Absolutely Barbaric!

Die Wikinger als Erben des Germanenmythos

Masterarbeit zur Erlangung des Titels „Master of Arts“ (MA) an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (Masterstudium Europäische Ethnologie) am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie

Fach: Europäische Ethnologie

vorgelegt von Paul Csillag, MA (01215174)

betreut von Univ.-Ass. Priv. Doz. Dr. Konrad J. Kuhn

Innsbruck 2020

Inhalt Einleitung ...... 3

Quellen und Methodik ...... 7

Gliederung ...... 9

Forschungsstand ...... 12

A. Gefangen im (Bedeutungs-)Netz 2.0? – Methodische Überlegungen zum Forschen auf YouTube ...... 15

A) 1. Dichte Beschreibung als Analyseoption eines digitalen Teildiskurses ...... 16

A) 2. YouTube – Eine demokratische Plattform? ...... 18

A) 3. In die Röhre sprechen? – Über den Dialogcharakter auf YouTube und die Vorteile digitaler Feldforschung ...... 21

A) 4. Ein Fan unter Vielen? – Selbstreflexive Betrachtung von Eigen- und Forschungsinteressen ...... 24

B. Identität, Authentizität, Mythos – Eine begriffliche Trias ...... 26

B) 1. Identität...... 28

B) 2. Authentizität ...... 31

B) 3. Mythos ...... 39

C. Zwischen traditionellen und neuen Medien – Eine inhaltliche Heranführung...... 42

C) 1. Der Germanenmythos ...... 43

C) 1. a) Mythische Erzählungen ...... 44

C) 1. b) Verwendete Medien ...... 46

C) 1. c) Ideologische Implikationen ...... 47

C) 1. d) Die Deutsch-Skandinavische Wahlverwandtschaft ...... 48

C) 2. Die moderne Rezeption der sogenannten Wikinger ...... 49

C) 2. a) Mythische Erzählungen ...... 53

C) 2. b) Verwendete Medien ...... 55

C) 2. c) Ideologische Implikationen ...... 57

C) 3. Der Historienfilm ...... 59

1

C) 4. – Eine Serie belebt das Genre ...... 65

D. Ergebnisse – Zwischen Genres, Praxen und Bedeutungen ...... 67

D) 1. Genres – YouTubes Darstellungsfacetten ...... 67

D) 1. a) Soundtrack ...... 68

D) 1. b) Filmszenen ...... 71

D) 1. c) Montagevideos ...... 74

D) 1. d) Trailer ...... 76

D) 1. e) Reality ...... 78

D) 1. f) Historische Aufklärung...... 79

D) 2. Praxen – Der Digitale Diskurs...... 80

D) 2. a) Praxen der Vernetzung ...... 80

D) 2. b) Praxen der Bewertung ...... 82

D) 2. c) Praxen der Persönlichkeitsäußerung ...... 83

D) 3. Bedeutungen – Online Foren als ein Digitaler Kongress ...... 84

D) 3. a) Ethnische oder Performative Identität? – Das Selbst zwischen Geburtsrecht und wählbarem Kodex ...... 85

D) 3. b) Religiöse Identität – Die Wiedererweckung des Heidentums? ...... 99

D) 3. c) Geschlechtliche Identität – Muskelbarbar und Schildmaid ...... 107

Konklusion ...... 114

Danksagung ...... 117

Quellenverzeichnis ...... 118

Literaturverzeichnis ...... 123

Anhang ...... 135

2

Einleitung

Als ich mich vor kurzem in Istanbul aufgrund eines Studienaufenthaltes befand, geriet ich in ein Gespräch mit einem norwegischen sowie einem österreichischen Studenten. Der Norweger erzählte aufgewühlt von einer Beerdigung in seinem Bekanntenkreis, woraufhin der Österreicher stutzte. Der Zweitere erkundigte sich, ob man in den skandinavischen Ländern seine Toten nicht verbrenne, dies sei seine erste Vorstellung einer nordischen Bestattung gewesen. Der Norweger wehrte lachend ab, dies sei ein Mythos, der mit der Verbreitung von Wikingern1 zu tun hätte. Der Österreicher erkannte sogleich seine fehlerhafte Einschätzung aufgrund von Stereotypen und versuchte seine Scham, ertappt worden zu sein, scherzend zu überspielen. So trivial diese Anekdote erscheinen mag, sie schärfte meine alltägliche Aufmerksamkeit für Symbole, die mit den Skandinaviern2 vergangener Tage in Verbindung standen. Dies sollte, so glaubt man, in Istanbul nicht häufig der Fall sein, doch jede Woche geriet ich an einen Gegenstand oder eine Person, deren Leben von den nordischen Kämpfern berührt wurde. Eine Freundin vermarktete Socken für eine norwegische Firma, deren Design von Wikingermotiven bestimmt wurde. Eine andere Bekanntschaft hatte sich aufgrund einer Kostümparty einen gehörnten Helm aus Stoff besorgt. Und schließlich, wie ich bei einer Touristenführung zur Geschichte der Stadt erfahren durfte, waren die Waräger, ursprünglich eine Söldnertruppe aus Skandinavien, die Leibwächter der byzantinischen Kaiser gewesen. So bemerkte ich, dass die Wikinger eine entscheidende symbolische Rolle auf globaler Ebene spielten, ob es sich nun um den Unterhaltungssektor oder die Vermarktungsbranche handelte. Die gehörnten Seeräuber zeichnen sich zwar durch eine besondere Ikonizität aus, bedienen sich aber teilweise deskriptiver Topoi einer anderen historischen Identifikationsfigur. In zahlreichen popkulturellen Medien erscheint der klassische, meist als Germane verstandene Barbar mit Keule, Schwert oder Axt. Sein betonter Oberkörper wird nur teilweise durch Felle bedeckt. Der Charakter entspricht dem des Hau-Draufs, der sowohl brutal als auch kühn agiert. Die Beurteilung seiner Qualitäten wird dabei jeweils vom Medium und vom Impetus des Urhebers

1 Der Begriff Wikinger ist schwierig, da er historisch nicht fixiert wurde. Die Forschung einigte sich weder auf eine bestimmte Wortherkunft noch auf einen spezifischen Bezeichnungskontext. So fallen zahlreiche Bedeutungen unter diesen sammelnden Terminus. Ich verwende ihn dennoch in dieser Arbeit, da sie sich vor allem auf die Rezeption einer popkulturellen Figur bezieht, die mit Wikinger betitelt wird. 2 Bezeichnungen für historisch nationale, ethnische oder religiöse Kollektive werden in dieser Arbeit nicht einer geschlechtergerechten Sprache angepasst, um das konventionelle Narrativ wiederzugeben. Dadurch soll kein Individuum ausgeschlossen, sondern der Fokus auf Völker im populären Verständnis gelenkt werden. Ein „Gendern“ würde dieses Konzept sprachlich dekonstruieren, was in einem anderen Kontext durchaus positiv zu werten wäre. 3 bestimmt. Besondere Bekanntheit erhielt dieses halbhistorische Fantasiegebilde durch zahlreiche Abenteurerromane, Gemälde oder Filme, wie Arnold Schwarzeneggers „Conan the Barbarian“3 aufweisen dürfte. Eine Bezeichnung als Barbar wird jedoch nicht allein den Wikingern zugeschrieben, sondern ebenso als historische Erzählung antiker und frühmittelalterlicher Völker und Stämme4 benützt. Meistens finden diese Darstellungen im Zusammenhang mit einer Narration der sogenannten Völkerwanderung oder Ethnogenese (eine fragwürdige Umbenennung) statt. In Opposition zu diesen Völkern wurde in einer historiographischen Retroperspektive das zivilisierte Rom als Identifikationspunkt etabliert, das hinter den Mauern, ob Hadrianswall oder süddeutscher Limes, das Herannahen der vermeintlichen „Horden“ erwartete. Wenn auch die Taxonomie einer derartigen europäischen Stammeswelt zahlreiche Namen beinhaltet, wie etwa Alemannen, Goten, Sueben oder Vandalen, so erhielten diese dennoch dieselben physischen Merkmale durch eine externe Evaluierung. Eine durch einen muskulösen Korpus indizierte überdurchschnittliche Kraft, ein ausgewachsener Bart und nicht näher bestimmte Tätowierungen dienten dem Narrativ einer exotisierten Männlichkeit. Der römische Bürger oder Legionär steht diesem Barbarentypus sowohl diszipliniert als auch zivilisiert gegenüber, wird andererseits aber für dessen stoische Kühle und Dekadenz kritisiert. Derartige Narrative haben bereits im kulturellen Jargon von digitalen Medien Einzug gehalten. Dabei werden heutige Stereotype sowie Verhältnisse satirisch neu rezipiert, wodurch es zu einer Überlagerung von Konnotationen und Interpretationen kommt. Als Beispiel kann hier eine Episode der britischen semi-historischen, semi-satirischen Geschichtsserie „Blackadder“5 gelten. Die Römer stehen in dieser Darstellung auf einem lächerlich niedrigen Hadrianswall in zu engen Rüstungen, durch die sie eine alberne Aura erhalten. Auf eine ironische Weise kombinieren die Schauspieler ein halbkorrektes Latein und die stereotype britische Gelassenheit, um ein satirisch-kritisches Bild vom modernen Menschen zu zeichnen. Die Legionäre werden schließlich von einer Armee von Pikten überrannt, die zunächst für eine sich schnell annähernde orange Hecke gehalten werden. Die Pikten gelten in historischer Fiktion als die Vorfahren der Schotten, die sich als nördliche Nachbarn von den Engländern abgrenzen, was durchaus auf eine reziproke Weise geschieht. Die Serie „Blackadder“ transportiert dadurch nationale Vorurteile in eine Zeit zurück, als diese in dieser Form nicht existierten. Durch eine

3 Milius, John: Conan the Barbarian. USA 1982 (Universal Pictures). 4 Diese Bezeichnungen werden verwendet, da sie das Narrativ eines Germanenvolkes widergeben. Die paradigmatischen und ideologischen Implikationen, die damit einhergehen, werden vom Autor nicht geteilt. 5 Weiland, Paul: Blackadder Back & Forth. Großbritannien 1999 (New Millennium Experience Company/Sky/Tiger Aspect Productions). 4

Historisierung und Barbarisierung des schottischen Stereotyps, erhält der Witz eine zusätzliche Komik sowie gefühlte Wahrhaftigkeit. Geschichte wird gebraucht, um Emotionen in Kombination mit Überzeugungen zu zementieren und zu maximieren. Dies gilt auch für das bekannte Meme6 „Absolutely Barbaric“, das sich seit einigen Jahren reger Beliebtheit erfreut, weshalb es infolgedessen zum Titel dieser Arbeit wurde. Es zeigt einen römischen Zenturio, der verachtend die Arme emporhebt und von den eben erst genannten Worten begleitet wird. Internetuser*innen benützen dieses Emblem, um Lebensgewohnheiten oder Meinungen zu diskreditieren, die denen des*der Urheber*in widersprechen. So verwenden dies beispielsweise PC-Fans gegen Konsolenspieler*innen, oder kulinarische Traditionalist*innen gegen Pizza mit Ananasstücken als Belag.7 „Absolutely Barbaric“ weist also daraufhin, wie historische Darstellungen in den kommunikativen Alltag integriert werden. Sie zeigen weiters auf, wozu die Bezeichnung ursprünglich benutzt wurde, denn es handelt sich bei dieser rhetorischen Praxis um den Versuch einer Delegitimierung anderer und als inferior wahrgenommener Lebenskonzepte. Zunächst als Kampfslogan anmutend, soll das Meme in dieser Arbeit als Übertitel für den Prozess einer diskursiven8 Barbarisierung des Anderen gelten. Das Bild von „Absolutely Barbaric“ wurde ursprünglich nicht im Kontext eines Memes erstellt, sondern stammt aus einem populärwissenschaftlichen Sachbuch von Roger Payne9, dessen Inhalt sich eher an ein junges Publikum wendet. Darin werden populäre Legenden der Leserschaft nähergebracht und für eine breite Rezeption in der Gesellschaft veranschaulicht. Das Meme wurde insofern seinem eigentlichen Rahmen mit dem Ziel entnommen, spielerisch umgedeutet zu werden. Prinzipiell bedient sich Popkultur historischer Aussagen, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. Das Bild des wilden, aber mutigen Barbaren ist deshalb keine Erdichtung der Belletristik oder des rein Fiktiven, sondern wurde von der Geschichtswissenschaft und anderen Disziplinen geschaffen. Hierbei leisteten Volkskunde, Archäologie sowie andere geistliche Fachbereiche ihren Beitrag mit dem kulturpolitischen Ansinnen, einen völkischen Mythos der Völkerwanderung sowie der gesamten Menschheitsgeschichte zu schaffen. In diesem Kontext gilt es den Germanenmythos zu

6 Bei Memes handelt es sich um Bilder, die mit einem Text versehen wurden. Im digitalen Diskurs werden sie als mehrdeutige, spielerische Zeichen gebraucht, die eine bestimmte Meinung, eine Emotion oder schlichtweg einen Witz ausdrücken. Diese Symbole benötigen meistens Hintergrundwissen und bauen aufeinander auf. Sie können somit als Jargon eines kulturellen Teilbereichs alltäglichen Lebens gelten. 7 Adam: Absolutely Barbaric. Know your Meme. Online unter: https://knowyourmeme.com/memes/absolutely- barbaric (Stand 3.2.2020). 8 Siehe zum Diskursbegriff: Foucault, Michel: L’archéologie du savoir. Paris 1969. 9 Payne, Roger: 1000 Things you should know about Myths and Legends. Great Bardfield 2005. 5 fokussieren, der durch die ideologischen Strömungen des 19. Jahrhunderts, in diesem Bereich sind vor allem Romantik und Nationalismus zu nennen, geschaffen wurde. Nach 1945 nahmen die Geisteswissenschaften, insbesondere im deutschen Sprachraum, Abstand von der Idee eines einheitlichen Germanentums. Dies galt nicht nur für die damit einhergehende rassische Komponente, sondern erst recht für die vermutete Überlegenheit eines germanischen, dem Deutschen gleichgesetzten Volkes. Studiert man wissenschaftliche Bücher der Nachkriegszeit, so kommt es in wissenschaftlichen Texten weiterhin zur Rezeption des Narratives einer homogenen, hermetisch geschlossenen Volksgruppe. Ein besonders kritischer Vorgang ist in der (populär)wissenschaftlichen Archäologie zu beobachten, weil diese mit ihrem fragwürdigen Erbe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum bis gar nicht abgerechnet hat. In den Einführungen zu den jeweiligen Werken wird auf den wissenschaftlichen Forschungsstand verwiesen und den Lehren des Nationalsozialismus eine klare Absage erteilt, die herkömmliche Erzählung der Völker findet indes im Hauptteil der Publikationen ihr Fortbestehen. Im 18. bis 19. Jahrhundert formuliert, sich allerdings auf antike Quellen berufend, existiert der Germanenmythos ergo bis zum heutigen Tag fort. Global gesehen, zumindest im filmischen Spektrum,10 erhalten die Ereignisse der konstruierten Epoche der Völkerwanderung bloß wenig Beachtung. Nur einzelne Verfilmungen beziehen sich auf die Ethnogenese, meist in Zusammenhang mit der Legende von König Arthus, und vernachlässigen den historischen Verlauf außerhalb der britischen Inseln. Eine Untergattung des imaginierten Germanentums wird jedoch gerne weiterrezipiert. Geisteswissenschaftler*innen brachten eine Historiographie der Wikingerzeit nicht selten in Verbindung mit einem spätantiken Germanentum. Dabei wurden diese mittelalterlichen Seeräuber von zahlreichen (Vor-)Denkern einer nationalsozialistischen Ideologie für das Deutschtum reklamiert und als Vorbilder in Sachen physischer Härte sowie Eroberungswillen gezeigt. Sie gelten als die letzten Barbaren, die im hohen Norden dem Joch des Christentums bis ins Mittelalter hinein widerstehen konnten. Vorstellungen von Reinheit, Ursprünglichkeit und Naturverbundenheit tun hier ihren Beitrag zu einer Idealisierung einer nie dagewesenen Vergangenheit. Den Wikingern gelang es in einer kontinuierlichen medialen Repräsentation ihr prestigevolles Image bis in das 21. Jahrhundert beizubehalten. In Filmen besitzen die Seeräuber blondes, langes Haar, Körper mit besonderer Stärke und Augen, deren Blau computertechnisch nachmodelliert wurde. Die Überlappungen mit einem von rechter Gesinnung gezeichneten Geschichtsbild sind verblüffend, wobei die soeben erwähnten Produktionen durchaus ein

10 In dieser Arbeit befasse ich mich vor allem mit filmischen Darstellungen. Historienromane, Video Spiele und Brettspiele mussten aufgrund des Umfangs ausgeklammert werden. 6 globales Publikum anvisieren. Diese angestellten Überlegungen führen schlussendlich zu folgender Fragestellung: Inwiefern behält eine (post)moderne Rezeption der Erzählung der Wikinger narrative Strukturen und auch konkrete Inhalte des Germanenmythos des 19. und 20. Jahrhunderts bei? Die These besagt, dass sowohl das Stereotyp des Barbaren als auch des Wikingers identisch sind und nur aufgrund einer unterschiedlichen Beziehung zum Meer sowie zu variierenden historischen Ereignissen voneinander abweichen. Wenn auch die ideologischen, politisch am rechten Rand anzusiedelnden Implikationen des Germanenmythos prinzipiell abgelehnt werden, so lebt deren Geist in der Erzählung eines medialen Wikingertums fort. Als Konsequenz äußert sich ein Wunsch nach Identität in Verbindung mit Authentizität, was zum Versuch einer historisierten Konstruktion eines Gemeinschaftsgefühls und eines kollektiven Selbstverständnisses führt. Folglich kommt es zur Schaffung eines Ursprungsmythos. Die daraus gewonnene(n) Identität(en) sind ethnischer oder religiöser, geschlechtlicher oder performativer Natur. Der Germanenmythos wird nicht als stabiles, rigides Gebilde weitertransportiert, sondern erfährt eine ständige Umdeutung im aktuellen Diskurs und passt sich somit flexibel den synchronen Bedürfnissen der Rezipient*innen an. Das Konzept von Abstammung, Identität und Authentizität des*der Diskursteilnehmer*in wird dabei stets von einem zweiten Akteur bestätigt oder kritisiert. Der gemeinsame Ausverhandlungsprozess lässt den Mythos fortleben, vorausgesetzt dieser passt sich an die jeweiligen Bedingungen an.

Quellen und Methodik

Als Quelle zur Untersuchung der Rezeption der Wikinger sowie Germanen im (post)modernen Kino wird die Serie „Vikings“ herangezogen. War zuvor eine Analyse des gesamten Genres geplant, so ließ die beträchtliche Anzahl der Filme von diesem Vorhaben Abstand nehmen. „Vikings“ dürfte bisher die bekannteste Verfilmung der Wikinger im 21. Jahrhundert sein und deshalb einen entscheidenden Einfluss auf deren Wahrnehmung ausüben. Mit einer Dauer von sechs Staffeln zeichnet sie sich durch einen bemerkenswerten Umfang aus, der viel Platz für den Einsatz verschiedenster historischer Ereignisse und Persönlichkeiten bot. So erhalten bereits populäre Helden wie Ragnar Lothbrok, Björn Ironside oder Harald Finehair einen Auftritt und beteiligen sich an expansiven Abenteuern, wie der Belagerung von Paris, dem Überfall auf das Kloster Lindisfarne oder der großen Invasion Englands. Der Fokus dieser Arbeit liegt nicht auf der filmischen Darstellung, sondern auf deren Beurteilung durch die Fan-Gemeinde. Aufgrund der oft schwierigen Quellenlage kommen 7

Rezeption und Bewertung von populären, narrativen Gattungen durch das Publikum in wissenschaftlichen Analysen zu kurz. Während theoretische Detailinterpretationen der medialen Szenerie überragen, wird auf die breite und diverse Weiterverarbeitung des gezeigten Stoffes vergessen. Es muss jedoch eingeräumt werden, dass die Inklusion der Meinung einer Fan-Gemeinde sich als schwierig erweist, da sie durch eine globale Verbreitung sowie einen fehlenden institutionellen Rahmen schwer greifbar ist. Hierin besteht der Beitrag, den die Europäische Ethnologie zu einer Erforschung historischen Kinos und von Geschichtsbildern, ergo der sogenannten Geschichtskultur11, bieten kann. Anstatt also „Vikings“ auf all seine ideologischen und kulturellen Indizien abzutasten, obwohl dies einen prominenten Teil der Arbeit einnehmen wird, ist das Hauptaugenmerk der Zuschauerschaft gewidmet. Zu deren Repräsentation dienen Internetforen, in diesem Fall die Seite YouTube. Als Methodik kommen keine verteilten Fragebögen oder qualitative Interviews, sondern die Analyse von digitalen Videobeiträgen in Frage, die sich auf die Serie „Vikings“ beziehen und/oder diese auf eine eigene Art und Weise neu verwerten. In den darunterliegenden Kommentarsektionen kommt es zu regen Diskussionen über verschiedene Weltbilder, Glaubensvorstellungen sowie moralische Thematiken. Der Rahmen ist vergleichbar mit der Nachdiskussion eines wissenschaftlichen Vortrags auf einem wissenschaftlichen Kongress. Der Tonfall dürfte allerdings emotionaler sein und mehr auf Bekundungen der eigenen Person abzielen als auf einen Beitrag zum allgemeinen Diskurs. Die Motivationen der Urheber*innen gilt es im Kapitel zur verwendeten Methodik genauer zu begutachten. Prinzipiell lässt sich die Arbeit als Teil der Digital Humanities und der Erzählforschung beschreiben. Die erste dieser beiden methodischen Traditionen befasst sich vor allem mit den verwendeten Quellen, deren besondere Verfasstheit reflektiert sowie etabliert werden muss. Die im Zuge dieses Textes entwickelten Theorien gleichen andererseits den Konzepten der Erzählforschung, da sie mit ähnlichen Kategorien hantieren. Die prägendste Inspiration in Theorieentwicklung und bei der empirischen Analyse der Funde war Paul Ricoeurs „Zeit und Narrativ“12.

11 Siehe hierzu: Rüsen, Jörn: Was ist Geschichtskultur? In: Füßmann, Klaus (Hg.): Historische Faszination. Geschichtskultur heute. Köln 1994, 3-26. 12 Siehe hierzu: Ricoeur, Paul: Temps et récit. Tome I. L'intrigue et le récit historique. Montrouge 1983. 8

Gliederung

In einem ersten Hauptkapitel (A) werden ebenjene Medien und ihre Auswirkungen auf die europäisch-ethnologische Forschung untersucht. Europäische Ethnolog*innen, die sich mit Digital Humanities befassen, sehen sich keinem*r humanen Gesprächspartner*in, sondern einem zunächst scheinbar passiven Bildschirm gegenüber, der auf die bloßen Befehle des menschlichen Subjekts reagiert. Inwiefern dies der Wahrheit entspricht, oder das Internet als Medium der menschlichen Kommunikationsübertragung ohne direkte Beteiligung wirkt, oder aber als materieller Aktant mit eigener agency, muss durch reflektierte Überlegungen im jeweiligen Kontext geklärt werden. Hierbei greifen zahlreiche ethische Implikationen, die im digitalen Raum neu überdacht werden müssen. Die Medien Film und YouTube stellen die Europäische Ethnologie vor neue Herausforderungen, weshalb die gefilterten Daten weder den empirischen Ergebnissen einer konventionellen Teilnehmenden Beobachtung noch denen eines Interviews gleichkommen. Die Arbeit folgt mit einer Illustration (B) des theoretischen Hintergrunds. Drei vielkonnotierte Termini legen das Grundgerüst für den weiteren Verlauf der Untersuchung und sollen schlussendlich zu einer Konklusion führen. Sie geben Antwort auf die essenzielle Frage der Analyse nach den Kontinuitäten zwischen Germanenmythos und Wikingerbild. In diesem Sinn spannen die theoretischen Vorgaben einen Bogen zum letzten Kapitel, den „Bedeutungen“. Die drei Termini Identität13, Authentizität14 und Mythos15 wurden in den Geisteswissenschaften sowie in der Europäischen Ethnologie rege behandelt, aber auch Management, Werbung, Politikwissenschaft, Filmwissenschaft, Medienwissenschaft, Kunstgeschichte, Soziologie, Psychologie, Theologie und Philosophie lieferten jeweils eigene Definitionen, die sich innerhalb der jeweiligen Disziplin ebenso unterscheiden wie mit anderen Fachbereichen überlappen. Es gilt eine für diese Forschung angemessene Bestimmung zu finden und diese auszuformulieren. Die Theorie wurde durch die Konsultation der Quellen gewonnen und nicht als vorgefertigtes akademisches Schema über das Forschungsobjekt gelegt, beziehungsweise die Ergebnisse nicht in ein vorgegebenes rigides Theoriegerüst gezwängt. Stattdessen verweisen die gefundenen Aussagen auf eine passende Definition der drei genannten Begriffe. Identität, Authentizität und Mythos wurden ergo nicht in den Internetforen

13 Siehe hierzu beispielsweise: Hall, Stuart: The question of cultural identity. In: Hall, Stuart/Held, David/McGrew, Anthony (Hg.): Modernity and its futures. Cambridge 1992, 274-316. 14 Siehe hierzu beispielsweise: Lindholm, Charles: Authenticity, Anthropology, and the Sacred Author(s). In: Anthropological Quarterly, 75 (2002), H. 2, 331-338. 15 Siehe hierzu beispielsweise: Pouillon, Jean: Die mythische Funktion. In: Poullion, Jean (Hg.): Mythos ohne Illusion. Frankfurt a. M. 1984, 68-83. 9 oder in der Serie „Vikings“ gesucht, weil die Kommentare auf YouTube durch rhetorische Anreize zur wissenschaftlichen Literatur führten. Hier sei erwähnt, dass sich die Begrifflichkeiten und Verwendungen der Termini im populärwissenschaftlichen Kontext von den Ansätzen der disziplinären Wissenschaft unterscheiden. Diese krisenhafte, der europäisch-ethnologischen Forschung stets eigene Dichotomie soll nicht zu einer Diffamierung der im Netz geäußerten Meinungen führen oder gar ein Devaluieren anderer politischer Gesinnungen bewirken, so sehr sie dem Weltbild des Autors widersprechen. Vielmehr soll deren argumentativer Kontext, sofern möglich, erfasst und mit wissenschaftlichen wie historischen Diskursbeiträgen abgeglichen werden, um Parallelen, Tangenten und Differenzen auszumachen. Eine Asymmetrie von Forscher*in in Opposition zum Forschungsobjekt soll umgangen werden, obwohl dies allein schon durch eine Funktion als Urheber des Arbeitstextes nicht möglich ist. Als dritter Schritt (C) wird die Quellenlage gesichtet und ein Einblick in den historischen Hintergrund der Forschung geboten. Ein Abriss der Entwicklung des Germanenmythos verhilft zu einem besseren Verständnis dessen Ursprungs und seiner Merkmale, wodurch soziale Konstanten in einer Rezeption der Wikinger aufgezeigt werden. Durch diesen Vorgang wird ersichtlich, warum sich die gedankliche Grundstruktur dieser Meistererzählung trotz vordergründigem Paradigmenwechsel hartnäckig in populären Medien sowie der Wissenschaft hält. Zweitens zwingt eine Bearbeitung der entsprechenden Thematik zu einer Beschreibung der allgemeinen Narration der Ereignisse rund um die Seefahrten, Eroberungszüge und Königreiche der skandinavischen Kämpfer im frühen Mittelalter. Diese historischen Grunddaten beinhalten zwar durch ihre lange Tradition und Geschichte bereits ein beachtliches Ausmaß an Material, sollen aber nur kurz umrissen werden, da sie nicht den eigentlichen Kern dieser Arbeit ausmachen. Des Weiteren kommt es zu einer qualitativen Analyse des Historienfilms. Als Genre der darstellenden Kunst hat dieser im letzten Jahrzehnt vermehrt wissenschaftliches Interesse auf sich gezogen, dem ein plötzlicher Boom des Schlagwortes Public History zugrunde liegt. Nichtsdestotrotz können Erforschung und theoretische Reflexion dieses Aktanten16 nicht als abgeschlossen betrachtet werden, vor allem nicht aus dem Blickwinkel der Europäischen Ethnologie, da diese bisher verhalten auf diese Thematik einging. Scheint das Sujet nicht im primären Kanon des Faches auf, so bietet es dennoch ein

16 Der Ethnologe Ehler Voss bereitet Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie neu auf, indem er auch Ideen, Konzepten und Medien Handlungsmacht und agency zuspricht. Deshalb werden in der folgenden Arbeit Quellen, wie Internetforen oder Filme, aber auch Konzepte, wie Identität, Authentizität und Mythos, als Aktanten angesehen, die auf Diskursteilnehmende und auf den*die Forscher*in Einfluss nehmen. Siehe hierzu: Voss, Ehler: Authentizität als Aktant. Schamanismus aus Sicht einer symmetrischen Anthropologie. In: Paideuma. Mitteilungen zur Kulturkunde, 59 (2013), 103-126, hier 121. 10 weites Spektrum an Ansatzpunkten sowie Analysemöglichkeiten, die sich im Erkenntnissinteresse der Europäische Ethnologie befinden. Im Anschluss unterziehe ich mich einer Selbstreflexion, obgleich diese im universitären Rahmen meist als das Unikum der Europäischen Ethnologie begriffen wird. Die hier vorkommende Verwendung ist weder eine Überbetonung des Aushängeschildes des Faches noch ein oft vorgeworfener, egozentrischer Personenkult. Stattdessen wird darauf abgezielt, die eigene Person sichtbar zu machen und die spezifische Beziehung zu den Quellen wie zum Feld aufzuweisen. Denn, so sehr man sich im Rankschen Sinne bemüht, Objektivität kann nur in einer subjektiven Perspektive existieren. Selbstreflexion ist kein bloßes Eingeständnis der eigenen Begrenztheit, sondern erlaubt die Erkenntnis neuer Resultate und kommt zukünftigen Forschenden entgegen, denen zumindest ein Teil der Quellenkritik abgenommen werden soll. Im letzten und wichtigsten Kapitel werden schlussendlich die Ergebnisse präsentiert. Dabei handelt es sich um eine dreifache Kategorisierung der Funde der Seite YouTube. Erstens erstellen die User*innen der Webpage verschiedene Arten von Videos, die sich entweder als Musikproduktionen, Montagen, Trailer oder anderes gestalten. Sie besitzen ihre eigenen Merkmale und rufen bestimmte Reaktionen unter den Zuseher*innen hervor. Zweitens lassen sich diese Reaktionen in Bündel fassen, eine ähnliche Emotionalität, einen überlappenden Inhalt oder eine geteilte Motivation aufweisend. Die Sprech-, oder besser Schreibakte, werden als digitale Praxen gesehen, da sie durchaus auf den Erhalt einer Gegenhandlung abzielen. Drittens kristallisierten sich Bedeutungsdiskussionen heraus, die wiederum mit dem theoretischen Kapitel dieser Arbeit korrelieren. Die digitalen Akteure verhandeln Identität anhand des Heranziehens verschiedener Teilaspekte, Geschlecht, Ethnie und Religion kombinierend. Diese Mehrschichtigkeit von Selbst- und Fremdwahrnehmung plädiert für eine Verwendung des Begriffs bricolage17. Einige Aussagen sind sich des performativen Charakters gelebter Identität bewusst, oder stimmen zumindest mit der gängig verbreiteten, europäisch- ethnologischen Forschungsmeinung überein, was jedoch keine Absage an die Mehrdimensionalität und gleichzeitige Oberflächlichkeit eines so oft als ewig-innig gefühlten Ichs bedeutet. Am Ende spitzt sich der digitale Diskurs um Wikinger, „Vikings“ und Geschichte auf den Terminus Authentizität zu, dessen Existenz oder Nicht-Existenz Foren wie Wissenschaft polarisiert.

17 Siehe hierzu: Lévi-Strauss, Claude: La pensée sauvage. Paris 1962, 26. 11

Forschungsstand

Der Begriff Germanenmythos entstand wider Erwartung relativ spät, denn er etablierte sich erst am Ende des 20. Jahrhunderts. Während dem 19. Jahrhundert und der Zeit der beiden Weltkriege äußerten einige Wissenschaftler*innen zwar Kritik und Zweifel an der aufkommenden Begeisterung am Germanentum, der allgemeine Tenor der deutschen Forschung hingegen wähnte in den vermeintlichen Barbaren die ersehnten Vorfahren gefunden zu haben. In den Nachkriegsjahren wurde das nationalsozialistische Erbe dieser Forschung unreflektiert übergangen und das Narrativ der völkischen Wanderung der Stämme blieb erhalten. 1970 ließ schließlich der Mediävist und Rechtshistoriker Klaus von See sein Missfallen an der „Germanen-Ideologie“ publizieren.18 Eine Benützung des Begriffs „Germanenmythos“ zur Beschreibung der gesammelten literarischen wie wissenschaftlichen Tätigkeiten zur Festigung des konstruierten Volkes im kollektiven Gedächtnis einer Nation war also noch alles andere als selbstverständlich. In den 1990ern kam es zu einer intensivierten Beschäftigung mit diesem zweifelhaften Erbe. Hier schrieb die Geschichtswissenschaft, aber auch die Germanistik und vereinzelnd die Archäologie gegen ein unreflektiertes Übernehmen narrativer Traditionen an. Ein Zweig der deutschen Forschung demontierte die Hermanns Schlacht bei Kalkriese als Ursprungsmythos und versuchte eine Entkleidung des ideologischen Gewands, das den ehemaligen Feldherrn umhüllte.19 Des Weiteren war der Stoff der Nibelungen, mit Richard Wagners Ruf als Lieblingskomponist Adolf Hitlers, auf sein völkisches Erbe untersucht worden.20 Es scheint ebenfalls ein direkter Zusammenhang zwischen dieser mittelalterlich angehauchten Literatur, einer Nacherzählung einer nationalen Geschichtsschreibung und der deutschen Identität zu bestehen, da einige Autor*innen die Nähe dieser zum Germanenmythos in ihrem Titel anklingen lassen.21 Von besonderem Interesse für die Erforschung des filmischen Fortlebens dieses Mythos ist die Analyse literarischer Traditionen des wilhelminischen Kaiserreichs und des Fin de Siècle mit

18 See, Klaus von: Deutsche Germanen-Ideologie. Vom Humanismus bis zur Gegenwart. Frankfurt a. M. 1970. 19 z.B.: Fansa, Mamoun (Hg.): Varusschlacht und Germanenmythos. Eine Vortragsreihe anläßlich der Sonderausstellung Kalkriese - Römer im Osnabrücker Land in Oldenburg 1993. Oldenburg 1994; Wiegels, Rainer (Hg.): Arminius und die Varusschlacht. Wien u. a. 1995; Sechtig, Daniela: Arminius vs. Siegfried. o.O. 2008. 20 z.B.: Heinzle, Joachim (Hg.): Die Nibelungen, ein deutscher Wahn, ein deutscher Alptraum. Frankfurt a. M. 1991. 21 z.B.: Ehringhaus, Sibylle: Germanenmythos und deutsche Identität. Die Frühmittelalter-Rezeption in Deutschland, 1842-1933. Weimar 1996. 12

Fokus auf dem historischen Roman als maßgebliches Vorbild für das historische Kino.22 Schlussendlich möchte ich die Verdienste Uwe Puschners (Geschichte) und Ingo Wiwjorras (Archäologie) hervorheben, deren Publikationstätigkeit einen produktiven Beitrag zu einer Erforschung eines völkischen Germanentums darstellen.23 Die Europäische Ethnologie hat sich augenscheinlich nur bedingt mit dieser Thematik befasst, die vor allem durch die Geschichtswissenschaft in Zusammenarbeit mit der Archäologie mit der Begründung fokussiert wurde, dass es sich hierbei um eine Materie der Vergangenheit handelt. Die volkskundliche erste Hälfte des 20. Jahrhundert in Deutschland und Österreich implizierte allerdings eine germanische Verfasstheit einer deutschen Kultur, wie dies in anderen Fächern sowie Ländern praktiziert wurde. Zu erwähnen sind beispielsweise die Vertreter des Innsbrucker Institutes Hermann Wopfner24 und Adolf Helbok25. In ihren Schriften rezipierten sie volkgeschichtliche Theorien Karl Lamprechts26, indem sie diese mit einer historisch orientierten Volkskunde in Verbindung brachten. Insofern hatte das damalige Fachverständnis einen Anteil an der Verbreitung des Germanenmythos, weshalb eine Dekonstruktion fachinterner Traditionen eine teils unterschwellige Mitbehandlung durch die Europäische Ethnologie bewerkstelligt. Was die Erforschung einer neuzeitlichen so wie zeitgeschichtlichen Wahrnehmung des frühen skandinavischen Mittelalters betrifft, so teilt sich die Sekundärliteratur aufgrund der verschiedenen Quellen in mehrere Untergruppen. Die älteste und in der Wissenschaft angesehenste Tradition befasst sich mit literarischen Werken der späten Antike sowie des Mittelalters in Kombination mit deren Übersetzungen sowie Fortsetzungen im 19. und 20. Jahrhundert. Renommierte Autoren*innen wie William Morris oder John R. R. Tolkien liegen im Fokus dieser Linguistik. Als internationale Größe und geistige Autorität gilt Andrew Wawn, der mit einem Sammelband27 sowie einer Monografie28 zwei grundlegende Nachschlagwerke zur Thematik verfasste. Zusätzlich befassen sich einige Bücher mit der Instrumentalisierung der nordischen Krieger durch moderne Politik und Ideologien, allen voran durch den

22 Siehe hierzu: Goy, Axel: Felix Dahns Historienroman. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 66 (2015), H. 7/8, 384-401; Kipper, Rainer: Der Germanenmythos im deutschen Kaiserreich. Formen und Funktionen historischer Selbstthematisierung. Göttingen 2002. 23 Puschner, Uwe/Vollnhals, Clemens (Hg.): Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und Konfliktgeschichte. Göttingen 2012; Wiwjorra, Ingo: Der Germanenmythos. Konstruktion einer Weltanschauung in der Altertumsforschung des 19. Jahrhunderts. Darmstadt 2006. 24 Siehe hierzu beispielsweise: Wopfner, Herman: Bergbauernbuch. Von Arbeit und Leben des Tiroler Bergbauern. Band 1. Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte, hg. v. Nikolaus Grass. Innsbruck 1995. 25 Siehe hierzu beispielsweise: Helbok, Adolf: Was ist deutsche Volksgeschichte? Ziele, Aufgaben und Wege. Berlin u. a. 1935. 26 Siehe hierzu beispielsweise: Lamprecht, Karl: Die kulturhistorische Methode. Berlin 1900. 27 Wawn, Andrew (Hg.): Northern Antiquity. The Post-Medieval Reception of Edda and Saga. Bath 1994. 28 Wawn, Andrew: The Vikings and the Victorians. Rochester 2000. 13

Nationalismus. Diese ist nicht nur in den skandinavischen Ländern29 der Fall, was geographisch naheliegend wäre, sondern gleichfalls in den anglophonen Staaten sowie in Deutschland und den Beneluxstaaten. Hier handelt es sich weniger um die Frage, ob das jeweilige Individuum oder die spezifische Ortschaft ein Anrecht auf das Erbe der Wikinger hat, da dies ohnehin als konstruiert angesehen wird, sondern eher um eine Analyse kommunikativer Strukturen, die eine derartige Identifikation konstituieren. Die Wissenschaft interessiert sich für die jeweiligen rhetorischen Strategien der sich als Wikinger verstehenden Akteure, welche wiederum verwendet werden, um eine nordische Herkunft herzuleiten und ein eigenes Wikinger-Sein zu inszenieren. Dieser Ansatz bekam insbesondere im amerikanischen Mittleren Westen eine kulturelle wie politische Brisanz, wie Geraldine Barnes mit „Viking America“30 und Jefferson F. Calico mit „Being Viking“31 veranschaulichen konnten. In diesem Sinne wirkt die musikalische Erforschung von Viking Metal ergänzend zu einer allgemeinen Rezeption der Wikinger, dessen Szene von zahlreichen Kritiker*innen am rechten Rand der Gesellschaft angesiedelt wird. Eine genauere Analyse der künstlerischen Inszenierung eines solchen Weltbildes birgt die Möglichkeit weitereichender Erkenntnisse über selbstverortende Funktionen von Geschichte und Kunst. So schufen erste Arbeiten von Seven P. Ashby und John Schofield32 sowie Marks Deeks33 einen Überblick. Mit Wikingern im Film befasste sich bisher der Sammelband des Historikers Kevin J. Harty34, in dem der Großteil der bis 2011 erschienen Filme Erwähnung findet. Die einzelnen Aufsätze beziehen sich dabei auf einen bis zwei Filme und untersuchen diese auf psychologische, kulturelle oder soziale Strukturen. Dabei werden erste Mythen, wie die des Noble Savage oder des Orientalismus, herangezogen und dekonstruiert. Da „Vikings“ nach dem Publikationsdatum 2011 produziert wurde, fand es keine Bearbeitung in Hartys Werk. 2019 erschien indes ein Sammelband, der sich mit einer (post)modernen Rezeption des Wikingermythos in der späten Neuzeit, Zeitgeschichte und Gegenwart aufhielt. Unter den verschiedenen Ansätzen fand sich auch ein Aufsatz des skandinavischen Archäologen Neil Price. Dieser versucht die Serie „Vikings“, der er seine Arbeit widmet, gegenüber

29 z.B: Myhre, Jan Eivind: The ‚Decline of Norway‘. Grief and Fascination in Norwegian Historiography on the Middle Ages. In: Evans, R.J.W./Marchal, Guy P. (Hg.): The Use of the Middle Ages in Modern European States. History, Nationhood and the Search for Origins. Chippenham/Eastbourne 2011, 18-30. 30 Barnes, Geraldine: Viking America. The First Millennium. Bury St. Edmunds 2001. 31 Calico, Jefferson: Being Viking. Heathenism in Contemporary America. Sheffield 2018. 32 Ashby, Steven P./Schofield, John: ‘Hold the Heathen Hammer High’. Representation, re-enactment and the construction of ‘Pagan’ heritage. In: International Journal of Heritage Studies, 21 (2015), H. 5, 493-511. 33 Deeks, Mark David: National Identity in Northern and Eastern European Heavy Metal. Leeds 2016. 34 Harty, Kevin J. (Hg.): The Vikings on Film. Essays on Depictions of the Nordic Middle Ages. Jefferson/London 2011. 14

Kritiker*innen und der Fachwelt zu verteidigen. Obwohl seine Sichtweise durchaus zu unterstützen ist, muss der Artikel hinterfragt werden, weil Price selbst an der Produktion einer mit „Vikings“ verbundenen Dokumentationsshow mitwirkte.35 Die Erfassung einer populären Rezeption der Wikinger scheint vor allem durch die Geschichtswissenschaft und die Archäologie bewerkstelligt zu werden, wobei sich diese Thematik ebenso für die Europäische Ethnologie oder andere kulturwissenschaftliche Fächer anbieten würde. Als verheißungsvolle Vorlage gilt hier die Dissertation von Alexandra Service (1998)36 von der Universität York. Ihre Arbeit bleibt zwar einem historischen Ansatz verbunden, bedient sich jedoch der Methodik von James Lull und übernimmt so dessen ethnographische Herangehensweise. Es werden außerdem theoretische Ansätze der cultural studies, so von Raymond Williams und Stuart Hall, eingebaut. Service veranschaulicht, wie europäisch-ethnologische Praxis auf historisches Material in Kombination mit populärer Kultur angewandt werden kann.

A. Gefangen im (Bedeutungs-)Netz 2.0? – Methodische Überlegungen zum Forschen auf YouTube

Als Methodik zur Untersuchung der Rezeption der Wikinger auf YouTube wurde Geertz‘ Dichte Beschreibung gewählt. Nach einer Erörterung, wie diese umgesetzt wurde, um aussagekräftige, empirische Resultate zu gewinnen, gelangt der*die Leser*in zu einer Reflexion des Mediums YouTube aus der Sicht der Europäischen Ethnologie. Das Feld gestaltet sich bedeutend anders als im direkten persönlichen Kontakt mit Partizipant*innen einer Studie. Zu guter Letzt dient der Versuch einer Selbstreflexion und einer Analyse des eigenen Verhältnisses zum Feld einer Transparenz der subjektiven Färbungen des Textes, die einen gänzlich objektiven Blick verhindern.

35 Price, Neil: My Vikings and Real Vikings. Drama, Documentary, and Historical Consultancy. In: Birkett, Tom/Dale, Roderick (Hg.): The Vikings Reimagined. Reception, Recovery, Engagement. Berlin/Boston 2019, 28- 43. 36 Service, Alexandra: Popular Vikings. Constructions of Viking Identity in Twentieth Century. Dissertationsarbeit (Medieval Studies), York 1998. 15

A) 1. Dichte Beschreibung als Analyseoption eines digitalen Teildiskurses Die Analyse der Serie „Vikings“ und der dazugehörigen Diskussionen auf YouTube wurde im Rahmen einer Teilnehmenden Beobachtung durchgeführt. Der*Die Forschende nimmt selbst die Position des*der Konsument*in ein, indem er Videos wählt, diese betrachtet und folglich darauf reagiert. Als Inspiration für die Methodik dieser Arbeit fungierte das Konzept der Dichten Beschreibung nach Clifford Geertz.37 Deshalb wurden nur wenige Beiträge auf YouTube gewählt, um ein eher qualitatives als quantitatives Bild zu gewinnen. Die einzelnen Gespräche, die sich aus einigen Kommentaren unter den Videos ergaben, wurden in ihrer Einzigartigkeit und in ihrem Momentum betrachtet. Daraus lassen sich keine pauschalisierenden Aussagen gewinnen, sondern vielmehr eine detailreiche Aufnahme vergänglicher Kommunikationskonstellationen rekonstruieren. Diese sind, vornehmlich auf dynamischen Foren wie YouTube, in ihrer Wahrnehmung nicht reproduzierbar und entziehen sich somit einer positivistischen Untersuchung. Das Ziel der Untersuchung ist es, eine strukturell-narrative Kontinuität des Germanenmythos in einer Erzählung der Wikinger anhand eines Identitätskonzeptes in Verbindung mit Authentizität und Mythos aufzuzeigen. Diese befinden sich in einem bedeutungsgenerierenden Netzwerk, weshalb alle Aussagen, sowie infrastrukturelle Gegebenheiten und Videoeinstellungen inkludiert werden müssten, um ein gesamtes Bild zu erhalten. Da dies den Überblick verlieren lässt, sprich schlichtweg nicht dem Charakter einer Analyse entspricht, wurde hiervon abgesehen. Stattdessen fokussieren die Nachforschungen einzelne Aussagen und Reaktionen anderer YouTube Mitglieder auf eben diese. Eine so qualitativ zugespitzte Perspektive verschiebt den Blickwinkel durch die Person des Forschenden, was indes nicht bloß als Schwäche, sondern auch als Stärke der Kulturwissenschaften gesehen werden kann. Denn erst durch das Fokussieren eines Details lassen sich implizierte Bedeutungen und unterschwellige Konnotationen wahrnehmen, die auf andere kulturelle Standpunkte sowie Prozesse verweisen. Diese Mythen werden nicht nur als Symbole im Netz, nach Geertz38, sondern auch als Schlagwörter im Diskurs verortet.39 Diese Schlagwörter fungieren als Tabula Rasa, die mit Bedeutung und Erklärung durch das jeweilige Subjekt besetzt werden. In einem zweiten Schritt wird die Legitimation dieser Bedeutung durch die anderen Diskursmitglieder erprobt und auf Lücken abgetestet, bejaht oder verneint. Es gilt, den Prozess der Sinngenerierung in seinem Momentum einzufangen, um die

37 Vgl. Geertz, Dichte Beschreibung. 38 Vgl. Ebd., 21. 39 Hierzu siehe beispielsweise: Skinner, Quentin: Visions of Politics. Volume I. Regarding Method. Cambridge 2002. 16 daraus resultierende Sinnhaftigkeit zu kategorisieren. Das schlussendliche Ziel der Studie ist das Nachvollziehen einer Imagology,40 die einer Taxonomie von Bedeutungsdeterminismen bestimmter Konzepte, in diesem Fall vor allem Identität und Authentizität, gleichkommt. Um ein derartiges Ergebnis zu erzielen, wurde zunächst die Serie „Vikings“ eingesehen, um das nötige Hintergrundwissen für die anschließenden Diskussionen zu erlangen. Des Weiteren generiert eine solche Medienanalyse erste Annahmen, die sich aus der suggestiven Darstellung mancher Szenen ergeben. Es sei gesagt, dass, wie es in Kunst und Popkultur prinzipiell der Fall ist, der*die Forschende dadurch bereits eine vorgefertigte Meinung des Mediums erlangt, was anschließend bei einer Untersuchung der YouTube Kommentare vernachlässigt werden muss, wenn diese nicht ohnehin durch den dagegen anströmenden Pluralismus von Interpretationen dekonstruiert wird. „Vikings“ wurde im Sinne einer Teilnehmenden Beobachtung als einfacher Zuschauer erlebt. Eine kurze Reflexion nach jeder Folge (in ihrer Gesamtheit handelt es sich hier um neunzig Episoden) und die erneute Betrachtung diverser Szenen mit besonders aussagekräftigen Inhalten wurden als ausreichend empfunden. Durch eine solch minimierte Methodik in Bezug auf die Serie konnte einerseits die Nähe zum sonstigen Publikum gewahrt bleiben, andererseits arbeitstechnische Ressourcen für den eigentlichen Fokus, die YouTubes Comment Section, gespart werden. Dem dualen Charakter der Studie wurde, wie bereits angeklungen, durch das Exzerpieren einzelner Kommentare zu bestimmten Aspekten und der Anwendung quantitativer Kategorisierungsschemata entsprochen. Dabei wählte ich die ersten 25 Videobeiträge auf YouTube, die Material der Serie „Vikings“ verwendeten. Unter den Einstellungen der Website wurde eine Reihung nach Beliebtheit der Beiträge gewählt, um die am meisten konsumierten und demnach allgemein als interessant angesehenen Videos zu erhalten. Bei jedem dieser Mini- Diskurse wurden die ersten hundert Kommentare ausgewählt und in vorgefertigte Schemata eingetragen, während qualitative Aussagen, die eine starke Bestätigung der These bewirkten oder für Irritationen sorgten, eigens exzerpiert wurden. Durch diese Paarung von qualitativen wie quantitativen Methoden soll der Position der Europäischen Ethnologie zwischen dem Subjekt und der Gesellschaft entsprochen werden. Die Problematik des Exzerpierens als verallgemeinernder Kategorisierungsprozess besteht in einer Verschiebung der ursprünglichen Bedeutung der Aussagen. Wird dies indes reflektiert,

40 Siehe zu diesem Begriff den Sammelband von Manfred Beller und Joep Leerssen: Beller, Manfred/Leerssen, Joep (Hg.): Imagology. The cultural construction and literary representation of national characters. A critical survey. Amsterdam/New York 2007. 17 können daraus eher Erkenntnisse als Missverständnisse gezogen werden.41 So verhält es sich ähnlich bei den folgenden Schwierigkeiten bezüglich der gewählten Quelle und der eigenen Person.

A) 2. YouTube – Eine demokratische Plattform?

Bei YouTube handelt es sich um einen 2005 gegründeten, amerikanischen Konzern, der ebenfalls eine Internetplattform darstellt. Auf diese kann jedes Individuum mit Internetanschluss zugreifen und im digitalen Diskurs partizipieren. Eine derartige Kommunikation geschieht in Form eins Hinterlassens von Kommentaren zu den einzelnen Videos, in Form von Bewertungen der Beiträge oder durch das eigenständige Erstellen von Videos. YouTube bietet seine Dienstleistungen kostenfrei an, da der Konzern vor allem durch Werbung Gewinne erzielt. YouTube stellt also ein infrastrukturelles, digitales Gerüst, das von den Nutzer*innen selbst gefüllt werden muss. Der daraufhin entstehende Diskurs zeichnet sich durch sein freies Klima und die daraus resultierende Vielfalt der Kommentare und der Partizipierenden aus.42 So wird die Plattform nicht nur zum persönlichen Zeitvertreib genutzt, sondern auch von Firmen, wie etwa dem History Channel. Durch vom herkömmlichen Fernsehen abweichende mediale Strukturen wird Werbung allerdings nicht immer als solche gekennzeichnet. So üben diverse Beiträge subversiven oder offensichtlichen Einfluss auf die Rezipient*innen aus. Ein solcher Effekt wird gleichfalls in einem geopolitischen Kontext erzielt. ISIS benützte die Webpage beispielsweise, um neue Mitglieder zu rekrutieren und Videomaterial zu verbreiten, das kein Sender ausgestrahlt hätte. Kampfszenen mit religiös motivierter Musik im Hintergrund sollten zur Teilnahme am Djihad aufrufen.43 YouTube verhilft in dieser Hinsicht einerseits die zentralgeschalteten Medienberichte über aktuelle Geschehen zu hinterfragen und eine alternative Weltdeutung anzubieten, gereicht aber andererseits zu einer Trivialisierung des Gezeigten. Die hohe Anzahl der verschiedenen Standpunkte lässt die Konsument*innen zwischen den Ansichten wählen und führt in vielen, doch nicht in allen Fällen, zu einem

41 Vgl. Maase, Kaspar: Das Archiv als Feld? Überlegungen zu einer historischen Ethnographie. In: Eisch, Katharina/Hamm, Marion (Hg.): Die Poesie des Feldes. Beiträge zur ethnographischen Kulturanalyse. Tübingen 2001, 255-271, hier 269. 42 Vgl. Strangelove, Michael: Watching Youtube. Extraordinary Videos by ordinary people. Toronto 2010, 6. 43 Vgl. Dauber, Cori E.: YouTube War. Fighting in a World of Cameras in every Cell Phone and Photoshop on every Computer. Carlisle PA 2009. 18 gesteigerten Misstrauen gegenüber Medien generell. YouTube wird folglich als Teil des diskursiven Zeitalters der sogenannten Fake News angesehen.44 Durch den dualen, synchronen oder diachronen Charakter der Kommunikation im Netz ergibt sich die Frage des Zusammenspiels zwischen Sender und Empfänger einer Nachricht. Während einige Medienwissenschaftler*innen argumentieren, die Botschaft des Ersteren würde ihrem zeitlichen Kontext enthoben werden, meint der Kulturanthropologe Florian von Dobeneck, dass es durchaus zu direkten Reaktionen auf das Kommunizierte kommt.45 Andreas Greis sieht hinter der digitalen Interaktion eine Fusion aus schriftlichen wie oralen Übertragungen. Das geschriebene Wort besitzt den Vorteil der Möglichkeit des wiederholten Lesens, also des Lernens des Gelesenen sowie eine konsequenterweise stattfindende Entlastung des Gedächtnisses. Es sind außerdem die Adressatenoffenheit und die Situationsungebundenheit, in der das Medium verwendet werden kann, die die ursprüngliche Attraktivität ebendessen ausmachen. Die Oralität hingegen ist in ihrem sprachlichen Schaffen unkreativer und verfolgt mit höherer Wahrscheinlichkeit linguistisch konservative Formeln, um ein allgemeines Verständnis zu gewährleisten.46 Digitale Foren, wie YouTube, würden zwar schriftliche Form annehmen, aber nach oralen Strukturen fungieren. So findet Kommunikation im Jargon des jeweiligen Individuums statt und das Geäußerte erscheint in der akuten Emotionalität im Moment der Rezeption des Mediums, welches als ungefilterte Antwort geäußert wird. Digitale Interaktion besteht also aus einem sprachlichen, oral-schriftlichen Dualismus.47 Der fehlende Kontext des Gesagten ermöglicht hierdurch eine Demokratisierung des öffentlichen Diskurses. Zunächst wird der soziale Status des Subjekts ausgeblendet, weshalb physisches Aussehen, fehlende körperliche Präsentationsfähigkeiten, geringes Kapital und dergleichen ihre Wirkung verlieren. Das Wort wird um des Wortes willen verstanden und pararhetorische Kommunikationsfaktoren ausgeschlossen. Des Weiteren erhalten alle Teilnehmenden dieselbe Aufmerksamkeit, was eine Föderalisierung des zunächst auf mächtige Institutionen fokussierten Diskurses bedeutet.48 Deshalb wurde YouTube zusammen mit anderen Plattformen als Teil des „Web 2.0“ genannt. Dieses Konzept beinhaltet eine Sammlung

44 Vgl. Majewski, Piotr: Nationalism, Cyberspace and Convergence Culture. In: Colloquia Humanistica, 1 (2015), 65-79, hier 77. 45 Vgl. Dobeneck, Florian von/Studentische Projektgruppe: »EthnoTube« — ethnische Authentizität in einem Video-Portal. In: Lied und populäre Kultur / Song and Popular Culture, 56 (2011), 197-219, hier 202. 46 Vgl. Greis, Andreas: Identität, Authentizität und Verantwortung. Die ethischen Herausforderungen der Kommunikation im Internet. München 2001, 158. 47 Vgl. Ebd., 162. 48 Vgl. Lachance, Jocelyn: L’éthos de l’adolescent dans les mondes numériques. Le rôle des destinataires. In: Itinéraires, 2015 (2016), H. 3, 1-11, hier 8. 19 von Pages, die zur partizipativen Kommunikation und kollektiven agency einladen, was einige Theoretiker*innen begeistert als Demokratisierung des Internets betitelten. Man entwickle sich von einem Verhältnis der rezipierenden Masse zur aktiv kommunizierenden Gesellschaft.49 Eine Grenze zwischen Amateur*innen der Medienproduktion und dem bisherigen professionellen Gewerbe der Filmindustrie würde dadurch minimiert, was einer postmodernen Ideologie mit Fokus auf ein pluralistisches Verständnis von individueller Wahrheit entgegen kommt.50 Durch die Aufhebung traditioneller Diskursstrukturen, ergeben sich indes neue Machtvakuen. Diese werden durch das Eingreifen einer aktiven Öffentlichkeit sowie durch den Einsatz neuer Techniken gefüllt. Technik schien bisher die bloße Infrastruktur für Kommunikation im Web gestellt zu haben, dabei fungiert sie als Hypertext und Orientierungshilfe. So lenken spezifische Algorithmen unser Konsumverhalten in Bezug auf Waren sowie Informationen. Derartige Tools arbeiten im Interesse bestimmter Konzerne oder Individuen, sprich aufgrund der Programmierung der Seitenurheber*innen, denen infolgedessen ein Großteil der als demokratisch proklamierten Macht zukommt. Wie zu seiner Zeit das Kino, wird nun das Internet aufgrund der fehlenden Transparenz der Entstehung und Vernetzung von Information kritisiert. Ob es zu einem tatsächlichen Regimewechsel der Kommunikationsstrukturen kam, bleibt weiterhin fraglich. Fest steht, dass Technik einen intensiveren Eingriff in das Vermittelte vornimmt als oft angenommen. Die orale und schriftliche Umrahmung von Inhalten werden nun durch Interfacegestaltung, die nötige Verlinkung und Internettrends ersetzt.51 In Bezug auf Donna Haraways „Cyborg Manifesto“52 gilt es hier zu reflektieren, inwiefern der Mensch mit dem Internet eine Symbiose einging, bedenkt man den allumfassenden Gebrauch digitaler Kanäle zur Kommunikation und Wissensgenerierung. Martin Faßler spricht vom digital native, der sich in der Welt des Netztes ebenso zurechtfindet, wie in der als eigentliche Realität proklamierten geographischen Umgebung. Er meint, dass das Internet ähnlich unserer natürlichen Umwelt als Informationsquelle gesehen werden muss. Reine Daten sowie Fakten ohne kritische oder weiterverarbeitende Reflexion würden jedoch kein Wissen generieren. Um zu tatsächlichem Wissensgewinn zu gelangen, benötige es die Erzählung, die vermeintliche

49 Vgl. Näser, Torsten: Authentizität 2.0. Kulturanthropologische Überlegungen zur Suche nach 'Echtheit' im Videoportal YouTube. In: kommunikation @ gesellschaft, 9 (2008), 1-17, hier 7. 50 Vgl. Reichert, Ramon: Das narrative Selbst. Erzählökonomie im Web 2.0. In: Gächter, Yvonne u. a. (Hg.): Erzählen – Reflexionen im Zeitalter der Digitalisierung. Innsbruck 2008, 202-228, hier 219. 51 Vgl. Dang-Anh, Mark/Einspänner, Jessica/Thimm, Caja: Die Macht der Algorithmen – Selektive Distribution in Twitter. In: Emmer, Martin u. a. (Hg.): Echtheit, Wahrheit, Ehrlichkeit. Authentizität in der computervermittelten Kommunikation. Weinheim/Basel 2013, 74–87, hier 74. 52 Vgl, Haraway, Donna J.: A Cyborg Manifesto. Science, Technology, and Socialist-Feminism in the late Twentieth Century. In: During, Simon (Hg.): The cultural reader. London u. a. 2007, 314-334. 20

Tatsachen und Eckdaten in ein alltäglich brauchbares Narrativ wandelt, aus dem ein Mehrwert gezogen wird. Die Erzählung oder der Mythos dienen wiederum als Konstruktionswerkzeuge eines diskursiven Paradigmas. Die Analyse einer Diskussion auf YouTube gewährleistet schließlich eine Erklärung der kommunikativen Aktanten des 21. Jahrhunderts und derer Funktionsweisen.53

A) 3. In die Röhre sprechen? – Über den Dialogcharakter auf YouTube und die Vorteile digitaler Feldforschung

Die Relevanz von YouTube als Mittel zur Analyse von kulturellen Praxen sowie cultural patterns wurde von dem kanadischen Medienwissenschaftler Michel Strangelove unterstrichen. In seinem Buch führt er mehrere Theorien und Aussagen zusammen, so zum Beispiel die Stimme des prominenten Künstlers Sol Worth. Ein allgemeiner Konsens dieser Theorien besteht in der Anerkennung der Plattform als gesamtgesellschaftliche, diskursive Arena, die als separate Kultur(form) gesehen werden kann, da Kommunikation auf dieser Webpage bestimmten Mustern, intersubjektiven Regeln wie Standpunkten folgt.54 Die Medienwissenschaftlerinnen Johanna Sumiala und Mittu Tikka von der Universität Helsinki haben diese Konstitution YouTubes in ähnlicher Weise beschrieben. Jede*r Konsument*in partizipiert in dieser diskursiven Institution, es sei jedoch der infrastrukturelle Rahmen, der eine „eigene Kultur“ neu erschafft. Der Kulturbegriff in diesem Kontext stellt sich nicht als hermetisch oder holistisch heraus, sondern als gesamtgesellschaftliches, globales Momentum, das nicht auf begrenzte soziale Gruppierungen bezogen wird und entspricht folglich dem dynamischen Charakter transnationaler Kommunikation im digitalen Raum. Dennoch ergibt sich die Ausformung kleinerer sozialer Gruppierungen auf YouTube selbst. Diese versammeln sich um bestimmte Beiträge, die deren Interessen entsprechen. Historiker*innen werden sich beispielsweise mit Beiträgen zur Geschichtswissenschaft befassen, während Tänzer*innen Idole auf dem PC-Bildschirm mitverfolgen. Der Begriff Kultur im Sinne der beiden finnischen Medienwissenschaftlerinnen wird entregionalisiert und den ursprünglichen Epitheta (Ethnie, Alter, Gender, Religion) enthoben. Kultur in diesem

53 Vgl. Faßler, Manfred: Communities of Projects oder: Die Große Welt der kleinen Erzählungen. In: Gächter, Yvonne u. a. (Hg.): Erzählen – Reflexionen im Zeitalter der Digitalisierung. Innsbruck 2008, 29-55, hier 33-34. 54 Vgl. Strangelove, Watching YouTube, 25-26. 21

Kontext fokussiert stattdessen die Gesinnung und Interessen des Subjekts, weshalb sie sich vielmehr auf das persönliche Alltagsempfinden bezieht.55 Dieser allgemein zugängliche Tenor von YouTube lässt den Eintritt in eine Gemeinschaft ohne Initiation und auf fluide Weise geschehen. Dadurch ergeben sich radikale Änderungen für die Feldarbeit des*der Forschenden, denn der normalerweise nötige Aufbau von Vertrauen, das Kontaktieren von Privatpersonen oder der Eintritt durch ein gate-keeper-Subjekt fallen aus diesen Gründen weg. YouTube dürfte dem*der Europäischen Ethnolog*in in seinen Funktionsweisen außerdem vertraut sein. Ein langsames, von Schwierigkeiten begleitetes Einleben in einem spezifischen Umfeld ist deshalb nicht von Nöten. Auch ein geographischer Ortswechsel bleibt erspart, da die Webpage in jedem Raum mit Internetempfang erreichbar ist. Die beiden finnischen Medienwissenschaftlerinnen sprechen hier von einer Entgrenzung und einer Entgeographisierung kultureller Studien. Dies hat, wie soeben angeführt, für das wissenschaftliche Unterfangen logistische sowie kostentechnische Vorteile, entwickelt dennoch neue methodische Gefahren, die beachtet werden wollen.56 Zunächst lässt dieser fehlende Bezug zu geographischer und kultureller Grenzziehung keine Statusänderung der Person des*der Forschenden zu. Begibt sich der*die Feldforschende in eine ihm*ihr unbekannte Situation, umgeben von einem neuen Personenkreis und fremden sozialen Strukturen wie kulturellen Praxen, ändert sich die Wahrnehmung vom Anderen sowie dem eigenen Selbst. Wird dieser gedankliche Schritt bei Untersuchungen im digitalen Feld, die meistens im sicheren Bereich des Büros und Zuhauses stattfinden, nicht aktiv unternommen, besteht die Gefahr einer bloßen Fortführung eines alltäglichen Modus. Ein derartiges Going Native auf YouTube oder der Verfall in ein stumpfes Sammeln von Daten würde Analysen subjektiv beeinflussen oder das Übersehen wichtiger Punkte bewirken. Gegenteilig kann die Vernachlässigung der Selbstwahrnehmung als forschende Person diverse eintrainierte Muster der fachlichen Vorgehensweise dekonstruieren und neue Ansätze zulassen. Als weiterer Punkt lässt sich der fluide Charakter von YouTube nennen. Sowohl das Aussehen als auch die Funktionsformen der Seite ändern sich ständig und machen erst vor kurzem geführte Studien obsolet. Beinahe sämtliche sekundärliterarischen Werke behandeln deshalb eine veraltete Form der Webpage. Außerdem ändern sich Kommentare, Bewertungen und die Beschreibungen von Beiträgen auf YouTube im Sekundentakt. Eine digitale Kommunikationsform behält ergo einen oralen Beigeschmack bei, weil sie nicht an einer

55 Vgl. Sumiala, Johanna/Tikka, Minttu: Imagining globalised fears. Schoolshooting videos and circulation of violence on YouTube. In: Social Anthropology/Anthropologie Sociale, 19 (2011), H. 3, 254-267, hier 255. 56 Vgl. Ebd., 227. 22 schriftlichen Kontinuität festhält. Insofern lassen Studien zum digitalen Diskurs nur hermeneutische, determinierende Verfahren zu, die sogleich als Momentaufnahmen einer Gesellschaft dienen, sprich in ihrer Entstehung historisch sind. Der primäre Unterschied zwischen einer Feldstudie auf YouTube und dem Gespräch von Angesicht zu Angesicht, ist eben dieses. Hier entfallen eine soziale Kategorisierung des*der Gesprächspartner*in aufgrund einer fehlenden Identifizierungsmöglichkeit. Es lassen sich dadurch keine Rückschlüsse auf Alter, Gender, Ethnie oder persönliche Herkunft der „Befragten“ treffen. Die Studie büßt infolgedessen an Aussagekraft ein und entspricht nicht dem herkömmlichen Bemühen um eine ausgeglichene Beteiligung der Proband*innen einer Studie. Man könnte durch intensiviertes Nachforschen über die mit YouTube verlinkten Google Konten oder durch Nachfragen bei der jeweiligen Person einiges über die Identität der hinter den Kommentaren stehenden Akteure erfahren, dies entspricht jedoch nicht der Ambition der zuvor getätigten Forschung. Die Autonomie und Meinungsfreiheit des Internets werden sogar als Vorteil umgedeutet, denn das Wegfallen sonstiger Merkmale von objektivierten Individuen verhindert die Beurteilung aufgrund von physischen Stereotypen. Das geschriebene Wort wird nicht aufgrund einer sozialen Stellung des*der Urheber*in gewertet, sondern nur auf der tatsächlichen Aussage fußend. Daraus resultierend ergeben sich diverse Ungeraden, wie ein wahrscheinlich relativ junges Alter der Proband*innen, da ältere Generationen nicht im selben Maß mit YouTube vertraut sind. Zu guter Letzt ändert sich die Person des*der Forschenden im Feld selbst. Obwohl einige theoretische Überlegungen der Kulturwissenschaft die Formulierung eines bleibenden Dialogcharakters zwischen schriftlicher Quelle und Forschungssubjekt zulassen,57 so ist dieser dennoch als minimal anzusehen. Als Leser der Kommentare nahm ich keinen Einfluss auf den*die Urheber*in. Diese Person äußerte sich höchstens in Antizipation einer öffentlichen Reaktion, erwog mit hoher Wahrscheinlichkeit allerdings nicht das Aufscheinen in einer europäisch-ethnologischen Studie. Umgekehrt entzieht sich der Entstehungskontext der Aussagen dem*der Forschenden. Ob das Subjekt sein Kommentar zuhause oder auf der Arbeit, in einer positiven oder negativen Gemütslage, in Gesellschaft oder allein hinterließ, bleibt unbekannt. Das forschende Subjekt erreicht somit den angestrebten Status als Fliege an der Wand, die minimale Auswirkungen auf das Feld hat, büßt aber zugleich ein weites Spektrum des Blickfeldes ein.

57 Siehe hierzu: Wietschorke, Jens: Historische Ethnografie. Möglichkeiten und Grenzen eines Konzeptes. In: Zeitschrift für Volkskunde, 106 (2010), H. 2, 197-224. 23

Ein Dialog wird vor allem mit den technischen Hilfsmitteln geführt. So nehmen Algorithmen, das verwendete Gerät und die Plattform selbst entscheidenden Einfluss auf die Forschung. Die technischen Rahmenbedingungen fungieren als gate keeper, durch die erst der Zugang zu den nötigen Daten ermöglicht wird. Wurden Kommentare unter einem Video beispielsweise deaktiviert, verwehrten sich sämtliche Ergebnisse. Internetempfang, Geschwindigkeit des eigenen Computers, persönliche Gemütsverfassung und Beziehung zur Thematik, sowie das Umfeld, das den Arbeitsprozess begleitet, spielen in einer europäisch-ethnologischen Studie digitaler Aussagen eine gewichtige Rolle. Diese gilt es in einer ausführlichen Selbstreflexion zu klären.

A) 4. Ein Fan unter Vielen? – Selbstreflexive Betrachtung von Eigen- und Forschungsinteressen

Die Ergebnisse einer Arbeit, oder zumindest deren Fragestellung, lassen sich auf die Beziehung des*der Autor*in zum gewählten Sujet zurückführen. Dabei sollte die initiale Motivation hinter dem wissenschaftlichen Unterfangen hinterfragt werden. Diese speist sich meist aus einem persönlichen Interesse, das zwar die nötige Energie für eine andauernde Beschäftigung mit der Materie bietet, die forschende Person allerdings zum Teil des Feldes werden lässt. So fühlte ich mich persönlich dazu hingezogen, mich mit historischen Filmen und Serien zu beschäftigen, um die eben proklamierte Zeitreise mit dem Ziel zu durchleben, in romantisierte Abenteuer einzutauchen. Dies kann dem objektiven Blick hinderlich sein, da sich eine Gefahr des going native bildet. Nichtsdestotrotz gestaltet sich eine persönliche Involviertheit in der kulturellen Rezeption der untersuchten Medien oder Diskurse als produktiv. Erst durch die eigene Position als Fan können die Gedanken anderer Mitglieder des gemeinsamen Netzes nachvollzogen werden, was indes in einer Projektion eigener Gefühle und Ansichten auf andere Subjekte mündet, sollte man eine Forschung unreflektiert durchführen. Folglich bietet sich der Vergleich zur Zeitzeugenschaft an. Manche Sachverhalte lassen sich nur durch ein direktes Miterleben der Geschehnisse nachvollziehen, andere Handlungen erhalten ihre Bedeutungen in der distanzierteren Retroperspektive. Ähnlich verhält es sich in der Analyse des Publikums eines popkulturellen Kunstwerkes. Schlussendlich gilt es beide, die Ansicht aus der Nähe und von der Ferne, in einem harmonischen Gleichgewicht abzuwägen. In mir entwickelte sich im Gegensatz hierzu eine emotionalisierte Stellung gegenüber diversen Aussagen auf YouTube. Auf den ersten Blick wurden diese als lächerlich, verwerflich oder

24 löblich wahrgenommen. Vermeintlich illegitime Äußerungen ernteten ein sarkastisches Schmunzeln oder Kopfschütteln. Derartige gefühlvollen Bewertungen sollten keinen Platz in einer objektiven Wissenschaft besitzen und finden dennoch statt. Sie dienen als Anzeichen der Stellung des*der Europäischen Ethnolog*in im Feld, indem sie auf die geladene Spannung zwischen diesem*dieser und dem Objekt schließen lassen. Das forschende Subjekt erstellt dadurch eine weitere Dichotomie zwischen sich sowie dem restlichen Diskurs, den es zu analysieren gilt. Eine gewisse Asymmetrie dieser qualitativen Kritik mitsamt ihren verfälschenden Implikationen ist unumgänglich, aber durch Reflexion und ein durchdachtes Methodenkonzept zu minimieren. Eine analytische Taxonomie begünstigt eine objektivierte Lesart von Daten. Dabei kommt es jedoch weiterhin auf das handelnde Subjekt an, den Prozess des Ordnens vorzunehmen. Im spezifischen Fall dieser Arbeit wurden die Kategorien aus den Kommentaren selbst entwickelt, um nicht ein deduktives theoretisches Gerüst auf eine dem nicht entsprechende Empirie zu legen. Aussagen, die sich durch ein vermehrtes Aufkommen auszeichneten, erhielten folglich ihren eigenen Ordner. Dabei wurde darauf geachtet, die einzelnen Punkte inhaltlich sinnvoll zu vernetzen. Bemerkenswert war, dass der Ordnungsvorgang anfänglich viel Reflexionszeit und Kontemplation in Anspruch nahm, wobei sich der Prozess zum Ende der Feldforschung hin beschleunigte. Wurde die Legitimation der einzelnen Kategorien zuvor noch hinterfragt, konnte ich die an einer anderen Stelle in ähnlicher Weise gehörten Kommentare in vorgefertigte Schablonen eintragen. Daraus lässt sich nicht nur auf das Entstehen bestimmter digitaler Sprachtrends schließen, sondern auch die Internalisierung von Kategorisierungen am forschenden Subjekt beobachten. Dies entspricht dem humanen Akteur im Alltag, der Themen, Menschen und Objekte nach kulturell erstellten Mustern beurteilt, wodurch sich vorschnelle Klassifizierungen von in Wahrheit komplizierten Sachverhalten ergeben. Aus den gewonnenen Kategorien lassen sich wiederum Imagologien erstellen. Im wissenschaftlichen Kontext der Europäischen Ethnologie muss ein derartiger kognitiver Impuls hinterfragt werden, da mentale Taxonomien eine fadenscheinige Realität versprechen. Die Aufgabe des*der Ethnograph*in ist die Deutung des Gedeuteten, ergo die Suche nach einem indirekten Weg zur vermeintlichen Realität. Mit der Erkenntnis der fehlenden diskursiven Grenze des Forschenden und der anderen Teilnehmer*innen lassen sich ebenso Asymmetrie wie Distanz vermindern. Durch die Formulierung fehlender Legitimität von Deutungshoheit wird diese legitimiert.

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B. Identität, Authentizität, Mythos – Eine begriffliche Trias

Die folgenden Kapitel befassen sich mit drei elementaren Begriffen des wissenschaftlichen Diskurses der Geisteswissenschaften: Identität, Authentizität und Mythos. Trotz einer fachlich wie persönlich variierenden Bedeutung dieses begrifflichen Dreiecks lassen interdisziplinäre Tendenzen eine gemeinsame Konjunktur über die letzten Jahrzehnte erkennen. Dabei verdeutlicht sich eine enge Verstrickung dieses konstruktivistischen Triptychons. Identität, Authentizität und Mythos können nur in gemeinsamer Abhängigkeit existieren, da Identität zum einen nur als Produkt eines festen Glaubens an Authentizität erhalten werden kann, während Authentizität selbst einen Mythos als Legitimation benötigt. Zum anderen ist der Mythos auf die beiden anderen Aktanten58 angewiesen, wenn es darum geht, seine emotionalisierende Kraft zu entwickeln. Daraus ergibt sich ein reziprokes Dreieck konstruierter Konzepte, die sich in ihrer finalen Form als die Weltansicht einer Gesellschaft formieren. Das beschriebene Dreieck ist dabei in seinen Längen und Winkelmaßen ebenso flexibel wie dynamisch. Dies soll indes nicht in die starren Verfestigungen eines sozialen Funktionalismus abgleiten. Vielmehr stellt das Erfassen eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses um Geschichte das eigentliche Interesse dar, denn es ist dieser Diskurs, durch den Weltansicht, Handlungsmotivationen und soziale Strukturen dynamisch vorgegeben werden. Aus diesem Grund war es die Empirie, die zur Wahl der beschriebenen drei Termini zurückführte. Das hohe Ausmaß an Äußerungen zur eignen Identität, das ständige Kritisieren der Authentizitätskonzepte anderer User*innen auf YouTube sowie das mythische, affirmative Nacherzählen in der Comment Section verwiesen auf das soeben etablierte Dreieck. Auch ist es kein neues Konzept, dass in dieser Arbeit verwendet wird, da der Versuch einer Definition von Narrativ bereits die Kernfrage der Erzählforschung darstellt. So haben Gerard Genette59, Martin Martinez60 wie viele andere eigene Begrifflichkeiten hierzu entwickelt, wenngleich sich diese in Ausformulierung und Bedeutung bloß ähneln. Diese Arbeit soll eine weitere Ergänzung dieses wissenschaftlichen Zweiges bieten, allerdings mit einem zunehmenden Fokus auf das Erzählen im digitalen Raum eingehen. Wie diese Worte schon vermuten lassen, stellt sich das soeben entwickelte Dreieck in die Tradition einer kulturellen Erzählforschung. Schon 2008 erschien hierzu ein Sammelband61 an

58 Vgl. Voss, Authentizität, 121. 59 Siehe hierzu beispielsweise: Genette, Gérard: Nouveau discours du récit. Paris 1983. 60 Siehe hierzu beispielsweise: Martínez, Matías: Erzählen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2017. 61 Gächter, Yvonne u. a. (Hg.): Erzählen – Reflexionen im Zeitalter der Digitalisierung. Innsbruck 2008. 26 der Universität Innsbruck, der Erzählung(en) mit den digitalen Kommunikationsformen in Verbindung setzt und eine versuchte Reflexion dieser als revolutionär angesehenen Medien vornimmt. Wenn die Publikation dieses Werkes auch einige Jahre zurückliegt, so finden sich darin weiterhin fruchtbare Ansätze. Der Philosoph und Kommunikationswissenschaftler Siegfried J. Schmid formuliert das gemeinsame Erinnern als Erstellung eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses.62 In diesen Gedanken lassen sich durchaus Parallelen zu Maurice Halbwachs kollektivem Gedächtnis63 finden, dessen Begriff durch Jan und Aleida Assmann64 weiterentwickelt wurde. Schmid sieht einen entscheidenden Unterschied zwischen einem persönlichen Zurückdenken und einer Kommunikation dessen an zweite Akteure. Durch dieses Erzählen werden Ansichten, Objekte sowie Symbole auf eine gemeinsame Bedeutungszuschreibung abgetastet und diese bei fehlender Synchronizität ausverhandelt.65 In Schmids Sinne ergeben sich fünf Motivationen hinter einem Narrativ, die zu dessen schlussendlicher Entwicklung führen. Erstens soll meaning generiert werden. Diese Sinnzuschreibung legitimiert Handlungen, ruft zu diesen auf oder macht diese sogar erst vorstellbar. Sinn gilt somit als Ursprung von agency und stellt einen essenziellen Bestandteil menschlichen Lebens dar. Zweitens demonstriert das Erzählen individuelle sowie kollektive Identität, da es ein oder mehrere Subjekte in ihrer kulturellen wie natürlichen Umgebung verortet. Eigen- und Fremdwahrnehmung speisen sich aus diesem Kategorisierungsvorgang, der wiederum Sinnkonzeptionen schafft. Drittens müssen Individuen durch narrative Sinnstiftung eine lähmende Angst vor möglichen Bedrohungen bewältigen. Diese Emotion des menschlichen Daseins wirkt in seiner Grundprämisse warnend vor Gefahren, kann jedoch ebenso agency einschränken, sollte sie ein zu hohes Potential entwickeln. Dabei gilt, dass ubiquitäre Phobien meist als Konsequenz von Unwissen entstehen. Mit der Hilfe des Erzählens wird die gefährlich wirkende Umgebung geordnet und kategorisiert, wodurch sich angemessene Handlungsoptionen gegenüber bestimmten Objekten oder in speziellen Situationen freischalten lassen. Weiß der Mensch um ein sinnhaftes Verhalten, erlischt die zurückhaltende Angst. Dieser Verlust an Angst führt zu einer Wahrnehmung persönlicher Macht in Kombination mit einem Lustgewinn. Daraus speist sich der unterhaltende Faktor von Erzählung, den wir in Geschichten, Büchern und Filmen abermals vorfinden. In letzterem soll sich das Publikum mit den Protagonist*innen

62 Vgl. Schmid, Siegfried J.: Telling Stories about Storytelling. In: Gächter, Yvonne u. a. (Hg.): Erzählen – Reflexionen im Zeitalter der Digitalisierung. Innsbruck 2008, 17-28. 63 Vgl. Halbwachs, Maurice: La mémoire collective. Paris 1950. 64 Siehe hierzu beispielsweise: Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999. 65 Vgl. Schmid, Telling Stories, 20. 27 identifizieren, damit es dessen Selbstermächtigung miterlebt. Zu guter Letzt wird das Erzählen zur Formulierung von akademische wie nichtakademische Theorien benötigt.66 Dabei entwirft der*die jeweilig Sprechende eine bestimmte Weltansicht und verlangt durch seine hermeneutische Argumentation nach Determinationshoheit mit der Absicht, eine Realität zu erstellen.67 Sogar meine Forschung stellt hierin keine Ausnahme dar. Diese fünf Motivationen liegen ebenso Identität, Authentizität und Mythos zugrunde. Der entsprechende Vorgang wird in den drei nachgestellten Unterkapiteln erörtert, sodass das bisher noch aus Variablen bestehende Dreieck eine skizzenhafte Form annimmt.

B) 1. Identität

Identität ist ein stark diskutiertes Konzept, das Aufmerksamkeit verschiedener Disziplinen, Ideologien wie Religionen auf sich zog, die eine jeweils deren Weltbild angepasste Definition vertreten. In der auftretenden Arbitrarität einer daraus resultierenden Bedeutungszuschreibung steckt die Möglichkeit für eine flexible und kreative Verwendung des Begriffes trotz der daraus resultierenden Missverständnisse. Um dies zu umgehen, soll hier zunächst ein Einblick in unterschiedliche Konzepte gewährt werden, was von einem kurzen Abriss des allgemeinen Diskurses und schließlich von der in dieser Arbeit verwendeten Definition gefolgt wird. Identität durchmachte in den vergangenen Jahrzehnten, wie so viele als konstant geglaubte Konzepte, einen kritischen Aushandlungsprozess, der dekonstruktivistische wie postmoderne Intellektuelle zu einer regen Publikationstätigkeit bewog. Die Idee wurde nicht mehr als etwas „heiliges“, „ewiges“, als ein sich eigenes Selbst wahrgenommen, sondern als konstruierter Mechanismus. Unter anderem führten Theoretiker*innen der Postcolonial Studies diesen Prozess auf soziale Strukturen und kulturelle Muster zurück. Im Zuge dessen wurde die Homogenität des Ichs, so bei Homi Bhabha68, oder die Autonomie ebendessen, so bei Stuart Hall69, in Frage gestellt. Das zuvor als Entität wahrgenommene Selbst erhielt einen fluiden Charakter mit einem dynamischen Verhalten in der eigenen Biografie. Identität wurde nun als situativ, kontextabhängig und facettenreich beschrieben, wie es der oft zitierte Begriff bricolage vermuten lässt. Der Philosoph Derek Parfit ging sogar so weit, dem Selbst seine Existenz im ursprünglichen Sinne abzusprechen, indem er eher von einem Aufeinanderfolgen verschiedener Ichs anstatt von einer konsequenten Persönlichkeit ausging. Dieser revolutionäre Ansatz stieß

66 Vgl. Schmid, Telling Stories, 22-24. 67 Vgl. Ebd., 25. 68 Vgl. Bhabha, Homi: Über kulturelle Hybridität. Tradition und Übersetzung, hg v. Anna Babka. Wien u. a. 2012. 69 Vgl. Hall, Stuart (Hg.): Representation. Cultural Representations and signifying practices. London 1997. 28 allerdings auf starke Kritik, so beispielsweise bei Catherine McCall, die das neue Konzept als ethisch fragwürdig empfand. Wie solle man, applied ethics betreibend, ein Individuum für zuvor getane Taten belohnen oder bestrafen, wenn ebendieses nicht mehr existiere. Des Weiteren würde eine physische wie psychische Identität fortbestehen, was allein schon durch die Lernfähigkeit des Menschen bewiesen sei.70 In diesem Gedankengang klingt das philosophische Hauptargument für eine reale Existenz von einem persönlichen Selbst an; das Gedächtnis. Gedächtnis sei das spezifische Element, das das Subjekt einzigartig mache; das es mit niemanden teile. Hier sei darauf verwiesen, dass Menschen durchaus eigene mentale Biografien öffentlichen Narrativen anpassen und diese konsequent von der Gesellschaft beeinflusst werden. Nichtsdestotrotz dürfte die persönliche Erinnerung ein jeweiliges Unikum darstellen, das zwar kommuniziert, aber nie vollkommen unverfälscht geteilt werden kann. Denn die Erfahrung sei der entscheidende Faktor im individuellen Werdegang der Persönlichkeitsentwicklung. Die formulierte Memory Theory – also, dass Identität aus Erinnerung bestehe und durch diese bewiese werde – lässt Lebenszeit zum Garanten von Persönlichkeit werden.71 Inwiefern ein Mensch mit mehr Lebenszeit jedoch mehr Charakter habe, sei dahingestellt. Ähnliches wird für imaginierte homogene Gesellschaften behauptet, die mit einer langen Geschichte deren Superiorität hervorstreichen möchten. In diesem Kontext sind Germanenmythos sowie Wikingerrezeption zu sehen, da diese zur Erstellung einer historischen, legitimierenden Geschichte einer eigentlich situativen, dynamischen Gesellschaft dienen. Diese Tendenz an sich besitzt ironischerweise eine lange Tradition. Bereits antike historische Quellen versuchen die eigene Person, Gemeinschaft, Stadt oder das Geschlecht der Vorfahr*innen auf eine möglichst alte Linie zurückzuführen. Geschichte wird dadurch zum Generator von Identität und, wie Schmid schon erklärte, Erzählung zum Sinnstifter. Gleichfalls in der Volks- und Völkerkunde erstellte das Fach eine Dichotomie zwischen sogenannten geschichtslosen Kulturen in Opposition zu geschichtshaften Gesellschaften, so vor allem bei Vertreter*innen eines französischen Funktionalismus nach Claude Lévi-Strauss.72 Dies wurde in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen seither aufgrund eingehender Selbstreflexion, einer Dekonstruktion des Eurozentrismus und der Aufgabe eines teleologischen Fortschrittglaubens verworfen.

70 Vgl. McCall, Catherine: Concepts of Person. An analysis of concepts of person, self and human being. Aldershot 1990, 186. 71 Vgl. Cuypers, Stefaan E.: Self-Identity and Personal Autonomy. An analytical anthropology. Aldershot 2001, 160. 72 Vgl. Lévi-Strauss, pensée sauvage, 309. 29

In breiten Teilen des populären Diskurses werden derartige Überzeugungen dennoch gefunden und führen zur Formierung von beispielsweise identitären Gruppen. Diese essentialisieren den Charakter von Identität in Kombination mit Kultur als neuem Schlagwort. Derartige Gruppen geben vor, ganz ihrer Natur gemäß zu handeln, da sie keine andere Option besitzen würden. Identität wandelt sich durch fest eingeschriebene Charakterzüge und Handlungsmuster zu einer ahistorischen Entität, die schlussendlich als Garant von Wahrheit fungiert. Dies erinnert an die Gedanken des Philosophen Martin Heidegger, der in einem heiligen Ich sein Konzept von Authentizität finden konnte. Prinzipiell haben Denker*innen des Existenzialismus, so Kierkegaard, Nietzsche und Sartre, Authentizität in der humanen Identität gefunden73 Ein ähnliches existenzielles Verständnis von authentischer Identität und innerer Zugehörigkeit findet sich in den YouTube Comment Sections wieder, wobei meistens von einem tiefen Gefühl die Rede ist. So schreibt eine Userin: „I am an Arab girl, but sometimes, deep in my heart, I feel that my soul belongs to the Nordic culture and tradition, I am in love with the history of your Viking ancestors.“74 oder ein anderer: „Thank you for touching my soul. I am a Scot of Norse decent. Family tree goes back to northern Norway circa 700s. […]“75. Im Fokus dieser Arbeit liegt der soeben beschriebene Identitätsbegriff, wie er in den Internetforen ausverhandelt wird. Anhand der vorgestellten beiden Zitate lassen sich bereits verschiedene Strategie einer Legitimation der eigenen Zugehörigkeit erkennen. Die Frage nach einer realen Existenz von Identität gestaltet sich in diesem Kontext von sekundärem Interesse und sei der Philosophie überlassen. Das formulierte Anliegen besteht aus der Dekonstruktion eines essentialistischen Identitätsbegriffs, der sich in Kombination mit Authentizität sieht. Selbstwahrnehmung wird als Konstrukt, Performanz und situative Praxis angesehen, die durchaus eine starke Fluidität aufweist, auch wenn die radikalen Aussagen Parfits zu weit greifen dürften und Individuum wie Gesellschaft eine Historizität nicht abzusprechen sind. Allein durch diese historische Veränderung weist Authentizität allerdings einen paradoxen Charakter auf. Dieser wird durch den referentiellen Rahmen verstärkt. Das Ich nimmt sich nur durch ein Anderes, einem lacanschen Spiegel gleich76, wahr. Dabei müsste ein real existentes Selbst ohne Fremdeinflüsse in der rationalistischen Tradition des „Cogito ergo sum“ ohne diese Dichotomie auskommen. Authentizität inklusive Identität als individualisierte Version dieses

73 Vgl. Straub, Julia: Introduction. The Paradoxes of Authenticity. In: Straub, Julia (Hg.): Paradoxes of Authenticity. Studies on a Critical Concept. Bielefeld 2012, 9-32, hier 11. 74 Maissa Smaali. In: Francisco, Fabian: - Völuspá – Extended. (Web: YouTube, 2017). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=nFiSPAuiRdY (Stand: 5.1.2020). 75 Cogle_Art. In: Mater Disciplina: Vikings OST: Wardruna - Blood Eagle (Web: YouTube, 2014). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=Cz3O0JftA5w (Stand: 5.1.2020). 76 Vgl. Lacan, Jacques: Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion. In: Gasché, Rodolphe u. a. (Hg.): Schriften I. Weinheim/Berlin 1986, 61–70. 30 ontologischen Begriffes wird ohne Inauthentizität oder externen Zertifikator zu einem bloßen Leerbegriff.77 Eine Analyse der YouTube Kommentare zur Serie „Vikings“ soll aufzeigen, ob Akteure einen essentialistischen Identitätsbegriff, also in der Tradition des Germanenmythos, vertreten, oder ob sie die Ansicht teilen, dass diese als paradoxe, konstruierte Konzepte abzulehnen sind. Zunächst wird intensiviert auf den Begriff der Authentizität eingegangen.

B) 2. Authentizität

Authentizität ist ein vielbeschriebener Begriff, der sich der Identität ähnlich durch einen Bedeutungspluralismus auszeichnet. Dieses Kapitel bietet zunächst eine kurze Sammlung dieser Determinationen, dem der Versuch einer historischen Abhandlung zur Entstehung des Terminus folgt. Schlussendlich werden drei Paradoxa in ihrer Problematik erklärt und erörtert, wie diese trotz reger Kritik am postmodernen Denken durch eben jenes aufgehoben werden können. Eine auf die hier postulierte Theorie zugeschnittene Definition von Authentizität wird erstellt, um Missverständnissen vorzubeugen, wobei sich diese aus den zahlreichen Konnotationen des Wortes ergeben. So finden sich bei einer Literatursuche Werke aus dem Management Bereich, der Theologie, der Erziehungswissenschaft, der Soziologie, der Kunstgeschichte und aus vielen weiteren Fächern des wissenschaftlichen Diskurses. Befasst man sich mit dem Menschen in Verbindung zu seinen Medien als Forschungsobjekt, so erhält man konsequenter Weise Sekundärliteratur, die sich spezifisch mit einem anthropologisch-soziologisch-philosophischen sowie einem ästhetischen Authentizitätsbegriff auseinandersetzt. Der daraus resultierende Bias möchte entschuldigt werden, da er dem Fokus der Fragestellung entspricht. Nichtsdestotrotz wird ein dualer geisteswissenschaftlicher Terminus beibehalten, dessen schizophrene Bedeutung diverse Problemfälle aufwirft. Eine kurze Genealogie des Begriffes kann möglicherweise einige Fäden des gordischen Knotens Authentizität entwirren. Jan Assmann sieht in der Kreation eines mosaischen, monotheistischen Glaubens die Wurzel eines westlichen Verständnisses von Authentizität. Durch die Reduzierung einer pluralistischen Götterwelt auf eine einzig gültige Entität, habe sich eine klare Dichotomie zwischen wahr und falsch, ergo authentisch und unauthentisch ergeben. Ein friedliches Nebeneinander der vielköpfigen, anthropomorphen Göttergeschlechter wurde durch das Gewaltpotential einer

77 Vgl. Perry, John: Identity, Personal Identity, and the Self. Indianapolis 200, 18. 31

Spannung zwischen zwei Polen ausgetauscht. Allein die Existenz von „falsch“, animiere das diskursive „wahr“ zu dessen Vernichtung, so Assmann.78 Aleida Assmann hingegen, ohne ihrem Partner jedoch zu widersprechen, sieht den Ursprung in der griechischen Philosophie, die meistens den Grundstein für die Nacherzählung der Geschichte gedanklicher Konzepte legt. Allein schon das Wort „authentikos“ entspringe jener Epoche, eine Entität bezeichnend, die an sich einzig ist.79 Die Teilung zwischen authentisch sowie unauthentisch entstamme den Schriften Platons, der durch seine Ideenlehre zwischen der hohen Idee und der niederen Materialität unterschied. Diese Denktradition könnte er, so Assmann, von Parmenides übernommen haben, der sich wiederum auf das indische Dokument „veil of maya“ bezog.80 Fest steht, dass in Platons Dialogen Thames, ein ägyptischer König als Personifikation des Sokrates, dem Gott Thot, Erschaffer des Alphabets, gegenübertritt. Der Monarch kritisiert an der Schrift, dass diese keine wirkliche Intelligenz, keine wirkliche Erfahrung darstelle, da sie auf die Botschaft eines anderen angewiesen sei. Sie erzeuge nur abermals imaginäre Bilder, die in gefährlicher Entfernung zur Realität stehen würden. Diese Aussage nimmt nicht nur ein Groß der modernen Authentizitätskritik vorweg, sondern stellt eine der ersten Beschwerden über ein neues Medium dar. Somit wurde eine erste westliche Teilung, laut Assmann, zwischen der guten, authentischen, ewigen Idee und der schlechten, unauthentischen, vergänglichen Materialität, in diesem Beispiel repräsentiert durch die Schrift, vorgenommen.81 Aleida Assmann sieht darin einen westlichen Sonderweg und beruft sich dabei auf das einflussreiche Werk von Lionel Trilling.82 Dieser lässt den Beginn einer persönlichen Authentizität, die sich auf den Menschen und dessen Identität bezieht, in der Renaissance stattfinden. Humanismus in Kombination mit Kunst hätten sowohl den menschlichen Körper als auch dessen Charakter aus einer kollektiven Religion herausgelöst und erneut unter anderem durch das Verfassen von Tagebüchern sowie Biografien in den Fokus gestellt.83 Die Authentizitätsexpertin Susanne Knaller argumentiert hingegen, dass in der Frühen Neuzeit das ewig Wahre, also Authentizität, sich vor allem auf Gott bezog, indem sie die theologische Schrift William Whitakers heranzieht.84 Es ist generell zu hinterfragen, inwiefern es von Vorteil

78 Vgl. Assmann, Jan: Die Mosaische Unterscheidung oder Der Preis des Monotheismus. München 2003. 79 Vgl. Assmann, Aleida: Authenticity. The Signature of Western Exceptionalism? In: Straub, Julia (Hg.): Paradoxes of Authenticity. Studies on a Critical Concept. Bielefeld 2012, 33-50, hier 34. 80 Vgl. Ebd., 37. 81 Vgl. Ebd., 38. 82 Vgl. Ebd., 39. 83 Vgl. Trilling, Lionel: Sincerity and Authenticity. Cambridge 1973, 12. 84 Vgl. Knaller, Susanne: The Ambiguousness of the Authentic. Authenticity between Reference, Fictionality and Fake in Modern and Contemporary Art. In: Straub, Julia (Hg.): Paradoxes of Authenticity. Studies on a Critical Concept. Bielefeld 2012, 51-76, hier 51. 32 ist, die Renaissance als konstruierte Wiedererweckung der Antike als Ursprung sozio- kultureller Vorgänge zu formulieren. In der Soziologie und anderen Disziplinen scheint es der Usus zu sein, eine Menschheitsgeschichte im Italien des 14. Jahrhunderts beginnen zu lassen, was allerdings eine als Orientierungshilfe gedachte Epochengrenze überbetont und, neben zahlreichen anderen Problemen, einen gewissen Eurozentrismus aufweist. Trilling veranschlagt Authentizität als westlichen Sonderweg, obwohl diese Aussage sich wohl kaum halten dürfte. Da diese Thematik ein eigenes Werk füllen könnte, sollen die Ausführungen hier begrenzt werden. Julia Straub beruft sich ebenfalls auf eine westliche Schaffung von persönlicher und künstlerischer Authentizität, verlegt diese aber in die Romantik. Hier erscheint das Innere, das Emotionale, das Kreative – in harter Opposition zur Strömung des „kalten“ Rationalismus der Zeit – als das Wahre auf. Diese persönliche Authentizität oder Identität könne man mit Hilfe von künstlerischen Tätigkeiten auf ein Objekt übertragen und in diesem Sinne anderen Menschen zugänglich machen. Es kommt zu einer Verbindung von ebenso humanem wie ästhetischem Authentizitätsbegriff.85 Auf diesem lag der Fokus Theodor Adornos, der durch seine kritischen Schriften die zunehmende Verwendung von Authentizität als wissenschaftlichen Begriff bewirkte. Zuvor waren verschiedene Termini für dieselbe Bedeutung gebraucht worden, wie etwa Wahrhaftigkeit. Adornos Schriften, die zweifelsohne einen kulturkritischen und beurteilenden Impetus hatten, fußen auf marxistischen Denktraditionen und, in geistiger Nachfolge von Walter Benjamin, legen diese auf die globale Kunstproduktion um. Das Kunstobjekt lässt, wie schon Benjamin in seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“86 kritisierte, durch die Vervielfältigung die Einzigartigkeit und „heilige“ Aura eines Kunstobjektes, sprich die Authentizität, verschwinden. Er begegnete den neuen Medien, insbesondere dem Kino, einerseits mit Neugierde bezüglich der avantgardistischen Möglichkeiten, andererseits kritisierte er den Verlust des reflektiven Moments gegenüber der oft von politischen Parteien missbrauchten Kunst. Man bedenke, dass der Nationalsozialismus in jener Zeit seinen Anfang nahm.87 Benjamins Gedanken erinnern des Weiteren an die Marxsche Entfremdung des Arbeiters zum Endprodukt durch die fordistische Massenproduktion.88

85 Vgl. Straub, Introduction, 14. 86 Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Tiedemann, Rolf/Schweppenhäuser, Hermann (Hg.): Walter Benjamin – Gesammelte Schriften Band I. Frankfurt a. M. 1980. 87 Vgl. Ebd., 479. 88 Für eine genaue Definition dieses Konzeptes siehe: Mészáros, István: Der Entfremdungsbegriff bei Marx. München 1973. 33

In ähnlichem Maße kritisierte Adorno den fehlenden Bezug der Kunst zur Gegenwart. Das Kino, das sich seine besondere Aversion zuzog, sei beispielsweise ein Instrument zur Ablenkung der Gesellschaft von realen Umständen und von der Kontemplation dringender Problematiken. Andererseits sah er im Kunstwerk eine gewisse Authentizität durch dessen Autonomie von der Realität. Kunst würde niemals die Welt abbilden, sondern stets einen Gegenentwurf dazu liefern. Dabei würde der*die Kunstschaffende zwar von den faits sociales beeinflusst, aber auch durch das Subjektive gelenkt. Kunst ist zugleich etwas eigenständig Wahres und Produkt einer Mimesis außenstehender Umstände.89 Die Ästhetische Theorie dient also dazu, ähnlich dem Bourdieuschen Habitus90, das Paradoxon der Kluft zwischen Individuum und Gesellschaft zu beheben. Er benützt die Kunst als entscheidende Praxis, um dies zu bewerkstelligen. Adornos Festhalten an Begriffen wie Erhabenheit, Wahrhaftigkeit und Naturschönheit weist ihn als Vertreter eines modernen Denkens aus, in dem die Kategorien von wahr und falsch, hoch und niedrig, authentisch und unauthentisch noch gegeben sind, obwohl der mimetische Charakter von Kunst wie Subjekt einer sozialen Historizität unterliegen.91 Diese intensivierte Verwendung von Authentizität und von sinnverwandten Begriffen wurde in der Postmoderne schließlich sowohl rezipiert als auch fortgeführt. Lionel Trilling beobachtete, dass es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer Verschiebung gesellschaftlicher Ideale kam. Im Vordergrund stand nicht mehr das Befolgen kollektiver Moralvorstellungen, sondern die Treue zur eigenen Person, sprich zur authentischen Identität. Dies führe zu einem erstarkenden Individualismus und einem ethischen Pluralismus.92 Charles Taylor griff diese Gedanken auf, weshalb er schließlich das „Age of Authenticity“ ausrief.93 In seinem Buch „The Ethics of Authenticity“ begrüßte er zugleich diese neuen gesellschaftlichen Tendenzen, die eine polycephalische Moral als Ziel hätten.94 Eine positiv-negativ Beurteilung derartiger Vorgänge verweist jedoch weiterhin auf eine Existenz einer allgemein gültigen Ethik, was wiederum als Merkmal einer Grand Theory angesehen wird. Hier gilt es zu fragen, ob Postmodernität mit ihren moralischen Empfehlungen nach Toleranz, Individualismus und Freiheit tatsächlich ihrem postmodernen Charakter gerecht wird.95

89 Vgl. Adorno, Theodor: Gesammelte Schriften.7. Ästhetische Theorie, hg. v. Adorno, Gretel/Tiedemann, Rolf. Frankfurt a. M. 1970, 293. 90 Vgl. Lamaison, Pierre/Bourdieu, Pierre: From Rules to Strategies. An Interview with Pierre Bourdieu. In: Cultural Anthropology, 1 (1986), H. 1, 110-120, hier 112. 91 Vgl. Stauth, Georg: Authentizität und kulturelle Globalisierung. Paradoxien kulturübergreifender Gesellschaft. Bielefeld 1999, 7-8. 92 Vgl. Trilling, Sincerity, 24. 93 Vgl. Taylor, Charles: A secular age. Cambridge 2007, 473. 94 Vgl. Taylor, Charles: The ethics of authenticity. Cambridge 1995. 95 Vgl. Stauth, Authentizität, 14. 34

Folglich ergeben sich hauptsächlich drei Gegenüberstellungen eines modernen Authentizitätsbegriffs. Erstens wird in den Geisteswissenschaften, gleichwohl zahlreiche Denker*innen im Gefolge Adornos um eine Auflösung bemüht waren, eine Dichotomie zwischen persönlich-humanem und ästhetisch-materiellem Terminus beibehalten. Zweitens bleibt die antagonistische Struktur von Wahr und Falsch, Schön und Hässlich sowie hoher und niederer Kultur, die der rationalistischen Tradition zu entnehmen ist. Drittens muss ein authentisches Objekt stets durch ein Subjekt als solches ausgewiesen werden. Alessandro Ferrara beschrieb dies als „Reflective Authenticity“, in der eine ursprünglich postulierte Autonomie des Erhabenen nicht gegeben ist.96 Betrachtet man das erste Termini-Paar und die dazu forschende Literatur, so wird schnell bewusst, dass authentisch als simples Synonym für wahr verwendet wird. Die zuvor essenziellen Zusätze autonom und einzigartig, bei Adorno von höchster Wichtigkeit, werden nun vernachlässigt. Insofern sind es ethisch-philosophische oder theologische Schriften, die die Frage nach sowohl Glaubwürdigkeit als auch Aufrichtigkeit eines Menschen stellen. Der Theologe Bernhard Dressler fordert beispielsweise einen echten Glauben gegenüber einer bloßen digitalen Inszenierung.97 Unter Authentizität im Netz verstehen Geisteswissenschaftler*innen die Forschung nach der wahrheitsgetreuen Selbstdarstellung von Menschen im Netz und ob es sich dabei um Performanz handle, da Anonymität in Verbindung mit neuen Inszenierungsmöglichkeiten es dem Subjekt freistellt, eine andere Persönlichkeit anzunehmen. Damit gehen ethische Implikationen einher. Der Rechtswissenschaftler Christoph Gieseler unternimmt in diesem Kontext eine dialektische Argumentation, ob ein Gesetz zur Klarnamenpflicht Sinn mache oder ob gerade die Anonymität des Netzes als Partikel der Meinungsfreiheit persönliches Recht und Teil eines demokratischen Diskurses darstelle.98 Mathias Rath weist zurecht darauf hin, dass Wahrhaftigkeit sowie Authentizität auch im „realen“ Leben nicht wahrnehmbar seien, weil sich die gestisch-mimetische Performanz in diesem Fall nur durch das Repertoire der sogenannten

96 Vgl. Ferrara, Alessandro: Reflective Authenticity. Rethinking the Project of Modernity. London/New York 1998. 97 Vgl. Dressler, Bernhard: Inkonsistenz und Authentizität. In: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie, 64 (2012), H. 2, 121-135, hier 135. 98 Vgl. Gieseler, Christoph: Klarnamenpflichten vs. Anonymität im Internet. Das Grundrecht auf Nichtidentifizierung. In: Emmer, Martin u. a. (Hg.): Echtheit, Wahrheit, Ehrlichkeit. Authentizität in der Online- Kommunikation. Weinheim/Basel 2013, 62-73. 35

Authentizität-Anzeiger, sprich Details und Werkzeuge, die Echtheit vermitteln, unterscheiden.99 Ähnliche Formulierungen wie bei Rath finden sich in der Beschreibung von materiellen Objekten, Kunstgegenständen oder wissenschaftlichen Werken. Der Filmwissenschaftler Dominic Lees entwickelte das sogenannte fidelty model, das, hier vor allem auf den Film bezogen, durch den Einsatz zahlreicher kleiner Details das Gefühl von Authentizität erzeugt.100 Die Kunsthistorikerin Stefanie Kreuzer unterteilt diese strategische Gestaltung in fünf mögliche Untergattungen. So wird Wahrhaftigkeit durch (1) Nähe zum Vorbildobjekt, durch (2) ästhetische oder (3) handlungsstrukturierte Argumente, durch eine (4) gespielte Ablehnung von Echtheit als Konzept oder durch einen (5) radikalen Essentialismus auf das vermeintlich Wesentliche, wie im Falle des Schwarzen Quadrates von Kasimir Malewitsch, erzeugt.101 Dabei setzt sie authentisch nicht mit erhaben oder wahrhaftig, sondern mit gefühlsecht gleich.102 Roland Barthes erkannte in ähnlicher Weise, dass es in der Kunst vielmehr um die Erfüllung der Vorstellung von Echtheit ginge, anstatt darum das eigentliche Objekt abzubilden. Man müsse sich an spezifische darstellende und kulturelle Regeln halten, die die eigene Kreativität inklusive der jeweiligen Identität beschränken.103 Der Volkskundler Gottfried Korff definierte den Begriff der „Aura des Authentischen“, in einer durchaus spielerischen Manier. Korff versuchte die Weihrauchs-Theorie des russischen Philosophen Paul Florenski zu aktualisieren. In dessen Beispiel erhält eine christliche Ikone ihr volles authentisches Potential durch den Einsatz von Weihrauch und durch eine Positionierung im Licht einer Kirche. Es müssen ergo mehrere Sinne zur selben Zeit bespielt werden, um das gefühlsechte Erlebnis zu erzeugen. Es sind diese Erlebnisse und Erfahrungen, die die Lust an der Authentizität bereiten.104 Selbst einige Vertreter*innen der Volkskunde und der Anthropologie wollten an diesem „Kult“ teilhaben, ja machten sogar eine Wissenschaft der Authentizität daraus. Diese orientierte sich

99 Vgl. Rath, Matthias: Authentizität als Eigensein und Konstruktion. Überlegungen zur Wahrhaftigkeit in der computervermittelten Kommunikation. In: Emmer, Martin u. a. (Hg.): Echtheit, Wahrheit, Ehrlichkeit. Authentizität in der Online-Kommunikation. Weinheim/Basel 2013, 18-27, hier 16. 100 Vgl. Lees, Dominic: Cinema and authenticity. Anxieties in the making of historical film. In: Journal of Media Practice, 17 (2016), H. 2-3, 199-212, hier 202. 101 Vgl. Kreuzer, Stefanie: Künstl(er)i(s)che Strategien von Authentizitätskonstruktion. Beispiele aus Literatur, Film und bildender Kunst. In: Funk, Wolfgang/Krämer, Lucia (Hg.): Fiktionen von Wirklichkeit. Authentizität zwischen Materialität und Konstruktion. Bielefeld 2011, 179-204, hier 182. 102 Vgl. Ebd., 201. 103 Vgl. Barthes, Roland: Littérature et réalité. Paris 1982, 81-90. 104 Vgl. Korff, Gottfried: Die Kunst des Weihrauchs und sonst nichts? Anmerkungen zur Situation der Freilichtmuseen in der Wissenschaft und Freizeitkultur. In: Meiners, Uwe (Hg.): Dinge und Menschen. Geschichte Sachkultur Museologie. Beiträge zum Kolloquium zum 65. Geburtstags von Helmut Ottenjan. Cloppenburg 2000, 97-107. 36 an der Erfassung echter Kulturen durch die Sammlung von auratischer Materialität, die diese stellvertretend repräsentierte.105 Eine derartige Verehrung des Ursprünglichen wurde jedoch durch die postulierte Postmoderne beendet, wodurch sich die Anbetung der Nicht-Existenz von Wahrheit als eigentliche Wahrheit etablierte, so Charles Lindholm. Er etablierte die ernüchternde Erkenntnis, dass die Vorstellung von Authentizität für das menschliche Dasein nicht unumgänglich ist, dass diese sich aber als diskursiv konstruiert und dynamisch herausstellt.106 Wie dieses Kapitel aufweisen wollte, war die Behauptung der Existenz einer Theorien- und Bedeutungsvielfalt zum Begriff nicht zu weit gegriffen. Wie kann nun diese kurze Abhandlung des Terminus für die Forschung sowie dieses Projekt im speziellen fruchtbar gemacht werden? In einer chimärischen Façon wird das Konzept synchron als black box, Praxis und als Aktant verwendet. Erstens als black box, einen Signifkanten mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Signifkaten bezeichnend, da Authentizität sich mehr auf eine arbiträre Vorstellung von Echtheit bezieht als auf ein bestimmtes Objekt, eine bestimmte Ideologie oder eine bestimmte Person. Einer tabula rasa gleich bietet sich der Terminus zur Projektion eigener Vorstellungen an und adaptiert somit die Perspektive des deutenden Subjektes. Der Begriff funktioniert als archimedischer Punkt im Diskurs, in dem sich die jeweilige kulturelle Wortdeutung wiederfindet und ablesen lässt.107 In der YouTube Comment Section finden sich verschiedene Synonyme für Authentizität sowie dessen Gegenteil, wie true, anachronistic oder historical. Wenn uns nun JayFolipurba mitteilt: „It's interesting to learn that those characters actually existed. Even though the show isn't true to history […]“108, benützt er den Begriff true to history als Ersatz für den hier etablierten Terminus. Seine Aussage verdeutlicht, dass er das historische Weltbild der Serie nicht, wohl aber das des Videobeitrages teilt. Andere User*innen widersprechen diesem, weshalb true to history zu einer Legitimationsstrategie wird, die gleichzeitig auf die Ansicht des jeweiligen Subjektes hinsichtlich Authentizität verweist. Zweitens wird Authentifizierung in seiner verblichen Form fernerhin als Prozess einer Zusprache von Wahrheit einer Idee oder einem Objekt gegenüber gewertet, der durch

105 Vgl. Lindholm, Authenticity, 333. 106 Vgl. Ebd., 335-337. 107 Vgl. Funk, Wolfgang/Krämer, Lucia: Fiktionen von Wirklichkeit. Authentizität zwischen Materialität und Konstruktion. In: Funk, Wolfgang /Krämer, Lucia (Hg.): Fiktionen von Wirklichkeit. Authentizität zwischen Materialität und Konstruktion. Bielefeld 2011, 7-24, hier 9. 108 JayFolipurba. In: Cinemaniacs: The Legends Behind 6 of the Most Intriguing Vikings Characters. (Web: YouTube, 2016). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=a7cuGHEUHkY&t=390s (Stand: 4.1.2020). 37

Wahrnehmung, Performanz und Inszenierung Bedeutung erzeugt.109 Mitglieder des Diskurses auf YouTube machen regen Gebrauch von dieser Praxis der Bewertung, was in einem späteren Kapitel fokussiert wird. Die Serie wirkt nur authentisch, wenn Fans und Kritiken ihr diesen Status in Referenz gewähren. Besonders gegen Ende der Show wird eine Akzeptanz der Handlung als fiktive Welt immer strittiger, wie zum Beispiel dieses Kommentar zum Alter der Hauptdarstellerin aufweist: „how is that the björns mother look so young. The only thing that bothers me is the age gaps “110 Authentizität fungiert drittens als ein strategisches Werkzeug im Diskurs, das benützt wird, doch ebenso Macht auf andere Aktanten ausübt. Durch seine chamäleonhafte Gestalt erhält dieser Leerbegriff als reflektierender Spiegel im selben Maße Passivität wie agency, sollte er in diskursive Interaktion geraten. Der Ethnologe Ehler Voss plädiert deshalb für eine Anerkennung von Ideen und Schlagwörtern, insbesondere der Authentizität, als Aktankten in einer Latourschen Netzwerktheorie.111 Die User*innen der YouTube Comment Section verweisen auf diese Kraft, die auf sie und ihre Umgebung durch die Show oder die dazugehörige Musik, ein Mittel der Authentizitätsgenerierung, ausgeübt wird. Dies kann durchaus spielerisch und humorvoll geschehen: „I was listening to it while i was cooking chicken...it flew out...an eagle...“112 In diesem Beispiel verwandelt eine heroisierende Wikingermusik das zunächst gewöhnliche Huhn in einen majestätischen Adler, wodurch der Serie sowie dessen Soundtrack eine transformatorische agency zugesprochen wird, sollte dies auch auf eine ironische Art und Weise geschehen. Wird Authentizität als ein solcher dreidimensionaler Terminus angesehen, der sich dem jeweiligen kulturellen Kontext beliebig anpasst, können Forschungsinteressen für die Europäische Ethnologie und andere Fächer daraus erarbeitet werden. Sieht man diesen Begriff als Erzählung einer binären Weltvorstellung aus zwei hinsichtlich ihres Wertes unterschiedlich zu beurteilenden Kategorien, so teilt sie die Form des Mythos. Beide verzichten auf die postulierte Logik eines kognitiven Rationalismus, beide entstehen durch multisensorische Eindrücke und durch die Inklusion von Emotionen, und beide werden für eine Unterscheidung zwischen wahr und falsch verwendet. Schlussendlich gestaltet sich Authentizität als ein praxisbezogener, diskursiver Mythos, der als Symbol im kulturellen Netz, als Aktant im

109 Vgl. Claviez, Thomas: Time, Alterity, Hybridity and ‚Exemplary Universality‘: Some remarks on Alessandro Ferrara’s Concept of ‚Reflective Authenticity‘. In: Straub, Julia (Hg.): Paradoxes of Authenticity. Studies on a Critical Concept. Bielefeld 2012, 77-94, hier 90. 110 weedoctor1. In: IGN: Vikings: Season 6 - Official Trailer. (Web: YouTube, 2019). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=BA3v1RSssXE (Stand: 5.1.2020). 111 Vgl. Voss, Authentizität, 121. 112 UTPAAT. In: Mater Disciplina, Vikings. 38

Netzwerk oder als abgeschlossene, holistische Erzählung in der Geschichte fungiert. Durch eine dermaßen offene Definition des Wortes werden jedoch die anfänglich beschriebenen Paradoxa ihrer Gültigkeit enthoben und eine Fusion der verschiedenen Konnotationen des Begriffes bewerkstelligt.

B) 3. Mythos

Um erneut mit Jan Assmanns Theorien des kulturellen Gedächtnisses zu beginnen, soll zunächst definiert werden, worum es sich bei einem Mythos handelt. Assmann behauptet, Mythos sei eine spezifische Form von Erinnerung, in der Emotionen dem Geschehen Bedeutung verleihen. Eine rein objektive, kognitiv-logische Nacherzählung der reinen Tatbestände nach den Forderungen Leopold Rankes würde in einem solchen Kontext eine zögernde Reaktion auslösen. Es ist vielmehr die inszenierte, multisensorische und pathetisch aufgeladene Erfahrung, die sich im menschlichen Gehirn festsetzt, woraufhin es dieses in der Zukunft weiterhin begleitet. Dadurch erhalten Erinnerungen lenkenden Charakter für kommende Handlungen. Laut Assmann ist ein Mythos im persönlichen wie kollektiven Gedächtnis verankert. Dabei verbirgt sich hinter einer emotionalisierten Nacherzählung historischer Ereignisse eine politische Kraft.113 Mythos verhält sich in Relation zum Diskurs nicht bloß wie eine reine Narration oder Erinnerung. Stattdessen verbindet er Gegenwart und Geschichte in ritueller, ständiger Renaissance. Die Erzählung benötigt in diesem Fall außenstehende Inszenierungen, die nicht dem Inhalt der Historie entspringen.114 Hier sei abermals auf Florenskis Weihrauch verwiesen.115 Mythen erklären das Alltägliche, indem sie im Zuge der Akkulturation eines Menschen durch ständige Wiederholung und ritualhaften Charakter sowohl Emotionen als auch Bedeutungen irrational begreifbar machen. Sie funktionieren so in oppositioneller Weise zur Wissenschaft, werden vom Subjekt allerdings benötigt, um soziale Gesellschaften und die Regeln sowie Weltanschauungen anderer Individuen nachzuvollziehen. Mythische Erzählmuster machen Aspekte des humanen Lebens begreifbar, die eine logische Abhandlung nicht im Stande wäre zu vermitteln.116

113 Vgl. Assmann, Jan: Religion and Cultural Memory. Stanford 2006, 3. 114 Vgl. Cassirer, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen. Bd. 2. Das mythische Denken. Darmstadt 1994, 104-106. 115 Florenski, Paul zit. n. Korff, Die Kunst des Weihrauchs. 116 Vgl. Cassirer, Philosophie, 104-106. 39

Die Geisteswissenschaften haben im Verlauf ihrer Beschäftigung mit dem Mythos als Begriff diverse Taxonomien mit dem Impetus erstellt, einen Überblick über die unterschiedlichen narrativen Strukturen zu erhalten. Obwohl diese Vorgehensweise in ihren Grundelementen einem universellen Strukturalismus entspricht, sei darauf eingegangen. Durch diese Zusammenschau soll keinesfalls eine feste Struktur essenzialisiert und somit dem Mythos seine innovative Kraft genommen werden, aber eine Leugnung des Nutzens von Analysekategorien bei der Deutung narrativer Muster stellt sich als impraktikabel heraus. Der französische Ethnologe Jean Poullion befasste sich vorwiegend mit politischen Motiven und erkannte, dass die ideologische Komponente als Variable frei in einen Mythos eingefügt wird. Die jeweilige Erzählung beinhaltet ergo rassistische, religiöse, nationale, revolutionäre oder sonstige Ideologien sowie Glaubensvorstellungen. Dabei variiert die Form der Handlung. Die Vorstellung einer nahenden Bedrohung oder Verschwörung steht meistens einem erlösendenden Helden oder einer heiligen Kraft gegenüber, was die binäre Form der zuvor beschriebenen Authentizität widergibt. Derartige oppositionelle Konflikte zwischen einer hellen und einer dunklen Macht werden durch Versöhnungs- oder Überlegenheitsmythen entschieden, in denen sich beide Seiten näher kommen oder eine die zweite vernichtet beziehungsweise besiegt.117 Die Historikerin Heidi Hein-Kircher erweitert dieses Spektrum um Erzählungen der Verwandlung, des Erfolgs und neuer Begründung.118 Dabei würden sich solche narrative Strukturen zwangsmäßig auf eine bestimmte Person, einen begrenzten Raum oder einen punktuellen Moment beziehen. Dadurch ergibt sich eine Begrenzung des Erzählrahmens, der die Handlung ontologisch gültig wirken lässt.119 Die historiographische Arbeitsweise von Mythen stellt sich als formativistisch heraus, da diese sich darum bemüht, alle Objekte eines synchronen historischen Feldes genau zu klassifizieren und einen holistischen Erklärungsanspruch zu stellen. Hayden White wirft in seiner Theorie der Metahistory dieser Herangehensweise ein pauschalisierendes Beschreiben vor, das sich empirisch nicht beweisen lässt. Dies entspricht durchaus dem Impetus eines Mythos.120 Ein besonderes Augenmerk der Forschung wird dem Ursprungsmythos zuteil. Durch seine zeitliche Verortung am Anfang der Menschheit oder gar des Universums avanciert er zu dem Prototyp schlechthin. Endscheidend ist, dass jede soziale Gruppierung einen gemeinsamen

117 Vgl. Pouillon, Die mythische Funktion, 69. 118 Vgl. Hein-Kircher, Heidi: Überlegungen zu einer Typologisierung von politischen Mythen aus historiographischer Sicht. Ein Versuch. In: Hein-Kircher, Heidi/Hahn, Hans Henning (Hg.): Politische Mythen im 19. und 20. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa. Marburg 2006, 407-424, hier 414. 119 Vgl. Ebd., 9. 120 Vgl. White, Hayden: Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth Century Europe. Baltimore u. a. 1973, 135-162. 40

Ursprung sucht, der den Beginn der folgenden Entwicklungen markiert. Hier werden allgemein, meistens in Retroperspektive, die Regeln und Statuten der Gemeinschaft festgesetzt. Diese wachsen schließlich zu einer Ideologie mit dem Ziel heran, eine soziale Ordnung für das Zusammenspiel der verschiedenen humanen Akteure vorzugeben. Der Politikwissenschaftler Yves Bizeul entwickelte in Bezug auf diese Annahme eine konzeptuelle Grundstruktur eines historischen Weltbildes. In dieser dient ein Gründungsmythos als Startpunkt einer selbstverortenden Historiographie, deren Fortschritt durch eine bestimmte Ideologie oder Religion geleitet wird, was schlussendlich zu einer utopischen Zukunft führen soll. Die Form einer derartigen Wunschentwicklung nimmt in manchen Weltbildern einen zirkulierenden Verlauf an, da sich Ursprung und Utopie in ihrer Darstellung gegenseitig überlappen. Der Anfang der Menschheit wird fernerhin zum l’age d’or stilisiert, zu dem es zurückzukehren gilt. So formuliert das christliche Weltbild eine Entwicklung vom Garten Eden hin zur Apokalypse, während der Kommunismus eine klassenlose Gesellschaft als Ende aller Dinge wähnt.121 Der Sinn und Zweck dieser dreigeteilten narrativen Struktur stellt die Stabilisierung einer Gesellschaft dar, weil es auf eine produktive Zusammenarbeit abzielt. Eine zu rigide Befolgung der Regeln führt jedoch zu einer Bremsung sozialer Prozesse oder verhindert Innovation an sich, ermöglicht im Allgemeinen aber erst eine kollektive agency, die über das Individuum hinausreicht.122 Ähnlich verhält es sich bei der dieser Arbeit vorangestellten Theorie. In ihr wird Identität als ein Mythos beschrieben, den das Subjekt von sich selbst entwirft. Zweitens wird Authentizität - ergo ein variables Weltbild, das von einer binären Dichotomie zwischen echt und unwahr ausgeht – ebenfalls als eine mythische Erzählung formuliert, allerdings mit Blick auf die soziale wie natürliche Umgebung des Individuums konzentriert. Damit begreift sich der Mensch im reziproken Prozess der Fremd- und Eigenwahrnehmung. Drittens benötigt ein Mythos die Erzählung von Identität sowie Authentizität, um in seiner Handlungsstruktur zu funktionieren. So wird zwingend ein Held oder zumindest ein Akteur benötigt, der als authentisch agierende Person auftritt. Im Gegensatz zu Bizeuls diachronem Modell, fungiert das soeben gezeichnete Dreieck als synchrone Momentaufnahme eines Diskurses, in der jeweils durch eine der drei Komponenten auf die zwei verbleibenden geschlossenen werden kann. So liefern Erzählungen, Rituale, aber auch Filme Indizien über die kulturelle Verfassung einer Gesellschaft.

121 Vgl. Bizeul, Yves: Politische Mythen. In: Hein-Kircher, Heidi/Hahn, Hans Henning (Hg.): Politische Mythen im 19. und 20. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa. Marburg 2006, 3-16, hier 8-9. 122 Vgl. Ebd., 13. 41

Die folgende Analyse einer populären Diskussion der Serie „Vikings“ auf YouTube wird die Funktionsweise des theoretischen Dreiecks verdeutlichen. Die einzelnen Kommentator*innen verorten sowohl sich selbst als auch die eigene Identität in ihrer Umgebung, wobei es zu einer binären Gegenüberstellung der mythischen Erzählung „Vikings“ und der vermeintlichen Realität kommt. Das Ausmaß der Teilung verweist darauf, inwiefern die Serie in Verbindung mit deren Inhalt als authentisch wahrgenommen wird. So koppeln einige Aussagen die eigene Person an diverse Helden oder Ethnien der Show, während andere diese als unrealistisch ablehnen oder dieser zumindest kognitiv reflektiert gegenübertreten. Individuen, die das eigene Ich anhand eines persönlichen Erbes der Wikinger erzählen, folgen demnach ebenso den Erzählstrukturen und inhaltlichen Argumenten eines konventionellen Germanenmythos, wobei andere diesen in seiner Verfassung dekonstruieren möchten. Als Viking jiujitsu zum Beispiel “My ancestors call me“123 schreibt, unterstützt Sçøtt Sállëy ihn mit: „Take the land back from muslimes and leave none of their religion in your heart mind or country!”124. Indoril Nerevar und YaGo diffamieren diese Aussagen jedoch mit „Cringe“125 sowie „@Sçøtt Sállëy go to psychiatrist ! You have some serious mental problems...”126. Ein solches konflikthaftes Aufeinandertreffen im Diskurs soll schließlich in der eigentlichen Analyse dieser Arbeit genauer beschrieben werden, doch zunächst wird eine historische wie inhaltliche Einführung das nötige Hintergrundwissen vermitteln.

C. Zwischen traditionellen und neuen Medien – Eine inhaltliche Heranführung

In diesem Überkapitel werden die zu behandelnden Quellen näher erörtert sowie der historische Hintergrund für die durchzuführende Analyse geliefert. Zunächst stehen sich Germanenmythos und eine populäre wie wissenschaftliche Rezeption der sogenannten Wikinger im direkten Vergleich gegenüber, um ebenso Parallelen wie Differenzen herauszuarbeiten, die bereits aus einer Einsicht der Sekundärliteratur gewonnen werden können. Darauffolgend soll der Historienfilm in seiner Bedeutung für die Europäische Ethnologie sowie in seiner strukturellen Verfasstheit erklärt werden. „Vikings“ dient schlussendlich als empirische Quelle, weshalb die

123 Viking jiujitsu. In: Zergananda Z: VIKINGS SONG - The Path to Valhalla by Zergananda. (Web: YouTube, 2015). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=nK-fhA25j3A (Stand: 5.1.2020). 124 Sçøtt Sállëy. In: Zergananda, Vikings Song. 125 Indoril Nerevar. In: Zergananda, Vikings Song. 126 YaGo. In: Zergananda, Vikings Song. 42

Show ein eigenes Kapitel mit einer Skizzierung von Produktion, Handlung, Implikation und Rezeption erhält.

C) 1. Der Germanenmythos

Der Beginn des Germanenmythos wird zumeist im späten 19. Jahrhundert verortet, wobei sich seine Wurzeln schon früher entwickelten. Vor allem die deutsche Renaissance und die Bestrebungen der Humanisten führten zum Wunsch einer eigenen Vergangenheit, die sich nicht, wie dies in den romanisch sprachigen Ländern der Fall war, auf das römische Imperium berief. Diese Bewegung wurde verschärft durch die Teilung der Kirche, als die Reformisten unter der Führung Martin Luthers versuchten einen anti-katholischen Identitätsbegriff aufzubauen. Das römische Feindbild sollte bald auf Frankreich ausgeweitet werden, das im Zuge der zahlreichen Auseinandersetzungen mit dem Heiligen Römischen Reich zum Erzfeind mutierte.127 Es waren jedoch Denker jenseits des Rheins, namentlich Montesquieu sowie Jean-Jacques Rousseau, durch die eine Konzeption eines überlegenen Germanentums mitbegründet wurde. Ersterer erstellte einen Zusammenhang zwischen klimatischen Konditionen und den qualitativen Eigenschaften einer Bevölkerungsgruppe. Die Germanen seien vor allem aufgrund des harschen Wetters im Norden abgehärtet worden, wodurch sie gegenüber dem dekadenten Süden in körperlicher Stärke und Kampfeswillen einen Vorteil hätten.128 Rousseau entwickelte die Idee des edlen Wilden, der sich im Naturzustand als sowohl freies als auch kreatives Subjekt bewege. Zivilisation in der Kombination mit einer hierarchisierten Gesellschaft veranschlagt Rousseau als den ursprünglichen Sündenfall der Menschheit.129 Diese Paradigmen wurden im erstarkenden Nationalgefühl neben Deutschland auch in Skandinavien bereitwillig aufgenommen. Der Trend sollte allerdings erst im 19. Jahrhundert als direkte Konsequenz der napoleonischen Kriege an Fahrtwind gewinnen, als es zum beliebten Thema in Belletristik und Politik wurde. Bald vermischte sich die Vorstellung der nordischen Kämpfer mit den Rassentheorien eines Arthur de Gobineau oder mit den Annahmen Houston Chamberlains, der sich als Teil des Bayreuther Kreises rund um Richard Wagner bezeichnen durfte. Deren Entwicklungstheorien mit Bezug auf ein vermeintlich deutsches

127 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 43-48. 128 Vgl. Montesquieu, Charles-Louis: Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur decadence. Paris 1874, 148-149. 129 Rousseau, Jean-Jacques: Du contrat social, hg. v. Halbwachs, Maurice. Aubier 1943, 113. 43

Germanentum sollten die Erstellung einer nationalen Identität im wilhelminischen Reich sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend mitbestimmen.130 Die folgenden Unterkapitel beschreiben die Mythen, Medien und ideologischen Hintergründe des Germanenmythos. Das selbige wird im Rahmen der Rezeption der Wikinger illustriert, um einen direkten Vergleich zu gewährleisten.

C) 1. a) Mythische Erzählungen

Das Deutsche Reich hatte Schwierigkeiten im Mittelalter ein nationales Vorbild zu finden, da, wie der Innsbrucker Historiker Julius von Ficker im berühmten Historikerstreit unterstrich, diese Denkweise sich als ganz und gar untypisch für die damalige Zeit herausstellte. Des Weiteren war die „deutsche Geschichte“ von ständigen Antagonismen geprägt, weshalb keine einheitliche Historiographie ermöglicht wurde. So kämpfte Kaiser Friedrich II. gegen das Geschlecht der Welfen, Protestanten gegen Katholiken und Hohenzoller gegen Habsburger. Man fand indes vier geteilte Erinnerungsorte131, die eine patriotische Kunst als sammelnde Standarten eines deutschen Nationalgefühls verwendeten.132 Erstens wurde in den Zeiten des Humanismus ein Dokument von besonderer Bedeutung für eine nationale Meistererzählung, aber auch für die Geschichtsschreibung generell, entdeckt. Es handelte sich hierbei um die „Germania“ des Tacitus, in der dieser römische Historiograph das dekadente Rom den autarken, germanischen Stämmen gegenüberstellte. Das Werk erhielt 1472 eine erste Edition und sollte von da an einen Erfolg als mythische Quelle des ursprünglichen Deutschtums feiern. Tacitus benützte seine anthropologisch klingende Beschreibung jedoch als Sittenspiegel, um das Rom seiner Zeit zu kritisieren. Welche seiner Beobachtungen einen Anspruch auf Wahrheit stellen dürfen, ist, wie so gewöhnlich für historische Quellen, fraglich.133 Als tatsächlicher Gründungsmythos kommt allerdings die sogenannte Hermanns Schlacht in Frage. Dabei handelt es sich um die Erzählung eines Aufeinandertreffens drei römischer Legionen unter dem Feldherren Varus und der „germanischen Stämme“ unter Hermann/Arminius im Teutoburger Wald bei Kalkriese. Folgt man den historischen Quellen, so wurden die Römer in diesem Konflikt vernichtend geschlagen, was eine römische Herrschaft

130 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 72-73. 131 Zu diesem Begriff siehe: Nora, Pierre: Les Lieux de mémoire. 1. La République. Paris 1984. 132 Vgl. Schlosser, Horst Dieter: Die Macht der Worte. Ideologien und Sprache im 19. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2016, 72. 133 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 32-33. 44 in der vorigen Provinz Germania Interior beendete. In der Retroperspektive wurde dies als staatsgründender Moment sowie als Kampf für die deutsche Freiheit stilisiert. Die Schlacht diente in diesem Kontext als Stoff für zahlreiche Gedichte und Traktate, Gemälde und Romane, wobei sich unter den Autor*innen renommierte Namen wie Hermann Kleist und Friedrich Gottlieb Klopstock finden lassen.134 Drittens sorgte das Nibelungenlied für die Proklamation einer frühen Entstehung der deutschen Sprache in Verbindung mit einer daraus resultierenden Überlegenheit. Das mittelalterliche Schriftgut wurde erst 1755 gefunden, dann 1757 erstmals in Druck gegeben. Erfreute es sich anfänglich keiner großen Beliebtheit, erhielt es schon bald nach seiner Übersetzung ins Neuhochdeutsche 1807, also circa fünfzig Jahre später, den Titel eines Nationalepos. Deutsche Intellektuelle stellten diesen gern den homerischen Werken mit dem Ziel gegenüber, die Vorteile der nördlichen Schreibkunst zu unterstreichen. Das Mittelalter erhielt eine neue Konnotation als Sehnsuchtsort und ursprüngliche Utopie, den es bis heute nicht ablegen sollte.135 Als vierte Stütze des Germanenmythos fungierte eine konstruierte germanische Mythologie. Konstruiert deshalb, weil sie sich auf spärliche Überreste als Quellen verlassen musste. Was die Forschung nicht finden konnte, wurde mit nordischer Mythologie ausgefüllt. So entlehnten ebenso wissenschaftliche wie belletristische Autor*innen große Stücke der germanischen Götterwelt der skandinavischen Erzählung, was ein, zumindest aus deutscher Sicht, ideologisch-kulturelles Näherkommen bewirkte. Johann Gottfried Herder sowie Jakob Grimm, bedeutende Figuren der Germanistik, Erzählforschung und Volkskunde, zählten zu den Vertretern dieser geistigen Bewegung. Zweiterer versuchte durch das Sammeln von Märchen der deutschen Landbevölkerung die vermeintlichen Überreste einer germanischen Sagenwelt zu erarbeiten.136 Zusätzliche Evidenz gewinnt dieser literarische Prozess durch Richard Wagners Ringzyklus, der Nibelungenepos mit nordischer Mythologie mischte. Dies beweist nicht nur, dass Germanen und Wikinger mit denselben Sagen bedacht wurden, sondern hinzukommend, dass eher die Kunst anstatt einer objektiven Wissenschaft diesen mehr literarischen als historischen Helden im 19. Jahrhundert Beliebtheit sicherte.137

134 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 50. 135 Vgl. Ebd., 52. 136 Vgl. Meyer, Elard Hugo: Germanische Mythologie. Berlin 1891, 66-67. 137 Vgl. Schlosser, Die Macht der Worte, 78. 45

C) 1. b) Verwendete Medien

Neben den zuvor erwähnten Medien feierte der Historische Roman im 19. Jahrhundert seine ersten großen Erfolge. Nachdem das Medium im anglophonen Bereich durch das Zutun von Walter Scott an Beliebtheit dazugewann, wurde es fernerhin am deutschen Markt immer rentabler. Das Ziel war es objektive Geschichte mit einer unterhaltsamen Handlung zu paaren, um ein möglichst breites Publikum zu aktivieren und dieses zu belehren. In Deutschland begann so der Siegeszug des Professorenromans, der sich durch eine genaue Quellenarbeit in Fusion mit literarisch ansprechender Untermalung Interessenten unterschiedlicher Motivation anbot.138 Ein zu vermittelndes Ideal stellte die Vaterlandsliebe dar. Man glaubte einen solchen Patriotismus mithilfe historischer Ereignisse und Vorbilder demonstrieren zu können, vor allem darauf bedacht, diese der vielversprechenden Jugend als wegweisende Lektüre zu überreichen. Die Germanen erzielten als Thematik hohe Verkaufszahlen, allen voran Felix Dahns „Kampf um Rom“.139 Im Zuge des Fin de Siècle adaptierte das Kino diese literarischen Vorgänger. Die Leinwände der Kinos begannen die Abenteuer der spätantiken Helden vorzuführen, die bis dato nur im Theater in vergleichbarer Weise auftraten. In diesem Kontext ist Fritz Langs Nibelungenverfilmung140 zu sehen. Wolf-Daniel Hartwich sieht darin eine Überspielung der Niederlage des Ersten Weltkriegs mit einer Deutschen Allmachtsfantasie als utopisches Gegenkonzept. Der Mythos in seiner Funktion als Utopie bot bereits in der Stummfilmzeit der Weimarer Republik eine vermeintliche Zeitreise zum glücklichen Ursprung und darf in der Konsequenz als Vorläufer der Wikingerfilme gelten.141 Als legitimierende Institution im Diskurs in Bezug auf den Germanenmythos fungierte jedoch nicht nur der Unterhaltungssektor, sondern auch wissenschaftliche Disziplinen. Die Grenze zwischen diesen Bereichen gestaltete sich fließend, da historisch interessierte Künstler*innen einen Anspruch auf Authentizität legen wollten, wobei Professor*innen in umgekehrter Weise im ideologischen sowie kulturellen Leben der Zeit mit dem Ziel eingriffen, deren Meinungen zu propagieren. Die Linguistik, die Volkskunde und die Geschichtswissenschaft, um einige

138 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 84. 139 Dahn, Felix: Ein Kampf um Rom. Leipzig 1940. Dahns Romane wurden durch Kipper und Axel Goy bearbeitet: Goy, Axel: Felix Dahns Historienroman. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 66 (2015), H. 7/8, 384- 401. 140 Lang, Fritz: Die Nibelungen: Sigfried. Deutschland 1924 (Decla-Bioscop AG/Universum Film (UFA). 141 Vgl. Hartwich, Wolf-Daniel: „Deutsche Mythologie“. Die Erfindung einer nationalen Kunstreligion. Berlin/Wien 2000, 177. 46

Fächer zu nennen, trugen ihren Teil zur Bildung eines imaginären Germanentums bei.142 Hervorzuheben ist Gustaf Kossinas Archäologie, die zu einem nationalem Sammeln germanischer Überbleibsel aufrief. Das Wenige, das dabei zutage gebracht wurde, ließ sogar Adolf Hitler an der Sinnhaftigkeit des Unterfangens zweifeln. Die fragwürdige Empirie dieser Projekte verweist auf die mehr ideologisch als wissenschaftliche Forschungsmotivation.143

C) 1. c) Ideologische Implikationen

Der Historiker Rüdiger vom Bruch bezeichnete den wilhelminischen Menschen als einen „Übergangsmenschen“ zwischen „Romantischer Modernität“ und einem „Nervösen Idealismus“. Damit wollte er den dualen Charakter der Stimmung des deutschen Fin de Siècle einfangen, in dem es zu einem Tauziehen zwischen dem Wunsch nach einer Rückkehr zum Ursprung und dem Blick nach vorn kam. Fortschrittsdenken sowie dessen Kritik paarten sich paradoxer Weise in denselben Ideologien, wie dies überdies der Nationalsozialismus vorführte.144 Beim nostalgischen Zurückdenken erblickte der*die Wilhelminer*in den stolzen Germanen als den Ursprung der eigenen Geschichte. Es wird in diesem Kontext das Bild eines freien, ehrlichen und mutigen Jägers evoziert, der sich naturverbunden in die Szenerie eines unberührten Waldes einfügt. Kunst ebenso wie historiographische Wissenschaft betonten außerdem die eheliche Treue, die auf einem gegenseitigen Respekt zwischen Gatten und Gattin gefußt habe.145 Der Nationalstaatgedanke äußert sich allerdings nicht zwingend in einer derart plastischen Form. So formulierten Denker wie Herder ihre Identifikation in abgeschwächter Form, betonten aber den Wunsch nach Freiheit und nach dem Recht, das sogenannte „Eigene“ ausleben zu dürfen.146 Diesem isolationistischen Kulturbestrebungen steht ein inkludierender Deutschlandbegriff gegenüber, ein geeintes Europa unter germanischer Führung beschwörend. Neben Friedrich Schlegel verwies Novalis in seinem Werk auf die vermeintliche Vorherrschaft des Heiligen

142 Vgl. Wiwjorra, Ingo: Der völkische Germanenmythos als Konsequenz deutscher Altertumsforschung des 19. Jahrhunderts. In: Hein-Kircher, Heidi/Hahn, Hans Henning (Hg.): Politische Mythen im 19. und 20. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa. Marburg 2006, 157-166, hier 160. 143 Vgl. Arnold, Bettina: The Past as Propaganda. In: Archaeology, 45 (1992), H. 4, 30-37, hier 32-33. 144 Vgl. Bruch, Rüdiger vom: Wilhelmismus. Zum Wandel von Milieu und politischer Kultur. In: Puschner, Uwe/Schmitz, Walter/Ulbricht, Justus H. (Hg.): Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871-1918. München 1999, 2-21, hier 21. 145 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 245-246. 146 Vgl. Herrmann, Hans Peter: „Mutter Vaterland“. Herders Historisierung des Germanenmythos und die Widersprüche des Vaterlandsdiskurses im 18. Jahrhundert. In: Herder-Jahrbuch, 4 (1998), 97-122, hier 118. 47

Römischen Reiches während des europäischen Mittelalters und wollte eine Rückkehr zu diesem politischen Gebilde.147 Schlegel vermerkt weiter, der Deutsche sei zwar ein Barbar gewesen, er habe nichtsdestotrotz die große Qualität besessen, die Vorzüge fremder Kulturen anzunehmen.148

C) 1. d) Die Deutsch-Skandinavische Wahlverwandtschaft

Spätestens ab der Wagnerschen Vermischung von Nibelungenlied und nordischer Mythologie zu dem germanischen Kunstwerk begann in Deutschland die Konstruktion der als „Wahlverwandtschaft“ formulierten Bündnispolitik auf ethnischer Basis. Das Wilhelminische Reich wähnte in den Skandinaviern und in den Engländern germanische Brüder wiedergefunden zu haben. Die Engländer hatten sich durch ihre angelsächsische Herkunft für eine derartige Bezeichnung qualifiziert. Die Skandinavier hingegen galten als besonders germanisch und später auch arisch, da sie Teile der deutschen Geschichtswissenschaft als die direkten Nachfahren ebendieser stilisierte, deren Narrativ immer öfter mit den Wikingern als Synonym gleichgesetzt wurde. Die nordischen Länder wurden als oppositioneller Entwurf zum Osten als Ursprung des Menschen angeführt. Theorien dieser Überzeugung lehnten den Leitspruch ex oriente lux ab, nach dem die menschliche Zivilisation aus dem Osten käme, und bevorzugte das Altertum der Wikinger gegenüber dem graeco-romanischen, mediterranen Bereich.149 Die Faszination deutscher Kunst und Wissenschaft für die Nachbarn im Norden, eine genetische Verwandtschaft proklamierend, wurde zumindest politisch nicht erwidert. In Großbritannien bevorzugten Intellektuelle des 19. Jahrhunderts einen Pankeltismus anstatt eines Pangermanismus und führten eine eigene Kultur auf eine römisch-humanistische Lehrtradition zurück. In der skandinavischen Politik befürchtete man imperiale Bestrebungen seitens Deutschlands, was durchaus seine Berechtigung hatte, betrachtet man das expansive Vorgehen im 20. Jahrhundert.150 Fest steht, dass das Nordische im Kaiserreich en vogue war, was modische wie moralische Auswirkungen nach sich zog. So verbreiteten sich die sogenannte „Skandinavienmode“ in

147 Vgl. Ludwig, Katja: August Wilhelm Schlegels politische Rezeption des „Nibelungenliedes“. In: Hein-Kircher, Heidi/Hahn, Hans Henning (Hg.): Politische Mythen im 19. und 20. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa. Marburg 2006, 45-63, hier 56. 148 Vgl. Ludwig, Schlegels, 53. 149 Vgl. See, Klaus von: Deutsche Germanen-Ideologie. Vom Humanismus bis zur Gegenwart. Frankfurt a. M. 1970, 79. 150 Vgl. Ebd., 82-84. 48

Verbindung mit dem beliebten „Drachenstil“. Allen voran hatte Kaiser Wilhelm II. Gefallen an dem Mythos der Wikinger gefunden und setzte wohl deshalb auf den Ausbau einer kriegstüchtigen Flotte. Er unternahm weiters regelmäßig Fahrten in die norwegischen Fjorde und bekam schließlich ein vergoldetes Drachenboot anlässlich eines Geburtstages geschenkt. Die Wikinger hatten also im Gefolge des Germanentums im Deutschland des 19. Jahrhunderts Bekanntschaft erlangt. Dies beruht vor allem auf der hohen Ähnlichkeit der beiden Mythen, weshalb die Wikinger beispielsweise bei Karl Theodor Strasser eine Bezeichnung als „Seegermanen“ erhielten.151 Die im deutschen Raum viel gelobten und beschriebenen Seeräuber hatten in der Zwischenzeit jedoch globale Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

C) 2. Die moderne Rezeption der sogenannten Wikinger

Das folgende Kapitel dient als eine komprimierte Zusammenfassung der Rezeption der Wikinger im vergangenen sowie aktuellen populären Diskurs. Eine Analyse der historischen Entwicklung, der mythischen Erzählungen, der zur Verbreitung genützten Medien und der sich dahinter verbergenden Ideologien dekonstruiert und kategorisiert den hier formulierten Wikingermythos. Dies soll erste Parallelen zum Germanenmythos des vorherigen Kapitels aufweisen, aber sowohl die Serie „Vikings“ als auch deren digitale Bearbeitung durch YouTube Kommentare in einem breiteren Diskurs verankern. Über die historisch bezeugten skandinavischen Seeräuber existieren nur wenige subjektive Quellen. So handelt es sich vor allem um christlich-mönchische Schriften, die Plünderungen der Klöster und Städte mit der Absicht verurteilen, den heidnischen Glauben der Aggressoren zu diskreditieren. Es existieren allerdings Berichte arabischer, reisender Händler, wie die von Ibn Fadlan152 oder von At-Tartuschi153, in deren Beschreibungen ein anderes Bild der spätantiken Skandinavier gezeichnet wurde. Die Wikingerzeit wurde in der Geschichtswissenschaft als eigene Zeitepoche eingeführt, um die Dauer eines vermutet verhältnismäßig gleichbleibenden politischen wie expansiven Verhaltens, einer religiösen Kultur und einer speziellen Herrschaftsstruktur temporär zu begrenzen. Am Ende dieser Ära sei es zu einem Abklingen der aggressiven Außenpolitik, einer Christianisierung und einer hierarchischen, inneren Festigung der skandinavischen Königreiche

151 Strasser, Karl Theodor: Wikinger und Normannen, 3. Aktualisierte Auflage. Hamburg 1937. 152 Ibn-Faḍlān, Aḥmad Ibn-al-ʿAbbās: Ibn Fadlan's journey to Russia. A tenth-century traveller from Baghdad to the Volga river, hg. v. Frye, Richard Nelson. Princeton/London 2005. 153 Vgl. At-Tartûschi, Ibrahim ibn Achmed: Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert. In: Jacob, Georg (Hg): Quellen zur deutschen Volkskunde 1. Berlin u. a. 1927, 29. 49 gekommen. Als Anfangsdatum der Wikingerzeit dient der Überfall auf das englische Kloster Lindisfarne im Jahr 793, ein erster bezeugter Überfall, in dem von nordischen Seeräubern die Rede ist. Diese konstruierte Epoche nahm ihr Ende einerseits mit der Niederlage eines norwegischen Heeres bei der Schlacht von Stamford Bridge und andererseits mit der Zerstörung der Stadt Haithabu durch die Wenden, wobei beide Ereignisse im Jahr 1066 stattfanden. Die Zeitspanne zwischen diesen Eckdaten war geprägt von Eroberungen, unter denen das englische Danelaw oder die Normandie hervorzuheben sind, von legendären Raubzügen, wie in Paris oder Lucca, von Kolonisationsbestrebungen und von Entdeckungsreisen bis nach Grönland und Nordamerika. Des Weiteren fungierten schwedische Seefahrer ebenso als die Begründer der Kiewer Rus als auch als die Leibwache des byzantinischen Kaisers, die als Waräger in die Geschichtsschreibung eingingen.154 Obwohl eine historiographische Tradierung dieser Ereignisse in mittelalterlichen Quellen kaum vorhanden ist, erfuhren die Seemänner eine rege Rezeption in der Neuzeit, spätestens aber seit dem 19. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich die Thematik zu einem in der ganzen Welt beliebten Stoff für fantastische Erzählungen, dann zu einer Verwendung dieser als überzeugende Topoi in Sport, Werbung und Politik. Sind die Wikinger darüber hinaus ein globales Sujet geworden, so sollen in den folgenden Absätzen zunächst zwei narrative Traditionen fokussiert werden, deren Einfluss sich für die folgende Analyse als am größten herausstellte. Hierbei handelt es sich einerseits um eine englische und andererseits um eine skandinavische Erzähltradition, wobei beide intertextuellen Stränge sich gegenseitig inspirierten. Auf den britischen Inseln des 19. Jahrhunderts erkannten Intellektuelle den identifikatorischen Wert eines Erbes der Wikinger. Immerhin hatten die ehemaligen Eroberer sich über Jahrhunderte hinweg dort angesiedelt, wodurch sie die Geschichte des Landes entscheidend mitbestimmten. Sie führten neue Technologien und Sprachelemente ein,155 vergrößerten allerdings auch wichtige Metropolen wie York oder Dublin. Heute ist unklar, in der allgemeinen Meinung wie in der Forschung, wie sehr sich diese Einflussnahme auf die darauffolgende britische Geschichte auswirkte. Primär im romantischen nationalen Jahrhundert, als es darum ging eine kollektive Identität zu erstellen, diskutierten Politik wie Wissenschaft über die Relevanz eines skandinavischen wie angelsächsischen Erbes. In dem Epos Beowulf fanden

154 Vgl. Pedersen, Anne: Karikaturen, Kopien oder ??? Die Wikinger im heutigem Dänemark. In: Jensen, Inken/Wieczorek, Alfried (Hg.): Dino, Zeus und Asterix. Zeitzeuge Archäologie in Werbung, Kunst und Alltag heute. Mannheim/Weißbach 2002, 347-352, hier 353. 155 Vgl. Miglio, Viola: Old Norse and Old English Language Contact. Scandinavian Legal Terminology in Anglo- Saxon Laws. In: Nordicum-Mediterraneum, 5 (2010), H. 1. 50 nordische Erzählungen auf den britischen Inseln statt und es mischte Erzähltopoi verschiedener Sprachen, was eine vermeintliche kulturelle Grenze zwischen Angel-Sachsen156, Normannen und Wikingern als unhaltbar oder zumindest durchlässig ausweist.157 Für das Viktorianische England erschienen diese mystischen Vorfahren als ein geeignetes Vorbild, da sie ebenfalls, auf materielle sowie territoriale Gewinne abzielend, die Weltmeere bereisten. Die Eigenschaften des mutigen Kämpfers konnten als Verhaltenskodex für britische Soldaten weiterrezipiert werden.158 Im Gegensatz zur deutschen Rezeptionsgeschichte, sieht man von den einflussreichen Werken John R. R. Tolkiens159 ab, fokussierten englische Autor*innen eher das historische, heroenbetonte Wikingertum, anstatt einer nordischen Mythologie. Schriftsteller wie Thomas Caryle160, Matthew Arnold und William Morris161 entwickelten deren Versionen von heldenhaften Sagen, um den ursprünglichen Erzählstoff für die eigene Epoche fruchtbar zu machen.162 Eine solche Identifikation mit einem skandinavischen Erbe blieb jedoch nicht auf den Alten Kontinent begrenzt, sondern erfuhr ebenso eine politische Instrumentalisierung in den USA. Die Wikinger boten sich als protestantisches Gegenkonzept bezüglich einer Entdeckung und Landnahme Amerikas zum katholischen, mediterranen Columbus an. So berufen sich hauptsächlich die nördlichen Staaten des Mid-West, wie Minnesota, auf das Erbe der skandinavischen Seefahrer, was durchaus mit einer Ansiedlung norwegischer, schwedischer und dänischer Migrant*innen in diesen Regionen während der späten Neuzeit zusammenhängt. Zahlreiche semi-wissenschaftliche Funde wurden als Argumente für einen Anspruch der Wikinger auf die amerikanische Geschichte angegeben. 1959 erstand ein amerikanischer Antiquar die Vinland Map, eine mittelalterliche Karte, die den nordamerikanischen Kontinent zeige und einen regen kulturellen sowie ökonomischen Kontakt auf dem Nordatlantik zu jener Zeit bezeuge. Des Weiteren kam es zum fragwürdigen Fund des Kensington Stone, wobei ein Bauer aus Minnesota proklamierte einen großen Felsen mit runischen Beschriftungen der Wikinger gefunden zu haben. Zu guter Letzt ließ die Exkavation des Kennewick Man nordische Aspirationen aufkommen. Bei einer 9000 Jahre alten Leiche erhoffte man sich die Überreste

156 Allein schon durch diese Doppelbezeichnung ist eine völkische Identität in ihrer inneren Logik zu hinterfragen. 157 Vgl. O’Donoghue, Heather: From Asgard to Valhalla. The Remarkable History of the Norse Myths. London/New York 2008, 92. 158 Vgl. O’Donoghue, Asgard, 129. 159 Als Beispiel lässt sich hier die „The Lord of the Rings“ Trilogie erwähnen: Tolkien, John R. R.: The Lord of the Rings. London 2005. 160 z. B.: Carlyle, Thomas: The early Kings of Norway. Online unter: http://www.gutenberg.org/ebooks/1932 (Stand 25.2.2020). 161 z. B.: Morris, William: The Story of Sigurd the Volsung and the Fall of the Niblungs. Online unter: http://www.gutenberg.org/ebooks/18328 (Stand 25.2.2020). 162 Vgl. O’Donoghue, Asgard, 155-162. 51 eines Nordmannes gefunden zu haben, da das Skelett für einen First Nation American ungewöhnlich groß gewesen sei. In der Berichterstattung derartiger Funde klingen zu hinterfragende Tendenzen an, die die amerikanische Geschichte einem white washing unterziehen. Trotz der wissenschaftlichen Widerlegung dieser Funde und deren Entlarvung als Fälschungen oder Missdeutungen, reißt der Trend rund um die Wikinger in den USA nicht ab. So wurde der neunte Oktober durch Präsident Bill Clinton zum Leif Ericson Day erklärt.163 In den skandinavischen Staaten nahm eine Nacherzählung der Wikingerzeit einen anderen Verlauf, wie dies historische Entwicklungen und kulturelle Unterschiede bereits nahelegen. Im sechsten Jahrhundert hatte der römische Geschichtsschreiber Jordanes den Versuch einer proto- völkerkundlichen Beschreibung der Goten unternommen. Sein theologisches Weltbild veranlasste ihn zur Annahme, ein Enkel Noahs sei nach der Flut in den Norden nach Schweden gezogen, wo er das Volk der Goten begründet hätte.164 Der schwedische Chronist Johannes Magnus übernahm bereitwillig diese sich als politisch fruchtbar herausstellende These in seine Aufzählung der gotischen und schwedischen Könige, die er bewusst in einer direkten, kontinuierlichen Abfolge positionierte.165 Dies ließ sich als neues identifikatorisches Potential der protestantischen Schweden unter Gustaf Adolph II. im Dreißig Jährigen Krieg gegenüber den „römischen“ Katholiken mobilisieren. Anspielungen auf eine herkömmliche Narration der Völkerwanderung und des Germanenmythos werden hierin greifbar.166 In den darauffolgenden Jahrhunderten arbeiteten skandinavische Gelehrte an den ersten Editionen mittelalterlicher Texte, die sich mit einer nordischen oder gotischen Geschichte befassten. Die Edda des Snorri Sturluson und die Chroniken von Saxo Grammaticus sowie des Adam von Bremen erhielten in diesem Kontext neue Aufmerksamkeit. In einem begleitenden Prozess kam es zur Etablierung von königlichen Hofhistoriographen, deren Aufgabe in der Propagierung dieser identifikatorischen Texte nach außen bestand.167 Als Beispiel seien die Schriften Paul Henri Mallets über die „Histoire de Danemarc“168 zu nennen. Im 19. Jahrhundert erfuhren die nordischen Seeräuber im skandinavischen Kontext eine nationalisierende Instrumentalisierung. 1809 hatte das schwedische Reich Finnland an

163 Vgl. O’Donoghue, Asgard, 180. 164 Iordanes, Gotus: Gothengeschichte. Nebst Auszügen aus seiner römischen Geschichte, übersetzt v. Martens, Wilhelm. Leipzig 1884. 165 Magnus, Johannes: Historia de omnibus Gothorum Sueonumque regibus. Köln 1567. 166 Vgl. Trotzig, Gustaf: Der Wikingermythos in Schweden. In: Jensen, Inken/Wieczorek, Alfried (Hg.): Dino, Zeus und Asterix. Zeitzeuge Archäologie in Werbung, Kunst und Alltag heute. Mannheim/Weißbach 2002, 353- 358, hier 347. 167 Vgl. Monyk, Elisabeth: Zwischen Barbarenklischee und Germanenmythos. Eine Analyse österreichischer Geschichtslehrbücher zwischen 1891 und 1945. Wien 2006, 24. 168 Mallet, Paul Henri: Histoire de Dannemarc. Kopenhagen 1758. 52

Russland verloren und war nun bemüht, durch gemeinsame Erinnerungsorte ein nationales Selbstbewusstsein zu festigen. Hier wurde der Mythos der gotischen Abstammung abermals reaktiviert, was sich an der Gründung des Gotischen Bundes im Jahr 1811 ablesen lässt. Das Aufkommen des Historischen Romans begünstigte eine derartige Entwicklung, denn 1825 publizierte Bischof Esaias Tegnér erstmals „Die Saga des Frithjof“169, in der Frithjof als Protagonist eher den Stilisierungen eines europäischen Rittertums als dem Stereotyp des Wikingers gleichkommt. Dieses Werk wurde bis in die 1960er als Schulstoff verwendet und hinterließ im Folgenden einen bleibenden Effekt auf ein schwedisches Selbstverständnis. In den 1840ern erschien außerdem das Buch „Röde Orm“170, in dem die Wikinger ihren heute als Merkmal bekannten lakonischen Humor erhielten. Chauvinistische Tendenzen in Verbindung mit einer Vorliebe für gutes Essen und Trinken wurden dem Wikinger in diesem Werk als Charaktereigenschaften nahegelegt. Der Erfolg derartiger Geschichten wurde auch mit Comic Serien transnational zementiert. „Hägar der Schreckliche“ sowie „Wiki und die Starken Männer“ veranschaulichen dies, deren große Beliebtheit vor allem in Deutschland das Fortbestehen einer geistigen Wahlverwandtschaft unterlegt.171

C) 2. a) Mythische Erzählungen

Als schlussendliche Konsequenz der verschiedenen Quellenberichte und der unterschiedlichen Rezeptionsmotivationen sowie Traditionen haben sich zahlreiche Mythen um die Wikinger gebildet, die sich regional oder global gestalten. Regionale Mythen ziehen eine Verbindung von der „eigenen“, begrenzten Historie zu den großen Ereignissen der Weltgeschichte. Dadurch schafft die jeweilige Meistererzählung eine prestigevolle Aufwertung einer örtlich begrenzten Vergangenheit in Kombination mit der damit verbundenen Identität. Die folgenden Absätze sollen keine Falsifizierung verbreiteter Mythen und persönlicher Geschichtsbilder zur Folge haben, sondern zielen vielmehr auf eine Sammlung unterschiedlicher Topoi der Rezeption der Wikinger ab, um dem*r Leser*in eine emische Ansicht dieser zu gewähren. Als ersten Punkt gilt es die ikonische Ästhetik des inszenierten Wikingers zu klären. Sein Korpus ist muskulös, sein Gesicht bärtig, was dem mythischen Germanen in sämtlichen Details entspricht. In Romanen und historiographischen Werken des 19. Jahrhunderts kommt es zur Beschreibung einer besonderen Schönheit, der weißen Haut, der blauen Augen unter dem

169 Tegnér, Esaias: Frithiofsage. Berlin u. a. 1842. 170 Bengtsson, Frans G.: Röde Orm. Sjöfarare i Västerled. En berättelse fran okristen tid. Stockholm 1942. 171 Vgl. Trotzig, Wikingermythos, 350. 53 blond, rötlichen Haar. Dies erinnert unweigerlich an ein arisches Rassenbild des NS-Regimes. Die Archäologie hat die Vermutung einer überragenden Körpergröße der Skandinavier geprüft und befunden, dass die Franken derselben Epoche beinahe dieselben Maße besaßen. Die Frauen Dänemarks seien sogar kleiner gewesen, weshalb sich eine biologische Kategorisierung nicht halten lässt.172 Der hörnerbesetzte Helm des Wikingers verleiht ihm als Accessoire herausragender Bedeutung eine eigene Ikonizität. Diese Erfindung des 19. Jahrhunderts avanciert zum Lieblingstopos der Geschichtswissenschaft, wenn eine Diffamierung populärer Wahrnehmung die Absicht ist.173 Als zweiter Topos hält sich die oft in den Quellen unterstrichene Brutalität der Seeräuber, die bei Überfällen als entscheidendes Stilmittel eingesetzt wurde. Die christlichen Berichte verurteilen das gewalttätige Verhalten gegenüber Gottesmännern, Frauen und sogar Kindern, das sich als bloßer Sadismus beschreiben lässt. Ab den 1960ern sprach die Wissenschaft die Wikinger von dieser Anklage jedoch frei, denn eine räuberische Tätigkeit sei für die Zeit durchaus üblich gewesen. Der wahre Charakter der Skandinavier*innen bestehe in ihrem Dasein als bäuerliche Bevölkerung und in deren händlerischen Aktivitäten. Der allgemeine Tenor der Geschichtswissenschaft begrüßte diese neue Ansicht als kritisches Hinterfragen christlicher Quellen, deren Ansicht ein kolonialer Tonfall unterstellt wurde. Doch diese neue Interpretation traf auf Gegenstimmen, die eine Darstellung der Seeräuber als friedliche Reisende bemängelten. Der historische Konsens beruht heute auf der Synthese einer zwar gewalttätigen, räuberischen Praxis von aus dem Norden kommenden Kriegern, was allerdings dem Usus der Zeit entsprochen hätte.174 Besondere Aufmerksamkeit erhielt der Mythos des Wikingers als Vergewaltiger, der sich neben Plünderung und Mord dieses Verbrechen als weitere Sünde zuzog.175 Zeitgenössische Quellen berichten im Gegensatz hierzu selten bis gar nicht über ein derartiges Verhalten und genealogische Nachforschungen im 21. Jahrhundert bezüglich einer möglichen Nachkommenschaft in England sowie Frankreich erzielten keine affirmativen Ergebnisse. Prinzipiell müssen derartige Methoden zur Legitimation sowohl von Erbschaft als auch von historischen Behauptungen aufgrund ihrer meist arbiträren Resultate in Verbindung mit einem inhärenten Denken in Blutlinien hinterfragt werden. Eine Analyse schriftlicher Quellen verweist ebenfalls auf eine nachträgliche Narration des Wikingers als Vergewaltiger, die erst

172 Vgl. Coupland, Simon: The Vikings on the Continent in Myth and History. In: History, 88 (2003), 186-203, hier 189. 173 Vgl. Ebd., 186. 174 Vgl. Ebd., 187. 175 Eine genauere Analyse dieses Topos findet sich bei: Service, Popular Vikings, 150-156. 54 in der Neuzeit publik wurde.176 Die Frage nach einer Identifizierung der skandinavischen Seeräuber als Sexualverbrecher wird schließlich in Terry Gilliams „Eric the Viking“ scherzhaft gestellt. Als der Protagonist Eric ungeschickt versucht seinen Gürtel bei der Vergewaltigung einer Frau zu öffnen, fragt diese „Have you done this sort of thing before?“, woraufhin dieser entrüstet, aber offensichtlich lügend antwortet: „Me? Of course!“177

C) 2. b) Verwendete Medien

Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, geschah eine Tradierung nordischer Mythologie nicht nur durch Wissenschaft, sondern zusätzlich durch die Literatur. Eine strenge Teilung beider Bereiche erweist sich indes als Mythos, da Schriftsteller*innen teilweise selbst als Historiker*innen oder Linguist*innen tätig sind und Wissenschaftler*innen sich umgekehrt narrativer Muster bedienen. Im Fall einer nordisch-angelsächsischen Mythologie gilt Tolkien als einer von vielen Repräsentant*innen dieses dualen Personentyps, da er einerseits an Universitäten unterrichtete, andererseits einflussreiche Romane wie „The Lord of the Rings“ verfasste. Diese Trilogie führte schlussendlich zu einer vermehrten Rezeption nordischer Topoi in fiktiven wie semi-historischen Werken.178 Deren Erfolge blieben auch außerhalb einer literarischen Belletristik nicht ohne Nachfolgen. Bald erkannte beispielsweise die Tourismusbranche das kulturelle Kapital,179 das ein narratives Erbe der Wikinger beinhaltete.180 Ab den 1980ern wurden vermehrt Museen mit Bezug auf diese Thematik geöffnet, die sich im Sinne der Living History lebender Darsteller*innen bedienten, um den sonst als bloß belehrend wahrgenommenen Museumsbesuch zum multisensorischen Erlebnis umzufunktionieren. Außerdem hatten Funde von Schiffen aus der Wikingerzeit, beispielsweise in Gokstad oder Oseberg, ein zunächst regionales und schließlich gesamteuropäisches Interesse ausgelöst, was in der Schaffung von weiteren Museen sowie

176 Vgl. Coupland, Vikings, 197. 177 Jones, Terry: Eric the Viking. Großbritannien/Schweden 1989 (KB Erik the Viking/Prominent Features/Svensk Filmindustri (SF). 178 Aufgrund der begrenzten Seitenanzahl dieser Arbeit können nicht alle Werke genannt werden, die sich mit den Wikingern oder deren Mythologie auf eine belletristische Art und Weise auseinandersetzen. Deshalb sei hier auf die Werke von Björn Sundmark und Heather O’Donoghue als aktuelle Forschungsstände verwiesen: Sundmark, Björn: Wayward Warriors. The Viking Motif in Swedish and English Children‘s Literature. In: Children‘s Literature in Education, 45 (2014), H. 3, 197-210, hier 206; O‘Donoghue, Asgard. 179 Siehe hierzu beispielsweise: Lamaison/Bourdieu, Rules, 112. 180 Vgl. Smed, Karina/Dressler, Stefanie/Have, Patricia: The Vikings Are Here! Experiencing Volunteering at a Viking Heritage Site. In: Scandinavian Journal of Hospitality and Tourism, 16 (2016), H. 1, 94-109, hier 95. 55 touristischen Reiseangeboten mündete.181 Derartige Institutionen haben bisher in den skandinavischen Staaten, überdies in Deutschland (Haithabu Museum) und in England (Jorvik Viking Center) fuß gefasst.182 Der historisierte Tourismussektor verspricht den Besucher*innen eine Zeitreise, die durch geographische Nähe zum ursprünglichen Geschehen zusätzliche Authentizität erhalten soll. Hier sei wiederum an Korffs Einsatz der Weihrauchtheorie erinnert, der eine Vortäuschung historischer Aura durch multisensorische Bespielung der Zuseher*innen besonders im Rahmen von Freilichtmuseen kritisiert.183 Der Hype um die Wikinger ist jedoch kein von der Tourismusbranche oktroyiertes Vergnügen, da die Initiative teilweise von Volontär*innen ausgeht, deren Motivation nicht finanziell Natur ist. Museen stellen beispielsweise die Lokalitäten, in denen Hobby-Seeräuber*innen als Statist*innen fungieren, wo sie ihre erlernten Fertigkeiten anbieten. Es werden bereits Festivals rund um authentische Kleidung, gemeinsames Kämpfen und abendliche Feiern mit Met- Hörnern veranstaltet. Das Internet erhält in diesem Kontext einen verbindenden Charakter. Das Netz wird zwar als Motor von Globalisierung verstanden, stärkt in diesem Fall aber die regionale Identität durch seine Rolle als Vermittler von Informationen und Kontakten. Re- Enactment Gruppen legen einen hohen Wert auf deren digitale Präsenz auf Webpages oder Blogs.184 Anna Økstra erlangte ihren Master der Sozialen Anthropology durch eine Studie mit Teilnehmender Beobachtung in einer derartigen Community und spezialisierte sich auf die Paradoxa zwischen der starken Verwendung moderner Medien sowie dem Wunsch der zeitlichen Reise in die Vergangenheit. Die Studentin erkennt die strukturellen Paradoxa einer multisensorischen Inszenierung von Vergangenheit, obwohl ihre Ethnographie Anzeichen eines Going Native beinhaltet.185 In diesem Kontext stellt Musik einen elementaren Grundstein einer Wiederbelebung einer vermeintlichen Vergangenheit dar. Neben Bands, die traditionelle Lieder fokussieren und versuchen die „alte“ Kunst durch die Verwendung authentischer Instrumente in Verbindung mit alten Texten wieder zum Leben zu erwecken, verbreitete sich das Genre des Viking- oder Pagan Metal in Skandinavien und schließlich auf globaler Ebene. Dabei handelt es sich um eine männliche, von weißer Hautfarbe dominierte Szene, deren Absicht es ist, das Erbe der heidnischen Religion zu reanimieren. Dieses Ziel und die daraus resultierenden ideologischen

181 Vgl. Drews, Ute: Das Wikingerschiff in der Rezeption. In: Jensen, Inken/Wieczorek, Alfried (Hg.): Dino, Zeus und Asterix. Zeitzeuge Archäologie in Werbung, Kunst und Alltag heute. Mannheim/Weißbach 2002, 359-363, hier 496. 182 Vgl. Richards, Julian D.: Die Wikinger. Stuttgart 2011, 184. 183 Vgl. Korff, Kunst des Weihrauchs. 184 Vgl. Ashby, Heathen Hammer, 495. 185 Vgl. Økstra, Anna: Paradoxes of a Modern Viking. A Study of a Living History Museum and Reenactment. Masterarbeit (Social Anthropology), 2016, 76. 56

Implikationen werden allerdings zu großen Teilen durch Selbstironie und ein Bewusstsein um den konstruierenden Charakter der jeweiligen Performanz entschärft. Bands verwenden nichtsdestotrotz Symbole, um eine vergangene Zeit zu evozieren, weiter Authentizität zu suggerieren. Die Mitglieder dieser Community sind streng in ihren Auslegungen dieser materiellen Form von Kultur, indem sie auf Detailtreue bestehen. Als ahistorisch wahrgenommene Utensilien und Texte können zu einer Delegitimierung einer Gruppe oder eines Individuums führen. Martin Deeks nennt dies „Anthropological Curiosities“, die wenig mit tatsächlichem historischem Wissen gemein haben.186 Er sieht diese Selbstinszenierung von Viking Metal in der narrativen Tradition einer romantisierten Historienmalerei des 19. Jahrhunderts und komponierter Werke im Zeichen eines historistischen Nationalismus, wie dies bei Jean Sibelius der Fall war.187 Als daraus resultierende Problematik ergibt sich ein Hang zu rechtem Gedankengut, das durch die Vorstellung einer essenzialisierten, genetischen Abstammung von Wikingern unterstützt wird. Antichristliche Tendenzen solcher Gruppierungen haben laut Behörden auch schon zu Beschädigungen von Kirchen und sakralen Bauten geführt. Als ideologisches Gegenkonzept zu dieser rechtsorientierten Gesinnung formulierten diverse Bands eine transnationale Vikingness. Dieser Zugehörigkeitsbegriff wird nicht durch ethnische Trennlinien begrenzt, sondern benötigt zur Inklusion eines Individuums eine bloße Zuneigung zur Geschichte der Wikinger und zum Wikinger-Sein, wobei eine Interpretation verschiedener Perspektiven dieses Konzeptes zugelassen wird.188

C) 2. c) Ideologische Implikationen

Deeks Einschätzung der europäischen Viking- und Pagan Metal Szene unterstützt die hier getätigte Annahme einer besonderen Anfälligkeit einer Nacherzählung der Wikingerzeit für völkisches Denken. Einzelne Individuen und Kollektive versuchen durch die Rückkehr zur Authentizität ihrer vermeintlichen Vorfahren eine Identität aufzubauen, die ein ontologisches Lebenskonzept verspricht. Die Rückkehr in der Zeit kann sich in ethnischen Ideologien nur anhand der Nachverfolgung von blutabhängigen Abstammungslinien gestalten. Eine Gruppe ehemaliger Einwanderer*innen in Brasilien veranschaulicht diese Form eines kollektiven Selbstverständnisses. Durch eine gemeinsame isländische Herkunft werden eine übergreifende

186 Vgl. Deeks, National Identity, 93. 187 Vgl. Ebd., 58. 188 Vgl. Ebd., 69. 57

Identität und somit ein Zusammenhalt geschaffen, der das soziale Fortbestehen dieser Gruppe sichert. Die Auslebung eines vermeintlichen Erbes der Wikinger unterstützt in diesem Kontext eine alltägliche, rituelle Vergegenwärtigung eines Ursprungsmythos. Dieses Beispiel verweist auf die kulturell-politische Prozesshaftigkeit einer Rezeption der Wikinger, die durch ein mythisches Ausleben weitertradiert wird.189 Obwohl die Kulturwissenschaften vor allem im deutschen Sprachraum von biologischen und genetischen Kulturbegriffen Abstand nehmen, was auf historische Umstände zurückzuführen ist, kommt es außerhalb des Faches weiterhin zu Formulierungen von holistischen Gesellschaften aufgrund von deren Abstammungen. Ein neuer Trend der Ahnenforschung behauptet mit genetischer Mathematik die genauen ethnischen Anteile des Blutes eines Individuums bestimmen zu können. Dabei wird DNA und Chromosomensatz auf ein vermehrtes Vorkommen in einer bestimmten Region zu einem spezifischen Zeitpunkt untersucht, dann auf das einzelne Subjekt zurückgeschlossen. Überlappen sich zum Beispiel der Chromosomensatz eines Engländers des 20. Jahrhunderts und der eines Dänen der Wikingerzeit, so sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass beide eine ethnische Verwandtschaft teilen. Durch diese neue Methode versuchen Wissenschaftler*innen und eigens gegründete Ahnenforschungsfirmen Abstammung determinativ, rational zu bestimmen. Gegen die Anschuldigung eines rassistischen Denkens werden nun Zahlen als Gegenargument eingesetzt. Während Rassismus im Bereich des Politischen verortet wird, sei eine positivistische Genetik im Rahmen einer objektiven Wissenschaft zu sehen. Die Unschärfe dieser Untersuchungen, so der Sozialpsychologe Marc Scully, stellte sich jedoch als massiv heraus und die ideologischen Implikationen seien höchst fragwürdig bis verwerflich. Eine Studie in Nordengland, die auf die Frage abzielte, ob in der entsprechenden Region ein großer Anteil der Bevölkerung von den Wikingern abstamme, führte zu keinem bejahenden Ergebnis. Dafür konnten im Zuge dessen empirische Daten erhoben werden, aus denen auf ein völkisches Denken von Seiten der freiwilligen Proband*innen geschlossen wurde. Diese vermuteten von Wikingern abzustammen, da sie sich als ruppig, stark oder behaart wahrnahmen.190 Der ethnische Identifikationsfaktor von Germanen- wie Wikingermythos stellt sich ergo als ident heraus. Beide Konzepte unterscheiden sich bloß in der jeweiligen historischen Bezugsperson und der Zeit-Raum Koordinaten. Insofern gelten völkische Vorstellungen eines Zusammenhangs zwischen einem biologischen Körper und spezifischen

189 Vgl. Eyþórsdóttir, Eyrún/Loftsdóttir, Kristín: Vikings in Brazil. The Iceland Brazil Association shaping Icelandic heritage. In: International Journal of Heritage Studies, 22 (2016), H. 7, 543-553. 190 Vgl. Scully, Marc: Constructing Masculinity through Genetic Legacies. Family Histories, Y-Chromosomes, and “Viking Identities”. In: Genealogy, 2 (2018), H. 1, 1-17, hier 2. 58

Charaktereigenschaften, zwischen Körperbau und Klima oder zwischen Abstammung und Persönlichkeit als Merkmale eines Germanenmythos, aber auch einer Rezeption der Wikinger. Diese Ideen entstammen nicht nur einem populärwissenschaftlichen Rahmen. So schrieb noch der Linguist und Leiter der Skandinavistik an der Sorbonne der 1990er Jahre gegen die Verwechslung der Wikinger mit den Kelten an. Diese seien klar germanisch gewesen.191 Ein Jargon derartiger Schriften erinnert durchaus an die Äußerungen nationalsozialistischer Historiker, wie etwa Otto Scheel192, und dies immerhin über sechzig Jahre (der Artikel wurde 2011 verfasst) nach dem Fall des NS-Regimes. Dieser Vergleich von Sekundärliteratur zum Germanenmythos und der Wikingerrezeption wies erstaunlich starke Parallelen auf, die in Ideologie sowie mythischen Topoi bis hin zu exakten Überlappungen führten. Beide Erzählungen siedeln sich teilweise im Rahmen eines völkischen Diskurses an, der über die zunächst unscheinbare historische Narration ideologische Implikationen unscharf werden lässt und den Übergang zu solchem Gedankengut dadurch erleichtert. Der Germane wie der Wikinger werden in diesem Kontext zu starken Kriegern des Nordens stilisiert.

C) 3. Der Historienfilm

Der Historienfilm ist ein besonderes Medium, das seine ersten Erfolge bereits beim Aufkommen des Kinos am Ende des 19. Jahrhunderts erzielte. So bezogen sich zahlreiche Produktionen vor dem Ersten Weltkrieg auf geschichtliche Ereignisse und versuchten diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nach einem Einbruch des Interesseses während der beiden Weltkriege konnte das Genre sich kontinuierlich erholen. In den letzten zwanzig Jahren verzeichneten Produzent*innen einen erneuten Boom bezüglich Produktions- und Verkaufszahlen. In diesem Kapitel soll das Medium in seiner strukturellen Form analysiert werden, damit eine anschließend kritische Reflexion erleichtert wird. Es sei darauf verwiesen, dass hier hauptsächlich Gedanken aus der Europäischen Ethnologie und aus namensverwandten Fächern eingesetzt werden, um einen der Disziplin eignen Blick zu erhalten.193

191 Boyer, Régis: Quatre observations indispensables sur le compte des vikings. In: Études Germaniques, 263 (2011), H. 3, 717-731. 192 Scheel, Otto: Die Wikinger Aufbruch des Nordens. Stuttgart 1938. 193 Um einen Einblick in die Ansichten der Geschichtswissenschaft zu geben, verweise ich auf meine Arbeit zur Rezeption der Templer im Historienfilm, die sich fokussiert mit historischen Theorien aufhielt: Csillag, Paul: Cinema lo vult. Die Figur des Templers im Historienfilm. Masterarbeit (Geschichte), Innsbruck 2019. 59

Die Europäische Ethnologie besitzt zwei Herangehensweisen an das Medium Film. Erstens wurden die technischen Möglichkeiten, Menschen in ihren Praxen und ihrem Verhalten bildlich zu dokumentieren, wahrgenommen. Zweitens erkannte man in der Konsumation dieser Bilder ebenfalls eine Praxis, die sich an die jeweiligen kulturellen Gewohnheiten sowie Ansichten des Publikums anpasste. Die Volks- und speziell die Völkerkunde bedienten sich schon früh des Potentials des Kinos. Schon im Jahr 1895 filmte Félix Régnault die Bewohner*innen Madagaskars mit dem Ziel, die gewonnenen Aufnahmen zur öffentlichen Präsentation sowie als persönliches Anschauungsmaterial zu verwenden, das er zur Analyse der Handlungen der von ihm erforschten Bevölkerung nutzen wollte. Große Berühmtheit erlangte der anthropologische Dokumentarfilm allerdings erst mit Robert J. Flahertys „Nanook of the North“194. Flaherty verbrachte einen beachtlichen Zeitraum bei den Inuit und investierte seine Ressourcen in die Produktion des ersten Dokumentarfilmes der Filmgeschichte. Seine Aufnahmen zeigen die vermeintlichen „Eingeborenen“ einerseits als resistente, tüchtige Jäger, andererseits als kindlich, innovativ. Der Film wurde inzwischen einer postkolonialen Kritik unterzogen, da sowohl rassistische als auch selbsterhöhende Kommentare des Regisseurs die Aufnahmen begleiteten.195 Timothy Ash verkörpert den zweiten Höhepunkt einer anthropologischen Filmgeschichte. In Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Anthropologen Napoleon Chagnon setzte er den berühmt gewordenen „Ax Fight“196 der Yanomamö in Szene. In Szene vor allem deshalb, da den beiden Filmemachern vorgeworfen wurde, die als anthropologische Beobachtung stilisierte Begebenheit inszeniert zu haben. Diese und diverse andere Vorwürfe gegen Chagnon und seine Mitarbeiter führten zu einem schlechten Ruf des anthropologischen Filmes am Ende des 20. Jahrhunderts.197 Er wurde als Methode des funktionalen Strukturalismus angesehen, weil es sich dabei um ein Zeigen von Praxen, das parallele Beschreiben sowie Interpretieren des*der Forschenden handelte. Dabei würde wenig Platz für intrinsische Ansichten und „wahre“ Lebensverhältnisse bleiben, denn der Film sei nur fähig einen kurzen, unzureichenden Einblick in die Gesellschaft zu bieten. Fernerhin ließen sich weitergreifende Analysen auf diese Art nicht bewerkstelligen. Generell gaukle das Zeigen „realer“ Bilder ein Gefühl von Authentizität vor, das die

194 Flaherty, Robert J.: Nanook of the North. USA 1922. 195 Vgl. Alia, Valerie/Bull, Simone: Media and Ethnic Minorities. Edinburgh 2005, 35. 196 Asch, Timothy/Chagnon, Napoleon: The Ax Fight. Venezuela 1975. 197 Vgl. Borofsky, Robert: Yanomami. The fierce controversy and what we can learn from it. Berkley/Los Angeles/London 2005. 60

Kulturwissenschaften im Zuge der Postmoderne zu dekonstruieren suchten. Der Film stellte sich als zu anfällig für eine Essentialisierung von Geschehenem und von Kultur heraus.198 Der kolonial-obsolete Blickwinkel der Filmschaffenden verstärkte die ablehnende Haltung des Faches gegenüber dem Medium. Régnault, Flaherty und Chagnon hatten ihre Werke nicht nur als anthropologische, sondern auch als historische Dokumentationen angelegt. Die Darstellung der vermeintlichen Eingeborenen, „savages“ in Chagnons Jargon,199 versinnbildliche eine Reise durch die Zeit, aufgrund der primitiven Entwicklungsstufe der Inuit oder Yanomamö, so die Autoren selbst. Eine Erforschung dieser würde ergo Erkenntnisse über vergangene Epochen der eigenen Geschichte bieten, was das schlussendliche Ziel der Anthropologie sei.200 Aufgrund dieser obsoleten Annahmen in Verbindung mit den bereits erwähnten methodischen Mängel sowie dem sozialdarwinistischen Grundtenor Chagnons und Flahertys Studien wahren Kulturwissenschaftler*innen weiterhin einen vorsichtigen Abstand zum Medium Film. Mehr Anerkennung hingegen fand die Analyse von Filmen als Netz kultureller Bedeutungen und die Observation eines konsumierenden Publikums. Eine intensivierte Beschäftigung konnte allerdings erst mit dem Aufkommen der Filmwissenschaft in den 1970ern, dann in den 1980ern etabliert werden.201 Zuvor hatten Soziolog*innen, wie Marcel Mauss, erste Beobachtungen unternommen.202 Der Filmwissenschaftler Karl Sierek sieht in einer Bearbeitung des Kinos im Sinne der Anthropologie drei Interessensgebiete. Erstens eine Untersuchung des gezeigten Bildes als Aktant in einem Netzwerk, wodurch die Kamera zu einem Werkzeug mutiere, mithilfe dessen der*die Filmschaffende sich verständlich mache und dessen*deren Botschaft an ein breites Publikum übermittle. Zweitens möchte Sierek den sogenannten Homo cinematicus, also den Kinomenschen, beschreiben. Dieser bestehe aus einer dreifaltigen Persönlichkeit, die sich aus dem*der Zuschauer*in, dem Identifikationsobjekt auf der Leinwand und aus dem unter sich interagierenden Kollektiv des Publikums im Kinosaal zusammensetzt. Der Kinosaal gilt hier als Überbegriff eines prinzipiell konsumierenden Rahmens, der sich ebenso im Wohnzimmer oder auf einer YouTube Plattform einfinden kann. Drittens interessiert Sierek die sozio-kulturelle Funktion des Kinos. Das Medium besitzt kreierende, motivierende und zukunftsweisende Fähigkeiten, deren innere Mechanismen im

198 Vgl. Marks, Dan: Ethnography and Ethnographic Film. From Flaherty to Asch and After. In: American Anthropologist, 97 (1995), H. 2, 339-347, hier 339. 199 Eine Ansicht, die der berühmte Anthropologe bis zu seinem Tod 2018 vertrat. Hierzu siehe: Chagnon, Napoleon: Noble Savages. My Life Among Two Dangerous Tribes—The Yanomamö and the Anthropologists. New York 2013. 200 Vgl. Conklin, Beth: Last of the Stone Age Warriors. In: American Anthropologist, 115 (2013), H. 4, 671-674. 201 Vgl. Sierek, Karl: Filmanthropologie. Wiesbaden 2018, 3. 202 Vgl. Mauss, Marcel: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Frankfurt a. M. 1990, 17-18. 61

Zuge einer produktiven Analyse nachvollzogen werden müssen. Diese drei Fokusse sollen in der Analyse die Grundstruktur liefern.203 In den drei genannten Punkten stammt das historische wie anthropologische Kino von Unterhaltungsinstitutionen des 19. Jahrhunderts ab. So boten Wachsfigurenkabinette204 und die Salonmalerei das Eintauchen in ein exotisches Szenario als kommerzielles Abenteuer an. Deren Ziel, ähnlich dem Historienroman, war keine bloße Abbildung der Geschichte, sondern eine stilistische Inszenierung und Emotionalisierung der Ereignisse. Diese Medien kommunizierten auf einer non-kognitiven Ebene direkt mit dem Publikum mit dem Ziel, in diesem einen Impuls zu erzeugen, auf eine bestimmte Art und Weise zu reagieren. Der künstlerische Gegenstand, der als Dispositiv von Diskurs gewertet wird, erhält durch diese Beeinflussung Macht über den menschlichen Akteur. Dieser Vorgang intensivierte sich zunehmend durch das Kino.205 Ähnlich wie in Sybille Krämers Zeugenschaftskonzept muss der Film einen paradoxalen Charakter zwischen Objektivität und Emotionalität annehmen, um Authentizität zu suggerieren. Wie im Kapitel zu diesem Begriff etabliert wurde, verwendet das jeweilige Medium Details und diverse Echtheitsmarkierungen mit dem Zweck eine konstruierte Realität zu erstellen. Andererseits benützt das Genre Emotionalität zur Minimierung der persönlichen Distanz des Publikums zur Leinwand. Ein tief empfundenes Gefühl vermittelt Echtheit und Ergriffenheit, während eine kognitive Reflexion zu Teilnahmslosigkeit aufgrund von Unverständnis beim Zielobjekt führen würde. Eine vermeintliche Rationalität lässt sich in der Beurteilung menschlicher Ereignisse also nur durch Emotionalität erzeugen.206 In dieser Hinsicht sind es Erzählungen, oder eben Mythen, deren Funktion die Umwelt des Menschen erst erfahrbar machen. Sie schaffen Taxonomien von Beurteilungen und emotionalen Zuschreibungen, die ein Subjekt im Alltag handlungsfähig werden lassen. Niklas Luhmann formulierte, dass Gesellschaften sich durch derartige narrative Muster selbst konstituieren. Hierbei steht es nicht in der Macht der Realität, eine Fiktion zu schaffen, sondern die Fiktion wird zur wahrgenommenen Realität. Mythen, in diesem Fall repräsentiert durch den Film als mediale Umsetzung, tasten gesellschaftliche Codes, intrinsisches Wissen und Praktiken auf ihre soziale Allgemeingültigkeit ab. Der Besuch im Kino fungiert ergo als vergesellschaftlichender

203 Vgl. Sierek, Filmanthropologie, 10-11. 204 Vgl. Griffiths, Alison: "We partake, as it were, of his life". The status of the visual in early ethnographic film. In: Fullerton, John (Hg.): Moving Images. From Edison to the webcam. Sydney u. a. 2000, 91-110, hier 4. 205 Vgl. Muhr, Stefanie: Der Effekt des Realen. Die historische Genremalerei des 19. Jahrhunderts. Köln 2006, hier 12 und 421. 206 Vgl. Krämer, Sybille: Zum Paradoxon von Zeugenschaft im Spannungsfeld von Personalität und Depersonalisierung. Ein Kommentar über Authentizität in fünf Thesen. In: Rössner, Michael/Uhl, Heidemarie (Hg.): Renaissance der Authentizität? Über die neue Sehnsucht nach dem Ursprünglichen. Bielefeld 2012, 15-26. 62

Moment, in dem sich das Subjekt in einem kollektiven Ritual einer sozialen Gruppe einordnet. Der Film stellt somit einen sensorischen Ort der Erstellung von Gemeinschaft dar.207 Ähnliche Formulierungen finden sich bei Ludwig Binswanger.208 Das Konsumieren des Mediums entspricht folglich der rhythmischen, traditionalistischen Wiedererzählung des Mythos, die diesem sein temporales Kapital und dadurch seine Gültigkeit verleiht. Durch eine ständige Rezeption bestimmter Narrationen werden diese als real wahrgenommen, wodurch, sollte diese Erzählung von mehreren Menschen gleichzeitig empfangen werden, diese einen allgemeinen Konsens erhalten.209 Der Film teilt als Konsequenz dieser prozessualen Gegebenheiten den Objekten des menschlichen Lebens Bedeutung zu. Dieser Vorgang findet auch ohne cineastische Begleitung statt, dennoch wird eine Mythisierung bestimmter Gegenstände, Ideen oder Personen durch dieses Medium unterstützt. In ähnlicher Weise bemüht sich die Wissenschaft die Lebenswelt des Homo Sapiens und dessen eigene Identität zu erörtern, weil sie ein rationales Weltbild erschaffen möchte. Emotionale neben kognitiven Herangehensweisen zur Erklärung unserer Umgebung gelangen als These gegenüber einer Antithese, um es in der binären Denkweise eines deutschen Idealismus zu formulieren, zu einer endgültigen Synthese. Inwiefern Film und Europäische Ethnologie sich in diesem Unterfangen überlappen, stellt eine Frage dar, die den postmodernen Diskurs um Wahrheit und disziplinäre Grenzen weiterhin beschäftigt. Andrew Abbott erkannte im Fernsehen, fokussiert auf bestimmte Serien wie „The Wire“210, einen Versuch von filmischer Soziologie, einer Beschreibung des Alltags im Sinne der Luhmannschen, cineastischen, sozialen Selbstvergegenwärtigung. Das Kino tendiere jedoch dazu, narrative Lücken durch „fiktive“211 Inspiration zu vervollständigen und das Gezeigte zu emotionalisieren. Außerdem sei diese lyrical sociology mehr auf das Individuum als auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge fokussiert, um die Lebenswelt für das Publikum erfahrbar zu machen.212 Diese qualitative Methodik entspricht eher der Arbeitsweise einer

207 Vgl. Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1997, 867. 208 Vgl. Binswanger, Ludwig: Einführung in die Probleme der allgemeinen Psychologie. Berlin 1922, 171 und 276. 209 Vgl. Koch, Lars: Populärkultur als Selbstbeschreibungsformel. Wie The Wire die Gesellschaft vorstellt. In: Ahrens, Jörn u. a. (Hg.): The Wire. Analysen zur Kulturdiagnostik populärer Medien. Wiesbaden 2014, 21-50, hier 24. 210 The Wire. USA 2002-2008. Blown Deadline Productions/Home Box Office (HBO). 211 Folgt man Adorno, handelt es sich eben bei Fiktion um den autonomen Beitrag des Subjektes. Siehe hierzu: Vgl. Adorno, Gesammelte, 293. 212 Abbott, Andrew: Against Narrative. A Preface to Lyrical Sociology. In: Sociological Theory, 25 (2007), H. 1, 67-99. 63

Europäischen Ethnologie als einer quantitativen Soziologie. So empfiehlt Jörn Ahrens213 im Anschluss an Clifford Geertz214 eine kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit Kunst, da die sinnbildende Determination hier bereits aus der Realität abstrahiert wurde. Dies greift möglicherweise zu kurz, da soeben etabliert wurde, dass künstlerische Tätigkeit aus Konstruktion und Beobachtung bestehen, weshalb es sich bei der Beziehung von Kunst und alltäglicher Lebenswelt um einen reziproken Kreislauf, also eben nicht eine eindimensionale Rezeptionsbewegung handelt. Warum also, obgleich filmische Darstellungen Parallelen zu kulturwissenschaftlichen Ambitionen aufweisen und eine Analyse des Mediums verheißungsvolle Ergebnisse präsentiert, scheut die Europäische Ethnologie vor einer vermehrten Bearbeitung dieser Quelle zurück? Robert J. Gordon sieht darin einen Distanzierungsversuch zum kolonialen Erbe der Disziplin, das mehrere Male durch fragwürdige Filmproduktionen inkarniert wurde. Außerdem wolle man einen Abstand zum alles dokumentierenden Massentourismus wahren.215 Beim Filmregisseur Dennis O’Rourke stößt diese fachliche Aversion auf Frustration. Immerhin sei Film nur eine andere Strategie, Theorie in Verbindung zu Empirie zu vermitteln. Mit Hilfe von Störungen der Authentizität durch eine transparente Kameraführung könne der reflektive Moment von Wissenschaft gewahrt bleiben. Der Unterschied bestehe bloß in der Vermittlung durch Bilder anstelle von Texten.216 Eine Emotionalisierung der europäisch-ethnologischen Ergebnisse würde den Zugang zur Materie und zur Theorie für die breite Öffentlichkeit sogar erst ermöglichen, wodurch fruchtbare Diskussionen zu Stande kämen.217 Der bildende, historische Film weist also Similaritäten zu den Bestrebungen der kulturwissenschaftlichen Disziplinen auf. Der Anspruch auf überlegene Deutungshoheit wissenschaftlicher Instanzen und eine Trennlinie gesellschaftlicher Diskurse wird durch postmoderne Dekonstruktion von Wissen immer mehr in Frage gestellt.218 Kino sei bloß eine andere Herangehensweise. Derartige Behauptungen besitzen ihre Berechtigung, übersehen jedoch den unterschiedlichen Hintergrund in Motivation, fachlicher Ausbildung und

213 Vgl. Ahrens, Jörn: Authentifizierung der Fiktion. The Wire und die Möglichkeit einer Erfahrung von Gesellschaft. In: Ahrens, Jörn u. a. (Hg.): The Wire. Analysen zur Kulturdiagnostik populärer Medien. Wiesbaden 2014, 113-146, hier 121. 214 Vgl. Geertz, Dichte Beschreibung, 21. 215 Vgl. Gordon, Robert J.: The Quest for the Authentic. On the Heroics of African Visual Anthropology. In: Anthropos, 99 (2004), H. 2, 427-434, hier 433. 216 Vgl. Dennis O‘Rourke zit. n. Lutkehaus, Nancy Christine: „Excuse me, everything is not all right“: On Ethnography, Film, and Representation. In: Cultural Anthropology, 4 (1989), H. 4, 422-437, hier 432. 217 Vgl. Holt, Robin/Zundel, Mike: Understanding Management, Trade and Society through Fiction. Lessons from the Wire. In: Academy of Management Review, 39 (2014), H. 4, 576-585, hier 578. 218 Vgl. Stewart, Michael: Linking Film and Anthropology. The State of the Art Film as Ethnography. In: Current Anthropology, 35 (1994), H. 4, 472-474, hier 473. 64

Wissenskultur der schaffenden Subjekte. Dieser wird durch das Beispiel „Vikings“ im folgenden Kapitel veranschaulicht.

C) 4. Vikings – Eine Serie belebt das Genre

Vikings fungiert als ein Indikator der steigenden Beliebtheit des Historienfilms als Genre. Dieses adaptierte die neu etablierten medialen Bedingungen, weshalb es in Folge nicht mehr als Monumentalfilm im Stil der 1950er wie 1960er Jahre, sondern vermehrt als digitale Serie erschien. Vor allem die Produktionsfirmen Netflix und HBO haben erkannt, welches Potential einer Reanimierung des historischen Kinos zugrunde liegt. Historische Serien dieser Firmen weisen ähnelnde Schemata auf, weil sie nach einer folienhaften Struktur funktionieren. Die zeitliche und räumliche Verortung gilt eher der Etablierung eines exotischen Settings als einer tatsächlichen Wiederherstellung von Vergangenheit, denn es handelt sich um eine bloße Fusion eines gleichbleibenden Handlungsstrangs mit wechselnden kostümbildnerischen Welten. Dies widerspricht der proklamierten geschichtlichen Authentizität der gezeigten Bilder, obwohl dieses Konzept zur Vermarktung herangezogen wird.219 Eine derartige Strategie wird auch im Fall von „Vikings“ ersichtlich, da sie von dem bereits in diesem Genre erfahrenen Produzenten Michel Hirst in Szene gesetzt wurde. Hirst hatte zuvor mit der Show „The Tudors“220, die in einem spätmittelalterlichen Zeitraum spielt, Erfolge gefeiert. Nach deren Vorbild legte er das Konzept einer historisierten „Telenovela“ mit einer Mischung aus Intrigen, Sexualität und Gewalt auf die Wikingerzeit um. Mit einer sechsten Staffel soll die Serie voraussichtlich enden, da Zuschauerzahlen nach der ersten Hälfte der Show abnahmen. Als Drehorte wurden kanadische oder irische Naturlandschaften durch multiple Kameraeinstellung als ikonisch dargestellt. Sie sollen den hohen Norden Skandinaviens repräsentieren, zeigen allerdings keine tatsächlich skandinavischen Gegenden.221 Die Schauspieler*innen wurden international gewählt, wobei diese in den meisten Fällen aus anglophonen und nordischen Staaten stammen.222

219 Vgl. Kiening, Christian: Mittelalter im Film. In: Kiening, Christian/Adolf, Heinrich (Hg.): Mittelalter im Film. Berlin 2006, 3-104, hier 4. 220 The Tudors. Irland u. a. 2007-2010. Peace Arch Entertainment Group u. a. 221 Vikings. Filming and Production. Online unter: https://www.imdb.com/title/tt2306299/locations?ref_=tt_dt_dt (Stand: 9.3.2020). 222 Vikings. Full Cast and Crew. Online unter: https://www.imdb.com/title/tt2306299/fullcredits?ref_=tt_cl_sm#cast (Stand: 9.3.2020). 65

Eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse soll dazu dienen, dem*der Leser*in ein besseres Verständnis der im Anschluss stattfindenden Analyse zu ermöglichen. In einer ersten Staffel begegnet das Publikum dem norwegischen Bauern Ragnar, der unter der Herrschaft von Jarl Haraldson auf Raubzüge fährt und in Friedenszeiten sein Gut verwaltet. Zur Seite steht ihm sein Bruder Rolle, sich durch sowohl seine körperliche Größe als auch seine Kampfeswut auszeichnend. Ragnars Frau Lagertha, deren Sohn Björn sowie Tochter Gyda bilden den Rest der Familie. Gegen den Willen des Jarls benützt Ragnar schließlich die Schiffsbaukunst des verrückt anmutenden Flokis, um mit der Absicht nach England zu segeln, das Kloster Lindisfarne zu überfallen. Dabei nimmt er den Mönch Athelstan als Sklaven und erlernt durch diesen die altenglische Sprache. Zurück in Norwegen muss er sich gegen die alte Autorität durchsetzen und steigt nach einer gewaltvollen Auseinandersetzung mit Haraldson zum neuen Herren auf. Somit gerät er in die höheren politischen Intrigen zwischen den einzelnen Herrschern, die die Wikinger entzweien.223 In der zweiten Staffel kann Ragnar siegreich aus diesen Wirren hervorgehen und erhält den Titel eines Königs. Er nimmt sich Aslaug als neue Gemahlin, woraufhin ihm diese mehrere Söhne gebärt. In England treffen die Wikinger auf das Königreich Wessex unter dem machiavellistischen und liberalen König Ecbert mit der Absicht, die Kampfeskraft der nordischen Räuber für seine Zwecke zu nutzen. In der dritten Staffel wird der Fokus der skandinavischen Schauplätze sowie der britischen Inseln mit dem Frankenreich geteilt, um die sagenhafte Plünderung von Paris in Szene zu setzen. Nach diesem erfolgreichen Unterfangen bleibt Ragnars Bruder Rollo zurück und wird zum ersten Fürsten der Normandie. In der darauffolgenden vierten Staffel intendiert Ragnar ein weiteres Mal Paris einzunehmen, unterliegt aber seinem Bruder, der zum Feind übergelaufen war. Als alter Mann beschließt der Wikinger König nach England zu fahren und lässt sich dort wissentlich gefangen nehmen. König Aelle von Northumbria tötet Ragnar anschließend, indem er ihn in eine Schlangengrube fallen lässt. Ragnar hatte dies jedoch geplant, um durch seinen Märtyrertod seine Söhne mit einem riesigen Wikingerheer im Gefolge zu einem Rachefeldzug zu bewegen. Die letzten beiden Staffeln befassen sich nicht mit den Abenteuern Ragnars, sondern fokussieren die Biografien seiner Söhne. Diese kämpfen bald um den Königstitel, was wiederum zahlreiche Intrigen, Affären und Schlachten involviert. England wird nun unter der

223 Vikings. Kanada/Irland 2013-2020. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment. 66

Herrschaft Alfreds des Großen gezeigt, während die Kiewer Rus unter dem berühmten Oleg eine Partizipation in der Handlung erhalten.224 Die Serie greift zahlreiche Topoi eines gegenwärtigen Diskurses auf, die sich aus den kulturellen und politischen Medien des Alltags speisen.225 Als Beispiel sei die starke Betonung des Wanderungs- und Reisenarratives angeführt. Die ständigen Ortswechsel in der Serie, aus der regen expansiven Tätigkeit der einzelnen Akteure resultierend, geben Anlass zu einer Darstellung von sozialen und psychischen Prozessen von Migration in Vereinigung mit Fremdheitserfahrungen. Dieser Topos stellt sich als normativ für Erzählungen der Wikingerzeit, aber auch für Mythen der germanischen Völkerwanderung heraus.226 Darin spiegelt sich der Versuch einer Bewältigung (post)moderner Problematiken hinsichtlich dieser Themen. Der tatsächliche Wert derartiger Beiträge zum Diskurs um Ideologien, Gesellschaftsordnungen und Identität(en) wird in Online-Foren, wie YouTube, rege ausverhandelt.

D. Ergebnisse – Zwischen Genres, Praxen und Bedeutungen

Unter diesem Titel sollen die endgültigen Ergebnisse der Datenerhebungen präsentiert werden. Die Präsentation der Resultate geschieht in der Form einer dreiteiligen Taxonomie. Erstens werden die verschiedenen Genres der auf YouTube gezeigten Videos geordnet, wobei diese direkt Material aus der Serie „Vikings“ entnommen haben oder sich auf dieses beziehen. Zweitens werden die Praxen von Reaktionen in der Comment Section auf deren sozialen Motivationen abgetastet. In einem letzten, dritten Punkt findet schließlich die Herausarbeitung von Identitäts- und Authentizitätskonzepten statt, die sich von den Kommentaren ablesen lassen.

D) 1. Genres – YouTubes Darstellungsfacetten

Bei einer Untersuchung der in Bezug auf „Vikings“ geposteten Beiträge ließen sich sechs verschiedene Gruppierungen unter den ersten 25 Videos ausmachen. Bemerkenswerter Weise

224 Vikings. 225 Vgl. Donstrup, Mayte: Vikings. Poder e identidades culturales en la serie de History Channel. In: Revista de Comunicación, 17 (2018), H. 1, 58-73, hier 59. 226 Vgl. Wiedemann, Felix/Hofmann, Kerstin P./Gehrke, Hans-Joachim: Wanderungsnarrative. Zur Verknüpfung von Raum und Identität in Migrationserzählungen. In: Wiedemann, Felix/Hofmann, Kerstin P./Gehrke, Hans- Joachim (Hg.): Vom Wandern der Völker. Migrationserzählungen in den Altertumswissenschaften. Berlin 2017, 9-40, hier 12-13. 67 rangiert das Genre der Musikvideos mit neuen Beiträgen hinsichtlich des quantitativen Vorkommens auf Platz Eins. Dabei handelt es sich um Produktionen, die entweder Musikstücke aus der Serie zur Untermalung ihrer Szenarien verwenden oder um eigenständige Produktionen, deren visueller Hintergrund durch Ausschnitte aus „Vikings“ gefüllt wird. An zweiter Stelle befindet sich die Übernahme von Szenen aus der Show. Diese erfuhren dabei weder Bearbeitung noch eine sonstige Schaffung von künstlerischem Mehrwert seitens der User*innen. Bei den Bildern handelt es sich um als berührende oder als gut gelungen geltende Momente der Handlung. Drittens fanden sich jeweils vier Montage Filme und vier Trailer unter den ersten 25 aufscheinenden Beiträgen. In der Montage entwickelten YouTube Mitglieder ein eigenes Konzept, in dem sie Bild- und Tonmaterial der Serie verwendeten. Dieses wurde mit anderen medialen Elementen gemischt, oder in einer diversifizierten Abfolge gezeigt, damit man intensivierte oder geänderte Effekte erhielt. Ähnlich verhält es sich mit den Trailern. Sie wurden gestaltet, meistens von der Produktionsfirma selbst, um das Werk einer möglichen Zuschauerschaft schmackhaft zu machen und den kulturellen Mehrwert als äußerst hoch darzustellen. Zwei Videos beschäftigen sich mit den Schauspieler*innen hinter den Charakteren der Serie und wurden folglich mit Reality als Genrebezeichnung betitelt. Ein Video widmet sich der historischen Aufklärung der vermeintlichen Tatsachen hinter der Handlung von „Vikings“.

D) 1. a) Soundtrack

Musikvideos benützen einerseits den Soundtrack der Serie, andererseits setzen sie neue Klangstücke ein. Die Namen der Lieder spielen dabei stets auf Topoi der nordischen Mythologie an. So heißen diese „Völuspá“227, benannt nach dem ersten von 16 Götterliedern oder „Fehu“228, eine Bezeichnung für das erste Symbol des Runenalphabets. Die Stimmung wirkt teilweise energetisch und kampfestreibend, wie bei „The Path to Valhalla“229, was durch den schnellen Rhythmus, aber auch durch den Einsatz von Kampfesszenen der Serie bewirkt wird. Die Musik möchte jedenfalls als authentische Wikingermusik wahrgenommen werden, da vermeintlich traditionelle Musikinstrumente eingesetzt werden. Besonders die Band Wardruna bezeugt ein Interesse an der konstruierten Wiederbelebung der tot geglaubten

227 Francisco, Wardruna. 228 Scabbia, Natalie: Vikings – FeHu. (Web: YouTube, 2014). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=GChi6MVAe6Q (Stand: 5.1.2020). 229 Zergananda, Viking song. 68

„heidnischen“ Musik. Sie führten Forschungen mit dem Ziel eines optimierten Authentizitätsgefühls durch und verwenden nur Instrumente, die aus damals erhältlichen Naturalien bestehen.230 Die Selbstinszenierung wird mit Verweisen auf die Serie „Vikings“ gestaltet, indem die Interpret*innen „Vikings“ im Titel unterbringen, Szenen aus der Serie als Musikvideo unterlegen oder den Soundtrack der Show neu vertonen. Die Kompositionen benützten die mythische Handlung der Serie, um ihr recht kurzes Stück mit Historizität und unterschwelliger Bedeutung aufzuladen. Die Serie selbst verwendet Musik mit dem Ziel, die Emotionalität der Zuschauer*innen anzusprechen. Zahlreiche Interpret*innen verweisen auf die immense Beliebtheit der Serie, da sie das eigene Talent publik machen wollen. In den Beschreibungen der Videos bieten sie ihre Dienste interessierten Fans an, indem sie andere Musikstücke auflisten, die von Interesse sein könnten. Außerdem besuchen Interpret*innen, wie zum Beispiel Natalie Scabbia,231 die Beiträge anderer Künstler*innen, um diese zu unterstützten, oder die eigenen Stücke zu vermarkten. YouTube wird somit zur Drehscheibe der Propagierung (un)bekannter Interpret*innen. Ein starker digitaler Auftritt verspricht höhere Verkaufszahlen, weshalb sich „Vikings“ und die darauf anspielenden Musikvideos in einer intermedialen Verlinkung gegenseitig unterstützen. Durch YouTube können Künstler*innen eines bestimmten Genres ein Netzwerk aufbauen, das kulturelles wie ökonomisches Wachstum der Gruppe sichert. Authentizität dient dabei zur Generierung kulturellen und daraus resultierendem ökonomischen Kapitals. Musik wird nicht nur als Klangbrücke in die Welt eines Filmes benützt,232 sondern auch als Teleportation in eine imaginierte Vergangenheit, in der sich der*die Konsument*in mit seiner*ihrer persönlichen Identität wohler fühlt. YouTube User*innen loben zum Großteil die Musik in Zusammenhang mit der Show. An zweiter Stelle stehen sognannte Kampfesrufe als emotionale Bekundungen. Dabei handelt es sich meistens um unterschiedliche Kombinationen von Skol („Skol, to all the Vikings and Wardruna fans out there!“233) oder um die Verehrung bestimmter Charaktere sowie Götter („SKÅL !!! ODIN. HAIL KING RAGNAR“234). Die Verwendung von Großbuchstaben dient in diesem Fall zur Untermauerung des emotionalen Tenors der Aussage und veranschaulicht die sprachliche Form des Rufens. Das jeweilige Subjekt benützt die Musik, um einen

230 Vgl. Deeks, National Identity, 86. 231 Scabbia. In: VioDance: Vikings Soundtrack (If I Had A Heart) Hardanger Violin Cover by VioDance. (Web: YouTube, o. D.). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=5rQdSRdH-EA (Stand: 5.1.2020). 232 Vgl. Schellong, Marcel: Klangbrücken. Überlegungen zur entrealisierenden und vermittelnden Funktion von Musik. In: Sponsel, Daniel (Hg.): Der schöne Schein des Wirklichen. Zur Authentizität im Film. Konstanz 2007, 133-146, hier 145. 233 AnneXFusion. In: Francisco, Wardruna. 234 M Victor. In: Francisco, Wardruna. 69

Statuswechsel des als alltäglich und langweilig wahrgenommenen Ichs zum abenteuerlichen Wikinger vorzunehmen. Musik besitzt deshalb einen rituellen Kontext, der einen spielerischen, performativen Identitätstransfer bewirkt. Das Ich bewegt sich von einer als sinnlos stilisierten Gegenwart in eine als bedeutend empfundene Vergangenheit. So findet sich in den Kommentaren zu Musikvideos ein erhöhtes Aufkommen der Sprachpraxis, die man als Viking Joke betiteln könnte. In derartigen Witzen erhöht sich das Maß an Vikingness und gegebenenfalls die Männlichkeit des*r Hörenden durch die Konsumation von Musik. Die Katze würde sich durch ein bestimmtes Lied in einen Tiger verwandeln, die Muskeln anschwellen, die Nachbarn zum Feldzug aufbrechen oder der eigene Bart sprunghaft wachsen. In diesem Kontext äußert smokey417 „I think my beard just grew another beard after this! Awsome“235 sowie filthyBill 18 „I was just going to the toothdoctor like other normies. But Now im going to sacrifice my sins for Odin”236. Einzelne Kommentare erwähnen ebenfalls routinierte Tätigkeiten, während deren die Musik konsumiert wird. Dabei handelt es sich um alltägliche Etappen, in denen besondere Motivation benötigt wird, wie etwa während dem körperlichen Training, dem Schreiben einer Hausarbeit oder Handlungen des Haushalts, wie dem Bügeln von Wäsche oder dem Putzen einer Wohnung. In diesen Momenten verleihen emotionalisierende Töne einfachen Aufgaben eine gewisse Sinnhaftigkeit, wodurch sie eine dazu befähigende Motivation erhöhen. Robert Hofsiss benützt das Lied „The Path to Valhalla“ als Begleitmusik zum Training: “this is my work out song”237, während Viktória_ Ewere das Musikstück kreativ in einer Schulaufführung verwendete „ We used this at our school show (there were themes and we got vikings) and I started to listen to it. I like it ”238. Im Bereich der Musikvideos fallen also kommerzielle Interessen der Urheber*innen mit dem Wunsch der Konsument*innen nach alltäglichen Abenteuern zusammen. Die Anzahl dieser Beiträge sowie der Aufrufe im Netz erhöht sich durch diese doppelte Motivation exponentiell. Die Aufrufzahl dieser Soundtrack Videos beträgt zwischen zwölf und einer Million, was eine hohe Beliebtheit aufweist. In diesem Genre teilt sich „Vikings“ die Aufmerksamkeit mit der Musik, was auf die innere Verbindung dieser Medien hinweist. In der Mythisierung der Germanen spielte Musik eine ebenfalls elementare Rolle. Hervorzuheben sind hier die Werke Richard Wagners, die sich weiterhin großer Beliebtheit erfreuen, wodurch sie die Idee des barbarischen Helden ins 21. Jahrhundert überführen, wie

235 Smokey417. In: Francisco, Wardruna. 236 filthyBill 18. In: Zergananda, Vikings Song. 237 Robert Hofsiss. In: Zergananda, Vikings Song. 238 Viktória_ Ewere. In: Zergananda, Vikings Song. 70 dies durch „Vikings“ und die damit verbundenen Musikstücke geschieht. Ob es angemessen ist, Wagners Musik fortlaufend auf der Bühne aufzuführen, wird in intellektuellen Kreisen rege diskutiert, da eine Verbindung zu Germanenmythos und dessen fragwürdigen ideologischen Implikationen klarer aufscheint, als dies im Fall von „Vikings“ der Fall wäre.239

D) 1. b) Filmszenen

Bei dieser Kategorie handelt es sich um die direkte Übernahme von Szenen aus der Serie „Vikings“. Dabei wurden Ausschnitte gewählt, die einen besonderen Reiz ausüben. Bei den fünf beliebtesten dieser Momente wurden vor allem Sexualität und das Gefühl einer heroischen Epik visualisiert. In der beliebtesten Szene der Serie „Vikings“ auf YouTube kommt es zur Hochzeitsnacht zwischen dem großgewachsenen Wikinger Rollo mit seiner neuen französischen Gattin, der Tochter des fränkischen Königs. Sie wurde offensichtlich gegen ihren Willen verheiratet und wehrt sich mit einem Messer gegen den vermeintlichen Vergewaltiger, doch dieser bevorzugt sich schlafen zu legen. Neben diesen noch recht nüchtern erscheinenden Beschreibungen lassen sich darüber hinaus moralische Bewertungen unter den Kommentaren finden. So erhält Rollo durchgängiges Lob für sein Verhalten gegenüber seiner neuen Gattin, sprich für seinen Verzicht auf das Recht des Beischlafs. Giselas Charakter hingegen löst eine rege Diskussion in der Comment Section aus, in der einerseits misogyne Bemerkungen das irrationale Benehmen dieser und anderer Frauen proklamieren, während andere Meinungen versuchen, die Handlung der Königstochter zu erklären. Die Auslegung einer Szene kann insofern ideologische, Weltbild implizierende Aussagen hervorrufen, die auf die historische Rezeption rückschließen lassen.240 In der zweiten Szene wird die angelsächsische Prinzessin Judith gefoltert. So befremdlich es auf den ersten Blick scheinen mag, dass sich eine derartig gewalttätige Szene unter den populärsten Videobeiträgen findet, so wird dies in der Comment Section nicht als Kuriosum wahrgenommen. In den Äußerungen werden einerseits trauriges Mitgefühl, andererseits Witze als Umgang mit der Szene erkennbar. Des Weiteren erhält die Schauspielerin allgemeines Lob, da sie der Handlung erst ihre emotionale Kraft gegeben habe.241

239 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 72-73. 240 severan1000: Rolo and Gisla weding night VIKINGS. (Web: YouTube, 2016). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=69b2EMXaygQ&t=10s (Stand: 5.1.2020). 241 Vikings: Judith is Tortured (Season 3, Episode 6) | History. (Web: YouTube, 2015). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=F6hFGFf-yPc (Stand: 5.1.2020). 71

Große Aufrufzahlen erhalten Szenen, die eine Wendung des Plots bewirkten, oder durch die gewisse Charaktere eine heroische Aura verliehen bekamen. So kehrt zuerst Ragnar in seine Heimatstadt Kattegat zurück und konfrontiert seine Söhne, 242 dann stirbt er in Aelles Schlangengrube, woraufhin Odin den verschiedenen Nachkommen die Nachricht seines Todes übermittelt.243 In der letzten der drei Szenen erscheint die große Wikingerarmee in Northumbria und übt Rache an König Aelle.244 Der Fokus der Fans liegt daraus schließend auf dem Wendepunkt der Geschichte in der vierten Staffel, in dem das Publikum zum Abschied von Ragnar, dem bisherigen Hauptcharakter, gezwungen wird. Aufgrund der gefühlt gemeinsam durchlebten Zeit, die sich immerhin auf vierzig Stunden beläuft, hegt die Zuschauerschaft eine intensivierte emotionale Verbindung zum Hauptcharakter. Deshalb erhält dessen Abgang Bekundungen von Trauer, als würde es sich um einen realen Menschen handeln. Hierzu meint schizm1: „Ragnar is freaking badass. No Ragrar = no Vikings for me.”245, wobei Late Registration noch Hoffnungen zeigte, als das Ableben des Königs noch nicht feststand: “I really hope they don't kill Ragnar, I'm sure they will but hes one of the best characters in TV history and the show wont be the same without him.”246 Überdies fördert der als ehrenvoll gewertete Tod Äußerungen von Bewunderung und Gänsehaut, besonders in Kombination mit der göttlichen Erscheinung von Odin: „That depiction of Odin...gave me such chills. I don't feel worthy of witnessing it, yet here it is in it's entire awesomeness.”247 Die starke emotionale Gegenreaktion auf das Ableben des Wikingerkönigs zeugt vom tragischen Charakter des Plots von „Vikings“, der bereits in Richard Fleischers Verfilmung von 1958 zur Geltung kam.248 Ragnar beginnt seine Karriere als kleiner Bauer, gelangt folglich zum Zenit weltlicher Macht, bevor er als verbitterter, alter Mann stirbt. Die Fans durchleben diese Biografie an seiner Seite, weshalb ein finaler Tod auf die eigene Identität bezogen wird. Auffallend bezüglich der Urheberschaft der Videos ist, dass diese entweder durch den History Channel selbst oder durch ein YouTube Mitglied mit dem Namen Vikinger gepostet wurden, der sich darauf spezialisierte, Videos mit „Vikings“ Assoziationen zu veröffentlichen. Abermals verbindet sich die Tätigkeit auf der Plattform mit kommerziellem Interesse. So stellt

242 HISTORY: Vikings: Ragnar Returns to Kattegat (Season 4, Episode 10) | History. (Web: YouTube, 2016). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=T4oluLrYczo&t=3s (Stand: 5.1.2020). 243 Vikinger: Vikings - Odin Visits Ragnar's Sons [Season 4B Official Scene] (4x16) [HD]. (Web: YouTube, 2017). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=wqOukX1roHQ (Stand: 5.1.2020). 244 Vikinger: Vikings - The Great Heathen Army Attacks King Aelle's Army [Season 4B Official Scene] (4x18) [HD]. (Web: YouTube, 2017). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=C9QwcOwhbGM (Stand: 5.1.2020). 245 schizm1. In: HISTORY, Vikings: Ragnar Returns. 246 Late Registration. In: HISTORY, Vikings: Ragnar Returns. 247 Mia Fillene. In: Vikinger, Vikings – Odin. 248 Fleischer, Richard: The Vikings. USA 1958 (Brynaprod S.A./Bavaria Film/Curtleigh Productions). 72 das Posten bestimmter Szenen nicht nur einen Dienst für die Konsument*innen dar, sondern soll zu erhöhten Einschaltquoten führen. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass Szenen gewählt wurden, die sich durch maximale Attraktivität auszeichnen. Die Kommentator*innen konsumieren die Beiträge jedoch durchaus als Teil ihrer Freizeit. Sie möchten diese bestimmten Momente der Serie immer und immer wieder durchleben, da sie dadurch ein spezifisches Gefühl innerer Ergriffenheit und Sinnhaftigkeit erlangen. Neben zahlreichen Äußerungen einer bestimmten persönlichen Emotionalität finden sich weitere Deutungen des Szeneninhaltes. So werden die Gesichtsausdrücke der einzelnen Charaktere analysiert und psychologisch erklärt. Man diskutiert die Frustration in den Augen Giselas, der fränkischen Prinzessin, oder die Angst in König Aelles Blick, als er die Wikingerarmee heranmarschieren sieht. Des Weiteren werden Kriegstaktik, historische Wahrscheinlichkeit und Plausibilität der Handlung kontempliert. Lost in thoughts kritisiert zum Beispiel die Tatsache, dass Ivars Kriegswagen bei der Schlacht gegen die Sachsen wohl Schwierigkeiten gehabt hätte, über das ungünstigste Terrain zu fahren: „I wonder how well that chariot runs on that uneven terrain lol“249. Filmische Darstellungen werden, wenngleich nicht explizit, als Garanten von Wahrheit verstanden, solange sie sich ohne Irritationen in die mythischen Vorstellungen des jeweiligen Subjekts einbauen lassen. Ansonsten werden diese als unrealistisch, anachronistisch oder dilettantisch produziert diffamiert. Dazu gehört das Hervorheben, aus welchen Kausalitäten sich die Wichtigkeit des jeweiligen historischen Moments speist. Fans der Serie betonen in den Kommentaren, warum die Handlungen Ragnars emotional und allgemein als bedeutend zu betrachten sind. Dabei werden zuerst Verbindungen zu vergangenen Ereignissen in der Serie, dann zu nachfolgenden Begebenheiten der Zukunft gezogen, woraus sich die Form einer Meistererzählung ergibt. Dies weist Parallelen zum Vorgehen in einer Geschichtswissenschaft auf, in der mittelalterliche Herrscher*innen posthum in den Dienst der Nation, eines europäischen Staatenbundes, des Klimaschutzes oder sonstiger ideologischer Gründe gestellt werden. Der Germanenmythos ist ebenfalls in diesem Kontext zu sehen, da er proklamierte Helden, wie Hermann/Arminius, als Gründer einer Nation und Verteidiger der Freiheit stilisierte, obwohl diese Narration der Retroperspektive wohl wenig mit den historischen Begebenheiten gemein haben dürfte. Die Formulierungen Benjamins, im Kino hätte das Kunstwerk seine Aura verloren, sind ergo zu bestreiten.250 Wenn auch die kritische Betrachtung eines Gemäldes eine andere Form der

249 Lost in thoughts. In: Vikinger, Vikings – The Great Heathen Army. 250 Vgl. Benjamin, Kunstwerk, 479. 73

Interpretation als die Analyse eines Filmes annimmt, werden doch beide reflexiven Überlegungen seitens des Publikums unterzogen. Durch das Exzerpieren, das repetierte Schauen sowie die Wahrnehmung von Emotionalität erhält die Szene eine sakrale Aura. Sie wandelt sich von einem bloßen Geschehen auf der Leinwand zu einer mythischen Erzählung, deren Exegese tiefere Wahrheiten beinhaltet. Das Schauen von Szenen kommt der Inszenierung eines Rituals gleich, das den Menschen in einer mit Bedeutung versehenen Umwelt verankert. Die Fans von „Vikings“ treten ergo durchaus in die Fußstapfen von Theoretiker*innen wie Adorno,251 wenn sie sich auf diese Suche nach dem Erhabenen begeben.

D) 1. c) Montagevideos

Mit Hilfe der Montage können die emotionalen Effekte von Szenen auf das Publikum gesteigert werden. Dieses Genre bedient sich ähnlicher Sujets wie die zuvor besprochene Kategorie der „Szenen“. Das beliebteste Montage Video mit 11.228.158 Aufrufen (Stand 5.1.2020) zeigt abermals die Folterungsszene einer fränkischen Adelsdame durch den Grafen Odo, hinterlegt diese allerdings mit den Sprechtexten und dem Soundtrack des Trailers zu „Fifty Shades of Grey“252, einem Film, der bekannterweise sadomasochistische Sexualität thematisiert.253 Die Verlinkung der beiden Narrative, die vorerst aufgrund des unterschiedlichen Settings und der Personenkonstellation wenig gemeinsam haben, weist unterschwellige Parallelen auf. Dies veranschaulicht, dass es sich bei der Erzählung mittelalterlicher Ereignisse um einen bloß aufgesetzten exotisierenden Rahmen handelt. Die Kommentare reagieren deshalb vor allem mit Humor und Witzen auf eine derartig verspielte Dekonstruktion von Authentizität. Als zweite mögliche Reaktion wird das Ausmaß eines sexuellen Fetischs erhöht, wobei in diesem Fall vor allem nach dem Namen der Schauspielerin gefragt wird („chi è quest'attrice bellissima!“254), aber auch der sadomasochistische Tenor wird diskutiert („This is wild. But fun.“255). Eine dritte Partei übt Kritik an der Montage, da diese unangebracht, pervers oder schlecht fabriziert sei,

251 Vgl. Adorno, Gesammelte, 293. 252 Taylor-Johnson, Sam: Fifty Shades of Grey. USA 2015 (Focus Features/Michael De Luca Productions/Trigger Street Productions). 253 leve: Fifty Shades Of Vikings. (Web: YouTube, 2015). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=Mh_ff_e2E3Y (Stand: 5.1.2020). 254 Stefalox. In: leve, Fifty Shades. 255 Philipp Mann. In: leve, Fifty Shades. 74 wodurch ein Verlust von Authentizität entsteht: („Perverse.“256 This was such an awkward scene “257 „What woman in the tenth century shaved her armpits?”258). Die anderen Montagen befassten sich mit der Stilisierung einzelner Charaktere, vorwiegend von Ragnar und seiner ersten Frau Lagertha, die dem weiblichen Publikum als Identifikationsfigur dienen soll. Die emotionale Zuwendung zu den Protagonist*innen wurde durch biografisch anmutende Zusammenschnitte intensiviert. Dabei werden vor allem die Eckpunkte des jeweiligen Lebens eingesetzt und mit einer passenden Musik hinterlegt. Besonders ansprechende Dialoge werden entsprechend in Szene gesetzt. Die User*innen zitieren populäre Sätze in den Kommentaren, worunter sich Äußerungen von gefühlsbetonten Aussagen, wie Ragnars Vorwurf an seinen Bruder Rollo: „When all wanted you dead, I kept you alive.“259 oder philosophisch, ideologische Weisheiten finden lassen, wie "Power is always dangerous. It attracts the worst and corrupts the best. I have never asked for power. Power is only given for those who are prepare to lower themselves to pick it up".260 Derartige Aussagen entwickeln sich in der Comment Section zu Lemmata, die mehrmals repetiert werden, wodurch sie rituelle Festigkeit erlangen. Ragnar und Lagertha, wenn letztere in Beliebtheit auch mit eindeutigem Abstand zurückliegt, erhalten die Aura von nach Max Weber formulierten Charismatischen Persönlichkeiten,261 denen eine gewisse Heilands Funktion zukommt. Es stellt dabei kein Problem dar, dass es sich hierbei um fiktive Figuren handelt. Vielmehr lassen sich diese besser idealisieren, da deren durchaus etablierten Schattenseiten keine realen Auswirkungen nach sich ziehen. Außerdem erhalten diese durch den biografischen Tenor der Montage ein ontologisches Lebenskonzept, das abgeschlossen sowie einheitlich wirkt, womit es Authentizität produziert. Gleichwohl Ragnar etwa verschiedene Rollen und Eigenschaften in sich bündelt, wird er als Entität wahrgenommen. Der Held als Signifikant kann eine Vielzahl sich widersprechender Signifikate personifizieren, was in einem mythischen Weltbild kein Paradoxon darstellt. Trotz multipler Facetten einer Figur wirkt diese als schicksalhaft bedeutend, sprich authentisch. Diese Merkmale betreffen nicht nur nordische Held*innen, wie Ragnar oder Lagertha, denn auch heroische Germanen wurden in dieser Art und Weise inszeniert. Wagners Ringzyklus oder die verschiedenen Romane zu Arminius fungieren in ähnlicher, fiktiv-biografischer Manier,

256 Ritergood. In: leve, Fifty Shades. 257 Will Shickle. In: leve, Fifty Shades. 258 James Thorson. In: leve, Fifty Shades. 259 Zurik 23M: (Vikings) Ragnar Lothbrok || The Choice. (Web: YouTube, 2016). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=MLJyFzdQfK8&t=141s (Stand: 5.1.2020). 260 Raul raul. In: Zurik, Ragnar. 261 Siehe hierzu: Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. 2, hg. v. Winkelmann, Johannes. Köln/Berlin 1964. 75 wie die hier gezeigten Montagevideos, die eine zusätzliche sinnhafte Aufladung von einzelnen Akteuren bewirken. Das Leben der jeweiligen Person wird dabei im selben Maße zum emotionalen Mythos wie zum konnotierten Schlagwort in einem Diskurs um soziale Ordnungen, Geschichtsbilder und schlussendlich den Begriff Kultur.

D) 1. d) Trailer

Das Medium des Trailers erreicht eine Intensivierung von Gefühlen durch eine beschleunigte Abfolge von Bildern mit Aufnahmen von geliebten Personen, Gewaltszenen und als bedeutend empfundenen Zitaten. In diesem Zusammenhang sind es speziell Konzerne der Unterhaltungsbranche, die Beiträge auf YouTube veröffentlichen. Die Grenze zum Fernsehen wurde ergo nicht gänzlich überwunden, da sich die ursprünglichen Firmen als flexibel in ihrer Marketingstrategie beweisen. Durch die Verwendung der Plattform gestalten sie ihre Werbung konstant zugänglich und geben ihr den Anschein freiwilliger Konsumation. Würde das Publikum zum Schauen des Trailers gezwungen werden, würde es die machtvoll aufgezwungene Botschaft ablehnen. In dem geänderten Kontext wird das Image indes produktiv verbessert. Bei Kommentaren zur persönlichen Rezeption des Gesehenen wird das Schlagwort Epic benützt. Dies umfasst alle emotionalen und sinnstiftenden Implikationen von monumentalen sowie heroischen Produktionen, demnach es zu einem Symbol im kulturellen Netz wurde. Verlangt ein anderes Individuum zu wissen, welche Gründe zu der Konsumation einer Serie bewogen haben, würde Epic als Erklärung ausreichen. Anders zeigt es sich beim Trailer zur sechsten Staffel.262 Hier überwiegt die Kritik an den Entscheidungen der Filmschaffenden, denn die Beliebtheit der Serie ist mittlerweile gesunken. Man betrauert weiterhin den Tod Ragnars und lehnt die neuen Figuren ab, da deren Charisma nicht dieselbe mitreißende Kraft entwickle. Ob dies aus der Wahl mehrerer Protagonist*innen anstelle eines klaren Hauptcharakters herrührt, bleibt fraglich. Fest steht, dass die Handlung aufgrund ihrer historischen Akkuratheit kritisiert wird. Insbesondere das Aufkommen einer russischen Nation in der letzten Staffel veranlasst Fans dem Ende der Serie eine Absage zu erteilen. Architektur wie Kostüme und die prinzipielle Existenz Russland zu diesem Zeitpunkt würden die Unglaubwürdigkeit ins Unerträgliche steigern. So äußert User alexnicholaiev beispielsweise: „The Rus are coming: People dressed like mongols are coming on Chinese-looking ships from the land of Orthodox Churches. It's

262 IGN, Vikings. 76 like US troops invading Vietnam on dragons wearing Aztec gear with iPhones in their hands“.263 Aarón Marcus Jiménez verpackt seine Kritik in einer Pointe: „Season 35: Bjorn and Ivar set up a restaurant in New york.“264 Zuvor hatten diese Fans Problematiken der Authentizität, die sich durch historische Anachronismen ergaben, bereitwillig übersehen, um sich dem Gefühl einer ontologischen Wahrheit hinzugeben. Eine zu große Anzahl derartiger Fehler lässt die freiwillige Illusion jedoch platzen. Authentizität ist ergo ein messbarer und absoluter Begriff zugleich. Eine historische Produktion kann in ihrem Anspruch auf historische Realität tendenziell als hoch oder niedrig bewertet werden, wobei sich das Gefühl von Authentizität nur prozessual aufbauen, durch einen einzigen Fehler aber wieder zerstören lässt. Ein Trailer der Firma Prime265 ist in diesem Kontext von besonderem Interesse, da ein derartiges Gefühl von historischer Wahrheit in deren Werbung nicht angestrebt wird. Der Spot zeigt eine Frau des 21. Jahrhunderts, die einen gewöhnlichen Alltag durchlebt, in dem sie die Probleme einer westlichen Mittelschicht durchleidet. Durch die Konsumation der Serie „Vikings“ wird sie allerdings selbst zur Wikingerin und setzt sich gegenüber ihren Mitmenschen durch. Die Werbung vermittelt also auf eine lustige Art die Besserung des eigenen Lebens durch das Schauen der Serie. Durch die Rezeption der Wikinger könne man ergo deren Identität übernehmen, was ein besseres Lebenskonzept verspricht. Derartige Brüche der Grenze zwischen Serie und der Welt des konsumierenden Subjekts existiert fernerhin in anderen Formen. Auch der Germanenmythos des 19. Jahrhunderts beabsichtigte eine Verbindung von den Kriegern der Antike zu dem heutigen Menschen zu ziehen. Durch die Essentialisierung von Volkskörpern und das Ziehen von kontinuierlichen Volksgeschichten sollte sich der „Deutsche“ als archaischer Kämpfer verstehen, dessen Charakter als barbarisch beschrieben wurde. So freuten sich schließlich die Nationalsozialisten über eine alliierte Kriegspropaganda, die die Wehrmacht als barbarische Armee darstellte. Hitler affirmierte diese Identität und positionierte sie dem verweichlichten Menschen des Westens gegenüber.266

263 Alexnicholaiev. In: IGN, Vikings. 264 Aarón Marcus Jiménez. In: IGN, Vikings. 265 Prime Video UK: Vikings - Great Shows Stay With You | Prime Video. (Web: YouTube, 2018). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=vSuvyC84QH0 (Stand: 5.1.2020). 266 Vgl. Service, Popular Vikings, 120. 77

D) 1. e) Reality

Unter der Kategorie Reality werden Beiträge verstanden, die sich nicht mit Inhalten der Serie per se aufhalten, weil sie sich auf die Schauspieler*innen hinter den Charakteren der Handlung beziehen. Ähnlich wie in Zeitschriften zum alltäglichen Leben prominenter Persönlichkeiten, stellen die Produzent*innen dieser Videos Vermutungen an, welche professionellen oder freizeitlichen Tätigkeiten verfolgt werden und vor allem welche Partner*innen von den Darsteller*innen gewählt wurden. Die Schauspieler*innen, normalerweise fiktiven, performativen Figuren zur Berühmtheit verhelfend, erscheinen dadurch selbst im Mittelpunkt und erhalten ikonische Bedeutung. Diese Stars werden als romantisch, tierlieb oder kreativ stilisiert, wodurch sie selbst zu fiktiven Figuren mutieren, die durch eine gewisse Performanz in der Öffentlichkeit eine Aura erschaffen. Interessant ist hierbei die Beobachtung, dass eine Unterscheidung zwischen Darsteller*in und filmischer Figur fließend verläuft. Die Fans wissen zwar um die divergierende Identität der beiden Entitäten, scheinen aber unterbewusst keine derartige Trennlinie zu ziehen. So wird beispielsweise Floki aufgrund seines Humors in den Kommentaren gelobt, obwohl es sich dabei um den Schauspieler Gustaf Skarsgard handelt. Filmische Figur und reales Subjekt laden sich gegenseitig mit Aura auf, womit sie sich symbolisches Kapital verleihen. Berühmte Darsteller*innen werden bevorzugt auf der Leinwand beobachtet, da diese als bekannt erscheinen und mit bereits observierten Rollen in Verbindung gesetzt werden. Eine derartige Vermischung der beiden Figuren kann im folgenden Satz entdeckt werden: „I love Largatha...she killed that role so baddess...Skol to the greatest shield maiden in vikings“267 Beim ersten Satzteil handelt es sich um die Filmfigur, im zweiten Teil wird aber die Schauspielkunst von Katheryn Winnick gelobt und dann bezieht sich der Satz abermals auf die „historische“ Person. Fans wünschen sich auch eine Übertragung von zwischenmenschlichen Beziehungen der Show auf das vermeintlich reale Leben: „Travis and Katherine need to just get together in real life. They had the best on screen chemistry I've ever seen.”268. Dadurch äußert sich das Verlangen, das bewusst Fiktive nachträglich als authentisch umzudeuten. Sollten die Schauspieler*innen auch im „echten“ Leben zueinander finden, so würde die Serie und die damit verbundenen Geschichtsbilder zusätzlichen Wahrheitsanspruch gewinnen.

267 Tilda 2018. In: ⭐OSSA: Vikings: The Real-life Partners Revealed. (Web: YouTube, 2016). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=QFB_VNu4G9o (Stand: 5.1.2020). 268 Ashley Ray. In: OSSA, Vikings 2019. 78

Authentizität bezieht sich im Kontext einer Serie nicht nur auf die Atmosphäre derselben, sondern auch auf die Glaubwürdigkeit und die moralische Autonomie der Charaktere. Die Personen hinter den Figuren, die ihnen Aussehen verleihen, werden infolgedessen Teil einer personalen Entität, worunter in dieser Arbeit Identität verstanden wird.

D) 1. f) Historische Aufklärung

Der Zusammenhang zwischen vermeintlicher Realität und Handlung der Serie nimmt im Kontext historischer Reflexion ungenaue Formen an. So löste das Video „The Legends Behind 6 of the Most Intriguing Vikings Characters“269 unterschiedliche Reaktionen aus. In den Kommentaren begann eine hitzige Diskussion um Authentizität, historische Anachronismen und die Interpretation von Geschichte, weshalb 44 unter den ersten hundert Kommentaren unter der Kategorie Kritik zu verorten sind.270 Im Video erklärt eine recht monotone Stimme die vermeintlich wahren Begebenheiten hinter den Erzählungen der Show „Vikings“. Es wird dadurch behauptet, die wahre Geschichte im Sinne wissenschaftlicher Richtigkeit zu erzählen, während die Serie eine künstlerisch beeinflusste Version davon zeige. Typisch für derartige Videos ist eine nummerische Reihung der präsentierten Inhalte. Dies verrät den Konsument*innen nicht nur die Länge des Videos, denn durch eine wertende Hierarchisierung erhält ein als belehrend gekennzeichneter Beitrag weitere Sinnhaftigkeit. Eine Reihung mit dem Höhepunkt am Ende erzielt einen zusätzlichen Spannungsbogen. Da das Video sich im wissenschaftlichen Diskurs ansiedeln möchte, wird es vom Publikum als solches gehandhabt. Ähnlich einem Vortrag mit nur oberflächlichen Nachforschungen überwiegt hier deshalb die Kritik, wobei die abweichende Betonung nordischer Namen für das höchste Ausmaß von Empörung seitens der Fans verantwortlich ist. Raheel Khan bemerkt zum Beispiel: „I cringed super hard every time you pronounced those names.“271 Außerdem werden Anachronismen, wie die Nennung von heutigen Nationen anstatt von Königreichen des Frühen Mittelalters, kritisiert, wie durch Roziah Joseph: „Who else wanted him to say Frankia instead of France??“272 Prinzipiell wird die Legitimation der Annahmen aufgrund fehlender Quellenangaben und einer als nicht gegeben vermuteten ethnischen Verbindung zu den Wikingern entzogen. Ähnlich der Nachbesprechung eines Vortrages diskutieren User*innen sowohl über eine angemessene Nacherzählung als auch eine Interpretation historischer

269 Cinemaniacs, Legends. 270 Siehe Anhang. 271 Raheel Khan. In: Cinemaniacs, Legends. 272 Roziah Jospeh. In: Cinemaniacs, Legends. 79

Ereignisse. Fest steht, dass dies jedoch mit anderen Argumentationen und einem vulgäreren Jargon als auf Tagungen der Geisteswissenschaft geschieht. Die unterschiedlichen Genres von Beiträgen zur Serie „Vikings“ auf YouTube zeigen die kreative Vielfalt, mit der eine historische Show rezipiert wird. Diese spiegeln die verschiedenen Interessensgebiete einzelner Akteur*innen, die von der Produktion bespielt werden. Eine Erzählung lässt konsequenterweise zahlreiche Andockungsmöglichkeiten persönlicher Identitäten zu, um die eigene Rezeption möglichst breit zu fächern und ein großes Publikum anzuziehen. Durch die Nachbearbeitungen der User*innen sowie durch die folgenden Reaktionen durch die Kommentator*innen wird die Einflusssphäre multipliziert.

D) 2. Praxen – Der Digitale Diskurs

Betrachtet man das Sprechen als Praxis, sprich als Akt im Diskurs, so wird dieses nicht nur durch dessen Inhalt, sondern auch durch die formalen und medialen Rahmenbedingungen mitbestimmt. Diese ändern sich im Fall einer Übertragung von einem oralen Wort in seine schriftliche Form. Der digitale Diskurs, wie durch die Gedanken von Andreas Greis bereits etabliert wurde, stellt eine Synthese aus diesen beiden Formen dar.273 Auf YouTube verwenden Kommentator*innen ein besonderes Sortiment von Kommunikationsstrategien, was als Untermauerung des eigenen Anspruchs auf Deutungshoheit zu werten ist. Erstens wird ein bedeutungsorientiertes Netz zwischen einzelnen Symbolen erstellt. Zweitens bewerten Individuen Meinungen und Filme, um sich öffentlichen, digitalen Raum anzueignen. Drittens präsentieren sich Diskursteilnehmer*innen selbst mit der (un)bewussten Absicht, die eigene Identität zu festigen.

D) 2. a) Praxen der Vernetzung

Als Praxen der Vernetzung werden unter anderem das Anführen von Links zu anderen Videos oder Webpages und Verweise auf popkulturelle Topoi verstanden, die beliebig aus globalen Kunstwerken entnommen, somit in einem neuen Kontext angebracht werden. Der Fokus derartiger Kommentare liegt dabei weder auf dem Objekt noch auf dem sprechenden Subjekt. Der jeweilige Satz bezieht sich auf Dinge außerhalb dieser Beziehung, wobei sich diese

273 Vgl. Greis, Identität, 162. 80 trotzdem einer Erwähnung wert zu erweisen scheinen, da sie inhaltliche Parallelen zu „Vikings“ besitzen oder für die allgemeine Kommunikation als bedeutend empfunden werden. Werbungen bestimmter Lieder oder anderer Serien streichen in diesem Zusammenhang abermals den kommerziellen Charakter dieser Kommentare hervor. Der History Channel empfiehlt unter dem Trailer, der zur Promotion der fünften Staffel von „Vikings“ dient, die Konsument*innen sollen ebenfalls der Serie „Knightfall“274 Beachtung schenken, da diese von derselben Produktionsfirma gedreht wurde.275 Durch satirische Verweise auf andere Serien kann sich ein*e User*in allerdings als humorvoll und intelligent inszenieren, um die Sympathie der anderen Kommentator*innen zu erhalten. Eine derartige Performanz hilft durch eine entsprechende Zurschaustellung von kulturellem Kapital zur Etablierung einer positiven Wahrnehmung des eigenen Ichs. Personen, die den Witz lesen und verstehen, freuen sich wiederum über die persönliche Fähigkeit des Verstehens. Beide Fans teilen ergo dasselbe Verständnis eines Witzes, womit sie in eine implizierte Wissensgemeinschaft treten. Durch die Kommunikation über eine Serie werden folglich gemeinsame Überzeugungen getestet und erstellt. Than TheBig’s Kommentar dient zur Veranschaulichung eines derartigen Witzes: "Its time to elect a king of all Norway who will defend us" And who has a better story than Bran the Broken!“276 Bran stellt einen Charakter aus der ebenfalls beliebten Serie „Game of Thrones“277 dar. Dessen schlussendlicher Aufstieg zum Thron wurde von vielen als enttäuschend empfunden, weshalb dieses Zitat aus „Game of Thrones“ als lächerlich entwaffnend wirkt. Die Dekonstruktion der Ernsthaftigkeit der Handlung beider Serien bestimmt den humorvollen Ton der Aussage. Prinzipiell werden in den Kommentaren verschiedene Serien verglichen, um den höchsten Beliebtheitsgrad einer Produktion zu ermitteln. Die einzelnen Diskursmitglieder verteidigen jeweils die Show oder den Film, von dessen Superiorität sie überzeugt sind. Popkulturell erschaffene Welten bewirken eine Bildung neuer sozialer Gruppen, die sich ab deren Entstehen semi-verfeindet gegenüberstehen. So behaupten Fans der Serie „Vikings“ in den Kommentaren, dass es sich bei dieser um die derzeit beste auf dem Markt handle, während Befürworter*innen von „Game of Thrones“ gegen diese Annahme argumentieren. Da beide Shows eine ähnliche Klientel anziehen, ergibt sich aus der angesprochenen Diskussion ein paradoxer Konflikt. Dieser Tatsache wird in den Kommentaren Rechnung getragen. „Stop comparing GoT and

274 Knightfall. USA 2017-). A+E Studios. 275 History Channel. In: HISTORY: Vikings: Season 5 Official #SDCC Trailer (Comic-Con 2017) | History. (Web: YouTube, 2017). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=s28cBkmoVIk (Stand: 5.1.2020). 276 Than TheBig. In: IGN, Vikings. 277 Game of Thrones. USA 2011-2019. Home Box Office (HBO) u. a. 81

Vikings... Both shows are amazing.“, schreibt Boss, woraufhin er eine genau gegenteilige Reaktion erhält. In den Antworten auf seine Bemerkung entbrennt ein Streit um eben jene Thematik, der überdies mit Beschimpfungen geführt wird. Andere Werke, wie „Spartacus“278 oder „Breaking Bad“279 werden ebenfalls als Vergleichsmaterial angeführt. Die Rezeption von Serien und bestimmten historischen Themen konfiguriert soziale Vernetzungen, die neue transnationale Interessensgruppen trotz geographischer Entfernung einander näherbringen. Fiktive, gemeinsam virtuell gelebte Welten führen zu einem ähnlichen Wissen, Jargon und Wertvorstellungen, was ein geteiltes Konzept von Leben impliziert. YouTube in seiner Rezeption von TV Shows beweist dadurch eine bindende Funktion ohne die konventionellen Kategorien der Zugehörigkeitsbestimmung.

D) 2. b) Praxen der Bewertung

Mit Praxen der Bewertung manifestieren User*innen ihre Identität als „Connaisseurs“ des Genres. Sie geben durch die Beurteilung einer Serie oder eines Videos abermals das eigene kulturelle Kapital an, das eine Machtposition im Diskurs legitimieren soll. Dabei besteht die Option durch eine Erklärung von Zuneigung zu „Vikings“, zu dessen Musik oder zu dessen Figuren wiederum am symbolischen Kapital des Mediums teilzuhaben, oder sich in Opposition dazu den Kritiker*innen anzuschließen, da die diskursive Kraft der Serie als schwach befunden wird. Im Fall der Praxen der Bewertung liegt das Video als Objekt im Fokus. Auffallend in der Statistik der Kommentare zu den einzelnen Beiträgen auf YouTube ist der positive Grundtenor, der aus dieser abzulesen ist. Im Durchschnitt beinhalten die meisten Aussagen ein Lob entweder an die Produktion der Show oder an die des geposteten Videos. Besonderer Fokus kommt dabei den Figuren der Geschichte zugute. Wie in den vorigen Kapiteln etabliert wurde, fungieren Ragnar, Lagertha und andere Held*innen des Plots als charismatische Persönlichkeiten, die auf einen Zuneigungsgewinn seitens des Publikums abzielen. Die Äußerungen der Bewunderung können einen stark emotionalen Charakter annehmen. So meint Jehov Dutta zum Beispiel: „When Ragnar die I thought I would forget him in few days .But even after 2 years and 3 months I terribly miss him. This character will live in my heart forever.“280 Dr. Alpha schreibt hierzu: „He was the one to start it all, for them he was a God.“281 Manche Kommentare versuchen diese mystische Wahrnehmung der

278 Spartacus. Blood and Sand. USA 2010-2013. Tapert / Donen / Raimi/Starz!. 279 Breaking Bad. USA 2008-2013. High Bridge Productions u. a. 280 Jehov Dutta. In: Zurik, Ragnar. 281 Dr. Alphy. In: Cinemaniacs, Legends. 82

Charaktere in eine nichtmediale Realität zu übersetzen. „I may have watched this clip over a thousand times. Travis Fimmel not only animates, embodies and simulates Ragnar - he truly IS, Ragnar.“282 Die Show in Verbindung mit ihren Figuren avanciert somit zu einem Garanten von Authentizität. Durch derartige Kommentare, Parallelen zu Liebeserklärungen oder einem feudalen Eidschwur aufweisend, erzeugen die Fans eine Verbindung von sich mit der fiktiven, als historisch inszenierten Welt. Die Gefolgschaft zu einer fiktiven Person stiftet Sicherheit¸ da diese als moralisches und generelles Vorbild fungiert, wodurch sie ein bestimmtes Handlungsschema vorgibt. Wer sich gegen ein derartiges Konzept von Werten ausspricht, wird von der sozial-digitalen Gruppe exkludiert. So vor allem Personen, die ein Video disliken, sprich diesem eine negative Beurteilung entgegenbringen. ShiningSkyify bündelt diese Ausführungen in wenigen Worten: „Dislike = no Valhalla mate.“283

D) 2. c) Praxen der Persönlichkeitsäußerung

Das kommunizierende Individuum möchte sich im Diskurs positionieren, um Verbindungen mit anderen Subjekten sowie Institutionen einzugehen oder diese abzulehnen. Eine solche Gesprächs- und Kulturpolitik in YouTubes Comment Section ist ironischerweise mit den physischen Konflikten der Serie „Vikings“ vergleichbar, in denen Bündnisses erst gefasst und gebrochen, Kriege initiiert und Frieden geschlossen werden. Nicht ohne Grund nannte Cori E. Dauber sein Werk über digitale Diskussionsstrategien „YouTube War“284. Neben der Möglichkeit sich mit anderen Entitäten des Diskurses zu vernetzten oder sich auf den spezifischen Videobeitrag zu beziehen, kann eine Person die eigene Verfasstheit betonen und von sich selbst aus Verbindungen zur Umgebung ziehen. Derartige Praxen nehmen unterschiedlich Formen an. Typisch für YouTube sind Hinweise darauf, warum die jeweilige Person das gegebene Video einsieht oder durch welche Verbindung man zum Beitrag gelangt ist. In den Kommentaren zum Lied „Ivar’s Revenge“ von der Musikgruppe Danheim erklären zahlreiche User*innen, dass sie dieses aufgrund des Twitch Spielers TommyKay hören würden, der dasselbe Stück in seinen Produktionen benütze.285 Des Weiteren bekunden einzelne Teilnehmer*innen aus welchem Land sie kommen oder in welchem Jahr sie den Beitrag

282 Jafaku. In: History, Ragnar returns. 283 ShiningSkyify. In: Mater Disciplina, Vikings. 284 Dauber, YouTube War. 285 Danheim: Danheim - Ivar's Revenge (Danish Viking Music). (Web: YouTube, 2016). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=Fm5u7EIrfDI (Stand: 5.1.2020). 83 konsumieren und rufen andere dazu auf, das Kommentar zu liken. Durch sowohl örtliche als auch zeitliche Nähe wird zusätzliche kollektive Identität generiert, die ebenfalls durch eine mögliche Verwendung einer gemeinsamen nichtenglischen Sprache erzeugt wird. Außerdem teilen diverse User*innen mit, weshalb sie einen herausstehenden Anspruch auf eine Beziehung zur Serie „Vikings“ besitzen. Diese Behauptung rührt von bestimmten Charaktereigenschaften her, wird jedoch meistens aufgrund familiärer Bedingungen und geographischer Verortungen getroffen. Moosenukkil Marlow, ein selbstverorteter Bewohner der neuseeländischen Inseln, schreibt hierzu:

„This music has a very unique sound. I like to listen to this while having a workout. The irony of it is the fact I live in a small town in New Zealand that was settled by the Danes. Even the name represents this. You got yourself a new subscriber my friend.“286

Die Verbindung zur Serie „Vikings“ und dem dazugehörigen Soundtrack speist sich in diesem Kommentar aus einer Verwendung dessen als alltägliche Begleitmusik routinierter Handlungen inklusive einer geographischen Komponente. Die verschiedenen Praxen der Selbstverortung des Individuums verlaufen folglich in verschiedene Richtungen. Deren Inhalt und kontextueller Paratext verweisen auf die emischen Vorstellungen von Identität sowie Authentizität, die sich aus einer Rezeption der Wikinger ergeben.

D) 3. Bedeutungen – Online Foren als ein Digitaler Kongress

Das Forum auf YouTube, in dem Partizipant*innen ihre Meinungen unterbringen, wird als Nachbesprechung eines Digitalen Kongresses verstanden. Eine Komparation populärer Diskussionen und wissenschaftlicher Besprechungen wurde bereits als einer der roten Fäden dieser Arbeit angelegt, der auch im letzten Kapitel nicht abreist. Ähnlich einem kritischen Auditorium stellen User*innen nach Konsumation des Videos Fragen, führen Ergänzungen an und bewerten das Rezipierte. Das zentrale Thema dieser Arbeit stellt die Ausverhandlung von Konzepten wie Identität dar. Eine Analyse derartiger Ideen auf wissenschaftlichen Konferenzen würde ebenfalls zu interessanten Ergebnissen führen, doch der Text spezialisierte sich stattdessen auf YouTube Kommentare als Quelle. Deshalb soll zunächst untersucht werden, ob User*innen ein

286 Moosenukkil Marlow. In: Danheim, Ivar’s Revenge. 84 ethnisches oder ein performativ konstruiertes Konzept von Identität vertreten, sprich ob es sich dabei um einen essenziellen, hermetischen oder einen fluiden, dynamischen Kulturbegriff handelt. Ebendiese Fragestellungen werden gleichfalls auf die Kategorien Religion und Geschlecht angeordnet.

D) 3. a) Ethnische oder Performative Identität? – Das Selbst zwischen Geburtsrecht und wählbarem Kodex

Eine Analyse der Beschreibung der Wikinger in der Show sowie in den digitalen Kommentaren ließ einen ethnischen Grundtenor erkennen, der von vielen geteilt, von den anderen verneint wurde, wobei sich keine klaren Fronten ergaben. Die ethnischen Argumente erinnern jedoch an Schriften zum Germanenmythos und an dessen historisiertes Weltbild. In der Show dienen einige wenige Hauptcharaktere, wie Ragnar, Rollo, Lagertha, Athelstan, Floki und andere, zum Vorantreiben der Handlung. Anhand deren biografisch nacherzählten Erlebnissen kann der*die Zuschauer*in der Geschichte folgen, wobei er/sie sich mit diesen Figuren identifiziert. Ragnar und König Ecbert von Wessex werden als erste Vertreter ihrer „Kulturen“ angesehen, wodurch sie in direkter Dichotomie gegenüberstehen.287 Die spanische Komparatistin Mayte Donstrup hat eine qualitative Analyse der ersten drei Staffeln der Serie durchgeführt. Sie beschreibt das Epos als ein Kennenlernen fiktiver mittelalterlicher Kulturen durch die Augen des Mönchs Athelstan, der von Ragnar nach Skandinavien mitgenommen wird und dort mehr über die Lebensweise der Wikinger erfährt. Zurück in England steht er König Ecbert als Berater zur Seite, aufgrund dessen er die Möglichkeit erhält, die Riten der Angelsachsen zu beobachten, die er als gebürtiger Brite als die seinigen verstehen sollte. Athelstan nimmt daraus resultierend die Position eines Europäischen Ethnologen ein, dessen Aufgabe es ist, das vermeintlich Fremde zu erkunden. Er kämpft mit ähnlichen Problemen im Feld, wie dies in einer kulturwissenschaftlichen Feldforschung der Fall wäre. Das Publikum soll sich mit ihm identifizieren und die Wikinger, obwohl Ragnar als eigentlicher Protagonist auftritt, als oppositionelle Kultur wahrnehmen. Die angelsächsischen Königreiche werden als Heimat dargestellt, denn es handelt sich bei der erwarteten Klientel der Serie meist um eine anglophone Zuschauerschaft.288

287 Vgl. Donstrup, Vikings, 61. 288 Vgl. Ebd., 68. 85

Donstrup formuliert, dass die Serie eine hermetische Konzeption von Kultur anstrebe, was indes zu relativieren ist.289 Einige Szenen widersprechen dieser Annahme, weil Donstrup nur die Hälfte der Show begutachten konnte, da die letzten drei Staffeln noch nicht veröffentlicht waren. Die Serie zeigt neben Angelsachsen und Skandinaviern darüber hinaus Franken, maurische Muslime, Russen sowie eine Chinesin. Eine kleine Auswahl von Szenen soll nun die konstruierten Grenzen zwischen den Kulturen aufzeigen, aber auch die veranschaulichten Prozesse der Grenzüberschreitung betonen. So werden die jeweiligen sozialen Gruppen mit physischen wie charakterlichen Eigenschaften bedacht, die innerhalb der Gruppe stark diversifiziert werden. In der ersten Folge erlebt das Publikum die Welt der Wikinger durch die Augen von Björn, dem jungen Sohn Ragnars, da Athelstan noch nicht in die Handlung eingetreten ist. Passenderweise wird die Episode mit „Rites of Passage“ betitelt, denn das Subjekt soll in eine neue Umgebung eintauchen. Die ersten Aufnahmen dienen dazu das Bild einer nordischen Landbevölkerung zu etablieren. Die Männer pflegen die Jagd und üben den Schwertkampf, während die Frauen nähen, weben und fischen. In der nahgelegenen Stadt Kattegat herrscht Jarl Haraldson.290 In einigen Szenen wird die Rechtsprechung der Wikinger beschrieben, in der ein klares Prozedere vorgegeben wird. Gleichwohl einige Strafen brutal erscheinen, so wird der Annahme einer willkürlichen Herrschaft widersprochen. Dies entspricht der Vorstellung des freien Wikingers und Germanentums, dass sich in der Geschichtswissenschaft vermehrt ab dem 19. Jahrhundert ausbreitete. Das nordische Rechtssystem wird hier als Gegenentwurf zum römischen Gesetz gestellt, das vielmehr autonome Männer als obrigkeitshörige Zivilisten begünstigen würde.291 Deshalb erträgt der Verurteilte seine Strafe mit Würde und gibt sich freiwillig dem Tod hin. Ragnar wird der Zuschauerschaft, die sich in der Figur Björns durch die Folge bewegt, als Vater zur Seite gestellt. Er begleitet das Publikum durch das Initiationsritual, in dem sein Sohn für einen Treueschwur gegenüber dem Jarl einen Armring erhält. Das observierende Subjekt wird demnach selbst in das Kollektiv der Wikinger aufgenommen und erhält dadurch eine gemeinschaftliche Identität. Der Fokus dieser ersten Folge liegt auf Materialität, wie dem eben erwähnten Armring. In dieser Darstellung finden sich Parallelen zu dem alten Kanon der Volkskunde, der sich vor allem mit

289 Vgl. Donstrup, Vikings, 70. 290 Bei diesem Namen ist unklar, ob es sich um einen Vornamen oder Nachnahmen handelt. Im Skandinavien des Mittelalters würde dies der Vatersname sein, der auf die genetische Herkunft verweist. Die Serie „Vikings“ verwendet jedoch unterschiedliche Kategorien von Namen arbiträr und anachronistisch. So wird Magnus als eine nordische Bezeichnung klassifiziert, obwohl es sich hierbei um einen lateinischen Ausdruck handelt. Lothbrock, das Epitheton Ragnars, wird als Nachname eingesetzt. 291 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 242. 86

Gegenständen als Inkarnation von Kultur befasste. Max Weber sprach in diesem Zusammenhang von einer Erzeugung von Sakralität. Diese würde durch einen ursprünglichen Akt auf ein Objekt übergehen, das daraufhin aufgrund seiner symbolischen Bedeutung durch die Menschen verehrt werde. In einer modernen Gesellschaft habe sich diese Konzentration auf das spezielle Objekt wegen Massenproduktion jedoch verflüchtigt.292 In der Vorzeit der Wikinger wähnt die Serie noch einen nostalgischen Respekt gegenüber auratischen Gegenständen, Schwertern wie Armringen, vorzufinden. In einer letzten Einstellung der ersten Folge erzählt Ragnar seinem Sohn, sprich dem Publikum, von seinem Traum nach Westen, anstatt in den Osten zu ziehen, um dort Entdeckungen zu machen, aber auch um Raubüberfälle und Kolonisation zu betreiben. Die Verheißung von Abenteuern bereitet den*die Zuschauer*in auf die kommenden Episoden vor, verbirgt allerdings einen amerikanischen Grundimpetus. Die Reise nach Westen wird mit dem inneren Drang nach Größerem verbunden. Ragnar gibt sich mit seinem Dasein als einfacher Bauer nicht zufrieden, weshalb er sich gegen den aristokratischen Tyrannen, personifiziert durch Jarl Haraldson, auflehnt. In dieser modernen Serie findet sich also der Urton des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und des proklamierten pursuit of happiness. Die Wikinger werden deshalb zu den Vorfahren der Vereinigten Staaten stilisiert, die aufgrund ihrer germanischen Freiheit zu neuen Unternehmungen drängten.293 Ein besonderer Fokus liegt außerdem auf der natürlichen Landschaft, weil diese als zusätzlicher Garant von Identität ins Spiel gebracht wird. Zahlreiche Filmaufnahmen zeigen die Fjorde Norwegens und inszenieren die Schönheit einer einerseits harmonischen, andererseits rauen Natur. Die kalten Winter finden durchgehend Erwähnung in der Serie und werden durch frierende Charaktere, starke Winde sowie fallenden Schnee in Szene gesetzt. Die einzelnen Figuren müssen immer wieder gegen die Elemente, seien es Berge oder das Meer, ankämpfen. Diesen Darstellungen liegen romantische Theorien zugrunde, wobei diese in Frankreich ihren Ursprung nahmen und in ganz Europa rezipiert wurden. Zum einen formulierte Montesquieu die überragende Stärke des nordischen Menschen, die sich aufgrund der harschen natürlichen Lebensbedingungen ergebe. Dies würden ihn gegenüber dem dekadenten Süden, wie dies bereits Tacitus formulierte, in eine Position der Überlegenheit bringen.294 Zum anderen formulierte Rousseau die verderbliche Kraft der Zivilisation, der er den Noble Savage als

292 Vgl. Weber, Max. zit. n. Lindholm, Authenticity, 331. 293 Vikings. Kanada/Irland 2013. 1. Staffel, 1. Episode: Rites of Passage. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 3.3.2013. 294 Vgl. Montesquieu, Considérations, 148-149. 87

Gegenkonzept vorhielt.295 Die Wikinger des ländlichen Kattegat296 erscheinen somit als gesunde Opposition zum heutigen, urbanen Menschen, wodurch die Rückkehr zum hart arbeitenden, aber dafür kräftigen und charakterlich gefestigten Barbaren empfohlen wird.297 In der zweiten Staffel stellt die Serie den berüchtigten Überfall auf das Kloster Lindisfarne dar, der laut offizieller Epocheneinteilung die Wikingerzeit beginnen ließ. Die Seeräuber gehen vorsichtig und taktisch vor. Hier wird nicht das Bild einer wilden, einfallenden Barbarenhorde evoziert, sondern die in Quellen beschriebene Schläue der Wikinger.298 Sie überfallen die wehrlosen Mönche, woraufhin diese sich aus Angst vor den Kämpfern verstecken oder zu fliehen versuchen. Sie klammern sich an ihre Bücher, das wichtigste Gut, dass sie besitzen. Das Publikum verfolgt dieses Geschehen aus der Sicht der Wikinger, die über die fremde Kultur staunen. Das Konzept von Büchern scheint unbekannt zu sein, während die Kampfeskraft der Skandinavier diese als überlegen wirken lässt. Beim Kennenlernen eines angelsächsischen Christentums werden die Wikinger insofern als rationale, beinahe moderne Menschen dargestellt, während die Mönche die ursprüngliche Position der Eingeborenen einnehmen, da sie laut der Serie sinnfreie Gegenstände in rituellem Prozedere verehren.299 Diese Darstellung ähnelt dem Narrativ einer europäischen Selbstwahrnehmung der Neuzeit. So lassen sich Parallelen zur Ankunft der Conquistadores in Amerika oder der Kolonialist*innen im Orient ziehen, weil diese ebenso brutal und zerstörerisch wie kühl und rational auftreten. In dieser Szene kommt es zu einem Rollentausch zwischen dem christlichen Europa und dem „heidnischen“ Norden, da im herkömmlichen Diskurs die Erben des römischen Reiches die Fortführung eines logischen Denkens gegenüber einem abergläubischen Heidentum für sich beanspruchten.300 Die Serie empfiehlt allerdings zur kulturellen Aufgeschlossenheit, indem sie die Brüder Ragnar und Rollo gegenüberstellt. Ragnar in seiner Position als Held der Erzählung versucht mehr über die noch nicht erschlossenen Funktionsweisen der christlichen Gesellschaft herauszufinden, während Rollo diese aus Ignoranz heraus ablehnt. Seine einzigen Interessen bestehen im

295 Vgl. Rousseau, Du contrat social, 113. 296 Bei dieser Siedlung handelt es sich um eine fiktive Stadt. Kattegat bezeichnet im eigentlichen Sinn ein Meer zwischen dem dänischen Archipel und dem restlichen Skandinavien. 297 Zum Beispiel: Vikings, Rites of Passage. 298 Vgl. Coupland, Vikings, 201. 299 Vikings. Kanada/Irland 2013. 1. Staffel, 2. Episode: Wrath of the Northmen. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 10.3.2013. 300 John Harty beschrieb diesen Topos historischer Fiktion in einer Analyse von Wikingerfilmen. In seinem Artikel illustriert er die komplexen Konstellationen dieses Narratives, die sich durch ein filmisches Aufeinandertreffen von „Indianern“ und „Wikingern“ ergeben, da diese zuvor getrennt voneinander mit denselben Verallgemeinerungen bedacht wurden. Siehe hierzu: Harty, Kevin J.: Who’s the savage now?! – The Viking in North America. In: Harty, Kevin J. (Hg.): The Vikings on Film. Essays on Depictions of the Nordic Middle Ages. Jefferson/London 2011, 106-120, hier 119. 88

Brandschatzen, Vergewaltigen und dem Morden, die ursprünglich mönchische Beschreibung eines Wikingers inkarnierend. Es ist schließlich Ragnar, der in der Serie als der erfolgreichere der beiden in Szene gesetzt wird, wodurch seinem Verhalten mehr Legitimität zugesprochen wird.301 In der dritten Folge, als Ragnar schließlich mit Athelstan nach Kattegat zurückkehrt, wird dieser von den Bewohner*innen misstrauisch beäugt. Sie tasten ihn ab und behandeln den Mönch wie ein exotisches Geschöpf, woraufhin Ragnar zur Klarstellung meint: „He is not different from us, but he is a foreigner.“302 Dieser Satz bezeugt eine gleichzeitige Inklusion und Exklusion, was in einer paradoxen Logik mündet. Es scheint, dass eine Identität als Ausländer kein absoluter Widerspruch zu einer Egalität der Menschen sei. Dennoch bleibt eine komplette Gleichstellung verwehrt. Die Serie geht nicht näher auf diesen Satz ein. Fest steht, dass in den folgenden Szenen Ragnar versucht allerlei Informationen von Athelstan über die angelsächsische Kultur zu erfahren. Sein Interesse stellt sich später als genuin, aber andererseits als auf militärische Ziele fokussiert heraus. Das Wissen um „fremde“ Kulturen wird ergo als Werkzeug und Waffe impliziert.303 Ein klassischer Topos der Beschreibung von fehlenden Manieren von Barbaren, der sich von der Antike über das Mittelalter in die Neuzeit bis zum heutigen Tag hielt, ist das Benehmen beim Essen, das hierdurch ritualhaften Charakter erhält. Die Nahrungsaufnahme wird allgemein als gesellschaftliche Routine wahrgenommen, die jedoch an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Momenten von divergierenden Gepflogenheiten bestimmt wird. Als die Wikinger nun bei König Aelle von Northumbria zu Gast sind, aufgrund von Friedensverhandlungen gemeinsam zu Tisch sitzend, verhalten sich beide unterschiedlich. Die christlichen Angelsachsen halten ein Gebet bevor sie zum Essen übergehen und speisen schließlich in Ruhe mit feinem Besteck. Währenddessen ertönt ein Chor, um das Mahl musikalisch zu untermalen. Die Wikinger hingegen stopfen sich die verschiedenen Lebensmittel in den Mund. Die anscheinend unbekannten Keramikteller zerschlagen sie und rülpsen nach dem getrunkenen Bier. Den Chor bezeichnen sie als lästiges Geräusch. Dieser Topos etabliert eine herkömmliche Dichotomie zwischen den zivilisierten Christen, deren Leben durch Reglemente geordnet wird und den ungehobelten Barbaren, die ihren Trieben freien Lauf lassen, sprich der Zivilisation und der Primitivität.304 Service verwies in ihrer Arbeit

301 Vikings, Wrath. 302 Vikings. Kanada/Irland 2013. 1. Staffel, 3. Episode: Dispossessed. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 17.3.2013. 303 Vikings, Dispossessed. 304 Vikings. Kanada/Irland 2013. 1. Staffel, 7. Episode: A King’s Ransom. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 14.4.2013. 89 neben Platon auf Sigmund Freud, die beide das Ideal einer Ausgeglichenheit dieser oppositionellen Positionen betonten.305 Die Serie legt dem*der Zuschauer*in nahe, sich neben der Zivilisation am Barbarentum zu orientieren, wodurch das Publikum zu einer Identifizierung mit den Wikingern eingeladen wird. Ein Charakter mit besonderer Bedeutung für die Handlung, wie dies bereits Donstrup anmerkte, stellt König Ecbert von Wessex dar. In ihm findet Ragnar einen oppositionellen Gegenspieler, der ebenfalls als Freund Athelstans, die Bezugsperson des Publikums, auftritt. Seine Person verkörpert die englische Kultur, sowie Ragnar die nordische Gesellschaft vertritt, wenngleich beide nicht nach den Regeln der jeweiligen Ordnung handeln. Ecbert lebt in einem noblen Anwesen, in dem er exotische Tiere sowie Kunstschätze beherbergt. Als Ragnar ihn dort mit dem Ziel besucht, Friedensverhandlungen bezüglich des anhaltenden Konflikts zwischen Wikingern und Angelsachsen zu initiieren, erblickt er verstaubte Bücher, antike Statuen sowie fortschrittliche Architektur. Der skandinavische König fragt eine Wache, wer die Statuen (gezeigt wird die Venus von Milo) geschaffen hätte, woraufhin diese antwortet, Riesen seien dafür verantwortlich gewesen. Unterhaltungen mit dem König werden bei Wein in den Thermen geführt. Diese Tradition spricht für die angestrebte Hygiene, das kultivierte Verhandeln und die Fortführung eines römischen Lebensstils durch den König. Athelstan wird beim Rückzug der Wikinger schließlich gefangen genommen und vom örtlichen Bischof zum Tode verurteilt, da er dem christlichen Glauben abgeschworen habe. Ecbert sieht über die Verfehlung Athelstans hinweg und erkennt den praktischen Nutzen des Gefangenen. Er nimmt ihn zu sich als Berater. In einem gemeinsamen Gespräch in der königlichen Bibliothek kommen sich die beiden näher. Ecbert stellt Athelstan abermals die Frage, ob er wisse, von wem die Statuen und Gemälde stammen. Dieser antwortet, dass diese von den Römern geschaffen worden seien. Der König ist sichtlich erfreut über diese Aussage und warnt den Mönch davor, dieses Wissen mit den abergläubischen Bewohner*innen von Wessex zu teilen, denn diese würden nie nach mehr Kenntnissen streben. Daraufhin befragt Ecbert Athelstan nach den Gepflogenheiten der Wikinger. Dieser antwortet, dass sie keine Bücher kennen würden, aber wichtige Inhalte durch Runen verschriftlichen. Er stellt einen Vergleich zwischen Odin und Jesus an, die am Ende in ihrer Gesinnung nicht allzu unterschiedlich wären. Die Argumentation nimmt in ihrem Verlauf einen strukturalistischen

305 Vgl. Service, Popular Vikings, 138-139. 90

Ton an, demzufolge sämtliche Kultur(en) demselben Muster grundlegender sozialer, funktionalistischer Prozesse folgen.306 Ecbert wählt deshalb eine eklektizistische Rechtsprechung in seinem Gerichtsaal. In der Anwesenheit Athelstans wird eine Frau angeklagt, ihren Mann betrogen zu haben. Unter dem christlichen Gesetz würde es dem Ehegatten zustehen, über die passende Strafe zu urteilen. In diesem Fall möchte er sie öffentlich brandmarken lassen, doch der König befragt den Mönch nach der Vorgehensweise der Heiden in diesem Sachverhalt. Dieser meint, sie würden eine Bestrafung der Frau verbieten, da es keinen Beweis für den Betrug gibt. Ecbert entscheidet daraufhin, dass diese Vorgehensweise fortschrittlicher sei und fällt das entsprechende Urteil.307 Ob dieser juristische Vergleich den historischen Tatsachen nachkommt oder nicht, es bestätigt einerseits den Mythos der freiheitsliebenden Germanen, die ihre Frauen mit Respekt behandeln,308 andererseits proklamiert die Serie, dass fortschrittliche Gesetze nicht von einer spezifischen Kultur abhängig sind. Dadurch formuliert Hirst und dessen Drehbuchautor*innen eine moralische Ethik auf universellen Werten, sich verschiedener Ansichten bedienend, um ein Vorwärtsschreiten in einem teleologischen Geschichtsbild zu beschreiben. Der König benützt die Wikinger außerdem als starke Krieger. In diesem Kontext wird eine physische Überlegenheit gegenüber den Angelsachsen und folglich die Existenz biologischer Unterschiede, wenn auch nicht von verschiedenen Rassen, bejaht. Ecbert übergibt einige der Skandinavier Königin Kwenthrith von Mercia, die Söldner gegen ihren Onkel benötigt. Die nymphomanisch stilisierte Adelige unterhält sich mit Ecbert, während sie die Männer inspiziert. Kwenthrith fragt in diesem Zusammenhang:“ They are violent men, hm?“ „They are warriors, yes.“ „They are very strong.“ „Well they live hard lives, they farm, and they fight... and they do not fear death.“ „I should like to breed with them. I think we would produce giants.“309 Derartige Aussagen stellen sich als durchaus problematisch heraus, erinnern sie doch an die genetische Politik rassistischer Regime. Ein Zusammenhang von Abstammung, geographischer Herkunft und biologischer Verfasstheit wird von der Serie bestätigt.

306 Vikings. Kanada/Irland 2014. 2. Staffel, 3. Episode: Treachery. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 13.3.2014; Vikings. Kanada/Irland 2014. 2. Staffel, 4. Episode: Eye for an Eye. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 20.3.2014; Vikings. Kanada/Irland 2014. 2. Staffel, 5. Episode: Answers in Blood. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 27.3.2014; Vikings. Kanada/Irland 2014. 2. Staffel, 6. Episode: Unforgiven. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 3.4.2014. 307 Vikings, Answers. 308 Vgl. Kipper, Germanenmythos, 244. 309 Vikings. Kanada/Irland 2014. 2. Staffel, 9. Episode: The Choice. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 24.4.2014. 91

Ecbert widersetzt sich in einem anderen Fall seinen Beratern, die Unverständnis für das wohlwollende Behandeln der Wikinger zeigen. Als diese betonen, er würde ebenso mit „savages“ wie „pagans“ verhandeln, meint dieser, sie selbst seien gleichfalls Heiden gewesen. Er ruft damit ins Bewusstsein, dass vor einiger Zeit die Angelsachsen310 selbst als Eroberer auf die Inseln gekommen und die Bekehrung zum Christentum durchlaufen hätten. Ecbert tritt als aufgeklärter Herrscher gegenüber einer ignoranten Adelsschicht auf, ein Topos, der sich besonderes in der Selbstinszenierung von Herrscher*innen des 18. Jahrhunderts Beliebtheit erfreute. König Ecbert teilt daraufhin fortschrittliche Agrartechniken mit den unter der Führung von Lagertha arbeitenden nordischen Siedler*innen auf „englischem Boden“. Die Angelsachsen seien in der Landwirtschaft überlegen, während die Wikinger die Seefahrt gemeistert hätten. Deshalb übergibt der König den Neuankömmlingen eine neue Art Pflug, wenngleich diese laut historischen Quellen erst im 18. Jahrhundert Verwendung fand.311 Die Verständigung der beiden „Völker“ scheint produktiv vonstatten zu gehen, doch ein Fruchtbarkeitsritual wirkt abschreckend auf die christlichen Adeligen, sogar auf den König. Im Zuge des Rituals schlachtet Lagertha einen Stier und beschmiert sich selbst mit Blut. Dies wird als Symbol einer barbarischen Religion gewertet, die sich als unvereinbar mit christlichen Werten herausstellt. Das nordische Ritual führt schlussendlich, nach der Abreise Lagerthas, zum Genozid an der dortigen, nordischen Bevölkerung. Ecbert gibt vor, diese Brutalität verhindern zu wollen, erteilt aber im Geheimen seinem Sohn Aethelwulf den eigentlichen Befehl. Durch die Bluttat werden die Angelsachsen den Wikingern in Grausamkeit gleichgestellt. Ecbert entledigt sich durch dieses Vorgehen nicht nur der Siedler*innen, sondern inszeniert den vermeintlichen Verrat als Verbrechen einiger Adeliger, um sich ihrer zu entledigen. Er wird als machiavellistischer Fürst dargestellt, dessen Beziehungen zu den kulturellen Normen seiner Bevölkerung eher als diskursives Werkzeug anstatt als intrinsisch gelebt gezeigt werden.312

310 Die Existenz von Stämmen, wie Angeln und Sachsen, wird in der aktuellen Forschung abgelehnt. Eine Migrationsbewegung habe stattgefunden, doch eine Charakterisierung als geschlossene kulturelle Gruppen lässt sich nicht halten. Diese entstand durch Fremdbezeichnungen und Konstruktionen in der Retroperspektive. Hier wird das Narrativ im Sinne der Serie und der damit verbundenen Geschichtsschreibung beibehalten, da die Arbeit auf eine Analyse ebendieses Mythos abzielt. 311 IMDb: Vikings. Warrior’s Fate. Online unter: https://www.imdb.com/title/tt3685792/?ref_=ttep_ep3 (Stand: 9.3.2020). 312 Vikings. Kanada/Irland 2015. 3. Staffel, 2. Episode: The Wanderer. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 26.2.2015; Vikings. Kanada/Irland 2015. 3. Staffel, 3. Episode: Warrior’s Fate. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 5.5.2015; Vikings. Kanada/Irland 2015. 3. Staffel, 4. Episode: Scarred. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 12.3.2015; Vikings. Kanada/Irland 2015. 3. Staffel, 5. Episode: The Usurper. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 19.3.2015. 92

Die Wikinger treffen neben den Angelsachsen weiter auf die Franken. Diese unterscheiden sich in ihrer Darstellung zunächst kaum von den nördlichen Nachbarn. Die Soldaten erhalten eine blaue Uniform, was der Unterscheidung der beiden Parteien seitens des Publikums helfen soll, doch nicht den historischen Tatsachen entsprechen kann. Nach der Plünderung von Paris, bleibt Rollo zurück, woraufhin er ein Basislager für die nächste Belagerung der Stadt errichtet. Er entscheidet sich hingegen dafür, ein Bündnis mit dem dortigen König einzugehen, infolgedessen er dessen Tochter Gisela heiratet. Die beiden werden als ungleiches Paar, die Schöne mit dem Biest evozierend, inszeniert. Rollo versucht sich anzupassen, um die Beziehung zu seiner widerspenstigen Frau zu verbessern, aber dieses Vorhaben durchläuft zahlreiche Misserfolge. Als er schließlich die Sprache erlernt und seine Kleidung sowie seinen Haarschnitt ändert, stößt er auf eine erhöhte Akzeptanz seitens des königlichen Hofes. Aus dem Wikinger scheint ein fränkischer Nobelmann geworden zu sein. Sein Sprachlehrer versucht ihm in diesem Kontext den Satz. „I was a savage. But now I am a man of great wealth and civility.“ in der fränkischen Sprache beizubringen.313 Rollo meistert den Prozess der Assimilation, obwohl er schlussendlich zu seiner Tätigkeit als Wikinger zurückkehrt, mit Björn zum Mittelmeer fahrend. Eine solche Handlungsweise lässt auf das Narrativ schließen, dass Kultur zwar oberflächlich angenommen werden kann, dass intrinsische Motivationen und Gefühle allerdings der ursprünglichen Herkunft verpflichtet bleiben. Im Verlauf der Handlung kommt es nicht nur zur Gegenüberstellung von wilden Barbaren und zivilisierten Völkern, denn ein Vergleich zwischen Franken und Angelsachsen bietet Hirst die Möglichkeit, verschiedene Stufen von Zivilisation zu nuancieren. Anlass hierfür verschafft der Auftritt von Prudentius von Tours, ein französischer Geistlicher, dessen Namen zwar von einer historischen Persönlichkeit stammt, aber dessen Biografie sich von dieser gänzlich unterscheidet. Er wird am Hof als Lehrmeister von Ecberts Schwiegertochter Judith angestellt. Neben seinem starken französischen Akzent und einer zusätzlichen Zivilisiertheit gegenüber den Angelsachsen verhilft eine Anekdote zur weiteren Betonung von Unterschieden. Als der Geistliche auf den örtlichen Bischof trifft, der sich gerade bei der Weinverkostung befindet, wird diesem ein Becher überreicht. Prudentius kostet und spuckt den Wein wieder aus, woraufhin der Bischof sich für die schlechte Qualität entschuldigt. Der Franzose wehrt jedoch ab, denn in Aquitanien sei dies der Brauch, immerhin wäre man sonst ständig alkoholisiert. Der Bischof mit rötlichem Gesicht nimmt dies als Anlass zu allgemeinem Gelächter. Diese Szene zeigt einen gehobenen Umgang mit Alkohol seitens der Franken, oder Franzosen, denn

313 Vikings. Kanada/Irland 2016. 4. Staffel, 3. Episode: Mercy. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 3.3.2016. 93

Beschreibungen und Stereotype der Moderne werden hier auf mittelalterliche Regionen umgelegt. Die Angelsachsen weisen sich als unzivilisierter aus, was nicht zuletzt auf die These einer Verbindung zwischen Barbarei mit kaltem Klima zurückgeführt wird.314 Prinzipiell scheinen die Fürsten- und Königtümer der Zeit mit heutigen Nationen gleichgesetzt zu werden. So finden sich Bezeichnungen wie England, Frankreich oder Russland wieder, obwohl diese Herrschaftsgebiete nicht zu Staaten vereint waren. Deshalb erfahren in „Vikings“ Erinnerungsorte Englands und Frankreichs, Mythen einer national romantischen Meistererzählung, Eingang in die Erzählung der Wikinger. Athelstan schläft im Zuge einer Affäre mit Judith, der Frau des königlichen Erben Aethelwulf. Deren Sohn wird von König Ecbert zum Sprössling eines Heiligen verklärt, um diesen vor der Eifersucht seines eigenen Sohnes zu bewahren. Der Name des Kindes lautet Alfred, wobei es sich um den sagenumwobenen Herrscher handelt, der als Verteidiger Englands gegen die Wikinger antritt.315 Als weiterer lieu de mémoire wird das bekannte Banner der französischen Könige, die Oriflamme, bei der Belagerung von Paris eingesetzt, obwohl schriftliche Quellen dessen Existenz erst einige Jahrhunderte später bezeugen.316 Das Mittelalter konstituiert in der Vorstellung einer modernen nationalen Geschichtsschreibung das Zeitalter der Staatsbildung. In dieser Epoche würden die Länder ihre heutigen Grenzen annehmen, deren Sprachen entwickeln und in Ursprungsmythen die Ideale der folgenden Gesellschaft festlegen.317 Der Historienfilm bedient sich dieser mythischen Verklärung mediävaler Erzählungen mit dem Ziel, das nationalstaatliche Narrativ im 20./21. Jahrhundert einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Eine derartige Meistererzählung fußt auf der Spiegelung in einem Anderen, worin die Definition einer fremden Entität die eigene Identität bestimmt.318 Am Beginn der letzten Staffel von „Vikings“ wird Ivar the Boneless, ein Sohn Ragnars, ins Exil getrieben. Auf seiner Reise über die Seidenstraße bis zum Fürstentum von Kiew erhält er die Möglichkeit, zahlreiche Fremdheitserfahrungen zu sammeln. Während dieser Zeit überlebt Ivar durch seine kulturelle Flexibilität gepaart mit offener Einfühlsamkeit, die im zuvor fehlte. Auf diese Art und Weise

314 Vikings: Mercy. 315 Vikings. Kanada/Irland 2016. 4. Staffel, 6. Episode: What might have been. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 24.3.2016. 316 Vikings. Kanada/Irland 2015. 3. Staffel, 8. Episode: To the Gates! History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 9.4.2015. 317 Siehe hierzu beispielsweise: Wopfner, Hermann: Beiträge zur Bevölkerungsgeschichte der österreichischen Länder. In: Dopsch, Alfons (Hg.): Volkschaft und Kultur. Wien/Leipzig 1939, 191-242, hier 236. 318 Siehe hierzu: Lacan, Spiegelstadium; oder: Hall, Representation. 94 wird er zum würdigen Nachfolger seines Vaters, der ebenfalls Toleranz als politisches Werkzeug benützte.319 Donstrup ging also richtig in der Annahme, dass das vordergründige Verständnis der Serie von Kultur einem hermetischen Konzept entspricht. Die einzelnen Gesellschaften kommen schwerlich miteinander aus, wie der Versuch einer Ansiedlung von Skandinaviern auf englischem Boden zeigte. Biologische Implikationen fungieren als eine Essenzialisierung von einem qualitativen Menschenbild und doch überschreiten diverse Charaktere der Serie weiterhin kulturelle Grenzen.320 Athelstan schafft es für einige Zeit als Teil der Wikingertruppe akzeptiert zu werden, während Rollo das Erscheinen eines fränkischen Edelmanns annimmt. Kultur wird nichtsdestotrotz als Produkt von Sozialisierung gezeigt. Aslaug, Ragnars zweite Partnerin, meint auch, dass es bei einem Wikinger nicht auf die Abstammung, sondern auf die Erziehung ankomme. Das Schema, nach dem die Serie zwischen der Etablierung und der Negierung von primordialen Elementen wählt, kann als eklektisch beschrieben werden. Je nach Mehrwert für den Unterhaltungsfaktor werden herkömmliche Narrative tradiert oder postmoderne Änderungen in der Erzählung vorgenommen. Donstrups Annahme eines hermetischen Kulturbegriffs sind deshalb weder zu verneinen noch zu bejahen. Ecbert und Ragnar werden als außerkulturelle Charaktere gezeichnet, denn sie gehören zwar einem vermeintlichen Kulturkreis an, doch missachten dessen soziale Konventionen falls nötig. Sie befolgen Normen, sollten diese rationale Vorteile erwirken, verzichten hingegen im anderen Fall darauf. Als starke Individuen treten sie schließlich aus der Kultur heraus und gelangen durch Reflexion zur individuellen agency, die die faits sociales in diesem Narrativ zu übertreffen scheint. Dadurch gelingt es den beiden Herrschern, eine in der Serie als echt markierte Freundschaft aufzubauen.321 In der Literatur ist die ungeteilte Erfahrung ein gängiger Topos des einsamen Helden, der zwar allein, aber erhaben gegenüber seinen Mitmenschen auftritt. Ein Verzicht auf die Normen der Umwelt lässt eine individuelle Größe zu.322 Der epische Held bewegt sich folglich zwischen einem Raskolnikowschen Mörder und Nietzsches Übermensch. Die Serie beinhaltet schlussendlich einen postmodernen Impetus, indem sie den Individuen Macht verleiht, die Kultur als kollektive Identität ablehnen.

319 Vikings. Kanada/Irland 2019. 6. Staffel, 1. Episode: New Beginnings. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 4.12.2019. 320 Vgl. Donstrup, Vikings, 68. 321 Vgl. Ebd., 67. 322 Vgl. Haug, Walter: Die Einsamkeit des epischen Helden und seine scheiternde Sozialisation. Zur Anthropologie eines narrativen Musters. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 128 (1999), H. 1, 1-16, hier 10-11. 95

Athelstan wird als dritter im Bunde dargestellt, der sich jedoch dafür entscheidet, innerhalb dieser Muster zu verweilen. Er tritt trotzdem als Vermittler der Welten und der einzelnen Herrscher auf, weshalb ihm Donstrup den Charakter eines Europäischen Ethnologen verleiht:

„Ante esta interrogativa, Athelstan responde tal como podría responder un etnógrafo: no es cuestión de valorar la superioridad de una u otra, son distintas maneras de apreciar los hechos, diferentes concepciones de entender la vida.“323

Wenngleich die Serie ein paradoxales, duales Konzept von Kultur vertritt, das nicht eindeutig ist, bestätigt ein Großteil der Kommentare auf YouTube eine ethnische Identität, sollte sich die Aussage auf eine persönliche Verbindung zur Serie, auf eine allgemeine Weltvorstellung oder auf die Äußerung von Emotionalität beziehen. Kommerzielle Kunstwerke versuchen prinzipiell mehrere Gesinnungen zur selben Zeit anzusprechen, um die Publikumszahlen zu erhöhen. Dies dürfte ein Teilgrund sein, warum die Show Fans anzieht, die ihre persönlichen Schlüsse aus dem Gesehenen ziehen und diese untereinander nicht teilen. So schreibt Martin Schweyda beispielsweise: „Dass sind unsere wahren Ahnen. Lang leben die Asen, wikinger und Germanen.“324 Über unterschiedliche Formen von Inklusion im ethnischen oder nationalen Sinn wird gestritten. Andeas Alenius Ausruf: „Iceland Norway Denmark Sweden Viking brothers till the end!“325 erhielt erzürnte und sarkastische Gegenreaktionen. Ulrick Elverum möchte die Liste der inkludierten Nationen, die sich als Erben der Wikinger bezeichnen dürfen, erweitern: „You forgot about Finland and Gardarika and perhaps Germany.“, aber das Kommentar erfährt eine recht energische Entgegnung mit beleidigendem Tonfall von ᛏᚢᚹᚨ SWE: „Vikings came from Sweden, norway & denmark. Not from finland and germany you scum.“326 Elverums Meinung erhält Unterstützung von Serious Cereal:

323 „Bei dieser Befragung antwortet Athelstan wie nur ein Ethnograph antworten könnte:„ Es ist nicht die Frage nach der Überlegenheit der einen oder der anderen [Kultur], sondern nach den distinktiven Weise die Tatsachen zu bewerten, nach den verschiedenen Konzeptionen von Leben.“ Vgl. Donstrup, Vikings, 66. 324 Martin Schweyda. In: L.C oo: Vikings sounds. (Web: YouTube, 2019). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=-abnugsF7NY&t=619s (Stand: 5.1.2020). 325 Andeas Alenius. In: Danheim, Ivar’s Revenge. 326 ᛏᚢᚹᚨ SWE. In: Danheim, Ivar’s Revenge. 96

„Dude, the northern part of germany was heavily influenced by the norsmen (migration of jutland which created the teutons) all the way towards the north of Bavaria where the Celtic boii settled( north to south of Bavaria all the way to Czechoslovakia ) then left and eventually it was inhabited by the suebi ( A norsmen influenced tribe, in north to central bavaria) while the western side all the way to central germany was inhabited by the gauls and Goths (who were celtic). Please research before you type.“327

Die darauffolgenden Diskussionen enthalten die jeweiligen Vorstellungen einer nordischen Erbschaftsliste, die sich gegenseitig widersprechen. Argumentationen werden meist in beleidigendem Tonfall geführt und mit semi-wissenschaftlichen Fakten hinterlegt. So argumentiert Serious Cereal mit Ereignissen der sogenannten Völkerwanderung, wodurch er versucht eine Verbindung zwischen den Wikingern und einem Germanentum zu erstellen. Die hier angeführte Diskussion ist als klassisch für derartigen Foren zu betrachten, weshalb sie sich unter den meisten der eingesehen Videos findet. Mit der Äußerung eines genetischen Wikinger- und Germanentums gehen diverse Konzeptionen von Männlichkeit einher, die sich aus dem Bild des körperlich starken Wikingers oder aus dem Mythos des hochgewachsenen Barbaren speisen. In Witzen über die Wirkung der Lieder zur Serie wird von einem plötzlichen Bartwuchs sowie platzenden Muskeln gesprochen. Die Etablierung der eigenen Identität und ethnischen Männlichkeit wird nicht selten auf Kosten anderer User*innen betrieben. Autor*innen derartiger Kommentare versuchen eine Form der Exklusion zu betreiben, um das Prestige der eigenen Zugehörigkeit zu erhöhen. Die Reklamation zahlreicher Fans, den Nachfahren der Wikinger anzugehören, wird von diesen als Diebstahl ihrer Identität wahrgenommen. Zur Diffamierung gegenüber Anwärter*innen, deren Stand als Erb*in nicht anerkannt wird, hat sich das Schlagwort „wannabe viking“ entwickelt. So beschwert sich Torsten Unangenehm: „Sooo many wannabe-vikings.“328 TheOfficialChef meint: „Honestly the amount of wannabe vikings I see while looking at the comments is bigger than the population of China.“329 Bei derartigen Aussagen handelt es sich teilweise um reine Provokationen mit dem Ziel, andere User*innen aus der Reserve zu locken und bloßzustellen. Urheber*innen solcher Nachrichten werden allgemein als trolls bezeichnet. Zum Konzept der ethnischen Identität, die auf der Idee der Nation oder des Volks sowie von Blutlinien fußt, finden sich alternative Konzepte von vikingness oder performativer Identität. Diese werden meist von Anhänger*innen eines ethnischen Begriffs alsbald attackiert. So hatte beispielsweise ein türkischer User aus Ankara, laut eigenen Angaben, eingestanden, dass er

327 Serious Cereal. In: Danheim, Ivar’s Revenge. 328 Torsten Unangenehm. In: Francisco, Wardruna. 329 L.C. oo, Vikings. 97 wohl kein Wikinger Blut habe, aber trotzdem zu diesen Kriegern gehören möchte und sich mit diesen identifiziere. Während einige ihn in seinem Ansinnen unterstützen, wurde er von den meisten Gesprächspartner*innen ausgelacht oder bedroht. 330 Obwohl Befürworter*innen einer derartigen Exklusion Wikingerdasein als „ethnicity“ bezeichnen, wird diese Beschreibung durch andere Kommentare abgelehnt und mit anderen Termini ersetzt. Moses Skijei erklärt beispielsweise, dass Wikinger keine Ethnie gewesen seien, worunter er eine biologische Gemeinschaft versteht, sondern „cultural hertiage“, was eine rein kulturelle, geschichtliche Identität konstituieren dürfte. Definitionen der Begrifflichkeiten bleiben meist vage und Unverständnis wird mit sofortigem Anzweifeln der Intelligenz des Gegenübers sanktioniert.331 Andere Mitglieder verweisen mit historischen Argumenten auf den Charakter der Wikinger als Berufsbezeichnung von Freibeutern, weshalb es sich hierbei um keine Ethnie, noch um ein Volk handeln könne. Diese Argumentation wurde wörtlich aus geschichtswissenschaftlicher Sekundärliteratur übernommen.332 Der digitale Diskurs über eine ethnische Identität in Verbindung mit der Serie „Vikings“ stellt sich als heterogen heraus. Die unterschiedlichen Konzepte von ethnischer oder performativer Identität divergieren in einem so starken Ausmaß und bilden eine dermaßen große Vielfalt von Bedeutungen, dass sie nicht gänzlich in dieser Arbeit untergebracht werden können. Fest steht jedoch, dass es zu zwei Fronten im Diskurs kommt, wobei das eine Extrem einen biologischen Essenzialismus vertritt, während auf der anderen Seite ein dekonstruierender Postmodernismus eine freie Wahl von Persönlichkeit postuliert. Die meisten Aussagen befinden sich zwischen diesen binären Polen und machen das Erbe der Wikinger von Herkunft abhängig, verzichten aber auf rassisch-primordiale Konnotationen. Die Serie wurde ergo als mythisches Ritual rezipiert, in dem sich Menschen mit vermeintlich biologischer oder gelebter Identität so aufladen, dass sie sich durch den gefühlsechten Effekt der Fiktion in eine authentische Welt begeben. Durch die Selbstwahrnehmung als Wikinger wird eine direkte Verbindung zu den Held*innen der Serie gezogen, wodurch deren Abenteuer und Leistungen zu den eigenen werden. Wenn die Macher der Show auch einen eher postmodernen Blick auf die Ereignisse wahrten und einen moralischen Pluralismus favorisierten, in dem sowohl Toleranz als auch Wissen um andere Kulturen zum Erfolg führen, schlossen die Konsument*innen ihre eigenen Interpretationen daraus, die nicht selten oppositionelle ideologische Implikationen besitzen.

330 Kennedick pertermann. In: Francisco, Wardruna. 331 Moses Skjiei. In: HISTORY: Vikings: Season 4 Returns Comic-Con Full Trailer | History. (Web: YouTube, 2016). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=G3DwTh_aPKw (Stand: 5.1.2020). 332 Limse. In: HISTORY, Vikings: Season 4. 98

Der Germanenmythos lebt also im digitalen Diskurs, was die Vorstellung einer ethnischen Identität betrifft, in doppelter Form fort. Einerseits werden die Germanen als nahe Verwandte der Wikinger angesehen oder mit diesen gleichgesetzt und deren charakterlichen oder körperlichen Qualitäten als dieselben betrachtet. Andererseits sind die inneren Mechanismen eines kollektiven Zugehörigkeitsgefühls aufgrund der persönlichen Abstammung im Germanenmythos der Moderne sowie in der Rezeption der Wikinger der proklamierten Postmoderne erhalten. In beiden spielt die Religion der vermeintlichen Vorfahren eine entscheidende Rolle.

D) 3. b) Religiöse Identität – Die Wiedererweckung des Heidentums?

Religion wirkt in der Serie „Vikings“ als ein elementarer Bestandteil der im vorherigen Kapitel beschriebenen semi-hermetischen Kulturkreise. Die nordischen Riten werden dem christlichen Glaubensbekenntnis (in einer Episode auch dem Islam) gegenübergestellt.333 Während über die „Mythologie“334 der Wikinger wenige Quellen Aufschluss geben, hat sich die christliche Religion bis heute kontinuierlich entwickelt. Dennoch kommt es zu inhaltlichen Anachronismen in der Inszenierung des frühmittelalterlichen Glaubens in der Serie „Vikings“, wie Athelstans angedrohter Tod am Kreuz durch den Bischof von Wessex bezeugt. Eine Kreuzigung als Hinrichtungsart in christlichen Königreichen erscheint wenig plausibel und wurde in mittelterlichen Texten nicht berichtet.335 Diese Darstellung führte folglich zur Empörung einiger Kritiker*innen der Serie, weil diese sich in ihrer konfessionellen Überzeugung angegriffen fühlten.336 Fest steht, dass Religion in der Serie „Vikings“ zur zusätzlichen Akzentuierung der verfeindeten Blöcke benützt wird. Es sind abermals die Blickwinkel Björns und Athelstans, die uns mehr über die Religion der Wikinger erfahren lassen. Die Perspektive des Mönchs dient dazu, den heidnischen Glauben als barbarisch darzustellen, womit eine herkömmliche Teilung von Christentum und alten Göttern bestätigt wurde. Als beispielsweise Jarl Haraldson in der Manier eines ehrwürdigen Kriegers nach dessen Tod verbrannt wird, opfert ihm das Dorf Kattegat eine Sklavin. Doch zuvor wird diese betrunken gemacht und zum Koitus mit sämtlichen Männern gezwungen. Sie

333 Vikings. Kanada/Irland 2017. 4. Staffel, 16. Episode: Crossings. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 4.1.2017. 334 Da Mythologie meist als Begriff für eine Vorstufe von Religion gebraucht wird, möchte ich in dieser Arbeit durch einen Verzicht auf die Verwendung des Wortes den degradierenden Tonfall aussparen. 335 Vikings, Eye. 336 Z. B.: elvenwarrior-63550: Anti-Christian, anti-historical. Online unter: https://www.imdb.com/review/rw3667446/?ref_=tt_urv (Stand: 9.3.2020). 99 soll dem Jarl im Jenseits berichten, was die anderen Krieger mit ihr getan haben.337 Zwei Folgen später nimmt Ragnar Athelstan mit nach Uppsala, wo sie der Opferung von jeweils sieben Tieren, aber auch Menschen beiwohnen. Die Menschen geben sich zwar freiwillig hin, was den Mythos des freien Germanen bestätigt, doch das Ritual erinnert an die Schilderung einer externen Berichtserstattung. Glatzköpfige Priester mit schwarz tätowierten Augenringen und tiefer Stimme führen die Opferung durch. Dieses Narrativ entstammt tatsächlich einem christlichen, mittelalterlichen Text, nämlich der Chronik des Adam von Bremen, dessen Worte indes quellenkritisch zu hinterfragen sind. So wird das Opfern von Menschen von der Forschung des 21. Jahrhunderts zu großen Teilen als Erfindung abgetan.338 Umgekehrt lernt Ragnar den Inhalt des christlichen Glaubens mit Athelstan als Lehrmeister. Dadurch hilft der Mönch den Wikingern dabei, die Stadt Winchester zu überfallen. Ragnar weiß durch Athelstans Unterricht, dass die Angelsachsen am Sonntag nach dem Läuten der Glocken am verwundbarsten sind, da sie sich im Gottesdienst befinden. Außerdem gelingt es Athelstan den umherirrenden Wikingern den Aufbewahrungsort des örtlichen Schatzes zu zeigen. Dieser befindet sich im Grab des lokalen Heiligen unter dessen Alter. Als der ehemalige Mönch Ragnar über den heiligen Swithin aufklärt, stutzt dieser: „You talk to me as if I would know what a saint is.“339 Belustigt über das Unwissen seines Anführers erklärt Athelstan das Konzept von Heiligen und Wundern. Die Serie betont die Vorteile des Kennenlernens anderer Religionen, aus denen rationale Nutzen, aber auch ein persönlich-spiritueller Gewinn gezogen werden kann. Ragnar nähert sich im Laufe der Serie der christlichen Religion an, was von Seiten der restlichen Wikinger auf Argwohn stößt. So lässt er sich wenige Augenblicke vor seinem vorgetäuschten Tod bei der Belagerung von Paris taufen. Aufgrund dessen erlauben ihm die Franken ein christliches Begräbnis innerhalb der Stadt. Inmitten der Zeremonie springt der durchaus lebendige sowie bewaffnete Ragnar aus dem Sarg und öffnet schlussendlich die Tore der Stadt. Wenn Ragnar also den Glauben teilweise angenommen hat, so benützt er diesen trotzdem weiterhin mit dem Impetus, seine politischen Ziele durchzusetzen. Dadurch erweist er sich abermals als einzigartiger Held mit einer fehlenden Verwurzelung im kollektiven Kodex. Als Rollo sich zum Beispiel taufen lässt, da die christlichen Heerführer nur mit einem Mitglied der Kirche verhandeln wollen, zeigt er im Gegenteil zu seinem aufgeschlossenen

337 Vikings. Kanada/Irland 2013. 1. Staffel, 6. Episode: Burial of the Dead. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 7.4.2013. 338 Vgl. Solli, Brit: Queering the Cosmology of the Vikings. A Queer Analysis of the Cult of Odin and “Holy White Stones”. In: Journal of Homosexuality, 54 (2008), H. 1-2, 192-208, hier 200. 339 Vikings, Treachery. 100

Bruder Unverständnis gegenüber den fremden Ritualen. Ragnar imitiert den Gottesmann stattdessen, die Abfolge des Geschehens nachzuvollziehend.340 Als Ecberts Bischof auf die Anführer der Wikinger Armee, Ragnar und Horik, trifft, um mit diesen zu verhandeln, verraten seine Gebärden einen Zustand der Angst. Ohne Grund erschlägt Horik einen der Gefolgsmänner des Bischofs, woraufhin der Geistliche verzweifelt versucht auf sein Pferd zu gelangen, doch er ist zu ungeschickt und zu beleibt. In der Person des geistlichen Fürsten sammeln sich die Vorwürfe gegenüber einem europäischen Christentum, das durch zivilisatorische Dekadenz die Menschen verweichlichen würde. Der Bischof stellt als dickleibiger, trunksüchtiger und eigennütziger Vertreter der Kirche diese Charaktereigenschaften zur Schau.341 Eine derartige Kritik entstammt nicht nur neopaganen Kreisen, sondern führte fernerhin im Verlauf einer europäischen Geistesgeschichte zu ständigen Spaltungen der zunächst hierarchischen Kirche. Beide Religionen, heidnischer wie christlicher Glaube, kommen jedoch in der Person Athelstans zur Geltung, der lange Zeit zwischen einer Zugehörigkeit zum Christentum oder der nordischen Religion wankt. Als Ragnar Athelstan fragt, welchem Bekenntnis er denn nun angehöre, meint dieser, er höre im ruhigen Wetter den testamentarischen Gott, in den Stürmen über dem Meer dagegen Thors Zorn.342 In dieser Aussage wird nicht nur der eklektische Impetus der Show neu aufgegriffen, die Möglichkeit der gleichzeitigen Auslebung mehrerer Religion vorgebend, sondern weiter die Theorie einer Herkunft der Religionen von natürlichen Umständen widergibt. So würden die Wikinger Odin und Thor verehren, da sie in einem harten Klima überleben mussten. Die Angelsachsen auf den ertragreichen Weiden Englands übernahmen im Kontrast dazu den Glauben an den neuen Gott. Montesquieus Theorie der naturabhängigen Kultur, hier als Glauben weitergefasst, lässt sich hinter Athelstans Worten wiederfinden.343 In einem spezifischen Moment der Serie erscheint das Christentum als Religion des Friedens, obwohl dessen Könige sonst als brutale Herrscher handeln. Dies wird in der oppositionellen Gegenüberstellung von Floki mit Athelstan symbolisiert. Der Erstere benimmt sich irrational, verspielt, verrückt, triebhaft, der Mönch ist eher ruhig, überlegt, rational. Floki sucht kontinuierlich nach Streit mit dem aus seiner Perspektive Nichtgläubigen, dieser möchte die Aversion aber nicht erwidern. Als Athelstan am Ende zu seinem alten Glauben zurückfindet, erkennt er, dass er sich für seine Überzeugung opfern muss. Im selben Moment wird Floki

340 Vikings, A King’s Ransom. 341 Vikings, Treachery. 342 Vikings, Choice. 343 Vgl. Montesquieu, Considérations, 148-149. 101 bewusst, dass er nur durch den Mord am Mönch Ruhe finden wird und fühlt sich infolgedessen im Namen der Götter dazu berufen. Beide erfüllen das Schicksal, das ihnen von der Serie auferlegt wurde. Das Christentum gibt sich dem Märtyrertod hin, während die nordische Religion diesen durchführt. In dieser Dichotomie bestätigt sich der Mythos des wilden Kämpfers, der ohne langfristige Planung im Leben handelt und aufgrund dessen im Kontrast zum Christen gezeigt wird. Dieser folge einem anhaltenden Prozess. Die Serie gibt ergo ein religiöses Narrativ wieder.344 Der Großteil der Show hält sich allerdings damit auf, Religionen zu dekonstruieren und deren Überzeugungen zu hinterfragen. Hirst beschreibt Gewalttaten im Namen einer überirdischen Macht als irrational. Als Konsequenz beschuldigt Ragnar Floki nach dem Mord an Athelstan, diesen aus Eigen- und Eifersucht, anstatt aus dem Willen der Götter heraus begangen zu haben.345 Gottesanrufungen im militärischen Kontext werden gleichfalls als erfolgloses Unterfangen dargestellt, was eine postmoderne Kritik durch Religion getroffener Entscheidungen sichtbar werden lässt. Als der Bischof beim Anblick der großen Wikingerarmee meint: „May God help us.“ antwortet König Aelle: „I fear he cannot.“346 In ähnlicher Weise wird beim unreflektierten Vorrücken der Wikingerarmee unter König Horik dessen Glauben in die Götter enttäuscht. Ragnar hatte auf den Hinterhalt hingewiesen, doch Horik argumentierte, sie hätten die wahre Religion auf ihrer Seite und könnten deshalb nicht verlieren.347 Ein fehlgeleiteter Glaube in militärischen Belangen wird generell als Stilmittel und Topos des Historienfilms sowie der modernen Historiographie verwendet, die den Kampf im Namen Gottes als moralisch verwerflich klassifizieren. Als weitere Widerlegung christlicher Geschichtsdeutung zieht Hirst die Vita des heiligen Ansgar heran. Als Beweis seines Glaubens und der Macht des christlichen Gottes, sollte der Märtyrer Königin Aslaug ein glühendes Schwert auf seinen baren Händen entgegenbringen. Die Serie visualisiert die heroische Vorstellung Ansgars, bevor sie ihn mit Verbrennungen auf den Handflächen scheitern lässt.348 „Vikings“ begibt sich ergo in die ideologische Tradition aufklärerischer Religionskritik im Zeichen eines westlichen Rationalismus. Aus diesem Grund inszeniert Hirst Ragnar als geistigen Vorreiter und schließlich Atheisten. Der Wikingerkönig verneint die nordischen Götter auf dieselbe Weise wie den christlichen

344 Vikings. Kanada/Irland 2015. 3. Staffel, 6. Episode: Born Again. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 26.3.2015. 345 Vikings, Mercy. 346 Vikinger, Vikings: Great Heathen Army. 347 Vikings, Choice. 348 Vikings. Kanada/Irland 2015. 3. Staffel, 9. Episode: Breaking Point. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 16.4.2015. 102

Glauben, bevor er durch die Hand von König Alle den Tod findet. Der Mensch, so Ragnar, sei auf sich allein gestellt und nur der eigene Wille zähle.349 Dieses Verständnis von humanem Leben erinnert an die Gedanken der Existenzialist*innen, auf einer egozentrischen Weltansicht im Sinne des cogito ergo sum aufbauend. Ragnars Ausspruch könnte ebenso von Friedrich Nietzsche stammen, da dieser durch das Ablegen der christlichen Sklavenmoral, die Erstellung eines freien Übermenschen herbeisehnte.350 Heidegger erkannte im tieferen Ich, den einzigen Garanten von Authentizität. Identität und Authentizität würden also eine überlappende Bedeutung erhalten, womit sie eine autonome, ohne Fremdreferenz noch überschirmende Glaubensbekenntnisse auskommende Existenz repräsentieren.351 Wenn Ragnar nun auch derartige existenzialistische Aussagen einer modernen Tradition in den Mund gelegt bekommt, orientiert sich die Serie selbst an den Paradigmen einer postmodernen, multiperspektivischen Sichtweise. In der Manier eines magischen Realismus lassen die Drehbuchautor*innen beide Religionen, die nordische und die christliche, in den Verlauf der Handlung direkt eingreifen. Athelstan wird immer wieder von göttlichen Erscheinungen in seinen Entscheidungen beeinflusst. Ragnar wiederum erhält den nordischen Hauptgott Odin als zeitweiligen Weggefährten, der schlussendlich die Botschaft seines Ablebens seinen Söhnen übermittelt.352 Die Show spricht der Religion ihre Daseinsberechtigung nicht ab und wählt die Darstellungsweise eines pluralistischen Verständnisses von Realität und Wahrheit im Sinne der Postmoderne. Es liegt abermals am*an der Zuschauer*in, aus dem Gesehenen Schlüsse zu ziehen sowie einen spirituellen Glauben als Lebenskonzept abzulehnen oder diesen als authentisch wahrzunehmen. Die Serie liefert keine eindeutigen Antworten auf Fragen nach kultureller sowie religiöser Sinngebung, durchaus mit dem Ziel, ein diverses Publikum anzusprechen. Vor allem der Dialog zwischen den verschiedenen Lebenskonzepten wird betont und deren strukturalistisch-geteilten Grundbedingungen unterstrichen. So meint Ragnar zu Athelstan bei einem gemeinsamen Gespräch: „Sometimes your god sounds a lot like one of our gods.“353 Die Beschreibung der nordischen Religion in magisch-realistischer Ausformung führte zu einem generellen Lob der Fans, eine Renaissance von antiken Göttern und mythischen Helden begrüßend. Der Auftritt Odins nach Ragnars Tod erhielt einen hervorzuhebenden positiven

349 Vikinger, Vikings – Odin. 350 Vgl. Kirchhoff, Jochen: Nietzsche, Hitler und die Deutschen. Vom unerlösten Schatten des Dritten Reiches. Berlin 1990, 175. 351 Vgl. Heidegger, Martin: Being and Time. New York 1962, 309. 352 Vikinger, Vikings – Odin. 353 Vikings. Kanada/Irland 2013. 1. Staffel, 5. Episode: Raid. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 31.3.2013. 103

Widerhall. GothicMixxx meint hierzu: „Ragnar was important enough for Odin to deliver the News....thats epic“354 Die User*innen, die einen derartigen Einsatz von „Mythologie“ befürworten, möchten eine Reise zurück in die Vergangenheit unternehmen, aber auch ein religiöses Universum erleben. Darin äußert sich der Wunsch nach einem tiefen Inneren und nach dem Erhabenen. So schreibt lone wolf: „I am Viking, I feel it in my soul ! Scoul my brother“355 Derartige Aussagen erhalten eine meist positive Reaktion seitens der anderen Kommentator*innen, wobei eine Minderheit, sich selbst als hauptsächlich rationale Individuen begreifend, Äußerungen persönlichen Glaubens kritisiert: „you are dellusional as fuck“356. Weniger bis keine rhetorische Unterstützung bei den untersuchten Videos erhielt ein christliches Weltbild. Es wurde eher als Gegner der nordischen Religion abgelehnt und als Zerstörer dieser ursprünglichen, authentischen Lebensweise diffamiert. Tarzee Says: fragt infolgedessen: „Is it me or native European religions/Gods were way more cool than Semitic Desert Cults.“357 Diese Meinung wird von einem Großteil der darauffolgenden Antworten geteilt, von einigen kritisiert. Der Satz manifestiert jedenfalls eine religiöse Bewegung, die bereits im frühen 20. Jahrhundert ihren Anfang genommen hat: die Wiederauferstehung der nordisch-germanischen Religion. Bereits 1911 hatte Otto Sigfried Reuter den Deutschen Orden im Sinne einer primordialen Religion neubegründet. Das Christentum lehnt er als naives Folgen einer nicht existierenden Vaterfigur ab, während die Feindesliebe einen Verrat an der eigenen Sache darstellen würde. Reuter geht nicht so weit, die germanischen Götter als neue Autorität einzuführen, sondern favorisiert eine Religion mit Siegfried als germanischem Heiland.358 Spätestens im Österreich der Zwischenkriegszeit verbreitete sich ein katholisch beeinflusster, rassistischer Okkultismus, der eine Synthese aus Gottesglauben und Herrenrasse erstellte. Als prominente Vertreter dieser Gesinnung sind Guido von List oder Jörg Lanz zu nennen. Deren ideologisch-religiösen Organisationen wurden jedoch von den Nationalsozialisten nach 1938 zerschlagen, da diese den Richtlinien der offiziellen Partei widersprachen.359

354 GotichMixxx. In: Vikinger, Vikings – Odin. 355 L'Orchestra Cinématique: VIKINGS THEME SONG - If I had a Heart [Soundtrack]. (Web: YouTube, 2017). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=FFWVjdS1Kz4 (Stand: 5.1.2020). 356 uhjjhh Irohygfggg. In: L'Orchestra Cinématique, VIKINGS. 357 Tarzee Says:. In: Vikinger, Vikings – Odin. 358 Vgl. Kipper: Germanenmythos, 295-297. 359 Vgl. Ebd., 338. 104

Nach dem Kriegsende wurden diese allerdings wiederbelebt und konnten Tochterinstitutionen begründen, unter anderem die Viking Jugend.360 Eine erneute Propagierung des germanischen Glaubens wurde hauptsächlich durch Adolf Schleipfers Armanen-Orden in den 1950ern losgetreten. Dessen Aufgabe bestand darin, völkisches Material zu verkaufen und dieses an die sich verändernden ideologischen Reglementierungen der Gesellschaft anzupassen. So wurde das Beharren auf „die eigene Kultur und Religion“ als angestrebter Ethnopluralismus dargestellt, in dem jedem Kollektiv sein eigener territorialer Bereich zustehe. Außerdem wurde ein Europa-Patriotismus betont, den der Armanen-Orden zumeist auf Kosten eines vermeintlich islamischen Ostens konstruierte. Europäisierung wurde nicht als nationalistisch, sondern als demokratisch veranschlagt, wenn auch der Grundtenor dieser Gruppierungen seine exkludierende Funktion beibehielt. Derartige Ansichten sind aus den gefundenen YouTube Kommentaren zu entnehmen:

„Will listening to these Music make a cross dressing men of today a Barbarian?No. If it did..Islamization wouldnt have dared to enter.at the first place. Now we read commemts as.how.great the.music.is and so on..when Men are so.feeble that.their spine is curved down.“361

Der Armanen-Orden sowie andere Organisationen nützten die New Age Bewegung, um neue Mitglieder zu gewinnen. Zahlreiche Teilnehmer*innen der 68er Proteste waren vom ausbleibenden sozialen Wandel enttäuscht worden, was sie nach einer spirituellen, inneren Veränderung suchen ließ. Germanisch religiöse Gruppen konnten dies mit einem offenen Interpretationsspektrum bieten und durch eine konstruiert lange, mythische Geschichte legitimieren. Dem Germanen- oder Wikingertum wurde eine weiter zurückreichende Existenz als dem Christentum zugesprochen, wodurch es als Ursprungsmythos ein höheres Maß an Authentizität erhielt. Elemente der ökologisch-feministischen Bewegungen dienten ebenfalls zu einer Zementierung dieses Standpunktes, womit sie eine Inklusion anderer Strömungen unterstützten. So sei das zivilisatorische Christentum der Urheber von patriarchaler Unterdrückung und der Zerstörung der Natur, während der Germane Achtung ebenso vor seiner Frau wie vor seiner Umwelt habe.362 Des Weiteren gibt das moderne Germanentum vor, rationaler als monotheistische Religionen zu sein und argumentiert bevorzugt mit historischen

360 Vgl. Schnurbein, Stefanie von: Transformationen völkischer Religion seit 1945. In: Schnurbein, Stefanie von (Hg.): Völkische Religion und Krisen der Moderne. Entwürfe "arteigener" Glaubenssysteme seit der Jahrhundertwende. Würzburg 2001, 409-429, hier 412. 361 Tamilwoods. In: L.C oo, Vikings sounds. 362 Vgl. Schnurbein, Transformationen, 415. 105

„Fakten“, sollte es darum gehen, das eigene Weltbild zu verteidigen.363 Auch in der YouTube Comment Section können derartige diskursive Strategie entdeckt werden. Dabei sind es vor allem Re-Enactment Organisationen, die eine Brücke von Mittelalterbegeisterten zu völkischem Gedankengut bauen.364 Religion wird also verwendet, um die ethnische Identität zu affirmieren, was ein duales Weltbild wie einen binären Begriff von Authentizität impliziert. Der inhärent transnationale Charakter von Religionen, betrachtet man zum Beispiel Christentum oder Islam, bewirkt in Opposition hierzu eine Vernachlässigung ethnischer Grenzen. Die User*innen auf YouTube sind sich uneinig über die genaue Verbindung zwischen ethnischer Abstammung und konfessionellem Glaubensbekenntnis. Dante Nyxxx erklärt beispielsweise, dass er zwar Mexikaner sei, aber trotzdem durch Meditation bei Wikingergesängen den Glauben Ásatrú, dem neu-alt germanischen Glauben, folge. Er erhält zahlreiche positive Rückmeldungen sowie Ratschläge zur Glaubensauslebung seitens der Community. Ein Schwede sagt, es erfreut ihn, wenn Menschen Interesse an der nordischen Kultur zeigen. Jemand anders empfiehlt einen örtlichen Schamanen aufzusuchen oder nach Skandinavien zu reisen, wo man eine besondere Verbindung zur Erde aufbauen würde. Ein selbstbezeichneter Chinese schließt sich dem halb- ethnischen Identitätskonzept an und elaboriert, er sei zwar Chinese, würde aber den Wikinger in sich aufgrund seines Charakters spüren. Ein weiterer Nutzer meint, die Wikinger wären dermaßen viel gereist, woraufhin sie so zahlreiche Kinder hinterlassen hätten, dass man gar nicht wissen könne, wer Wikinger sei und wer nicht.365 Diese Aussagen favorisieren einen offenen, religiös-spirituellen oder performativen Begriff von Identität, wodurch sie Dante Nyxxx eine Selbstbezeichnung als Wikinger „erlauben“. Nichtsdestotrotz spielen Regeln der Abstammung in diesen Argumenten weiterhin eine Rolle, werden hier allerdings gegen ein essenzialisierendes Narrativ eingesetzt. Andere Meinungen unterstreichen die ethnische, essenzielle Komponente einer germanisch- nordischen Religion: „No, Asatru is a Nordic ethno-religion and a Mestizo LARPs as a Viking is the goofiest shit I’ve heard all day. He would never make it to Valhalla.“366 Derartige rassistische Bemerkungen gegenüber den restlichen Aussagen veranschaulichen den konflikthaften Charakter von Diskussionen auf YouTube. Bei der Fan Gemeinde von „Vikings“ handelt es sich um keine homogene Gruppe mit einer gemeinsamen Gesinnung, sondern um ein diskursives, pluralistisches Forum, das sich in einem stetem Aushandlungsprozess befindet.

363 Vgl. Schnurbein, Transformationen, 421. 364 Vgl. Ebd., 415. 365 Mater Disciplina, Vikings. 366 Taylor Garza. In: Mater Disciplina, Vikings. 106

Religion wird in Verbindung mit Kultur zur Erstellung eines ontologischen Weltbildes benutzt. Der Glaube an die Wikinger kann als ethnischer Germanenmythos gesehen werden, der eine völkisch-spirituelle Dualität hervorhebt, oder als mythisches Barbarentum, das sich auf Charaktereigenschaften sowie Wertvorstellungen fokussiert. Diese Definitionen dienen allerdings nur als Überbegriffe einer allgemeinen Meinungsvielfalt, die als historiographische Konstante eine Rezeption der Völkerwanderung oder der Wikingerzeit umgeben. Der Germanenmythos lebt in diesen Narrativen fort und passt sich der jeweilig persönlichen Identität in Verbindung zu der spezifischen Authentizität an.

D) 3. c) Geschlechtliche Identität – Muskelbarbar und Schildmaid

Die geschlechtliche Identität als weitere Komponente einer multidimensionalen, kontextabhängigen Persönlichkeit ist eng mit Vorstellungen von Ethnizität und Religiosität verbunden. Dies mündet in einer binären Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit im Sinne des Germanenmythos oder der Rezeption der Wikinger. Die Wikinger erhalten, wie schon erwähnt, ein äußeres Bild, das dem des Germanen in seiner mythischen Darstellung gleichkommt. Die Mode der Wikinger passt sich jedoch eher dem jeweiligen Jahrzehnt der Filmproduktion als den tatsächlichen, historischen Gegebenheiten des Frühmittelalters an. Vergleicht man die „Vikings“367 der 1950er mit den Seeräubern des 21. Jahrhunderts, so gleichen sich diese bezüglich Haardesign, generellem Kostüm und Umgangsformen in geringem Ausmaß. Der Germanenmythos, hier repräsentiert durch die Rezeption der Wikinger, ist also wandelbar. Einige Konstanten, wie die physische Stärke, der lakonische Humor oder der Sinn nach Freiheit, blieben allerdings erhalten. Um ein Bild von Männlichkeit als Identität zu generieren, benötigt der mediale Diskurs ein definitorisches Gegenbild, das als Spiegel eine Selbstpositionierung erst ermöglicht. So werden in „Vikings“ Frauen als biologisch, charakterlich anders dargestellt. Die Historienfilme der letzten Jahrzehnte bemühten sich die schmale Gradwanderung zwischen dem Aufbrechen traditioneller Geschlechterrollen und einer egalitären Dekonstruktion binärer Kategorien zu meistern. Eine derartige paradoxale Formulierung wurde abermals gewählt, um ein breites Publikum anzusprechen. Eine starke Betonung weiblicher agency in herkömmlichen Medien führt in der Rezeption zu ablehnenden Bewertungen seitens der Anhänger*innen eines traditionellen Konzeptes und löst umgekehrt durch eine Beibehaltung starker Männlichkeits-

367 Fleischer, The Vikings. 107 sowie schwacher Weiblichkeitstopoi feministische Proteste aus. Dieser ideologische, machtkonzentrierte Konflikt floss in den Schreibprozess von „Vikings“ ein. Lagertha, die weibliche Protagonistin, wird zunächst als einfache Bäuerin, der Hausarbeit nachkommend und sich ihrem Mann unterordnend, gezeigt. Besonders in der Darstellung historischer Ereignisse wird eine Gleichstellung der Frau als ahistorisch wahrgenommen, obwohl Personen dieser Meinung nicht zwingend misogyne Standpunkte vertreten. In deren Konzept seien vergangene Epochen patriarchal gewesen, was indes aus moderner Sicht nicht unterstützt werden muss. Eine machtvolle Frau würde ein authentisches Bild und die Illusion einer historischen Zeitreise stören. Eine versuchte Mehrung weiblicher Beteiligung an historischen Vorgängen wird nicht ideologisch, sondern wissenschaftlich argumentierend abgelehnt. Die Serie versucht in Opposition hierzu anhand dreier weiblicher Protagonistinnen eine weibliche agency in der Geschichtsschreibung zu untermauern. Erstens wird Lagertha am Beginn der Serie als eine begehrenswerte, selbständige Frau dargestellt, durchlebt im Verlauf der folgenden Staffeln aber eine weitere Veränderung. Ist sie am Anfang noch darum bemüht, als Schildmaid zum Kampf zugelassen zu werden, nimmt sie ab der zweiten Staffel eine eigenständige Herrschaftsposition ein. In diesem Kontext werden ihre teils gewalttätigen Handlungen durch einen Drang zur Selbstbehauptung und zum persönlichen Überleben entschuldigt. Mehrere Male besitzt sie die Möglichkeit, sich in den Schutzbereich eines „starken“ Mannes zu begeben, an dessen Seite sie herrschen würde. Sie lehnt dies ab, indem sie ihr geschlechtliches Gegenüber schließlich hintergeht, um eine autonome Machtposition zu erlangen. „Vikings“ erzählt das Streben von weiblichen Charakteren (neben den männlichen, die weiterhin den Großteil der Handlung einnehmen) nach Selbständigkeit und einem persönlich begrenzten Raum, das sich je nach individueller Verfasstheit unterschiedlich äußert. Verfolgt das Publikum die biografische Geschichte der einzelnen Akteurinnen, erlebt es einen persönlichen Kampf um Identität. „Vikings“ lädt die Zuschauerschaft ein, sich durch einen emotionalen Identifizierungsprozess an diesem als historisch gezeigten Emanzipationsvorgang teilzunehmen. Ist es bei Lagertha die politische und die physische Macht, durch die sie ihre Autonomie erhält, so strebt die angelsächsische Prinzessin Judith vornehmlich nach Bildung. Die Erbin des Königreiches Mercia wurde an den Sohn des Königs von Wessex verheiratet. Als dieser allerdings von ihrer Affäre mit dem Mönch Athelstan erfährt, wandelt sich die bisher positive Beziehung zu einem Antagonismus. Ecbert tritt abermals als aufgeklärter Herrscher an die Seite Judiths mit dem Vorhaben, diese zu beschützen. Der Schwiegervater und dessen

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Schwiegertochter entwickeln daraufhin eine weitere Liebschaft, die auf Judiths betonter eigenständiger Entscheidung beruht. Als Gegenleistung für ihre sexuellen Dienste erhält sie eine Ausbildung in der Illustration liturgischer Bücher durch den zunächst widerwilligen Lehrer Prudentius von Tours. Bildung wird infolgedessen als Pfad der Selbstbestimmung demonstriert. Nichtsdestotrotz erlangt Judith ihre prominente Stellung am Hof und den Zugang zur Lehre letzten Endes nur durch sexuelle Annäherung and den Schwiegervater.368 Lagertha verzichtet im Gegensatz hierzu darauf, sich eine Machtposition durch den Beischlaf mit Männern zu erarbeiten. Ein weiteres Mal bespielt die Serie einen kulturellen Antagonismus zwischen nordischen und angelsächsischen Ländern. Während in den Territorien der Wikinger die Frauen geachtet werden, wodurch sie ermächtigt seien durch selbständiges Handeln in der lokalen Hierarchie aufzusteigen, seien angelsächsische Frauen weiterhin den Männern untergeordnet, erhalten folglich eine paradoxale Autonomie nur durch Unterwerfung. Eine derartige Dichotomie lässt sich durch die gewählte Kostümierung der Charaktere illustrieren. Die Schilmaiden tragen Kettenhemden wie ihre männlichen Mitstreiter, doch die englischen Prinzessinnen kleiden sich in seidene Stoffe. Sexualität und Gewalt werden in „Vikings“ als zwei unterschiedliche und doch ähnliche politische Werkzeuge dargestellt. Die nordische Kultur wird als vorteilhafte Alternative gegenüber einer westlichen Binarität formuliert. Eine dritte prominente weibliche Hauptperson stellt die fränkische Prinzessin Gisela dar. Deren Entwicklung im Verlauf der Serie umschreibt einen gänzlich anderen Werdegang. Sie erweist sich zunächst als mutige Verteidigerin der Stadt Paris, während ihr Vater, der eigentliche König, (ver)zweifelnd im Palast verweilt. Durch ihre Kreativität kommt es zur Schaffung der Oriflamme in Verbindung zur schlussendlichen Rettung der französischen Hauptstadt. Dabei gelingt es ihr den matrimonialen Avancen des Grafen Odo zu widerstehen und im Gespräch mit dem Vater die Oberhand zu behalten.369 Der fränkischen Gesellschaft, oder zumindest dem Bereich des Königshofes, wird somit eine höhere Geschlechtergleichwertigkeit bescheinigt, als dies im angelsächsischen Wessex der Fall war. Diese Darstellungsform wird im späteren Verlauf der Handlung beibehalten. Der König und Graf Odo zwingen Gisela zwar Ragnars Bruder Rollo zu heiraten, sie beharrt allerdings durch eine konstante Ablehnung der Vermählung auf ihre Autonomie. Am Ende muss Rollo sich kulturell wie charakterlich seiner Gemahlin annähern.

368 Vikings, Mercy. 369 Vikings, To the Gates! 109

Die Serie verfolgt ergo die Absicht, auf eine klassische Dichotomie der Geschlechter zu verzichten, wenngleich dies nur teilweise übernommen wird. So werden zahlreiche herkömmliche Topoi bespielt, die sich aus literarischen Quellen, intertextuellen Traditionen und konservativen Wertvorstellungen speisen. Die Serie versucht nicht nur eine weibliche agency in einer retroperspektiven Historiographie zu manifestieren, weil sie ebenso eine allgemeine Binarität der Geschlechter zu hinterfragen gedenkt. Ein erstes Indiz dafür liefert das Aufkommen von androgynen, geschlechtlich nicht eindeutigen Charakteren. Als Beispiel lässt sich in diesem Zusammenhang der Reisende Sigurd nennen. Dieser vermittelt zwischen den Wikingern und den Franken oder den Byzantinern, wirkt selbst jedoch keinem „Kulturkreis“ zugehörig. Fernerhin weist sein äußeres Erscheinungsbild ihn zwar als Mann aus, doch scheint er nicht deren Konviktionen oder Motivationen zu teilen. Seine Stimme klingt ebenfalls relativ hoch, während sein Körperbau mehr zierlich als muskulös ist, wie dies sonst von „Vikings“ inszeniert wird. Die Serie legte ein besonderes Augenmerk auf eine verwundbare Männlichkeit, die nicht dem konventionellen Bild eines Germanen oder Wikingers entspricht. War dieser in Gedanken und Gefühlen grobschlächtig, konnte er sich andererseits durch Kühnheit und Entschlossenheit auszeichnen. Die männlichen Akteure aus „Vikings“ werden aber durch Selbstzweifel geprägt, in deren Verlauf sie schwere innere Krisen durchmachen. Floki, der Schiffsbauer, befindet sich auf einer kontinuierlichen Suche nach einem festen Glaubenskonzept, wird hierin indes mehrmals enttäuscht. Seine Gestik und körperliche Haltung entsprechen nicht dem Typus eines Barbaren des Tacitus, sondern nehmen stattdessen eine androgyne Form an. Hvitserk, ein Sohn Ragnars, verfällt in der letzten Staffel dem Alkoholkonsum, da er mit einer problematischen Verarbeitung traumatischer Erlebnisse kämpft.370 Ivar the Boneless, ebenfalls ein Nachkomme des legendären Wikingerkönigs, leidet unter seinen lahmen Beinen, die ihm zunächst an einer Beteiligung am Spiel seiner Brüder hindern. Die anfängliche Behinderung entwickelt sich zu einem Komplex, der zu dem brutalen Verhalten Ivars führt. Zu guter Letzt, wird sogar Ragnar von Selbstzweifel begleitet und beginnt deshalb Drogen zu sich zu nehmen. Das soeben gezeichnete Bild von Männlichkeit entspricht mehr einer konfliktbehafteten Individualität als den vorgefertigten Stereotypen, durch die sich ein Mythos meistens auszeichnet. Die Wikinger der Serie „Vikings“ werden dennoch in Opposition zu einer konservativen Aufteilung einer westlichen Gesellschaft positioniert. Haben Tacitus und im Zuge dessen die Historiographen des 19. sowie frühen 20. Jahrhunderts die Hochachtung vor der Frau durch die

370 Vikings. Kanada/Irland 2013-2020. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment. 110

Germanen gelobt, in diesem Sinn eine Alternative zu einer römischen Teilung der Geschlechter unterstrichen, geht „Vikings“ einen Schritt weiter. Die charakterlichen und physischen Grenzen zwischen sexuellen, geschlechtlichen Identitäten werden undurchlässig. Das freizügige Verhalten der Wikinger gegenüber gesellschaftlichen Grenzen sowie dem Ausleben von Lust wird dabei als wild oder nicht einschätzbar illustriert. Der skandinavische Krieger entzieht sich in diesem Narrativ der festen Ordnung einer westlichen Gesellschaft und den schablonenartigen Taxonomien einer vermeintlich fortschrittlichen Zivilisation. Dies wird einem christlichen Fanatismus inklusive Triebverneinung positiv gegenübergestellt. Die Wikinger oder Germanen mutieren so zu einem historischen, europäischen Nobel Savage371, der Ähnlichkeiten zu einem Saidschen Orientalen372 aufweist. In diesem Kontext kommt es zu einer konstruierten Androgynisierung einer Gesellschaft, die dadurch als naiv, kindlich und als freier Sehnsuchtsort beschrieben wird. Infolgedessen gestalten sich die Wikinger oder die Schildmaiden als exotische, erotische Stereotype mit der Absicht, eine Fetischisierung seitens des*der Betrachter*in zu begünstigen. Ein solcher psychologischer wie kultureller Prozess lässt sich anhand einer Analyse der YouTube Kommentare aufzeigen. Eine Sexualisierung erhält einen hohen Anteil an den ausgezählten Wortmeldungen, der sich auf zwischen einem Zehntel und einem Drittel dieser beläuft. Darunter finden sich Bekundungen von offener Zuneigung oder Liebeserklärungen an bestimmte Charaktere. Im Zuge einer diskursiven Besprechung von Sexualität in der Comment Section kommt es weiters zur Manifestierung bestimmter Wertansichten. Eine Äußerung persönlicher geschlechtlicher Identität und sexueller Vorlieben unterstreicht einen Machtanspruch in Kombination mit einer Vereinnahmung öffentlichen, in diesem Fall digitalen, Raumes. Dabei kommt es zu Überlappungen von ethnischen Beschreibungen und Fetischisierungen anderer, was eine enge Verstrickung dieser beiden Entitäten beweist, die benützt werden, um ein kollektives Other beherrschbar zu machen. Auch die eigene ethnische Identität wird durch ein besonderes Verhalten gegenüber Sexualität, das als typisch für eine bestimmte Kultur erachtet wird, verstärkt: „Shiiiiiiiiiiiiit! I’m black and if that were me, I would be swirling like a mofo! Lmao! He is hot as hell! She’s buggin!“373 Der Fakt, dass es sich im Falle der Wikinger um eine historisch objektivierte Gesellschaft handelt, verneint jedoch nicht die Allgemeingültigkeit eines solches Prozess, noch die Möglichkeit einer Projektion historisierter Stereotype auf Menschen der Gegenwart. Rollos

371 Vgl. Harty, Savage, 119. 372 Vgl. Said, Edward: Orientalism. New York 1978. 373 Tokyo Gamma. In: severan1000, Rolo. 111

Körper in der bereits besprochenen Szene der Hochzeitsnacht mit Gisela wird folgendermaßen beschrieben: „He's such a beautiful alpha male. I'd be glad to have him in my bed!“374 „Now she can't stop riding that animal!“375 „Rolo would have had to fight me off. No way would I have passed up that wonderful example of male flesh.“376 YouTube Kommentare als Dispositiv diskursiver Lust werden nicht stets von anderen Teilnehmer*innen hingenommen. Aussagen über die persönlichen erotischen Sehnsüchte können in diesem Sinne Diffamierungen zur Folge haben: „cuz you have no dignity“377 „A hoe is gonna be a hoe lol“378 „dirty bitch“379 Die Szene zwischen Gisela und Rollo bewirkt neben einer sexuellen Objektivierung eine moralische wie generelle Bewertung der Handlungsweisen der Charaktere. Rollo erhält durch seinen Verzicht auf den ehelichen Geschlechtsverkehr allgemeines Lob, während Gisela für ihr Verhalten gerügt wird, denn als der Wikinger sich schlafen legt, beschwert sie sich nichtsdestotrotz. Eine derartige Darstellung, die durchaus allgemeine Stereotype bedient, ruft misogyne Reaktionen hervor: „For those of you who have not seen this episode. She tells him to go to sleep, then when he falls asleep she says "how dare you" Logic of a women, lol“380 Darauf aufbauend entspannt sich eine Diskussion, inwiefern es sich in dieser Szene um eine Vergewaltigung gehandelt hätte und welches sexuelle Verhalten angemessen wäre. Zahlreiche Kommentare weisen darauf hin, dass es sich hierbei um eine Zwangshochzeit handelte, womit sie versuchen eine Identifikation mit Gisela zu erwirken. Der Fokus liegt meist auf den Moralvorstellungen der „damaligen“ Zeit, diskutiert gegenwärtige gesellschaftliche Werte aber implizit mit. Ähnliches lässt sich über die Beteiligung von Frauen an der historischen Handlung feststellen:

“It would be appreciated if we saw tribute videos of Lagertha being an independent character from Ragnar, not just HIS QUEEN, HIS WIFE, HIS BLABLABLA. She is a hell of a strong and powerfull woman. She deserves a video only for herself.“381 „Indipide Lagherta...n a aucune autre dimension que de cautionner la pseudo violence des femmes à cette époque "puisqu il faut se démarger pour" déranger"*pour plaire..c est un rôle central bien décevant, convenu et fade. […] et ces scènes de propagande pro-Lagherta […].”382

374 Tiisiphone. In: severan1000, Rolo. 375 Gabriela Gagnier. In: severan1000, Rolo. 376 InnanasRainbow. In: severan1000, Rolo. 377 Gideondavid30. In: severan1000, Rolo. 378 Archons. In: severan1000, Rolo. 379 ALL KIIINDS. In: severan1000, Rolo. 380 Imani Lund. In: severan1000, Rolo. 381 Lillith jones. In: LittleFinger - VideoEditor: (Vikings) Lagertha // Queen Of Kattegat. (Web: YouTube, o. D.). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=BHANcPVuSyw (Stand: 5.1.2020). 382 „Langweilige Lagertha…sie hat keine andere Dimension als die Pseudo-Gewalt der Frauen in dieser Epoche zu verbürgen, „weil man muss sich entgrenzen, um zu stören“*um zu gefallen…diese zentrale Rolle ist sehr 112

Anhand dieser beiden Kommentare, wobei zweiteres als eine Antwort auf das erste fungiert, wird die Teilhabe des weiblichen Geschlechts an der Menschheitsgeschichte in Frage gestellt. Während Lillith Jones um eine autonome Erzählung der Figur Lagertha bittet, die sich nicht auf männliche Konterparts bezieht, spricht Michele Beaussart der Kriegerin ebendieses selbständige Handeln ab. Die Darstellung weiblicher agency, in diesem Fall durch YouTube Kommentare ausverhandelt, erzeugt prinzipielle Empörung in breiten Teilen des Publikums. Dies ist auf die auffällige Betonung von weiblichen Personen in der historischen Fiktion der letzten Jahrzehnte zurückzuführen. Einerseits ist die Thematik im medialen Diskurs um aktuelle Geschlechterpolitik vertreten, andererseits widerspricht eine derartige Beschreibung den konventionellen Geschichtsbildern. Da diese handlungstechnische Neuerung also dem eigenen Weltbild widerspricht und die bespielten Topoi als politisch motivierte diskursive Symbole erkannt werden, empfindet der*die Zuschauer*in das Gezeigte als Manipulation. Dies geschieht nur, sollte die Serie der bereits vorgefertigten Meinung des Subjektes oppositionell widersprechen. Weibliche Kriegerinnen gleichen folglich einer Störung einer historischen Authentizität. Dies hängt jedoch weniger mit eigentlichem Wissen um historische Tatbestände zusammen, sondern vielmehr mit intertextuellen Traditionen, die dadurch gebrochen werden. Eine stereotype Darstellungsweise von weiblichen Protagonistinnen im Historienfilm weist auf eine gewisse Ratlosigkeit und Ideenarmut der Filmschaffenden in der Kreierung weiblicher autonomer Charaktere hin, da diese selten auf literarische wie filmische Vorbilder zurückgreifen können. Die Geschichtskultur383 steht vor der Aufgabe, aktuelle kulturelle, politische Strömungen mit einem konventionellen Geschichtsbild, das als diskursunabhängig in den YouTube Kommentaren beschrieben wird, in Verbindung zu bringen. Geschichtsschreibung versinnbildlicht eine Legitimation des eigenen Standpunktes. Michel Foucault machte ironischerweise selbst Gebrauch dieses von ihm formulierten Prozesses. Er stellte antike, mittelalterliche Mentalitäten der bürgerlichen Verfasstheit gegenüber, um rigide geschlechtliche Binaritäten und sexuelle Wertvorstellungen als historisch zu dekonstruieren.384 Der Verweis auf eine freizügige Antike, vor allem mit Bezug auf Griechenland, wird im populären Geschichtsdiskurs allgemein benützt, damit eine moralische, sexuelle Triebverneinung entwaffnet wird. „Vikings“ zeigt die Wikinger als Spiegel gegenüber der

enttäuschend, gekünstelt und fad. […] und diese Szenen der Pro-Lagertha-Propaganda.“ Michele Beaussart. In: LittleFinger, Lagertha. 383 Siehe hierzu: Rüsen, Geschichtskultur? 384 Vgl. Foucault, Michel: Histoire de la sexualité. Bd. 1. La volonté de savoir. Paris 1976. 113 westlichen Gesellschaft, wie dies schon die taciteische „Germania“ gegenüber der römischen „Kultur“ tat. Als naturverbunden, gleichberechtigend und mit einer gesunden Beziehung zum eigenen Geschlecht sowie der eigenen Sexualität stehen sie einem urbanen, geschlechtlich hierarchisierten, verklemmten Christentum gegenüber. Die Fans teilen diese Ansichtsweise indes nur bedingt. Fest steht, dass die Rezeption der Wikinger verschiedene geschlechtliche Identitäten und damit verbundenen als authentisch wahrgenommene Weltbilder legitimiert. Diese decken sich entweder mit dem Bild von Frau und Mann im Sinne des Germanenmythos des 19. Jahrhunderts, oder befürworten gegenteilige Positionen. Eine inhaltliche Überlappung ist schlussendlich nicht zwingend gegeben.

Konklusion

Die vorhergehende Arbeit hatte zum Ziel, mögliche Ähnlichkeiten zwischen einer Rezeption der Wikinger und dem Germanenmythos des 19. Jahrhunderts aufzuzeigen. Um die Thematik nicht ausschließlich auf inhaltlicher Ebene zu bearbeiten, wurde eine Theorie entwickelt, die sich in ihren Prämissen zwar mit strukturellen Gebilden, wie etwa dem Diskurs Foucaults, gleicht, doch eine neue geistige Formulierung eines sozialen Weltbildes befürwortet. Dieses wird durch ein imaginiertes Dreieck symbolisiert, das sich aus den drei Termini Identität, Authentizität und Mythos zusammensetzt. Identität wird als eine Art persönliche Authentizität verstanden. Dies meint, dass das jeweilige Subjekt ein Lebenskonzept, eine Persönlichkeit und eine Innere Verfasstheit besitzt, die nur dieses auszeichnen. Diese Charakterisierung der eigenen Identität wird als Konstrukt angesehen, weil sei im Sinne des Autors als dynamisch, historisch sowie referentiell gilt. Eine solche Identität kann im spezifischen Fall auf andere Entitäten durch das jeweilige Subjekt projiziert werden. Unter dem Begriff Other fassen sich Individuen, Kollektive, Lebewesen, Objekte, Ideen und Institutionen zusammen. Alle Entitäten in ihrer Gesamtheit ergeben ein Weltbild, das der Mensch als unzerstörbar, kognitiv unbegreifbar oder unendlich wahrnimmt. Da nicht erfassbar, ist diese Konzeption ebenso nicht falsifizierbar. Authentizität wird als Konsequenz mit einer kulturellen Weltanschauung gleichgesetzt, auf soziale Ordnungen rekurrierend. Eine derartige Definition von Authentizität stellt eine symbolische Erzählung dar, die nach dem Schema eines Mythos funktioniert. Der Mythos als Erzählung benötigt in reziproker Weise die Konzepte Identität und Authentizität, um seine Kraft als narrative Struktur zu entfalten. Der Germanenmythos oder die Rezeption der Wikinger fußen auf diesem

114 begrifflichen Dreigespann, womit sie sich vor allem in ihrer Motivation ähneln, eine gesellschaftliche Ordnung zu konstituieren. In einem zweiten Schritt wurden der Germanenmythos und die Wikinger in ihrer modernen Wahrnehmung anhand ihrer historischen Entwicklung untersucht. Hier ließ sich feststellen, dass nicht nur die Form der mythischen Erzählung, die medialen Instrumente und die ideologischen Implikationen beider Narrative sich überlappen, sondern dass es zu einer inhaltlichen Fusion kommt. So wenden sich beide gegen eine urbane, pluralistische Moderne, indem sie sich auf ursprüngliche Werte berufen. Das Stereotyp des Barbaren und des Wikingers gleichen sich in Physik und Psyche, weshalb sie jeweils als Opposition zu einer zivilisierten Gesellschaft verwendet werden. Manche Wissenschaftler*innen oder Künstler*innen stilisierten die Wikinger als „Seegermanen“, wodurch sie eine gemeinsame Mythologie sowie ethnische Abstammung postulierten. In einem letzten Kapitel führte eine Analyse der YouTube Videos, der diskursiven Praxen auf der Plattform und der daraus resultierenden Identität(en) zu den schlussendlichen Ergebnissen. Die verschiedenen Beiträge ließen sich in sechs Kategorien, nämlich Musikvideos, Filmausschnitte, Montagen, Trailer, Reality Aufnahmen und dokumentative Geschichtsclips unterteilen. Die Anzahl an unterschiedlichen Weiterverarbeitungen der Serie anhand von Künstler*innen weist auf einen Deutungspluralismus hin. Dieser wird unterstütz durch flexible Kommunikationspraxen, die sich an das einzelne Genre anpassen. Digitale Praxen des Kommentierens lassen sich in diesem Kontext als Handlung der Vernetzung oder Abgrenzung zu anderen Entitäten, der Bewertung von Inhalten zur Legitimation der eigenen Deutungshoheit und der Beschreibung der eigenen Identität klassifizieren. Das einzelne Subjekt versucht dadurch seine Umwelt zu ordnen, aber auch digitalen Raum für sich einzunehmen. Diese persönlichen Prozesse hängen mit den individuellen Konzepten von Identität und Authentizität zusammen. Eine auf YouTube präsentierte Selbstdarstellung weist mehrere Facetten auf, die als Ganzes das Ziel einer holistischen Entität haben. Drei essenzielle Aspekte dieser bricolage sind ethnische, religiöse sowie geschlechtliche Positionierungen des Ichs. Eine Kombination der drei Teilbereiche folgt bestimmten Regeln, entwickelt indessen zunehmend arbiträre Dynamiken, wobei diese durch eine transnationale, pluralistische und performative Rezeption im digitalen Raum ermöglicht werden. Germanenmythos oder Wikinger werden dem jeweiligen Weltbild, der jeweiligen Authentizität angepasst. Das Publikum von „Vikings“ möchte eine Zeitreise durchleben, die sie allerdings nicht in die tatsächliche Vergangenheit, sondern in eine persönlich imaginierte Geschichte transportiert. Dies bereitet den Filmschaffenden Schwierigkeiten, da es sich bei den Fans um eine globale,

115 pluralistische Gesellschaft mit verschiedenen individuellen und kollektiven Gedächtnissen handelt, weshalb Künstler*innen versuchen eine Welt durch bestimmte Überzeugungsstrategien zu erschaffen. Befindet sich diese zwar in einem historischen Setting, so ist sie stets fiktiv. Überzeugungsstrategien wie Musik, beeindruckende Kulissen und attraktive Schauspieler*innen verhelfen zur Erbauung einer glaubwürdigen Welt, genauso wie detailgetreue Kostüme und historische Fakten Authentizität vermitteln sollen. Das mythische Denken stellt eine Alternative zum strukturierten Vorgehen dar. Der Mensch möchte zum Ursprung zurückfinden, den er als ontologische Vereinigung in Verbindung mit einer Aufhebung von rationalen Dichotomien betrachtet. Eine derartige Vorstellung wirkt befriedigend, weil sie als unauthentisch und unbegreiflich wahrgenommene Entitäten abschafft, womit sie das gefährlich Falsche bezwingt. Der Ursprung wird zum Mythos einer holistischen Sicherheit. Das Subjekt möchte durch die Auslebung einer bestimmten Identität, die in Verbindung zu Imaginationen von Authentizität steht, diesem Ort näherkommen, der oft als zeitlich zurückliegend angesehen wird. Während die Geschichtswissenschaft also versucht durch „objektive“ Forschung zu diesem Punkt zu gelangen, versucht subjektive Kunst durch eine mythische Erschaffung sämtliche Hindernis zwischen dem (post)modernen Individuum und dem harmonischen Zielobjekt zu überwinden. Hierauf begründet sich nicht nur die inhärente Motivation von Religion und Erzählung, sondern auch von Wissenschaft und Kunst. Durch kognitives oder mystisches Begreifen soll das als Authentizität wahrgenommene Unbegreifliche nahbar, kontrollierbar sowie verständlich gemacht werden. In diesem Kontext ist „Vikings“ inklusive einer romantisierten Weiterverarbeitung durch YouTube Mitglieder zu sehen. Germanen- oder Wikingermythos zielen in getrennter oder gebündelter Form auf eine Rückkehr zu einem sicheren Ursprung ab, in dem sich sämtliche Bedeutungen der verschiedenen Symbole der Kultur für die Zuschauerschaft emotional wie logisch erschließen. Durch mystisches Erzählen auf YouTube versuchen die Fans eine Reise zu den Wikingern, eine Reise nach Walhalla zu bewirken, ein Ort, den sich Germanenmythos und Wikingerrezeption teilen:

“Imagine you are on a Viking Boat with your fellow warriors. In front of you, among the mists you see a vague landscape... England. As you sail closer you see banners of your opponent flying high, waiting to fight you on the shores where you will land. The drums beat faster and louder as you get closer to shore. Valhalla waits.“385

385 Yrzel frostwind. In: Mater Disciplina, Vikings. 116

Danksagung

Anhand einiger Worte möchte ich mich bei all jenen Menschen bedanken, die mir während dem Masterstudium, aber auch im Schreibprozess der vorgegangenen Arbeit zur Seite standen. Mein erster Dank gebührt Univ.-Ass. Priv. Doz. Dr. Konrad J. Kuhn, der meine anfänglichen Ideen nicht nur durch konstruktive Vorschläge bereicherte, sondern auch wertvolle erweiternde Ansätze hinzufügte. Durch ein aufgeschlossenes Verständnis, stete Hilfsbereitschaft und einen freundlichen Umgangston nahm er dem Schreibprozess sein stresseinflößendes Potential. Ich möchte mich also hiermit recht herzlich für all die Unterstützung bei der finalen Arbeit sowie für den kontinuierlichen Lernprozess im Verlauf meines Studiums bedanken. Auch meiner Familie drücke ich meine Dankbarkeit aus, da sie mir stets zur Seite stand und mich durch aufmunternde Worte vorantrieb. In besonderem Maße möchte ich meine Mutter, DSA Elisabeth Pedrini, MA, hervorheben. Sie unterstütze mich mit einem offenen Ohr für etwaige Sorgen oder aufkommende Zweifel, da sie mit fruchtbaren Ratschlägen unter die Arme zu greifen wusste. Ohne ihre Hilfe hätte sich das Studium als eine viel höhere Hürde herausgestellt. Meinen Freundinnen und Freunden, Kommilitoninnen und Kommilitonen soll ebenfalls mein Bewusstsein um deren produktive Unterstützung versichert werden. In gegenseitiger Kooperation konnten wir einen Teil unseres Lebens gemeinsam bestreiten, wodurch wir uns gegenseitig beeinflussten. In diesem Sinne gilt es die gemeinsamen Gespräche mit Manuela Rathmayr hervorzuheben, in denen neben motivierenden Worten produktive Hinweise gegeben wurden. Wäre es dazu nicht gekommen, wäre die schlussendliche Form der Arbeit eine andere. All diesen Personen, die für mich bisher und auch weiterhin eine wichtige Rolle spielten und spielen werden, sei somit gedankt.

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Quellenverzeichnis

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Vikings. Kanada/Irland 2015. 3. Staffel, 8. Episode: To the Gates! History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 9.4.2015.

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Vikings. Kanada/Irland 2016. 4. Staffel, 3. Episode: Mercy. History Canada/Take 5 Productions/World 2000 Entertainment, 3.3.2016.

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134

Anhang

Quantitative Resultate der Comment Section des Genres: Soundtrack (9 Video-Beiträge) Praxen der Vernetzung

Zitate aus der Serie 33 Schlachtrufe, Trinksprüche, Aufrufe 75 Witze 7 Wikinger Witze 56 Anspielungen auf andere Serien, Video Spiele, Reale Ereignisse 65 oder Musikstücke Inhaltliche Informationen/Fragen 26 Aufruf, das eigene Kommentar unter bestimmten Bedingungen 1 zu liken Formulierung eines ethnischen, politischen oder kulturellen 22 Weltbildes mit vermeintlicher Allgemeingültigkeit Forderungen an die Show oder den*die Urheber*in des Videos 7 Links zu anderen Seiten/Videos 2 Kommentare gegen Dislikes 6 Praxen der Bewertung

Lob an das Aussehen der Schauspieler*innen 0 Lob an die Show 26 Lob an den*die Urheber*in des Videos 151 Lob an einzelne Charaktere 18 Kritik an der Serie oder dem Video Beitrag 15 Dankesbekundungen an die Urheber*innen des Videos 12 Praxen der Persönlichkeitsäußerung

Äußerung der eigenen Herkunft 29 Nennung des Jahres, in dem das Video eingesehen wurde 2 Äußerungen einer persönlichen Beziehung zur Serie 26 Ausdruck von Lachen/humorvollen Empfindungen 0 Ausdruck von erotischen Gefühlen 4 Ausdruck anderer Emotionen 39 Romantisch-poetische Schilderung von Sehnsucht 11 Beschreibung des eigenen Sehverhaltens 37 Unklare Praxen Kommentar in unbekannter Sprache 16 Unklare Aussagen 14

Insgesamt 700/900 (aufgrund deaktivierter Kommentare)

135

Quantitative Resultate der Comment Section des Genres: Filmszenen (5 Video-Beiträge) Praxen der Vernetzung

Zitate aus der Serie 49 Schlachtrufe, Trinksprüche, Aufrufe 15 Witze 38 Wikinger Witze 12 Anspielungen auf andere Serien, Video Spiele, Reale Ereignisse 12 oder Musikstücke Inhaltliche Informationen/Fragen 93 Aufruf, das eigene Kommentar unter bestimmten Bedingungen 1 zu liken Formulierung eines ethnischen, politischen oder kulturellen 9 Weltbildes mit vermeintlicher Allgemeingültigkeit Forderungen an die Show oder den*die Urheber*in des Videos 1 Links zu anderen Seiten/Videos 4 Kommentare gegen Dislikes 0 Praxen der Bewertung

Lob an das Aussehen der Schauspieler*innen 0 Lob an die Show 0 Lob an den*die Urheber*in des Videos 45 Lob an einzelne Charaktere 71 Kritik an der Serie oder dem Video Beitrag 17 Dankesbekundungen an die Urheber*innen des Videos 0 Praxen der Persönlichkeitsäußerung

Äußerung der eigenen Herkunft 1 Nennung des Jahres, in dem das Video eingesehen wurde 1 Äußerungen einer persönlichen Beziehung zur Serie 15 Ausdruck von Lachen/humorvollen Empfindungen 19 Ausdruck von erotischen Gefühlen 21 Ausdruck anderer Emotionen 47 Romantisch-poetische Schilderung von Sehnsucht 13 Beschreibung des eigenen Sehverhaltens 2 Unklare Praxen Kommentar in unbekannter Sprache 11 Unklare Aussagen 3

Insgesamt 500/500 (aufgrund weniger Kommentare unter diversen Beiträgen)

136

Quantitative Resultate der Comment Section des Genres: Montagevideos (4 Video-Beiträge) Praxen der Vernetzung

Zitate aus der Serie 34 Schlachtrufe, Trinksprüche, Aufrufe 4 Witze 23 Wikinger Witze 1 Anspielungen auf andere Serien, Video Spiele, Reale Ereignisse 13 oder Musikstücke Inhaltliche Informationen/Fragen 15 Aufruf, das eigene Kommentar unter bestimmten Bedingungen 2 zu liken Formulierung eines ethnischen, politischen oder kulturellen 5 Weltbildes mit vermeintlicher Allgemeingültigkeit Forderungen an die Show oder den*die Urheber*in des Videos 21 Links zu anderen Seiten/Videos 4 Kommentare gegen Dislikes 1 Praxen der Bewertung

Lob an das Aussehen der Schauspieler*innen 0 Lob an die Show 9 Lob an den*die Urheber*in des Videos 17 Lob an einzelne Charaktere 80 Kritik an der Serie oder dem Video Beitrag 35 Dankesbekundungen an die Urheber*innen des Videos 5 Praxen der Persönlichkeitsäußerung

Äußerung der eigenen Herkunft 1 Nennung des Jahres, in dem das Video eingesehen wurde 3 Äußerungen einer persönlichen Beziehung zur Serie 0 Ausdruck von Lachen/humorvollen Empfindungen 13 Ausdruck von erotischen Gefühlen 13 Ausdruck anderer Emotionen 22 Romantisch-poetische Schilderung von Sehnsucht 3 Beschreibung des eigenen Sehverhaltens 1 Unklare Praxen Kommentar in unbekannter Sprache 10 Unklare Aussagen 20

Insgesamt 355 von 400 (aufgrund weniger Kommentare unter diversen Beiträgen)

137

Quantitative Resultate der Comment Section des Genres: Trailer (4 Video-Beiträge) Praxen der Vernetzung

Zitate aus der Serie 19 Schlachtrufe, Trinksprüche, Aufrufe 6 Witze 23 Wikinger Witze 0 Anspielungen auf andere Serien, Video Spiele, Reale Ereignisse 18 oder Musikstücke Inhaltliche Informationen/Fragen 19 Aufruf, das eigene Kommentar unter bestimmten Bedingungen 2 zu liken Formulierung eines ethnischen, politischen oder kulturellen 19 Weltbildes mit vermeintlicher Allgemeingültigkeit Forderungen an die Show oder den*die Urheber*in des Videos 2 Links zu anderen Seiten/Videos 0 Kommentare gegen Dislikes 0 Praxen der Bewertung

Lob an das Aussehen der Schauspieler*innen 0 Lob an die Show 77 Lob an den*die Urheber*in des Videos 34 Lob an einzelne Charaktere 55 Kritik an der Serie oder dem Video Beitrag 53 Dankesbekundungen an die Urheber*innen des Videos 0 Praxen der Persönlichkeitsäußerung

Äußerung der eigenen Herkunft 5 Nennung des Jahres, in dem das Video eingesehen wurde 0 Äußerungen einer persönlichen Beziehung zur Serie 17 Ausdruck von Lachen/humorvollen Empfindungen 6 Ausdruck von erotischen Gefühlen 0 Ausdruck anderer Emotionen 8 Romantisch-poetische Schilderung von Sehnsucht 1 Beschreibung des eigenen Sehverhaltens 7 Unklare Praxen Kommentar in unbekannter Sprache 21 Unklare Aussagen 8

Insgesamt 400

138

Quantitative Resultate der Comment Section des Genres: Reality (2 Video-Beiträge) Praxen der Vernetzung

Zitate aus der Serie 1 Schlachtrufe, Trinksprüche, Aufrufe 2 Witze 7 Wikinger Witze 0 Anspielungen auf andere Serien, Video Spiele, Reale Ereignisse 3 oder Musikstücke Inhaltliche Informationen/Fragen 16 Aufruf, das eigene Kommentar unter bestimmten Bedingungen 1 zu liken Formulierung eines ethnischen, politischen oder kulturellen 0 Weltbildes mit vermeintlicher Allgemeingültigkeit Forderungen an die Show oder den*die Urheber*in des Videos 0 Links zu anderen Seiten/Videos 0 Kommentare gegen Dislikes 0 Praxen der Bewertung

Lob an das Aussehen der Schauspieler*innen 48 Lob an die Show 13 Lob an den*die Urheber*in des Videos 0 Lob an einzelne Charaktere 56 Kritik an der Serie oder dem Video Beitrag 16 Dankesbekundungen an die Urheber*innen des Videos 1 Praxen der Persönlichkeitsäußerung

Äußerung der eigenen Herkunft 2 Nennung des Jahres, in dem das Video eingesehen wurde 0 Äußerungen einer persönlichen Beziehung zur Serie 3 Ausdruck von Lachen/humorvollen Empfindungen 15 Ausdruck von erotischen Gefühlen 0 Ausdruck anderer Emotionen 1 Romantisch-poetische Schilderung von Sehnsucht 3 Beschreibung des eigenen Sehverhaltens 4 Unklare Praxen Kommentar in unbekannter Sprache 5 Unklare Aussagen 3

Insgesamt 200

139

Quantitative Resultate der Comment Section des Genres: Historische Aufklärung (1 Video-Beitrag) Praxen der Vernetzung

Zitate aus der Serie 3 Schlachtrufe, Trinksprüche, Aufrufe 0 Witze 6 Wikinger Witze 0 Anspielungen auf andere Serien, Video Spiele, Reale Ereignisse 3 oder Musikstücke Inhaltliche Informationen/Fragen 16 Aufruf, das eigene Kommentar unter bestimmten Bedingungen 0 zu liken Formulierung eines ethnischen, politischen oder kulturellen 1 Weltbildes mit vermeintlicher Allgemeingültigkeit Forderungen an die Show oder den*die Urheber*in des Videos 2 Links zu anderen Seiten/Videos 0 Kommentare gegen Dislikes 0 Praxen der Bewertung

Lob an das Aussehen der Schauspieler*innen 0 Lob an die Show 6 Lob an den*die Urheber*in des Videos 4 Lob an einzelne Charaktere 7 Kritik an der Serie oder dem Video Beitrag 44 Dankesbekundungen an die Urheber*innen des Videos 5 Praxen der Persönlichkeitsäußerung

Äußerung der eigenen Herkunft 0 Nennung des Jahres, in dem das Video eingesehen wurde 0 Äußerungen einer persönlichen Beziehung zur Serie 1 Ausdruck von Lachen/humorvollen Empfindungen 0 Ausdruck von erotischen Gefühlen 0 Ausdruck anderer Emotionen 0 Romantisch-poetische Schilderung von Sehnsucht 1 Beschreibung des eigenen Sehverhaltens 0 Unklare Praxen Kommentar in unbekannter Sprache 0 Unklare Aussagen 1

Insgesamt 100

140