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UIP (L.); NACHO DOCE / REUTERS (R.) DOCE / REUTERS UIP (L.); NACHO Paramount-Pictures-Kinohit „Krieg der Welten“ (mit Tom Cruise), Pop-Diva Madonna bei MTV-Awards: Mehr Filme für spezielle Zielgruppen

SPIEGEL-GESPRÄCH „Es wird Geld regnen“ Tom Freston, Co-Präsident und künftiger Chef des amerikanischen Medienkonzerns , über die Zukunft des Kinogeschäfts, die Hoffnung auf eine Rückkehr des Internet-Booms und die Zusammenarbeit mit deutschen Filmemachern

SPIEGEL: Mister Freston, Ende des Jahres Künftig machen wir nur Film, Kabelfern- Freston: Ein klassischer Fernsehkonzern wird Ihr Medienriese Viacom in zwei Un- sehen und das Digitalgeschäft – und nicht wie CBS ist schon erwachsen, während Ka- ternehmen aufgespalten. Sie selbst werden auch noch Buchverlage, Radio, Freizeit- bel-TV rasant wächst. Sogar in Deutsch- dann einen – vor allem aus MTV und parks und Außenwerbung. All das hat un- land legen wir aktuell mit unserer Gruppe den Paramount-Filmstudios bestehenden tereinander keine große Beziehung und aus MTV, Viva und um fast – neuen, aber kleineren Konzern führen. versperrt den Blick auf die Wachstums- zehn Prozent zu. Dabei erholt sich der TV- Gilt plötzlich das seit Jahren herrschende bereiche, die die Börse von uns fordert. Werbemarkt bei euch im Gegensatz zum Postulat der Unterhaltungsindustrie nicht SPIEGEL: Jahrelang wurden die Übernah- Rest der Welt nicht. Warum eigentlich? mehr: Je größer, desto besser? men in der Medienindustrie mit endlosen SPIEGEL: Das wüssten wir gern von Ihnen! Freston: An diese These habe ich nie ge- Möglichkeiten gegenseitiger Werbung und Freston: Ich kann es nicht erklären, das ist glaubt. Die meisten großen Deals haben nie Synergien begründet. Jetzt soll das alles einfach seltsam. Was ist bloß los bei Ih- den erwarteten Wert geschaffen. Schauen plötzlich keine Rolle mehr spielen? nen? Und was sollen diese ewigen Ge- Sie sich nur AOL und Time Warner an. Freston: Auf jeden Fall nicht genug, um ein schichten von Deutschland als dem „kran- Die Medien- und Unterhaltungsindustrie Unternehmen zusammenzuhalten. ken Mann Europas“? Deutschland sieht ist im Kern eben ein Kreativgeschäft. Und SPIEGEL: Warum sollen plötzlich Kabel- überhaupt nicht krank aus, wenn man dort dabei ist Größe nicht entscheidend. sender wie Ihr MTV und große Networks ist. Die Leute sind gut angezogen, gehen SPIEGEL: Das klang vor fünf Jahren noch wie CBS nicht mehr zusammenpassen? gut essen und machen den Eindruck, als ganz anders, als Viacom für 37 Milliarden sei ihr Leben sehr komfortabel. Dollar den US-TV-Riesen CBS schluckte. SPIEGEL: Man kann in Deutschland sogar Freston: Nach der Fusion sind die Wachs- mit frei empfangbarem Fernsehen eine tumsraten in vielen Bereichen stark zu- Menge Geld verdienen, wie Haim Saban rückgegangen. Wir hatten das Gefühl, un- gerade mit dem Verkauf von ProSieben- ser Geschäft neu fokussieren zu müssen. Sat.1 an Springer bewiesen hat. Freston: Wahnsinn, dieser Typ ist unglaub- lich, oder? Der verdient sich jedes Mal Tom Freston dumm und dämlich mit seinen Deals. hat 1981 den Jugendsender MTV miterfunden. SPIEGEL: Ärgern Sie sich mittlerweile, dass 1987 übernahm der ehemalige Werbemana- Sie die Senderkette nach der Kirch-Insol- ger auch die Führung des Videoclipkanals und venz nicht selbst übernommen haben? baute ihn zu einem heute in rund 160 Ländern Freston: Oh, ich hätte ProSiebenSat.1 gern der Erde präsenten TV-Imperium aus. Ende des gekauft. Allerdings war ich damals noch Jahres rückt Freston an die Spitze des sich ge- MTV-Chef und konnte nicht selbst zu- rade umorganisierenden MTV-Mutterkonzerns schlagen. Die Viacom-Zentrale in New Viacom, dessen operatives Geschäft der 59- York war nicht überzeugt. Dabei war es Jährige bereits seit Juni 2004 mitverantwortet. wirklich keine Zauberei, den Laden finan- ziell auf Vordermann zu bringen. 222 Medien

Freston: Wir wollen sicher kein Portal bau- en wie Microsofts MSN – und wie es of- fenbar auch vorhat. Mit Paramount und MTV haben wir bekannte Marken, die sich sehr gut für Online-Wer- bung oder Download-Angebote wie etwa Filme vermarkten lassen. Wir kreieren zu- dem ganz neue Inhalte fürs Handy. SPIEGEL: Neue Geschäftsfelder sind schön und gut, aber müssen Sie sich nicht vor- dringlich um die alten kümmern? Para- mount Pictures war noch vor wenigen Jah- ren mit „Titanic“ und „Forrest Gump“ ei- nes der erfolgreichsten Hollywood-Studios überhaupt. Jetzt dümpeln Sie mit einem Marktanteil von gut sechs Prozent auf dem

CBS / AP letzten Platz unter den großen Studios. CBS-Star David Letterman (mit Bill Clinton, l.): „Größe ist nicht entscheidend“ Wie soll die Rückkehr gelingen? Freston: Zum Beispiel indem wir endlich SPIEGEL: Stattdessen kauften Sie sich im ternet. Musik war und ist im Zentrum der unsere Filmbibliothek auf DVD bringen. vergangenen Jahr mit der Mini-Sender- Jugendkultur. Aber die Musikbranche hat Das haben wir dämlicherweise als Einzige gruppe Viva auch eine Menge Ärger: Der in den letzten Jahren sehr geschwächelt, weitgehend verschlafen. Kaum ein Film Betriebsrat stellte sich quer, Medienpoliti- und auch wir können allein mit Musik nicht spielt heute sein Geld noch an der Kino- ker fühlten sich getäuscht. mehr genügend Zuschauer anlocken. kasse ein: Bis zu 70 Prozent der Einnah- Freston: Wir sind mit Viva sehr glücklich, SPIEGEL: Wo will Viacom wachsen? men kommen aus dem DVD-Geschäft. auch wenn der Integrationsprozess länger Freston: MTV und unsere Kabelkanäle le- SPIEGEL: Das bringt Ihnen allerdings noch gedauert hat, als wir wollten. Nun läuft gen ja bereits jedes Jahr kräftig zu. Und wir nicht mehr Zuschauer für Ihre aktuellen auch der Kindersender Nickelodeon erfolg- werden das eine oder andere kaufen: Ka- Filme. Abgesehen von Steven Spielbergs reich, und wir haben noch weitere Pläne. belsender, Filmproduzenten und sicher „Krieg der Welten“ floppten die meisten. SPIEGEL: Wie sehen die aus? auch Internet-Firmen. Freston: Unser Ziel ist, künftig verschie- Freston: Wir haben mit in SPIEGEL: Auch Ihr Konkurrent Rupert Mur- dene Marken unter dem großen Studio- den USA einen erfolgreichen Comedy- doch hat gerade Internet-Unternehmen für dach zu haben und damit spezielle Ziel- Sender. Und mit Viva haben wir den TV- rund 1,3 Milliarden Dollar übernommen. gruppen anzusprechen. Wir werden also Produzenten Brainpool übernommen… Woher das wiedererwachte Interesse? unter anderem auch MTV Pictures und SPIEGEL: … der Spaßformate wie „Lady- Freston: Stimmt, Internet ist derzeit das Nickelodeon Pictures gründen. kracher“ mit Anke Engelke und Stefan große Thema in der Medienbranche. Aber SPIEGEL: Ihre TV-Sender sollen Zuschauer Raabs „TV total“ produziert … wir folgen nur dem Konsumenten: In den auch ins Kino locken? Freston: … und ein kleiner, sehr kreativer späten Neunzigern waren wir wohl alle ein Freston: Ja, es sollen mehr Filme für diese Laden ist. Einen auf Comedy spezialisier- bisschen früh dran, heute dagegen ist doch Zielgruppen entstehen – für weniger Geld. Kanal können wir uns auch für wirklich fast jeder online. Zum einen geht das mit weniger namhaf- Deutschland gut vorstellen. SPIEGEL: Das Geschäft mit Online-Werbung ten Schauspielern, zum anderen spart es SPIEGEL: Das wird der Börse nicht reichen. ist doch immer noch sehr klein. Wird da Werbeausgaben: Eltern wissen, dass sie mit Freston: Wir müssen sicher auch weltweit nicht ein neuer Hype geschaffen? ihren Kindern in einen Nickelodeon-Film neue Marken aufbauen, schon weil es MTV Freston: In den nächsten 20 Jahren wird es gehen können. Junge Leute wissen, dass so ziemlich überall außer in der Antarktis im Internet- und Digitalgeschäft mit Breit- ein MTV-Film sicher cool ist. bereits gibt. In den Niederlanden etwa ha- bandnetzwerken geradezu Geld regnen. SPIEGEL: Trauen Sie den neuen Ansatz kei- ben wir den Musiksender TMF gekauft und Unsere Internet-Firmen legen derzeit um nem Hollywood-Insider zu? Im Frühjahr erfolgreich in England etabliert. Nun über- 50 Prozent im Jahr zu, davon will ich mehr. schockten Sie die Branche, als Sie die lang- legen wir, wohin wir Viva am besten expor- SPIEGEL: Aber womit genau lässt sich das jährige Studiochefin Sherry Lansing durch tieren können. Osteuropa bietet sich da an. Geld verdienen im Internet? den Talentagenten Brad Grey ersetzten. SPIEGEL: MTV ist längst kein „Music Tele- vision“ mehr. Stattdessen flimmern dort ständig Dating- und Reality-Shows über Viacom nach der Teilung den Schirm. Kratzen Sie da nicht gefährlich Umsätze* der Geschäfts- am Mythos des Senders, den Sie vor rund bereiche 2004 25 Jahren mitbegründet haben? Kabelfernsehen in Mrd. Dollar Radio Freston: Tatsächlich sieht man heute viel MTV, rund weniger Musikvideos als früher, und viele Nickelodeon, 180 Leute sagen deshalb: Oh, das ist nicht mehr VH1, BET 6,6 Sender das MTV, mit dem ich groß geworden bin. 2,1 Diese Leute gehören aber altersmäßig nicht 9,2 13,9 mehr zur Zielgruppe. Mrd. $ Mrd. $ 1,9 Außen- SPIEGEL: Und die Jugend von heute hat kein Unter- werbung Interesse mehr an Musik? haltung 2,6 8,5 Freston: Doch, schon, aber sie will eben Paramount Fernsehen 1,4 auch mehr – unsere wachsenden Zuschau- Pictures (Film- CBS- und UPN- Freizeitparks, erzahlen beweisen das. Musikvideos sind produktionen), *teilweise Fernsehnetze, TV- Verlage heute nur noch Bedarfsware: Wer einen Publishing geschätzt Produktionen, TV-Stationen Simon & Schuster Clip sehen will, holt ihn sich aus dem In-

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Freston: Brad kennt sich super aus und wird den Laden vor allem kreativ in Schwung bringen. Brad Pitts Produktionsfirma zum Beispiel arbeitet jetzt mit uns. Und wir werden ja auch weiter die großen Kassen- knüller machen wie „Mission Impossible 3“ mit Tom Cruise, der gerade hier auf dem Studiogelände gedreht wird … SPIEGEL: … und dessen Budget Grey erst einmal beschnitten hat. Geht’s künftig nur noch billig? Freston: Nein, das lief nur etwas aus dem Ruder, und wenn so ein Film bei Kosten von über 150 Millionen Dollar landet, muss man irgendwann die Bremse anziehen. Aber sonst spricht nichts gegen aufwendi- ge Produktionen. Oliver Stone etwa macht für uns einen Film über den 11. September: Es geht um zwei Polizisten, die es als Letz-

te noch aus dem World Trade Center schaf- JÜRGEN FRANK fen. Ein sehr heroischer, packender Film. Viacom-Zentrale in Billig ist so etwas nicht. „Manchmal völlig durchgeknallt“ SPIEGEL: Fragt sich nur, ob er außerhalb der USA viele Zuschauer findet. Und die machen lässt. Die Filmindustrie ist jedoch brauchen Sie dringend, denn die US-Stu- extrem verschwiegen, wenn es darum geht, dios spielen inzwischen einen Großteil ih- wie viel wirklich verdient wird. Also ver- rer Kinoeinnahmen im Ausland ein. raten Sie uns bitte: Was ist für ein Hol- Freston: Zugegeben: In den letzten Jahren lywood-Studio eine gute Rendite? hatte vor allem Paramount einen viel zu Freston: Zwischen 14 und 17 Prozent, da lie- nationalen Blickwinkel. Aber wir wollen gen wohl Warner und Fox. Mit Paramount künftig nicht nur stärker amerikanische will ich auch in den zweistelligen Bereich. Filme für das internationale Publikum SPIEGEL: Wo sind Sie jetzt? machen. Ich will vor allem lokale Filme in Freston: Eher bei fünf Prozent. den jeweiligen Märkten mitproduzieren SPIEGEL: Bei welchem Umsatz? und mich mit smarten, kleinen Firmen vor Freston: Rund 2,5 Milliarden, alles in allem. Ort zusammentun. SPIEGEL: Nicht schlecht, gerade wenn man SPIEGEL: Schielen Sie auf den Erfolg kleiner die Branchenverbände hört, die Holly- Produzenten wie X Filme in Deutschland, wood wegen Internet-Piraterie und illega- die mit „Good Bye, Lenin!“ erfolgreicher ler Downloads vor dem Untergang sehen. waren als manch teure US-Produktion? Freston: Die Piraterie ist sicher ein Pro- Freston: Klar, warum soll Paramount keine blem. Aber wichtiger sind gute Filme mit deutschen Filme mitproduzieren? originellen Ideen. Ich glaube, die Kino- SPIEGEL: Haben Sie mit dem zuletzt erfolg- besucher sind einfach gelangweilt: hier ein reichsten Filmemacher in Deutschland, Remake, da eine Fortsetzung, meine Güte „Bully“ Herbig, schon gesprochen? – wie öde! Man muss mal was riskieren. SPIEGEL: Heißt mehr riskieren auch höhe- re Investitionen? Freston: Nicht unbedingt. Allerdings sind die über 100 Millionen Dollar teuren Groß- produktionen oft wirklich die erfolgreichs- ten. Die mittleren mit Budgets von 50, 60 Millionen Dollar saufen viel eher ab. Selbst mit den kleinen Filmen lässt sich meist Geld verdienen … SPIEGEL: … wie neuerdings auch mit Do- kumentationen der Sorte „Die Reise der Pinguine“. Freston (r.), SPIEGEL-Redakteur* Freston: Ach, erinnern Sie mich nicht dar- „Meine Tür steht offen!“ an! Den Film hätten wir für eine Million Dollar haben können. Aber dann hat je- Freston: Nein, aber sagen Sie ihm, er soll mand gesagt: Wer zum Teufel will einen das nächste Mal bei mir vorbeikommen, Film über Pinguine sehen? Wir haben es wenn er in Los Angeles ist. Das gilt auch also gelassen. Und was ist passiert? Diese für andere deutsche Produzenten mit gu- komischen Vögel haben bislang allein in ten Ideen: Meine Tür steht offen! den USA 75 Millionen Dollar eingespielt. SPIEGEL: Sie wirken überzeugt, dass sich mit Manchmal ist dieses Geschäft einfach nur dem Kinogeschäft weiter eine Menge Geld völlig durchgeknallt. SPIEGEL: Mister Freston, wir danken Ihnen * Thomas Schulz bei in Los Angeles. für dieses Gespräch.

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