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CD Portrait CD Portrait LEONIE RYSANEK aß Singen Leben ist und „Per- Furtwängler dirigiert, ich singe, und nach Unerreicht: fektion" der Tod jeder Kunst, das hat zwanzig, dreißig Takten bricht er ab. Da bin Kaiserin und Senta IM STUDIO UND LIVE Duns kaum eine Sängerin so deutlich ich sofort zusammengezuckt: Oje, hast gezeigt wie Leonie Rysanek. Sie schöpfte schon wieder was falsch gemacht! Mein Daß schon zwei Monate später ein neues aus dem Augenblick, jede Art von Kalkül ganzes Leben lang hatte ich dieses begann, nämlich mit der Decca, ist im war ihr fern. Insofern ist es kein Wunder, Schuldgefühl. Und Furtwängler schaut erst Grunde der Beharrlichkeit von Karl Böhm Singen ist Leben daß sie das glatte Gegenteil einer Studio- mich an, dann die Philharmoniker und zu danken. Als Direktor der wiederaufge- Sängerin war. Vor dem Mikrophon fühlte sagt: ,Warum hat man mir diese herrliche bauten Wiener Staatsoper hatte Böhm im sie sich gehemmt. Um sich ganz loszulassen Stimme bis jetzt vorenthalten?' Ich war fast November 1955 unter anderem die damals und alles geben zu können, brauchte sie in Ohnmacht gefallen vor Glückseligkeit! noch ziemlich unpopuläre „Frau ohne Kostüm und Maske, Bühneund Publikum, Er hat dann mit mir gesprochen und wollte Schatten" herausgebracht, mit der Rysanek den Moment des Unwiederholbaren. alles mit mir machen - zwei Monate später in der Titelrolle; nach dem Riesenerfolg der Das dürfte der hauptsächliche Grund war er tot." Aufführung (die allgemein als Höhepunkt gewesen sein, warum Leonie Rysanek von Spätestens bei dieser Walküre hört man, der Wiedereröffnungswochen angesehen den 45 Jahren ihrer internationalen daß die Rysanek im Studio durchaus so wurde) wollte Böhm sie unbedingt auf Laufbahn nur acht Jahre im Aufnahme- intensiv sein konnte wie auf der Bühne; vor Platten festhalten. Trotz großer Bedenken studio tätig war, nämlich von 1952 bis allem am Schluß des ersten Aktes (mit dem wegen des finanziellen Risikos gab die 1960. Aber es gab noch eine Reihe von wundervoll legato singenden Ludwig Decca schließlich nach und produzierte im anderen Gründen, u.a. eine schwere seeli- Suthaus) klingt sie mindestens so engagiert Dezember 1955 die Ersteinspielung der sche Krise, die die Sängerin auf der Höhe wie in den Bayreuther Mitschnitten. „Frau ohne Schatten", zugleich die erste ihres Ruhms Anfang der 60er Jahre durch- Hingegen wirkt sie bei den Quer- Stereo-Aufnahme einer Oper überhaupt. machte und die ihre Plattenkarriere zu schnitten von „Aida", „Cavalleria rusticana" Was laut Böhm damals „in lächerlich weni- einem abrupten Ende brachte. und „Rosenkavalier" immer etwas ge- gen Sitzungen" entstand, ist bis heute der Maßstab geblieben, sowohl künstlerisch wie Dabei schien 1951, nach ihrem sensatio- hemmt. Dennoch sind auch diese Auf- auch klangtechnisch. Und Rysanek als nellen Bayreuth-Debüt als Sieglinde, alles nahmen Trouvaillen, der „Rosenkavalier" Kaiserin: Das ist weit mehr als Singen und gut zu beginnen: EMI-Produzent Walter allein schon wegen der einmaligen Darstellen, weit mehr als Operngeschichte, Legge, in jenen Jahren einer der mächtig- Konstellation Rysanek-Grümmer. Mit die- nämlich die vollkommene Identität von sten Männer im Klassik-Business, hatte den ser Einspielung, die Fritz Ganss im Oktober Interpret und darzustellender Figur. kompletten Bayreuther „Ring" mitschnei- 1955 in Berlin für Electrola (die deutsche den lassen und veröffentlichte, quasi als Tochter der EMI) produzierte, endet das Dagegen fällt Rysaneks zweite Decca- Test, vorab den dritten Akt der „Walküre". erste Schallplatten-Kapitel der Rysanek. Aufnahme deutlich ab: „Ariadne auf Von der 24jährigen Rysanek war Legge Naxos" unter Leinsdorf. Erstens klingt das immerhin so beeindruckt, daß er sie im kammermusikalische Werk April 1952 nach London holte, um mit ihr Die 59jährige Im Jahr 1986 viel zu sehr nach „großer die ersten Studio-Aufnahmen zu machen: Oper", zweitens ist die Be- Zweimal in München: Szenen aus dem „Fliegenden Holländer", setzung gelinde gesagt 1962 als Amelia in Verdis ,Arabella" und „Tiefland". Den von Legge uneinheitlich, und drittens „Maskenball" und 1994 als angebotenen Exklusiwertrag lehnte die kann man nach Anhören Klytämnestra in „Elektra" Sängerin allerdings ab - auf Anraten ihres dieser Einspielung verste- ersten Ehemannes und Lehrers Rudolf hen, warum Ulrich Schrei- Großmann, der von Legge in menschlicher ber 1968 formulierte: „Leo- Hinsicht nicht allzuviel hielt. nie Rysanek lebt in wilder Unter den großen Primadonnen Da Legge den Bayreuther „Ring" unter Ehe mit den Noten". Wobei Karajan schließlich doch nicht veröffent- man hinzufügen müßte: dieses Jahrhunderts war Leonie Rysanek in jeder lichte, war der Weg frei für Wilhelm Lieber wilde Ehe als ein tri- Hinsicht eine Ausnahme - auch wegen ihrer kriti- Furtwängler, der nun für EMI einen kom- stes Leben mit Trauschein. pletten Studio-„Ring" mit den Wiener Die nächste Aufnahme schen Einstellung zu Studio-Aufnahmen. Umso Philharmonikern einspielen konnte (aller- für Decca folgte I960 und größere Bedeutung kommt den zahlreichen Live- dings unter der Produktionsleitung von war vorerst Rysaneks letzte Lawrence Collingwood, denn das Ver- Arbeit im Studio: „Der flie- Dokumenten dieser legendären Sängerin zu, die im hältnis zwischen Furtwängler und Legge gende Holländer" unter hatte sich aus diversen Gründen verschlech- März dieses Jahres verstarb. Thomas Voigt hat das Antal Dorati, mit ihrem tert). Leider kam von dem geplanten Zyklus Ideal-Partner George Lon- vorhandene Material gesichtet. nur die „Walküre" zustande, die Furt- don. Daß viele Hörer statt wänglers letzte Arbeit im Studio werden dessen lieber den Bay- sollte. Dazu Leonie Rysanek: „Ich erinnere reuther Mitschnitt von mich genau an die erste Orchesterprobe. 1959 hören, kann ich nicht 26 M' 6/98 6/98 MO WM 27 CD Portrait CD Portrait überhaupt nicht zu den Sängern passen?) besten LP-Pressungen). Als Desdemona hat Daß die Rysanek eine hervorragende unangenehmer und schwieriger als die Als weitere DG-Projekte waren Gesamt- die Rysanek auf Platten kaum Konkurrenz, Amelia war, hört man in einer von Nello Turandot. Aber irgendwie hab ich mich aufnahmen von „Rosenkavalier" und allenfalls in Renata Tebaldi. Abgesehen Santi allzu pauschal dirigierten Met- durchgejodelt." „Elektra" geplant, die Leonie Rysanek aber davon, daß die Desdemona bei ihr alles Aufführung des „Maskenball" aus dem Jahr wegen Krankheit absagen mußte (an ihrer andere als das „blonde Seelchen" ist, verfugt '62 - trotz einiger „Krisen"-Töne ein Ein Leben mit Stelle sang Marianne Schech). die Rysanek wie nur wenige in dieser Partie bedeutendes Dokument der Verdi-Sängerin Elektra über das ganze dynamische Spektrum, von Rysanek (außerdem sind die übrigen Rollen Highlights bei RCA den sensiblen Pianissimi im „Ave Maria" bis mit Bergonzi, Merrill und Rothenberger Nach der Abigaille und einer Serie von zu den dramatischen Ausbrüchen im drit- hervorragend besetzt). Daß sie zuvor auch „Tannhäuser"-Vorstellungen zog sich 1958, zwei Jahre nach ihrem USA-Debüt ten Akt. Da zudem Jon Vickers die die Abigaille in Verdis „Nabucco" über- Leonie Rysanek für eine längere Ruhepause in San Francisco, machte Leonie Rysanek Titelpartie viel differenzierter gestaltet als nommen hatte, ist nur darauf zurückzu- von der Bühne zurück. Die Partie, mit der ihre erste Aufnahme für RCA: Ein Recital sein Konkurrent Mario del Monaco und führen, daß sich kein anderer Sopran der sie an die Met zurückkehrte, war zugleich mit italienischen Arien. Diese Solo-Platte, der 80jährige Tullio Serafin immer noch Metropolitan auf dieses Abenteuer einlassen eine ihrer großen Paraderollen: Chryso- Als Kaiserin die unlängst in der Serie „Living Stereo" auf mehr Feuer entfacht als mancher Pultstar, wollte. Rysanek: „Da war ich blöd! Das ist themis in „Elektra". Leider ist das („Die Frau ohne CD wiederveröffentlicht wurde, gehört zu bleibt dieser „Otello" für mich die erste nun wirklich eine mörderische Rolle, viel „Comeback" vom 25-3.1961 (mit dem Schatten") den absoluten Highlights der Rysanek- Wahl. machte Leonie Diskographie. Selbst die Sängerin, die ihre Rysanek Opern- eigenen Aufnahmen äußerst selten und geschichte: äußerst kritisch hörte, mußte zugeben: Krisenzeiten Allein in Wien „Wenn es überhaupt eine Platte gibt, mit Von der großen Krise, die sich bei der sang sie diese der ich weitgehend zufrieden bin, dann die- Rysanek 1960 anbahnte, ist bei diesem Partie in drei ses Recital." Eine Klasse für sich ist „Otello" nichts zu spüren. Allerdings hatte Premieren: Rysaneks Turandot; diese Prinzessin ist zwar sie in diesem Jahr nicht mehr die Energie, 1955 unter nicht „von Eis umgürtet" (kein Wunder bei das volle Aufnahmepensum zu bewältigen, Böhm, 1964 der Glut ihrer Stimme), aber hat man diese und so mußte sie zwei Projekte absagen: unter Karajan Szene jemals wieder so schön, so sinnlich „Die Fledermaus" unter Karajan und das (Foto) und 1977 und dabei so expressiv gehört? Nach ihrer Verdi-Requiem unter Fritz Reiner (an ihrer widerum unter ersten Turandot in Los Angeles stand sinn- Stelle sangen Hilde Güden die Rosalinde Böhm. Alle gemäßig in einer Kritik zu lesen: „Phantastisch und Leontyne Price den Verdi-Part). Wie Aufführungen gesungen, aber ich möchte diese herrliche die Rysanek im „Libera me" geklungen hat, sind auch auf CD Stimme nie wieder in dieser Killer-Rolle davon gibt ein Mitschnitt unter Fritz Reiner dokumentiert hören!" Das einzige Mal in ihrer Karriere (Chicago 1958) Auskunft; ihre Rosalinde (siehe nahm Leonie Rysanek einen Kritiker beim kann man sich leider nur in