 Seelen nicht mehr nötig. Jn dem Kellerraum des Rathauses waren 10 Räume geschaffen, von denen 2 für die Militärwachz 2 für die Depositen des Ge- richtes, 1 fürs Eichamh 2 für Feuerungsmaterial, Z für den Hauswärter waren. Jn dem ersten Stockwerk befand sich 1 Raum für die Hypotheken-Registratiir, 3 Räume für die rathäiislichen Geschäfte, 1 als Legge und der Konferenzsaal Jn dem zweiten Stock waren 10 Räume für das Land- und Stadtgericht. Der ganze Gerichtsbezirk hatte damals nur eine Bevölkerung von 30000 Seelen. Der Voranschlag für den Umbau hatte die Höhe von 7819 Rthlr., wogegen der Umbau 11260 Rthlr. erreichte Nicht allein die Giebelseite des Rathauses nach der Niedernstraße war in dem kunstvolleu Stil des W. Jahrhunderts ausgeführt, sondern auch die entgegengesetzte Giebelfeite, denn in dem Kosten- anschlag zur Niederlegung heißt es: Beide Dachgiebel sind bis in die Spitze massiv, mit Sandsteinen bekleidet, mit Verzierungen alter Art aufgeführt, solche bis zur Höhe der neuen Kehlbalkenlage ab- zubrecheir die Sandsteine und Verzierungen gegen Beschüdigiing zu sichern u. f. w. Bei dem Umbau wurde auch nach der Straße zwischen dem Rathause und Modersohn eine Treppe angelegt, oberhalb derselben die Jahreszahl 1821 angebracht und darüber die Wappen der Stadt mit der Jahreszahl 1587 nnd dasjenige der Herzoge von Jülich, Cleve, Berg, Grafen von der Mark und Ravensberg ein- gemaiiert. Man muß billigerweise fragen, zu wessen Vorteil der Umbau des alten Rathauses unternommen wurde, und welches Ergebnis er hatte. An dem Rathause fand sich nur baufällig die große Ratstube, doch ist der Bau-Konduktenr Althoff der Ansicht, mit dem vorhandenen Material eine neue errichten zu können. Das Gutachten des Reg.-Rat Ganzer bringt die Fragen der Erweiterung des Marktplatzes Verlegung der Ratstube und der Hanptwache in das Rathaus auf. Man sollte annehmen, daß dieses sich mit angemessener, nicht zu hoher Aufwendung von Mitteln hätte er- reichen lassen. Er wirft aber auch die Frage der Einhausung des Land- und Stadtgerichts auf und diefe Frage verändert die ganze Angelegenheit. Für diesen Zweck mußte der Kämmereihof verkauft werden, denn damit hoffte man die Höhe des Kostenanschlags zu erreichen, dann um Lust und Licht den obern Zimmern zu ver- 3 —34-. fchaffen, mußte Modersohn abgefunden, und diesem der Grund und Boden der alten Legge- und des Küsterhauses geopfert werden. Vergleicht man die Rechnung, daß um die Einhausung des Gerichts zwei wertvolle Grundstücke der Stadt veräußert werden mußten, und das um einen Mieter, welcher bei jährlicher Kündigung morgen seine Anfprüche ändern konnte, wenn auch die schriftlichen Versicherungen für jene Jahre richtig fein mochten, so erscheinen die gemachten Anstrengungen kaum im Verhältnis. Die Stadt erzielte an Miete von dem Gericht 300 Rthlr., von der Legge 100 Rthlr., verlor dagegen die Miete aus dem Kämmereihof im Betrage von 214 Rthlr., so daß ihr nur ein Mehrgewinn von rein 186 Rthlr verblieb· Jn der Geschichte der Stadt Bieleseld von Ad. Coesfeld, ged. 1881, finden sich noch weitere Ausführungen über das alte Rathaus: Dasselbe hat bis in die 50er Jahre hinein als Rat- haus und Gerichtsgebäude gedient, bis der Magistrat wegen Raum- mangels nach dem Klosterplatze übersiedelte und seine Bureaus in dem jetzigen Schulgebäude der katholischen Gemeinde etablierte. Jn folgedessen wurden im Jahre 1857 Verhandlungen mit dem Justiz- fiskus, wegen Verkauf des Rathauses gepflogen, die sich, wir wollen sagen glücklicherweise, zerschlugen nnd nur dazu führten, den Mietzins auf Thlr. 800—,, pro anno zu erhöhen. So blieb das Kreisgericht bis zur Vollendung des jetzigen Land- gerichtsgebäudes bis zum 1. April 1870, im Rathause und die ftädtischen Behörden in einem Gebäude, das sich sehr schlecht für Zwecke eignete, denen es dienen mußte. Das Rathaus ist im Jahre 1821 neu erbaut und am 31. August 1821 unter großer Beteiligung der Bürgerschaft feier- lich eingeweiht worden. Es steht an derselben Stelle, an welcher das im Jahre 1569 erbaute alte Rathaus gestanden. Dasselbe mußte infolge Abnutzung durch langjährige Vermietung als Ge- richtsgebäude und zum Behufe der Wiedereinrichtung als städtisches Rathaus, im Jahre 1870J71 einer durchgreifenden Reparatur unterworfen werden und wurde bei dieser Gelegenheit mit einer Centralluftheizungseinrichtung versehen, die allerdings bereits zum Teile der gewöhnlichen Ofenheizung wieder Platz gemacht hat. Die Kosten des Reparaturbaues betrügen 7680 Thlr. 13 Sgr. 6 Pfg. Seit der Restauration dient das Haus als Amtslokal für die Stadt- und Polizeiverivaltung Baubiireau, Kafsen, Standesamt und seit dem 1. Oktober 1878 auch als Landrats- —35— amt für den Stadtkreis Bielefeld. Für alle die verschiedenen Dienstzweige ist schon jetzt der genügende Raum kaum mehr vor- handen und scheint die Zeit nicht mehr fern zu sein, in welcher die Büreaus für die Polizeiverwaltung anderweitig untergebracht werden müssen.

Beiträge zur raveicgbergischen Münztiunde Von Dr. Einil Bahrfeldt

U. Jm Anschlusse an meine Mitteilungen auf Seite 69——80 im 13. Jahres-berichte lasse ich hier einige; archivalische Nachrichten über ravensbergisches Münzwesen folgen, die ich in meinen Mappen noch vorgefunden habe. Kupfermünzenprägung 1671, Dezember 29. Die ravensbergischen Landstände an den Kurfürften Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Sie seien zur Beratung zusammen gekommen über die zu ergreifenden Maßregeln, um die auf dem Lande wie in der Stadt vorhandene Konfusiou und Lamentation zu heben und die haufen- weise eingeführten Kupfermünzen bestmöglich aus der Grafschaft fortzuschaffen. Sie seien der Ansicht, daß die vor einiger Zeit gestempelten ravensbergischeii Kupfermünzen und die der Stadt Herford verwilligten 2000 Thlr. Kupfergeld, sowie auch die noch vorhandenen kleinen alten Zwei- und Dreipfennigstücke von Ravensberg und Herford in ihrem vorigen valor verbleiben möchten, da andre Scheidemünze nicht vorhanden sei. »Weiln aber sich befunden, daß die Stadt Herford über die 2000 Thlr hinaus 571 Thlr. mehr geschlagen,« bäten sie, »daß selbige ein- geliefert und verschnitzt würden oder aber de novo wieder ge- stempelt, damit dadurch alle Beschwerden und Unterschleife ver- hütet werde« - ZEI- 36 —- 1672, Januar 21. Die ravensbergische Amtskammer in gleicher Sache wie vor an den Kurfiirsten von SJtavens- . mit den ,,. . haben nach Befehl Landständen berg wegen des publicirten Edicts über hiesige Kupfermünzen uns zusammen gethan und sowohl der Stadt Bielefeld dieserhalb gefiihrte Klagen vernommen, als auch bei dero Erbstatt Herford wegen der von ihr auf die Concession von 7000 Thlr. geschlagenen Kupfermünzen durch den Advocatum iisci die Unterfuchung an- richten lassen« Herford hat die 7000 Thlr. um 571 Thlr. überschritten und es wäre nicht unbillig, die letzteren in ciaturn zusanimenbringen zn lassen und sie zu kassiren. Was sonst das kurfürstliche Edikt wegen der Kupfermünzen betrifft, so berichten wir, »daß in dero Grafschaft Ravensberg für etwa 50 Jahren gantz nnd 1X2 Knpfgrosclx ad 300 bis 500 Thlr. ungefähr von damaliger Herrschaft eingeführt worden, aber unter den Leuten wenig mehr zu finden, meist durch den Krieg und Länge der Zeit von Handen gekommen. Von den übrigen allhier vorhandenen gantzen, V» und W Knpfergroscheii sein in anno 1656 und 1657 auf Euer Churf D. Befehl in allem 3800 Thlr. geschlagen worden, welche zu täglicher Scheide- miinze gebraucht wird und ohne vigore woll zu gednlden stehen, weil (u. a.) allhier sonst keine Scheidemünze vorhanden und die bisherige für sich nicht beschwerlich ist· Weil aber die gräfl· Lippefche Kupfermünze in Ravensberg, und die Ravensbergische in Lippe seit lange durcheinander zuge- lassen, und jenes nach Lippes eigener Aussage ad 5000 Thlr. ertragen solle, und dazu noch die Herfordsche Kupfermünze kommt, so macht das ein großes Quantum.« Die Amtskaniiiier stellt anheim, zu entscheiden, ,,ob man sich nicht von dem häufigen Lippischen Kupfergeld ganz separiren könne und das Ravensbergische allein gelten, auch noch ad 50 bis 100 Thlr. an kupferner oder in weißer Nkitnze von 1, L, Z und 4 Pfennigstücke der 12 auf 1 Ilkarieiigroscheti gehen, schlagen lassen solle, weil diese geringe sorten von Euer D. außerhalb einige wenige Dreipfentiigstiicke niemals geschlagen worden, höchst nöthig sein nnd man sich mit dergl. lippesche scheidemiinze auch Münster. Heller und Pfennige bishero hat behelfen müssen« (1672) o. D. Der Advocatus üsci berichtet über die Untersnchung der herfordischeii Münzangelegenheit an den Kur- fiirsten ..-.37.—

Auf kurfürstlichen Befehl vom 23. Januar habe er sich nach Herford begeben und den Qlliinzmeister sowie die Nkiinzbedienten befragt, wieviel sie an Kupfergeld ausgemiinzt hätten, anch habe er die Schnielzbücher eingesehen. Dauach habe er ein Quantum von 2571 Thlr· festgestellt. Die Stadt berufe sich darauf, von alters her das Münzrecht zu besitzen, der Knrfiirst habe es be- stätigt und 2000 Thlr. zu schlagen bewilligt Zwar seien einige hundert Thaler niehr geschlagen worden, aber das sei wegen der damit verbundenen Kosten geschehen und weil dabei täglich für Bier, Branntwein u. dergl. mehr Ausgaben gewesen seien. Seit dem 21. September (1671) sei nicht mehr geniünzt worden; die Ljliiinze stände still. Man habe 1 Pfund geinünzte Pfennige gewogen und be- fanden, »daß sie zu 4 Thlr. 18 Grosch nicht angelaufeih sondern das Pfund weniger gewogen habe« 1672, Februar 21. Der Kurfiirst verfiigt an die rabens- bergische Amtskamnier Da er vernommen habe, »daß der Graf v. d. Lippe mit seiner· kupfernen Landesmiinze sich von uns zu separiren vornimmt nnd seine Niünze unter die seinigen allein festzustellen, so habet Jhr auch dergl. in unserer Grafschaft Ravensberg durch bequeme Nkittel ins Werk zu richten und dahin zu sehen, daß die ravensberg Kupfermünze unter den Unsrigen auch allein genommen wird. Wegen der 2000 Thlr. so gantz und Vx Kupfergrn so unsere Stadt Hervord neulich geschlagen, lassen wir es bei unserm vorigen Rescript allerdings bewenden, jedoch habt Jhr dieselbe dahin, neben einem scharfen Verweis, anzuhalten, daß sie die zuviel ge- prägten 571 Thlr. binnen 14 Tagen in natura an den ravensberg Landrentmeistereiverwalter abliefere, welcher sie zur Berhütung von Unterfchleif verschinelzen lassen wird. Jm Übrigen köunet Jhr einen gethanen unterthäiiigsteii Vor- schlag zufolge zu nöthigen Scheidemiinze an ein, zwei, drei und vier Pfennigstücken etwa ein Hundert Thaler an Kupfer oder Weißgeldt daselbst ohne fernere Kosten oder Berechnung schlagen lassen« 1689, Februar 23. Die Äbtissin von Herford, Charlotte Sophie, beabsichtigt mit den brandenburgischen Miinzeii an Schrot und Korn in Übereinstimmung prägen zu lassen. Sie bittet den Kurfürsten Friedrich Wilhelm, solche Münzen in der Stadt Hervord und der Grafschaft Ravensberg als gültig anzuerkennen und nach ..38—

dem 1547, am 20. März, zwischen dem Herzog von Jülich und der Abtei Hervord getroffenen Vergleiche sie (die Äbtissin) bei Ge- nießung des halben Theils aus der Münze und den Zollgefällen zu schützen

Mitteilungen über Münzen der Grafschaft Ravengberg Von Professor Dr. J. Wilbrand in Bielefeld

Zu meinen Veröffentlichungeii über ravensbergische Münzen im vorigen und vorvorigen Jahresbericht (XII. und XI1I.) kann ich diesmal folgende Ergänzungen liefern. Gerhard der ältere. 1346——1360· (Vergl. den dreizehnten Jahres-Bericht S. 94.) Nr. 8. d) Av. Aufgerichteter zwiegeschwätizter Löwe. Ren. Ravensb Wappenschild

B ...... NEJTA. H W» Joseph, Frankfurt) Wilhelm der ältere. 1360—1395. Jm Katalog der Jsenbeckschen Sammlung, welche im Ok- tober 1899 in Frankfurt versteigert wurde, befand sich ein Denar mit vollstäiidiger Jnschriftz

Av. WILHELMVS - COMES - RAVES Gekröntes Brustbild mit Scepter und Reichsapfei. Ren. MONETA : NOVA : DE. : BILEJVELT Jm Bierpaß der Wappenschild, über welchem ein Adler. (c. Schellh. 914.) (Kopie in der Sammlung zu Bieleseldl Wilhelm der jüngere. 1405—1428. (Von 1401—1415 zugleich Bischof von PaderbornJ Herr Professor Dr. Buchenau in Weimar hatte die Güte, mir die Stanniolkopien der fünf Denare Wilhelms zu überfendem welche —.s39— das Münzkabinet der Universität Leipzig befitzt. Jm dreizehnten Jahresbericht habe ich Seite 101 unter Nr. 16 diese Münze be- schrieben. Die beiden mir damals bekannten Exemplare hatten keine Spuren der Umschrift, welche aber nach vier der Kopien größtenteils ergänzt werden kann. Av. Im Perlkreis Brustbild des Bischofs mit Mitra, mit der Rechten segnend, in der Linken ein Buch. a)kX1WI.....PAD b)...... PAD

«) ...... d)...·PISC..... Ren. Im Perlkreis Vierpaß aus doppelten Bögeih darin das Ravensberger Wappenschild Rechts, links und über demselben Röschen Jn den Äußenwinkeln Ringeln

a) . . . . ELD

. . . ELD c) .

BILV . . d) . Die Unischrift scheint also gelautet zu haben:

Av. WlLHELMVS EPISC · PAD Ren. BlLVELU Adolf. 1428——1437. Zugleich seit 1408 Herzog von Berg und seit 1423 auch Herzog von Jülich Ich habe bereits im zwölften Jahresbericht S. 52 und im dreizehnten S. 106 einen Denar Adolfs unsrer Sammlung be- fchrieben Jn dem bereits erwähnten Katalog der Jsenbeckschen Sammlung tauchte ein zweites Exemplar auf mit angeblich folgender Inschrift:

«» DV . Av. ADOLP . .

- — - Ren. .. . D NOVA BILVEL Unser Exemplar hat:

Av. ADOLP · DVX · IVL -

Ren. —i— NIONETA « NOVA - BILVEUJT - Jch vermute bei Wiedergabe des Reverses im Katalog einen Lesefehler, denn D gibt keinen Sinn. Die mir zugesandte mangel- hafte Kopie gibt keinen Aufschluß. Ergänzend füge ich bei, daß das Wappen in einem Dreipaß zu stehen scheint. —40- Wilhelm V. 1539—1592. Groschen. Von 1579. Av. Drei Helme Unter dem mittelsten ein Röschem

· M0 - NO · DVc · IVL · CLI · E · MONZ Rev. Nicht behelmtes fünffeldiges Wappen von Jüliclx Cleve, Berg, Mark und Ravensberg. Darunter, die Jnschrift teilend, noch ein Ravensberger Schildchen Röschein IN - DEO · sP — Es - MlsjA « 1579. (P. Joseph, Frankfurt) Von 1584. Av. Unter der Jahreszahl Punkte statt RingeL Um den Reichsapfel ein Perlkreis. Jn der Umschrift MONZ statt MON Sonst im wesentlichen wie der von 1582. (P. Joseph, Frankfurt) Von 158(6?) Av. Wie vorstehend, jedoch unter der Jahreszahl RingeL In der Umschrift ebenfalls MONZ· statt MON- Sonst im wesentlichen wie der von 1582. (P. Joseph, Frankfurt) Sechshellerstücke (Vergl. zwölften Jahresbericht S. 559

d) An. IN DEO sPEs · MEA GV. D G. Rev. Sechsstrahliges Sternchen vor der Umschrifn

DVX - IVL · CLI · FJT · BECOMA - R · (P. Joseph, Frankfurt) Knpferne Marke von 1583. (Vergl. dreizehnten Jahresbericht S. 111, Nr. 26.) Ein Exemplar besitzt unsre Sammlung, ein andres Herr Dr. Weygand in Düsseldors Jch habe inzwischen noch ein drittes Exemplar dahier im Privatbesitz kennen gelernt. Auch dieses trägt die Kontreiiiarke V (Vlotl)o) zwischen den Türnieii nnd eine, von der Rückseite eingestempelte, kleine raveiisbergische Kontremarke — Die drei Exemplare stiinmen in der Prägung völlig überein. Die beiden hiesigen Exemplare zeigen aus der Rückseite keine Spur einer frühern Prägung. —- 41 —- Johann Wilhelm. 1592—1609. Groschen. Von 1592. a) An. In einem Kerbkreis der Reichsapfel mit der Wert- zahl 24. In! Felde 15—92 und je ein Ringel. Münzzeichen ein mit einem Stab gekreuzter Zain- haken.

(Mzz.) M0 - NO DVC « IVL - CU ET · MON Ren. Fünffeldiges Wappen von I. Cl. B. M. u. Rad» rechts und links Stücke eines Kreises. Darunter, die Umschrift teilend, Schildchen von Ravensberg

- DEVS — REIF — VGIVM · ME (P. Joseph, Frankfurt) b) Bei dem von mir bereits im zwölften Iahresbericht S. 58 beschriebenen Exemplar hat der Revers MEVM (statt MS) (Weygand, Diisfeldorf.) Von 1599. a) Im toeseiitlicheii wie vorstehend, jedoch Münzzeichen am Ende» Die letzten Buchstaben der Unischrift auf dem Avers durch Prägefehler undeutlich (P. Joseph, Frankfurt) b) Av. Am Ende M0 (statt MON) und das Münzzeicheia Sonst im wesentlichen wie vorstehend· (P. Joseph, Frankfurt) Von 1600· · Wie der von 1599b. (P. Joseph, Frankfurt) Von 1602. Av. Unter der Jahreszahl keine Ringel oder Punkte. Im übrigen wie der von 1592. (P. Joseph, Frankfurt) Von 1609. a) Av. Der Kreis um den Reichsapfel fehlt. Umschrift inkorrekt und ohne Interpunktio11. MONODVClVLCLlT (Münzz.) In der Jahreszahl ist die Ziffer 9 fast horizontal, so daß sie für eine 6 gelten könnte. —42— Rev Wappen wie vorstehend.

DEVSRE — FVGME Auffallend grobe Gravierung Vielleicht FälschUUgP (P. Joseph, Frankfurt) b) Av. Halber Perlkreis um den untern Teil des Reichs- apfels. - MONODVCLVLCIJET (Münzz.) Rev. Wappen wie vorstehend. Jn der Umschrift fehltMsvMz DLVSRL—IHVUIVM «.P« Joseph, Frankfurt) c) Av. Münzzeicheii am Anfang. Im übrigen wie vor- stehend· d) Av. Wie a, jedoch am Ende CLIET RcV. —.43— welche ein Seitenstück zu der oben erwähnten ist. Der Katalog sagt: ,,Brau-Marke. Stadtschild Rev. Bütte, unten Vlll.« (Das Exemplar des Herrn Weygand hat unter der Bütte XVI.) Vrandenburgische Pfennige. Herrn Paul Joseph, Redakteur der »Frankfurter Münz- blätter« verdanke ich die Kenntnis zweier Pfennige, welche zwar nicht in Bielefeld geschlagen sind, wahrscheinlich aber mit für die Grafschaft Ravensberg berechnet waren. Die Münzen sind Hohlmünzen Die eine hat vier Schildcheiu Adler, Linde, die drei Sparreii von Ravensberg Löwe. s Die andre Münze hat nur drei Schildchen: Adler, Löwe, die drei Sparren (P. Joseph, Frankfurt)

Der Rezeß zu Dortmund 1609.1) Von Dr. K. Rübe! in Dortmund

Jn den Pfingsttiigeti des Jahres 1609 hat sich in Dortmund eine Fürstenzusammenkunft mit nachfolgendem Bankett auf dem Rathause abgespielh iiber welche der Stadtschreiber Detmar Müler eingehend berichtet. Die Abmachungen des Dortmnnder Rezesses find allgemein bekannt, auch ist die besondere Bedeutung des Dort- inunder Rezesses für die Entwickelung und die Geschichte des brandenburgisckypreußischeii Staates so oft in den oerschiedenften Geschichtsiverken dargestellt, das; hier nur längst Bekanntes noch einmal wieder kurz zusammengefaßt zu werden braucht. Nicht zulänglich veröffentlicht ist indessen der Bericht des Augenzengeiy des Ratschreibers Detmar Müler, über das äußere Eeremoniell und die Formen, unter denen sich die Zusammenkunft vollzog Das Ceremoniell bei der Begriißung die strenge Form T) Zuerst veröfsentlicht in der RheinisclyWestsälischenZeitung 1899, Nr. 380. Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Verfassers auch an dieser Stelle abgedruckt. -.44.- der Etikette, die Form der Verhandlungen, die Nachrichten über das Bankett auf dem Rathause und ähnliches wird man jetzt an- läßlich der Wiederherstellung des Rathauses gerne wieder nach- lesen, ich bringe den Bericht unten wörtlich zum Abdrucke, indem ich lediglich die Orthographie andere, im übrigen aber genau den Wortlaut beibehalte. Zur Orientierung über die Bedeutung des Dortmunder Rezesses diene folgende kurze, zusammenfasseiide Dar- stellung der einschlägigen Verhältnisse. Jm nordwestlichen Deutschland hatte sich im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts unter harten Kämpfen und Erbstreitigkeiten eine Landesherrschaft von sehr bedeutendem Umfange herausgebildet. Die alten Besitziingeii der Grafen von Altena und von der Mark, der spätern Grafen von Cleve-Mark, waren durch Familienvek bindungeti mit den Herzögeu von JüliclyGelderii und Jülich-Beog allmählich zn dem größten Territoriiuii des nordwestlichen Deutsch- lands vereinigt. Das linksrheinische Herzogtitni Jiilich, die kleine Grafschaft Rabenstein, das zu beiden Seiten des Rheines liegende Herzogtum Cleve, das rechtsrheitiische Herzogtriin Berg, endlich die beiden weftfälischeii Grafschaften Mark und Ravensberg standen unter einem Herrscher 1592 wurde Herr dieser umfassenden Befitzuiigeti Johann Wilhelm, der 1574 bis 1586 Bischof in Münster gewesen war, und als einzig iiberlebender Sohn seines Vaters Wilhelm die Regierung übernahm. Mit ihm erlosch 1609 am 25. März der Mannesstaiiim der gesamten Linie. Die Fragenach der Erbfolge war eine viel umstrittene und konnte bei der gewaltigen Spannung, die in ganz Europa herrschte, leicht zu einem Weltkriege von solcher Ausdehnung führen, wie er in der zweiten Hälfte des dreißigjährigen Krieges wirklich zum Ausbruche gekommen ist. Seit der Thronbesteigung des Kaisers Rudolf II. 1576 hatte die katholische Gegenrefortiiatioii im außer- deutschen Europa nnd in Deutschland gewaltige Fortschritte ge- macht. Jn den habsbiirgischen Ländern war derselben in der Person der Erzherzöge Karl von Steiermark und Ferdinand, in Süddeutfchland in der des Herzogs Maximilian von Bayern rück- sichtslose Vorkänipfer entstanden, in Salzburg, Würzburg, Hildes- heim, auf dem Eichsfelde, in Aachen und anderweitig war der Protestantisnius mit blutiger Strenge unterdrückt worden, der Überfall der Reichsstadt Donauwörth 1607 durch Maximilian von Bayern hatte die Bildung der Union 1608 hervorgerufen. Gegen den Bund der Union hatte sich 1609 die katholische Liga gebildet, —45.- deren Führer der Herzog Maximiliaii von Bayern war, der die drei geistlichen Kurfürsten nnd der Erzherzog Ferdinand von Steiermarh der nachmalige Kaiser, angehörten Jn Böhmen war dumpfe Gärung der Behandlung der Protestanten wegen. Deutschland war in zwei Heerlager geteilt, der geringste Anlaß konnte den drohenden Krieg herbeiführen, in dem zweifellos das habsburgische Spanien, welches soeben mit den Niederlanden zu einein Waffenstillstande gelangt war, auf seiten des Kaisers und der Liga zu kämpfen bereit war, wie es als ziemlich sicher gelten konnte, daß Fraukreich im Bunde mit Holland gegen die Habsburger nnd Liga zu Felde ziehen würde. Die kaiserliche Regierung verlangte nnn 1609 Verwaltung der erledigten Länder durch kaiserliche Komniisfare und wollte die Sache vor den Reichshofrat ziehen. Die eventuelle Einziehuiig der Länder als Reichsleheii bedeutete nach der damaligen Weltlage sicher gewaltsame Katholisierung aller Protestanten in den strei- tigen Ländern. Ehe jedoch die österreichisch-spanischen Pläne wirksam verfolgt werden konnten, hatten sich die beiden Prätendenten, die das ge- waltige Erbe als nächste Verwandte des letzten Herzogs Johann Wilhelm von der weiblichen Seite beanspruchten, geeinigt. Der eine Prätendent war der Sohn des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von der Pfalz-Neuburgischen Linie, Wolfgang Wilhelm. Sein Vater hatte die jüngere Schwester des Herzogs Johann Wilhelm zur Gemahlin, dieser beanspruchte also die Länder für seinen Sohn. Der zweite Prätendent war der regierende Kurfürst von Branden- burg, Johann Siegmund Er hatte eine Ehe mit Anna, der Tochter Albrecht Friedrichs, des Herzogs von Preußen, und der ältesten Schwester des Herzogs Johann Wilhelm von Jiilich, Cleve, Berg eingegangen. Rechtlich konnte die Lage sehr ver- schieden aufgefaßt werden, eins war jedoch sicher, ein ausbrecheiider Streit zwischen den Prätendenten würde beide betreffende Bewerber um so mehr in schwere Verwickelungeii gebracht haben, als auch ein dritter Bewerber, der Kurfürst Christian H. von Sachsen, mit Ansprüchen auf Jiilich, Berg und Ravensberg hervortrah da sein Vorfahr, Herzog Albrecht der Beherzte, 1485 fchon eine vorläufige Belehnung mit diesen Ländern erwirkt hatte. Also auch unter rnhigern Zeitläuften wäre eine allseitig anerkannte Regelung der Frage nicht so leicht zu erzielen gewesen, damals, wo die Spannung -4k3.. allerorten gewaltig war, galt es zum schnellen Entschlusse zu gelangen. Diese Umstände führten eine für damalige Zeiten außer- ordentlich rasche Verständigung der beiden Prätendenten herbei. Unter Vermittelung des reformierten Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel, eines Enkels des bekannten Philipps des Groß- mütigen, wurde eine Fiirstenziisammeukunft vereinbart. Für die- selbe wurde zunächst Homburg vor der Höhe gewählt, und als hier die Einigung noch nicht erfolgte, wurde die freie Reichsstadt Dortmund als neutraler Boden ausersehen. Es war die einzige evangelische Reichsstadh die inmitten der streitigen Länder lag. Die Bewohnerschaft war an dem Ausgange der Erbfrage in her- vorragender Weise beteiligt. Die beiden einzigen andern Freistädte des nordwestlichen Deutschlands, Köln und Aachen, hatten wenige Jahre vorher schwere Protestantenverfolgungen über sich ergehen lassen müssen. 1598 waren im Verfolge eines von einer kaiser- lichen Kommission angestrengten Prozesses sämtliche evangelische Prediger aus Aacheu vertrieben, auch die protestantischen Mit- glieder des Rates verbannt worden. Die Erledigung des Erb- streites war demnach auch für die Reichsstadt Dortmund von hervorragender Wichtigkeit, man sah der bevorstehenden Verhand- lung mit begreiflicher Spannung entgegen. Am 6. Juni E) ritt zuuächst der fürstliche Vermittler, Landgraf Moritz von Hessen, durch das Wißstraßeiithor ein, ihm folgte un- mittelbar als Vertreter der brandenburgischen Interessen der Hohen- zollernfürst, Ernst, der Markgraf von Brandenburg. Er war als Sohn des ein Jahr vorher (31. März 1608) gestorbenen Kur- fürsten Joachim Friedrich und somit als Bruder des regierenden Kurfürsten Johann Siegmund der Vertreter der brandenburgischen Jnteressen. Bald daraus ritt der Pfalz-Neuburgische Prätendenh Wolfgang Wilhelm, durch das Westenthor in die Stadt Dort- mund ein. Über den achttägigen Aufenthalt und den Gang der Verhand- lungen berichtet nun der Stadtschreiber Detmar Müler, der ein Jahr später seine Chronik niederschrieb, ausführlich So trocken der Bericht auch ist, so enthält er doch einige Punkte, die Hervorhebung verdienen. Die drei Fürsten hörten, obwohl einer von ihnen der reformierten Lehre angehörte, sowohl

I) Neuen Stiles, es ist der 25. Mai alten Stiles —47—. die evangelische Pfingst-Predigt in der Reinoldikirche an, wie die Predigt in der Marienkirche Der Empfang der vier evangelischen Prediger durch Wolfgang Wilhelm war natürlich nicht allein für die Evangelischen der Reichsstadt Dortmund berechnet, sondern enthielt zugleich einen deutlichen Hinweis auf die gemeinschaftlich vereinbarte Haltung den brennenden, religiösen Fragen und den Forderungen des päpstlichen Legaten gegenüber. Noch deutlicher geht das aber aus der Haltung des päpst- lichen Legaten hervor, der, nachdem der kaiserliche Kommissar gegen den Rezeß protestiert, ,,gar zornig« weg gezogen. Naiv ist die Bemerkung des Stadtschreibers, daß derselbe bei »Heddinc- hausen von etlichen Reutern seiner Briefe beraubt worden,« da er gleich darauf berichtet: »in denselben hat sich nichts anders als Lüttichsche Sachen befnnden.« Die von ,,etlichen Reutern« ge- raubten Papiere sind also baldigst zur Kenntnis des Stadtschreibers gekommen. Die »Lüttichschen Sachen« werden wohl damit in Ber- bindung zu bringen sein, daß der Bischof von Lütticls einer der Kommissare war, die gegen die Stadt Aachen als Vollstrecker des kaiserlichen Urteils eingesetzt waren. Die hochgradige Spannung der damaligen Zeit spiegelt sich darin wieder, daß die Beraubung des päpstlicheii Legaten ohne ein Wort des Tadels über die grobe Verletzung des Völkerrechtes erzählt wird. Auch wird man aus der Bankettfeier im Rathause einen Schluß auf die freudig erregte Stimmung über die erfolgten Abmachungen ziehen dürfen. Das Bankett mit 200 Gedeckem welches Sonntag den 14. Juni nach der Predigt abgehalten wurde und wo »Weins überflüssig zuge- richtet« war, dauerte bis »gegen Abend, wo Jeder nach Haus in sein Logement gezogen«. Zunächst folge nun der Bericht des Stadtschreibers Detmar Müler, der 1610 niedergeschrieben ist. Bericht des Dortmunder Stadtschreibers Detmar Müler über die Fürstenzusammenkunft zu Dortmund 1609, Juni 6—15, und den Abschluß des Dortmunder Rezesses 1609. Juni 10JMai 31. 1609 den 25· Maii. Abends um 7 Uhr ist der Durch- lauchtige und Hochgeborne Fürst und Herr Wilhelm Herzog zu Jülich u. s. w. mit dem Tode abgegangen. —- 48 —- Den 6. Juni sind allhier in Dortmund angekommen die Durchlauchtigeih Hochgeborenen Fürsten und Herren Moritz, Land- graf von Hessen1), Ernst, Markgraf zu Brandenbnrg2), Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf bei Rhein-A. Abends um 4 Uhr kam der Landgraf zuerst zum Wißstraßetk thor hinein mit ungefähr 120 Pferden, kurz darauf folgte der Markgraf, und aber über eine kleine Weile darnach kam auch der Pfalzgraf in das Westernthor Der Landgraf wurde gelogiert bei Konrad Kleppinch der Mark- graf bei Johann Dorper, der Pfalzgraf bei Philipp von Wickede. Es kamen auch mit oben genceldetetc Fürsten nachbenannte Grafen: Graf Johann von Nassau, Graf Georg von Nassau, Graf Friedrich von Soluis, Graf Wilhelm von Sohns, Graf Reinhard von Sohns, Graf Philipp von Solms, Graf Wilhelm von Witgensteim Graf Johann Adolf von dem Vrocke, Graf Gumprecht von Bentheinn Herr Georg, Freiherr von Fleckeustein und Dagestall, der Herr von Nun, der Herr von Dnna. Die obengeineldeten Herren vereinigten sich selbigen Tages, den Kirchgang am folgenden 7. Jnni am Pfingsttage zu halten. Den 7. Juni ritt der Markgraf nach dem Landgrafen, danach ging auch der Pfalzgraf dahin nnd ließ sich ein weißes Pferd nachführeiu Da salutierten sich die Herren erstlich sehr freundlich und habitis brevibus csolloquijs sind sie zusammen auf des Land- grafen Kutschen gesessen. Der Markgraf saß hinten im Wagen, der Pfalzgraf vorne, nnd der Landgraf hing neben aus, fuhren alsonach der Jieiuoldikirche Da war den Herren nnd Fürsten unter der großen Orgel die vorderste Bank oder Gestiihle, mit grünen Englischen Laken bespreitet, über welches ein schwarz sauunteiies Stück gedeckt war, zugerüstet nnd eingeräumt. Es stand vorne in der Bank zur rechteu Seite der Markgraf, Initten der Pfalz

I) ålstoritz der Gelehrte, Landgraf von HessensKassel (l592—1627), trat wesentlich im Interesse des gefiihrdeten Protestantisinus als Vermittler auf. «) Ernst, geboren lass, April l3., war der Sohn des Kursürsten Joachim Friedrich (1598 l608) und als Bruder des damals regierendeti Kurfürsteiy Johann Siegmund, der Vertreter der brandenbnrgischen Interessen. «) Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf von Pfalz Neuburg, war der Sohn des Psalzgrafen Philipp Ludwig, Herzogs von Neubnrg (l569---1614) und seiner Gemahlin Anna, der Schwester des letzten Herzogs von JiilichsEleves Berg, Johann Wilhelm; geboren war er 1578. Für ihn verlangte sein Vater die gesamten erledigten Jülirkyclevischssbergisch-n1ärkisch-ravensbergischenLänder. —49— graf und an der linken Seite der Landgraf. Nach gehaltener Predigt sind sie wieder auf den Wagen gesessen und zusammen an des Landgrafen Logement gezogen. Den achten obgemeldeten Monats ist der Landgraf an das Rathaus geritten, hat darauf den Markgrafen zuvor und den Pfalzgrafen darnach einen Jeden ad partem besonders vor- genommen und Unterrediing gehalten. Dienstag den 9ten ist verglichen, daß beide Fürsten, sowohl der Pfalz- als der Markgraf, die Lande Jülich, Berg, Cleve, Mark, Ravensberg u. s. w. zugleich regieren und gubernieren follen und keinen tertiuiii admittieren wollen, bis daran, daß der so am besten dazu berechtet und qualisiciert von Chur- und Fürsten wie auch Rechtserfahrenen ansgesprochen würde, damit soll und will sich ein jeder genügen lassen, und nichts Thätliches vor die Hand riehmein Mittwoch den 10ten1) ist solches von den gemeldeteii Fürsten nnd Herren eingegangen und ratifiziert worden. Donnerstag den llten hat Kaiserlicher Majestät Kominissariiis und Legat dagegen protestiert mit dem Begehren, daß die Lande bis zum Llnstrag der Sache in sequestri gelegt und von den alten Räten gubernieret, wie sonst lange geschehen, neben ihm gnbernieret werden Inöchten Aber solches wurde ihm abgeschlagen. Des-selben Tages ist der Päpstliche Legat, wie er sich genennet, Socins, gar zornig weg gezogen nnd ist bei Heginkhausen2), da er nach Arnsberg reiten wollte, von etlichen Reutern seiner Briefe beraubet worden. Aber in denselben hat sich nichts anders als Lüttichsche Sachen befunden. Freitags ist nichts Sonderliches verhandelt. Sonnabend 13 ist zum Bankette Essen auf dem Rathause zngerichtet worden. Desselbeii Tages gegen Abend hat der Dnrchlauchtige und Hochgeborene Fürst Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf, die vier Pastores dieser Stadt in Philippeii von Wickeden Hof zu Gaste genötigt, sie gütlich nnd freundlich empfangen, traktiert und sich

E) Der Stadtfchreiber setzt das in Dortmund damals gebräuchliche Datum des neuen Stiles (gregorianischen Kalender-Z»- ein. Dic hohen Kontrahenten haben den Rezeß 1609 den 31. Mai nach dem alten Stile datiert. Z) Wohl Heddinchausen Die ,,Lüttichschen« Sachen werden wohl mit dem Schicksale von Aachen in Verbindung stehen, da der Bischos von Lüttich einer der Vollstrecker des kaiserlichen Mandat-s gegen Aachen war. 4 .- Ho—-

gegen sie einen getreuen Patronnm Augustaneae confessionis erklärte und gegen sie sich vieler Dienste erboten, und darnach,« weil es am Sonnabend, hat er sie frenndlich dimittiert Sonntag den 14. sind gedachte Herren nach unser Liebfraueik kirchen gezogen, in welcher auch in den langen Bänken ein Gestühle zugerüsteh haben auch in derselben Ordnung wie oben steht, ge- standen und des Herrn Detmari Mehlmanni, Pastoris, Predigt, welche hier nachmals in Druck gelegt ist, mit besonderem Fleiße angehört. Nach verrichtetem Gottesdienste sind obengemeldete Fürsten mit dem Landgrafen an sein Logement gezogen und von dannen auf das Rathaus, da denn das Bankettessen gehalten, zu welchem auch der Kaiserlicheii Majestiit Connnissarius oder Ge- sandter der von Schöneberg und alle Grafen, Freiherrein Herrn und Junkherren auch der ganze Rath dieser Stadt geladen ge- wesen. Es waren auf diesem Bankettessen zngerichtet 200 Gerichte und Weins überflüssig. Darnach find sie gegen Abend nach Hans, ein jeder in fein Logement gezogen. Montags den 15. haben sich wohlgedachte Fürsten, Grafen nnd Herren ein jeder zur Reise und Wegzuge gerüstet. Da kam der Landgraf und gab dem Psalzgrafen vor und dem Markgrafen darnach das va1e. Um ein Uhr zog der Markgraf nnd der Pfalz- graf nach dem Landgrafeih nahmen da Abschied und zogen neben- einander aus der Westenpforteu Diese Fürsten wurden mit 150 Bürgern bis an die Dorstfelder Brücke begleitet. Der Land- graf zog Osten ans nnd wurde gleichfalls mit 100 Bürgern, bis da, wo die Grafschaft sich scheidet, gegen den Send, gekonvoyiret, nahmen daselbst ihren Abschied.«WaÆEsclJeII"---.«.-».I· » s« s« «"«---» ..51—

Leopold, sich in den Befitz von Jülich zu setzett tDezember 1609i, die Spanier, die Franzosen, die Niederländer rüsteteit zum Kriege. Jndeffeit der Tod Heinrichs IV. von Frankreich, sowie des Führers der Union Friedrichs IV. von der Pfalz (1610), die Unzulänglich- keit der Rüftungen Leopolds führten 1610 zum vorläufigen Ab- schlufse der Feindseligkeiten Die Belehnung Christians II. von Sachsen mit den Jülichschen Ländern, welche Sonimer 1610 dnrch den Kaiser erfolgte, vermochte an dem Besitzstande nichts zn ändern. Der Dortmnttder Rezeß hatte sich also als ein Vertrag heraus- gestellt, der von staatsmännifcher Klugheit diktiert war und einen glänzenden Erfolg erzielte. 1614 wurde die gemeinsame Regierung aufgelöst, und es er- folgte die Teilung derartig, daß Iülich, Berg, Rabenstein an Pfalz-Neubnrg, Mark, Cleve nnd Ravensberg an Brandenburg fiel. Durch diese Erwerbuiig und die Einziehnng von Ostpreußen war aber die spätere Politik des brandenburgischeii Staates vor- gezeichnet. Die Fürstenzusamiiienknttft in Dorrmuitd in der Woche nach Pfingsten, Juni 1609, und die Unterzeichniing des Dort- mnnder Rezefses am 10. Juni bilden somit den Ausgangspunkt für die Befitzergreifung der westfälischen und rheinifchen Länder dnrch Brandenburg. Die Stellnng des Großen Kurfürsten als Verteidigers der Ostmark und Westmark des Reiches war mit bedingt dnrch die Erwerbung von Cleve, Mark, Ravensberg Bekanntlich sind die clevischmiärkischen Stände von allen Branden- bnrgischen Ständen zuerst und am rückhaltlofesten den Forderungen des Großen Kurfiirsten für Schaffnng eines stehenden Heeres nach- gekommen. Sie bewilligten bereits 1653 Truppem weil man eine feindliche Jnvasion fürchtete, 1661 folgten dann die Bewilliguugen stehender Garnisonen Sie hatten die Gefahren feindlicher Jn- vasionen an erster Stelle zu fürchten und waren somit an erster Stelle zu Opfern bereit.

4-«- —- 52 Eine Wanderung durch Giiterslolj und Umgegend an der tljand der Geschichteb Vortrag gehalten von Herrn Prof. Dr. Herrn. Eickljoff aus Hamm

Die Entstehung des Dorfes, Kirchspiels und später der Stadt Gütersloh ist nicht nur ihren eigenen Bewohnern sondern auch besonders denen der Nachbarorte ein Rätsel, letzteren in neuerer und neuester Zeit ein Gegenstand der Verwunderung und vielleicht auch des Neides gewesen. Daß ein in unfrnchtbarer Sandfläche belegener Ort, — darüber wollen wir uns nämlich von vornherein keiner Täuschung hingeben, daß wir nicht in einem Paradiese wohnen, auch wenn man von einer Gütersloher Schweiz redet, die den Namen genau so verdient wie ein 1ucus a non 1ucendo, auch wird der bekannte Reim »Gütersloh im Sande ist die schönste Stadt im Lande« nur für genuine Gütersloher irgendwelche Gel- tung haben, —- ich sage, daß ein Ort, der von der Natur so stief- mütterlich behandelt ist, dem niemals irgend eine weltliche Macht, sei es der Herr von Rheda oder der Fürstbischof von Osnabrück oder der preußische Staat eine Bevorzugung gewährt haben, wie sie sämtliche Städte der Nachbarschaft im Laufe der Jahrhunderte vielfach genossen haben, aus sich selbst, durch den Fleiß und die unermüdliche Arbeit seiner Bewohner etwas geworden ist, das ist die verwunderliche Thatsache, in die sich unsere Gönner —— ge- brauchen wir diesen Eupheniisiiiiis — unabänderlich fügen müssen. Wir sind eben über die Schwelle des neuen Jahrhunderts getreten und da wäre es gewiß zeitgemäß nnd in mancher Hin- sicht verführerisch, die Frage zu beantworten: Wie sah es in Giitersloh am 1. Januar 1800 aus und welcher Wandel ist in dem 19. Jahrhundert mit dem Dorfe — denn bis 1825 war es noch Dorf — nnd später mit der Stadt vorgegangen? Jch gehe nicht auf diese Frage ein, denn ich habe mir für heute Abend ein anderes Ziel gesteckt, nur das eine darf ich als ganz gewiß her- vorheben, daß kein Jahrhundert auch nur annähernd eine so totale Umwälzung aller Verhältnisse, besonders der Erwerbsverhältnisse Giiterslohs hervorgebracht hat, wie das vergangene. Nur in

l) Zuerst veröffentlicht in der Giitersloljer Zeitung, 1900, Nr. 22. Mit giitiger Erlaubnis des Herrn Verfassers auch an dieser Stelle abgedruckt. 53—— einem hoffe ich ist sich die Stadt gleich geblieben, der alte solide Gütersloher Sinn, auf dein sich ihre große Vergangenheit nnd

ihre Zukunft, die wir uns — wills Gott — rosig ausmalen dürfen, auferbaut, ist noch derselbe wie vor hundert Jahren. Kein Ort, kein Flecken der Umgegend hat anch nur annähernd eine so reiche, wechselvolle Geschichte wie Güterslolx Jch sage das ohne Übertreibiing Der uns Westfalen wie allen Niedersachseii au- geborene Rechtssimy der unbeugsani nur das eine im Auge hat, trotz aller Widerwärtigkeiten sein gutes Recht durchzufechten und sollte es alles, ja das Leben kosten, diesen Sinn haben die Gitter-s- loher mehr als einmal in schwerer, ja schwerfter Zeit unter Anf- bietung ihrer letzten Hilfsqiiellem unter Verlust ihrer Güter und Habe bewiesen und — wir dürfen es stolz hinzufügen —— sie haben fast immer ihren Willen dnrchgesetzd Den drastischsten Lliisdrtick fand dieser Sinn im Jahre 1754, als bei der stürmischeii Pfarr- wahl nach dem Bericht des Pastors Edler sieben Menschen das Leben verloren und die rhedische Obrigkeit drohte: es koste Su. G11. den Grafen nur ein gutes Wort, so würde der König von Preußen das Bielefelder Militär zur Züchtigiiiig des Dorfs her- schicken; da antwortete die Gemeinde entschlossen: Wenn sie ihren Willen nicht kriegte, so würde sie das Dorf anzündeu und mit Weib und Kind sich in den Schutz des Königs von Preußen auf preußisches Territoriuni begeben. Zur Charakterisierung der eigen- artigen Gütersloher Bevölkerung sei es mir gestattet, Stinimeii aus verschiedenen Jahrhunderten anzufiihreicx 1. Die Äbtissin Floria von Herzebrock bezeugt 1229 in einer Urkunde, daß die vjri industrii cle Giitersloh, die fleißigen Leute von Gütersloh in dem sogenannten Send, das heißt, geistlicheu Gerichte, vernrteilt sind, den Zehnten, dessen Zahlung sie ver- weigert, zu bezahlen. Ob sich das Prädikat industrjus auf die Eigenheit der Gütersloheu fleißig nnd flink zu sein, bezieht, oder ob es Handwerker bezeichnet, mag dahingestellt bleiben. L. Während des 30jährigen Krieges werden die Giitersloher durch bischöfliche Beamte in der der gewaltsamen Okkttpieriiiig des Pfarrhauses vorausgeheiideii Beratung charakterisiert als »trotzige Leute wie Soldaten«.1) «» Nach dein 30jährigei1 Kriege, als der konfessionelle Streit die Ge- meinde gespalten hatte, schrieb der kath. Pastor J. Spreuger am 11. März 1651 .,haeresi sie: sunt depraxsath ut non homiiies sed lup0s, jmmo incamatis cliabolis repererim cleterioresns —54 Z. Aus dem Jahre 1754 besitzen wir eine andre Charakteristik ans dem Munde des Advokaten Tulenieycr aus Lippstadh Er habe noch nie ein so desperat und verzweifelt Volk gesehen, wer 1iicht der Meinung des großen Hanfeus in der Pastoralaugelegetiheit beipflichte, laufe Gefahr, um Gut nnd Blut gebracht zu werden. Das geflügelte Wort des 19. Jahrhunderts, daß die Gitter-Z- loher auf dem Eise grasen können, paßt in Wahrheit ebensogut auf die Bewohner des Ortes in allen voransgehenden Jahr- hnnderten. Als Erwerbszweig der Giitersloher wird schon 1450 Fnhrwerksbetrieb genannt. Die geistige Regsamkeit und Arbeit- sanikeit der Dorfbevölkerung zeigt sich auch darin, daß mehrere Gütersloher am Ende des 133. Jahrhunderts als consules (Rats- herren) der benachbarten Stadt Bielefeld in den Urkunden jener Zeit austreten. Woher stainmt denn die Bevölkerung? Jst es wahr, daß ein Teil unsrer Stadt, der sogenannte Bnsch, sich ans« fremder eiugewaiiderter Bevölkerung rekrutiert hat, ähnlich wie inan es von Kaunitz, dem in vorigem Jahrhundert neu gegründeten Dorfe in der Senne, erzählt? Nichts von alledem läßt sich nach- weisen. Die gesamte Bevölkerung Güterslohs stammt ans unsrer Gegend. Wenn sie etwas Eigenartiges hat, so verdankt sie das ausschließlich den verschiedenen geschichtlichen Faktoren, die zu ihrer Erziehung und Ausprägung wesentlich beigetragen haben. Der Busch wird urkundlich erst seit Anfang des s. Jahrhunderts genannt, aber damit ist nicht gesagt, daß er nicht bereits früher existiert habe. Ältere Leute erzählten früher, daß auf dem Busche noch in diesem Jahrhundert die Qiedeusart herrschte: »Jck will in’t Dorp gahn«. tlijrung gegeben ist, injisseii wir bei der oben gegebenen beharren Ju der Herzebrocker Heberolle vom Jahre 1080 findet( sich zwar die Namen der Bauerschafteii Ovantvida und Padanstidh aber der Nanie Gütersloh konnnt erst 1110 in einer Scheiikuiigsiirkiiiide des Bischofs Gottschalk vo11 Lsiciiliriiik vor, in welcher er den Zehnten von Güterslolj dein Kloster Herzehrock überläßt. Es gab danials ein Gebiet, Confiuiiiiii ,,Giitersloh«, welches etwa das gesamte Areal der Stadt Giitersloh nnd den Teil der Bauerschaft Sunderti Umfaßte, der heute dem Meier zu Giitersloh gehört. Der Meierhof, welcher in diesem lag, wird nachweisliclg 1240 zuerst erwähnt. Dagegen taucht schon 1201 der Name eines LlJkeiers (vi1licus) tianieus Dietrich auf, der sich wohl zweifellos auf den genannten Hof bezieht. Es ist wohl ziemlich sicher, daß der Meier zu Giitersloh eine der ältesten Ansiedliiiigeii unsrer Gegend gewesen ist nnd noch in die heidnische Vorzeit hinaufreicht Freilich die Würde nnd das Alter seines Nachbarih des Grafen von Avenstroth, der iin Olbrock als Holzgrcis Recht sprach und daher diesen Titel in einer Urkunde von 13313 führt, der auch eques, Ritter von Avenstroth heißt nnd bereits 1134 bei der Stiftung des Klosters Clarholz tils Vogt des Klosters fungierte, hat der Meier von GiiterslUlJ nie erworben. Jin Jahre 1240 erwarb das Kloster Marieufeld den Nkeiew hof von Gütersloh gegen die Schiffheide d. h. große Heide sinetl·1i. wie der ursprüngliche Name lautet, nnd behielt ihn bis zur Still:- larisation des selosters ini Jahre 1803 Wir können uns den Grund und Boden des tirsvriiiiglicheii Gütersloh nicht anders vorstellen als dicht mit Bnschwerk und Wald bewachsen. Die Dalke schliirigelte sich in weiten Bogen durch das noch wenig an- gebante Gefilde, das seine Bewohner cinßer durch zahlreiche-Z Wild mit spärlichen Produkten des magern, wenig knltivierteii Bodens erniihrte Hier wurde von der Metropole Wiedenbrück aus — denn Wiedenlirück verdient wirklich diesen Namen — etwa in der Lllkitte des Giitersloher Gebietes eine Kapelle angelegt, die ur- spriinglich wohl von einein Erz-Priester ans Wiedenbriick bedient wurde. Erst 1186 wird der erste selbständige Geistliche genannt. Die Kapelle ist ursprünglich wohl nur ein roher Holzban gewesen und machte erst im 13. Jahrhundert einer steinernen Kirche Platz Zu einer Osnabriicker Handschrift habe ich gelesen, die Güters- loher Kirche sei im Jahre 12453 erbaut worden, was gar nicht nuivahrseheinlich ist. Von der alten ronianischen Kirche steht jetzt — 56 —- nur noch das Chor und der untere Teil des Turmes. Das Schiff der Kirche wurde um 1410 in der Fehde zwischen Tecklenburg und Hoya eingeäschert. Der Wiederaufbau ist erst allmählich erfolgt. Bielleicht hat ein provisorisches Gebäude einem spätern definitiven Platz, uiacheu müssen. Dasjenige welches wir jetzt vor Augen haben, ist etwa 1500—1520 entstanden. So hat unsre alte Kirche das Schicksal fast aller Kirchen des Kreises geteilt, sie ist kurz vor der Resormatiou umgebaut worden. Noch besitzen wir über die Gaben, welche von der Gemeinde dafür aufgebracht wurden, eine Rechiuing in dein Osnabriicker Archiv aus den Jahren 1513—1524. Die Templierer oder Kircheuvorsteheu welche die Rechnung aufstellten, hießen Johann Westhedermanin Johann Hellweg nnd Johann Ainelinch provisores ,,Upgebort, d. h. eingenommen, i11t Jahr dusent vys hundert und verteyn« beginnt die Rechnung nnd hat unter den Einnahmen folgende Posten: tu unses hoitherrn Dage (Tag des Schntzpatroiis den 12. ENaU (3 Schilling to Almisseii 1 Niarck verdennt in dem Bere (Festlichkeit, wobei Bier ge- trunken wurde) tu unses hoithern Dage. 1 Marck to Brodergelde to unses Hoitherru Dage. Der Turni der Kirche ist früher viel kleiner gewesen. Ofters» wird in Gerichtsakten vor 1500 derjenige bestraft, der durch den Pin- oder Peinapfel am Turm geschossen. Das kann nur der runde Knauf sein, der unterhalb des Turinhahns sich befindet. Der alte Kirchhof birgt die Gebeine von mindestens 60 bis 70000 Mäuschen, die dort im Laufe der Jahrhunderte begraben sind. Hin und wieder stoßen wir in unsrer Gegend auf heidnische Urnen, aber seit undenklichen Zeiten bis in dieses Jahrhundert gab es nur einen Beerdigungsplatz für die Gemeinde Güterslolx den alten Kirchhof. Es ist selbstverständlich ganz uudenkbar, daß für jeden Toten inimer ein neuer und uubenutzter Platz sich ge—- fuuden habe, vielmehr wurden die Gebeine oft gesanunelt uno dem Beinhause übergeben, welches an der Westseite des Turnies lag. Die Linden um den alten Kirchhof werden schon im 17. Jahr- hundert erwähnt· Auf dem Kirchhofe wurde der Kraut, die Kir- messe, am St. Pankratiugtage den 12. Mai gehalten· An! Kirch- hofe wohnten die Krämer, d. h. Kaufleute. Auf dem Kram ging es immer wild her. Schlägereien auf dem Kirchhofe gehörten zu den stehenden Vorkommnissen, mit —- H — denen der Richter in Rheda und Wiedenbriick sich zu beschäftige!! hatte. Am Kirchhofe stand aller Wahrfcheiiilichkeit nach das Gilde- haus, d. h. das Haus, in dem die Templiereu die Provisoreii oder Kirchspielsherrem d. h. die kirchlichen und koinninnaleii Vertreter des Kirchspiels sich versainineltein Noch nach dem 30jährigen Kriege hat das Hans existiert, ist dann aber bald, nachdem das Kirchspiel konfessionell in zwei Teile gespalten war, der Zeit z!!!!! Opfer gefallen. Die Häuser am alten Kirchhof waren, wie gesagt, zum Teil Krämerhäufey zum Teil anch sogenannte Spieker oder Speicheiz welche den reichen Meierii des Kirchspiels gehörten. Es ist nicht klar, zu welchen! Zwecke diese ein Haus am alten Kirch: hof erwarben. Vielleicht wollten sie anf de!!! durch kirchlicheii Schntz sicher gestellten Gebiete einen Zuflnchtsort haben für Kriegeszeiteih denn das 16. 1!nd 17. Jahrhundert brachte für unsere Gegend eine icnunterlirocheiie Kette gewaltsanier Plünderungeih Trnppen- durchzüge und beständiger Belästigiiiigeii der Einwohner. Wollte ich erzählen, wovon der alte Kirchhof mit seinen Hänsern Zeuge gewesen ist, so Iniißte ich von den vielen Fehden reden, die im Mittelalter viel reisiges Volk anf den Kirchhof führten, osnabrückische nnd rhedische Landskncchte znr Zeit Graf Cords, später im 30jährigen Kriege die Trnppen der Liga und dann schwedisches Kriegsvolc in! siebenjäljrigeii Kriege preußische nnd französische Trnppen nnd zuletzt in den Freiheitskriegen Kosaken nnd Schweden. Sie wissen schon, verehrte Llnwesende das; der Kirchhof nach den! Bielefelder Vertragc von 1565 bei Osnabriick verblieb, während das Dorf Gütersloh definitiv an Rhcda fiel. Ich gehe nicht auf die zahllosen zliechtsstreitigkeiten ein, welche die Folge davon waren, nnr an einen! Beispiele will ich Ihnen die heillosen Zustände schildern, welche dieser Vertrag 250 Jahre lang znr Folge hatte. In! Jahre 1698 kaufte ein Wiedcnbriicker Biirger Namens Eberhard Peuß ein Stück Landes an der kleinen Kirch- straße, dort, wo früher die katholische Vikarie bestand. Der Platz; gehörte znr katholischeii Pfui-re, diese lag aber auf rhedifchem Gebiete. Nun sah die Regierung in Rheda nicht gern, noch weniger aber die Bewohner des Dorfes Giitersloh einen Bürger aus Wiedenbrilck in ihrer Mitte. Die Erinnernngeii an alle das Unheil, was das iibermächtige Wiedenbriick früher den! Dorfe z!!- gefügt hatte, genügte, nin alles, was ans Wiedenbrück kam, in den Augen der Gütersloher z!! verfehnietn Also der Bürger Penß

— f)9— straße, Blesseiistätte nnd ein Teil der jetzigeti Verlinerstraße, die friiher sicherlich einen andern Namen führte. Alte Häuser sind ja leider nur wenig mehr erhalten. Izu die Zeit vor dem 30jährigeii Kriege reichen nur zwei Gebäude, die Wohnung des evangelischeti Kiisters nnd ein andres am alten Kirchhofe. — Die jetzt leider immer tuehr in Westsalen schwin- dende plattdeutsche Sprache herrschte dantals aiisschließlich in Gjlterslolx wie die beiden noch erhaltenen Jsuschristert bezeugen. Von der slirche und dem Dorfe wenden wir nns zum Kirch- spiel Giitersloh Dies hat ursprünglich eine sehr bedeutende Ansdehntntg gehabt. Bedenken wir, daß nicht nnr das Amt Gütersloh mit den Vanerschasteit Srinderth Blankeuhageti und Nordhorm sondern auch ein großer Teil des Amtes Reckenberg tiiimlich die Banerschcisteti Kattenstrotlx Spexard und Avenwedde, außerdem das sogenannte Olbrock südlich von Giitersloh bis zu dem Meierljose von Schledebriick (diesen eiugeschlossens zum Kirch- spiel gehörten, so bekommen wir eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Kirchsstiels Northorty Attenwedde und Spexard sind nralte Namen. Am spätesten taucht der Name der Bauer- schast Snndern auf. Fraglos ist es bis ca. 1600 gar keine Banerschaft gewesen, sondern ein abgesondertcr Bezirk, d. h. Snndern, der entweder dem Grafen in Rheda gehörte oder dem Bischof von Lstiabritck oder, was noch wahrscheinlicher ist, dem Kirchrat der Gemeinde Giitersloh, der als solcher das alte Recht ausiibte, Ansiedeltiiixzeii iti diesem Bezirke zu gestatten oder zu verbieten. Die vielen KötterMatuen in der Banerschaft Snndern sind sijmtlich Ansiedeltitigety die seiner Zeit der Kirchrat einzelnen Personen erlaubte. Ein solcher Neubauer hatte dann jährlich eine bestimmte Abgabe an die Heirchenkasse zu zahlen und da der Bauernstand im 1i"). und 16. Jahrhundert stetig zunahm, so waren diese Abgaben an die Kirchenkasse schließlich recht bedeutend ge- worden, so daß Graf Kord uach dieser Einnahmequelle seine Hand ausstreckte und sie schließlich ganz an sich brachte. Das Land im Kirchspiel Giitersloh war in früherer Zeit durchaus nicht wie heute in festen Händen und an bestimmte Be- sitzer verteilt. Weite Strecken lagen wüste nnd waren Heide. Über die:- alles gebot der Kirchrat oder die Templiererx Wollte jemand ein Stück neues Land zuschlageti d. h. urbar machen, so mußte er stets die Genehmigung des Kirchrats haben. Das ganze Kirchspiel hieß aber auch die Mark Giiterslolx Von diesem früher —60.— so gebränchlichen Namen ist heute nur ein Anklang in dem Namen dllkarkkötter geblieben. Das Kirchspiel Gütersloh hatte nun seinerseits wieder Be- rechtigung und Anteil an dem sogenannten Olbrock, einem ans altgermanischer Zeit stannneiideii großen Bezirk von Wald, Wiese und Heide zwischen Rheda, Wiedenbriick nnd Gütersloh, der den verschiedenen benachbarten Gemeinden und Banerschafteii gehörte. Der Name Ohlbrock bedeutet snnipfiges Gelände. Noch im vorigen Jahrhundert bestand dieser Genieindetoald und Gemeinde- Weide, und wir besitzen noch Akten über verschiedene Prozesse, die bis nach Wien zur Entscheidung des Kaisers gelangten. Aus diesem Olbrock durften die sogenannten Erbexeih d. h. freien Bauern, Holz schlagen, Plaggen mähen oder die Schafe hinein» treiben. Znwiderhandelitde wurden entweder diirkls die Kirchspiels- herren oder anch durch die Holzgrafen bestraft. Holzgrafen waren in späterer Zeit beständig der Abt von St. Marieufeld, der Bischof von Qsuabrück oder sein Vertreter nnd der Graf von Rietberg Zweimal des Jahres versammelte sich das Holtiiig oder Holz- gericht unter dein Vorsitz der drei genannten Holzgrafen am Hofe to Sletbrngge und hier wurde das Recht gefunden. Wir besitzen noch eine große Urkunde über das Holtiiig des Jahres 1511. In der Urkunde heißt es: Dat man alle Jahre halden sall dat rechte Holting offte Holtgerichte up den Hofe to Sletbrügge to twen tiden nemptlich dat erste vrydach neest unses Herrn Lichams Dage nnd den annern up den andern Dinxedcig neest Sunte Mertiics Dage in den Winter to negen Uureu Vormiddage Un wy Erick van Gottes Gnaden Bischop to Qsenbriige nnd Puder- born, Hertoge to Brnnswick nnd wy Johann Grawe thom Net- berge tosamen mit den würdigen Herrn Heinrich Abt tho Sjinte Marienfelde, als wy dat sulves persönlich gegenwärtig waren, bekennen ock met unsen Jnfiegel beneden an dissen Breef ge- hangen, dat alle nnd ein itlicher puncte so vorgenommen is. So geschehn im Jare unses Herrn Dufeiit vyffhundert nnd elven up den ersten zlliandag na St. Viti des hilligen Märtelers Dage. Später im Laufe des 16. Jahrhunderts wußte Graf Kord in Rheda sich als Holzrichter oder Holzgraf in das erwähnte Kolleginm der drei Richter einzndräitgeir Llber als 1549 die Osnabriicker einen Heereszug gegen den Grafen nnternahmen, ihn ans Gütersloh hinausdräugten nnd in Rheda einschlosseih wurde in Schledebriick feierlich nach hergebrachter Weise Holting gehalten —6l— und der Graf ausdrücklich als nnbefugter Eindringliiig aus dem- selben ansgeschieden Wir stehen bei dem Hofe Schledebrück und von hier ans, als dem größten Grundbesitz» wollen wir unsre Wanderung durch das Kirchspiel antreten. Der Hof, welcher friiher stets zum Kirchspiel Giitersloh gehörte, ist seit etwa zwei Jahrhunderten vo1n Kirchspiel losgelöst nnd nach Wiedenbrück ein- gepfarrt Hier beginnt die Snat- oder Grenzbeschreibung des Kirchspiels die ich vor Jahren im städtischen Archiv zu Rheda entdeckte. Eine andre osnabrückische Grenzbeschreibung beginnt bei dem Kreinertschen Hofe in Pavenstedt Es gibt in Gütersloh eine doppelte Snat oder Grenze; die kirchliche und politische. Die politische ehemalige Grenze, welche heute das Amt Giitersloh von den umliegenden Gemeinden trennt, ist durch sogenannte Snat- oder Grenzsteine bezeichneh welche sich noch vielfach ans der Zeit der Setzung im 16. Jahrhundert erhalten haben. Früher pflegte alljährlich eine Begehnng der Snat durch den Grafen stattzufinden. Die Grenze des Kirchspiels Giitersloh hat sich durch die Abtretung der Bauerschaft Avenwedde im Jahre 181l an die Gemeinde zu Friedrichsdorf nicht iiniveseiitlich verschoben. Die erwähnte Beschreibniig beginnt nun: Anfenklich uth dem hVionkehuiise to Sletbriigge de Becke daell up de brüggen to Hemsei. Das Nkönchshaiis bei Schledebriick hat seinen Namen daher, daß der Hof Schledebriick im Besitz der Marienfelder Cisterzieiiserniönche war. Welchen ungeheuren Reichtum das Kloster in unsrer Uingegend besessen hat, davon macht man sich keine Vor- stellung Es besaß das Kloster nicht nur zahlreiche Häuser in Güterslotx sondern fast alle großen Meierhöfe der Umgegend, so z. B. Schledebrüch Raesfeld, Pavenstädh Spexard, Teckentrupp, Buxeh Hemsel und Meier zu (S)iitersloh· Die Straße, welche durch Wiedenbrück und Gütersloh am Hofe Sletbrügge vorbei- führt, ist zweifellos ein alter bis in die Römerzeiten znrückgehender Weg gewesen. An der Brücke iiber den Olbach fand man 1820 eine bronze11e LauzenspitzeIl und in Giitersloh ist bekanntlich eine römische Miinze2) aus der Zeit Neros gefunden worden. Was man von Römerlagern n. dgl. erzählt, ist natiirlich Fabel. Der Hof Sletbriigge wurde 1189 durch , den Begründer der Herrschaft Rheda, dem Kloster geschenkt. Die Mühle zu Schlede-

!) Jetzt im Museum zu Bielefeld. S. S. —x. 2) Jetzt im »historischei1 Echkatlk« zu Giitersloh Vergl. den Artikel von Wilbrand S. L —52- brück war schon 1198 vorhanden. Ju der uusichern von vielen wilden Fehden erfüllteii Zeit des folgenden Jahrhunderts hatte der Hof öfters zu leiden. Die Mönche beschlossen daher, den Hof zu befestigen. Ein großer breiter Graben wurde rund um den Hof gezogen, wie wir es noch bei andern Baueruhöfeii sehen können. Dazu aber war die Zustimmung der Markgeuosseu des Olbrocks erforderlich. Diese gaben sie unter der Bedingung, daß die LNönche eine jährliche Abgabe von 18 Pfennigen an die Kirchen zu Giiterslolx Wiedeubrück und Rietberg entrichteteu Wir gehen nun den Olbach hinab nach Hemsels Hofe. Hier besaß früher die Wiedenbriicker Schützengilde eine breite Fläche Landes, die ihr vom Bischof von Osnabrück geschenkt war, um dort ihre Übungeu mit Waffen aller Art abzuhalten, denn den Schiitzeii der Stadt Wiedenbriick lag die Verteidigung der Stadt in Kriegszeiteu ob. Hier sind vor etwa 40 Jahren eine Anzahl Urnen gefunden. Bei Heinsels Hofe führt bekanutlich die alte Landstraße nach Rheda vorbei. Die Herren von Rheda pflegten diesen Weg nach Güter-s- loh zu gehen. Bei Bultiiiaiiiis Kolonate huldigte die Bürgerschaft von Gütersloh dem neuen Herrn und leistete den Eid der Treue. An der Brücke, die zur Blessenstätte über die Dalke führt, wurde der Zoll erhoben. Die jährliche Pacht betrug 80 Thaler. Ju unsrer Grenzbeschreibung heißt es dann weiter ivon Hemseh an de becke daell an dat sonsten-Nikel. Das wüste Winkel lag bei Winkelmanns Hofe, von dem zweifellos alle Zumwinkels in Gütersloh abstammen. Bau denn wostewinkel an de Seszbrüggen Dieser Hof in der Bauerschaft Ems nahe an der neuen Mühle gelegen wird schon 1201 erwähnt. Ein Herinann Sirsbruge oder auch Siggeresbrnge war bei einem Vertrage zwischen einer Thetburgis aus Wiedenbriick und verschiedenen Fürsten als Zeuge zugegen. Neben dein durch Sandhügel versteckten Hofe liegt die bekannte neue Mühle, vor der jetzt noch, obwohl längst vom Grafen ver- kauft, das gräfliche Wappen prangt. Sie hat bekanntlich seiner Zeit bei ihrer Erbauung viel Staub aufgewirbelt. Das Jahr der Erbauung ist 1525. Neben der Mühle entstanden zugleich mehrere Häuser. Auch ein Sommerhaus oder Lusthaus wird erwähnt. Gräben wurden zum Schutz der Mühle gezogen und ein Schlag- baum errichtet, zum Zeichen, daß hier der Graf alleiu das Regi- ment habe. Allein bei dem Rachezuge der Osuabrücker im Jahre 1549 wurde die Mühle gänzlich zerstört, das ganze Mahl- werk ins Wasser geworfen und erst bei dem Friedensfchluß 1565 wieder von nencni in stand gesetzt. Bekanntlich bestand früher in der Herrschaft Rheda der Nkahlzinang Die Einwohner durften nur in der neuen Viiihle oder in der Avenstrotljscheii Mühle, die ebenfalls dem Grafen gehörte, mahlen lassen. Natürlich waren die Mühlenpachten höchst einträgliche Einnahmeqnellen fiir den Grafen. Sie brachten zuletzt zusammen etwa 700 Thaler ein. Die Pächter« klagen sehr häufig, daß die Dörfler (d. h. Giitersloherl und die Einwohner des Kirchspiels ihr Korn in die Giitersloher Mühle (am Meierhofs oder in der Reckenbergischeti (Briinings) Niet- bergischen (sStraiIg-9Nühle) oder Sparenbergischen (Jsselhorstschen) Mühle mahlen lassen. In der Nähe der neuen Mühle liegt die bekannte Tiggbrücke, welche über die Ems führt. Hier fand das Thing, d. h. die Versammlung aller freien Männer des Landes Rheda statt, hier ließ sich z. B. Graf Kord vom ganzen Lande huldigen Wir gehen weiter au der Eins nnd Dalke entlang von de Seßbruggeii an de Schorveden Borch to Pavenstede Wir stehen hier also auf Grund und Boden dieses uralten Hofes Padanstidi. welcher der Bauerschast den Namen gegeben hat. Der eben erwähnte Name Burg ist noch heute in der Burg- wiese erhalten. Neben dem Meier zu Paveiistädt liegt das Kolonat Maaß, wo die Kosacken anno 1813 so übel hausten und den Kolon mit dem Kantschn bearbeiteten, während der kluge Besitzer der neuen Nkiihle ihre Beutegier durch reiche Darreichnng von Brannt- wein zu besänftigeii wußte. Von der SchorvedeispBorch to Pavenstede an den Snatboein to Kreigenarth (Kreinert) belegen im Garten, gnant snnte Pan- kratius-Boem. Wir haben hier also die interessante Erscheinung, daß nach dem Schutzheiligen der Kirche zu Gütersloh ein Baum genannt wurde, der als Grenzbaum eine gewisse Bedeutung hatte. Der Name Kreinert bedeutet Krähenwald van da an wint an den hogen Stellbrink Wer kennt jetzt in Giitersloh den hohen Stellbrink am Wege, der von der Marienfelder Chaussee uach der Brocke-Mühle führt? Hier müßte der Verschinieruiigsverein von Gütersloh einen einfachen Aussichtsturm errichten, denn der Blick schweift über das ganze Emsthal bis zu den fernen Türmen von Herzebroch Rheda und Wiedenbrück, mähreiid Gütersloh und Marienfeld in größerer Nähe zu erblicken sind. ut dem hogen Stellbrink an dat wort hecke ut dat wort heck an den —k34.. bokres ka1np, zwei Namen, die heute wohl nur noch schwer zu finden sind, steit ein stein, dornp steht drier Herrn wapen als Minister, Tekeneborch und Ravensberch Bekanntlich war Giitersloh von nicht weniger als vier ver- schiedenen oder selbständigen Ländern umgeben, im Norden von der Grasschaft Ravensberg im Westen vom Bistum EJKiinster, im Osten vom Lande Rietberg nnd im Süden vom osnabriickischen Amte Reckenberg Es läßt sich denken, wie sehr die Giitersloher Kaufleute friiher die Grenz- und Zollsperre empfunden haben nnd wie heillos die babylonische Miinzverivirrting auf Handel nnd Wandel wirkte. von dem gen. steine an den Vaselkotteih uth dem Vaselkotten an de Kyperbriiggein Der Basel- kotten ist heute verschwunden. Die Khperbriiggen hat ihren Namen von der Kype, einem Stück Landes bei Kolon Welpmann nt der Kyperbriiggeii an de olde lantwer, gelegen an de Lutter. Eine Landwehr, anch Lambert nnd Landhageii genannt, ist ein Grenzwiill zwischen zwei Gebieten. Wir haben eine solche Landwehr in der Nähe Güterslohs bei dem Kornfeldschen Kolonate an der Chaussee nach Jsselhorst Die größte und bedeutendste Landwehr findet sich im Kirchspiel Lette, ein dreifacher stark mit Gebüsch bestandener Wall. Der größte Teil dieser alten Landes: grenzen ist leider durch die Besitzer zerstört worden. Sie sind von der größten Wichtigkeit für die Bestimmung der Landes- grenzen nnd der altgermanischen Gangrenzen Weiter heißt es dann und so heu an de olden Wisch (alte Wiese) nth de olden wisch an de Raderforth Oinbekantcter Name) nth der Raderforth an den Rader Boekell uth dem Rader-Boekell an dat Ubelloesfeld, licht ein stein, licht ein schewell (Schiefer) under, van dem stein np Loeinaiis Busch, uth Loeinaits bnsch an dat hus to hoinckhnsesh steit ein berboem an dem velde von da in de olden lantwer, nth de lantwer in de verleschen stroet lStraße nach Verl) nth der Verleschen Stroet an de Brumeler Wisch nth de Brumeler Wisch an de hiilshorsh steit ein boike(V11che) ist ein hoiffiseren (Hnfeisen) angenagelh van da in de niersch kWiesH to Kraxert iKraxi —(35— nnd so de olbecke hendal an den Volmar (Kolon Volum) uth dem Volmar de Oelbecke daell wedder an dat hus to Slett- Brügge· Da haben wir eine Grenzbeschreibitngim Stile der damaligen Zeit. Eine politische Grcnzbeschreibung würde viel genauer sein und die Grenzen nicht so unbestimmt angeben, wie es unsre Be- schreibung thut. Der Flächenitiljalt des Kirchspiels mag damals immerhin 2 Quadratmeilen betragen haben. Werfeu wir 11och einen Blick auf die Rechtsverhältnisse und Jnstitutionen, auf die Formen des kirchlichen und liürgerlicheii Lebens, in denen sich das Leben unsrer Altvordern bewegte· Vor hundert Jahren, also im Jahre 1800 — die Herrschaft Rheda wurde durch einen Willkiirakt Napoleons im Jahre 1808 beseitigt und zum Großherzogtum Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf ge- schlagen und der Präfektnr Hamm nuterstellt — also Anno 1800 stand Gütersloh kirchlich evangelischerseits unter dem Konsistorium zu Osnabriich wie auch gleicherweise der katholische Teil der Ge- Ineinde unter dem Bischos von Osnabrück stand. Beides hat sich zu Anfang des Jahrhunderts geändert. Während die katholischen Gemeinden des Kreises Wiedenbriick dem Bistum Paderborn seit dem Jahre 1821 unterstellt wurden, ging die Aufsicht über die evangelische Gemeinde an das neugebildete Konsistorium in Münster über. Die Besetzung der evangelischen Pfarrstellen geschah durch Gemeindewahl Eine kirchliche Vertretung nach heutigem Muster gab es damals nicht, wohl aber vertraten die Vorsteher des Dorfes und Kirchspiels in politischen nnd kirchlichen Angelegen- heiten die Genieinde Nach altein Brauche hatte das aus 5 bis 6 Kanonikerii bestehende Kapitel in Wiedenbrück das Recht der Pfarrbesetznug seit 1259 die Pfarrer· von Gütersloh, unter« denen wir im Jahre 1225 einen Namens Luther antreffen, mußten dem Kapitel jährlich regelmäßig eine Abgabe zahlen. Bei ihrem An- tritt hatten sie einen feierlichen Eid zu leisten, alle Pflichten nach Gebiihr erfüllen zu wollen. Am 9. Juni 1414 leistete der Rektor Ecclesiae Giitersloheiisis Heurich Hakensnieh am 12. August 1418 Tileniaiin Lepelholt, am 14. Februar 148t5 Everhard Haren den Aintseid vor dem Kapitel in folgender Form: Allen, die die gegenwärtige Handlung sehen oder hören werden, wünsche ich, Pastor der Gemeinde zu Giitersloh, hierdurch bekannt zu machen, daß ich in Gegenwart meiner beiden Dekane und des Kapitels der 5 —66—

Kirche von Wiedenbrück geschworen habe, und daß ich zur Be- kräftigung dessen auf die heiligen Evangelien Gottes schwöre, die ich mit leiblicher Hand berühre, daß ich von dieser Stunde an der vorgenannten Kirche treu sein will, auch die Privilegien und Gewohnheiten und ihre Bestimmungen, soweit sie mich berühren, beobachten und uicht verändern, meinem Herrn Dekan und seinen Nachfolgern wie es sich gebührt und ziemt gehorfam sein, so wahr mir Gott helfe und seine heiligen Evangelien Und dieses vor- liegende Schriftstiich das ich mit meiner eigenen Hand geschrieben habe, will ich mit meinem Siegel siegeln und gebe es meinem Herrn, dem Dekan und dem Kapitel zum Zeugnis mit meinem Versprechen Bekanntlich behauptete das Kapitel, auch nachdem Gütersloh evangelisch geworden war, das Recht der Pfarrbesetzung Die weltliche Obrigkeit in Rheda mischte sich zwar vielfach ein, konnte jedoch auf die Dauer dem Drncke der osnabrückischen llbermacht nicht stand halten und fügte sich in dem Receß oder Vertrag von Hagen 1655 in das Unvermeidliche. Nachdem die Besetzung der Pfarre über ein volles Jahrhundert lang Gegenstand des er- bittertsten Streites zwischen Kapitel und Gemeinde gewesen war, kaufte die letztere 1779 dem Kapitel das Recht der Pfarrbesetzung für 2000 Thaler ein für allemal ab. Hätte die Gemeinde noch 25 Jahre gewartet, so wäre ihr das Recht von selbst zugefallen. Übrigens war es Sitte, de11 Willen der Genieiiide bei Neubesetzuiig der Pfarre in der Weise zu hören, daß der osnabrückische Super- intendeut vor den Altar trat und die Gemeinde fragte, ob ihr der präsentierte Kaudidat passe. Wenn dann ein einhelliges »ja« erscholl, so gelangte der Geistliche in den Besitz der Stelle. Die Form des Gottesdienstes war eine sehr einfache. Es ist un- zweifelhaft, daß noch jetzt in Gütersloh im Gottesdienste manche Reste vorhanden sind, die aus der Verbindung mit Osnabriick stammen. Im übrigen beuntzte die Gemeinde das Gesangbuch der benachbarten lutherischen Gemeinden Ravensbergs Politisch stand das Dorf und Gemeinde Gütersloh unter einem rhedischen Amtsvogt Die Amtsvogtei war Ende vorigen Jahrhunderts in dem früher Löivenbachscheih jetzigen Daltropschen Hause an der kleinen Kirchstraße Graf Kord versuchte, noch ehe ihm das Dorf unumstritteii gehörte, 1532 einen rhedischen Vogt einzusetzen, aber dieser wurde durch die Wiedenbrücker später ver— trieben. Das erwähnte Haus wurde bei der Pfarrwahl des —67.- Jahres 1754 und den dadurch hervorgerufenen Unruhen gestürnih und der nnglückliche Bewohner flüchtete in größter Angst vor dem Giiterslohischeii Pöbel nach dem benachbarteu Rheda. Eine so rebellische Bevölkerung, wie die Giiterslohey war nicht leicht im Zaum zu halten. Ju außerordentlichen Fällen genügte der ge- wöhiiliche Polizeischutz nicht. Es wurden dann aus den Bewoh- nern des Dorfes Leute ausgewählt, die Tag nnd Nacht mit geladenein Gewehr auf und ab patrouillieren mußten. Kleinere Strafen wurden in Giitersloh gebüßh schwerere in Rheda. Man zeigt dort noch vor der Stadt auf der Seite, welche nach Gütersloh liegt, die Richtstätte, auf welcher auch wohl mancher Gütersloher fein Leben verloren hat. Jm 17· uud 18. Jahrhundert wird im ganzen wenig von Todesurteilen ge- n1eldet. Ein Kirchenräuber, der etwa 1670 die Gütersloher Kirche bestohlen hatte, wurde verbrannt. Aus dem 15. Jahr- hundert erfahren wir dagegen viel mehr von Strafen, weil in dein Rechtsstreit zwischen Osuabrück und Rheda jede Partei aus Präeedeiizfällen ihr Recht beweisen inußte. Bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts, also 1550, teilten sich Wiedenbrück und Rheda in die weltliche Obrigkeit zu Giitersloh Zwei Grafen, der Go- oder Gaugraf auf dem Reckenberge in Wiedenbrück und der Frei- graf zu Rheda iibten seit ca. 1230 genieinsain das Gericht Der Gograf zog Schlägereiem bei denen Blut floß, also die sogenannten Blutroniieii und leichtere Fälle, wie die Beerdigung von Selbst- mördern und Ertrunkeiieii vor sein Gerichtz der Freigraf richtete schwerere Fälle, wie z. B. Mord, Raub, Verrat und Ketzerei. Der Freigraf ist der Richter des Feingerichts, und wir Gütersloher brauchen nicht zu den Linden in Dortnmnd zu gehen, um an einer geheiligten Femstätte zu stehen, sonden finden einen solchen Ort unter den Linden von Rheda, die friiher vor dem Schlosse standen. Der Verurteilte wurde an dem sogenannten Porsenbauine gehenkt Oft wurde auch der große Turm am Schlosse zu Rheda als Gefängnis nnd zum peinlichen Verhör benutzt. Wie grausam es dort herging, beweist am besten das Schicksal des alten Decken- trnp, der, weil er es mit Wiedeubriick hielt, von deu Häschern des Grafen Cord erst gefangen, dann peinlich verhört und zuletzt enthauptet wurde. Vielleicht werden einzelne leichtere Fälle ans den Justizakten jener Tage Sie interessieren: Johann Hakenkötter wurde 1499 wegen Diebstahls in den Turm zu Rheda gesetzt. Gute Leute baten Graf Otto, daß er nicht an Leib und Leben Zis- gestraft wurde. Schließlich mußte er 20 Goldgulden geben und Urfehde leisten, d· h. sich verschwören, die Herrschaft Rheda uicht wieder zu betreten. 1496 wird Joh. Mermekeii Sohn, genannt Johann zu Pavenstädt, in den Turm geworfen, weil er Ketzerei trieb· Er mußte eine Tonne Butter zur Strafe zahlen und das Land verlassen. Hermanti Sötebier giebt 1469 10 Schilling Buße, weil er seines Nachbarn Sohn mit einer Bare geworfen hatte. Meier Spexards Knecht wurde 1469 wegen unziemlicher Worte mit 1 Gulden gestraft. Johann zum Banse nimmt mit Gewalt von einem Wagen Hopfen und muß 4 Goldgulden zahlen. Westmöller hat bei der Festlichkeit einer Kindtciicfe Schlägerei verübt und muß der Obrigkeit zn Rheda eine Tonne Butter geben. Stertkainp wird, weil er einen Totschlag begangen, mit dem Schwert vor der St. Joh. Kirche in Rheda Auno 1528 hin- gerichtet. Eickholt in Gütersloh hat einen Zuschlag gemacht, d. h. ein Haus angebaut oder ein Stück Gartenlandes zu feinem Grundstück s hinzugezogen, giebt 6 Goldguldein Rorland giebt eine halbe Tonne Butter, weil er im Kirch- spiel Gütersloh gefischt Bettenwordt giebt 45 Goldgulden für seinen Sohn, der zu Gütersloh einen Totschlag verübt. Osthus Sohn in Sundern muß, weil er einen armen Menschen in einen Pfahl, d. h. Pal kSumpf) geworfen, der Obrigkeit zu Rheda 10 Goldgulden und dem Ojienscheii 4 Ellen Gewandes geben. Nieier zu Schledebrjick giebt 13 Goldguldeih weil er nach dem Pinapfel auf dem Kirchtuni geschossen. Kuhlen Johann, wegen Gewalt gefangen, giebt eine Tonne Hering. Joh. zur Mühlen hat einen Menschen erschlagen, giebt 1 Tonne Butter und dient ein halbes Jahr der Obrigkeit. Die Reutersche giebt 4 Goldguldeih weil ihr Sohn Heinrich einem andern die Hand abgehauen. Bregenstroths Sohn giebt 1 Tonne Butter, weil er sich im Kram geschlagen. Sie können aus den angeführten Fällen entnehmen, wie willkürlich und verschieden bei uns das Recht gehandhabt tuurde, —s9— je nachdem man gute oder schlechte Beziehungen zur Obrigkeit hatte. Die Zahl der Fälle ließe sich vervollständigen durch eine Reihe von Rechtsfällen, die vor dem Gogericht auf dem Recken- berge abgeurteilt wurden. Viermal im Jahre wurden die freien Männer des Kirchspiels nach Wiedenbrück zum Goding entbotcn. Die zum Goding auf dem Platze vor dem Rathause in Wieden- brück Erschienenen mußten bekennen: Dat se schuldig syen, to vermelden alle verschwegen Blotronne, Wapengeschry, Mest toge, Deverye, Tovery, Landschaden, Affhagen, Affgraven und Thunen Hier wurde unter Vorsitz des Gografen das Recht gefunden. Jeder Kötter des Kirchspiels Gütersloh mußte dem Gografen jährlich ein Huhn, jeder freie Mann eine Müdde Hafer geben. Diese Abgaben wurden, wie in neuester Zeit noch das Meßkorm durch besondere Boten abgeholt. So erschienen auch Anno 1532 die Diener des Hauses Reckenberg vor dem Meier zu Gütersloh, um nach alter Sitte die Pachthühner abzuholen. Kaum war die Kunde davon ins Dorf gedrungen, als der rhedische Amtmann Jürgen Struwe die Glocken läuten ließ und den Wiedenbrücker Boten scharf nachsetzte Unter dem Zusammenstoß zweier feind- licher Gewalten, die miteinander besonders um den Besitz des Kirchspiels Gütersloh jahrhundertelang kämpften, hat sich der Rechtssinn und das Rechtsbewußtsein der Gütersloher entwickelt, und wohl kaum eine Gemeinde hat das Reichskammergericht in Speier und Wetzlar, die Gerichte und juristischen Fakultätem so anhaltend beschäftigt wie Gütersloh. Lassen wir noch zuletzt unsern Blick etwas weiter schweifeu zu nnsern Nachbarstädten und den größern geistlichen Stiftungen der Umgegend. Es ist erstaunlich, welche Fülle von Klöstern, von geistlichen Stiftungen aller Art hier und in unserm doch nicht reichen Kreise vorhanden gewesen ist. Jm Kirchspiel Lette, das einzige, das noch eine ganz romanische Kirche besitzt, wurde 1134 ein Prämonstratenser Frauenkloster, im benachbarten Klarholz ein Prämonstratenser Männerkloster begründet. Die Stiftungsurkunde liegt noch im Pfarrarchiv zu Klarholz. Das Doppelkloster ist überaus reich dotiert gewesen. Wer die noch vorhandenen Räum- lichkeiten des Klosters sieht, das zu Anfang des vorigen Jahr- hunderts erbaut wurde, der wird aus der soliden und behäbigen Einrichtung den Reichtu1n des Klosters sofort erkennen können. Zwischen Klarholz und Rheda liegt das uralte schon 862 gestiftete .—70—- Benediktinerinnenkloster Herzebroch rossabroch (Pferdebruch), das erste des ganzen Stifts Osnabrück Das Kloster ist mit solchen Freiheiten und Reichtümern ausgestattet gewesen, daß es fast reichsunmittelbar dastand. Besondere Huld bewies ihm die Kaiserin Theophano, Gemahlin Ottos 1I. Später haben Herze- brock und seine beiden Nachbarklöster viel von ihrer Freiheit ein- gebüßt, als sie zum Schutzvogt den Grafen in Rheda angenommen hatten. Das Kloster Lette ging schon im 16. Jahrhundert ein, während Herzebrock und Klarholz bis 1808 bestanden haben. Jn Wiedenbrück und Rietberg finden wir die beiden jetzt noch dort vorhandenen Niederlassungen der Franziskaner. Das Rietberger Kloster wurde 1616, das Wiedenbriicker 1644 begründet in der Absicht, die an beiden Orten noch vorhandene evangelische Lehre auszurotten. Jn Wiedenbrück existierte zeitweilig seit 1626 eine Niederlassung der Jesuiten. Dagegen bestand dort lange Jahre hindurch eine Filiale oder sogenannte Residenz des Augustiner- klosters zu Lippstadt Jn der Reformatiouszeit traten aber sämt- liche Mönche zum evangelischen Glauben über und das Kloster wurde aufgelöst. Ein Schwesternkloster wurde 1452 in dem jetzigen Krankenhause zu Wiedenbrück durch Schetikuiig eines Bürgers begründet. Es ist ebenfalls zu Anfang dieses Jahr- hunderts aufgehoben worden. Vier stolze Schlösser standen ehemals in unserm Kreise, von denen nur noch drei vorhanden sind, nämlich die alte Burg Rheda mit ihren gewaltigen, massioen Türmen, lange Zeit ein unbe- zwingliches Bollwerk gegen jeden äußern Feind; das Schloß Halte, ehemals ein Jagdschloß der Rietberger Grafen, in der großen Rietberg-Lippischen Fehde durch lippische Trnppen niedergebrannt, dann später 1606 u. ff. Jahre durch Graf Johann wieder auf- gebaut, der einzige Renaissaiicebau unsrer Gegend, und drittens das Schloß Reckenberg auf der non Emskaiiäleii umflosseneii Jnsel bei Wiedenbriickl Noch steht dort ein alter Bau, bisher im Besitz, des Herrn Schwenger und im vorigen Jahre in den Besitz des Kreises übergegangen, so daß jetzt der oberste Beamte wieder dort wohnen wird, wo er schon vor tausend Jahren wohnte. So wird das alte Gebäude, das ich in das 16. Jahrhundert zuriickdatiere, als Sitz des Kreistages nun endlich die alte Bedeutung wieder erlangen. Das schönste Schloß aber, von welcheni leider kein Stein mehr übrig ist, war das herrliche Schloß Eden bei Riet- berg. Von mächtigen Wällen und Wassergräben umgeben, konnte —71-. es lange feindlicheii Angriffen trotzen, wie es z. B. im Jahre 1557 der Fall war, als de dulle Johann von Rietberg durch seine fort- gesetzten Riiiibereieii und Mordthaten die Geduld des weftfiilischen Kreises erschöpft hatte nnd dafür eine achtcnonatliche Belagerung aushalten mußte. Noch fi11det man in den Wiesen vor dem Schlosse die steinernen Kauoneukugelih die sogenannten Kierserliiige oder Keserlinge Das Schloß ist leider einer Thorheit zu Anfang dieses Jahrhunderts zum Opfer gefallen. Es war auf langen spfähleii erbaut, die unter Wasser standen. ålliaii entwässerte nun nnvorsichtigerweise die Umgegend des Schlosses, bis die Pfähle zu Tage traten. Die Folge war ein Zusamnieubruch der Niauerir Eine Abbildung des Schlosses ist in der Bnchdriickerei des Herrn Bertelsmaiin in den 40er Jahren angefertigt worden. Als Knriositiit sei noch erwähnt, das; die Kirche im Dorfe Kaunitz eine getreue Nachbildung der Kirche von Lliisterlitz in Pkähreii ist, wo der bekannte Fiirst Kaunitz lsegiitert war. Giitersloh besitzt kein Stadtarchiv wie die drei Nachbarstädte nnd besonders das mit Privilegien aller Art reich ansgestattete Wiedenbrjick Schon 952 nach Chr. durfte diese Stadt eigene ållkiiiizeii schlagen nnd die Stadt hat von diesem ihrem Rechte bis Ende des vorigen Jahrhunderts Gebrauch gemacht. Giitersloh hat nie ein Stadtrecht gehabt wie die drei Nachbariuneih das ihnen von Fürsten huldvoll gewährt und in stolzen Urkunden, wie besonders der Stadt Rheda, wohl verbrieft wurde. Es bedurfte keiner Mauern, um sich zu schiitzeisp aber feine Bürger waren selbst Vjiriniis genug, aus dem kleinen Dorfe ei1ie wohlhabeude Stadt zn machen, die ihre Rechte im entscheidenden Momente ebenso gut und besser als unsre Nachbarn zu niahren touszte Leider müsset( wir das eine sagen: Die alten Biirgergeschlechter Spackler (fchon 1305 als Spacklodere erwähnt» Knieff, Lepper, Helling, sind aus- gestorben, dagegen haben sich Namen wie Jörgens, Jacke, Elbrachh Piepenbroch Jbriiggey Schlieckmcinin Agnete erhalten. Die nteisten Namen der jetzigeii Familien Giiterslohs tauchen erst im vorigen Jahrhundert auf. Jn unsern Nachbarstädteic wird es ganz ähn- lich stehen. Jm Altertnni pflegten Staatsmiiiiuer nnd Redner, wenn sie wohl bei festlichen Gelegenheiten einen Uiiickblick auf das Wachsticin der Stadt warfen, zu fragen, durch welche Tugenden ihr Staat oder Stadt groß geworden wäre. Bei einem Riickblicke auf unsre 800jiihrige Geschichte könnten wir eine iihnliche Frage thun. —72— Jch habe in meinen Ausführungen mich mehrfach mit dieser Frage beschäftigt. Das 19. Jahrhundert hat ans dem Dorfe Giitersloh eine Stadt gemacht und sie einem größern politischen Ganzen einver- leibt, wodurch den Bürgern endlich die Früchte eines langen, un- ausgesetzten Fleißes zufielen Riöge das 20. Jahrhundert aus Gütersloh keine Großstadt machen, denn dann wäre es um den Charakter der Stadt geschehen, aber wohl eine Stadt, die in intellektueller und materieller Beziehung hinter keiner Nachbarstadt zurückbleibt, aber vor allem den uns Güterslohern selbstverständ- lichen Spruch beherzigen, den ich über dem Norderthore der Stadt Flensburg las: Regna tirmat pietas Frömmigkeit ist die Grundlage jedes Gemeinwesens.

Die Grafschaft Ravengberg im 30jiihrigen Krieg. Chronikalische Notizery zusammengestellt von Prof. Dr. J. Wilbrnnd in Bielefeld und Prof. Dr. L. Wccrth in Detmold

1621. Wd. Herzog Christian von Brauuschweig im Rabens- bergischen. Die in Detmold erscheinenden »Vlätter für lippische Heimat- kunde« beginnen in Nr. 1 dieses Jahres die fiir unser Nachbar- land besonders wichtige Pideritsche Chronik zu veröffentlichetn Dieser entnehme ich die Notiz, daß Herzog Christian von Braun- schtveig im November 1621 mit einem in Holland, am Rhein und in Westfalen zusammengebrachteii Heerhaufen unsre Gegend heimsuchte Über seinen Aufenthalt im Ravensbergischeti enthält die Chronik leider keine Mitteilungen; man kann ihr nur ent- nehmen, daß Christian auch in Bielcfeld war, denn es heißt: »Als er aber von Bielefeld an die Grasschaft Lippe anlangte, zog

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s - « « » v ..73— ihm Graf Otto entgegen, hielt um die Verschonuiig der lippischen und an Länder demütig bittlich . .. führte ihn auf das Haus Brake (welches er begehrt hattet, dahin sich auch verfüget der regierende Herr Simon (V1I), Edler Herr zur Lippe. Auf itzti genanntem Schlosse hielt sich Fürst Christian fürstlich und wohl, erlangten hierdurch solche Gnade, daß er zusagen thäte die lippi- schen Länder zu verschoueu. Ob uun wohl der Fürst die Zusage und das hielt Kriegsvolk beihin auf . . . angreiizende Länder führte, so ist’s doch uicht ohne geringen, sondern mit großem Schaden der lippischen Länder abgegangen« Wenn es nnn dem Lipper Lande, welchem Christian Schonung zugesagt hatte, übel erging, wie mag die zuchtlose Schar anderswo gehaust haben, wo kein wohlwollender Laudesherr begiitigeiid ein- wirken konnte. Daß die Stadt Vielefeld im Jahre 1621 irgend- wie iu kriegerische Bedräiigiiis geraten sein müßte, vermutete ich längst auf Grund des dahier gemachten großen älliijnzfundes welchen ich im 6. Jahresbericht unsres historischen Vereins 1886

S. 42 u. s. w. beschrieben habe. — Am 11. August 1885 wurde im Keller des Eggemannschen Hauses, Obernftraße 39, ein Bronze- Topf mit Münzen und den zugehörigen Prägesteinpeln gefunden. Es waren unsre jetzt so bekannten Zwölfpfennigstücke und Sechs- pfennigstücke mit der Jahreszahl 1621. Ich schrieb damals: »Die Vielheit der Stempel scheint mir den Gedanken an Falsch- münzerei auszuschließen Die natürlichste Deutung ist wohl, daß zur Zeit einer drohenden Gefahr ein Münzbeamter den Vorrat frischgeprägteii Geldes mit samt seinen wichtigsten Werkzeugen in:

Keller seiner Werkstätte vergraben habe . . . Wohl unzweifelhaft mag die Veranlassung in den Wirren des 30jährigen Krieges gelegen haben« Jn dem dürftigen chronikalischen Material unsrer Stadt hatte ich bis dahin keine besondere Katastrophe vermerkt gefunden, welche gerade 1621 die Stadt Bielefeld betroffen hätte. Auch Herr Jiiidolf Bertelsmann, welcher im T. Jahresbericht unsers Vereins (1887) die Kriegsgeschichte Ravensbergs veröffentlicht hat, bemerkt nur: »Die Generalstaaten blieben Herren der Graf- schaft bis 1623, doch erfuhr das platte Land im Jahre 1621" eine Plünderung durch die Spanien« Jetzt aber taucht also außerdem Kunde von einer Heim- suchung durch den ,,tollen Ehristiaiw auf. Wenn er auch als ,,Freund« kam, war es höchst rätlich, illkiinzen zu vergraben und —74.. leicht möglich, daß der einzig den Ort Wisseude einen jähen Tod fand. 1623. Der liguistische Feldmarschall Graf von Anholt in der Grafschaft (Zu dieser Zeit lag der liguistische Feldmarschall Graf von Anholt mit seinen Truppen in Westfalem anfangs im Paderborik schen und im Sauerlande, dann auch im Nkiinsterschenh »Die aus dem Stifte Paderborn und dem Herzogtuiu Westfalen an die ostfriesische Grenze abgerufenen Regimeriter hatten sich auf Grund ihrer Bestallutig vom Kaiser« für berechtigt gehalten, ihren Weg durch die Grafschaften Lippe und Ravensberg zu nehmen. (Drei Nächte lang lagerten diese in den Grafschaften Lippe nnd Ravensberg Weskamp S. 139.) Als ihnen nun die Holläiider Ovelche damals diese Grafschaften besetzt hatten) den Durchzng verwehrten, erzwangen sie denselben mit Gewalt, wobei es natur- gemäß ohne Plünderung und Brandschatzung nicht abging Wil- helm de Viri, Gouverneur zn Lippstadt und Sparenberg forderte von der Regierung zu Vkiiiister Schadenersatz, indem er drohte, denselben nötigenfalls ,mit scharfer Kriegsexekutiom eintreibeii zu wollen. (Schreiben ans Lippstadh 18.J28. Januar 1623.) Die Holländer warteten nicht einmal die Antwort der fürstlichen Räte ab. Sie machten einen feindlicheti Überfall auf Olde und forderten eine hohe Kontributiotr. Einige Bürger wurden als Geiseln nach Lippstadt abgesührt.« »Die fürstlichen Räte (zn 9J2iinster) schrieben am 2. Februar an Viri Sie der und . . . verlangten Freilassung Gefangenen —75— Herzog Christian abermals in der Grafschaft. (Zn Anfang 1628 befanden sich Herzog Christian von Braun- schweig nnd Graf Mansfeld an der untern Eins. Sie konnten sich aber dort nicht halten, und Christian entschloß sich zum Ab- zuge nach NiedersachsenJ »Die Avautgarde des Halberstädters (Christian war Adrniuistrator von Halberstadt) bildeten die beiden Jnfanteriereginietitcr von Knyphausen und dem Rheingrafem Sie lagerten am 12. Februar unweit Lübbecke, in Hille, Eichhorst und andern Dörfertr Das bei Minden gelegene Haus Himmelreich, welches einem Volbert von der Decken gehörte, wurde geplündert. Am 13. Februar ging der Marsch weiter zur Weser ....76—

Schreiben vom 20.J30. Juli von Borgholzhausen aus hatte er dem Stift Osnabrück bedeutende Lieferungen auferlegt.) (Weskan1p, l. c. S. 285, 287 u· 288.) (Tilly machte sich alsbald zur Verfolgung Christians auf) »Am 30. Juli nahm er bei Nieheim im Stifte Paderborn fein Am er Quartier. nächsten Tage zog nach Horn · . . Am 1. August nahm Tilly seinen Weg durch die lange Senne« in das rabens- bergische Gebiet und kam am Abend in Brackwede an. Dann rückte er über Halle westwärts zur Ems.« fJn der Schlacht bei Stadtlohn wurde das Heer Christians veruichtet oder zerstreut) (Weskamp, I. o. S. 294.) Herbst 1623. Besetzxiiig der Grafschaft durch liguistische Truppen »Am 6· September 1623 begann ein Heer der verbündeteti Spanier und Pfalz-Neuburger unter dem Befehl des Grafen Johann von Rietberg die Belagerung von Lippstadt (welches die Holländer unter General Lndwig von Hatzfeld tapfer verteidigten). Den Belagerten ging die Piunitioii aus und Aussicht auf Ersatz war nicht vorhanden. So wurde denn vom 21. bis 23. Oktober über die Übergabe verhandelt. (Den Holländern wurde ehrenvoller Abzug bewilligt.) Am 2. November wurden die Garnisonen ge-

. . der von wechselt . Nach Eroberung Lippstadt erklärten sich auch die andern in der Grafschaft Ravensberg liegenden Städte und Amtshärisey wie Bielefeld, Herford, Ravensberg und Vlotho zur Unterwerfung unter PfalzMeuburg bereit. Nur der Sparenberg, von holländifcheii und brandenbnrgischen Truppen stark besetzt, wohl versehen mit Munition nnd Proviant, behauptete sich bis Ende November-« Wes-kanns, i. c. S. 328 u. 329.) XLAus einem Schreiben des Grafen von Anholt geht hervor, daß zunächst einige Compagiiieii Reiter und Fnßsoldaten des salz- burgischen und haimbhausenschen Regimentes die Grafschaft äliavens- berg besetzten (Später wurde sie den Spaniern eingeräumt) (Weskamp, l. c. S. 335.)

Hieran schließen sich ergänzend folgende Auszüge aus der im Archiv zu Detmold befindlichen Pideritschen Chronik, welche wir Herrn Professor Dr. Weerth verdanken. -.77—

1623. Graf Johann von Friesland und Rittberg bricht aus dem Lager vor der Stadt Lippe auff und begiebt sich mit der gantzeii Kriegesmacht nnd Heer in die Grafschaft Ravensberg, und nach- dem sie den mehren Theil des Landes eingenommen, begiebt sich mit vielen Drauens [Dränen, Drohen? Wd.] vor die Stadt Her- furdt, nahm quartier darin, zumahl dadurch den Fürsten zu Neuburg gegen den Margg. von Brandenburg den posses der jurisdiction zu erhalten. Ob sich nun aber die von Herfnrdt auch wiederum mit einer großen Gewalt hätten denselben oppo- niren können, so haben sie sich doch gutwillig ergeben, nachdem keine Hülfe und Entsatzuiig zu erwarten, auch in den Streit ihrer Fürsten sich einzumischen, nicht rathsam zu fein erachteten, dero- wegen nahmen sie etzliche hundert Soldaten ein, gaben denselbigen quartier und Unterhalt Wie sich die Stadt Herfurd also gütlich ergeben, gedencken Sie ferner das Haus Sparenberg und die Stadt Bielefeld auch zu zwingen und den Nenburger unterthäiiig zu machen. Damit sie nun füglich und ohne großen Schaden, so ihm vom Hans Sparenberg möchte wiederfahren, sich lagern uud das Haus und die Stadt Bielefeld ängsten können, begeben sie sich von Herfurd in die Grafschaft Lippe, machen mit dem Kriegsvolk einen Um- schweiff durch das Amt Ditmold, lagerten sich und machten quartjer in den Bogteyen und großen Höffen der Amtsmeyer nnd anderer Lipp. Unterthanen, verheerten alles, was ihnen vorkam, halten übel Haus mit allerhand übel gesambleten nnd eingeäriiteteii Kornfrüchtem Mast- und feisten Schweinen and anderen Viehe an Pferden, Kühen, Rindern, Hämmeliy Schaafen, Hünern, Gänsen, daß es zu verwundern; dieses ist geschehen iui Ausgang Mohnats Oktbr. und Anfang Novembrx Der Graf von Rittberg nnd consortes erhielten die Be- lagerung der Fest und Hauses Sparenberg bis nach dem Fest Martini. Unterdessen thaten das hispanische und Nenburgische Kriegsvolk mit Ranben, Stehlen, Plündern, Wegfiihren an aller- hand Gütern den Lippischen im Amt Ditmold großen unerträg- lichen Schaden. Man hatte sich Gedanken gemacht, der Capitain, Firi genanndt, würde sich wohl halten, nachdeni Sie wohl mit proviam nnd anders zur Erhaltung der Fest vonnöhten, versehen war. Aber dieweil der Capitain Firi nicht gedencket zu halten, —78..... sondern freywillig, ohne seiner Soldaten Berletzung den hispanischen und Nenburg Offieiereii ausznantivortem wird der Drost und Stadthalter, der wohl Edler und fester Johann von der Burg avisirt, seine Sache wohl in acht zu nehmen, darauf ist er ent- Wmmen. 1625. Mons Tylli bricht von Warbiirg auf und komt in Pader- born den 16. Inn» als auch bey Graf Simon zur Lippe aufs Haus Oesterholz, da mein g. H. Seine Excellenz empfangen nnd fürstlich die folgende Nacht mit staatlichen tractementen er- halten. — Monsieur Tylli rückt mit den hellen Haufen gen Bielefeldt d. 19t. Inn· und nimbt den Sparenberg ein, hat folgends das quartier in der Stadt Bielefeldt genommen. Die Ravensbergischen Landsasseiy so das Haus Sparenberg berennet und belagert hatten, hat er zum Theil getödtet und zum Theil anch zerstreuet. Die holländifchen Soldaten, so quartier in der Stadt Bielefeldt genommen, mit ihren Ofsicieren unverseriget (?) austrecken lassen. — Monsieur Tylli war von Hirschfeldt (Hers- feld) und gantzeii Lande zu Hessen, Nassati und andern Orten der Wetterau und am Reihn, darin er sein quartier lange Zeit erhalten hatte, ausgebrochen: die Ursachen waren. l) daß er den hispanischeii Capitaiih so mit seinem praesidio das Haus Sparenberg inne hatte, aber die Ravensbergifcheii Unterthanen berannt und hart belagert hatten, entsetzete L) die Holländery so im Nahmen des Marggrafen von Brandenburg die Stadt Bielefeldt eingenommen und init Soldaten besetzet, daraus verjagete Z) So war auch Tylli aufgebrochen, dieweil sich der König von Dänemark mit viel tanseiid Soldaten zu Pferde und Fueß stark gerüstet, wolte er von Bielefeldt so viel schleuniger dem Könige entweder im Stifft Bremen, Wänden, Braunschweig oder Schanmburg und daselbst an der Weser den Paß iiber und Einfall zn sperreu oder sonsten ihm gantz znit seinem Kriegsvolk und armadn aufhalten niöchte, damit er nach vorgesetzter Wahlmeiiiung nichts schaffen tönte. Dieweil sich aber der König annoch reteriret, hatte Tylli unterschiedliche Legaten abgesandt, des Königs Nieiiiniig und was er niit der großen Armade anzufangen gesinnet, zu. vernehmen, derowegen hat er den Inehrentheil seines Kriegesvolkes von Bielefeldt .-79.. lassen aufbrechen und in die Grafschaft Lippe, Pyrmont, Schaum- burg diesseit der Weser einlosieret 14. Jul Tylli Ankunft von Vielefeld in die Grafschaft Lippe und Stadt Horn· Es hatte das lippische Land das gantze Jahr viel tausend zu Roß und Fueß zu versorgen, so hatten auch die Feldlager des Generals Tylli in der Stadt Bielefeld und außer der Stadt am Lutterkolch, wie auch auf der Senne bei) dem gräfl Hause Oester- holtz geschlagen, nicht erhalten werden können, wenn nicht das lippische Land an Korn, Brodt, Bier, Fleisch und anderen Vic- tualien große Zulage gethan.

Über Siedeluitg und Jlgrarweseii der Germaneu,« Ketten, Römer und Sinnen. Nach August Meißen. Ein Bericht, vorgetragen im Historischen Verein zu Bielefeld von Prof. Dr. J. Willlrntkd

Bezüglich der Urgeschichte unsers Volkes sind wir« natiirlich in erster Linie auf die Berichte der alten Schriftsteller angewiesen. Allein diese lassen große Gebiete dunkel und allzuviele Fragen offen. Zu ihrer Lösung mußten Forschungsmethodeii andrer Art . mit herangezogen, wenn nicht neugeschaffen werden. So sehen wir gegenwärtig nicht bloß die Philologie und die vergleichende Sprach- forschung, sondern auch die vergleichende Völkerkunde, die Rechts- geschichte, die Ortsnamen und Sagenforsclsung mit im Dienste der Altertumskunde thätig. Diesen wichtigen Quellen der Erkenntnis nun auch die Wirtschaftsgeschichte angereiht zu haben, ist haupt- sächlich das Verdienst August Pieitzens dessen vorgenanntes drei- bändiges Werk, die reife Frucht eines überaus thätigen Lebens, so großes Aussehen erregt hat. Das Werk ist so inhaltreich und vielseitig, daß ein langer Zeitraum vergehen dürfte, bis entschieden —80— ist, wie weit die teilweise ganz überraschenden Folgerungen des Verfassers als bewährt oder als unhaltbar angesehen werden können· Auf alle Fälle liegt aber hier eine mächtige neue An- regung vor, und die erörterten Fragen greifen so unmittelbar ins Volksleben, daß es angebracht scheint, die merkwiirdigsten Lehren und Ansichten Meitzens auch weitern Kreisen vorzulegen. Fitr Bewohner des nordwestlichen Deutschlands dürfte namentlich von hohem Interesse sein, was Meitzen über den Ursprung der Einzel- höfe und niedersächsischen Bauernhäiiser zu sagen hat. 1. Die nationalen Eigentümlichkeiten der Siedelung der Gerinanen iMeitzeii I 168 u. f.) Die Germauen sind das einzige Volk Europas, welches Land besitzh das seit der ältesten Besiedeliing niemals für längere Zeit unter fremdem Einfluß stand. Innerhalb dieses Gebietes müßte sich uns demnach das Siedelungswesen der Germanen in unge- trübter nationaler Eigenart darstellen, und es handelt sich zunächst darum, dieses Gebiet näher zu begrenzen Von dem jetzigen Deutschland kann hierbei natürlich nur ein verhältnismäßig kleiner Bruchteil in Betracht kommen, da noch in historischer Zeit bis zum Main Kelten saßen und auch das nordwestliche Dentschland, inindestens bis zur Weser, in prähistorischer Zeit von Kelteu be- siedelt war. Von Osten her aber wurde das deutsche Land mächtig eingeengt durch das Vordringeii der Slaven. Nach den Ansichten Meitzens zeigt sich die alte gerinaiiische Besiedeluiigsiveise gegen- wärtig noch auf einein breiten Streifen Landes nördlich des Nkains, etwa die heutige Provinz Hessen-Nassa11, Oberhessen, Thüringen, den östlichen Teil der Provinz Hannover und Schleg- wig-Holstein umfassend. Außerhalb Deiitschlands kämen noch hinzu: J·iitland, die dänischen Jnseln und der südliche Teil Skandinavieiis Izunerhalb dieses langgestreckteit Gebietes zeigen die alten Ansiedeliingeic überall das gleiche Bild eines geschlossenen, nach außen uinzäuiiten Dorfes. Der Hausbau ist verschieden: fränkisch, sächsisch oder nordisch, aber die Gehöfte sind nachbarlich zusaninken- gebaut, wenn auch unregelmäszig und planlos Die Häuser« stehen zwar gedrängt, aber inehr wie zufällig in ganz verschiedenen Richtungen zu einander gestellt. Dem Wort »Dorf« = Trupp, Haufen, entsprechend findet Lllteitzeii den Namen »Haufendorf« für diese Art der Dorfanlage besonders geeignet. Aus der Planlosig- keit derselben erklärt es sich, daß die Wege ein Netz von krummen und winkeligen Gassen und Zngäiigen bilden. Die Unregelmäßig- keit ist durch spätere Teilungeit und Einbauten allmählich ver- größert worden. Die Zahl der ursprünglichen Wohnstätten war nicht groß nnd jede verfügte anfänglich für Haus, Hof und Garten

über etwa Ue Hektar —— Das gesamte Kultnrlaiid des Dorfes Umfaßte etwa 3—400 Hektor. Es war in Parzelleii zerlegt, welche meist regelmäßige Streifen von geringer Breite, aber erheb- licher Länge vorstellen. Der Eigentumsverteilring liegt die sog. Hufenverfassiittg zu Grunde. Auf das Dorf kamen ursprüng- lich 10—30 »Hufe«. Das Wort hängt nach Nkiilleiihoff nicht mit ,,Hof« zusammen, sondern mit »Behuf« und bezeichnet das, was einem zukommt, den Anteil. Die Hufe (huba) war so bemessen, daß sie der Arbeitskraft einer Familie entsprach und mit einem Pfl11ge bestellt werden konnte. Die Feldflur war nun in zahl- reiche sog. Gewanne zerlegt, d. h. fest begrenzte Abschnitte von in sich gleicher Bodenbeschaffenheih Gute und Lage. Um nun die Hufen einander« gleichwertig zu machen, erhielt jede Hufe von jedem Gewann durch das Los einen gleichen Anteil zugewiesen. Auf diese Art war der Besitz des Einzelnen nrsprüuglich über die ganze Gemarkung verstreut. Der Anteil jeder Hufe am Gewann betrug je einen »Morgen«. Dieser bedeutet eine Fläche, welche an einem Vormittag fertig gepfliigt werden konnte. Die Größe des »2)Jiorgens« war ungleich von Ort zu Ort und selbst in der- selben Feldfliir schwankend nach der Güte des Bodens. Der »Morgen« als Maß für gutes Land war in der Regel kleiner als für schlechtes. Die Bewirtschciftnng fand iiberall im Flurzwange statt. Die Gewanne waren in bestimmte »Schläge« zusammengefaßh welche je mit gleicher Frucht bestellt, besäet und abgeerntet werden mußten. Um das jeweilige Ackerfeld wurde jährlich ein Zaun errichtet. Alles nicht bestellte Land, auch Brachen und Stoppeln, standen zur Viehweide offen. Der Rest der Dorfgeniarkung, welcher nicht in Anbau genommen war, blieb als Gemeingut, Almende, bestehen. Sie bestand in

Viehweide oder Wald. — Unter »gemeiner Pkark« versteht man den genieiiisaiiieii Besitz, mehrerer benachbarter Dörfer. Es handelte sich-1neist nin Wälder, Weidegrüiide nnd Moore. Die berechtigten Korporationen bildeten die Markgenossenschaft 6 ..82— 2. Die Einzelhöfe des nordwestlichen Deutschlands. Jn auffälligstem Gegensatz zu der eben geschilderten alt- germanischen Dorsbesiedelung stehen die Gebiete mit Einzelhöfen westlich der Weser. Dieser Unterschied ist jedenfalls sehr alt und von großer historischer Wichtigkeit Charakteristisch ist nicht sowohl die Form der nicht überall »sächsischen« Gehöfte, als die Be- sonderheit, daß jedes derselben im wesentlichen von den ihm zu- gehörigen Ländereien umgeben ist und daß dieser Besitz in Kämpen, d. h. quadratisch oder rundlich geformten Abschnitten liegt, deren jeder von Hecken und Gräben eingezäunt ist. Dieser Geschlossew heit jeder der Besitzungen entspricht, daß dieselbe11 vereinzelt über die gesamte Flur der Ortschaft liegen. Einem Dorfe der oben geschilderten Art steht im Gebiet der Einzelhöfe etwa eine Bauer- schaft gleich. Sie enthält aber nur ausnahmsweise auch eine dors- oder weilerähnliche, geschlossene Gruppe von Hausstellem welche die Kirche oder einen Marktplatz umgeben und diese Häuser sind weniger von Landwirten, als von Beamten und Gewerbetreibenden bewohnt. In Deutschland gehört zum Gebiet der Einzelhöfe ganz Westfalem mit Ausnahme des Paderborner Landes und des Hell- wegs (Meitzen meint damit das Gebiet zwischen Ruhr und Lippe), sowie das ganze übrige Norddeutschland westlich der Weser. Letztere bildet bis oberhalb der Porta eine überraschend scharse Grenze zwischen geschlossenen Dörfern und Einzelhöfen Da nun die geschlossenen Dörfer der Siedelungsweise der Germanen ent- sprechen, die Einzelhöfe aber, wie wir sogleich sehen werden, der der Kelten, so ist Meitzen der Ansicht, daß die noch als Hirtenvolk eindringenden Germanen die Einzelhöfe von den bereits seßhaften Kelten übernommen hätten. Z. Das Agrarwesen bei den Kelten (Meitzen l 184 u. f.) Als Länder, welche noch in historischer Zeit von Kelten bewohnt wurden, koinmen in Betracht: Gallien, Britannien und das heutige Süddeutschlaiid (Helvetieii). Die wichtigsten Mitteilungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Länder machen Cäsar und Strabo, doch sind diese Mitteilungen dürftig. In Gallien und Süddeutschland beinerkte Cäsar offenbar wenig Besonderheiten, welche ihn überrascht hätten. Er fand die durchzogenen Gebiete überall bereits stark und fest besiedelt. Ein Hauptunterschied gegen die germanische Besiedelungsweise lag im Vorhandensein zahlreicher —83.-

Städte (oppida), von welchen selbst kleinere durch Mauern stark befestigt waren. Auf dem flachen Lande gab es offene Dörfer (vici) und Einzelhöfe (privata aedikjcia). Cäsar fand im Lager der Helvetier Tabellem aus denen hervorging, daß sie 263000 Seelen zählten Diese bewohnten 12 ,,oppida«, gegen 400 ,,vici« und außerdem ,,reliqua privata aediücia«. Meitzen übersetzt vicus mit »Weiler« (I 225), scheint also nur aus wenigen Häusern bestehende Dörfer anzunehmen. Er sagt: »Wie hoch man auch die Be- völkerung der oppida und vicj anschlagen mag, es bleibt stets eine sehr beträchtliche, auf mindestens die Hälfte zu berechnende Zahl übrig, welche die xeliqua aediticjast bewohnten. Deshalb hat man an eine ansgedehnte Sitte der Einzelhöfe zu denken« Dieselbe Ausdrucksweise wendet Cäsar auch auf alle Gegenden an, welche er in Gallien durchzieht Mehrere Angaben be- zeichnen die ,,aedit1cia« auch näher als größere, zerstreut liegende Gehöfte (,,rara et disjecta aediticia«) (Vlll 10), aus denen Futter requiriert wird und die zum Schrecken der Feinde niedergebrannt werden (vergl. auch Vll 14, VIII 3, 10 nnd 24). »Diese aedi- kicia kann man sich nicht wohl anders denn als Einzelhöfe denken, die in verhältnismäßig großer Anzahl neben den Weilern und Städten über das Land zerstreut lagen« Für Britannien sind die entsprechenden Nachrichten noch dürftiger. Cäsar sagt nur (V 12 und 14): »Die Gehöfte sind sehr zahlreich und den gallischen ähnlich« — Jn der Hoffnung, noch deutliche Spuren einer nationabkeltischen Besiedelungsweise zu finden, hat Pieitzen besonders eingehend Jrland studiert. Er kam zu dem Ergebnis, daß dort die Weidewirtschaft erst um 600 nach Chr. infolge der stark angewachsenen Bevölkerung dein Ackerbau wich (l 196). Die Teilung der Ländereien war jedoch nnr das Abbild des bisherigen Wohnens in Einzelhöfen (l 187«). Die Grundlage der sozialen Verhältnisse war eine patriarchalische, die sog. Clanverfassnng Das Wort »Clan« bedeutet Kinder, Nachkommeth Familie, und die Angehörigen des Clans betrachteten ihr Gebiet als geineinschaftlichen Familienbesitz (I 182). Jedem Clan stand ein Häuptling vor. Die Häuptlinge eines gewissen Distriktes waren wieder dem angesehensten unter ihnen unter- geordnet· Ähnlich war es in Wales und Schottland (l 221). Von ganz besonderm Interesse sind Pieitzeiis Mitteilungen über das altirliindische Hans, weil er auf dieselbe uralt keltische Grundform auch das sog. sächsische Haus Westfaleiis und des sä- .—84—. übrigen nordwestlichen Deutschlands zurückführt (l184). Näheres weiter unten. Zu den außerdeutschen Gebieten der Einzelhöfe gehören ganz Holland, das nördliche Belgien, der größte Teil von Frank- reich und das westliche England, also überall ehemaliges oder noch gegenwärtiges Keltenland 4. Das Agrarwesen der Römer. (Meitzen I ..85— hörigen Klienten zur Bewirtschaftung überlassen. Auch die Dörfer lösten sich durch die Umgestaltung der Besitzverhältnisse und in der spätern Zeit durch die ållkiiiiizipalverfassung mehr und mehr auf. Die Hauptmasse der Bevölkerung lebte i1i den ummauerten Städten. Die landwirtschaftlichen Gehöfte außerhalb der Mauern standen vereinzelt auf dem zugehörigen Landbesitz. Die römischen Feldmesser besaßen schon früh ein Instrument, welches den Germanen abging, mit welchem sie rechte Winkel ab- visieren und das Land in abgemessene Quadrate einteilen konnten. Dies war ein hölzernes Visierkreuz aus zwei rechtwinkelig ver- bundenen Latten, in welche die Visierlinien eingeschnitten waren. Das Instrument hieß »Stella«, später, in seiner verbesserten Form auch »Groma«. Die verkleinerte Darstellung der verniessenen Fläche auf Leinwand oder Erz hieß »Forma«. Ein Bruchstück einer auf Marmor eingemeißelten Kopie einer solchen Flurkarte hat sich noch erhalten, gefunden zu Orange, dem alten Arausis Sie trägt die Namen der ansässigen Besitzer und Angabe der von diesen zu zahlenden Grundsteuer. — Der quadratischen Einteilung des Landes entsprach ein quadratisches Wegnetz. An diesem lassen sich noch heute Landverteilungen der römischen Zeit erkennen, z. B. eine große, von Cäsar veranlaßte Ansiedelung bei Capua. Meitzen selbst entdeckte eine solche bei Friedberg im Großherzog- tum Hessen, welche allerdings bis jetzt in ihrer eigenartigen Form nördlich der Alpen ein Unikum geblieben ist. Dies erscheint auf- fällig, erklärt sich aber aus der verständigen Kolonialpolitik der Römer, welche sich zwar mit aller Energie die Herrschaft sicherten, im übrigen aber alles Herkömniliche möglichst unverändert ließen. So blieben Kelten und Gewinnen, soweit sie sich unterwarfen, ungestört in ihrer nationalen Wirtschaftsweise. Bei Massenun- siedelungen von Kriegsgefaiigenen oder verpflanzter Barbaren- scharen war eine rechtzeitige Vermessung des Landes gar nicht möglich. Selbst die anzusiedeliiden Veteranen erhielten vielfach nur Geld und eine Ausstattung an Saatgetreide und Zugvieh und konnten sich ansiedeln, wo sie unbesetztes Land (terrae vacantes) fanden. So fanden sich in den nördlichen Provinzen römische, keltische und germanische Siedelungen nebeneinander. Der schlimme Ein- fluß der Römerherrschaft bestand weniger in der Verwischung der nationalen Eigentiimlichkeitem als vielmehr in der Entwickelung des großen Grundbesitzes —85-.

Nach ENeitzen war beim Untergang der Römerherrschaft in den nördlichen Provinzen die freie ländliche Bevölkerung des flachen Landes fast gänzlich untergegangen, jedenfalls in tiefen Verfall geraten. 5. Die Slawendörfen (Meitzen I 50 u. f.) Wie sich das altgermanische Land durch seine Besiedelungs- weise nach Westen scharf gegen die Einzelhöfe der ehemals keltischen Gebiete abgreuzt, so ist auch seine Ostgrenze gegenüber den Slawen nicht minder scharf. Zwar haben auch die Slawen geschlosene Dörfer, aber diese sind in ganz eigenartigen planmäßigen Formen angelegt: entweder als Runddörfer oder als Straßendörfeu Bei den Runddörfern umgeben die Gehöfte stets einen runden oder ovalen Platz, welcher ursprünglich nur durch einen einzigen Weg zugänglich war. Auf diesem Raum kann das Vieh stehen und leicht abgeschlossen werden. Die Höfe und Giebelseiten der Wohnhäuser drängen sich nach diesem Platz eng zusammen: hinter den Häufern aber breiten sich die nach außen mit hohen Bäumen bestandenen Gärten keilförmig aus und schließen mit einer das Ganze fast kreisförmig umziehendeu Hecke ab. Dieser Plan über- wiegt im Westen, im alten »Sorbenlande«, zwischen Oder und Elbe, Erzgebirg und Ostsee. Zwischen Lüneburg und Magdeburg gehen sie sogar nach Westen über die Elbe hinaus und bilden einen in das altgermanische Gebiet einspriiigeiideii Winkel. Ostlich der Oder herrschen ausschließlich die sog. Straßen- dörfer. Hier zeigt die Dorfanlage das Bild einer regelmäßigen, geraden und verhältnismäßig kurzen Straße, an welcher die Gehöfte zu beiden Seiten in gedrängter, rechtwinkelig gestellter Reihe anstoszcn. Die Straße ist so breit, daß rechts und links vor den Gehöften Wege fortlaufen, in der Mitte aber noch eiu Anger bleibt, der nicht selten zu Kirche und Kirchhof bcnutzt ist und fast ohne Ausnahme ausgegrabene Wasserlöcher zeigt, aus denen Baulehni gewonnen wurde und das Vieh getränkt werden kann. Die einzelnen Hausstellen sind erheblich tiefer als breit. Die ursprünglichen nationalen Gebäude sind längst durch das ,,fränkische« Haus ersetzt, welches im is. und 14. Jahrhundert mit der deutschen Kolonisation eindraug. In den größern Ge- höften stehen sich Wohuhaus und Stallungen gegenüber, beide mit dem Giebel gegen die Straße. Daztoischeii liegt ein Hof, den -.87— ein Thor oder Thorhaus gegen die Straße schließt. Die Dach- traufen der Nachbarn berühren beinahe den Zaun, der stets die Gehöfte trennt. Hinter den Gebäuden liegt ein Garten von der gleichen Breite. Alle Gärten stoßen mit der Hinterseite an eine in der Regel ziemlich gleichmäßig fortlaufende, das Dorf zu einem oft sehr genau rechteckigen Parallelogramm abschließenden Hecke. Zu beiden Seiten öffnet sich die Dorfstraße nach den Wegen auf das Feld. Häufig wird sie noch durch einen zweiten Weg in der Mitte gekreuzt S. Wege und Häuser. Zu den geschilderten auffälligen Unterschieden in der Siedeliingsweise der verschiedenen Völkerstäin1ne, welche auf deutschem Boden eine Rolle gespielt haben, gesellen sich nach ällteitzen noch andre, von welchen wir hier nnr noch zwei, als auch für Laien besonders anffällige, hervorheben wollen. Es sind dies die Wege und die Häuser. — Durch die verschiedenen Dorfformen sind auch ganz verschiedene Kartenbilder der Wege bedingt. Das Wegnetz der gernianischen Haufendörfer ist im allge- meinen sternförmig Die slawischeii Rund- und Straßen- dörfer gestatten nur ein bis zwei Ausgänge aus dem Dorf. Die Wege müssen sich deshalb zum guten Teil in scharfen Biegungen aus den Dorfausgängen nach den Nachbarortfchaften wenden. Jm Gebiet der Oirsprünglich keltischeiis Einzelhöfe durchziehen das Land nur Hauptstraßeii von Stadt zu Stadt, welche von den Einzelhöfeii nur anf meist sehr gewundenen Nebenwegen erreicht werden müssen. Die landesüblicheii direkten Verbindungen werden durch Fußsteige gebildet, welche in gerader Linie quer über Felder, Hecken und Gräben hinwegfiihren Was die Hausforineii betrifft, so kommen die römischen für uns nicht in Betracht nnd die slaniischen sind auf deutschem Boden verschwunden. Um so bedeutsamer aber ist der Gegensatz zwischen dem nordwestdentscheth sog. sächsischen Hans und dem überwiegeiid anf deutschem Boden herrschenden fränkischen Haus. l. Das fränkische und das ihm Verwandte alemannische, bäuerliche Haus nehmen schon seit sehr alter Zeit fast das ge- samte Gebiet ein, welches ehemals die herininoiiischeii Stämme (Sueven) besaßeii (ihr Ntittelpunkt war an der untern Saale), oder später in Oberdeiitschland und im Atheinlande mit Gewanik —88— fluren besiedelten. Gleichwohl läßt sich nicht daran denken, daß ihre Bauweife schon vor der Zeit der Völkerwanderung technisch einigermaßen entwickelt gewesen wäre. Das Haus ist von der Breitseite zugänglich. Die Haus- thür führt in einen bis zur Rückwand durchgehenden Raum, an welchen auf der einen Seite der Wohnraum, auf der andern Kammern stoßen. Die übrigen Wirtschaftsräuing Ställe, Scheune, Schuppen sind nur bei kleinem Besitz sä1ntlich hinter den Kainmern unter demselben Dache angebaut. Bei den Hufenbauern stehen hier in der Regel nur die Pferde oder die Kühe. In den größern Höfen sind für alle diese Bedürfnisse besondere, wenn auch anein- anderstoßende Gebäude errichtet, welche den Hofraum einschließen. Der Hof ist gegen die Straße durch Zaun oder Mauer und einen Thorweg mit Nebenthor abgefchlossen und hat einen etwa morgen- großen Hausgarten hinter sich, den die Verzäunung des Gehöftes mit einschließt Bei der Rauheit des deutschen Klimas wurde wohl überall ursprünglich der Holz- und Lehinbau dem Steinbau vorgezogen. Es empfahl sich zunächst der noch heute in den

Gebirgen weit verbreitete Blockhausbau —- Das fränkisch-ale- mannische Haus, zu welchem auch das sog. Schweizerhaus zu rechnen ist, zeigt mannigfaltige Verschiedenheiten, überall aber ist gleichmäßig die Grundidee des Planes festgehalten. Das Haus bietet eine einfache, dem Bedarf einer einzelnen Familie genügende, vom Vieh abgeschlosse11e landwirtschaftliche Wohnung. 2. Das sächsische Haus, wie wir es in Westfalen kennen, steht zu dem fränkischen in einein tief in alle Lebensgewohnheiten eingreifendeii Gegensatz. Bei dem sächsischen Hans birgt ein einziges, hohes Rohr- oder Strohdach das ganze Hausweseth Familie, Gesinde, Vieh und Erntevorräte Durch ein großes Eingangsthor gelangt man zunächst auf die Tenne oder Diele (Deele), welche sechs bis acht Zoll hoch mit Lehm ausgeschlagen oder gepflastert ist. Auf der einen Seite stehen die Pferde, auf der andern Ochsen nnd Kühe. Das Vieh wird von der Deele ans in langen Krippeii gefüttert. An den Längsseiten des Hauses sind die Offnungen zum Herausschaffeisi des Düngers nnd die Dnngstätten Rechts und links iiber den Ställen, auf Biihnen, welche mit Leitern zu ersteigen sind, schlafen Knechte und Mägde. Auf dem großen Bodenrauni wird die Ernte anfgespeichert — Nach dem Durchschreiten der Diele gelangt man in einen quer laufenden, von außen von zwei Seiten zugänglichen Hausranm —89— (Flur) mit dem ursprünglich kaum fufzhoheii Herd. In ältern und einfachern Häusern schliesen hier auch Wirt und Wirtin. Größere und bessere Einrichtungen besitzen längs der Schnialseite des Hauses hinter dein Herd noch besondere Wohnräume, eine Schlafkammer für Mann und Frau, ein Zimmer für Kinder und Mägde und ein größeres Wohnzimnieu unter welchem der Keller liegt. Auch nach vorn findet sich das Haus verlängert durch besondre Ställe für Fohlen, Kälber, Schweine und Gänse. Westfalen und Frieslaiid sind als Ausgangspunkt und das bleibende Centrum der Entwickelung des sächsischen Hauses zu betrachten, doch entsprechen seinem Grundtypus jetzt die ländlichen Wohnhäuser auf dem ganzen Gebiet der Einzelhöfe, sowohl in Westfalen und Friesland als im Rheinland und in den Nieder- landen Auch hat es sich, namentlich durch Kolonisten, sonst weiterhin verbreitet. Was nun den Ursprung dieses sog. sächsischen Hauses an- betrifft, so kam Meitzeii bei seinen vergleichenden Untersuchungem wie schon oben kurz angeführt, zu dem überraschenden Ergebnis, das; dieses vermeintlich urdeutsche Haus eigentlich keltischen Ursprungs ist. Er sagt, es stimme »in der einfachen ursprüng- lichen Gestaltung seines Aufbaues, wie seiner innern Einrichtung überzeugend mit dem altirischen, auch in Gallien nachgewiesenen Stammhause überein«. Allerdings ist dieses altirische Haus längst verschwundem doch läßt sich seine Einrichtung noch genau nach- weisen. Wie schon oben be1nerkt, erklärt auch Nkeitzeii die Besiedelung Nordwestdeutschlaiids mit Einzelhöfen fiir ein Erbteil aus der Keltenzeir Indem er nun auch das hier übliche ländliche Wohn- haus auf eine keltische Stammform zurückführt, liefert er neue und erwünschte Stiitzen für die bereits längst von den Sprach- forschern aufgestellte Annahme, das auch das nordwestliche Deutsch- land vor den Germanen von Kelten bewohnt gewesen sei. 3. Das nordische Haus. Überraschenderweise entspricht das altskandinavische Bauernhaus nicht etwa einer der beiden in Deutschland eingebürgerteii Formen, sondern besitzt einen davon gänzlich abweichenden Typus, welcher auf das altgriechische Hans zurückgefiihrt werden muß. Pkeitzeii bezieht sich hierbei namentlich auf Untersuchiiiigeii von Henning, welcher sagt: »Die einfachste Gestalt des (skandinavischen Bäuerin) Hauses, aus der sich alle andern entwickelt haben, ist ein im Innern ungeteilter ..90.-

Raum von annähernd quadratischer Form, vor dessen Giebelseite zum Schutz gegen Wind und Unwetter sich eine Vorhalle des Hauses befindet« Diese Häuser hatten keine Fenster, sondern nur eine verschließbare Luke im Dach. Der Herd war in der Mitte. — Nach Henning ,,stimmt das ostgerniaitische Haus mit dem ur- griechischen so vollkommen überein, daß eine weitergehende Ähnlich- keit nicht zu beanspruchen ist«. — Bekanntlich hatten auch die Tempel diesen einfachen Grundplan Derartige Häuser« waren ursprünglich volkstümlich sowohl in Schweden als in Norwegen und Dänemark. Da sich ähnliche Häuser noch jetzt anch in Polen und im niittlern Rußlaiid finden, so ist das altgriechische Haus wohl sicher aus den griechischen Kolonien am Schwarzen Meer auf die Ostgermanen übertragen worden.

Dr. Schuchljardts Æorschuiigeii über sächsische und friiiitkische Kastelle und über das Riimerkastell bei HalternO

Bericht an den Historischen Verein zu Bielefeld Von Professor Dr. Wilbrnnd

Ich möchte heute die Aufmerksamkeit der Vereinsmitglieder auf höchst wichtige und insbesondere von den Altertumsfrennden Niedersachsens mit besondrer Freude zn begriißende Forschungen des Herrn Dr. Schuchhardh Direktor des Kestnerinnseuiiis zu Hannovey lenken. Die betreffenden Arbeiten liegen zwar noch nicht abgeschlossen vor, doch sind aber schon so viel wertvolle Er- gebnisse gesichert, daß man mit großen Erwartungen der nächsten Zukunft entgegensehen darf. Das Nachfolgende stiitzt sich teils auf einen Vortrag, welchen Herr Dr. Schuchhardt am 25. Sept 1899 auf der Philologew 1) oiheinisckkWestfeiIische Zeitung. Nr· 954. 1899. -.91— versammlung zu Bremen hielt, teils auf Veröffentlichungen des genannten Herrn in der »Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen (Jahrgänge 1892 und 1897), sowie in Heft VI des »Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen« (1898) und schließlich auf einen Bericht der Lippischen Landeszeitung über die diesjährigen Ausgrabungen bei Schieder. Einen Teil dieses Materials, zugleich mit höchst interessanten brieflichen Mitteilungen, verdanke ich Herrn Dr. Schuchhardt direkt, welchem ich für sein liebenswiirdiges Entgegenkommen hier meinen verbindlichsten Dank sage. Dr. Schuchhardt hat das große Verdienst, durch Nach- grabungen an wohlbeglaiibigten Stellen die besondern Merkmale siichsischer nnd fränkischer Verschanzungen festgestellt zu haben, einerseits im Gegensatz zu den altgermanischen, andrerseits z11 den römischen, mit welch letztern namentlich die fränkischen Kastelle leicht zu verwechseln sind. Welche Verwirrung durch solche Jrrtümer in die Forschung gekommen ist, liegt auf der Hand. Auch ent- fernter Stehende haben wohl von Streitigkeiten gehört über die Frage, welchem Volk diese oder jene Befestigung zuzuschreiben sei. Ein uns nahe liegendes Beispiel bietet z. B. das Lager bei Orling- hausen im Fürstentum Lippe, welches früher unbestritten als sächsisch galt, dann aber von einzelnen Forschern für das Sommer- lager des Varus ausgegeben wurde. Solche Streitigkeiten dürften in wenig Jahren wohl nicht mehr möglich sein, nachdem die für jedes Volk bezeichnenden Merkmale festgestellt sind. Bezüglich des Teutoburger Waldes sagt Dr. Schuchhardt: »Die Kette des Osning von der (Obermarsberg an der ) über Detmold nach Bielefeld hin ist dicht besetzt von deutschen Volks-bargen. Nach unsrer heutigen Kenntnis sind alle siichsisch bis auf zwei altgermanische: die Grotenburg bei Detmold und die Hünenburg bei Bielefeld. Angenscheinlich sind also in altgermanischer Zeit nur erst die wichtigsten Pässe durch Volksburgeii geschützt gewesen. Nun muß aber in diesem Gebirge die Teutobnrg gelegen haben, nach der Tacitus den Wald umher ,,saltus Teutoburgensis«« nennt. Es ist eine gewiß nicht zu ver- achtende Frucht unserer Erkenntnis, was sächsische und altgerma- nische Burgen sind, wenn dadurch ein neues Gewicht für die Jdentität der Grotenburg mit der Teutoburg in die Wag- schale fällt. Aber auch die sächsischen Burgen dürfen wir vielfach als Wegweiser betrachten für die Römerkriegh denn Karl der ..—92—.

Große ist zumeist dieselben Straßen und Pässe gezogen wie Drusits und seine Nachfolgey und seine Schlachtfelder dürften den römischen manchmal entsprechem z. B. Siintelschlacht und Idistavisus Det- mold und Varusschlacht« (Weser-Zeitung). Als Sachsenburgeiy welche auch bereits in den alten Geschichtsquellen genannt sind, nennt Schuchhardt die Jubnrg (Jburg) bei Driburg, die Eres- burg (Obermarsberg) an der Diemel, Buriab11rg (jetzt Bier- burg) bei Fritzlar, Sigiburguin (jetzt Hohensyburg am Zusammen- fluß der Ruhr und Lenne), die Brnnsburg bei Höxter und Skidroburg (die heutige Herlingsbnrg) bei Schieder, unweit Pyrn1ont. »Bei diesen können wir uns unbedingt darauf ver- lassen, daß wir sächsische Volksburgen aus den Kriegen Karls des Großen vor uns haben. Bei ein paar weitern ist dasselbe fast sicher, so bei der ,Babilonie« bei Lübbecke und bei dem Tönsberg- lager bei Orlinghausen.« Diesen sächsischeii Lagern sind zunächst einige ebenfalls ur- kundlich nachweisbare fräiikische gegenüber zu stellen, welche aus den Kriegen Karls des Großen mit Sachsen stammen, z. B. das »castrum Esesfeld« (das heutige Jtzehoe), Kastell »Hohbuoki« (Höhbeck) bei Gartow (Kreis Lüchow) an der Elbe, und zwei Schanzen im Emmerthal bei Schieder, 5 Kilomoter südöstlich der oben erwähnten sächsischen Skidroburg. Diese fräiikischen Kastelle erinnern nun so auffällig an römifche Vorbilder, daß sie wohl zunächst für Römerwerke gelten könnten und bereits auch mehrfach für solche erklärt worden sind. So z. B. mehrere von Hölzer- mann beschriebene Kastelle an der Lippe, unter welchen die Bunianiisburg (ungefähr in der Mitte zwischen Hamm und Linien) am besten erhalten ist. Hölzernianii erklärt sie für ein Römerkastell, Schuchhardt dagegen für eine frühmittelalterliche Herrenburg fränkischer Banweise Ebenso weist Schuchhardt mehrere fiir römisch gehaltene Kastelle an der Ems den Franken zu, außerdem die Heisterburg am Nordabhange des Siintel, die Wittekiiidsburg bei Rulle Oiördlich von Osnabriick) und andre. »Der Typus (dieser Burgen) ist offenbar von Westen her impor- tiert. Die Heisterburg scheint das letzte östliche Beispiel zu sein.« Von den oben aufgezählten fränkischen Lagern erwähne ich hier eingehender das von Dr. Schuchhardt (in1 Atlas vorg. B. in N. Heft Vl) beschriebene Lager Karls des Gr. »auf dem Höh- beck« bei Gartow an der Elbe. Die Verschanziingeiy welche in den Annalen »Kastell Hohbuoki« genannt wird und gegen die ..93—

Wilzen gerichtet war, liegt auf einem 72 Meter hohen Rücken unmittelbar an der Elbe und ist teils durch diese, teils durch Bäche mit weitem Überfchweinmungsgebietgedeckt. Die »Schanze« ist ein Rechteck von 165 Meter Länge und 65 Meter Breite. Der Wall mit vorliegendem Spitzgraben ist nur an der Westseite völlig erhalten. Bei den Nachgrabungen (Juli 1897) fand man auf dem gewachsenen Boden als Fundaiiient für den Wall eine 4 Meter breite Lage gärizlich verkohlter Holzstämme. Über ihnen war der ganze Wall eine Brandmasse Jn dieser erkannte man viel- fach Spuren von Flechtwerk und eingelagertein Holz. Der Wall hatte eine aus Holz, Lehm und Flechtwerk erbaute Mauer getragen, welche später durch Brand veruichtet wurde. Damit stimmt auch eine Stelle der Lorscher Annalen zum Jahre 789, wo erwähnt wird, daß Karl der Große zwei Briicken über die Elbe baute, deren eine er beiderseits durch vorgelegte Kastelle schiitzte, welche ans Holz und Erde erbaut waren. Steine gibt es uämlich dort in der ganzen Gegend nicht, und wenn solche gebraucht werden, läßt man sie aus Sachsen kommen. Die zahlreich gefundenen Scherben entsprachen der Karoliiigischen Periode. In Zusammen- hang mit dein Briickenbau dürften zwei dammartige Aufschiittiingen von Steinen stehen, welche dort durch die Elbe laufen. Es ist somit klar, daß dieses Lager trotz seiner durchaus den römischen Vorbildern entsprechenden Formen, sicher den Franken zugeschrieben werden muß. - Von den Kastellen an der Lippe erkennt Schuchhardt nur das zu Haltern (zwei Tagemärsche von castra Vetter-a) als römisch an. Jedenfalls sind Kastelle mit befestigten Prätoriem wie ein solches z. B. die Bumaniisburg zeigt, nicht mehr den Römern, sondern den Franken zuzuweisen. Jn unserm Gebiet begegnen uns vier Gruppen von Lagernx altgermanische sächsische, römische und fränkische Die altgerma- nischen Ziingwälle stellen natiirlich die am wenigsten entwickelte Form dar. Auch die Sachfen liebten noch für Befestigungen isolierte Höhen, auch sie gestalteten den Grundriß nach dem Höhen- rande Doch findet sich bei den Sachsen bereits Manertverb in welchem Falle dann eine Verwechseliiiig mit altgerinanischen Werken völlig ausgeschlossen bleibt. Von den römischen und fränkischen Lagern findet sich keines auf isolierter Höhe; ihr Grnndriß ist unabhängig von etwaigen Kanten des Bodens und zeigt regelmäßige, meist rechtwiiikelige Formen. Die Gräben sind ..94.. Spitzgräben und liegen außerhalb des Walles, während bei den sächsischen Burgen der Graben oder einer der Gräben meist inner- halb des Kastelles liegt. Bezeichnend für sächsische Burgen sind auch vorgelagerte kleinere Befestigungslinien, welche bald aus deutliche1n Wall und Graben bestehen, bald nur Terrassen sind, welche offenbar Verhaue tragen. Höchst wichtig als weitere Bürgschaften für die richtige Deutung eines Lagers sind natürlich Kleinfunde, selbst nur Topf- scherben. Die Kenntnis der alten Töpferwaren hat inzwischen so bedeutende Fortschritte gemacht, daß Reste derselben für Zeit- bestimmungen annähernd so verwertbar sind wie Münzen. Indem ich im übrigen auf die Originalveröffentlichungen des Herrn Dr. Schuchhardt hinweise, füge ich hier noch die wichtigsten Ergebnisse seiner Untersuchungen des Tönsberglagers bei Orling- hausen hinzu. Schon der verewigte Superintendent Weerth in Orlinghauseih durch welchen bereits vor einem Menschenalter die Aufmerksamkeit weiterer Kreise aus jenes Lager gelenkt wurde, erklärte es für sächsisch Ebenso Hölzermann Später veröffentlichte Dr. August Deppe eine Schrift, in welcher er das Lager für römisch und ins- besondere für das vielgesuchte Sonimerlager des Varus erklärte. Mir ist nicht bekannt, daß Deppe mit dieser Ansicht Glück gehabt hätte. Dr. Schuchhardts Untersuchungen fanden 1892 und 1897 statt und ergänzen Hölzermanns Arbeiten um sehr wichtige Einzel- heiten. Wie bei der altsächsischen Skidroburg (jetzt Herlingsburg) liegt ein Graben auf der Jnnenseite des Kastells Der Wall des Tönsberglagers trägt eine starke Mauer. Diese sitzt oben auf der losen Wallschüttuiig und greift nur 30 Centinieter in diese hinein. Der Wall dacht sich nach beiden Seiten gleichmäßig ab. Die Aufgänge sind durch mehrere vorziehende kleinere Linien ge- deckt, welche bald deutlich aus Wall und Graben bestehen, bald nur Terrassen darstellen, welche offenbar Verhaue tragen. Solche Vorwerke sind, wie bemerkt, nach Schuchhardt gerade für sächsische Burgen charakteristisch. Hölzerinanii hielt diese Wälle für Reste einer altgernianischeii Befestigung, welche später von den Sachsen mitbeniitzt worden sei· Die Burg hatte zwei Thore, das eine an der Nordwestecke, das andere in der Mitte der Südseite. Diese stimmten in ihrer Bauweise genau überein mit einem auf der ganz unzweifelhaft sächsischen Hoheusybiirg gefundenen. Die Thore hatten nämlich —95— parallele gemauerte Wände, welche an ihren beiden Enden Vor- sprünge gegeneinander senden.1) Das Thor an der Nordwestecke zeigt auch in der Mitte solche Vorsprünge Schuchhardt sagt: »Im Gegensatz zu den stets glatten Wänden der römischen Thore, mit denen auch die (fränkischen Kastelle) Wittekindsburg und Heisterburg übereinstimmen, sehen wir also hier schon das mittel- alterliche Prinzip eines mehrfachen Verschlusses (Mansefalle, Fall- gatter) entwickelt« (Zeitschr. d. h. V. f. Nied Jahrgang 1892.) Überhaupt haben sich nach Schuchhardt »die mittelalterlichen Burgen nicht an römische, sondern ganz an die sächsischen Volks- burgen angeschlossen: mit ihrer Benutzuiig des Terrains, mit ihren Thorfallen und mit dem Zwinger, der sich aus den alt- sächsischen Vorwällen am Thore entwickelt hat. Auffällig ist, daß die Sachsenburgen sich gar nicht vom Römertuin beeinflußt zeigen· Woher der Typus stammt, müßte man durch Vergleichung der keltischen Volksburgen in Frankreich und der angeIsäcIJsischeU in England aufzuklären suchen-« (Weserztg.) Zu diesen Worten Schuchhardts möchte ich mir eine Be- merkung erlauben. Jch bin der Meinung, daß man noch die Frage stellen muß, ob auch auf deutschem Boden unter den Be- festigungen der Urzeit nicht noch weiter zwischen germanischen und keltischen unterschieden werden könne. Daß Süddeutschland bis zu Beginn der historischen Zeit von Kelten bewohnt war, dürfte wohl kein philologisch gebildeter Forscher leugnen, und die sprach- wissenschaftlichen Gründe Piülleiihoffs für die Hypothese, daß auch Norddeutschland eine keltische Urbevölkerung gehabt habe, können doch wahrlich nicht so leicht von der Hand gewiesen werden. Dazu tritt ja auch neuerdings August Meitzen in seinen »Siedelungen 2c.« mit ganz neuem Rüstzeug auf Seiten Müllenhoffs indem er be- kanntlich die nordweftdetitscheii Einzelhöfe für eine Erbschaft aus der Keltenzeit erklärt. Die Grabfunde in Deutschlaud gestatten bis jetzt nicht die Schichtuiig zweier Gruppen von Formen zu erkennen, welche sich auf Verdrängung eines frühern Volkes durch · eindringende Germanen beziehen ließe. Aber die ältesten Be- 1) Drei Thore gleicher Anlage fand Baurat Biermann bei Untersuchung der Wallburg zu Gellinghausem bei skirch-Borchen, Kreis Paderborn (Mit- teilungen der Altertums-Kommission für Westfalen, Heft l, 1899). Biermann ergänzt und berichtigt Hölzermanns Beschreibung dieser Befestigung in mehreren wesentlichen Punkten. Hitlzerinaiins Annahme, daß die Burg sächsischen Ur- sprungs sei, wird aber durch die Einrichtung der Thore bestätigt. .—96-.

festignngen verdienen noch einmal daraufhin geprüft zu werden, denn es ist kaum denkbar, daß die Kelten sich hätten verdrängen lassen ohne Spuren ihrer Gegenwehr« zu hinterlafsen. Vielleicht find keine Unterschiede in der Konstruktion zu ent- decken, aber Kleiufnnde könnten Aufschluß geben. Als Vorsteheudes schon geschrieben war, hatte ich Gelegenheit, Herrn Dr. Schuchhardt gegenüber mein eben erwähutes Bedenken brieflich geltend zu inacheu Derselbe erwiderte darauf unterm 20. November« 1899: »Jn den letzten Jahren ist man bei den Limesgrabungen doch schon zu der Überzeugung gekommen, daß eine Menge vorrömifcher Dinge, die dort begegneten, keltifch sein müßten. « Zugleich über- sandte mir Herr Dr. Schuchhardt die Abhandlung eines badischen Forschers (Schumacher), welcher in seiner Heimat eine befestigte keltische Ansiedeltiiig aus dem zweiten oder dem Anfang des ersten Jahrhunderts vor Chr. anfgedeckt hat. Zu meiner größten Über- raschung war die Uinwallnng quadratisch mit vorgelegten: Spitz- grabenl Unter den Kleinfniideti war kein Stiick römisch Alle wiefen auf die keltische La Teneknlturx Ohne diese Kleinfuiide wäre die Befestigung sicher für römisch gehalten worden. Also eine neue Mahnung zur Vorsicht nach einer ganz unerwarteten Richtung hin. » Wenden wir uns nun wieder dem Orlinghaiiser Lager zu. Schuchhardt fand im Innern desselben ein sehr sorgfältig her- gestelltes steinernes Quellhaus und nicht weit vom Westthore Hausmanern von dreiviertel Meter Stärke. Sie stellten ei11 großes Rechteck von 20 zu 6,70 Mieter lichter Weite dar, das aber jeden- falls noch Junenabtciliiiigen hatte. ,,Dazn zeigte sich dieselbe schwärzliche, an der Anßenseite mehr rote, dicke rohe Topfware mit vielen Kieselstiickchen im Thon, wie sie auf Heister- und Witte- kindsburg die Hauptmasfe bildet« (Die beiden letztgenatinten Burgen sind zwar fräukisch, entstanmieic aber derselben Zeit) — »Auch die sog. Hünensaut auf dem Evertsberg, eine Stunde westlich von dem Lager entfernt, wurde von Schuchhardt unter- sucht. Die von ihm gefundenen Topfscherben wiefen ebenfalls anf die karolingische Zeit, so daß die seitherige Ansicht: die Hünenfaiit sei eine zu dem Lager gehörige Hochwartg aufs neue bestätigt wird. Schuchhardt nennt das Tönsberglager den »vollendeten Typus eines Sachsenlagers ans Karls des Großen Zeit, welches wohl sur die Schlacht bei Detmold gebraucht wurde« —97.. Gleichzeitig mit diesen wichtigen Untersuchungen Schuchhardts, welche die Altertnmskunde Westfalens auf eine viel gesichertere wissenschaftliche Grundlage stellen, wurde eine neue Organisation der Forschungsarbeiteit überhaupt in unsrer Provinz angebahnt, welche ebenfalls mit Freude und berechtigten Erwartungen zu begrüßen ist. Am I. Januar 1896 beschloß der »Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfaletis« eine besondere Altertumskommission einzusetzen, um Forschiingen durch Ausgrabuiigeri systematisch zu fördern. Dieser Koniniifsioit gehört auch Direktor Schuchhardt an; er übernahm perfönlich die Untersuchring der wirklichen oder ver- nieintlicheii »Römerlager«. Bis jetzt sind bereits untersucht: die Bumannsburg das Dolberger Lager und das Lager auf dem St. Annenberg bei Halterm sämtlich an der Lippe. Die Ergeb- nisse waren so wichtig, daß die Generaldirektion des Kaiserlichen archäologifchen Instituts (Dir. Conze) reichliche Geldmittel zur Fortfetzung der Untersnchuiigeti zur Verfügung stellte. Zugleich wurden diese Forschungen, wenigstens soweit sie sich auf die Be- ziehungen der Römer zu den Germanen erstrecken, zugleich der Anfsicht einer Reichskoniniifsion unterstellt, welche aus den hervor- rageiidsteii Sachverständigen gebildet ist. Die Ansgrabungen bei Haltern waren so überrascheiid und wichtig, daß sich vielleicht das dort untersuchte Römerlager als das vielgesuchte Kastell Aliso erweist. Die erwähnte Reichskommission war am 23. und 24. November dieses Jahres dort versammelt, um die Befunde zu prüfen und ein Urteil abzugeben, welches mir zur Stunde noch nicht bekannt ist. Es liegt im Plan, diese Reichskotnmisfioii zu einer dauernden Einrichtung zu gestalten. Durch diese neue Organisation wird es endlich möglich sein, bewährte Autoritäten an die Spitze zu stellen, welche einen einheit- lichen Plan in die Forschung bringen, die einzelnen Aufgaben formulieren, die Angriffs-Punkte für die Arbeiten anweisen und vor allem die Ergebnisse nachprüfen. Die kleine Lokalforschiing wird dadurch nichts weniger als überflüssig werden, sondern erst recht zu Wert und Geltung gelangen, wenn die Träger derselben sich gewöhnen, auf kühne Hypothesen zu verzichten und sich willig und liescheiden einem großen Niechanisiniis lediglich als dienende Glieder einordnen Welch vielversprecheiide Aus-blicke in die Zukunft die eben erwähnten Auskxrabringen bereits eröffnet haben, dürfte insbesondere l —98- durch einige briefliche Notizen (vom Z. November 1899), welche ich ebenfalls Herrn Dr. Schuchhardt verdanke, erläutert werden. Er schreibt: »Wohl das Wichtigste, was bisher bei uns gelungen ist: die Ausgrabungen bei Halterm haben sich besonders letzte Woche so entwickelt, daß das Kastell auf dem Annaberge nichts anders sein kann als Aliso. Jch habe den ganzen Umfang fest- gestellt und ein mächtiges Dreieck gefunden von 350 Meter Seiten- länge, größer als die größten Kastelle am Li1nes. Die Saalburg kann gerade zweimal darin stecken und das größte, Niederbiebey immer noch f2mal. An dies Kastell schließt sich dann eine bürgerliche Ansiedelung, die wir 20 Niinuten weit gegen Haltern hin verfolgen konnten. Die zwei Wohnstättem welche wir bis jetzt ausgebeutet haben, lieferten uns zwei Silbermünzenaus den Jahren 82 und 54 vor Chr., mehrere Bronzeniiitizen von Augustus, schöne Bronzefibelm zwei Pila von Eisen, feinstes Niillefioriglas eine Menge Gefäße aus Terra sigillata mit Stempeln der angusteischeit und früherer Zeit und Waschkörbe voll gewöhnlicher Thon- und Eisenware Alles Bestimmbare ist augusteisch oder älter.« Hieran knüpft sich nun eine Begründung der Ansicht, daß das Lager« bei Haltern das vielgesuchte Aliso sei. Weiteres zu veröffentlichen halte ich mich nicht für berechtigt, aber ich will nicht schließen, ohne dem unermiidlichen und verdienstvollen Forscher für die Fortsetzung seiner Arbeiten ein herzliches Glück auf! zuzurufen

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bemerkenswert erschienen. Nachfrageih von wem das Heft ge- schrieben und wie es in die Familie Hobelniann gekommen, blieben erfolglos. Die letzte Aufzeichnung ist vom Jahre 1813, lautendx Jm Jahr 1813, den Zten November am Mittwochen Vormittag kam zu Bielefeld der Russische General Costnikow mit 18 Mann Kosaken, den Abend kam hier der Rnssische General von Stahl mit einem ganzen Regiment Kosakeiy am Donnerstag den 4ten kam wieder ein Regiment Kosaken, als am Freitage den 5ten kam hier der Preußische Major von Arnheim mit zwei Eskadroiis Husaren vom Regiment von Borstel, als am Sontage den 7ten und 8ten kam hier der Russische Prinz von Winzingerode mit 40 Tausend Mann. —— Schubart, der im Jahre 1813 den Ein- marsch der Trnppeii mit angesehen hat, gibt in seiner Beschreibuug der Stadt Bielefeld vom Jahre 1835 fast dasselbe an, doch die genaue Auszeichnung der Befehlshaber und der Zahl der Mann- schaften läßt annehmen, daß man in dem Verfasser des Heftcheus einen Mann zu erkennen hat, der mit militärischen Verhältnissen vertraut und ebenfalls Augenzeuge gewesen ist. Der Verfasser ergeht sich außerdem in Einzelheiten beziiglich der Befehlshaber nnd der Feldzüge, in welchen die Truppen hiesiger Stadt mit thätig gewesen sind. Auf eine an sich selbst gestellte Frage: Jn welchem Jahre das zu Bielefeld die Generals bei das Regiment gekoyigiken sind, gibt er die Antwort: 16853 Ob. Ptu (Oberst Prinz) v! Curland,« pl« nor Ofen; 1685 dessen Bruder Pr. Ferdinand, verließ de11·b«r(1.-Ei.-Die1ist; 1690 G. M. (General- Major) v. Heiden, nahm als VI« «««««i-Eci-.d. Enfanterie den Abschieky 1741 1708 Erbp. Friedrich von ,.«J«s,·» — cVsxMmxitpidis· als» König von Schweden starb, trat e L, Um« dessen Brut-er G. M. Prinz Georg von Hessen-Cassel, verließ den Dienst als Gen. v. I. Ins; 1730 Ob. Fürst Dietrich von Anhalt-Dessau, dankte als G. F. M. · (General-Feldmarschall) ab. Wir treten jetzt mit dem Verfasser in die Zeit Friedrichs 1l., und da führt er aus: ,,Friedrich der Große hat 4 Feldzüge gemacht, der erste beim Antritt seiner Regierung 1740. Damals ist das Reginient zu Bielefeld ausniarschiert mit dem General Fürst Diedrich Anhalt von Dessau. Der zweite 1745 wieder mit dem General Fürst Diedrich Anhalt von Dessau, zum dritten mahl als der siebenjährige Krieg 1756. Da ist das Regiment zu Bielefeld ausmarschiert mit dem General von Kuobeloh Jn dem Kriege haben sie noch den General von Baumwitz bekommen. 1763 sind 7sk ——100—— sie wieder einmarschiert mit dem General von Mosel. Der 4te als der Bairische Erbfolgekrieg, da ist das Regiment zu Bielefeld 1778 den 13. April ausmarschiert mit dem General von Peters- dors, und 1779 den 14. Juny wieder einmarschiret mit dem General von Petersdorf. Nun sind Friedrich seine Feldzüge ein Ende. 1768 im Monat Juni ist Friedrich der Große zum letzten mahl zu Bielefeld gewesen, und hat die Revue gehalten hinter Brackwede auf der Heide, mit 3 Regimenter aus dem Hamny aus Bielefeld und aus Minden, und der König hat die Zeit logirt bei dem Pastor Redekcr zu Brackwede, und sein Kronprinz bei Knebel in Brackwede, und die Regimenter haben gestanden aus dem Hamm den rechten Flügel, aus Bielefeld die N?itte, aus Minden den linken Flügel. Und der General Petersdorf war kürzlich angekommen zu Bielefeld bei das Regiment, und bei der Revue war er noch Oberster« »Nach Petersdorf ist der General Stwolinsky gekommen, und nachher der General Marwitz, der ging mit nach Holland, da ist das Regiment den 17. August 1787 aus Bielefeld marschiret, und wieder 1788 im Monat Mai einmarschiret mit dem General v. Marwitz, und nachher ist der General von Romberg gekommen, der ist den 5. November 1789 mit dem Regiment nach Süd marschiret und wieder den 12. November 1790 einmarschiret. Jm Jahre 1792 d. 24. Juni ist das Regiment mit dem General v. Ro1nberg nach Frankreich marschiret. Jm J. 1795 im Monat Nov. mit dem General v. Romberg wieder einmarschiret. Nun sind Friedrich Wilhelm II. seine Feldzüge zu Ende. Nach Romberg ist der General v. Burghagen gekommen, der ist wieder gestorben bei dem Ausmarschiren 11ach Emmerich, da kam der General v. Besser, nach Besser ist der General v. Wedel gekommen, das ist der letzte bei dem Regiment gewesen. Jm J. 1806 d. 14. Oft.

ging bei Jena alles verloren. — — —« Höchstwahrscheinlich hat man in dem Verfasser einen Mann zu suchen, welcher als Offizier bei dem Regimente war, auch mit in der Revue bei Brackwede stand, nnd von 1778 an, von wo er die Tage der Aus- und Einmärsche genau angiebt, die meisten Feldzüge mitgetnacht hat, vielleicht auch noch mit bei Jena war. Der Ausbruch des Schmerzes über die Zertriiiniiierung seines Vaterlandes gestattet die letztere Vermutung. Er sah aber auch die Erretter ans der Knechtschast im Jahre 1813 wieder einziehen. —101— Osterfeuer. Von Its. Weddigen

Erblickt man am Abend des ersten Ostertages auf einer An- höhe stehend die große Anzahl der Freudenfeuer, welche hie nnd da auflodern und verglimmen, so denkt man kaum, daß ein harm- loses Vergnügen, wie es jetzt ist, in früherer Zeit von seiten der Regierung in einem andern Lichte hätte beurteilt werden können. Welche Gebränche damals dabei geübt worden sind in hiesigen Landen, wissen wir nicht, da davon keine Kunde auf uns über- gekommen ist. Ein starker Aktenband von der Stadt Gehölze, Hude und Weide enthält unter anderm eine im Jahre 1698 von der Stadt Bielefeld erhobene Klage gegen einige Brackwedische Leute, welche das Holz aus dem der Stadt zustehenden Anteil der Brackwedischen Berge geholt und ein großes Osterfeuer errichtet hatten. Auf diese Beschwerde ergeht eine Verfügung des Landdrosten Clamor v. d. Bussche: »daß Se. Churfürstl. Durchlaucht gnädigst und ernstlich befohlen habe, gestalt die Osterfeuer zu machen, sowol wegen rniniruiig des holtzes, als andere Gottlosigkeih so dabey gemeiniglich vorzufallen Pflege, gäntzlich solten abgestellet seyn«. Die Übelthäter wurden jeder bestraft mit «2 Goldgulden und dem Ersatz des Schadens von 50 Thlr Man war zu jener Zeit langsam in der Handhabung der Gesetze. Jm Jahre 1699 hatten die Brackwedeu gegen das strenge Verbot des Lauddrosten, sich wieder das Vergnügen gestattet, ein großes Freudenfeuer anzu- zünden. Das Vergehen vom vorigen Jahre war noch nicht zum Austrage gekommen, die Stadt hatte noch nicht den Schadenersatz erhalten; auch noch nicht 1700, wo wieder ein mächtiges Oster- feuer die Berge erleuchtete. Es waren des Churfürsten getreue Leib-Eigenbehörige, wie sie sich nannten, die dieses thaten; der Unter-Vogt im Orte konnte wohl nichts gegen den Unfug machen, weil der Landdrost, sein Vorgesetzter, keine Anstalt machte, durch- zugreifen. Auf eine Beschwerde und dringende Bitte direkt an den Churfürsten erhielt die Stadt zum Schutze ihrer Holzungen das Holzgericht und zog vom Jahre 1700 an die Holzfrevler vor das Stadtgericht. Der Landdrost warnt die Brackweder im Jahre 1702, Osterfeuer anzuzündem bei Strafe von 100 Goldgulden. Es —102——— hatten diese Verfügungen für die Grafschaft Ravcnsberg wie auch fiir das Fürstentuin Pdinden Gültigkeit, wie ein im Jahre 1716 crgangener Erlaß aufweist. »De1nnach man in mißsällige Erfahrung gebracht, das ob zwarn vorhin verschiedentlich und bei) Vermeidung schwerer Straffe die so genaudte Ofter-Feucr verbohten, dennoch von einigen, sonderlich auffm Lande darwieder gehandelt, große Haufferi Holtz und Stroh nicht ohne Gefahr der umliegenden Häuser und Scheuren des Abends angezündet, dabei) allerhand Muhtwillen und Bosheit ausgeiibeh 1ind die zur Andacht gewidmete Zeit schändlich und ärgerlich zugebracht worden; Solchem höchst-straffbahren Un- wesen man aber Obrigkeitlichcn Ambts wegen zu steuren verbunden ist: Als wird hiermit jederuiäiiiiiglich erinnert und gewarnet, so wenig vor sich als durch die Seinige ein Oster-Feuer anlegen noch Holtz nnd Stroh dazu sammeln zu lassen, oder zu gewärtigen, daß derjenige, so sich dergleichen ferner und wieder Geboht unternehmen, auch nur dabei) zusehen würde, daferne er eine NiannespPersohn zum KarwSchieben nach der Vestung, die Weiber und Llliägde aber, so dazu helffen würden, in das Zucht-Haus; gebracht werden sollen. Wie dann alle und jede Beambte und Unterdienern hie- durch befehlichet werden in ihren Distrikten fleißige Acht zu geben, daß diejenige so dawider handeln, behm Kopfe genommen, und zur Bestraffriiig herein gesandt werden mögen. Wornach sich ein Jeder zu achten und für Schaden zu hüten. Uhrkiindlich ist dieses Icdict unter der Regierung Jnsiegel ausgefertigt und dabei verordnet, daß selbiges alljährlich am Sonntage Palmarum von allen Cantzelii abgelesen, und an gewöhnlicheii Orten afkigiret werden soll. Gegeben Minden, den M. lslurtji 1716. An Statt und von wegen Sr. KönigL Tllkajestät in Preußen, unsers allergnädigsten Herrin« Es ist zu verwundern, das; trotz der Lliikiiiidigiiiig solcher harten Strafen das Lliiziiisideii der Osterfeuer hat fortdauern können, und man hat anzunehmen, daß die Lliiitiiiäiiner und Vorsteher auf dem Lande sich nicht in die Ansicht hinein finden konnten, ein harmloses Vergnügen für eine Frevelthat anzusehen. —103—

x Eva. Aber Gobelinug perform nnd Grafen Wilhelm den jüngern von Berg und Ravengberg grad; Hcriumm Ave-is. Westsiicische Zeitschrift, Bd. 57 (1899).

Herniaiiii Llbels schildert an vorgenannter Stelle das Wirken des Gobelinus Persona als Paderborner Reformators, sowie seinen Bcschiitzeiz den erwählten Bischof von Paderborn, Grafen Wilhelm von Berg, welcher zugleich Graf von Ravensberg war. Wir ent- nehmen dem sehr beachtenswerten Aufsatz einige Stellen, welche für Bielefeld lokalgeschichtliches Interesse haben. Gobelin war 1358 geboren (höchst wahrscheinlich in Pader- born), wurde 1386 in Rom, wo er studierte, zum Priester geweiht. (Daß er auch in Erfurt studierte, vergl. obige Zeitschrift Bd. 52 S. 77, erwähnt Abels nicht.) Er wurde Official (Generalvikar) des Fiirstbifchofs Wilhelm von Berg und starb als Augustin«- möiicls zu Böddeken im Jahre 14251 —- Graf Wilhelm war schon mit 20 Jahren zum Bischof gewählt und vom Papst bestätigt worden, doch erlangte er niemals die Weiheir ,,Er entwickelte eine bewnnderunkzsiviirdigeThatkraft und war von dem redlichsten Streben nach Abstellung der Mißstände beseelt, eine fittenreine Natur nnd von einem für sein Alter seltenen Ernst« Er fand an Gobelinus einen Geistesverwandteih aber beide scheiterten mit ihren Reformpliiiien Besonders verhängnisvoll waren für beide die Streitigkeiten mit dem einflußreichen Kloster Abdinghof Schließlich war sogar Gobelins Leben bedroht. Deshalb verlegte Graf Wilhelm 1411 das Officialat nach Bielefeld, wo auch Gobelinus fortan seinen Wohnsitz nahm. Jm Jahre 1415 ver- zichtete Wilhelm von Berg auf das Bistuin Paderborn zu Gunsten Dietrichs von V2örs, welcher zngleich Erzbischof von Köln war nnd heiratete (141;")) dessen Nichte Adelheid von Tecklenburg Das Ehepaar residierte in der Grafschaft Aiavensberg Graf Wilhelm und seine Gemahlin liegen in der Neustädter Kirche zu Bielefeld begraben, wo ihr Denkmal noch zu sehen ist. Graf Wilhelm war Bischof von Paderborn von 1401—141D, Regent von Ravensberg von 1405—1428. Jn letzterer Stellung folgte ihm von 1428 bis 1437 sein Bruder Adolf, dann aber sein (Wilhelms) Sohn Gerhard. —1o4—

Unter dem neuen Bischof blieb (höchstwahrscheinlich) das Offi- cialat in Bielefeld. ,,Es wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, daß Gobelin von Dietrich von Mörs in der Stellung als Official bestätigt sei, aber auch das Gegenteil wird nicht überliefert, so daß wir wohl mit aller Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, daß er das Amt auch weiterhin versehen habe. Ein Zeichen besonderer Wertschätzung ist es ferner, daß der Administrator ihn zum Dechanten des Kollegialstiftes an der Neustädter Kirche zu Viele- feld ernannte, nnd ein Beweis hohen Vertrauens, daß ihm von demselben Administrator unter dem 11. Februar 1416 der Auf- trag wurde, als bischöflicher Bisitator die Kirchenzucht in der Diöcese Paderborn herzustellen. Der reformatorische Geist, welcher ihn von Jugend an beseelte, hatte also auch im Alter bei Gobelin nicht nachgelassen, und sicherlich war es für den ernsten und rast- losen Mann die schönste Krönung seines Lebens-makes, daß er Gelegenheit hatte, für die kirchliche Ordnung, der er sein ganzes Leben geweiht, im ganzen Bistum thätig sein und den Rest seiner

Kräfte opfern zu können . .. Der Ausgang des Konzils von Konstanz entsprach seinen Erwartungen nicht, indem es zwar dem päpstlichen Schisma ein Ende machte, aber die innere Erneuerung der Kirche nicht in dem Umfange herstellte, wie Gobelin es ge- wünscht und erwartet hatte. Diesem Mißmute gibt er am Schlusse seines Cosmodromium scharfen Ausdruck und legte dann am

1418 die als . . 1. Juni Feder Chronist seiner Zeit nieder . Bald nachher verzichtete er auf seine Ämter und zog sich in die Schöpfung zurück, welche ihm in seinem ganzen Tagewerke allein zur Be-

war: . . friedigung gelungen in das Augustinerkloster Böddeken . Als einfacher Mönch ist er dann 1425 gestorben und hat in Böddeken seine Grabstätte gefunden« Gobelinus Persona ist in gewissem Sinne eine tragische Per- sönlichkeit. Boll edlen Strebens unterlag er im Kampf mit der Verderbnis einer verrotteten Zeit. Die wenigen Jahre des Ver- kehrs mit feinem Gesinnungsgenossen, Beschiitzer und Landesherrih dem Grafen Wilhelm zu Bielefeld, mögen eine Erquickung in seinem, an Enttäiischungen so reichen Leben gewesen sein. Leider scheint sich kein bleibendes Erinnerungszeichen an diesen Verkehr erhalten zu haben, und an dieser Stelle ist die Phantasie nicht berufen, die Lücke anszufüllein —- 105— Befestigte Zufluchtgörter auf jBaueruhöfeu. Von Professor Dr. J. Wilbraitd in Bielefeld

Bereits im Jahre 1898 schrieb mir Herr Prof· Dr. Weerth in Detmold: »Jch habe seither viel in alten Salbüchern gearbeitet und dabei eine Notiz gefunden, die vielleicht für Sie nicht ohne

Interesse ist. —- Wie auf zahlreichen lippeschen Höfen, befand sich auch auf dem Meierhofe zu Sieker eine sog· ,Burg«, d. h. ein Steinbau, der den Bauern, wie den Rittern der Bergfried, als letzte Zufluchtsstätte diente. 1780 war die Burg nach dem Sal- buche noch vorhanden; ob sie jetzt noch steht, werden Sie leicht erinittelii können« Jch bat einen Mittelsmamy auf dem Hofe Erkundigungen einzuziehen und erhielt den Bescheid: gegenwärtig existiere auf dem Hof nichts Derartiges, und man wisse von der »Burg« nichts mehr. — Wie wir weiter unten sehen werden, erwies sich der zweite Teil dieser Nachricht als irrtümlich. Nun fand ich einige Zeit später in der »Westf. Zeitschrift« Bd. 57 Seite 130 folgende Mitteilung des Herrn Direktors Dr. Darpe (Coesfeld): »Es sei hier bemerkt, daß meine Ver- mutung (vergl. genannte Zeitschrift Bd. 53 S. 123) betreffs der turmartigen Speicher auf den Haupthöfen mehr und mehr sich bestätigt( Diese Burgspeicher dienten im Kriegsfalle, wie einst der Jnnenring deFMngburg, zur Bergung kostbarer Habe. (l)r. Darpe erwähnt einen solchen auf Borg1nanns Hofe bei Coes- feld, welcher aus Quadern erbaut und anßennnit fester, näge1- beschlagener Eichenthür nur mit SchießschartewOffnutigen versehen ist.) Sie waren daher mit cisternenartigen Gruben im Innern versehen (wie eine solche auch der Borgmannsche Burgspeicher noch enthält). Und nicht bloß Sagen über dort in der Tiefe ge- borgene Kostbarkeiten erhielten sich (wie auf dem Borgmannschen Hofe), sondern man fand deren auch, wie z. B. 1854 auf Schulze Temmiugs Hofe im Kirchspiel Billerbeck beim Abbruche eines solchen Speichers in zwei irdenen Töpfen 84 Gold- und 420 Silbermünzen aus dem zwölften Jahrhundert— ein Beleg für das Alter dieses Burgspeichers Auf Schulze Hillerts Hofe bei Coesfeld enthält der .tur1na»rtj«cge, über der Eicheiithür mit einer Schießfcharte versehene Speicher, außer Bodenversteckem im —-106——

Giebel ein letztes, nur durch Druck auf ein Brett zu öffnendes Dachversteck.« Vorstehende Mitteilungen der Herren Weerth und Darpe ließ ich nun in der »Westfiilischen Zeitung« (Bielefeld) abdrucken und verband damit die Anfrage, ob sich im Ravensbergischen noch Spuren ähnlicher Einrichtiingeiy oder doch mindestens die Über- lieferung von solchen erhalten hätten. Darauf hin erhielt ich in Bezug auf die von Herrn Prof. Weerth eingangs erwähnte »Burg« von der verwitweten Frau Meier zu Sieker folgende interessante LJlngaben: »SJ)?ein 9J2ann, der 1819 geboren war, erinnerte sich noch sehr gut des niächtigen Steinbanes, ans großen Blöckeii gefügt mit ziemlich flacheni Dache, mit Schießschartem einer niedrigen Thiir aus starken eichenen Buhlen, mit schweren eisernen Beschlägen Jn dem Bau befanden sich eiue Cisterne und Ver- stecke, doch hatte bereits der Großvater meines VJkaunes die Cisterne zuschütteii und die Verftecke vermauern lassen, um den Jsnnenraum zu landwirtschaftlicheu Zwecken zu benutzen. Die Burg ist dann bei einem Neubau und der damit verbundenen U1nlage des Hofes abgebrochen worden. Mit ihr fiel die alte Linde, neben welcher der Meier in früher-n Jahrhunderten durch Rechtsspruch die Streitigkeiten der Gemeinde Sieker zu schlichten pflegte. Die Erwähnung der Burg in den lippifchen Salbüchern erklärt sich wohl daraus, daß der Hof, welcher seit dem zwölften Jahrhundert in der Familie meines Mannes weitererbte, bald unter lippischer, bald unter bischöflicher Oberhoheit gestanden hat, bis er mit mehreren andern lippischen Höfen in preußischen Besitz» überging Die Pergamenturkundeii aus den verflossenen Jahrhunderten sind leider bei einein Brande des Wohnhauses in Sieker sämtlich zu Grunde gegangen.« Von andrer Seite wurde ich auf die Schrift von Hermann Hartmantix »Bilder aus Westfalen« (Osnabrück, Rackhorst 1871) aufmerksam gemacht, nach welcher solche befestigte Zufluchtsörter auf Bauernhöfen im Osnabrückscheu gar nichts Seltenes zu sein scheinen. Sie heißer: dort ,,—·Sszzzieker« (Sp»eichex), und ihre Be- schreibung stiniint ganz mit Obigem überein. Es handelt sich also ganz augenscheinlich um eine im Gebiet der Einzelhöfe weit ver- breitete Einrichtung für welche der Meierhof zu Sieker in unsrer engeru Heimat nicht das einzige Beispiel gerueseii sein wird. Jch bin auch ferner gern bereit, willkommene Arifkliirnrigen in dieser Angelegenheit für den historischen Verein entgegenzunehnieir —107———

Der sogenannte Römerkirchhof in Spiegelgbergeir. Von Professor Dr. J. Wilbrankk Vorgetragen im Historischen Verein zu Bielefeld am 1. Dezember 1899.

Jn Bielefeld und Umgegend hat sich die Überlieferung von einem Fund von Altertümerti erhalten, welcher vor Jahren in Spiegelsbergen gemacht wurde. Die Fundstiicke wurden seltsamer- weise wieder vergraben nnd zwar an einer Stelle, welche noch jetzt beim Volk »EJiömerkirchhof« heißt. Der Platz bietet gegen« wärtig nichts Bemerkenswertes mehr, ist aber als Zielpunkt eines lohnenden Spazierganges wohl zu empfehlen. Die Stelle des Herrenhanses der Familie von Spiegel darf als bekannt voraus- gesetzt werden. Zwischen diesem Haus und dem nebenstehenden Gebäude für die Dienftleute führt ein Fahrweg durch nach Groß- bockermann Folgt man diesem, so kommt man nach wenig hundert Schritten an einen Fahrweg, welcher rechts hinunter in die hinter dem Herrenhause befindliche Schlucht zur Senne führt. Diesen durch schönen Hochwald beschatteten Weg schlage man ein. Nach etwa einer Viertelstunde trifft er den alten von Vrackwede nach Orlinghausen führenden Fahrweg. Jn dem nordwestlichen Kreuzuiigswiiikel beider Wege fällt sofort ein großer, verwitterter Grenzstein mit dem Wappen und Namen der Herren von Spiegel auf. Der kleine Hügel, an dessen Rand der erwähnte Stein steht, ist der sog. Römerkirchhof Vielleicht mag der alte Grenzstein vielfach irrtümlich für einen Leichenstein gegolten haben. — Über die dort vergrabenen Altertünier konnte ich lange nichts Genaueres erfahren. Die Gerüchte waren zu unbestimmt, aber selbst in gebildeten Kreisen war der Glaube verbreitet, es habe sich um »rö1nische« Altertümer gehandelt. Wiederholt wurde mir ver- sichert, es seien auch Münzen dabei gewesen, ferner auch Waffen, namentlich aber Urnen. Erst im Sommer 1899 gelang es mir, einen Zeugen jenes Fundes zu sprechen, einen bejahrtett Wald- arbeiter, welcher auch bei Anlage des sog. Römerkirchhofes selbst mitgewirkt hatte. Der Mann versicherte, außer zerbrochenen »Töpfen« und Stiickcheit von Knochen habe er nichts zu Gesicht bekommen. Er stellte auf das bestimmteste in Abrede, daß auch Waffen, Münzen oder sonstwie metallene Gegenstände zu Tage —l08—— getreten seien. Diese Ermittelungen veröffentlichte ich in der hiesigen »Westfälischei1 Zeitung« (Nr. 152, 1899) und fragte an, ob vielleicht noch andre Zeugen Ergänzungen zu obigen Angaben liefern könnten. Diese erhielt ich auch in der That alsbald durch Frau Wilhelm Siekermann in Brackwede, deren erster Gatte, Herr Stellbrink, Förster des Herrn von Spiegel gewesen war. Bericht- erstatterin war damals noch junge Förstersfraru als etwa 1854 oder 1855 bei Arbeiten, welche ihr Elltaiiii zu leiten hatte, auf den Spiegelschen Besitzungen in der That ein erheblicher Urnen- fund gemacht wurde. Die genauere Fundstätte war nicht die jetzt Römerkirchhof genannte Ecke, sondern die Urnen stammten von verschiedenen Stellen jener Gegend. Sie wurden, da sie mensch- liche Gebeine enthielten, auf Anordnung des Herrn von Spiegel nach dem Hügel neben dem alten Grenzsteine geschafft und dort wieder beigesetzt Die Stelle wurde schön bepflanzt (Akazien haben sich bis heute erhalten) und mit Rasenbäiiken versehen. So ent- stand der »Römerkirchhof«, von dessen Romantik heute aber nichts mehr zu sehen ist. Berichterstatterin sah die Urnen selbst. Die meisten waren mehr oder weniger zerbrochen. So mag es sich auch erklären, daß Herr von Spiegel sie wieder eingraben ließ. Frau Siekermann erinnert sich mit Sicherheih daß einige Urnen durch wirkliche Deckel, welche einen Knopf zum Anfasfen hatten, verschlossen waren. Dies ist mir von besonderm Interesse, weil mir selber dahier noch keine derartige Urne zu Gesicht kam. Jn mehreren Fällen fand ich allerdings die Knochen mit großen, flachen Scherben überdeckt Diese stammten aber nicht von »Deckeln«, sondern von flachen Schüsseln, welche sich als solche wiederherstellen ließen. — Berichterstatterin bestätigte, daß unter den Fundsacheii keinerlei Gegenstände von Metall waren, insbesondere weder Waffen noch Münzen. Nun war es so gut wie sicher, daß es sich lediglich um die hier wohlbekanntenUrnen aus germanischen Hügelgräbern gehandelt habe, und daß die Annahme eines römischeii Ursprungs auf Irr- tum beruhe. Immerhin war noch der Beweis beizubringen, und die Erwerbung einer Urne mit Deckel wäre zngleich eine sehr schätzbare Erwerbung für unser Museum gewesen. Ich wandte mich daher an Frau Baronin von Spiegel mit der Bitte, eine Nachgrabung veranstalten zu dürfen. Nach bereitwilligst erteilter Erlaubnis fand diese am 21. Juli 1899 statt unter Leitung meines Kollegen, des Herrn Oberlehrers Dr. Schrader. Es war vielleicht ——109— der heißeste Tag jenes heißen Sommers, und das Ergebnis war der aufgewandten Mühe leider nicht entsprechend Die Stelle, wo die Urnen lagen, war nicht weiter bezeichnet, und man mußte auf der immerhin ziemlich umfänglichen Fläche des Hügels aus gut Glück tiefe Versuchsgräben ziehen. Erst gegen Schluß der Arbeit fand man einige Urnenscherbeii über einen Meter tief unter der Oberfläche Diese sind aber als wissenschaftliche Beweisstiicke aus- reichend. Sie stimmen durchaus mit den Urnen unsrer germanischen Hügelgräber überein, und der Legende von ,,römischen« Altertümern ist damit ein Ende gemacht. Für eine spätere Nachgrabung ist immerhin eine tiiitzliche Vorarbeit geschehen, indem die Stelle, wo die Urnen liegen können, jetzt enger begrenzt ist. Hoffen wir daher auf einen weitern Versuch.

ilber die Gräber im Garten der hermaicttghöye Von Professor Dr. J. Wilbrmtlr

Jm Garten der Hermannshöhe, nahe an dem früher zum Sparenberg gehörigen Kommandaritengarteih wurden im Herbst 1898 bei Ausschachtungen für einen Neubau allinählich vier mensch- liche Gerippe gefunden; im Sommer 1899 noch ein fünftes. Vielleicht liegen noch mehr dort, aber die Grabungen beschränken sich auf die Fläche des Neubaues Drei der Gerippe lagen nahe bei einander in einer Längsreihe Das zuerst gefundene lag von diesem etwa zehn Schritte abwärts. Dieses habe ich noch in un- gestörter Lage gesehen. Es muß einem stattlicheti Manne angehört haben, welcher, nach den gesunden Zähnen zu urteilen, noch in den besten Jahren stand. Die andern Gerippe sollen denselben Eindruck gemacht haben; insbesondere fiel bei allen der gute Zu- stand der Zähne auf. Sonst waren die Knochen sehr würde, trotzdem der zähe Lehm, in welchem sie eingebettet waren, die Verwesung erschwert. Die Leichen waren nach der üblichen Be- stattungsioeise mit dem Gesicht nach Osten gelagert und waren ohne Sarg beigesetzt. Dies ließ sich aus dem Mangel jeglichen Nioders erkennen. Ebenso zeigte die Farbe des Bodens, daß die 110 — nur wenig tiefen Gräber nicht länger und breiter waren, als eben fiir den Körper hinreichte Der Befitzer der Hermannshöha Herr Näher, trug in dankens- werter Weise Sorge, daß auf Begleitfniide geachtet würde, welche auf die Toten einiges Licht werfen könnten· Die Lliislierite war sehr dürftig, erscheint aber in der Hauptsache ausreichend Neben einen( Gerippe fand sich, dessen linker Seite entlang, ein Streifen Eisenrosh welcher am obern Ende iu einer rundlichen Verdickuiig ans-lief. Angenscheiulich handelte es sich um ein ehemaliges Seiten- gewehr mit Knauf. Bei einem andern Gerippe fand sich die Hälfte einer Kugelforiii und bei dem 1899 zu Tage getretenen die Spitze einer Pit"e. Nach dein Gesagten kann wohl kein Zweifel sein, daß es sich um alte Soldatengräber handelt, welche mit den kriegerischen Ereigniffein in welchen der Sparenberg eine Rolle spielte, in Be- ziehung stehen. Diese liegen aber weit zurück. Nach v. Ledebur (,,Gescljichte der vormaligen Burg und Festung Sparenberg«) war die lctzte Kriegsbegebeiiheih welche in die Geschichte der Feste Sparenberg eiugegrifsen hat, ein Lliigriff der Franzosen am 6. Juni 1679. Und gerade mit diesem letzten Kampfe um den Sparenberg glaube ich die Gräber in Beziehung bringen zu dürfen, da die gemachten Beobachtungen sich aus den Unistäiiden jener Tage besonders zwanglos erklären lassen. Damals stand der Große Kurfiirsh von seinen Bundesgenossen schmählich ver- lassen, den Franzosen ganz allein gegenüber, und seine westfälischeii Provinzeii wurden vom Feind überschwemmt. Der Marschall Crequi drang in die Grafschaft Rcrveiisberkx ein, und wenn auch sein Angriff auf den Sparenberg, welcher durch den Oberstleiitiiant Hernmnic von Cloet tapfer verteidigt wurde, mißglückte, so gelang es ihm doch, die Stadt Bielefeld zn besetzen Der Krieg und der Uncstaiid, daß die Stadt in den Händen des Feindes war, wiirde in unserm Fall die anßergewöljiiliche Lage der Begriibnisstätte und die dürftige Art der Bestattung erklären. Denken wir uns, daß bei dem Inißgliickteii Angrifs auf den Sparenberxf itnnierhiii eine Anzahl Brandenburger ums Leben kam, so niar der sloinnuiiidaiit genötigt, diese innerhalb des engen von ihm beherrschten Gebietes beerdigen zu lassen, da ihm die Benntziiiics der in der Stadt gelegenen Friedhofe durch die An- wesenheit der Feinde uninöglich gemacht war. Der erwähnte Angriff durch Marschall Crequi findet sich in nieiner »Knrzei1 ——111-— Chronik des Sparenberges« unter dem Jahre 1679 verzeichnet Im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin dürften über den ganzen Vorfall, welcher dem Kommandanteii o. Cloet zur hohen Ehre gereicht, noch ausführliche Akten vorhanden seien, deren Aus- beutnng im Interesse unsrer Lokalgeschichte sehr wiinschens- wert wäre. Zur weitern Bestätigung der vorläufig nur zu vermutenden Zeitperiode der Gräber könnten wohl die Pike und die Kugelform dienen, da die Ausrüstiingsgegeiistände der damaligen branden- burgischeii Truppen Spezialforscljerii in solchen Dingen sicher bekannt sind. Der Durchmesser des Hohlraiinies der Kugelform beträgt 18 Millimeteix Dieses Kaliber stimmt zu einein Gewehr des 17. Jahrhunderts, welches ich in einer Privatsammlung sah. Die Lanzenspitze ist vierkantig und war durch eine kegelförmige Tülle auf dem Schaft befestigt. Die Tiille ist durch Rost größten- teils zerstört. Sie scheint, ehe sie in die kantige Spitze überging, eine leichte Eiuschniirung gehabt zu haben. Der vierkantige Teil ist genau 10 Centinieter lang. Die Fnndstiicke befinden sich in unserm Lllknseiint Die hier vorgetragene Deutung der Gräber, welche auch in einer Sitzung des Historischeii Vereins als die wahrscheinlichste angenommen wurde, entwickelte sich bei mir erst allmählich. Als ich n1ich nach dem Verbleib der Gebeine erkundigte, waren diese schon beseitigt. Wären sie rechtzeitig als Reste tapferer Branden- burger erkannt worden, so hätte sich wohl ein ehrenvoller Ruhe- platz fiir sie auf dem Sparenberg gefunden, von welchein die cherne Gestalt des Großen Fiursiirstens bald in das Land hinaus- schauen wird.

«· Gin Geschenk St. Majestät des Kaisers.

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