Ausgabe 2021 KLASSISCH MODERN DAS MAGAZIN DER KLASSIK STIFTUNG

+ INTERVIEW Mutige Frauen am NEUE NATUR Das Grüne Labor Historische Gärten Weimarer Baumkunde und die Beziehung von und Parks Von lebenden Fossilien Mensch und Natur im Klimawandel und exotischer Pracht

KLASSIK STIFTUNG WEIMAR , unbekannter Künstler, um 1800 Künstler, , unbekannter NEUE Insel Ischia NATUR Experimente

Ausstellungen aus und eines Details Hauspurg, Jens an der Ilm, Foto im Park Gartenhaus aus Goethes Collage Debatten

klassik-stiftung.de/neue-natur 2021

KSW_NN2021_Anzeige_215x280mm.indd 1 05.01.21 11:50 EDITORIAL , unbekannter Künstler, um 1800 Künstler, , unbekannter NEUE Insel Ischia NATUR Experimente

Ausstellungen aus und eines Details Hauspurg, Jens an der Ilm, Foto im Park Gartenhaus aus Goethes Collage Debatten

Lori Nix: „Library“, zu sehen in der Ausstellung „Ich hasse die Natur!“ im Schiller-Museum Weimar

Horizonte öffnen – Menschen verbinden

Liebe Leserinnen und Leser, schaft von heute zu wirken. Vor diesem Horizont gestalten wir das Themenjahr 2021 „Neue Natur“. welche Welt hinterlassen wir unseren Kindern? Rund um unsere kostbaren Parkanlagen der Goethe- Diese existentielle Frage treibt auch die Klassik zeit stellen wir die spannungsreiche Beziehung Stiftung Weimar um. Als eine der bedeutendsten von Mensch und Natur in den Mittelpunkt. Seien Sie Weltkulturerbe-Institutionen Europas sind wir ver- gespannt auf das Grüne Labor – unseren Open-Air- antwortlich für eine einzigartige Dichte geistiger Pavillon im Park an der Ilm –, auf Ausstellungen, und künstlerischer Ressourcen aus über 500 Jahren Debatten und Experimente, auf die neue App Wei- Kulturgeschichte. Im Kern: das Spektrum von der mar+, Parkspaziergänge und Designworkshops. Weimarer Klassik um 1800 bis zu Bauhaus und Jetzt aber erst einmal – Vorhang auf für unser neu- moderner Kunst in der Weimarer Republik – es Magazin, vollgepackt mit guten Geschichten zu klassik-stiftung.de/neue-natur 2021 „klassisch modern“ eben! Gärten im Klimawandel und zur Prove- Künftig wollen wir mehr Haltung zei- nienzforschung über die DDR-Zeit, mit gen – auch zu aktuellen gesellschaftli- einer Baumkunde, Werkstattgesprächen chen Themen. Wir wollen zugänglicher und vielen Anregungen für Ausflüge. werden und Menschen zu offenem Aus- Eine begeisternde Lektüre wünscht tausch animieren. Mit unserem neuen Ihnen Leitbild verpflichten wir uns, nicht nur Verantwortung für unsere Geschichte zu Ihre Dr. Ulrike Lorenz übernehmen, sondern auch in der Gesell- Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar

KSW_NN2021_Anzeige_215x280mm.indd 1 05.01.21 11:50 INHALT

„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn, Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht ...“

Seit jeher symbolisieren Bäume Freude, Leid oder Melancholie. Aus der Lyrik der Weimarer Klassik sind sie nicht wegzudenken Die Parks und Gärten in Weimar sind lebende Museen – und heute 32 14 vom Klimawandel bedroht

Makerspace, Denkfabrik, Open-Air- Pavillon – das Grüne Labor ist vieles. Sie haben es entworfen

„Wir experimentieren mit 26 der Natur und wissen nicht, wie es ausgeht“

Der Wissenschaftler Mojib Latif über Landschaftsgärten im Klimawandel 22 6 Museen, Schlösser & Gärten der Klassik Stiftung Weimar

8 klassisch bis modern

10 Die Stiftung in Zahlen

11 Werkstattgespräch Was gibtʼs Neues, Frau Dr. Lorenz?

Schwerpunkt Neue Natur

12 Freizeit, Flirts und Fotografie Seit Jahren erforscht die Klassik Stiftung Weimar 12 Besucher*innen erzählen, warum die Herkunft der Objekte in ihren Sammlungen – sie den Ilmpark in Weimar besuchen zuletzt auch aus der DDR-Zeit 14 Trügerische Idylle Wie Dürre, Sturm und Insekten den jahrhundertealten Parks der Klassik 38 Stiftung Weimar zu schaffen machen

22 Das Experiment Natur Der Klimaforscher Mojib Latif über die Anpassungsfähigkeit von „Gropius’ Pflanzen, Tieren und Menschen Einladung an die 24 Grüne Empfindsamkeit Frauen war Die Gartenkunst begehbarer Landschaftsgemälde erst mal ernst gemeint” 26 Kein Bau für die Ewigkeit Im Grünen Labor soll das Verhältnis

Bauhaus-Expertin Anke zur Natur erforscht werden Blümm über Frauen an der Weimarer Kunstschule 32 Weimarer Baumkunde Von Pyramidenpappeln und 34 Pomeranzen

34 Tradition spielt eine Rolle Wie Frauen sich am Bauhaus behaupteten, weiß Anke Blümm Goethe geht baden – oder wie 38 Den Erinnerungen auf der Spur die kleine Residenzstadt Weimar Die Rückkehr der enteigneten von sich reden machte Kulturschätze der Familie Lemke 50 44 Veranstaltungskalender

Was juckt es Euch? Ihr seid der Herzog – lasst 48 Impressum sie doch lästern ... 50 Goethe in Weimar Die Graphic Novel MUSEEN, SCHLÖSSER & GÄRTEN DER KLASSIK STIFTUNG WEIMAR

ILLUSTRATION Nik Neves

KLASSISCH BIS MODERN

DIE AUSSTELLUNG Auf Tour mit Lyonel Feininger

Am liebsten erkundete Bauhausmeis- ter Lyonel Feininger (1871–1956) die alten Dörfer Thüringens per Rennrad. Die Abgeschiedenheit und die mys- tische Stimmung in den Dorfkirchen faszinierten ihn. Seine Eindrücke fing der gebürtige New Yorker zunächst mit dem Bleistift auf kleinen Zetteln ein, später arbeitete er diese im Atelier zu Holzschnitten oder Gemälden aus. Die graphische Radtour Feiningers ist eine Hommage an den Künstler, dessen 150. Geburtstag 2021 gefeiert wird, und seine Liebe zur Thüringer Landschaft.

„Bauhaus und Natur: Lyonel Feininger – mit dem Rad unterwegs“, vom 17.4. bis 8.8.2021 im Bauhaus-Museum Weimar → klassik-stiftung.de/bauhaus

STIFTUNG DIGITAL FOLLOW US DAS SOUVENIR

Entdecken Sie den Park an der Ilm Park an der Ilm #klassikstiftung Herzlich Willkommen im PARK AN Wie sah Nietzsches Schlafzimmer aus? DER ILM Wer gärtnert in der Orangerie des Schlosses Belvedere? Jeden zwei- Experimente Ausstellungen Debatten ten Donnerstag im Monat öffnen die Entdecken Sie den Neue Natur Park an der Ilm #kulTÜRöffner Kirsten Münch und Felix Zühlsdorf die Türen der Klassik Stiftung Weimar, die der Öffentlichkeit sonst Interviews Im Zeichen desverschlossen bleiben. Auf Instagram Klimawandelstreffen die Kulturvermittler Experten Experimente Ausstellungen Debatten und Expertinnen der Stiftung und be- Neue Natur antworten Userfragen live vor Ort. → instagram.de/klassikstiftung → klassik-stiftung.de/youtube

App in den Ilmpark Auf einen Wein mit Flanieren und lauschen: Die App Goethe und Schiller Weimar+ führt Besucher und Besucherin- nen auf einer digitalen Reise durch das Laden Sie doch mal Goethe und Schiller zu Bauhaus-Museum Weimar, das Museum sich nach Hause ein. Edle Tropfen werden Neues Weimar, das und zum besonderen Genuss, wenn Sie ihnen die das Nietzsche-Archiv. Nun geht die Dichter aufsetzen. Die Korken kommen aus Reise online weiter. Auf einem Rundgang Portugal, das Porzellan für die Büsten aus durch den Park an der Ilm erhalten Nut- der Manufaktur Rudolf Kämmer in Rudolstadt. zer und Nutzerinnen spannende Zusatz- informationen zum Gartendenkmal. 14,90 Euro pro Stück → klassik-stiftung.de/app → museumshop-weimar.de

8 DREI FRAGEN AN DAS EXPONAT Dr. Marcel Lepper „Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken.“ So sprach 1882 und übte sich rund sechs Wochen lang an der Schreibkugel, der ersten serienmäßig hergestellten Schreibmaschine.

Seit Juli 2020 sind Sie Direktor des Goethe- und Schiller- Archivs in Weimar: Welche neuen Ideen begleiten Ihre Arbeit? Historische Reflexion, Experimentierfreude, Dialog- fähigkeit: Ein gutes Archiv ist politisch hellwach, denkt gegenwärtig und kritisch.

Eines Ihrer Ziele ist, das Literaturarchiv für mehr Besucher und Besucherinnen zu öffnen. Was bedeutet das? Wir wollen unsere Türen für Schulen, Studierende, Initiativen und für ganz unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen öffnen.

Welche Handschrift im Goethe- und Schiller-Archiv mögen Sie am liebsten? Die Handschrift zum „Faust II“ – und die jeweils jüngste Neuerwerbung. Der Radar des Archivs kreist jeden Tag!

Dr. Marcel Lepper, Jahrgang 1977, ist Direktor des Goethe- und → klassik-stiftung.de/ Schiller-Archivs, des ältesten Literaturarchivs Deutschlands. schreibkugel

DIE BAUSTELLE Das Stadtschloss Weimar

Nachhaltig, multifunktional, flexibel: Das Stadtschloss Weimar als Teil des UNESCO-Welterbes wird derzeit in großem Stil saniert. Herausfordernd sind vor allem die jahrhundertealte Bausubstanz und die Brandschäden aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die historischen Schauräume im Ostflügel sollen 2024 eröffnet werden, ebenso der Festsaal, das Gentzsche Treppen- haus als Frühwerk des Klassizismus. Rund zehn Jahre wird der Bauprozess dauern. 500 Jahre Schlossgeschichte bekommen einen neuen Glanz und werden zum Herzstück der Bildungs- arbeit der Klassik Stiftung Weimar.

9 .

DIE KLASSIK STIFTUNG WEIMAR IN ZAHLEN 1,1 3.280 Millionen Bäume Medien können in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek wachsen im Park an der Ilm, ausgeliehen werden. Die Archiv- und Forschungsbibliothek für euro- darunter seltene Baumarten wie päische Literatur- und Kulturgeschichte ist öffentlich zugänglich. die Kaukasische Flügelnuss. 398 26,5 Mitarbeiter Kilogramm und Mitarbeiterinnen arbeiten in den unterschiedlichen Abteilungen wiegt das schwerste Buch der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Es der Klassik Stiftung Weimar, darunter Gärtnerinnen, Restauratoren und beschreibt die Krönung des Zaren Alexanders II. und Maria Bibliothekarinnen. Alexandrownas, misst 95 cm × 70 cm × 10 cm und erschien 1856. 265 681 Jahre Zentimeter beträgt das Alter des ältesten Baums im Park an der Ilm nach misst der Umfang des dicksten Baums Schätzungen. Die Eiche steht hinter Goethes Gartenhaus. im Park an der Ilm – eine Sommerlinde. 2.000 150 Blatt Hektar umfasst das Herbarium Johann Wolfgang von Goethes. Seine groß ist die gesamte Fläche der Park- und Gartenanlagen botanische Sammlung, darunter Blätter und Blüten der Schwertlilie der Klassik Stiftung Weimar. Das entspricht etwa der Größe oder des Mäusedorns, nutzte der Dichter zum Verfassen von Studien. von 210 Fußballfeldern. 3,31 230.000 Kilometer Objekte lang sind die LED-Leuchtbänder an der Fassade umfasst die Sammlung europäischer Graphiken vom 15. bis 21. des Bauhaus-Museums Weimar, Jahrhundert der Klassik Stiftung Weimar, darunter Arbeiten von die das Gebäude umspannen. Leonardo da Vinci und Andy Warhol.

10 WERKSTATTGESPRÄCH Was gibtʼs Neues, Frau Dr. Lorenz? Die Präsidentin der Klassik Stiftung über Zukunftsfragen und politische Wirksamkeit

INTERVIEW Julia Boek FOTO Axel Völcker

KLASSISCH MODERN: Frau Lorenz, und Differenzierung öffentlich Sie leiten die Klassik Stiftung wirksam zu werden. Das schließt Weimar seit August 2019. In den Streit um demokratische Prin- welchem Bereich wird Ihre neue zipien ein. Dabei wollen wir Orien- Handschrift am deutlichsten? tierung vermitteln und für Beson- ULRIKE LORENZ: In der neuen Stif- nenheit werben. tungsstrategie, also meiner Arbeit an der Zukunftsfähigkeit der Klassik Gerade wird das Stadtschloss Stiftung. Es geht darum, diese be- Weimar saniert. Was können wir deutende Kultur- und Forschungsin- in Zukunft erwarten? stitution stärker in der Gesellschaft Der Multifunktionskomplex Schloss und in der Gegenwart zu verankern. – ein zentraler Knoten im Kultur- Das heißt auch, eine Diskurswende netzwerk der Klassik Stiftung – zu gestalten – gerade in einer Zeit wird für Programm, Bildung und fragiler werdender Demokratien. Diskurs aktiviert. Hier werden zwei Es ist für mich wesentlich, die kul- partizipative Werkstattkomplexe turellen Ressourcen, für die wir und ein „Denkzentrum“ ebenso Verantwortung tragen, stärker als Raum finden wie die Graphischen geistiges Kapital für heutige Exis- DR. ULRIKE LORENZ Sammlungen und wechselnde Aus- tenzfragen zu aktivieren. Damit stellungen zu Schwerpunkten der Jahrgang 1963, ist seit August 2019 Präsidentin verbunden sind auch die Publikums- Weimarer Kunstbestände, auch mit der Klassik Stiftung Weimar. Zuvor leitete sie zehn orientierung und die digitale Trans- Jahre lang die Kunsthalle Mannheim. zeitgenössischen Impulsen. 2024 formation. wird ein erster Abschnitt mit den his- torischen Schauräumen und einem Könnten Sie Ihre Strategie kurz an atemberaubenden Geschichtsgewöl- einem Beispiel deutlich machen? be im Ostflügel eröffnet. Bestes Beispiel ist das Themenjahr 2021 „Neue Natur“. Alle Institutionen Die Stiftung versteht sich in ihrem Welche Sonderausstellung der Klassik der Klassik Stiftung wirken daran mit. Wirken politisch. Wie aber kann sie in Stiftung Weimar sollten unsere Leser Wir stellen erstmals unsere Gärten und Thüringen, wo bei den Landtagswah- und Leserinnen 2021 auf gar keinen Parks – die „Grüne Klassik“ als eminen- len 2019 die AfD zweitstärkste Kraft Fall verpassen? ten Bestandteil des UNESCO-Welterbes wurde, kulturpolitisch Verantwortung Empfehlen möchte ich unbedingt das „Klassisches Weimar“ – in den Mittel- übernehmen? Projekt „Ich hasse die Natur!“, das – be- punkt der Aufmerksamkeit. Ein moder- Indem sie sich zu ihrer eigenen Ge- nannt nach einem Zitat des Schriftstel- ner Pavillon, gebaut aus Naturabfällen, schichte bekennt und daraus Zukunfts- lers Thomas Bernhard – als Denkanstoß wird im Park an der Ilm zum „Grünen perspektiven entwickelt. Die Klassik und Kontrapunkt zu den paradiesischen Labor“. Es dient als Makerspace und Stiftung wurzelt im Zeitalter der Auf- Parklandschaften wirken soll. Die Aus- Treffpunkt, ist offen für Diskussionen, klärung und ist ohne das demokratische stellung wird das Schiller-Museum ver- Experimente und Entspannung. Insge- Grundverständnis unserer Gesellschaft wandeln und viele überraschende – kon- samt ist das Themenjahr wie eine Bien- undenkbar. Die Polarisierung im poli- troverse wie tröstende – Perspektiven nale angelegt. Statt einer einzigen Block- tischen Spektrum macht uns Sorgen. auf das Spannungsverhältnis zwischen buster-Ausstellung gibt es eine Vielzahl Jetzt heißt es, sich nicht in die seligen Mensch und Natur werfen. Am Schluss von Angeboten. Das Publikum geht mit Gefilde der Kultur zu verabschieden, des Rundgangs sind die Besucher und einer „Schatzkarte“ auf Entdeckungsrei- sondern mit unserer Expertise für Ge- Besucherinnen aufgefordert, ihre Option se durch eine Wissenstopographie. schichte und Kunst, für Weltoffenheit für die Zukunft zu wählen.

11 SCHWERPUNKT NEUE NATUR Warum besuchen Sie den Park

UMFRAGE Jeanette Miltsch an der Ilm? FOTOS Marcus Glahn

„Der Ilmpark ist für mich der perfekte „Im Park kann ich wunderbar entspan- „Der Park ist mein Arbeitsort, hier Ort zwischen Uni, Mensa und WG. nen. Hier erlebe ich die Jahreszeiten betreue ich Kinder. Obwohl viele Leute Es ist toll, Goethes Park-Ideen zu er- ganz nah. Seit Jahren beobachte ich, unterwegs sind, ist es schön ruhig und halten. Man sollte sie aber erklären.“ wie sich die Natur durch die Trocken- perfekt zum Lesen.“ Nele Mangels, 24, Urbanistik-Studentin heit verändert.“ Erika Lucena, 37, Studentin aus Brasilien, aus Hamburg Thomas Bleicher, 69, Rentner aus Weimar derzeit Kinderbetreuerin

„Eigentlich komme ich in den Park, um „Der Park ist mein großer Garten, ich „16 Jahre lang bin ich hier mit meinem die Grünanlagen zu pflegen. Stattdes- wohne nebenan. Schade, dass wir auf Hund spazieren gegangen, meist mit sen muss ich beschmierte Bänke rei- vielen Flächen nicht sitzen dürfen, anderen Hundehaltern. Durch die Nähe nigen und weggeworfene Hundebeutel schließlich ist der Park für alle da.“ des Parks zur Stadt verbringe ich oft und Pizzaschachteln aufsammeln.“ Jenny Kleine, 27, Medienkunst-Studentin meinen Alltag hier.“ Lutz Thielo, 55, Gärtner der Klassik Stiftung aus Leipzig Jayne Obst, 64, Übersetzerin, Stadtführerin aus Weimar aus Weimar

12 Er gilt als einer der kostbarsten Landschaftsgärten Deutschlands. Längst zählt der PARK AN DER ILM in Weimar zum UNESCO-Welterbe und gilt als besonders schützenswert. Wie verbringen die Besucherinnen und Besucher ihre Zeit im Park und was schätzen sie besonders an der grünen Oase?

„Im Heimatkundeunterricht bestimmen „Im Studium hatten wir unsere ersten „Ich fotografiere gern: Die Ästhetik wir hier Baumarten. Meine Schüler Dates hier. So einen gepflegten und und Großzügigkeit des Parks gefallen finden auch die Parkhöhle sehr span- ruhigen Park gibt es nicht oft. Damit mir sehr. Schön wäre ein kleiner Bier- nend. Nur Fußballspielen darf man im dieser Zauber erhalten bleibt, sollten garten irgendwo versteckt im Grünen.“ Welterbe-Park leider nicht.“ sich alle an die Parkregeln halten.“ Sönnich Detlefsen, 68, Rentner aus Angelika Kopera, 55, Grundschullehrerin Carsten Heinze, 30, und Yanli Dai, 30, Bau- Hamburg aus Weimar manager und -managerin aus Darmstadt

„Ich fahre täglich durch den Park zur „Ich komme her, seitdem ich denken „Wir radeln hier oft und lassen die Füße Arbeit. Vor allem im Sommer ist das kann, schon meine Mutter schob mich im ‚Ochsenauge‘ baumeln. Im Herbst großartig, denn die Fahrt durchs Grüne hier im Wagen spazieren. Heute sieht sammeln wir Kastanien und streicheln entspannt mich. Im Winter lockt mich man viele Menschen im Park, die sich die Schafe. Leider sind Slacklines im eher der Rodelhang.“ kaum Gedanken um den Erhalt des Welterbe-Park nicht erlaubt.“ Katrin Große, 50, Verkäuferin aus Weimar Welterbes machen.“ Charlotte Reinhold, 34, Vikarin, und Thomas Höfke, 69, Rentner aus Weimar Erstklässler Jakob, 7, aus Weimar

13 SCHWERPUNKT NEUE NATUR Trügerische Idylle

Einst verwirklichten Herzog Carl August und Johann Wolfgang von Goethe ihre landschaftsgestaltenden Ideen in den Parks und Gärten . 250 Jahre später sind die lebenden Museen vom KLIMAWANDEL bedroht. Unterwegs mit den Gärtnern der Klassik Stiftung Weimar

TEXT Karl Grünberg FOTOS Thomas Meyer

enn er bis ganz nach oben geklettert ist, bis in Der Meeresspiegel steigt – laut Bericht des Weltklimarats seit die Spitze der Eiche, etwa 30 Meter über dem 1880 um 25 Zentimeter. Und auch in Deutschland ist es durch- Boden, dann streckt Jörg Edel seinen Kopf durch schnittlich 1,5 Grad wärmer als noch vor 137 Jahren, wie es im W das Blätterwerk und hält einen Moment inne. Monitoringbericht der Bundesregierung von 2019 heißt. Bereits Der Baumkontrolleur genießt den Ausblick auf den Park an heute belasten Dürreperioden und immer neue Hitzerekorde der Ilm in Weimar: auf die weiten Wiesen, die geschwungenen Wälder, Seen und Flüsse der Bundesrepublik. Diese Entwick- Wege, den Turm des Stadtschlosses in der Ferne. Der Thüringer lung erreicht auch Thüringens Forste. Ob Fichte, Kiefer oder mag es, wenn der Wind den Baumwipfel sacht hin und her neigt. Buche, jeder zweite Baum im Freistaat ist „in seiner Vitalität Angst hat er keine: „Der Baum ist mein Freund“, sagt Edel. stark eingeschränkt“, heißt es laut Waldzustandserhebung 2019 Ausgerüstet mit einem Klettergurt, die Seile um den kräftigen Stamm geschlungen und mit Karabinerhaken gesichert, trägt ihn der Riese. „Hitze, Dürre, Krankheiten. Wenn ich Meist schneidet Edel dann auch die vielen vertrockneten zehn Jahre in die Zukunft denke, wird Äste ab, damit sie beim nächsten Sturm nicht herunterkrachen. mir angst und bange“ Er schaut sich die Größe und den Zustand der Blätter an, ver- sucht daraus zu schließen, wie gut der Baum mit Wasser ver- sorgt ist. Wie ein Notfallsanitäter – nur eben für Bäume: „Die des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirt- letzten Jahre waren hart“, sagt er. „Hitze, Dürre, Krankheiten. schaft. Nur 15 Prozent aller Waldbäume seien wirklich gesund. Wenn ich zehn Jahre in die Zukunft denke, wird mir angst und Auch der Park an der Ilm, die Schlossparks Belvedere, bange.“ Ob es dann noch genug Bäume geben werde, damit er Tiefurt und Ettersburg – allesamt denkmalgeschützte Land- seinen Job als Baumkontrolleur ausüben könne – er wisse es schaftsgärten der Klassik Stiftung Weimar und in die Welter- nicht. Ein Satz, der mitreißt, wie einer dieser plötzlichen Stark- beliste der UNESCO aufgenommen – sind vom Klimawandel regen, die alles wegspülen und zuletzt häufiger auftraten, wie betroffen. Noch heute sind diese lebenden Museen größten- Edel und auch der Klimabericht des Thüringer Umweltminis- teils so erhalten, wie sie vor etwa 250 Jahren angelegt wurden. teriums bezeugen. Um 1778 verwirklichte Herzog Carl August von Sachsen-Wei- Längst ist der Klimawandel da. An der Ostküste Austra- mar-Eisenach mit verschiedenen Hofgärtnern und Beratern liens, in Kalifornien oder Sibirien wüteten zuletzt großflächige seine Idee von einem modernen Landschaftsgarten im Ilm- Buschfeuer und Waldbrände. In der Antarktis schmilzt das Eis. park. Auch Johann Wolfgang von Goethe war daran beteiligt.

Mann mit Visionen: Revierleiter Erste Hilfe für die alte Eiche: Stefan Hupel setzt auf eine Seile sichern die Äste ihrer Krone eigene Baumschule auch vor Starkwinden Foto rechts: Thomas Müller, Foto oben: Alexander Burzik / KSW / Burzik Alexander oben: Foto Müller, Thomas rechts: Foto Auf den Wiesen vor Goethes Gartenhaus wird die Mahd mit schwerem Gerät durchgeführt. Unter Bäumen aber geht das nicht mehr

Wer aber wie viele der Besucherinnen und Besucher über die nige, Kriege und Dichter“, sagt Edel und legt seine Hand auf weitläufigen Wege des 48 Hektar großen Ilmparks läuft, be- die knorrige Rinde. Gepflanzt wurde die Eiche 1755. Spendete kommt von der Not des Parks kaum etwas mit. Gemächlich ihren Schatten also schon, als Johann Wolfgang von Goethe, fließt die Ilm vor sich hin, die Blätter an den Laubbäumen oder Johann Gottfried Herder hier entlang- scheinen so grün und schön wie eh und je, die Blumen in den flanierten. „Diese Eiche hat eine Menge mitgemacht“, Edel Beeten tragen farbige Blüten. Eine trügerische Idylle? Revier- zählt auf: „mehrere Astbrüche, mehrere Zurückschnitte, eine leiter Stefan Hupel muss über diese Frage lachen. „Das ist ja das Fäule ist drin, ein Pilz ist dran“. Vor einiger Zeit ließen sie einen Dilemma: Wir tun alles dafür, dass es schön und authentisch Gutachter kommen, der mit Mininadeln den Stamm anbohrte, aussieht. Daher sieht man die Probleme nicht.“ um den Widerstand des Holzes und damit den Grad der Fäule zu messen. Regelmäßige Kontrollen sollen sicherstellen, dass von n diesem Spätsommertag führen er und Baumkon- den Bäumen keine Gefahr, etwa durch umstürzende Stämme, trolleur Jörg Edel durch die Parks und Gärten der ausgeht. Im Zweifel bliebe nur das Fällen des Baumes. Klassik Stiftung Weimar, um ebendiese Probleme A sichtbar zu machen. Alle paar Meter bleiben sie stehen und zeigen auf Bäume und Sträucher. So wie im Park auf „Da kann man locker einen Medizinball die Eichen da hinten: „Da kann man locker einen Medizinball durch die Krone werfen, das darf durch die Krone werfen, das darf eigentlich nicht sein“, sagt eigentlich nicht sein“ Edel. Zwischen den Blättern klaffen große Löcher, durch die man den Himmel und die Wolken sehen kann. Die lichte Baum- krone, so der Fachbegriff, deutet auf einen kranken, schwachen „Wir können die Eiche noch ein bisschen stehen lassen“, sagt Baum hin. Auch hinter Goethes Gartenhaus, das Herzog Carl Edel erleichtert. Damit aber die schweren Äste nicht aus der August seinem Dichterfreund einst schenkte, steht eine dieser Krone brechen, sind sie hinaufgeklettert und haben diese mit

Foto rechts: Thomas Müller, Foto oben: Alexander Burzik / KSW / Burzik Alexander oben: Foto Müller, Thomas rechts: Foto uralten Zeitzeuginnen. „Was die schon alles erlebt hat – Kö- dicken Seilen gegen plötzliche Starkwinde gesichert. „Wir

1717 Ist dieser Baum noch zu retten? oben: Längst sind lichte Baumkronen ein gewohnter Um den Grad der Fäule zu messen, wird Anblick geworden. Unten: Baumpflege in 20 sein Stamm mit Mininadeln angebohrt Metern Höhe erfordert Balance und Geschick

kämpfen um jeden Baum.“ Ein Stückchen weiter ragen Baum- nannt. Doch ließe sich nicht Abhilfe schaffen, indem man die stümpfe aus dem Boden. Drei mächtige Blutbuchen standen Bäume einfach wässert? Edel überlegt einen Moment: „Bei den dort. „Sie stammten noch aus der Goethe-Zeit“, sagt Hupel, ganz jungen Bäumen machen wir das ja.“ Bei den älteren aber „im vergangenen Winter mussten wir die fällen“. Der Brand- sei es kompliziert: „Wir bräuchten solche Mengen an Wasser, krustenpilz hatte sich über die Bäume hergemacht. Der Pilz so viele Mitarbeiter, das bekämen wir nicht hin.“ bildet eine schwarzweiße Kruste, breitet sich über den ganzen Baum aus und zerstört dabei das Holz. Mit dem Klimawandel rtswechsel. Über Landstraßen geht es in östli- an sich hat der Pilz wenig zu tun, erklärt Edel. Trifft er aber auf che Richtung zum gut zehn Kilometer entfernten geschwächte Bäume, macht er kurzen Prozess. Landgut Oßmannstedt, das auch zur Klassik Stif- Ein schmaler Weg führt den Hang entlang. Hupel bleibt O tung Weimar gehört. Früher ein Rittergut, mach- vor einer jungen Linde stehen, nimmt fast zärtlich ihre Blätter ten Herzogin Anna Amalia und ihre Söhne das Gutshaus und in die Hand. „Viel zu klein, geradezu winzig, weil es zu we- den Park zwischen 1762 und 1775 zu ihrem Sommersitz. 1797 nig regnet“, sagt er. Am Hang weiter unten entdeckt er eine erwarb Christoph Martin Wieland, einer der bedeutendsten Dichter der Aufklärung, das Anwesen mit dem barocken Ge- bäudeensemble für sich und seine Familie. „Es ist erschreckend, wie schnell das alles Zweihundert Jahre später haben Hupel und seine Mit- passiert und wie die Bäume und Sträucher arbeiter hier Löcher ausgehoben, junge Linden eingesetzt und diese mit weißer Stammschutzfarbe „gegen Sonnenbrand“ be- nicht mehr mithalten können“ strichen. Eine Lindenallee soll entstehen, so wie zu Wielands Zeiten. Doch in den vergangenen Sommern war es so heiß, dass weitere Linde: „Ach Mensch“, murmelt der Revierleiter, die die Farbe die empfindliche, junge Haut der Bäume nicht mehr Äste des Baums sind „komplett zurückgetrocknet“, wie es im schützen konnte. Die Folge: Die Rinde platzte großflächig auf, Fachjargon heißt. Viele der Bäume würden schon jetzt, Mitte über die Hälfte der vielleicht 40 Gewächse haben sie deswegen September, ihr Laub abwerfen, weil sie von den Hitzeperioden erneuern müssen. Hupel läuft nun die junge Lindenallee ent-

gestresst und ausgelaugt sind. Das wird „der Herbsteffekt“ ge- lang, schaut sich die neu gepflanzten Bäume genauer an, bleibt Laif / Lengler Gregor rechts: Foto

18 plötzlich stehen und zeigt auf einen der Stämme. Schon wieder schen, weil dieser vielleicht besser mit Hitze und Dürre um- eingerissene Rinden, schon wieder aufgeplatzte Stellen. Er tritt gehen könne. Wie aber kann ein Park ein Gemälde sein, und näher an den Baum heran, inspiziert einen der Risse und stöhnt: was haben sich die Künstler dieses Gemäldes dabei gedacht? „Sogar ein Splintkäfer hat sich eingenistet.“ Ein Schädling, der Franziska Rieland überlegt: „Herzog Carl August wollte einen die Rinde und den Stamm aufbohrt und Gänge anlegt, die Pilze und Fäule begünstigen. „Es ist schon erschreckend, wie schnell das jetzt alles „Die Parks sind wie Gemälde, jeder Baum passiert und wie die Bäume und Sträucher nicht mehr mithalten und jede Gehölzgruppe hat eine wichtige können“, sagt Hupel. Trotzdem: Aufgeben wollen der Revier- leiter, der Baumkontrolleur und auch die anderen 32 Mitarbei- Bedeutung für das Gesamtkunstwerk“ terinnen und Mitarbeiter der Abteilung Gärten der Klassik Stif- tung Weimar nicht. „Im Gegenteil. Wir fangen jetzt erst richtig Ort erschaffen, an dem die idealisierte Gestaltung der Natur an“, sagt Edel, und Entschlossenheit klingt aus seiner Stimme. als Gartenlandschaft Empfindungen bei den Betrachtern aus- löst.“ Das bedeutet: Die Besucherinnen und Besucher sollten ranziska Rieland ist kurz angebunden. Die Referentin durch emotional anregende Stimmungsbilder wandeln. So wie für Gartendenkmalpflege spricht schnell und erklärt am Römischen Haus beim Blick vom Hang aus ins helle Ilmtal dabei präzise. „Die Parks sind wie Gemälde“, sagt mit seinen satten, grünen Wiesen und in den weiten Himmel F Rieland. „Jeder Baum und jede Gehölzgruppe hat „Heiterkeit empfinden“. Oder sich beim Spaziergang durch die eine wichtige Bedeutung für das Gesamtkunstwerk.“ Da könne dichten, dunklen Waldpartien dahinter melancholisch-schau- man nicht einfach einen Baum gegen einen anderen austau- erlich fühlen. „Wenn sich der Baum im Herbst gelb verfärbt,

Blick vom Römischen Haus ins Ilmtal: Angelehnt an die Architektur römischer Villen wurde das Gartenhaus zwischen 1792 und 1797 für Herzog Carl August erbaut Foto rechts: Gregor Lengler / Laif / Lengler Gregor rechts: Foto

19 der gegenüber aber rot und die dahinter orange, dann passiert Arbeitsablauf. Früher, erzählt er, hätten sie den Rasen ein- das nicht zufällig, sondern ist Teil des Gemäldes, das je nach fach gemäht und den Schnitt abgenommen. Heute werden die Jahreszeit seine Farben ändert“, weiß Rieland. Grashalme zerkleinert und wieder in den Boden eingearbeitet. Und wenn neben der Grotte der Sphinx Fichten stehen, dann un- „Das schützt vor Austrocknung und gibt Nährstoffe zurück“, terstreichen diese Bäume das Mythologische dieser Skulptur. sagt Hupel. Der Nachteil: Sie müssen jetzt öfter mähen, da der „Wenn die Fichten sterben, weil es zu trocken ist, müssen wir Rasen sonst zu lang für die Mähmethode wird. Früher seien dort trotzdem wieder Fichten anpflanzen“, sagt sie. Das klinge jetzt vielleicht paradox. Aber genau das sei es, was die Gärten so einzigartig mache. Wer in ihnen spazieren geht, befindet „Die Pflege dieser einzigartigen sich auf einer Zeitreise durch vergangene Epochen. Landschaftsgärten ist eine

chtung, Ast fällt“, ruft einer der beiden Baumklet- Jahrhundertaufgabe“ terer. Die Baumpfleger hängen 20 Meter über dem Boden, der eine in einer Buche, der andere in einer sie auch mit schweren Maschinen unter den Bäumen herumge- A Linde, schlanke Bäume mit ausladender Krone. Sie fahren. Doch das gehe nun nicht mehr, man wolle den Boden schneiden vertrocknete Äste vom Stamm, damit diese den Be- nicht unnötig verdichten. Auch die Blätter unter den Bäumen sucherinnen und Besuchern neben Goethes Gartenhaus nicht sammeln sie nicht mehr auf, sondern zerkleinern sie und las- auf den Kopf fallen. Vor drei Jahren hat die Stiftung die Garten- sen sie auf der Erde liegen. abteilung mit einem Baumkontrolleur verstärkt und zuletzt ein Dort, wo es nötig ist, düngen sie, natürlich gezielt, indem Baum-Team aufgebaut – als eine von mehreren Strategien, um sie Injektionen in den Grund und damit direkt an die Wurzeln den Park am Leben zu erhalten. setzen. Dadurch werde dann der Boden belüftet und gelockert. Denn Revierleiter Hupel weiß, dass die Zeit läuft. Re- Angereichertes Kohlendioxid könne entweichen. So bleibe der gelmäßig tauscht er sich deshalb mit Kolleginnen und Kol- pH-Wert des Bodens ausgeglichen. Eines wird hier klar: Der legen anderer Landschaftsgärten aus, informiert sich über Beruf der Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner – längst er- die neuesten Entwicklungen in der Baumpflege, prüft jeden fordert er Einfallsreichtum.

Weiß, welche Stimmungsbilder Landschafts- Wirkt mystisch inmitten von Tannen und gärten erzeugen: Franziska Rieland, Fichten: die Ruine der Großen Grotte im Referentin für Gartendenkmalpflege Schlosspark Belvedere Foto rechts: Thomas Müller, Foto oben: Klassik Stiftung Weimar Stiftung oben: Klassik Foto Müller, Thomas rechts: Foto

20 Die Beweidung der gräser- und krautreichen Wiesen im Ilmpark durch Schafe ist schön und optimal

irklich Hoffnung kommt bei Stefan Hupel auf, eine Jahrhundertaufgabe“, sagt Franziska Rieland. Erhalten und wenn er auf den kleinen Acker unterhalb des bewahren, so verstehen sie ihren Auftrag. Nun aber Schluss für Schlossparks Belvedere und seiner Orangerie heute. Morgen früh um 7 Uhr geht es schon wieder weiter: Bäu- W schaut. Hier haben seine Kollegen und Kollegin- me pflegen, den Park retten – und nicht die Hoffnung aufgeben. nen zwei etwa 100 Meter lange Testreihen mit verschiedenen Jungbäumen angelegt. Denn während sich die Zitruspflanzen im Schlosshof bei hohen Temperaturen richtig gut fühlen, sol- len sich die Bäume auf dem Ackerstreifen an Hitze und Dürre gewöhnen. Standortanpassung nennt sich das. Hupel geht von DAS ENSEMBLE KLASSISCHES WEIMAR Baum zu Baum, manche reichen ihm bis an die Knie, andere Zur UNESCO-Welterbestätte mit Fürstengruft. Auch die schon bis an die Schulter. Er streicht über Blätter und Stämme: „Klassisches Weimar“ zäh- Herzogin Anna Amalia Biblio- „Das sind Bäume von hier.“ Gezogen aus Samen, die auf den len das Goethe-National- thek mit ihrem berühmten Parkböden zu keimen anfingen. Keimlinge, die sich durchset- museum mit Wohnhaus und Rokokosaal ist Teil des Welt- zen konnten. So wachsen nun Jungbäume heran, die vielleicht Garten des Dichters, Schil- erbes. Die UNESCO begrün- lers Wohnhaus und die dete die Aufnahme der eine Chance habe – im Gegensatz zu den Bäumen, die sie der- Stadtkirche mit Herderhaus Gebäude und Parks auf die zeit noch aus externen Baumschulen nachkaufen müssen. Viele und Altem Gymnasium. Liste des Welterbes 1998 dieser Bäume gingen nach ein paar Jahren wieder ein. Die zwei Weitere Welterbestätten mit der „großen kunsthisto- Baumreihen sollen erst der Anfang sein. Hupel hofft, dass der sind das Wittumspalais, das rischen Bedeutung öffentli- Stadtschloss, der Park an cher und privater Gebäude Gartenabteilung der Aufbau einer richtigen Baumschule gelingt. der Ilm mit Römischem und Parklandschaften aus Auch wenn es sich an manchen Tagen wie ein Kampf gegen Haus, Goethes Gartenhaus, der Blütezeit des ‚klassischen Windmühlen anfühlen mag – bei Hupel, Edel und Rieland ist der Schlosspark Belvedere Weimar‘“ sowie mit der die Liebe für die Parks zu spüren. Was sie antreibt? Der Ne- mit Schloss und Orangerie, „herausragenden Rolle die Schlösser und Schloss- Weimars als Geisteszentrum bel am Morgen, der Tau in den Wiesen oder die Schafe, die die parks Tiefurt und Ettersburg im späten 18. und frühen Wildwiese abgrasen, sagen sie. Vor allem aber die Größe ihrer und der historische Friedhof 19. Jahrhundert“.

Foto rechts: Thomas Müller, Foto oben: Klassik Stiftung Weimar Stiftung oben: Klassik Foto Müller, Thomas rechts: Foto Aufgabe: „Die Pflege dieser einzigartigen Landschaftsgärten ist

21 SCHWERPUNKT NEUE NATUR „Wir dürfen uns nicht weiter von der Natur entfremden“

INTERVIEW Karl Grünberg FOTO Kristina Steiner Sollte es uns nicht gelingen, den weltweiten Kohlenstoffdioxid-Ausstoß drastisch zu verringern, könnten kulturhistorische Parklandschaften schon in 50 Jahren verloren sein, sagt Klimaforscher MOJIB LATIF. Ein Interview über die Grenzen der Anpassungsfähigkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen

KLASSISCH MODERN: Herr Latif, die Klimakrise bedroht zu schnell. Ökosysteme wie Wälder haben da kaum eine Mensch und Ökosysteme: In Kalifornien brannten zuletzt Chance, sich anzupassen. Oder schauen wir ins Meer: Wir große Waldflächen, aber auch in Thüringen starben seit befürchten, dass die Korallenriffe bis 2040 abgestorben sein 2018 etwa sieben Prozent der gesamten Waldfläche infolge werden, sollte die Erderwärmung ungebremst voranschrei- von Trockenheit und Schädlingen ab. Welche Auswirkun- ten. Korallenriffe sind so etwas wie die Regenwälder des gen der Erderwärmung werden in den nächsten Jahren auf Meeres. Natürlich gab es in der Geschichte der Erde immer uns zukommen? den Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten, aber dieser MOJIB LATIF: Wir stecken mitten im Klimawandel, Deutsch- Wechsel dauerte Jahrtausende. Diese Entwicklung machen wir land ist wärmer geworden. Die durchschnittliche Jahrestem- jetzt vielleicht in 100 Jahren durch. peratur hat sich seit der Wetteraufzeichnung um 1,5 Grad erhöht. Auch die Anzahl der Hitzetage hat zugenommen. Können die Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner denn Hitzetage sind jene Tage, an denen es mindestens 30 Grad überhaupt nichts tun, um den neuen Wetterextremen zu warm wird. Andersherum nehmen die Eistage ab, also Tage, begegnen? an denen die Temperatur durchgängig unter 0 Grad liegt. Ei- Es gibt immer Stellschrauben, an denen man in den nächsten nige Regionen in Deutschland leiden unter Dürreperioden. Jahren drehen kann – zum Beispiel eine intelligente Bewäs- Gleichzeitig kommt es vermehrt zu extremen Wetterereignis- serung. Denn eigentlich haben wir in Deutschland noch ge- sen: Starkregen und Überschwemmungen. So ein Starkregen nügend Wasser. Doch all das wird wenig bringen, wenn wir gleicht die durchschnittliche Niederschlagsmenge vielleicht den weltweiten CO2-Ausstoß nicht drastisch verringern und aus, doch ein ausgetrockneter Boden kann das Wasser gar so weitermachen wie bisher. Wir führen gerade ein Experi- nicht aufnehmen. Es fließt einfach ab. ment mit der Natur durch und wissen nicht, wie es ausgeht. Ich befürchte, ohne Umkehr wird es solche Parks in 50 Jahren Was bedeuten diese Wetterextreme für jeden Einzelnen nicht mehr geben. von uns? Dass wir auf dem besten Weg dahin sind, dass bestimmte Der Park an der Ilm in Weimar, so wie Goethe ihn gemein- Regionen für den Menschen unbewohnbar werden könnten. sam mit Gartenkünstlern seiner Zeit anlegen ließ, ist ein Eine aktuelle Studie zeigt, dass es in 50 Jahren auf 19 Prozent lebendes Kunstwerk, in dem jeder Baum zu jeder Jahreszeit der globalen Landfläche eine Jahresdurchschnittstempera- eine gestalterische Aufgabe hat. Können wir hinsichtlich tur von mehr als 29 Grad Celsius geben könnte, wodurch die des Klimawandels überhaupt noch den Anspruch erheben, Menschen ihre „ökologische Nische“ verlassen würden. Es etwas zu bewahren, das vor 250 Jahren erdacht und bis heu- wäre schlicht zu heiß, um dort zu leben. te erhalten wurde? Den Anspruch kann man sicher erheben, doch werden wir lei- Kulturhistorische Parklandschaften in Deutschland gibt es der an die Grenzen der Anpassungsfähigkeit von Pflanzen, seit gut 300 Jahren. Sie sind Denkmäler Tieren und Menschen stoßen. Was beson- der gärtnerischen Landschaftspflege ders schade ist, da Landschaftsgärten wie und gleichzeitig eine Art lebendes Ar- der Ilmpark Stätten der Begegnung und PROF. DR. MOJIB LATIF chiv alter Baumarten. Worauf müssen des Friedens sind. Es ist ein Gesamtkunst- wir uns in Zukunft in Sachen Parkpflege Jahrgang 1954, in Hamburg werk, das es zu erhalten gilt, weil sich hier einstellen? geboren, ist Meteorologe, die Natur von ihrer schönsten Seite zeigt der zu den führenden Klima- Eben auf all das: Dürre, starke Nieder- und jeder erkennen kann, was es zu lieben forschern in Deutschland schläge, temporäre Überschwemmungen, zählt. Seit 2003 ist er Profes- und zu schützen gilt. Wir dürfen uns nicht mehr Baumkrankheiten und mehr invasive sor der Christian-Albrechts- weiter von der Natur entfremden, sondern Insektenarten, die sich durch die zuneh- Universität zu Kiel und leitet müssen lernen, was für ein Wunderwerk am GEOMAR Helmholtz-Zen- mende Wärme auch in Deutschland aus- sie ist und welche Schönheit von ihr aus- trum für Ozeanforschung breiten. Wir gehen in eine ungewisse Zu- Kiel den Bereich Maritime geht. Ich wünsche mir sehr, dass die Land- kunft: Wir werden Verhältnisse erleben, Meteorologie. schaftsgärten und unsere Natur erhalten die wir nicht kennen. Die Dinge passieren bleiben.

23 SCHWERPUNKT NEUE NATUR Grüne Empfindsamkeit

Aufregend war der Besuch des PARKS AN DER ILM in Weimar ab den 1770er Jahren. Denn mit ihren bahnbrechenden Ideen nach dem Vorbild englischer Gärten gestalteten Herzog Carl August und Johann Wolfgang von Goethe die Landschaft neu

TEXT Klara Schubenz ILLUSTRATION Nik Neves

Begehbare Landschaftsgemälde Der Barockgarten Barocke Gärten, wie Seit langer Zeit befanden sich in der Umgebung des Weimarer Stadt- von Schloss Ver- schlosses Gärten. Nachdem es 1774 lichterloh abgebrannt war, musste sailles, versinn- die Hofgesellschaft ihre Geselligkeiten notgedrungen auch in die Natur bildlichten die verlegen – ein neues Kapitel der Landschaftsgestaltung begann. 1776 Beherrschung der Natur bzw. den schenkte Herzog Carl August Goethe ein Gartenhäuschen im Ilmtal. königlichen Abso- Bald schon begann Goethe hier mit Verschönerungsarbeiten, die sich lutismus. Beete und auch auf das Ilmtal ausweiteten. Vorbild war nun die englische Gar- Wege sind in symme- tenkunst, die sich – anders als bei den bisher geltenden Gestaltungs- trischen Achsen ange- legt, Bäume und Pflan- prinzipien der Barockgärten – dem Ideal der „natürlichen Landschaft“ zen in künstlichen For- verschrieb, die jetzt als ästhetisch wahrgenommen wurde. Abwechs- men geschnitten. Der lungsreiche Eindrücke durch geschlängelte Pfade oder die Betonung des Parkbereich des frühe- freien Blickes in alle Himmelsrichtungen sollten Besucher und ren sogenannten Stern- gartens zeugt noch Besucherinnen in ein „begehbares Landschaftsgemälde“ heute von dieser Epo- eintauchen lassen. Wichtige Inspirationsquelle war der che. Wörlitzer Park von Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, den die Weimarer Hofgesellschaft von Ausflügen kannte. Nachdem Goethe sich ab 1782 von der Gestaltung des Parks abgewandt hatte, bedeutete der Tod Carl Augusts 1828 das Ende der Parkentwicklung. Bis heute ist der Park an der Ilm, der zum UNESCO-Welterbe zählt, in seiner ur- sprünglichen Gestaltung und Größe weitestgehend erhalten geblieben.

1 Die Ilm 2 Ochsenauge In ihrem fast natürlichen und Sphinxgrotte Lauf schlängelt sich die Gespeist wird die Sprudel- Ilm durch den Park. Im quelle „Ochsenauge“ aus Zeitraum von zehntau- dem Wasser der Läutra. Die senden von Jahren hat 1786 errichtete Sphinx als sie sich rund 15 Meter tief mythologisches Fabeltier in den kalkigen Unter- sollte den Eingang der Grot- grund gegraben und ein te bewachen. Ursprünglich für die Parkgestaltung schnellte ein Wasserfall günstiges, hügeliges Re- vor ihr herab, der die lief mit Auenwiesen und mystische Atmosphäre Hängen hinterlassen. des Ortes verstärkte. Pappeln und Italien Neues Sehen Aus Leipzig ließen Sichtachsen, die sich Goethe und Carl an Landschaftsmalerei- August lombardische en von Nicolas Poussin Pappeln kommen und und Claude Lorrain anpflanzen, die italie- orientierten, kamen in nischen Zypressen der englischen Garten- ähnlich sahen, bald kunst eine besondere zum Modebaum wur- Bedeutung zu. Künst- den und für mediter- liche Sichtachsen, ranes Flair in Weimar etwa auf Architekturen sorgten. innerhalb und außer- halb des Parks, sollten Emotionen wie Heiter- keit oder Schauder wecken. Wichtig hierbei 3 Naturbrücke 4 Goethes Gartenhaus war der Wandel der Unweit der 1799 er- 1776 schenkte Herzog Szenerien. richteten Naturbrücke Carl August seinem befand sich – zu der Dichterfreund ein Zeit, als Goethe noch Häuschen mit Garten in seinem Gartenhaus im Ilmtal. Weil das wohnte – die Floßbrü- kleine Haus Goethes cke. Über sie nahmen Bibliothek und Samm- wohl die unzähligen lungen auf Dauer nicht Briefe ihren Weg, die beherbergen konnte, der Dichter und Char- verließ er es 1782 lotte von Stein einander wieder. schrieben. Ihr Haus lag auf der anderen Seite der Ilm.

8 Tempelherrenhaus 1821 beschloss Carl August, „dass das Tempelherrenhaus im hießigen Park nicht ferner zu einem Oran- der später das Borken- genhaus gebraucht, häuschen mit Kamin sondern zu einem entstand. Zur Feier des Sommersalon, wo die Tages hatten Goethe, höchsten Herrschaften der Herzog und andere sich gelegentlich mit Luise und ihre Gäste Anstand aufhalten 5 Nadelöhr zum Essen in die Klau- könnten, eingerichtet Der Freitod der jungen se eingeladen. Verklei- werden soll“. Jahre Hofdame Christiane det als Klosterbrüder später wurde das Henriette Sophie von überraschten sie die Tempelherrenhaus von Laßberg in der Ilm im Festgesellschaft. Franz Liszt als Konzert- Januar 1778 veran- saal und von Johannes lasste Goethe, eine 7 Künstliche Ruine Itten als Bauhaus-Ate- Gedenkstätte nahe der Auf Goethes Wunsch lier genutzt. Fundstelle ihres Leich- hin wurden Überreste nams einzurichten. Das einer alten Schieß- 9 Römisches Haus Felsentor mit der sich mauer der Weimarer Das Gartenhaus war nach oben windenden Büchsenschützen- der Sommersitz und Treppe soll beim Her- gesellschaft zu einem Rückzugswohnort von abschreiten ein Gefühl Gestaltungselement Herzog Carl August. der Enge und Melan- des Parks umgewan- Goethe ließ es nach cholie erwecken. delt. Bei ihrem Anblick dem Vorbild römischer sollte die künstliche Villen entwerfen. Das 6 Borkenhäuschen Ruine Gefühle der Er- Gebäude gilt als einer Der 9. Juli 1778 war der habenheit und Einsam- der wichtigsten Bauten Namenstag Herzogin keit hervorrufen und des Frühklassizismus. Luises. Zu diesem An- an die Vergänglichkeit Vom Römischen Haus lass ließ Goethe eine des Menschen und aus geht der Blick weit Einsiedelei bauen, aus seiner Werke erinnern. ins Ilmtal. SCHWERPUNKT NEUE NATUR Kein Bau für die Ewigkeit

Gedacht als temporärer Veranstaltungsort möchte das GRÜNE LABOR im Park an der Ilm Menschen zusammenbringen. Bei Diskussionen, Workshops und Spaziergängen soll über das Verhältnis zur Natur nachgedacht werden. Zoff ist ausdrücklich erlaubt

TEXT Ulf Lippitz FOTOS Sebastian Wanke Müller Thomas oben: rechts Foto Müller, Jakob Illustration: och picken Meisen nach Insekten. Ruhen die Tra- vertinsteine unter dem N Moos. Ragt die krumme Gestalt der Esche in den Himmel. „Sturm- gebeutelt“, so nennt Susann Paduch den Baum, „nicht mehr verkehrssicher“, heißt er bei Regina Cosenza Arango. Paduch gehört als Produktdesignerin zum Archi- tektenteam, das im Park an der Ilm einen Pavillon ent- Erfurt will das worfen hat, Cosenza Arango arbeitet für die Klassik Stif- Gewächs im tung Weimar, die für die Grün- Boden, Weimar anlage verantwortlich ist. das Gewimmel Die Konsequenz beider im Kopf Diagnosen: Demnächst muss der etwa zehn Meter hohe Riese fallen. Auch aus seinem Holz fer- tigen anschließend geschickte Hände Quader, die im Baukastensystem zu ei- nem Pavillon zusammengefügt werden, der ab dem Frühling auf einem Holz- podest stehen und die Wiesenfläche um die Steine herum besetzen wird – gleich hinter der Ruine des Tempelherrenhau- Von wegen Romantikruine – einst wurden ses in Weimar. Der Kreislauf des Lebens, im Tempelherrenhaus Reden geschwun- er könnte kaum besser veranschaulicht gen und Ideen zerlegt werden. Aus dem Holz des Parks und zurückgegeben werden kann. Das Grüne des umliegenden Waldes wird ein Ge- Labor, so werden es die Weimarerinnen „Wir verstehen den Park als Versuchs- bäude im Park, das bei Bedarf dem Park und Weimarer nennen. Eine temporäre raum“, sagt Projektleiterin Regina Cosenza Arango vom Referat Kulturelle Veranstaltungs- und Ausstellungshalle, Bildung erdacht nach den Prinzipien der Nach- haltigkeit, gestaltet nach den Ideen japa- nischer Zyklusarchitektur – wo Tempel nach Jahrzehnten wieder neu gebaut und das alte Holz zu Schreinen weiterver- arbeitet wird. Die Stadt der Klassiker macht es diesmal ganz und gar nicht klassisch. Kein Bau für die Ewigkeit, kein An- spruch auf Pomp. Der fünf Meter hohe Holzquader mit Lüftungslöchern anstatt Fensterscheiben ist als Station der Bun- desgartenschau konzipiert, die dieses Jahr 30 Kilometer entfernt in Erfurt er- öffnet. „Die Schau in Erfurt ist ja ein biss- chen klassisch gedacht“, sagt Cosenza Arango, die zuständige Projektleiterin im Referat Kulturelle Bildung. Blumen, Beete, Büsche. Erfurt will das Gewächs im Boden, Weimar das Gewimmel im

Illustration: Jakob Müller, Foto rechts oben: Thomas Müller Thomas oben: rechts Foto Müller, Jakob Illustration: Kopf. Denn trotz ihres Namens wollte

27 die Stiftung genau das nicht: in Ehren ergraute Kultur anbieten. Lieber dachte man an das Arbeitsethos der berühmten Zeitgenossen jener überberühmten Epo- che: Goethe, Schiller, Herder schrieben, dichteten, dachten modern im Kontext ihrer Zeit. Selbst der Monarch mochte progressive Ideen – wohldosiert. Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach ließ den Park an der Ilm einst als öffent- lichen Ort der Begegnung anlegen und er- möglichte so ein Aufeinandertreffen der Schichten. Raus aus dem höfischen Zere- moniell, rein ins bürgerliche Leben. Der Knicks musste vermutlich trotzdem sein. Frau Cosenza Arango hat diesen liberalen Ansatz für das Grüne Labor Kein Anspruch auf Pomp: Das Architekten- übernommen. „Es gibt kaum einen Ort, team vom Studio Boom präsentiert die Pa- an dem ein heterogeneres Publikum zu- villonentwürfe des Grünen Labors vor dem sammenkommt.“ Joggerinnen, Spazier- Tempelherrenhaus mittel. Kifferwiese oder kurz „Ki-Wi“ gänger, Hundehalterinnen. Studentin- nennen die Einheimischen das satte Grün nen, Touristen, Weimarerinnen. Und vor dem Tempelherrenhaus. Eigentlich nicht zu vergessen die Liebhaberinnen darf man sie nicht betreten, aber geahn- und Liebhaber entspannender Rauch- det wird ein Verstoß nicht, so Cosenza Arango. Gerade sitzen mehrere Jugend- liche im Kreis auf dem Rasen, dahinter spielen zwei Kinder Frisbee, ein Mann schiebt sein Fahrrad zu einem Platz in der Sonne. Am Ende der „Es gibt kaum Sichtachse steht die Herzogin einen Ort, Anna Amalia Bibliothek. Und an an dem ein dieser Kreuzung des Lebens soll heterogene- nun demnächst der Austausch der Ideen beginnen. „Wir verstehen res Publikum den Park als Versuchsraum“, sagt zusammen- Cosenza Arango. Früher soll- kommt“ ten die geschwungenen Wege,

Auf der Suche nach nachhaltiger Bau- materie für das Grüne Labor: Produktdesig- nerin Susann Paduch (links im Bild) zeigt Experimente mit unterschiedlichsten Naturmaterialien

28 Skulpturen und künstlichen Grotten die Empfindsamkeit der Menschen anregen. oben: Werden sie fürchterlich riechen? Kompostbriketts aus Heute redet die ganze Gesellschaft von Biomasse werden zu organischer Achtsamkeit und Naturbewusstsein. Wie Bausubstanz des Grünen Labors wäre es, dafür ein Zentrum am Tempel- Mitte: Durchlässig – die Innen- herrenhaus einzurichten? Als Begeg- ansicht des Pavillons nungsstätte mit Platz für Workshops, einer offenen Bühne, als Versuchslabor eben. Ein Lyrikworkshop für Kinder, ein philosophischer Spaziergang für die Erwachsenen, Hauskonzerte von Meisterschülerinnen und -schülern der Hochschule für Musik. Und natürlich soll dazwischen auch gezofft werden. Wer bestimmt, was Erbe heutzu- tage bedeutet? Wie lange darf „Wer kann ein Baum leben? Die Esche schon vorher- hätte es interessiert. sagen, ob so Noch ächzt der wetter- ein Kompost- geformte Baum. Produktdesi- gnerin Paduch und Architekt ziegelstein zum Hannes Schmidt vom Studio Insektenhotel Boom, das den Wettbewerb um das stationäre Grüne La- unten: Ein Experiment oder der mutiert?“ Zyklus der Natur – gegossen in bor gewonnen hat, schauen zu die Architektur des Gebäudes ihr hoch. Beide geben zu, dass sie, nach langen Jahren in Weimar, die fotogene Ruine gar nicht mehr wahrge- nommen hätten. Brautpaare lassen sich davor ablichten, der Musiker Moby hat sie auf einem Plattencover verewigt, Jog- gerinnen und Jogger flitzen an ihr vor- bei. „Sechs Minuten von hier bis zum Parkende“, sagt Langlauflaie Schmidt. Aber dass in dem Haus einst ein Salon geführt wurde, Reden geschwungen und Ideen zerlegt wurden, dass der Bauhaus- Meister Johannes Itten hier rauschende Feste gefeiert haben soll, davon wissen nur noch die wenigsten. Die Bomben des Zweiten Weltkriegs haben das Gebäude zerstört. Nachfolgende Generationen halten es bereits für eine jener Romantik- ruinen, die sich italien-besoffene Fürsten in ihre Parks stellten. Um sich auf das Projekt vorzube- reiten, hat das Architektenteam nicht nur historische Dokumente gewälzt, sondern Trainee-Tage absolviert. Sie haben sich die Hände schmutzig gemacht. Sind mit den Parkpflegerinnen und Parkpflegern mitgegangen, haben Hecken geschnit-

Illustration: Jakob Müller Jakob Illustration: ten, Müll weggeräumt, Rasen gemäht

29 Architektur machen. Ob das nicht fürch- terlich rieche? „Bestimmt“, sagt Paduch begeistert. „Das ist die neue Natur.“ Und Schmidt ergänzt, dass genau darin auch das Experiment ihres Gebäudes bestehe. Wer kann denn schon vorhersagen, wie sich Pflanzen und Tiere im kommenden Jahr verhalten? Ob so ein Kompostzie- gelstein zum Insektenhotel an der Fas- sade mutiert oder zum Stinkekäse an der Holztheke? Die beiden freuen sich jedenfalls auf die große Unbekannte: das Klima. „Ultraspannend“ findet Paduch diesen Pavillon, „denn sonst ist die Stadt manchmal ein bisschen wie Disneyland.“ Mitten in diesem Bilderbuch-Wei- mar, zehn Minuten Fußweg entfernt, sitzt Kirsten Münch in ihrem Büro der Klassik Stiftung Weimar. Ein schöner Raum im barocken Wittumspalais, die Fassade graugrün gestrichen, Blumen- beete vor den Fenstern, einen Steinwurf entfernt stehen Goethe und Schiller Seite an Seite. Und während die Besucherinnen und Besucher Fotos von dem hübsch he- rausgeputzten Denkmal machen, erzählt Münch von Plattenbauten und Riesen- parkplätzen. Sie redet von Weimar-West. Dort will das Parkprojekt einen Das Architektenteam mobilen Veranstaltungsort einrichten, Julius Tischler, Han- das „Grüne Labor Unterwegs“. Es unter- nes Schmidt und Su- und immer wieder Fragen gestellt, um steht Münch. Sie hat sich zu Beginn erst sann Paduch (v.l.n.r.) Materialien für ihren Entwurf heraus- vom Studio Boom in zufiltern. Wann fallen normalerweise ihrer Werkstatt Äste herunter? Welcher Baum könnte Bald auf großer Fahrt demnächst umkippen? Wann sammelt durch die Weimarer sich das meiste Laub auf den Wiesen? Quartiere: die Las- Die Antwort war, so erinnert sich Paduch, tenräder des Teilpro- ganz eindeutig: „Das kommt darauf an.“ jekts „Grünes Labor Unterwegs“ mit Hat gerade ein Sturm gewütet, ist wenig Workshopangeboten Regen gefallen, reicht das Wasserreser- voir noch für die Pflanzen. Also musste das Architektenteam flexibel denken. Da- raus entstand die Idee, die Fensterlücken sukzessive mit organischer Bausubstanz aufzufüllen. Dort kommen Kompostbriketts aus Bio- „Ultraspannend“ masse hinein – Grundstoffe, sei der Pavillon – die der Park je nach Saison „denn sonst ist hergibt. Über das Jahr hinweg wird sich der Raum verdun- die Stadt manch- keln und somit den Zyklus der mal ein bisschen

Natur zum Gegenstand der wie Disneyland“ Stiftung Freizeit Illustration:

30 finieren. Alles noch im Fluss begriffen, wie die Natur auch. Das Unterwegs-Labor tankt noch Ideen. Münch hofft auf einen „Eiswagen- effekt“. Dass die Räder attraktiv genug sind, um Aufmerksamkeit zu generieren. Nicht weil sie von der Stiftung kommen, sondern weil die Gefährte von sich aus interessant wirken – eine visuelle Irrita- tion zwischen den Plattenbauten. Päda- gogisch geschultes Personal soll dabei mit den Weimarerinnen und Weimarern ins Gespräch kommen. „Im besten Fall haben die Teilnehmer und Teilnehme- rinnen zehn Minuten Spaß gehabt, noch mit einem Fremden gesprochen“, so fasst Münch ihre Erwartungen zusammen, Hofft auf den„Eis- „und haben dabei über das eigene Verhält- wageneffekt“: nis zur Natur nachgedacht.“ Unterschwel- Kirsten Münch, lig läuft dieser Ansatz mit, nur eben „ver- Projektleiterin des kaufen“ wolle man mit den Lastenrädern mobilen Begegnungs- ortes „Grünes Labor nichts. Unterwegs“ Mitte April soll das Grüne Labor starten, dann wird der Pavillon einge- weiht, beginnen die Lastenräder ihre Fahrten. Und wenn sich das Jahr 2021 einmal gefragt: Wen erreichen wir eigent- langsam wieder dem Winter nähert, lan- lich nicht mit unserem Programm? Etwa det das temporäre Gebäude aus Holz im die, die hinter den Bahngleisen wohnen, Lager, findet eine neue Bestimmung an die möglicherweise ein niedriges Ein- anderer Stelle – oder wird eines Tages kommen und eine andere Muttersprache komplett zersägt und Mutter Erde wieder als Deutsch haben. Für die eine Ein- zugeführt. „Weniger Fußabdruck geht trittskarte ins Museum zu teuer und das gar nicht“, sagt Architekt Schmidt. Grillverbot auf den Parkwiesen eine Le- benseinschränkung ist. Also hin zu den GRÜNES LABOR Ungehörten und ihnen zuhören, sie ernst nehmen, sie anregen – aber dieses Wort Das Grüne Labor wird am 17. det von 17 bis 20 Uhr ein After- wäre Münch bestimmt zu didaktisch. April 2021 im Park an der Ilm Work-Kurs für Erwachsene eröffnet. Der Pavillon an der statt, das sogenannte „Design „Weimar ist wie eine Pizza, jedes Tempelherrenhaus-Ruine ist & Do!“. Darin erfahren die Teil- zweite Stück ist mit Spinat belegt“, er- vormittags für Workshops mit nehmenden etwas über nach- klärt die Projektleiterin den Stadtaufbau. Schulklassen oder Gruppen haltiges Design und gestalten Die grünen Dreiecke sind Parks, die an- und nachmittags für Laufpub- selbst ein Produkt. Neben likum geöffnet. Samstags und Debattenformaten am und im deren Wohngebiete. Und Menschen aus sonntags gibt es thematische Pavillon wird das Grüne Labor manchen Stadtteilen finden eben nicht Spaziergänge, die in der Nähe zur offenen Bühne für Meister- den Weg zu der Spinatecke. Also fahren der Herzogin Anna Amalia schülerinnen und -schüler der ab April drei Lastenräder mit verschiede- Bibliothek beginnen und am Hochschule für Musik Weimar Grünen Labor enden. Auf den sowie Kunstschaffende der nen Aufbauten in die Quartiere 90 Minuten langen Touren Region. In den Sommermonaten und bieten Workshops an. Wie „Weimar ist lernen die Besucherinnen und findet ein offenes Programm riecht die Natur? Wie schmeckt wie eine Pizza, Besucher etwas über die mit u.a. Yoga- und Qigong- sie? Welche Extrakte kann ich Botanik des Parks oder setzen Kursen statt. Alle Termine unter: sich künstlerisch mit seiner aus einer Pflanze gewinnen – jedes zweite Gestaltung auseinander. Am www.klassik-stiftung.de/ und wofür? Ganz genau kann Stück ist mit ersten Mittwoch im Monat fin- neue-natur

Illustration: Stiftung Freizeit Illustration: man das im Moment nicht de- Spinat belegt“

31 Pyramidenpappel, die Eiche, die Pomeranze, die Weimarer lat. Populus nigra „Italica“ lat. Quercus lat. Citrus × aurantium Baumkunde

Sie sind Inspiration, stehen für Freude und Stolz, Leid und Trauer. Von der Bedeutung der Bäume in den Parks der Klassik Stiftung Weimar

TEXT Andreas Pahl und Klara Schubenz ILLUSTRATION Nik Neves

Botanik In der zweiten Hälfte des 18. Jhd. Zweithäufigste heimische Laub- Aus Südostasien, blüht und in der norditalienischen Lom- baumgattung, wächst bis zu 30 fruchtet zeitgleich, wächst im- bardei gefunden, wächst 25 bis Meter hoch, kann über 1.000 mergrün, im Naturzustand bis zu 30 Meter hoch, die Lebensdauer Jahre alt werden. Bei Hungersnö- 10 Meter hoch und kann bis zu beträgt etwa 100 Jahre. Zu sehen ten dienten Eicheln als Mehl- und 300 Jahre alt werden. Im Sommer im Park an der Ilm nahe Goethes Kaffeeersatz. Prächtige Exem- sind die Hochstammpflanzen im Gartenhaus und Duxbrücke. plare sind im Park Belvedere zu Orangerieparterre von Schloss finden. Belvedere zu sehen.

Das Blatt

Kulturgeschichte In der Gartenkunst häufig als Bis ins 19. Jhd. war es üblich, Die in den Sommermonaten Ersatz für die nicht winterharte Schweine und Schafe in den Wald durch ihre ätherischen Öle Zypresse gepflanzt, verkörpert zu treiben. Durch den Verbiss der zitronig duftende Pomeranze die Italiensehnsucht und dient jungen Buchen konnten sich frei- ist die wichtigste Pflanze in den der Akzentuierung bestimmter stehende Eichen mit ausladenden höfischen Orangerien. Sie steht Gartenszenerien. Kronen überhaupt erst entwickeln. für exotische Prachtentfaltung.

Symbolik In Homers „Odyssee“ wachsen Die Eiche steht für Beharrlichkeit Die Pomeranze gelangte bereits Pappeln und Weiden am Eingang und Widerstandsgeist. Sie hatte im 10. Jhd. nach Spanien. In der zum Hades, der in der griechi- eine herausragende Stellung im christlichen Ikonographie signali- schen Mythologie die Unterwelt germanischen Baumkult. Im 19. sieren die weißen Blüten Reinheit der Toten war. Die Bäume symbo- Jhd. wurden Eichen, ihr Laub und und Makellosigkeit. Bei den Ro- lisieren Tod und Trauer. der Eichenkranz zu Symbolen für mantikern symbolisieren Orangen Nation und Macht. die Fruchtbarkeit des Südens.

Das lyrische Zitat ... Denn sieh’, es wallt der ... Sieg und Freiheit blühn die Kennst du das Land, wo die Enkel zu seinem Grab, / Bäume, / Zitronen blühn, / Voll hohen Schauers, wie zu Heil dir, Vaterland! erschallt / Im dunkeln Laub die Gold- des Weisen Grab, / Jubelnd durch die grünen Orangen glühn, / Des Herrlichen, Räume, / Ein sanfter Wind vom blauen der, von der Pappel / Freiheit! braust der Eichen- Himmel weht, / Säuseln umweht, auf der Insel wald. ... Die Myrte still und hoch der schlummert. Lorbeer steht ... LUDWIG TIECK: FRIEDRICH HÖLDERLIN: „AN EINEN LIEBENDEN IM JOHANN WOLFGANG VON „AN DIE RUHE“ FRÜHLING 1814“ GOETHE: „MIGNON“

32 Buche, die Ginkgo, der Linde, die Trauerweide, die lat. Fagus sylvatica sinojap. Ginkgo biloba lat. Tilia lat. Salix alba „Tristis“

Häufigster heimischer Laub- Gilt als lebendes Fossil, wächst Wichtigste Arten sind die Ist eine Form der Silberweide, baum, wächst 25 bis 30 Meter bis zu 40 Meter hoch und kann Sommer- und Winterlinde, sie entstand Anfang des 19. Jhd. in hoch und kann 300 Jahre alt wer- über 1.000 Jahre alt werden. Der wachsen 15 bis 40 Meter hoch Frankreich, wächst rasch bis zu den. Besonders alte Rotbuchen Name bedeutet „Silber-Apriko- und werden bis zu 1.000 Jahre 20 Meter hoch und wird 80 bis stehen nordwestlich von Schloss se“. Ein prächtiges Exemplar alt. Zu finden am Westflügel des 100 Jahre alt. Ist etwa am Reit- Ettersburg, besonders schöne auf steht hinter der Hochschule für Stadtschlosses direkt am Löwen- haus am Ufer der Ilm zu finden. der Tempelherrenhauswiese im Musik Franz Liszt Weimar. portal. Park an der Ilm.

Die rotlaubige Blutbuche hat in Der Ginkgo wurde von nieder- Im Mittelalter diente die Dorf- Ihren ausladenden bis zum der Gartenkunst als Farbgeber ländischen Seefahrern aus Japan linde als Ort der Begegnung. Boden herabhängenden Zweigen eine besondere Bedeutung. Die nach Europa gebracht. Seit etwa Benannt wurde der Baum nach verdankt die Trauerweide ihre Germanen ritzten ihr Runenal- 1730 wird der Nacktsamer hier- dem „Lind“, dem Bast, der aus melancholische Wirkung. Im Ger- phabet in Stäbe aus Buchenholz, zulande als Zierbaum gepflanzt. der Rinde gewonnen wurde. manischen ist die Weide nach der das Wort „Buchstabe“ entstand. Biegsamkeit ihrer Ruten benannt.

Die Buche steht für Stärke, In Goethes Gedicht „Ginkgo bilo- In der germanischen Mythologie Die Weide wird bereits in der Schutz und poetische Inspiration. ba“ ist die zweigeteilte, gefächerte wird die Linde Freya, der Göttin Bibel (Psalm 137,1) als Symbol der Die kuppelförmige Krone diente Blattform Symbol für das Paradox der Liebe, zugeordnet. Sie steht Trauer genannt. In der Literatur, zum Teil als Vorbild für sakrale von Einheit und Zweiheit. Ein Blatt als Dorflinde für Heimat und Ge- etwa in August von Platens Ge- Bauten. In Droste-Hülshoffs „Ju- und das Gedicht schickte er 1815 selligkeit. Sie gilt als „Friede- und dicht „Fischerknabe“, steht sie denbuche“ wird sie als Galgen- als Zeichen der Freundschaft an Freudebaum“ (Luther), Beschütze- an Grabstätten oder bezeichnet baum verwendet. Marianne von Willemer. rin und Trösterin der Liebenden. einen Ort zum Sterben.

... in duftende Kühlung / Dieses Baums Blatt, der von Os- Am Brunnen vor dem Tore / ... Mein Vater, mein Vater, und Nimmt ein prächtiges Dach ten / Meinem Garten anvertraut,/ Da steht ein Lindenbaum: / siehst du nicht dort / schattender Buchen mich Gibt geheimen Sinn zu kosten, / Ich träumt in seinem Schatten / Erlkönigs Töchter am düstern ein,/ In des Waldes Geheimnis Wie’s den Wissenden erbaut./ So manchen süßen Traum. / Ort? – / entflieht mir auf einmal die Ist es Ein lebendig Wesen, / Das Ich schnitt in seine Rinde / Mein Sohn, mein Sohn, ich Landschaft,/ sich in sich selbst getrennt?/ So manches liebe Wort; / seh’ es genau; / Und ein schlängelnder Pfad Sind es zwei, die sich erlesen,/ Es zog in Freud und Leide / Es scheinen die alten Weiden leitet mich steigend empor. ... Dass man sie als Eines kennt? ... Zu ihm mich immer fort. ... so grau. – ... FRIEDRICH SCHILLER: JOHANN WOLFGANG VON WILHELM MÜLLER: JOHANN WOLFGANG VON „DER SPAZIERGANG“ GOETHE: „GINKGO BILOBA“ „DER LINDENBAUM“ GOETHE: „ERLKÖNIG“

33 „Die traditionelle Rollenaufteilung ...

fand sich auch am Bauhaus wieder“

Gute Laune am Bauhaus: Martha Erps-Breuer (links) und Katt Both auf dem Dach des Bauhausgebäudes in Dessau, wohin die Kunstschule 1925 zog Am Bauhaus herrschte die Vorstellung, dass Frauen für das zünftige Handwerk nicht geeignet seien, sagt Kunsthistorikerin ANKE BLÜMM vom Bauhaus- Museum Weimar. Dennoch behaupteten sich viele Künstlerinnen

INTERVIEW Ariane Lemme

KLASSISCH MODERN: Frau Blümm, am in die Weberei, wo man aber zunächst gar Gunta Stölzl und Benita Koch-Otte mach- Bauhaus Weimar waren 1919 mehr keine Gesellenprüfung ablegen konnte. ten also ihr Ding, aus großer Experimen- Frauen als Männer eingeschrieben. tierlust heraus. So fanden sie ihren Weg, Wie kam es dazu? Welche Frauen aus der Anfangszeit ihren Stil. Sie färbten ihre Garne selbst ANKE BLÜMM: Walter Gropius eröffnete des Bauhaus sind besonders hervorzu- und entwickelten völlig neue Textilde- das Bauhaus 1919, da war gerade der Erste heben? signs. Marguerite Friedlaender-Wilden- Weltkrieg zu Ende. Viele der Studierenden Mir fallen Gunta Stölzl, Benita Koch-Otte hain behauptete sich in der damaligen kamen von den beiden Vorgängerinstitu- und Marguerite Friedlaender-Wilden- Männerdomäne der Töpferei. tionen, der Großherzoglichen Hochschu- hain ein. Gunta Stölzl kam nach Wei- le für bildende Kunst und der Großher- mar, weil sie unbedingt Weberei studie- zoglichen Kunstgewerbeschule Weimar. ren wollte. Sie traf hier auf die Lehrerin „Gropiusʼ Einladung Gropius trat an, diese beiden zu vereinen. Helene Börner, die sie später als „Hand- Viele der Männer waren gefallen, die Frau- arbeitslehrerin älteren Stils“ bezeichnete. an die Frauen war erst en aber waren noch da. Das waren zwar mutige, voranstrebende Frauen, aber zu- mal ernst gemeint. nächst nicht alles wilde Freigeister, die eine neue Gesellschaft aufbauen wollten. Als es dann aber so Erst nachdem Gropius sein Manifest ver- viele Bewerberinnen öffentlicht hatte, in dem er die Aufnah- DR. ANKE BLÜMM me „jeder unbescholtenen Person, ohne gab, war er nicht mehr Rücksicht auf Alter und Geschlecht“ ga- studierte Germanistik und Kunstge- schichte in Heidelberg und Berlin. Seit rantierte, kamen Frauen wegen der neu- 2016 ist sie wissenschaftliche Mitar- so begeistert“ artigen Ausrichtung des Bauhauses nach beiterin am Bauhaus-Museum der Weimar. Klassik Stiftung Weimar. Sie kuratierte u.a. die Dauerausstellung im Haus Am Horn 2019. Welche Möglichkeiten hatten die Studentinnen am Bauhaus? Trotzdem wurden sie nicht so berühmt Gropius’ Einladung an die Frauen war wie ihre männlichen Kollegen. erst mal ernst gemeint. Als es dann aber Das stimmt. Und doch haben einige von doch so viele Bewerberinnen gab, war er ihnen viel geschafft: Marguerite Fried- nicht mehr so begeistert. Vor dem Krieg laender-Wildenhain etwa wurde als Ke- hatte es schon viele Kunstschulen rein für ramikerin in den USA bekannt, nach- Frauen gegeben, wie die Damenakade- dem sie als Jüdin in der NS-Zeit dorthin mien in München und Berlin. Zu denen emigrieren musste. Sie baute eine Kera- wollte er mit dem Bauhaus auf keinen mikschule auf und brachte das Weima- Fall gehören. Es herrschte auch die tradi- rer oder eigentlich das Dornburger Bau- tionelle Vorstellung, dass Frauen für das haus – in Dornburg war die keramische zünftige Handwerk, die harte Arbeit vor Werkstatt angesiedelt – in die USA. Sie allem in der Holz-, Keramik- und Metall- wird dort bis heute sehr verehrt. verarbeitung, nicht geeignet wären. Er- schwerend kam hinzu, dass durch den Keramik und Weberei sind nun nicht Krieg Geld- und Materialknappheit herr- so prestigeträchtige Disziplinen wie schte, etwa in der Holzwerkstatt, so dass die Architektur, mit der viele Bauhaus- die Zahl der Studierenden dort begrenzt Männer Furore machten. war. Gropius gab die Plätze dann doch Ja, der Unterschied zwischen freier und lieber den Männern. Viele Frauen gingen angewandter Kunst wurde damals viel

35 diskutiert. Immer einhergehend mit der in anderen Künstlerkreisen. Sie hat un- „Die Designerin Lilly Frage, wie sehr angewandte Kunst – etwa geheuer interessante konstruktivistische Töpferei oder Weberei – als Kunst aner- Experimente mit Fotographie gemacht, Reich arbeitete kannt wird. Klar ist aber, dass die Frau- in denen sie sich intensiv mit der Dar- en in der Weberei, der Frauenklasse, stellung von physikalischem Licht aus- eng mit Mies van der auch Ruhe und Raum für Experimente einandersetzte. Magda Langenstraß- Rohe zusammen, sein fanden. Uhlig studierte zweimal am Bauhaus. Für sie war es nicht leicht: Sie hatte zwei berühmtes ‚daybed‘ Bei der ersten großen Bauhaus-Schau Töchter, ihr Mann trennte sich und ging 1923 kam die Weberei sehr gut an, viele ohne sie in die USA. Sie fing nach dem wird heute eher ihr Besucherinnen und Besucher waren Umzug des Bauhaus nach Dessau noch begeistert. einmal an zu studieren. zugeschrieben“ Es war von Anfang an die Idee, dass die Schule durch den Verkauf von Produkten Von ihren Männern verraten wurden besser dasteht – die Töpferei und Webe- auch andere Bauhaus-Frauen … rei waren da natürlich geeignet. Trotz- Die traditionelle Rollenaufteilung fand aber noch dramatischere, politische dem gab es am Bauhaus den Konflikt sich auch hier wieder. Die Designerin Schicksale: Margarete Mengel, Sekretä- darüber, dass die Studierenden noch in Lilly Reich etwa arbeitete eng mit Mies rin am Bauhaus, war zunächst die Freun- der Ausbildung waren. Sie sollten Fehler van der Rohe zusammen, sein berühm- din des Architekten Hannes Meyer, die machen dürfen und nicht zwingend den tes „daybed“ wird heute eher ihr zuge- beiden hatten einen Sohn. 1931 – damals Anforderungen an den professionellen schrieben. Als er in die USA emigrierte, waren sie kein Paar mehr – folgte sie ihm Verkauf genügen müssen. ging sie nicht mit, ihr Anteil an seiner nach Moskau, wo sie am Aufbau einer Arbeit wurde schlicht vergessen. Es gab neuen, sozialistischen Gesellschaft mit- Mit einer Sonderausstellung hat das helfen wollten. Meyer ging 1936 zurück Bauhaus-Museum Weimar zuletzt auch in seine Heimat, die Schweiz. Margare- zwei Malerinnen gewürdigt. Die Schau te Mengel aber konnte ihm nicht folgen. „Weggefährtinnen der Moderne“ zeigte Sie blieb in Moskau und geriet in die sta- Arbeiten von Magda Langenstraß- linistischen Säuberungen, nur ihr Sohn Uhlig und Ella Bergmann-Michel. überlebte. Warum gerade diese beiden Frauen? Beide stehen stellvertretend für sehr ori- Andere Bauhaus-Künstlerinnen BAUHAUS-MUSEUM WEIMAR ginelle Frauen und herausragende Künst- wurden Opfer der Nazis … lerinnen, die schon an der Zeichenschule Die Textilkünstlerin Otti Berger und 2019 wurde das neue Bauhaus-Muse- und später an der Großherzoglichen Kunst- die Malerin Friedl Dicker wurden in um anlässlich des 100-jährigen Bau- schule in Weimar studiert hatten, bevor haus-Jubiläums in Weimar eröffnet. Auschwitz ermordet, Dicker war zuvor sie ans Bauhaus kamen. Ella Bergmann- Es verfügt über eine 13.000 Objekte noch im KZ Theresienstadt, selbst dort Michel war eine Rebellin, die sehr viel starke Sammlung, darunter Design- brachte sie Kindern noch das Zeichnen ikonen wie das „Tee-Extraktkänn- vom Bauhaus erwartet hatte. Sie war dann bei. chen“ von Marianne Brandt oder der aber schnell enttäuscht, die esoterische „Barcelona-Sessel“ von Ludwig Mies frühe Phase des Bauhauses gefiel ihr van der Rohe. Durch die Ausstellung Wie kommt es, dass es jetzt so ein gro- nicht. Sie verließ die Kunstschule führt auch die App Weimar+. ßes Interesse an Bauhaus-Frauen gibt? bereits 1920 und bewegte sich danach Das breite Interesse kam sicher durch Die Sonderausstellung „Vergessene Bauhausfrauen“ die beiden filmischen Umsetzungen, Vom 2. Oktober 2021 bis 3. Januar „Lotte am Bauhaus“ und die Dokumen- 2022 wird sich die Sonderausstellung tation „Bauhausfrauen“, die 2019 zum „Vergessene Bauhausfrauen“ mit 100. Bauhaus-Geburtstag entstanden. „Ella Bergmann-Michel dem Leben und Wirken von 30 Bau- haus-Künstlerinnen beschäftigen, Auch wir in der Klassik Stiftung möch- war eine Rebellin, darunter Friedl Dicker und Otti Ber- ten uns dem Thema Frauen am Bauhaus ger. Nach 1933 ereilten diese Bau- weiterhin widmen und planen eine Aus- häuslerinnen ganz unterschiedliche die sehr viel vom Bau- stellung zu den Schicksalen der verges- Schicksale zwischen Anpassung, Emi- haus erwartet hatte. gration und Verfolgung. senen Bauhausfrauen. Mich interessiert vor allem, wie die Absolventinnen ihren Sie war dann aber www.klassik-stiftung.de/ Lebensunterhalt mit Kunst bestritten bauhaus-museum-weimar und was sie aus ihrem Studium gemacht schnell enttäuscht“ haben.

36 oben: Teppich der Textildesignerin Benita Koch-Otte

links: Katt Both in Tanz- pose – sie arbeitete später erfolgreich als Architektin und Möbel- designerin

links: Einladung zum Baushaus-Abend, gestaltet von Friedl Dicker

rechts: Experimentier- te mit Fotografie: Ella Bergmann-Michel

links: die Vase „Halle“, entworfen von Marguerite Friedlaender- Wildenhain rechts: Als Keramikerin wurde die Bauhäuslerin in den USA sehr bekannt Den Erinnerungen auf der Spur

TEXT Julia Boek FOTOS Axel Völcker

links: Familie Lemke im Jahr 1955. Damals leben Elisabeth und Rolf Lemke mit ihren Söhnen im thüringischen Römhild

rechts: Wem gehört das Kristall? Zur Erforschung ihrer Provenienz wer- den die Objekte der Klassik Stiftung Weimar aufwendig klassifiziert Foto: privat Foto: Nach der Flucht von Familie Lemke in den Westen verkaufen die staatlichen Stellen der DDR die zurückgelassenen KUNSTGEGENSTÄNDE an die Vorgänger- einrichtung der Klassik Stiftung Weimar. 1990 stellen Lemkes einen Antrag auf

Foto: privat Foto: deren Rückgabe. Das Puzzlespiel beginnt

39 in und wieder besteigt Michael Lemke mit seinen Im Familienbesitz der Lemkes ist eine Obstplantage. Werden die Eltern und seinem Bruder Ulrich in den sechzi- Äpfel, Birnen und Kirschen im Sommer geerntet, dürfen die Kin- ger Jahren einen der Berge der bayrischen Rhön. der auf den mit Obstkisten vollgepackten Leiterwagen klettern Oben angekommen, wollen die vier vor allem und den Hügel hinuntersausen. „Bis zu meinem neunten Lebens- eins: rübergucken. Weit geht der Blick zu den jahr hatte ich eine wunderschöne Jugend“, sagt Michael Lemke.

HFeldern der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Am 13. Februar 1960 steigt die Familie mit nur zwei Handkof- privat oben rechts: Foto im südwestlichsten Zipfel Thüringens, auf den Großen und fern am Römhilder Bahnhof in den Zug nach Darmstadt, um Kleinen Gleichberg, die dazwischengesprenkelten Gemeinden die Verwandtschaft zu besuchen. Eine Meisterleistung – nur auf mit ihren Kirchtürmen. „Ab und zu haben wir einen Bauern Umwegen hat Rolf Lemke die Besucherpässe für alle Familien- gesehen“, erinnert sich der heute 69-jährige Lemke an die Fa- milienurlaube. Beim Blick durchs Fernglas habe sein Vater die „Bis zu meinem neunten winzigen Menschen in der Ferne meist erkannt. Das da drüben ist jetzt der sozialistische Teil Deutschlands. Lebensjahr hatte ich eine Nur wenige Jahre zuvor, es sind die fünfziger Jahre im Nachkriegsdeutschland, wachsen Michael Lemke und sein Bru- wunderschöne Jugend“ der genau hier, in der thüringischen Kleinstadt Römhild, auf. Ihre Mutter Elisabeth und die Tante, beide geborene Grötzner, mitglieder erhalten. Einfach zu Fuß über das fünf Kilometer sind die Töchter einer großbürgerlichen Familie, deren weite breite Sperrgebiet an der thüringischen Grenze zu Bayern zu Verwandtschaft über riesige Besitztümer von Thüringen bis laufen, ist 1960 längst zu gefährlich geworden. Reisen in den nach Ostpreußen verfügt hat – zu einem entfernten Familien- Westen werden DDR-Bürgerinnen und -Bürgern nur noch unter zweig gehört die traditionsreiche Porzellanfabrik Tettau. strengsten Auflagen erlaubt. Dazu gehört, dass Familien nicht Anfang der fünfziger Jahre beziehen Elisabeth und Ehe- mehr gemeinsam in die Bundesrepublik fahren dürfen. mann Rolf Lemke eines der zwei Häuser aus dem Familienbesitz Vater Lemke, er ist gebürtiger Rheinländer und eigentlich in Römhild und richten sich zwischen wertvollen Barock- und Ro- überzeugter Sozialist, kränkelt damals längst mit der DDR. Er koko-Möbeln und vielen Kunstschätzen ein. Doch ist das Leben hat seinen Job verloren, bekommt keine Zulassung für einen in der noch jungen DDR alles andere als vornehm. Zum Waschen Studienplatz am Polytechnikum. Ab und an passiert es, dass er, der Kinder, 1951 kommt Michael und 1954 Ulrich zur Welt, er- der die Dinge gern geradeheraus sagt, unter Druck gesetzt wird. Er will weg – und so verlässt die Familie Römhild im Winter 1960. Elisabeth Lemke aber, eine sehr heimatverbundene Frau, „Wir haben primitiv gelebt, wird erst 14 Tage später erfahren, dass es keine Rückreise nach aber dafür mit Thüringen geben wird. Einen Monat später, am 14. März 1960, wendet sich Di- hochwertigsten Möbeln“ rektor Holtzhauer an das örtliche Volkspolizeikreisamt. Zuvor hat ihn ein Schreiben aus Westdeutschland erreicht, in dem das wärmt Elisabeth Lemke Wasser auf der „Küchenhexe“ und gießt Ehepaar Lemke darum bittet, die in den Häusern zurückgelas- es danach in einen Zuber. „Wir hatten kein Badezimmer und nur senen Kunstgegenstände in Obhut zu nehmen. Nachdem die ein Plumpsklo draußen“, erinnert sich Michael Lemke am Tele- Volkspolizei so von Lemkes Flucht erfährt, ordnen die staat- fon. „Wir haben primitiv gelebt, aber dafür mit hochwertigsten lichen Behörden die Treuhandverwaltung der Häuser und des Möbeln.“ Rückblickend muss er bei dieser Vorstellung lachen. Familienbesitzes an. Direktor Holtzhauer bemüht sich nun um Gegen Ende der fünfziger Jahre pflegt das Ehepaar Lemke den die Übernahme etlicher Objekte. Mit Erfolg: Im Mai 1960 kau- Kontakt zu den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der fen die NFG gut 80 Objekte, die – wie üblich, wenn ein Museum klassischen deutschen Literatur in Weimar (kurz: NFG) – einer einen Kunstgegenstand erwirbt – ins Inventarbuch eingetragen Vorgängerinstitution der Klassik Stiftung Weimar. Deren Di- werden. Auch andere Objekte der Lemkes, die sich eigentlich rektor Helmut Holtzhauer ist für die museale Sammlung auf der nur zur Ansicht bei der NFG befunden hatten, werden nach und Suche nach kunsthandwerklichen Alltagsobjekten aus der Goe- nach inventarisiert. thezeit. Bei den Lemkes wird er fündig. Zwischen 1958 und 1959 60 Jahre später, auf dem Weg zum Zentralen Museums- wechseln zahlreiche kunsthandwerkliche Objekte, darunter ein depot der Klassik Stiftung im Industriegebiet Weimar-Nord. Wandspiegel, Truhen und eine Tischuhr, den Besitzer – neben „Ach zum Bunker wollen Sie“, sagt der Taxifahrer in feinstem Verkäufen gibt es Schenkungen. Ein lohnendes Geschäft für Thüringisch und spielt auf die kastenförmige Architektur des beide Seiten, denn schon Anfang März 1959 erreichen weitere Depots mit dem hohen Eisentor an. Drinnen angekommen, er- Möbel, Gemälde und Graphiken die NFG zu vorläufiger Begut- zählt Gert-Dieter Ulferts, Fachbereichsleiter für Hof- und Re- achtung und möglichem Ankauf. sidenzkultur, in einem Raum – steril wie ein Operationssaal –, Den damals achtjährigen Michael und seinen fünfjährigen wie am 30. Januar 2014 das Schreiben der Stelle zur Regelung Bruder Ulrich dürfte all dies kaum interessiert haben. Die Nach- offener Vermögensfragen der Thüringer Landesfinanzdirek- mittage verbringen die Jungs in der bergigen Rhönlandschaft. tion bei der Stiftungsleitung einging. Einige Monate nach dem

40 Foto oben rechts: privat oben rechts: Foto

rechts: Weit geht der Blick über die deutsch-deutsche Grenze auf die Felder, Berge und kleinen Gemeinden Thüringens

Mitte: Erwerbungen der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Litera- tur in Weimar werden in den sechziger Jahren handschriftlich in Inventarbüchern vermerkt

links: Mit feinem Spürsinn und viel Ausdauer recherchiert Gabriele Oswald den Verbleib der Kunst- gegenstände der Familie Lemke in der Klassik Stiftung Weimar

41 „Die Objekte müssen ihre Identität zurück- bekommen“, sonst ist es tote Materie“

„Beim Fall Lemke waren viele Dinge ungewöhnlich“, sagt Gert-Dieter Ulferts, der sich seit 20 Jah- ren mit Restitutions- fragen in der Klassik Stiftung beschäftigt

rechts: Als Juristin im Team Provenienzfor- schung ist Cora Chall u.a. für die Verhandlun- gen mit den Rechtsnachfolgern zuständig. Auch in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek bereitet sie sich darauf vor

unten: Nach der Flucht der Lemkes kauft Direktor Holtzhauer gut 80 Objekte vom Rat der Stadt Römhild

42 Mauerfall hatten Elisabeth Lemke und ihre Schwester den An- und welche unrechtmäßig durch die spätere Enteignung in die trag im Zuge der „Verordnung zur Anmeldung vermögensrecht- NFG kamen und welche einfach dort verblieben. Sie bittet die licher Ansprüche“ beim thüringischen Landratsamt Meiningen Depotmeister, nach den Objekten auf den Inventarlisten zu su- gestellt. Beigelegt ist dem Schreiben vom 8. September 1990 chen, um später – auch durch persönliche Inaugenscheinnah- auch eine Liste mit Kunstgegenständen, an die sich die Fami- me, die Kopflupe auf der Stirn – festzustellen, ob sie identisch lienmitglieder nach fast dreißig Jahren noch erinnern können. sind. Mit Erfolg: Nach zweijähriger Arbeit ist die Liste aller in Knapp 14 Jahre wird der Fall auf seine Bearbeitung warten. Auf der Klassik Stiftung gefundenen Möbel und Kunstgegenstände Nachfrage verweist das Thüringer Landesamt für Finanzen auf den „extrem hohen Rechercheaufwand“ infolge von mehreren hunderttausend Anträgen zur Geltendmachung vermögens- „Da sind Dinge passiert, die rechtlicher Ansprüche, die Anfang der Neunziger in jedem Unrecht waren, und wir haben neuen Bundesland gestellt wurden. So müssten zur Recherche „alte Akten aus Archiven gesucht, Grundbücher recherchiert, die Verpflichtung, sie wieder- Grundstücksveränderungen über zum Teil 70 Jahre nachvoll- gutzumachen“ zogen, Erben weltweit ausfindig gemacht werden“, heißt es. Zu viel Zeit für Lemkes: Sie versterben in den neunziger Jahren und werden die Rückgabe des Familienbesitzes nicht mehr erleben. der Lemkes auf hunderte Objekte angewachsen. Ein Superla- Die Klassik Stiftung Weimar jedoch handelt umgehend: tiv oder der bisher größte Restitutionsfall der Stiftung in Be- Sammlungsleiter Ulferts beauftragt Gabriele Oswald mit der zug auf zu DDR-Zeiten unrechtmäßig erworbene Kulturgüter. Recherche der Provenienz im Institutsarchiv der Stiftung. Nachdem die Stiftung die Rückgabe zahlreicher Objekte mit Eine weise Entscheidung, denn eigentlich als Kustodin für die den Lemke-Nachfahren vereinbart hat, fährt Michael Lemke im Mai 2017 nach Weimar, um die Möbel und Kunstgegenstände in Empfang zu nehmen. Einen Tag lang dauert die Restitution, „Es ist wichtig, dass die Objekte am Abend rollt ein riesiger Lastwagen vom Hof des Zentralen ihre Identität zurückbekommen, Museumsdepots in Weimar-Nord. „Beim Fall Lemke waren viele Dinge ungewöhnlich“, sagt sonst ist es tote Materie“ Gert-Dieter Ulferts, der sich zwanzig Jahre lang mit Restituti- onsfragen bei Adelsfamilien, mit NS-Raubgut und zuletzt mit Schärfung des Profils der Möbelsammlung zuständig, ist Os- DDR-Enteignungen beschäftigt hat. Es habe ihn überrascht, wald geübt, Objekte zu identifizieren, die die NFG bzw. deren dass viel mehr Objekte in der Stiftung gefunden als zurück- Direktor Holtzhauer in den sechziger Jahren für die Sammlung gefordert wurden. „Meistens ist es ja umgekehrt.“ Er zähle anschaffte. Dabei reicht der feine Spürsinn der 54-Jährigen sich zu einer Generation, in der die Frage der Aufarbeitung sogar so weit, dass sie die handschriftlichen Einträge in den der NS-Geschichte eine große Rolle spiele, sagt der 64-Jähri- Briefwechseln oder Inventarbüchern den ge, und das gelte auch für die DDR-Zeit: früheren Mitarbeitern zuordnen kann. „Da sind Dinge passiert, die Unrecht In detektivischer Kleinarbeit ver- waren, und wir haben die Verpflich- PROVENIENZFORSCHUNG tieft sich Gabriele Oswald nun in die tung, sie wiedergutzumachen.“ Objektliste der Lemkes, gleicht diese mit Seit 2010 prüft die Klassik Stiftung Wei- Bei aller Freude über den zurück- den Einträgen der Inventarbücher ab, re- mar systematisch die Herkunft ihrer Ob- erhaltenen Familienbesitz wie über die cherchiert nach Korrespondenzen zwi- jekte und entwickelt für unrechtmäßig er- barocke Kommode mit den Intarsien- worbenes Kulturgut angemessene Lösun- schen 1958 und 1961. Schwierig gestaltet gen. 2011 wurde die Provenienzforschung arbeiten – traurig stimmt Michael Lem- sich das Puzzlespiel auch deshalb, weil als Aufgabe im Leitbild der Klassik Stif- ke, dass seine Eltern und auch die Tan- das Institutsarchiv noch nicht digital auf- tung Weimar verankert. Bisher konnten te die Rückgabe des Familienbesitzes gearbeitet ist. Abschrecken aber lässt 2.700 als „NS-Raubgut“ identifizierte Ob- nicht mehr erlebt haben. Seine Mutter jekte restituiert werden. Grundlage ist die sich die Kunsthistorikerin von den 400 Washingtoner Erklärung von 1998, in der sei nach der Flucht aus Römhild „nie bis 500 Seiten starken Akten und den sich alle Unterzeichnerstaaten darauf ei- mehr glücklich geworden“, erzählt der handbeschriebenen Karteikarten nicht. nigten, für im Nationalsozialismus be- pensionierte Lehrer, der heute mit sei- Es sei ihr wichtig, „dass die Objekte schlagnahmte Kunstwerke eine „gerech- ner Frau in Bocholt lebt. Sicher hätte te und faire Lösung“ zu finden. Seit 2020 ihre Identität zurückbekommen“, sagt arbeiten die Provenienzforscher auch die die Restitution Trost spenden können. sie, „sonst ist es tote Materie“. Gabri- Erwerbungen aus der Zeit der Sowjeti- Einmal, sagt Michael Lemke, habe sei- ele Oswald ermittelt die einzelnen Pha- schen Besatzungszone und der DDR ne Mutter über die Flucht in den Westen sen, in denen die Kunstgegenstände der systematisch auf. Zum Team Provenienz- gesprochen und diesen einen bitteren forschung der Stiftung gehören die Lemkes seit 1958 die NFG erreichten. Historiker Rüdiger Haufe und Sebastian Satz gesagt: „Michael, für euch war es Sie identifiziert, welche Objekte recht- Schlegel sowie die Juristin Cora Chall. das Beste, aber ich habe meine Heimat mäßig durch Verkauf oder Schenkung verloren.“

43 VERANSTALTUNGEN Unsere Höhepunkte

im Themenjahr Neue Natur Aktuelle Informationen unter www.klassik- stiftung.de/ neue-natur

Flo Döhmer: „Tschernobyl und Prypjat. Der Lenin-Prospekt“, zu sehen in der Ausstellung „Ich hasse die Natur!“

AUSSTELLUNG „Ich hasse die Natur!“ Mensch, Natur, Zukunft

Mit ihrem titelgebenden Motto „Ich hasse die Natur!“, einem Zitat könnte. Gezeigt werden Werke zeitgenössischer Kunst sowohl aus des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard, setzt die den Beständen der Klassik Stiftung als auch aus internationalen Ausstellung einen starken Kontrapunkt zu den idyllischen Park- Sammlungen, darunter Arbeiten von Swaantje Güntzel, Lori Nix und anlagen der Klassik Stiftung Weimar. Natur als solche wird hier als Sam Taylor-Johnson. Mit ihren interaktiven, künstlerisch-medialen bedrohlich, mächtig und gewalttätig gezeigt, und zwar in ständi- Konzepten lädt die Ausstellung zur aktiven Auseinandersetzung mit ger Auseinandersetzung mit dem Menschen, der sich ihr anpasst, Natur und Landschaft ein. sie zerstört und im Gegenzug selbst von ihr überwältigt werden Schiller-Museum, 17. April bis 29. August 2021

44 ERÖFFNUNGSVERANSTALTUNG Der Auftakt Neue Natur

Mit einem großen Paukenschlag feiert die Klassik Stiftung Weimar den Start ihres Themenjahrs 2021 „Neue Natur“ im Park an der Ilm. Im Zentrum steht das Grüne Labor, gebaut aus Rohstof- fen aus dem Park wie Kompostbriketts aus Biomasse. Besucher und Besuche- rinnen sind herzlich eingeladen, die einzelnen Stationen des Themenjahres bei einem Kulturparcours zu entde- cken. Abends verwandelt sich der Park dann in eine illuminierte Klangwelt. Aber auch in den Museen der Stiftung wird allerhand geboten: Im Römischen Haus etwa erzählt ein Parkmodell multimedial die Geschichte des Parks an der Ilm als gewachsenes Garten- kunstwerk. Park an der Ilm/ Tempelherrenhaus, 17. und 18. April 2021

GROSSES GARTENFEST AUSSTELLUNG Weimarer Gartenlust im Landschaften im Licht Schloss und Park Belvedere Ludwig von Gleichen-Rußwurm

Mit einem großen Gartenfest, das im Park, der Orangerie und im Er war einer der ersten deutschen impressionistischen Land- Schloss Belvedere stattfindet, wird Anfang Juni die Gartensaison schaftsmaler und galt um 1900 sogar als derjenige, der „ganz eröffnet. Begrüßt werden die neu erworbenen Bitterorangen- allein die Einführung des französischen Impressionismus in die Bäume, die Pomeranzen, mit einem farbenfrohen Festumzug. deutsche Malerei“ vollbrachte. Nach dem Vorbild Claude Monets Neben Ausstellungen, Konzerten, Mitmachangeboten und Verkaufs- versuchte Ludwig von Gleichen-Rußwurm, atmosphärische ständen mit seltenen einheimischen Pflanzen informieren Bürger- Stimmungen durch Licht- und Schatteneffekte einzufangen. Der initiativen über das Thema nachhaltiges Leben und Wirtschaften. Vertreter des alten Adelsgeschlechts bewegte sich künstlerisch Herzlich eingeladen sind alle Besucher und Besucherinnen am zwischen verschiedenen Zeiten und Kulturen. Nun widmet die Sonntag zum öffentlichen Picknick im Lindengarten. Klassik Stiftung dem Enkel Friedrich Schillers eine Ausstellung. Park und Schloss Belvedere | 5. und 6. Juni 2021 | ganztägig Schiller-Museum | 16. Oktober 2021 bis 9. Januar 2022

45 VERANSTALTUNGSKALENDER 2021

Der Park an der Ilm als gewach- Schloss Belvedere, Schloss Kochberg, APRIL senes Gartenkunstwerk Innenstadt Weimar | 22. bis 24. Mai 2021

Anhand von Projektionen und Modellen AUSSTELLUNG des Parks können Besucher und Besuche- Exotische Inspiration. Gesellige rinnen im Untergeschoss des Römischen AUSSTELLUNG Hauses die historische Entwicklung der Leben für Liszt: Martha Remmert Teekultur in Weimar um 1800 Parkanlagen nacherleben und interaktiv In der in den 1790er Jahren äußerst belieb- geschichtliche Persönlichkeiten, Ereig- Martha Remmert war eine der begabtes- ten Weimarer Teegeselligkeit ging es we- nisse und Orte miteinander verknüpfen. ten Liszt-Schülerinnen. Nach dem Tod des niger um materielle Repräsentation als um Römisches Haus im Park an der Ilm, Komponisten gründete sie die Liszt-Aka- „geistige Gaben“. Angeregt werden sollte ab 17. April 2021 demie in Berlin. Die Kabinettausstellung im die anspruchsvolle Konversation durch Tee Goethe- und Schiller-Archiv ist Teil der Liszt von erlesener Qualität. Erstmalig zeigt die Biennale Thüringen. Sie bietet einen Einblick Ausstellung den Reichtum der für Weimar in das Leben der Pianistin, Pädagogin und typischen Teekultur, vom Familien- zum MAI Komponistin. Spieltee, vom Tanz- zum Theatertee. Goethe- und Schiller-Archiv, Kirms-Krackow-Haus, Schloss Belvedere, 21. Mai bis 29. August 2021 2. April bis 31. Oktober 2021

JUNI / JULI AUSSTELLUNG Bauhaus und Natur: Lyonel Fei- ninger – mit dem Rad unterwegs AUSSTELLUNG In der Ausstellung sind 30 von Feiningers Hüter der goldenen Früchte zahlreichen Naturnotizen und ihre künst- Erstmals gibt diese Ausstellung einen Über- lerische Umsetzung in grafische Blätter zu blick über die Entwicklung der Orangerie- sehen. Thomas Wetzels zeitgenössische Lange Nacht der Museen Weimar kultur im Weimar der letzten 300 Jahre. Fotografien setzen die bildnerische Rad- Auch in diesem Jahr öffnen die Museen Sie schlägt einen Bogen von der Bedeutung tour in die Gegenwart fort. der Klassik Stiftung Weimar ihre Pforten exotischer Pflanzen als Statussymbol über Bauhaus-Museum Weimar, Projektraum B, bis Mitternacht und zeigen ihre Ausstel- die gartenkünstlerischen Ambitionen der 17. April bis 8. August 2021 lungen. Neben Führungen für Erwachsene Gärtnerfamilien bis hin zu den botanischen und Kinder gibt es ein Musikprogramm Forschungen Herzog Carl Augusts um 1800. und Bastelwerkstätten für Kinder. Auch die neu erworbenen Pomeranzen sind Innenstadt Weimar | 15. Mai 2021 zu sehen. Schloss und Park Belvedere, Gärtnerwohnhaus | ab 5. Juni 2021

Kochberger Gartenvergnügen Mit einem umfangreichen Programm und Lustspiel in drei Akten: Angeboten zu Porzellan, Blumen, Kräutern, Die Mitschuldigen Gartenmöbeln, Gartendekorationen, Natur- kosmetik, Kostproben und vielem mehr ist „Die Mitschuldigen“ heißt das Lustspiel das Gartenfestival auf Schloss Kochberg Johann Wolfgang von Goethes, in dem er ein Muss für alle Gartenfans. Ab 17 Uhr u. a. seine Erfahrungen aus einer Liebelei lassen klassische Konzerte auf Original- mit der Wirtstochter Käthchen verarbeitet Land. Fluss. Kentmanus. Natur instrumenten aus der Goethezeit das Fest hat. Augenzwinkernd lässt das Werk in ausklingen. menschliche Abgründe blicken. erforschen im 16. Jahrhundert Schloss Kochberg | 29. Mai 2021 Schloss Kochberg | 5. Juni 2021 Die Präsentation der Herzogin Anna Amalia Termine: www.liebhabertheater.com Bibliothek widmet sich einem herausragen- den Objekt der Handschriftensammlung, dem sogenannten Codex Kentmanus. Die- Thüringer Schlössertage in ser Band aus dem 16. Jahrhundert ent- Weimar und Umgebung hält naturkundliche Manuskripte, die von den sächsischen Ärzten Die Schlössertage 2021 stehen Alle unsere Kentmann verfasst wurden. Er ganz im Zeichen der BUGA ist mit mehr als 400 Darstellun- Veranstaltungen Erfurt. Unter dem Motto „Auf- gen von Pflanzen und Tieren finden Sie online: gegangen! Gartenlust und illustriert. www.klassik- fürstliche Gewächse“ gibt es Herzogin Anna Amalia Bibliothek, stiftung.de/ in und um Weimar spannende Studienzentrum, programm Sonderführungen, Spaziergänge 17. April bis 1. November 2021 und eine Mini-Oper zu erleben.

46 Alle Angebote der Klassik Stiftung Weimar sind während der Pandemie sorgfältig an geltende Hygienebestimmungen angepasst. Große Teile unseres Programms finden im Freien statt. Aktuelle Informationen zu allen Veranstaltungen finden Sie unterwww.klassik-stiftung.de/programm

Erlebnisportal Weimar bare Handschriften, die das Thema Natur auf unerwartete Weise beleuchten. Briefe, Als temporärer Bau eröffnet das neue Dichtungen, Zeichnungen und Komposi- NOVEMBER / DEZEMBER Erlebnisportal Weimar vor dem Studienzen- tionen aus den bedeutendsten Beständen trum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. des Hauses können im Original bewundert Die begehbare multimediale Informa- werden. tionsbox empfiehlt den Besuch weiterer Goethe- und Schiller-Archiv, Weimarer und Thüringer Kulturstätten. 11. September bis 19. Dezember 2021 Innenhof des Studienzentrums der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, ab 18. Juli 2021 OKTOBER

AUGUST AUSSTELLUNG Offene Freundschaften. Dora -Wi Gartenparty im Nietzsche-Archiv biral und Dorothea Seeligmüller AUSSTELLUNG Friedrich Nietzsches 121. Todestag ist wieder Anlass für ein heiteres und zugleich Als Schülerinnen Henry van de Veldes Cranachs Bilderfluten feierliches Fest: mit buntem Programm, und Lehrerinnen an der Weimarer Kunst- Die Ausstellung im neu gestalteten Renais- von unbeschwert bis nachdenklich, von gewerbeschule sowie am Bauhaus gingen sancesaal der Herzogin Anna Amalia Kuchenplatte bis „fröhliche Wissenschaft“. Dora Wibiral und Dorothea Seeligmüller Bibliothek widmet sich dem Werk Lucas Der Garten der Villa Silberblick wird dabei ihren ganz eigenen Weg. Nietzsches Cranachs und der Reformation. Präsentiert zu einem Ort der künstlerischen, philoso- Schriften beeinflussten ihre Haltung werden Gemälde, Grafiken und die be- phischen und menschlichen Begegnung. zum Leben. Sie lebten in einer gleichge- rühmte Luther-Bibel von 1534. Sie zählen zu Nietzsche-Archiv | 25. August 2021 schlechtlichen Partnerschaft und führten den wichtigsten Schätzen in den Sammlun- eine Werkstatt. Die Präsentation zeigt gen der Klassik Stiftung Weimar und sind Metall- und Emaillearbeiten, Keramik von internationaler Bedeutung. sowie Entwürfe. Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Nietzsche-Archiv | ab 13. Oktober 2021 ab 4. Dezember 2021

Weimar feiert Goethe: Ein Flaniergeburtstag Schon zu Goethes Lebzeiten feierte Wei- mar den Geburtstag des Dichters in gro- ßem Stil. Diese Tradition hat sich bis heute bewahrt. Auch der 272. Dichtergeburtstag wird zelebriert: mit einem Festprogramm am Römischen Haus im Park an der Ilm. Römisches Haus im Park an der Ilm, 28. August 2021 Weimarer Kontroversen: „Mensch – Natur – Beziehungskrise“

Die „Weimarer Kontroversen“ beleuchten oder auch unmöglicher Naturbeziehungen SEPTEMBER im Themenjahr „Neue Natur“ die Bezie- diskutiert – mit jeweils zwei Menschen in hung zwischen Mensch und Natur. Wir einer öffentlichen Debatte. Unter anderen lieben und hassen die Natur: So ist die un- sprechen wir mit der Meeresbiologin Antje AUSSTELLUNG berührte Natur als romantisches Sinnbild Boetius und mit der Philosophin und Auto- unverfälschter Harmonie dieselbe Natur, rin Svenja Flaßpöhler. Natur auf Papier die unser Leben durch Naturkatastrophen Bauhaus-Museum Weimar Natur statt Papier wünscht sich Goethes und Pandemien bedroht. In den „Weimarer Monatliche Termine unter: www.klassik- Faust – und bleibt doch auf Papier ge- Kontroversen“ wird die Vielfalt möglicher stiftung.de/weimarerkontroversen bannt: Die Ausstellung präsentiert kost-

47 SERVICE

Besucherinformation der Klassik Stiftung Weimar. App Weimar+ → [email protected] Ihr multimedialer Begleiter durch die Häuser Klassik Stiftung Weimar der Moderne und die historischen Parkanla- Burgplatz 4, 99423 Weimar Medien und App gen Weimars. Info-Telefon: 03643 545 400 → www.klassik-stiftung.de/app Website der Klassik Stiftung Weimar Ihr Ansprechpartner für alle Fragen rund um → www.klassik-stiftung.de Das Magazin „klassisch modern“ die Museen. Wir buchen Gruppenreservierun- Schreiben Sie uns gern Ihre Fragen und Anlie- gen, Führungen und museumspädagogische Social Media gen oder bestellen Sie das Magazin kostenlos Angebote für Sie. Folgen Sie uns gern auf: über: → [email protected][email protected] F facebook.com/KlassikStiftungWeimar Online-Ticketshop d Hier erhalten Sie Tickets für alle Museen der instagram.com/klassikstiftung Treffpunkte ù Klassik Stiftung Weimar, das Kombiticket youtube.com/user/KosmosWeimar „Neue Natur 2021“ sowie die Jahreskarte. Õ twitter.com/KlassikStiftung Museumshops → www.klassik-stiftung.de/tickets Inspirierende Produkte zur Weimarer Klassik Newsletter und zum Bauhaus finden Sie in unseren Shops Menschen mit Einschränkungen Abonnieren Sie unseren kostenlosen im Bauhaus-Museum, im Goethe-National- Wir empfehlen, Ihren Besuch bei der Besu- Newsletter: museum, in der Frauentorstraße, im Schiller- cherinformation anzumelden und sich → www.klassik-stiftung.de/newsletter Museum und unter: beraten zu lassen: → www.museumshop-weimar.de Blog der Klassik Stiftung Weimar → [email protected] In unserem Blog finden Sie Hintergrundbe- Freundeskreise Tourist Information Weimar richte, Interviews und Videos zur Weimarer In sieben Freundeskreisen engagieren sich Markt 10, 99423 Weimar, Klassik, aber auch zu Liszt, Nietzsche und 1.600 Freundinnen und Freunde der Klassik Tel: 03643 745 0 zum Bauhaus. Stiftung Weimar. Auch hier erhalten Sie Tickets für Museen → www.klassik-stiftung.de/blog → www.klassik-stiftung.de/freundeskreise

IMPRESSUM klassisch modern Redaktionelle Unterstützung (KSW) Bildnachweise Döhmer; S.45: ©Candy Welz/ Das Magazin der Klassik Jonas Böddicker, David Chazarenc, (je Seite von oben nach unten) KSW*, ©Alexander Burzik/KSW*, Stiftung Weimar Daniel Clemens, Sophia Schalt, Cover: ©Thomas Müller/KSW*; ©KSW*; S.46: ©KSW*, ©KSW*, Tanja Tricarico (fr), Brigitta Ulferts S.3: ©Lori Nix, Leihgabe Galerie ©Helga Blocksdorf Architektur; Herausgeberin Klüser München, ©Candy Welz; S.47: ©KSW*, ©Candy Welz/KSW*, Klassik Stiftung Weimar Autor*innen S.4: ©Thomas Meyer, ©Kristina ©Susanne Marschall; S.50: ©Uli Stiftung des öffentlichen Rechts Julia Boek, Karl Grünberg, Ariane Steiner, ©Sebastian Wanke; Oesterle Burgplatz 4, 99423 Weimar Lemme, Ulf Lippitz, Ulrike Lorenz, S.5: ©Axel Völcker, ©Consemül- Tel.: 03643 545 0 Jeanette Miltsch, Andreas Pahl, * Klassik Stiftung Weimar ler**, ©Uli Oesterle; S.6-7: ©Nik → [email protected] Klara Schubenz ** Stephan Consemüller, Klassik Neves; S.8: ©The Estate of T. Lux Stiftung Weimar, Dauerleihgabe Fotograf*innen Feininger mit freundlicher Geneh- Vertretungsberechtigte Privatbesitz, Berlin, mit freundli- Die Klassik Stiftung Weimar wird Marcus Glahn, Thomas Meyer, migung von Conrad Feininger, cher Genehmigung von Wulf gesetzlich vertreten durch ihre Thomas Müller, Kristina Steiner, ©André Kühn/KSW*, ©André Herzogenrath Präsidentin, Frau Ulrike Lorenz. Sebastian Wanke, Axel Völcker Kühn/KSW*, ©Axel Völcker; S.9: (V.i.S.d.P.) lllustratoren ©André Kühn/KSW*, ©Dieter Urheberrechte Eberwein/KSW*, ©Brenne Archi- Alle Texte, Bilder, Graphiken so- Konzept, Redaktion, Nik Neves, Jakob Müller, tekten; S.30: ©Stiftung Freizeit; wie deren Anordnung auf den Art Direction, Bildredaktion Uli Oesterle S.34: ©Consemüller**; S.35: Seiten von „klassisch modern – Agentur: Redaktion&Gestaltung Lektorat ©Thomas Meyer/Ostkreuz; S.37: Das Magazin der Klassik Stiftung Julia Boek (Redaktion) Klassik Stiftung Weimar ©Consemüller**, ©Alexander Weimar“ unterliegen dem Urhe- Axel Völcker (Gestaltung) Burzik/KSW*, ©Sprengel Museum berrecht und anderen Gesetzen www.redaktionundgestaltung.de Bildbearbeitung Hausstätter Herstellung Hannover/Archiv Robert Michel zum Schutz geistigen Eigentums. Redaktion (KSW) und Ella Bergmann-Michel, Sie dürfen weder für kommerzielle Gerrit Brüning, Katharina Redaktionsschluss Schenkung aus dem Nachlass/ Zwecke oder zur Weitergabe an 18. Dezember 2020 Decker, Rainer Engelhardt, Sünke Michel, ©KSW*, ©Otto Dritte kopiert noch verändert Helmut Heit, Folker Metzger, Druck Hagel, mit freundlicher Unterstüt- noch in anderen Kontexten ver- Jeanette Miltsch (Projektleitung), Neef + Stumme zung von Stewards of the Coast wendet werden. Kirsten Münch, Klara Schubenz Schillerstraße 2, 29378 Wittingen and Redwoods (2x); S.44: ©Flo

Die Klassik Stiftung Weimar wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie dem Freistaat Thüringen und der Stadt Weimar.

48 → Newsletter Landschaftspark Ebersdorf (Saalburg-Ebersdorf) → Führungen → Wo kann man Heft nachbestellen → Sevice-Telefon Schlosspark Altenstein (Bad Liebenstein) → Rubrik dauerhaftes Angebot (Auswahl durch KSW) → Spaziergänge Nordhausen → Führungen → Rucksacktouren Sangerhausen

A38 BUGA Erfurt 2021 Bendeleben

Autobahn Tagesausflug Ebeleben A71 Mühlhausen ICE-Strecke lohnender Abstecher

Buttstädt Bad Langensalza

Apolda Dornburg- Gotha Ettersburg Camburg A4 Erfurt Kromsdorf Altenburg Eisenach Weimar Molsdorf Jena Holzdorf Gera

Bad Liebenstein Großkochberg

A9 Greiz Saalfeld Suhl

Saalburg- Ebersdorf A73

Die Broschüre zu den BUGA-Außenstandorten finden Sie online unter www.buga2021.de/ aussenstandorte

Die 25 BUGA-Außenstandorte

Historische Gärten und Parkanlagen gehören mit zum Schlosspark Tiefurt schönsten kulturellen Erbe Thüringens. Dazu zählen, als (Weimar) Folge der Kleinstaaterei, viele fürstliche Parkanlagen, wie der Ebersdorfer Landschaftspark, der Schlosspark Altenstein oder die zum Welterbe der UNESCO gehörigen Weimarer Parkanlagen, aber auch einige Villengärten. Das Netzwerk BUGA-Außenstandorte präsentiert 25 der sehenswertesten Anlagen in Thüringen, die zur BUGA u.a.

Führungen und interessante Veranstaltungen anbieten. Bergfried-Park (Saalfeld) Goethe in Weimar, Teil 1 „Standortmarketing Anno 1775“ Bald verband Goethe und den jungen – im aufklärerischen Geist erzogenen – Herzog Carl August eine enge Freundschaft. Als Goethe 1775 von Herzog Carl August nach Weimar ... Also abgemacht? eingeladen wurde, entsprach die kleine Residenzstadt Lasst es uns wagen, an der Ilm ihrem Aussehen nach nicht unbedingt den mein Herzog! Städten anderer Herzogtümer. Aber es muss im Schatten der Nacht geschehen, bevor die Sonne aufgeht.

Was aber, wenn jemand mich erkennt und schwätzt?

Dennoch schätzte Goethe die Bemühungen des Fürstenhauses, Was juckt es Euch? Weimar zu einem kulturellen Ihr seid der Herzog – lasst Zentrum zu machen. Er blieb. sie doch lästern ...

... Denn genau dies wollte Nicht doch, sich Goethe zu Nutze Goethe! Im Vorfeld jener Nacht machen. Kurze Zeit später, Ha Ha, warum? Das hatte Goethe nämlich dafür im Lichte des  gesorgt, dass ein stadtweit Vollmonds... ist gesund und härtet ab, mein verweichlich- bekannter Schwätzer durch ter, fürstlicher den Park an der Ilm spazierte. Freund. Schon bald traf dieser auf die nächtliche Badegesell- schaft.

Hi Hi, noch bin ich dein Herzog!

Ha Ha. Ungeheuerlich! Etwas mehr Respekt, bitte.

Goethes Coup gelang: Aus allen Himmelsrichtungen pilgerte die feine Das muss ich sofort Gesellschaft nach Weimar, um die liberale Hofgesellschaft mit eigenen den verehrten Herrschaften Augen zu sehen. Das kleine Residenzstädtchen an der Ilm wurde berühmt. berichten. Was sie wohl im Kurfürstentum Sachsen davon halten?

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde vom planschenden Herzog, seinem Dichter- freund und den lockeren Umgangsformen weit über die Stadtgrenzen hinaus.

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