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Prominenten- Diplomatie

Prominenten- Diplomatie

Gçnther Maihold Hepburn und Peter Ustinov seit den 1960er Jahren eingesetzt. Allerdings scheint sich die traditionell starke Verknçpfung von celebrity Prominenten- politics und charity zu veråndern, 5 insofern sich Prominente kaum noch passiv in den Dienst einer ¹guten Sacheª stellen lassen. Sie Diplomatie versuchen, mit eigenen Initiativen durch me- diale Mobilisierung Druck auszuçben: Er- wåhnt seien hier das Eintreten des Schauspie- eue Protagonisten mit der Fåhigkeit lers George Clooney fçr ein Engagement der N zur direkten, emotionalen und morali- Weltgemeinschaft in der Darfur-Krise oder schen Ansprache eines groûen Publikums die æffentliche Kritik der Schauspielerin Mia drången in die internationale Politik: Promi- Farrow an Regisseur Steven Spielberg, der nente aus dem Unterhaltungsbusiness, dem sich anfangs ungeachtet der Rolle Chinas im Sport und den Medien beanspruchen Mitwir- Sudan an der Gestaltung der Olympischen kung am diplomatischen Geschåft. Dieser Spiele in China beteilige wollte. 6 Prominenten-Diplomatie 1 gelingt es, Res- sourcen zu mobilisieren, derer die staatliche Prominente des Unterhaltungsbusiness bil- Diplomatie oft entbehrt: Unterstçtzung und den als ¹Freizeitheldenª (H. P. Dreitzel) Begeisterung, um das Interesse der Politik zu einen wichtigen Bezugspunkt fçr breite Krei- gewinnen, nicht zu- se der Bevælkerung. Gleichzeitig sind sie als letzt aufgrund wach- ¹Starsª 7 durch eine stark individuelle Projek- Gçnther Maihold sender Konkurrenz tion gekennzeichnet, sodass mægliche Fehl- Dr. phil., geb. 1957; Professor, staatlicher und nicht- tritte unmittelbare Rçckwirkungen auf jene stellvertretender Direktor der staatlicher Protago- Institution zeitigen, die sich bis dahin mit Stiftung Wissenschaft und Poli- nisten um æffentliche dem jeweiligen Kçnstler schmçckte. Gerade tik (SWP), Deutsches Institut für Aufmerksamkeit. 2 fçr eine internationale Organisation wie die Internationale Politik und Si- UNO bedeutet dies ein groûes Risiko, da die cherheit, Ludwigkirchplatz 3±4, Der politische Ak- Beteiligung Prominenter an der Færderung 10719 Berlin. tivismus von Promi- des æffentlichen Ansehens der Weltorganisa- guenther.maihold@swp- nenten ist Teil der berlin.org Entstaatlichung der 1 Vgl. Andrew Cooper, Celebrity Diplomacy, Boulder Diplomatie und di- 2008, dem dieser Beitrag viele Anregungen verdankt. rekter Aktivitåt privater Akteure im Bereich 2 So Mark Leonhard, Diplomacy by Other Means, in: Foreign Policy, (2002) Sept./Oct., S. 48. der zwischenstaatlichen Beziehungen. 3 Der 3 Diesen Prozess beschreibt Alan K. Henrikson als Begriff ¹Diplomatieª muss hier mit Vorsicht ¹disintermediationª, weil viele Akteure auf staatliche benutzt werden, unterscheiden sich die Intermediation verzichten; vgl. Alan K. Henrikson, ¹Promiª-Aktivitåten doch in Stil und Voka- The Future of Diplomacy? Five Projective Visions, in: bular fundamental von der diskreten, auf Ver- Clingendael Discussion Paper on Diplomacy, 96 (Ja- traulichkeit basierenden klassischen Diplo- nuar 2002), S. 4. matie. Allerdings sind auch Formen von Pro- 4 Vgl. hierzu Stephen A. Kent, Hollywood's Cele- brity-Lobbyists and the Clinton Administration's minenten-Diplomatie wirksam geworden, die American Foreign Policy toward German Scientology, weniger mit dem etablierten Muster unum- in: Journal of Religion and Popular Culture, 1 (2002) strittener Moral- und Gerechtigkeitsvorstel- Spring, in: www.usask.ca/relst/jrpc/article-scientolo- lungen von Prominenten-Diplomatie harmo- gy.html (18. 8. 2008). nieren: Als Anwalt fçr die Scientology-Sekte 5 Auûerhalb der USA und Groûbritanniens sind z. B. gelang es beispielsweise dem Schauspieler zu erwåhnen: der senegalesische Sånger Youssou N'Dour, der liberianische Fuûballstar George Weah Tom Cruise, weitere Prominente zu gewin- und aus der indischen Bollywood-Filmindustrie der nen und eine Auseinandersetzung zwischen Schauspieler . den USA und Europa çber die angeblich ge- 6 Vgl. Mia Farrow, The ¹Genocide Olympicsª, in: The fåhrdete Religionsfreiheit auf dem europåi- Wall Street Journal vom 28. 3. 2007, www.miafar schen Kontinent geschickt in die amerikani- row.org/ed_032807.html (18. 8. 2008), sowie dies., China can do more on Darfur, in: The Wall Street sche Regierung zu tragen. 4 Journal vom 5. 10. 2007, www.miafarrow.org/ ed_100507.html (18. 8. 2008). Auf internationaler Ebene werden Auf- 7 Zu den vielfåltigen Dimensionen des Starkults vgl. tritte von UNICEF-Botschaftern wie Audrey Richard Dyer, Stars, London 1994.

APuZ 42/2008 41 tion wåhrend der Amtszeit von Generalse- Auf der anderen Seite scheint es Politikern kretår deutlich ausgeweitet wor- immer weniger zu gelingen, sich der Bedrån- den ist. Er færderte die Bestellung von Good- gung durch Stars zu entziehen: So trat etwa will-Botschaftern und Friedensboten (mes- der U2-Sånger im November 2003 auf sengers of peace) und scheint sich der dem Parteitag der kanadischen Liberalen auf, Hollywood-Stars bedient zu haben, um der um als persænliche Geste gegençber Premier- Ablehnung der UNO seitens der Regierung minister Paul Martin fçr eine wichtigere und des Kongresses der USA durch Public- Rolle Kanadas in Afrika zu werben. Im Mai diplomacy-Aktivitåten mit Prominenten aus 2005 hielt er Martin vor, seine Versprechun- dem eigenen Land zu begegnen. 8 Daher hat gen nicht eingehalten zu haben, und rief seine sich die UNO besonders bemçht, einheitliche Fans wåhrend eines U2-Konzerts auf, die von Rahmenbedingungen fçr das Engagement ihm bekannt gegebene Privatnummer von ihrer 80 internationalen Goodwill-Botschaf- Martin anzurufen und Kanadas Verpflichtung ter zu formulieren, die insbesondere auf das einzufordern. Erkennbar wird in dieser Epi- positive Image der Stars und deren Einsatz sode ein Muster gegenseitiger Anerkennung fçr die Ziele der UNO abheben. 9 zwischen Show und Politik, 11 die aber ± da sie æffentlichkeitswirksam wieder entzogen werden kann ± stark von der Gewåhrleistung Politik und das Engagement eines Vertrauensvorschusses geprågt ist. der Prominenz Das gemeinsame Auftreten von Prominen- ten und Politikern eræffnet der Prominenten- Das Wirken der Pop-Prominenz im engeren Diplomatie zusåtzliche Handlungsmæglich- Bereich der internationalen Politik ± bei- keiten, um çber einen persænlich zur Rechen- spielsweise im Kontext der G8-Gipfeltreffen schaft gezogenen Politiker æffentlichen ± låsst erkennen, dass es Bono & Co darauf Druck wirksam werden lassen (naming and anlegen, sich im Einzugsbereich æffentlicher shaming). Auf diese Weise vermischen sich Wçrdentråger zu bewegen. Regierungschefs die Interessen der organisierten Politik mit und Pråsidenten, die, wie Tony Blair und Bill Prozessen der Produktion von Prominenz, Clinton, in besonderem Maûe der engagierten ein zentrales Merkmal des Netzwerkansatzes, Prominenz die Tçren æffneten, haben ver- der das Grundmuster der Prominenten-Di- sucht, fçr sich Vorteile aus dieser Beziehung plomatie abgibt. zu ziehen. So wurde von Blair im Vorfeld des G8-Treffens im schottischen Gleneagles in den Jahren 2004/2005 stark in Selbstbild: Verkærperung das Unternehmen der Commission for Afri- von Moral und Gerechtigkeit ca 10 eingebunden. Diese Nåhe Geldofs zur Labour Party hielt jedoch nicht, Geldof lieû Die Fåhigkeit von Prominenten, internatio- sich im Dezember 2005 als Berater des Tory- nale Themen auf eine neue Art zu dramatisie- Oppositionsfçhrers David Cameron fçr Fra- ren, hat einige von ihnen in die Flure der gen globaler Armut anheuern. Der Schritt, Macht gebracht, da sie das ¹Gewicht der einer Vereinnahmung durch Labour zu entge- Moralª fçr sich reklamieren. 12 Das Vertrauen hen, mag zwar der Individualitåt Geldofs ent- des Publikums auf die moralische Integritåt sprechen, zeigt aber gleichzeitig die Gefahren der medialen Inszenierung verleiht ihr Tragfå- auf, denen sich Prominente mit ihrem Enga- higkeit. Dabei sieht ein Protagonist wie Bono gement aussetzen. den Beitrag seiner Initiativen recht weit ge- spannt: ¹Wir kriegen Schlåge von links, wir 8 So Mark D. Alleyne, The ' Celebrity kriegen Schlåge von rechts, aber am Ende Diplomacy, in: SAIS Review, 25 (2005) 1, S. 175. 9 Vgl. Secretary General, Guidelines for the Design- jedes Jahres geht es den Armen der Welt ein ation of Goodwill Ambassadors and Messengers of bisschen besser, weil es uns gibt, und ich glau- Peace, www.un.org.ua/files/guidelines_gwa.pdf (18. 8. 2008). 11 Øuûeres Merkmal fçr dieses Anerkennungs- 10 Vgl. auch den Bericht der Commission for Africa verhåltnis sind gemeinsame Fototermine, aber auch die unter www.commissionforafrica.org/english/home/ Aufnahme der Schauspielerin in den newsstories.html (18. 8. 2008). Geldof wurde sogar mit ehrwçrdigen Council on Foreign Relations der USA. dem Sonderprogramm ¹Geldof's ,New Thinking` In- 12 Bono çber Bono. Gespråche mit Michka Assayas, itiativeª ausgestattet. Kæln 2005, S. 89 und S. 93.

42 APuZ 42/2008 be und hoffe, dass wir eine einende Kraft fçr den USA im Jahre 1984/85, die das Schicksal den Sachverstand quer durch alle politischen Afrikas in den Vordergrund rçckten. Lager sind.ª 13 Diese çbergreifende Rolle der Vermittlung zwischen verschiedenen politi- Gefolgt von der Entschuldungskampagne schen Positionen mit der Gewissheit, sich ¹auf ¹Jubilee 2000ª, die auf den Kælner G8-Gipfel der richtigen Seiteª zu bewegen, ist bei Bono zur Reduzierung der Schulden der Entwick- stark mit religiæsen Dimensionen unterlegt. lungslånder abzielte, entwickelte sich das En- gagement weiter, bis zu den ¹Live-8ª-Konzer- Authentizitåt, Altruismus und Moral sind ten im Vorfeld des G8-Gipfels von Gleneagles. die zentralen Elemente, die Prominente zu Diese Entwicklung beschreibt den Weg bis mobilisieren und in einen politischen Prozess zur in den USA angelaufenen ¹One Cam- einzubringen gedenken. Als Moral- und paignª fçr die Pråsidentschaftswahl 2008, die Normunternehmer 14 mæchten sie in der als Konsortium von Einzelbewegungen den ¹Sprache der Gefçhle und Wçnsche, des Wi- Kandidaten verbindliche Erklårungen zu Fra- derstands und der Anklageª 15 einen Beitrag gen globaler Politik wie Gesundheitsvorsorge, zur internationalen Politik leisten und neue Erziehung oder Zugang zu Wasser abverlan- symbolische Ressourcen fçr einen Politikpro- gen soll. In den Augen Bonos wird damit eine zess eræffnen, der sich durch extreme Rituali- neue Qualitåt des Engagements erlangt: ¹End- sierung auszeichnet. Insofern setzen sie ge- lich entsteht eine Bewegung, die uns stark wollt einen Kontrapunkt zum ¹Politikge- genug macht, mit der Bettelei um Almosen schåftª, das sie als zynisch und unmoralisch aufzuhæren, eine Bewegung, die uns politi- brandmarken. 16 Das erlaubt die Formulie- schen Einfluss verschafft.ª 18 rung politischer Erwartungshorizonte, die sich von den Grenzen des Mæglichen der tra- Dieser sichtbarste Teil der Prominenten- ditionellen Diplomatie deutlich abheben. Diplomatie nimmt damit den Weg von Event- zu Kampagnenkoalitionen, die nicht Modalitåten: Von der Philanthropie mehr nur auf transnationaler, sondern auch auf der nationalen Ebene der USA wirksam zum politischen Engagement werden wollen. Damit wird ein Mehrebenen- spiel der Interessenvertretung angelegt, das Die Rollenmodelle der Prominenten-Diplo- sich fçr die Zukunft als wirksames Design fçr matie decken in Abhångigkeit von der einzel- den Einsatz der verschiedenen Instrumente nen Star-Persænlichkeit die gesamte Breite erweisen kann. mæglicher Interventionen in das (internatio- nale) politische Leben ab: Neben dem Modell der Bindung an Institutionen und deren Ziele Instrumente: Kampagnen und mediale (wie z. B. UNICEF) lassen sich Konzeptionen Diskursgemeinschaften finden, die allgemein eine stårkere Mobilisie- rung der Úffentlichkeit in den Vordergrund Das breite Handlungsrepertoire zur Lenkung stellen. 17 Erwåhnt seien hier die von Bob der æffentlichen Aufmerksamkeit bringt Pro- Geldof angestoûenen Bemçhungen von Band minente in eine privilegierte Position: Sie Aid mit ihrem Weihnachtssong ¹Do they kænnen auf das Instrumentarium der klassi- know it's Christmas?ª. Es folgten Auftritte schen, staatszentrierten Diplomatie einwir- bei den Live-Aid-Konzerten in Europa und ken und die Advocacy-Strategien der zivilge- sellschaftlichen Akteure mobilisierend einset- 13 Ebd., S. 294. zen. Ihr Ruf nach Moral und Gerechtigkeit 14 Vgl. Martha Finnemore/Kathryn Sikkink, Inter- national Norm Dynamics and Political Change, in: ist eine politische Formel, die sich als Quell International Organization, 52 (1998) 4, S. 893. gemeinsamer Identifikation fçr viele Perso- 15 Anna Holzscheiter, Discourse as Capability: Non- nen und gesellschaftliche Akteure eignet. State Actors' Capital in , in: Mille- Zudem mçssen sich Prominente im Gegen- nium, 33 (2005) 3, S. 723±746, hier. S. 743. satz zur staatlichen Seite weniger um Kohå- 16 Vgl. David S. Meyer, The Challenge of Cultural renz und Nachhaltigkeit ihres Handelns sor- Elites: Celebrities and Social Movements, in: Sociolo- gical Inquiry, 65 (1995) 2, S. 181±206. gen, die Trivialisierung komplexer Sachzu- 17 Zur Darstellung der Entwicklungsabschnitte vgl. sammenhånge eræffnet ihnen weit reichende Chris Tenove, Stars above Africa, in: The Walrus Ma- gazine, (2007) Dec./Jan., S. 44±53. 18 Vgl. Bono (Anm. 12), S. 295.

APuZ 42/2008 43 Unterstçtzung. Gegençber Akteuren der Zi- bildet. Solche Diskurskoalitionen sichern vilgesellschaft agieren sie unabhångig und breiten Zugang zu æffentlichen und staatli- sind oftmals kaum eingebunden in interne chen Råumen und steigern den Resonanz- Dynamiken dieser Organisationen. Es kann raum fçr Initiativen der Prominenten. Ihr ihnen daher gelingen, Widerstandsbewegun- Auftreten ist fçr die politisch Verantwortli- gen und alternative Foren zu çberspielen chen von Interesse, da sie die Sichtbarkeit bzw. deren Wirksamkeit einzuschrånken und und den Druck gesellschaftlicher Bewegun- somit als Ersatz fçr die eigentlichen Tråger gen wie der Anti-Globalisierungskampagne des Protests aufzutreten. vermindern. Kritisch beleuchtet wird dies aus dem Kreis der Prominenz selbst, etwa von Als ersten Schritt zum Aufbau ihrer Afri- Bianca Jagger, die gegençber den Protago- ka-Initiativen konzentrierten sich Bob Gel- nisten Bono und Geldof den Vorwurf der dof und Bono auf die Grçndung einer trans- ¹Unterminierung der realen Bewegung nationalen Kampagnenkoalition, die sich an- fçr einen Politikwechselª aus Anlass des hand zentraler Events wie der internationalen G8-Treffens in Gleneagles im Juli 2005 Konzerte von ¹Live 8ª immer weiter konsoli- erhob. 23 dierte. Nicht ohne Grund musste sich Geldof massive Kritik gefallen lassen, dass die Orga- Als Moral- und Normunternehmer bauen nisatoren kaum afrikanische Kçnstler betei- Prominente auf eine Rechtfertigungspflicht ligten, obwohl die Erlæse diesem Kontinent der Politik am Maûstab der von ihnen propa- zuflieûen sollten. gierten Werte. Unter diesem moralischen Schirm çben die Protagonisten der Promi- Auf der Suche nach Zugangsmæglichkeiten nenten-Diplomatie nicht nur durch Ûberzeu- zur politischen Entscheidungsebene baut gung, sondern auch durch ¹rhetorischen Prominenten-Diplomatie darauf, in der Úf- Zwangª 24 Konformitåtsdruck auf die politi- fentlichkeit Gehær zu finden. Die Stars ver- sche Elite aus, die im Falle Bonos von Bill stehen sich als Sprachrohr ihrer Fan-Gemein- Clinton bis zu George W. Bush reicht. Ihnen de und kænnen sich auf die fçr Starkults typi- kommt damit eine Funktion im æffentlichen 19 sche parasoziale Interaktion mit einer von Diskurs zu, die als framing bekannt ist, 25 also ihr mobilisierten Masse stçtzen, die gleich- die Fåhigkeit, bestimmte Themen so mit dem wohl auf soziale Distanz gehalten wird. Die- æffentlichen Verståndnis zu verbinden, dass ses Element, das die vermeintliche Nåhe der diese durch Dramatisierung und Verkçrzung Konsumenten zu ihrem Idol fçr die æffentli- zu einem neuen Begrçndungszusammenhang che, politische Rolle nutzt, ist das instrumen- fçhren. Dabei kænnen durchaus provokative telle Kapital, das fçr die Wirksamkeit des Verhaltensweisen erfolgreich sein, wie das Auftretens entscheidend geworden ist. Auftreten von Geldof als ¹Anti-Diplomatª Die Bildung von Diskursgemeinschaften 20 immer wieder verdeutlicht. 26 erweist sich als das zentrale Instrument der Prominenten-Diplomatie. Dabei werden nicht nur im Sinne einer Netzwerkstrategie Name of Loveª, in: Boston University International weitere Kçnstler einbezogen, sondern mit Law Journal, 19 (2001), S. 257±271. nahe stehenden Politikern oder Repråsentan- 23 So Bianca Jagger, Platitudes? Bono and Geldof slept with the enemy and betrayed the cause, in: New Sta- ten aus der Privatwirtschaft (Celebrity-CEOs tesman vom 11. 7. 2005, S. 13: ¹Bono and Bob Geldof's wie Ted Turner oder ) sowie Intel- blind ambition has led them to legitimise and praise lektuellen wie Jeffrey Sachs als wissenschaft- Bush and Blair, perpetrators of the objectionable poli- lichen Bezugspersonen 21 oder bis zu Papst cies that are causing the demise of innocent people Johannes Paul II 22 umfassende Allianzen ge- throughout the developing world.ª 24 Vgl. Ronald R. Krebs/Patrick Thaddeus Jackson, Twisting Tongues and Twisting Arms: The Power of 19 So Graeme Turner, Understanding Celebrity, Lon- Political Rhetoric, in: European Journal of Inter- don 2004, S. 23. national Relations, 13 (2007) 1, S. 35±66. 20 Vgl. A. Holzscheiter (Anm. 15), S. 723±746. 25 Vgl. Joshua William Busby, Bono made Jesse Helms 21 So schrieb Bono das Vorwort zu Jeffrey Sachs, Das Cry: Jubilee 2000, Debt Relief, and Moral Action in Ende der Armut. Ein ækonomisches Programm fçr International Politics, in: International Studies Quar- eine gerechtere Welt, Mçnchen 2006, in dem er ihn als terly, 51 (2007), S. 247±275. ¹Lehrerª bezeichnet. 26 Vgl. Frances Westley, Bob Geldof and Live Aid: 22 Vgl. David L. Gregory, From Pope John Paul II to The Affective Side of Global Social Innovation, in: Bono/U2: International Debt Relief Initiatives ¹in the Human Relations, 44 (1991), S. 1011±1036.

44 APuZ 42/2008 Wirkungen nisation DATA 32 durch Bono wird versucht, den Charity-Charakter frçherer Aktivitåten ¹Kann Bono die Welt retten?ª, fragte das abzuschçtteln und stårker Fragen der Ge- ¹Time Magazineª im Jahr 2002. Sind die Auf- rechtigkeit und der Gleichheit der Lebens- tritte der celebrities mehr als theatralische chancen zu betonen. Das Bemçhen von ¹Begleitgeråuscheª internationaler Mega- DATA und ONE, sich vom Image traditio- Events? Auch kritische Beobachter akzeptie- neller Hilfsorganisation abzuheben, soll nor- ren heute, dass sie mehr sind als nur eine mative Glaubwçrdigkeit fçr die traditionell ¹amçsante Kuriositåt der Auûenpolitikª. 27 unter Legitimationsdefiziten leidende Ent- Es bleibt indes fraglich, ob Prominenten-Di- wicklungspolitik sichern. Zudem ist es plomatie auch die Ergebnisse ihrer Aufrufe DATA mit seinen wichtigsten Financiers, der sicherstellen kann. Bono & Co ist es durch Bill- und Melinda-Gates-Stiftung und dem die Konzentration des Diskurses çber AIDS Open Society Institute von , ge- und Armut auf Afrika zweifellos gelungen, lungen, sich an die Spitze des internationalen mehr Aufmerksamkeit fçr den Kontinent zu Stiftungsgeschåfts zu setzen und damit jene schaffen. Afrika wird seitdem ± wie von Verbindung auch institutionell zu schaffen, Bono formuliert ± als Schauplatz des ¹Dra- die fçr die Wirksamkeit der Prominenten-Di- mas des 21. Jahrhundertsª inszeniert, was plomatie die græûten Erfolgsaussichten ver- nicht zuletzt bei afrikanischen Intellektuellen spricht: die Verbindung von Show- mit Busi- auf Widerstand stæût. Unter dem Titel ¹Stop ness-Prominenz, die beide gleichzeitig çber trying to ,save' Africaª hat sich der nigeriani- enge Beziehungen zum politischen Establish- sche Schriftsteller Uzodinma Iweala gegen ment auf hæchster Ebene verfçgen. diese ¹Helft-Afrikaª-Attitçde zur Wehr ge- setzt. Afrika werde durch solche Aktionen er- Der zentrale Ort, an dem sich diese Eliten- niedrigt, und von einer fairen Partnerschaft gruppen gegenseitig stårken und durch die kænne keine Rede sein. 28 Letztlich sind die wechselseitige Anerkennung in ihrer Wir- selbst ernannten Helfer darauf angewiesen, kung potenzieren, ist das Weltwirtschaftsfo- dass andere Akteure sich um die Umsetzung rum im schweizerischen Davos. Die Reputa- der Erklårungen kçmmern. Die praktische tion dieses jåhrlichen Treffens von gold and Implementierung jenseits konkreter Hilfspro- glitter mit politischen Fçhrern steht aller- jekte çbersteigt das Leistungsvermægen der dings auch als Paradigma fçr ein Entwick- Prominenten-Diplomatie. lungsleitbild der ¹Hyperglobalisierungª und der Davos-Kultur, die Samuel Huntington Die von der Politik bezçglich des æffentli- mit dem ¹Glauben an Individualismus, chen Interesses an Entwicklungshilfe beklagte Marktwirtschaften und politische Demokra- Betroffenheitserschæpfung der Bçrger 29 ist tieª in eins gesetzt hat. 33 durch die Tåtigkeit der Prominenten-Diplo- matie aufgebrochen worden. Mit der Zusam- Die Kritik an diesem Modernitåtsleitbild menfçhrung verschiedener Kampagnen wie hat Personen wie Angelina Jolie und Bono Live 8, Make History, Deine Stimme dazu bewogen, als Protagonisten von Men- gegen Armut, The ONE Campaign and Pro- schenrechten, des Kampfes gegen die Armut 30 duct (RED) unter dem gemeinsamen Dach in Afrika und von Anti-AIDS-Kampagnen 31 von ONE nach deren Fusion mit der Orga- gegençber der Wirtschaft die Einhaltung von Sozialverpflichtungen einzuklagen. So bleibt die ownership der auf Afrika zentrierten Ak- 27 Daniel W. Drezner, Foreign Policy goes Glam, in: tivitåten der Prominenten-Diplomatie auf The National Interest, 92 (2007) Nov./Dec., S. 22±29. Repråsentanten der amerikanisch und britisch 28 Vgl. vom 15. 7. 2007, B 07. geprågten Unterhaltungsindustrie beschrånkt. 29 So etwa die britische Entwicklungshilfeministerin Dies hat groûe Anschlussfåhigkeit zur Ge- Clare Short, Poverty and Inequality ± a Major Threat to the Future. Fourth Ambedkar Memorial Lecture, schåftswelt, schlieût jedoch auf der anderen Manchester Metropolitan University, 24. 9. 2004. Seite die Betroffenen und ihre Organisationen 30 Vgl. Lisa Ann Richey/Stefano Ponte, Better (RED)TM than Dead? Celebrities, consumption and international aid, in: The World Quarterly, 29 (2008), 32 Debt, AIDS, Trade, Africa. S. 711±729. 33 Vgl. Samuel Huntington, Der Kampf der Kulturen, 31 www.one.org. Wien 1996, S. 78.

APuZ 42/2008 45 aus. Somit wird ein Politikmodell verfolgt, gung dominanter Werte zugeschrieben, die in das von afrikanischer Seite als ¹gçtiger Neo- der politischen Artikulation mit einer meist kolonialismusª denunziert worden ist. 34 Die- konventionellen Sicht der Dinge einher- ser Zugang, der sich von einem vereinheitli- geht, 38 die Ûbernahme patenhaft-assistentia- chenden Bild Afrikas als Armutskontinent listischer Positionen in der Entwicklungspoli- nicht zu læsen vermag, ist sicherlich einer der tik muss daher nicht verwundern. Diese am stårksten kritisierten Elemente der Afri- Kritik an einer reinen Verstårkerrolle des En- ka-Kampagne. gagements Prominenter in der internationalen Politik wird besonders deutlich an ihrer Di- Prominenten-Diplomatie als persænlich- stanz zu globalisierungskritischen Sozialbe- keits- und nicht themengetriebene Sicht auf wegungen, denen sie im Medieninteresse re- die internationale Politik hat auch Folgen fçr gelmåûig den Rang ablaufen. die Wahrnehmung der Stars: Die Selbstinsze- nierung dient der Hervorhebung der eigenen Marke (branding). 35 Indem Agenten und Fazit Promoter das Design fçr die Platzierung des jeweiligen Stars vorgeben, greifen Geschåft und æffentliche Projektion fçr politisch-so- Wenn ¹Rockstars mit einem begrçndeten An- ziale Interessen ineinander. Der Ûbergang liegen die schlimmste Plage auf Gottes Erde von der Vorbild- zur Fçhrungsrolle der sindª 39, dann ist die Frage nach den Auswir- ¹Freizeitheldenª ist ohne eine organisatori- kungen des Handelns dieser nicht-traditio- sche Plattform unter Einbindung von Nicht- nellen und selbst ernannten Akteure im Be- regierungsorganisationen und zivilgesell- reich der internationalen Politik nicht nur als schaftlichen Gruppen jenseits der eigenen Garnitur der Inszenierung von Gipfeltreffen Fangemeinde nicht darstellbar. Hier zeigt anzusehen. Ob aber dauerhafte Wirkungen sich die prekåre Qualitåt des prominenten jenseits der Entwicklung politischer Ressour- Aktivismus, der ebenso schnell wieder ver- cen und der Gestaltung von Diskursen erzielt schwindet, wie er davor allseits gefærdert werden kænnen, ist eine Frage, die mit der wurde. Damit geraten die propagierten Ziele Ausweitung auf Kampagnenkoalitionen in und Zwecke in eine Abhångigkeit von der den kommenden Jahren zu beobachten sein Prominentenrolle, die nur schwer von der wird. traditionellen Politik çbernommen werden kann. Der Aufstieg der Prominenten-Diplomatie als komplementåres, manchmal konfrontati- Ob Prominenten-Diplomatie mehr ist als ves Modell gegençber der traditionellen staat- ein ¹Pseudo-Eventª 36 und çber eine Werter- lichen Diplomatie dçrfte indes auûer Frage haltungsstrategie der ¹Star-Qualitåtª hinaus- stehen. Doch wird erst eine langfristige geht, hångt entscheidend von ihrer Einbin- Perspektive Antworten auf die Frage nach dung in die Strategien einer ganzen Sparte der den Folgen der wachsenden Rolle von cele- Unterhaltungs- und Medienindustrie ab; sie brities in der internationalen Politik geben entspricht zudem den Tendenzen einer ¹Pro- kænnen. minenzierungª in der Politik, welche die Per- sænlichkeit des Politikers immer stårker in den Vordergrund rçckt. 37 Prominenz wird nicht ohne Grund eine Tendenz zur Beståti-

34 Africans to Bono: ¹For God's sake please stop!ª, www.american.com/archive/2007/july-0707/africans- to-bono-for-gods-sake-please-stop (18. 8. 2008). 35 Vgl. Hamish Pringle, Celebrity sells, Chichester 2004. 38 Vgl. G. Turner (Anm. 36), S. 22 f. 36 Graeme Turner, Understanding Celebrity, London 39 So Bono in seiner Dankesrede bei der Verleihung 2006, S. 5. der Ehrendoktorwçrde der University of Pennsylvania 37 Vgl. John Street, Celebrity Politicians: Political Re- am 17. 5. 2004, www.upenn.edu/almanac/between/ presentation and Popular Culture, in: British Journal 2004/commence-b.html (18. 8. 2008). of Politics and International Relations, 6 (2004), S. 435±452.

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