HEFT 264 – DEZEMBER 2006 46. JAHRGANG

• Politikergespräch und Weißbuch 2006 • Nuklearproblemtik und Proliferation • Gewissen und Gehorsam« – 46. Woche der Begegnung • Internationale Zusammenarbeit

www.katholische-soldaten.de INHALT DEZEMBER 2006/46. JAHRGANG editorial ...... 3 KIRCHE UNTER SOLDATEN 46. WOCHE DER BEGEGNUNG: „SOLDATEN ALS SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK DIENER DES FRIEDENS – GEWISSEN UND GEHORSAM“

REIHE POLITIKERGESPRÄCHE DER GKS: ZENTRALE VERSAMMLUNG (ZV) Bundesminister der Verteidigung Einführende Zusammenfassung (PS) ...... 44 Dr. Franz Josef Jung von Winfried Heinemann ...... 4 Tagesordnung für die ZV 2006 ...... 45 Statement des Bundesministers der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung...... 5 Bericht von MGV Prälat Walter Wakenhut vor der ZV ...... 46 WEISSBUCH 2006 ZUR SICHERHEITSPOLITIK Podiumsgesprächs zum Thema „Soldaten als Diener DEUTSCHLANDS UND ZUR ZUKUNFT DER BUNDESWEHR der Freiheit – Gewissen und Gehorsam: ...... 47 GKS-Position zum Weißbuch 2006 ...... 8 Statement Gewissensfreiheit als Grenze der militä- Anmerkungen zum Weißbuch 2006 rischen Gehorsamspflicht von Thomas Hoppe .... 47 von Ludwig Jakob ...... 9 „Soldat als Diener des Friedens – Gewissen und Weißbuch 2006 zu Militärseelsorge: ...... 11 Gehorsam“ von Generalmajor Rainer Glatz ...... 52 Weißbuch 2006: Eine historische Herausforde- „Pfarrer ja, Glaube und Kirche nein!“ Grußwort rung für Angela Merkel von Klaus Liebetanz .. 12 Moderator Priesterrat, MD Thomas Stolz ...... 54 Nachbarschaftshilfe 2006/2007 – Projektbeschrei- INTERVIEW mit der Vorsitzenden des VgAusschusses des Bundestages Ulrike Merten (SPD) bung: „Ein Gymnasium im Kosovo“ von Peter Weber ...... 55 von Klaus Liebetanz ...... 14 GEFUNDEN: Papst Benedikt XVI.: Soldaten müssen Vereinte Nationen wollen globales Abkommen zur für Sicherheit und Freiheit eintreten (KNA) ...... 55 Waffenkontrolle (PS/KNA/ZENIT) ...... 16 Aus der Arbeit der Sachausschüsse der ZV ...... 56 Studie: Streumunition trifft vor allem die Zivilbevölkerung (KNA) ...... 16 Der Bundesvorsitzende zur Lage der GK OTL Paul Brochhagen ...... 57 Religiöser Fanatismus nicht die Hauptursache Schlusswort von Militärbischof Mixa zur ZV ...... 58 von politischer Gewalt und Terror (Bertelsmannstiftung) ...... 17 DAS INTERVIEW: Stabsfeldwebel Ralf Eisenhardt, neu- er Vorsitzender der ZV (PS) ...... 59 Zur Nuklearproblematik von Ludwig Jacob ...... 18 Proliferationsproblematik: Chronologie und Hinter- BUNDESKONFERENZ DER GKS gründe des Konflikts um die Atomprogramme des Bundeskonferenz der GKS stellt das Thema Iran und Nordkoreas von Werner Bös ...... 26 „Ethische Bildung in der Bundeswehr – »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und Chancen und Risiken“ in den Mittelpunkt (PS/Klaus Achmann) ...... 62 den Menschen, ... dem Frieden in der Welt dienen« von Klaus Liebetanz ...... 36 Wort des Geistlichen Beirats, Militärdekan Johann Meyer, zum Lagebericht 2006 ...... 65 Zur Lage in der Demokratischen Republik Kongo vor Verkündigung des Ergebnis ses der Stichwahl Ethische Bildung in der Bundeswehr – Chancen von Joachim Hellersdorf ...... 38 und Risiken von Lothar Bendel ...... 66 Mehr als 11.000 Kinder in der Hand von Mitgliederversammlung FGKS e.V. – Protokoll ...... 75 Rebellengruppen (KNA) ...... 39 51. GESAMTKONFERENZ DER MILITÄRSEELSORGE Kirche als Lernort für interkulturelle Kompetenz BILD DES SOLDATEN und Wertevermittlung von Bertram Bastian ...... 76

SCHÄDEL-FOTOS IN DER BILD-ZEITUNG BESCHÄF- AUS STANDORTEN UND GKS TIGEN AUCH DIE MILITÄRSEELSORGE: Aus dem Leben der GKS (Klaus Achmann) ...... 80 Nicht allein Angelegenheit der Bundeswehr, sondern der Gesellschaft (PS) ...... 40 Seminar 2007 für Funktionsträger der GKS ...... 81 Geschmacklos und makaber – BILD und Bereich KLMD Glücksburg/Kiel ...... 82 die Bilder von Helmut Jermer ...... 40 GKS-Kreis Wilhelmshaven ...... 82 Papst: Soldaten müssen für Sicherheit und GKS-Kreis Augustdorf ...... 83 Freiheit eintreten (PS/KNA/ZENIT) ...... 43 Bereich Nordrhein-Westfalen ...... 83 Zum Bild des Soldaten im neuen Weißbuch ...... 43 GKS-Kreis Köln-Wahn ...... 84

2 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 Bereich Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland ...... 86 BLICK IN DIE GESCHICHTE Seelsorgebereich/GKS-Kreis Veitshöchheim ...... 87 50 Jahre Bundeswehr: Der sechste Bundespräsident GKS-Kreis Dornstadt/Bereich Bad-Württbg ...... 88 und die Bundeswehr. Dr. Richard Freiherr von Weiz- säcker – ein glaubhafter Brückenbauer INERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT von Dieter Kilian Spanisch-deutsche Jakobuswallfahrt 2006 beginnt in Kantabrien von Franz Thiele/Norbert Glinka .... 90 VERMISCHTES A.M.I. Konferenz 2006 in Nairobi, Kenia: Stärkung Katholische Soldaten im ZdK ...... 114 christlicher Werte in den Streitkräften weltweit von Christoph Auer ...... 94 Spendenaufruf für GKS e.V...... 114 50 Jahre EAS und KAS – eine ökumenische Mit dem Pferd hinauf zum Petersdom ...... 115 Erfolgsgeschichte von Jörg Hilgert, KAS ...... 98 GEFUNDEN ...... 13, 55, 79 Militärseelsorge in den US-Streitkräften (KNA) .99 PERSONALIA ...... 79, 99, 115 CHRISTLICHES ZEUGNIS Christenverfolgung heute: „Mein Glaube war nicht TERMINE ...... 116 käuflich“ – Zehn Thesen zur Christenverfolgung von Andreas Püttmann ...... 100 BUCHBESPRECHUNGEN ...... 117 Internationaler Kongress Renovabis 2006: AUTOREN UND FOTONACHWEIS ...... 115 „Lebensform Familie – Zukunftsfrage für Europa“ .... von Heinrich Dorndorf ...... 104 IMPRESSUM ...... 120

editorial Liebe Leserschaft! ieses Heft Nr. 264 unserer GKS-Verbands- wand zum Erstellen der Druckvorlagen stieg dadurch zeitschrift AUFTRAG hatte als Weih- ins Unermessliche an. – Im Zustand tiefer „technischer nachtsausgabe Anfang der Adventszeit Depression“ fand ich im Briefing, das die niederlän- ausgeliefert werden sollen. Aber wieder dischen Delegation bei der diesjährigen A.M.I.-Kon- Deinmal haben die Zeit und Arbeitskapazität zwischen ferenz gehalten hat, ein Foto, das mir Trost spende- September und November nicht ausgereicht, das te, und das ich deshalb als Titelbild für diese Heft Heft fertig zu stellen. Gründe dafür gibt es mehrere: ausgewählt habe. Vielleicht kann die Aussage, „Gott Die Woche der Begegnung muss in diesem Zeitraum hat die Zeit gemacht, von Eile hat er nicht gespro- dokumentiert werden – eine mühselige Angelegenheit. chen,“ uns alle durch das Neue Jahr 2007 begleiten. Wünschenswert war es, die Stellungnahme der GKS Der Schwerpunkt dieses Heftes liegt deutlich zum Weißbuch 2006 in diesem AUFTRAG zu veröf- im Themenbereich „Sicherheitspolitik und Frie- fentlichen und nicht ein Vierteljahr später. Schließlich densethik“. Besonders empfehlen möchte ich Ih- hat die Redaktion eine neue Software für das Layout nen aber in der Rubrik „Bild des Soldaten“ den eingesetzt. Dieses ist zwar nur ein Update, wie es Neu- Beitrag „GESCHMACKLOS UND MAKABER – BILD UND deutsch heißt. Tatsächlich weist das neue Programm DIE BILDER“, in dem der Autor Helmut Jermer wohltuend so viele Neuerungen und Änderungen auf, dass sich seine Meinung zu einem gesellschaftlichen Phänomen der zuständige Redakteur daran mehr als nur „die sich von der Seele schreibt. Zähne ausgebissen“ hat. Eine eigene Werkschulung Zum Schluss des Jahres dankt die Redaktion allen, kam aus Kosten- und Zeitgründen nicht infrage. Also die durch Mitarbeit und qualitative Beiträge sicher autodidaktisch „try and error“; dazu die Ungeduld das gestellt haben, dass der AUFTRAG als Verbandspu- Handbuch frühzeitig zu Rate zu ziehen. Der Zeitauf- blikation ein respektables Ansehen genießt. Ein glückliches, friedliches, erfolgreiches, gesundes, vor allem aber ein gesegnetes Jahr 2007 wünscht Ihnen allen im Namen der Redaktion

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 3 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

REIHE POLITIKERGESPRÄCHE DER GKS: Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung diskutiert am denkwürdigen 9. November mit Mitgliedern der GKS und Angehörigen des KMBA

enn der Verteidigungsminister kommt, bedeutet das „großen Auftrieb“. Finden die Politiker- gespräche des Militärbischofs und der GKS sonst in den Räumen des Katholischen Militärbi- Wschofsamtes am Weidendamm in Berlin Mitte statt, hatten die Veranstalter für das Gespräch am 9. November mit Dr. Franz-Josef Jung wohlweislich einen größeren Raum gewählt und waren in das Offizierheim der Julius-Leber Kaserne ausgewichen. Das erwies sich als die richtige Entscheidung, denn der Saal war gut gefüllt. Aber es war auch nicht zu viel „Volk“ gekommen – gerade recht, dass die beabsichtigte vertraute und vertrauliche Gesprächs- atmosphäre noch gewahrt blieb. Der Minister wusste das zu schätzen und äußerte sich freimütig zu einer Vielzahl von Themen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sein Eingangsstatement zeichnete den Horizont der vielen Fragen und Probleme auf, denen er sich gleichzeitig stellen muss. Aber Jung dehnte seinen Vortrag nicht über Gebühr aus – es war offensichtlich, dass er das Gespräch mit den versammelten Soldaten und Militärseelsorgern suchte. Mit dem Minister auf dem Podium: Militärbischof Dr. Walter Mixa, der sich im Laufe des Abends von einem skeptischen Beobachter zu einem loyalen Verbündeten des Ministers wandelte. Moderiert wurde die Diskussion von Oberst Josef Blotz, dem Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 30 aus Ellwangen und Vorsitzenden des Sachausschusses „Sicherheit und Frieden“ der GKS, dem es keine Mühe machte, das Publikum zum engagierten Mitreden zu bewegen. Verteidigungsminister Jung nahm auch kritische Fragen als Anregungen an und ging mit innerem Engagement und Überzeugungskraft auf die Beiträge aus dem Plenum ein. Bischof Mixa erhielt großen und lang andauernden Beifall, als er dem Minister für seine Offenheit und Ehrlichkeit dankte. Die Reihe der „Politikergespräche“ der GKS hatte Höhe- und Tiefpunkte. Das Gespräch mit Dr. Franz- Josef Jung war eindeutig ein Höhepunkt – nicht nur wegen seines protokollarischen „Kalibers“. Nachstehend veröffentlicht AUFTRAG in Absprache mit dem Ministerbüro das Statement des Ministers in der stringenten Form der schriftlichen Vorlage. Die Abweichungen und situationsbezogenen Äußerungen in der freien Rede bleiben hier unberücksichtigt. (Winfried Heinemann)

Am Rande des Politiker- gesprächs am 9. November in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin. Bundesmi- nister der Verteidigung Dr. Franz-Josef Jung im Gespräch mit dem Katholischen Militärbi- schof Dr. Walter Mixa und dem Vorsitzenden der Zentralen Versamm- lung der katholischen Soldaten im Jurisdikti- onsbereich des Militär- bischofs, Stabsfeldwe- bel Ralf Eisenhardt. (Foto PS)

4 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 POLITIKERGESPRÄCH Statement des Bundesministers der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung

9. November als Und auch die Erinnerung an die Der „Schicksals tag“ der deutsche Vergangenheit ist wieder Deutschen lädt in besonderer Wei- da. Wenn deutsche Gebirgsjäger aus se dazu ein, sich mit den ethischen Mittenwald in Afghanistan mit Ske- Grundlagen von Politik und Militär zu lettteilen spielen, so fragte eine Tages- beschäftigen. Der 9. November steht zeitung, sind das dann die geistigen leider nicht nur als Freudentag für den Enkel derer, die in der Gebirgsdivi- Fall der Mauer und die Wiederverei- sion der Wehrmacht in Griechenland nigung unseres Landes ohne Blutver- schwere Kriegsverbrechen begangen gießen. Dieser Tag mahnt uns auch, haben? Sieht so die Einsatzwirklich- es nie wieder zu einem so schwierigen keit unserer Sicherheitspolitik aus? Verhältnis zwischen Politik, Demokra- Und was kommt da noch auf uns zu? tie und Militär kommen zu lassen wie Es ist wichtig, dass wir diesen Fra- in der ersten Hälfte des vergangenen gen nicht ausweichen. Daher begrüße Jahrhunderts: ich die Gelegenheit, heute vor Ihnen weltweit im Einsatz. Wir können aber • Als am 9. November 1918 die zu den ethischen Aspekten deutscher kein Weltpolizist sein und wir wollen Abdankung Wilhelms II. ver- Sicherheitspolitik zu sprechen. es auch nicht sein. Unsere Ressour- kündet und zwei Tage später der Fünf Thesen sind es, die ich mit cen sind begrenzt. Deshalb muss Waffenstillstand geschlossen Ihnen näher diskutieren möchte. Deutschland Prioritäten setzen. wurde, wurden Politiker mit der Wo und wie wir uns mit der Bun- Dolchstoßlegende als „Novem- deswehr engagieren, dafür sind die berverbrecher“ verleumdet und 1.These: Deutsche Ziele unserer Sicherheitspolitik, die so die Demokratie von Weimar Sicherheits- und Verteidigungs- Interesses unseres Landes und die mit der schweren Hypothek der politik muss sich an Werten und eingegangenen internationalen Ver- Niederlage belastet. Interessen orientieren. pflichtungen maßgeblich. • Als am 9. November 1923 Hit- Das Grundgesetz ist die feste Ba- Nationale Interessen zu haben ist ler einen Putsch gegen die bay- sis für Deutschlands Sicherheits- und ethisch nicht verwerflich. Es ist rich- erische Regierung versuchte, Verteidigungspolitik. Dessen Präam- tig, seine Interessen zu formulieren. waren es ehemalige Offiziere wie bel – als zentrale Lehre aus der Ge- Erst dies ermöglicht ihren Abgleich Ludendorff, die ihm dabei hal- schichte – verpflichtet die deutsche mit Freunden, Partnern und Verbün- fen. Politik, „DEM FRIEDEN DER WELT ZU deten im europäischen und transat- • Und als am 9. November 1938 in DIENEN“.2 Und der erste Artikel gibt lantischen Rahmen, und dies ist die der berüchtigten Reichspogrom- den wichtigsten Grundsatz vor, gera de Voraussetzung für vertrauensvolle nacht jüdische Einrichtungen auch für die Bundeswehr: „DIE WÜR- multilaterale Zusammenarbeit jen- zerstört wurden, saß das Terrorre- DE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR. SIE seits nationalstaatlichen Denkens. gime bereits fest im Sattel und zu ZU ACHTEN UND ZU SCHÜTZEN IST VER- Im Weißbuch 2006 hat die Bun- wenige Offiziere der Wehrmacht PFLICHTUNG ALLER STAATLICHEN GEWALT.“ desregierung die für die Sicherheits- nahmen diese Barbarei zum An- Diesen Leitsatz zu verinnerlichen ist und Verteidigungspolitik gültigen Wer- lass für aktiven Widerstand. für Soldaten so wichtig wie die Zehn te, Ziele und Interessen formuliert.3 Aber auch aus aktuellem Anlass Gebote. Wenn wir das erreichen, ist Es ist allerdings unmöglich, daraus haben wir leider allen Grund, uns mit viel gewonnen, denn alles weitere er- eine Art Checkliste zu entwickeln, den ethischen Fragen des Soldaten- gibt sich daraus. aus der sich die politische Entschei- berufs zu befassen. Die in der Bild- Deutschland hat nach dem Ende dung für oder gegen einen Einsatz zeitung und bei RTL veröffentlichten des Ost-West-Konflikts für den Frie- der Bundes wehr gewissermaßen von Bilder von deutschen Soldaten, die den in der Welt politisch und auch selbst ergibt. in Afghanistan mit Totenschädeln militärisch mehr und mehr Verantwor- Wichtig ist, dass bei der Begrün- posieren, haben Unverständnis und tung übernommen. Heute haben wir dung von Einsätzen ihr Sinn und auch Entsetzen ausgelöst. Sofort er- rund 9.000 Soldaten in insgesamt elf, Zweck sowie die Werte, Ziele und wachsen daraus Fragen an Führung, davon sechs größeren Operationen Interessen, um die es dabei geht, für Ausbildung und Erziehung in den 2 Anm. d. Redaktion: s.a. S. 28, Klaus jedermann nachvollziehbar benannt Streitkräften.1 Liebetanz „»Im Bewusstsein seiner Ver- werden. Denn dies ist in unserer antwortung vor Gott und den Menschen, 1 Anm. d. Red.: s.a. S. 42, Helmut Jermer ... dem Frieden in der Welt dienen« – Gesellschaft unerlässlich für breite „Geschmacklos und makaber – BILD Eine sicherheitspolitische Betrachtung 3 Anm. d. Red.: s.a. Stellungnahmen zum und die Bilder“. zur Präambel des Grundgesetzes. Weißbuch S. 8 in diesem AUFTRAG.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 5 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Akzeptanz und die Bereitschaft, die EU wirksamer und besser aufeinander gische Bedeutung erlangen – im Gu- Bundeswehr in ihren Einsätzen zu un- abgestimmt einzusetzen. ten wie im Schlechten. Und dies gilt terstützen. Und für unsere Soldaten Zur Vernetzung gehört auch en- nicht länger nur für hohe Befehlsha- im Einsatz ist diese Klarheit nötig, gere Zusammenarbeit mit Nichtregie- ber, sondern heutzutage auch für den um im Sinne der politischen Zielset- rungsorganisationen. Wir sollten uns Unteroffizier und Patrouillenführer. zung eigenverantwortlich handeln zu der gemeinsamen Werte und Ziele ver- Der Soldat muss daher alle können. gewissern, denn dies ist die Grund- seine Rollen zuverlässig beherr- Im Handeln unserer Soldaten lage für eine vertrauensvolle Zusam- schen – zunächst als Kämpfer, der muss jederzeit deutlich werden, dass menarbeit. Dabei helfen gegenseitige schützt und für Sicherheit sorgt, die Bundeswehr Instrument einer Information, Bereitschaft zu vorurteils- aber zugleich auch als Schlichter, Politik ist, der es um die Werte des frei er Zusammenarbeit und, wo immer Vermittler, Helfer und Retter aus Grundgesetzes geht – Freiheit, Frie- möglich, abgestimmtes Planen und Notlagen. den, Recht, Menschenwürde. Dies gilt Handeln. Seine Aufgaben erfüllt er in einem auch, wenn wir an Kriegshandlungen Wie mir berichtet wurde, hat die multinationalen zivilen und militä- teilnehmen müssen. Gemeinschaft Katholischer Soldaten rischen Umfeld, in Zusammenarbeit kürzlich ein Seminar mit Vertretern mit Regierungs- und Nichtregierungs- der Bundeswehr, von Pax Christi und organisationen sowie mit den lokalen 2.These: Krisen- Justitia et Pax zur Qualifizierung Entscheidungsträgern im jeweiligen bewältigung und Konfliktverhü- von Fachkräften im Auslandseinsatz Einsatzlandes. Dabei weisen die Ein- tung erfordern einen koordinier- durchgeführt und dabei sehr positive satzländer teilweise gravierende kul- ten Einsatz aller verfügbaren Erfahrungen gewonnen. Ich ermutige turelle Unterschiede zur gewohnten Akteure und Instrumente. Sie, diesen Weg weiter zu gehen. westlichen Welt auf. Soldaten können entscheidend da- Aus Sicht der Bundeswehr müssen Dies alles bedeutet ein Höchst- zu beitragen, die Waffen in Krisen und wir dringend Fortschritte in der zivil- maß an Anforderungen hinsichtlich Konflikten zum Schweigen zu bringen. militärischen Zusammenarbeit in den Charakter und Einstellung, psychi- Sie können Zeit schaffen für die Erar- Einsatzgebieten erzielen. Wirksame scher und physischer Belastbarkeit, beitung politischer Lösungskonzepte. Anwendung aller Mittel ist das Re- Wissen, praktischem Können und Sie können die Einhaltung politischer zept für jede Ausstiegsstrategie. Denn fachlichen Fertigkeiten. Dies gilt noch Abmachungen zwischen Kon trahenten das gemeinsame Ziel heißt „SELBST- verstärkt für die militärischen Führer durchsetzen und die Voraussetzung für TRAGENDE STABILITÄT“. Dies lässt sich und Vorgesetzten. zivile Stabilisierungs- und Wiederauf- nur mit Erfolgen auf der zivilen Seite Die Bundeswehr unternimmt viel- bauaktivitäten gewährleisten, nämlich erreichen. Nur in Abhängigkeit von fältige Anstrengungen, um über die ein sicheres Umfeld. Fortschritten dort können unsere in- militärische Ausbildung hinaus die Sie können aber weder Konflikt- ternationalen Schutztruppen schritt- politische, ethische und interkultu- Ursachen beheben, noch Ersatz für weise reduziert und am Ende, wenn relle Bildung und Erziehung so zu fehlende Konzepte oder unzurei- der Friedensprozess sich selbst trägt, intensivieren, dass Lücken geschlos- chende zivile Aktivitäten sein. Wir ganz abgezogen werden. sen werden. brauchen deshalb eine Sicherheitspo- Es kommt dabei nicht nur auf die Hierbei denke ich auch an die litik, die alle verfügbaren Instrumen- vielen internationalen Organisationen, Weiterentwicklung des Lebenskund- te verzahnt und koordiniert einsetzt. Regierungsorganisationen und Nicht- lichen Unterrichts in der Bundeswehr, Dazu gehören politische, militärische, regierungsorganisationen an, sondern in dem sich gerade die Kirchen be- entwicklungspolitische, wirtschaftli- vor allem auch auf die Einheimischen sonders engagieren. che, humanitäre, polizeiliche und nach- vor Ort. Unsere Hilfe ist immer Hilfe Das Vermitteln von Werten erweist richtendienstliche Mittel. zur Selbsthilfe. Wir schaffen nur den sich allerdings als eine gesamtgesell- Vernetzte Sicherheitspolitik als Rahmen, der es ihnen ermöglichen schaftliche Aufgabe von höchster Antwort auf komplexe Bedrohungsla- soll, selber die Dinge in die Hand zu Relevanz und Dringlichkeit. Die gen – das ist eine Kernbotschaft, die nehmen. Dies erscheint banal, muss Bundeswehr kann dies nicht alleine vom Weißbuch ausgeht. Sie fordert aber immer wieder ins Bewusstsein meistern. Sie braucht Unterstützung uns auf, die ressortübergreifende Zu- gerufen werden. Und dies entspricht durch Politik und Gesellschaft. Denn sammenarbeit im nationalen Bereich auch unserem Menschenbild. die Bilder über den Umgang mit sterb- zu intensivieren. Und diese Koope- lichen Überresten durch Soldaten der ration muss auch im internationalen Bundeswehr in Afghanistan haben uns Bereich verbessert werden. 3.These: Bei deutlich vor Augen geführt, dass auch Während der deutschen EU-Rats- der Armee im Einsatz muss der Elternhaus, Schule und Betriebe mehr präsidentschaft werden wir uns dafür Mensch im Mittelpunkt stehen. Wert auf Erziehung legen müssen. einsetzen, die Zusammenarbeit von Der einzelne Soldat ist wichtiger Die Bundeswehr braucht für die EU und NATO auf ein solides Funda- Akteur in der vernetzten Sicherheits- Auftragserfüllung in Zukunft mehr ment zu stellen. Vor allem wollen wir politik. In bestimmten Einsatzlagen denn je „Staatsbürger in Uniform“, dazu beitragen, die zivilen und mili- kann sein Tun oder Unterlassen, wenn die über grundlegende politische tärischen Fähigkeiten von NATO und es in Bildern um die Welt geht, strate- Kenntnisse und vorbildliche ethische 6 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 POLITIKERGESPRÄCH

Maßstäbe verfügen, von den Werten sen, dass sie im Einsatz verrohen. vor allem vorleben. unserer Verfassung überzeugt sind Den ethischen Kompass bietet die Dies gilt für jede neue Generation und in ihrem beruflichen Selbstver- Innere Führung – mit ihren Prinzipien von Vorgesetzten, und es geht am bes- ständnis als Soldat bereit sind, zum zur Menschenführung, ihrer ausgewo- ten im Dialog mit älteren, erfahrenen Schutz Deutschlands und seiner Bür- genen und auch dem Beschuldigten, Vorgesetzten. gerinnen und Bürger ihr Leben ein- dem Fehlverhalten vorgeworfen wird, Der Wert des Konzepts der Inne- zusetzen. gegenüber fairen Rechtsordnung, ren Führung liegt aber auch noch in Zugleich sind aber die Rahmen- ihren Bestimmungen über Disziplin etwas anderem: bedingungen für die Gewinnung von und ihren Grundsätze zur Pflege sol- Wie vor 50 Jahren ist die Inne- geeignetem Nachwuchs deutlich datischer Traditionen, die auf bei- re Führung bis heute unverzichtbare schwie riger geworden. Ich habe die spielhaftes Verhalten in der Militär- Voraussetzung für das Engagement Sorge, dass die Verbindung von oft geschichte hinweisen. vieler Institutionen, wie der Kirchen zer rütteten Familienverhältnissen, Wenn bei Verletzungen von Grund- im Rahmen der Militärseelsorge. feh lendem Religionsunterricht, zu- sätzen der Menschenführung wie etwa Daher werde ich mich persönlich nehmender Konfessionslosigkeit und in der Grundausbildung in Coesfeld dafür einsetzen, dass die Rahmenbe- wachsender Politik- und Demokratie- oder bei Fehlverhalten wie beim Um- dingungen für ihre wichtige Arbeit verdrossenheit die Werteorientierung gang mit sterblichen Überresten in weiterhin stimmen und die Innere auch in der Bundeswehr auf eine Afghanistan nach der Inneren Füh- Führung gestärkt wird. große Belastungsprobe stellt. Die rung gerufen wird, dann zeigt dies, Bundeswehr wird ihre Bemühungen wie selbstverständlich sie als Hand- um die ethisch-kulturelle Bildung lungsrahmen auch für die Einsätze 5.These: Als und Erziehung ihrer Soldaten also allgemein akzeptiert ist. Christen sind wir besonders noch weiter verbessern müssen. Und dass bei über 200.000 Sol- gefordert. Hilfreich ist dabei die Eigenini- daten, die bisher an Auslandseinsät- Papst Benedikt XVI. hat die ti ative der Soldaten. Die Gemein- zen teilgenommen haben, nur wenige Soldaten mit seiner Botschaft zum schaft Katholischer Soldaten ist ein in solchem Tun verstrickt sind, ist Weltfriedenstag gestärkt, indem er gutes Beispiel für das Engagement, doch Beweis dafür, dass die Innere die Worte des Zweiten Vatikanischen die Bildung unter den Soldaten zu Führung sich unter den Bedingungen Konzils ins Bewusstsein rief: „Wer als ver bessern und insbesondere ein einer Einsatzarmee bewährt hat. Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, ethisch reflektiertes Soldatenbild zu Der Wertebezug der Inneren betrachte sich als Diener der Sicherheit entwickeln. Führung verleiht innere Stärke. Dies und Freiheit der Völker. Indem er diese hilft dem Einzelnen, auch im Einsatz. Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft Denn wer über einen ethischen Kom- zur Festigung des Friedens bei.“ 4. These:Als pass verfügt, der erträgt auch eher Ich weiß aus meinen Truppenbe- Soldat braucht man einen die psychischen Belastungen eines suchen, dass viele Soldatinnen und ethischen Kompass. Einsatzes. Soldaten gerade in den Einsatzgebie- Auslandseinsätze unter Kriegsbe- Wer zwischen Gut und Böse zu ten angeregt werden, neu oder erstma- dingungen bringen Menschen in exis- unterscheiden weiß, wer Anstand lig über Gott nachzudenken. tentielle Extremsituationen. Die Sol- und Ehrgefühl hat, und wer auch im Die unmittelbare Konfrontation daten der Bundeswehr sind aber weder geschichtlichen Vergleich mit solda- mit dem Leid der Menschen ruft bei abgebrühte Landsknechte noch Söld- tischen Vorbildern bestehen will, der vielen Fragen nach dem Warum her- ner. Und wir werden auch nicht zulas- wird nicht leichtfertig gegen Men- vor. Die Erfahrung, dass Kameraden schenrechte und kulturelle Tabus ver- – ob nun in deutscher Uniform oder stoßen und damit sein eigenes Leben der befreundeter Staaten - Opfer ter- und das Leben seiner Kameraden in roristischer Anschläge werden, lassen Gefahr bringen. manchen an dem Sinn seiner Aufgabe Wir müssen daher die Werte der zweifeln. Inneren Führung in Ausbildung und Immer mehr Soldatinnen und Erziehung vermitteln, und das heißt Soldaten erkennen, dass in solchen Grenzsituationen vor allem der Glaube Hilfe bieten kann. Das gibt Anlass zur Hoffnung. Für mich persönlich ist das Gespräch mit meinen Glaubensschwes- tern und -brüdern sehr wichtig. Daher freue ich mich jetzt auf das Gespräch mit Ihnen, lieber Herr Bi- schof, und Ihnen, meine Damen und Herren, die sich so engagiert für die Fragen von Glaube und Soldatsein be- schäftigen. ❏ AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 7 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK „Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr.“ Nach zwölf Jahren ist endlich das neue „Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zu- kunft der Bundeswehr“ erschienen. In den Reihen der GKS sind das lang erwartete Weißbuch und seine Aussagen zustimmend zur Kenntnis genommen worden. Eine Analyse, ob und wie darin die Grundsätze der katholischen Friedenslehre berücksichtigt werden, wird von den GKS-Sachaus- schüssen „Sicherheit und Frieden“ sowie „Innere Führung“ vorgenommen. Die GKS hat durch Ihren Bundesvorsitzenden am 6. Dezember in Berlin die nachstehende Erklärung zum Weißbuch heraus- gegeben. Dieser folgen auf den Seiten 9 bis 13 zwei detailliertere Meinungen von Mitgliedern des Sachausschusses „Sicherheit und Frieden“.

GKS-Position zum Weißbuch 2006 ie Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) begrüßt das Erscheinen des neuen Weißbuchs, bedauert aber zugleich, dass die Vorstellung durch die gezielte Veröffentlichung der sogenannten D„Skandal-Fotos“ gestört wurde. Die GKS will sich mit dieser Stellungnahme an der vom Bundes- präsidenten angemahnten Debatte über sicherheitspolitische Fragen beteiligen. Aus friedensethischer Sicht ist es erfreulich, dass die Regierung ihre Sicherheitspolitik „mit dem 1.Auftrag zur Wahrung des Friedens, zur Einigung Europas, zur Beachtung und Stärkung des Völker- rechts“ begründet und auch die Überwindung der Kluft zwischen armen und reichen Weltregionen als Interesse unseres Landes definiert. Auf das Weißbuch können sich nun alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr beziehen, wenn sie nach dem Sinn ihres Dienstes fragen. Schmerzlich vermisst werden allerdings Aussagen zu den Prinzipien für die Anwendung militärischer Macht und Gewalt, wie sie die christliche Friedenslehre vorgibt. Damit ist keineswegs ein Kriterienkatalog quasi als Checkliste gemeint, sondern die Selbstbindung der Politik an ethische Normen. Die GKS begrüßt, dass das Weißbuch von vernetzter Sicherheit spricht und damit von einem er- 2.weiterten Sicherheitsbegriff ausgeht, der diplomatische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische, polizeiliche und – äußerstenfalls – auch militärische Mittel umfasst. Die katholischen Soldaten erwarten, dass die Bundesregierung jetzt entsprechende Prioritäten setzt; es kann auf Dauer nicht angehen, dass für den militärischen Einsatz viermal mehr finanzielle Mittel eingesetzt werden als für die wirtschaftliche Entwicklung und rund 25-mal mehr als für den polizeilichen Aufbau. Das Weißbuch nennt die Innere Führung als leitendes Prinzip für die Bundeswehr. Die GKS ist 3.der Inneren Führung in besonderer Weise verpflichtet und versteht sich als deren Hüter. Erfreulich sind die Passagen, welche die „Zukunftsfähigkeit“ der Führungskonzeption beschreiben. Die GKS begrüßt ausdrücklich den Hinweis auf die beabsichtigte „Intensivierung der ethisch-moralischen und interkulturellen Bildung“, wie es auch von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in dem Wort „Soldaten als Diener des Friedens“ angemahnt wurde. Umso mehr ist zu bedauern, dass die Militärseelsorge nur zu kurz im Abschnitt „Organisation“ Erwähnung findet. Gerade der Lebenskundliche Unterricht ist Träger ethischer Bildung und verdiente die Aufnahme in die Ab- schnitte „Innere Führung“ und „Ausbildung, Bildung und Erziehung“. So verwundert es nicht, dass Militärseelsorge im soldatischen Alltag als Randerscheinung wahrgenommen wird. Die GKS begrüßt, dass sich die Bundesregierung im Weißbuch zur Allgemeinen Wehrpflicht 4.bekennt. Allerdings bleibt zu fragen, wie glaubwürdig dieses Bekenntnis ist. Der „Massenverschleiß des Gewissens“ (Theodor Heuss, 1948) ist längst Wirklichkeit geworden. Mehr junge Männer leisten Zivil- oder gar keinen Dienst, als Stellen mit Grundwehrdienstleistenden besetzt sind. Die Ver- kürzung des Zivilen Ersatzdienstes auf die Länge des Grundwehrdienstes weist hier in die falsche Richtung. Wie die inzwischen ausgehöhlte Dienstgerechtigkeit wieder hergestellt werden soll, zeigt das Weißbuch nicht auf. ❏

8 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 PWOLITIKERGESPRÄCHEISSBUCH 2006

Anmerkungen zum Weißbuch 2006

VON LUDWIG JACOB

Einleitung für die NATO sowie die Handlungs- Die Erklärung zu präventiven Am 26. Oktober hat der Bundes- fähigkeit der USA in internationalen Optionen zur Wahrung der eigenen minister der Verteidigung nach mehr- Sicherheitsfragen bleiben wird. Eben- Sicherheit kann so – besonders im jährigen Vorarbeiten das neue Weiß- so übergangen wird die gravierende Anbetracht der Katastrophe des Ir- buch der Öffentlichkeit vorgestellt. Änderung der Sicherheitslage im akkrieges – ohne einen Hinweis auf Nach 12 Jahren (1994) gibt es endlich Nahen Osten durch das Atomwaffen- die Gefahren, die mit einem solchen wieder ein zentrales Grundsatzdoku- programm des Iran sowie die Läh- militärischen Konzept verbunden ment, das die deutsche Sicherheitspo- mung der UNO, USA und EU, ange- sind, nicht stehen bleiben. Ein vor litik, entsprechend dem Vorwort der messen auf den Genozid im Sudan zu allem von den USA weit ins Vorfeld Kanzlerin, „in ihren strategischen reagieren. Unbearbeitet bleibt auch der akuten Bedrohung verlagertes die Erkenntnis, dass die Handlungs- Rahmenbedingungen und ihren Wer- Recht zur militärischen Bekämpfung fähigkeit der Vereinten Nationen nicht ten, Interessen und Zielen“ erläutern von Terrorismus, Proliferation von mehr durch ideologische Gegensätze sowie die Lage und Entwicklung der Massenvernichtungswaffen und ver- eingeschränkt wird, wie im Kalten Bundeswehr als einem „Instrument“ brecherischen Regimen führt dazu, Krieg, sondern zunehmend durch die der Politik aufzeigen will. globalen Wirtschaftsinteressen von dass das in der VN-Charta verbriefte Ausgangspunkt und Grundlage China und dem wieder erstarkenden Recht auf Selbstverteidigung dem aller Überlegungen zur Sicherheit Russland, mit ernsten Folgen z.B. für Spiel einer subjektiven Interpretation Deutschlands bildet die Werteordnung die weltweite Durchsetzung der Men- ausgeliefert wird. Ein solches Konzept des Grundgesetzes und die Notwen- schenrechte. unterläuft das Gewaltverbot der Ver- digkeit, diese Werte auch zukünftig einten Nationen und öffnet die Tür für zu bewahren. Grundlagen der Sicherheit Manipulation und Missbrauch. Das Mit der Analyse der strategischen Das Weißbuch stellt fest, dass der völkerrechtlich verankerte Verbot des Rahmenbedingungen befasst sich der „grundlegende Wandel im Sicherheits- Präventivkrieges darf nicht in Frage erste Teil des Weißbuchs „Die Sicher- umfeld neue Risiken und Be drohungen gestellt werden, denn sonst kehrt der heitspolitik Deutschlands“ gefolgt von mit sich bringt“ und folgert: „Die Be- Krieg als Mittel der Politik zurück, in der Definition deutscher Interessen wältigung dieser Herausforderungen der Sprache wie im Handeln. sowie der Beschreibung der Bedin- erfordert den Einsatz eines breiten au- Die Einhaltung der Menschen- gungen für deren Umsetzung in kon- ßen-, sicherheits-, verteidigungs- und rechte und des humanitären Völker- krete Politik. entwicklungs politischen Instrumenta- rechts muss bei jedem Einsatz ohne riums zur (...), Prävention und Kon- Einschränkungen gewährleistet sein. Analyse der Rahmen- fliktlösung. Hierzu leistet die Bundes- Insofern ist der „Military Commissi- bedingungen wehr mit ihrem gesamten Fähigkeits- ons Act“, den der US-Präsident durch Bemerkenswert an der Analyse spektrum einen wesentlichen Beitrag.“ Kongress und Senat kürzlich hat billi- der strategischen Rahmenbedin- Darüber hinaus wird festgestellt, dass gen lassen, ein schwerer Rückschlag, gungen im Weißbuch ist deren „Ein- „die in der Vergangenheit bewährten denn er stellt menschen- und völker- äugigkeit“. Im Vordergrund der Ri- Strategien zur Abwehr äußerer Ge- rechtliche Vergehen von US-Truppen siken stehen der Terrorismus als „die fahren – wie Abschreckung und Ein- weitgehend straffrei – hier müsste die unmittelbarste Gefahr“ für Deutsch- hegung – gegen die neuen asymmet- Bundesregierung ihre Absicht kund lands Sicherheit sowie die Weiter- rischen, (...) Bedrohungen nicht mehr tun, diesem das Völkerrecht negie- verbreitung von Massenvernich- ausreichen. Deshalb bedarf es für eine rendem Trend im bilateralem Verhält- tungswaffen als „potenziell die größte wirksame Sicherheitsvorsorge eines nis sowie in der NATO entgegen wir- Bedrohung der globalen Sicherheit“. präventiven, effektiven und kohärenten ken zu wollen. Hier hat das im Weiß- Der Fokus der Analyse liegt beinahe Zusammenwirkens im nationalen wie buch herausgestellte „Streben nach ausschließlich auf diesen beiden Ri- internationalen Rahmen.“ Kompatibilität und Interoperabilität“ sikogruppen einschl. substaatlicher Da sowohl die USA wie auch der Bundeswehr „mit den Streitkräften Regionalkonflikte. Frankreich und England Abschre- der USA“ eine deutliche Grenze. Nur sehr randständig werden ckung durchaus noch als wirksame demgegenüber geopolitische Risiken Strategie vor allem gegen Unterstüt- Werte, Interessen und Ziele angesprochen, so z.B. der Aufstieg zer-Staaten für Terrorismus und Proli- deutscher Sicherheitspolitik Chinas und Indiens als Regional- feration bewerten, müsste eine solche Das Weißbuch macht deutlich, mächte, was bereits heute zur Ver- Aussage wesentlich differenzierter dass die Sicherheitspolitik Deutsch- schiebung des globalen Gravitations- entfaltet werden, zumal an anderer lands von den Werten des Grundge- zentrums vom Atlantik zum Pazifik Stelle festgestellt wird, dass „glaub- setzes und dem Ziel geleitet wird, führt. Nicht erwähnt wird auch die hafte Ab schreckung (...) ein wichtiges ,,die Interessen unseres Landes zu gegenwärtige Legitimitätskrise der Element zur Eindämmung des Risikos wahren“. Die Spannbreite der Inter- Supermacht USA, die nicht folgenlos (...) bleibt“. essen reicht von „Recht und Freiheit AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 9 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK der Bürger“ über den ,,freien und das Zusammenspiel diplomatischer, Internationale Einsätze der Bun- ungehinderten Welthandel als Grund- entwicklungspolitischer und militä- deswehr sind immer komplexe zivile, lage unseres Wohlstandes“ bis ,,zur rischer Kompetenzen in der angekün- polizeiliche und militärische Missi- Achtung der Menschenrechte und der digten „Netzwerkstruktur“ aussehen onen. Wie in Afghanistan, im Balkan Stärkung der internationalen Ordnung soll, wie eine bessere Koordination und in Afrika liegt heute die Haupt- auf der Basis des Völkerrechts“. Die- zwischen den verschiedenen Res- aufgabe militärischer Kräfte in der se Aufzählung ist ebenso umfassend sorts erreicht werden kann und wie Schaffung eines sicheren Umfeldes wie erschöpfend. Offen bleibt dabei denn z.B. die eklatanten Defizite im als Voraussetzung für die langfristige jedoch, wann Deutschland zur Siche- zivilen und polizeilichen Bereich ab- Stabilisierung und den nachhaltigen rung seiner Interessen aktiv werden gebaut werden sollen und worin der Aufbau zerrissener Staaten und Ge- muss, welche Ziele vorrangig sind spezifische Beitrag der Bundeswehr sellschaften durch zivile Akteure. und mit welchen Mitteln sie erreicht zur Vermeidung bzw. Lösung interna- Deutsche Soldaten stehen nicht mo- werden können. tionaler Konflikte bestehen soll. dernen Armeen gegenüber, sondern Einzelstaatliche Interessen und Milizen regionaler Gewaltherrscher/ die Interessen der ganzen Völkerge- Die Bundeswehr – Instrument Drogenbarone, lokalen Anführern eth- meinschaft werden in der summa- deutscher Sicherheitspolitik nisch-fundamentalistischer Gruppie- rischen Aufzählung nebeneinander Im zweiten Teil („Die Bundeswehr rungen sowie terroristischen Anschlä- gestellt. Offen lässt das Weißbuch, – Instrument deutscher Sicherheits- gen und kriminellen Gangs – Heraus- wie Einzelinteressen (unser Wohl- politik“) werden die Bemühungen forderungen, für deren Ausgang die stand) und Interessen der Völkerge- dargelegt, die Bundeswehr in einem Haltung der zivilen Bevölkerung ganz meinschaft (Stärkung der internatio- Transformationsprozess auf die Be- entscheidend ist. nalen Ordnung) in Ausgleich gebracht wältigung der neuen Aufgaben auszu- Jeder Einsatz erfordert eine klare werden können. richten. Der Transformationsprozess Zielbestimmung durch die politische Es ist unbestritten, dass Staaten wird dabei nicht zu einem bestimmten Führung, in der Sinn, Dauer und Aus- Interessen haben. Kritisch wird es je- Zeitpunkt mit dem Erreichen eines maß des Engagements darlegt werden doch, wenn Einzelinteressen der star- vorgegebenen Endzustan des abge- müssen. Sonst ist die Perspektiv- und ken Staaten zulasten der Schwachen schlossen, sondern ist vielmehr ein Endlosigkeit militärischer Einsätze durchgesetzt werden und das Völker- vorprogrammiert. permanenter, fortlaufender Prozess der recht den eigenen Machtinteressen Aus den Erfahrungen von mehr Anpassung an die sich verändernden untergeordnet wird. als zehn Jahren deutschen Krisenen- Bedingungen. Auf die Frage, wie die Weil der Wohlstand zwischen ar- gagements und Auslandseinsätzen der Struktur- und Ausrüstungsdefizite der men und reichen Staaten der Welt Bundeswehr hätte das Weißbuch deut- Bundeswehr abgebaut werden kön- krass ungleich verteilt ist, kann aus liche Konsequenzen ziehen müssen. Sicht der Friedensethik ,,der freie und nen, wird jedoch nicht eingegangen. Im Weißbuch heißt es jedoch ledig- ungehinderte Handel als Grundlage un- Kein Wort von der seinerzeit von der lich, die Bundeswehr solle „mit ihrem seres Wohlstandes“ nur dann als Inter- Weizsäcker-Kommission vorgeschla- gesamten Fähigkeitsspektrum hierzu esse verteidigt werden, wenn zugleich genen „Anschubfinanzierung“ zur Mo- einen wesentlichen Beitrag leisten“. Es an der Überwindung der bestehenden dernisierung der Bundeswehr. bleibt im Weißbuch offen, was genau Ungerechtigkeit gearbeitet wird. Zu den „auf absehbare Zeit (…) die Rolle der Bundeswehr z.B. beim wahrscheinlicheren Aufgaben“ der Kampf gegen Internationalen Terroris- Umfassende Sicherheit Bundeswehr zählt das Weißbuch in mus ist, welchen spezifischen Inter- Deutscher Sicherheitspolitik erster Linie „internationale Konflikt- essen der Einsatz in Afghanistan, im liegt laut Weißbuch ein „umfas- verhütung und Krisenbewältigung Kongo, am Horn von Afrika und im sender Sicherheitsbegriff“ zugrunde, unter Einschluss des Kampfes gegen Libanon dient. um den Risiken und Gefahren mit den internationalen Terrorismus“. Im Ebenso bleiben Fragen unbe- einem abgestimmten Instrumenta- Vergleich zur zentralen Stellung mili- antwortet, ob z.B. die strukturelle rium entgegentreten zu können. Die tärischer Mittel im Sicherheitskonzept Aufteilung der Bundeswehr in „Ein- im Weißbuch propagierte „präventive des Kalten Krieges bedeutet das eine greifkräfte“ (35.000), die „vorrangig Sicherheitspolitik“ wird „künftig eine deutliche Zurücknahme der Rolle mi- mit hochwertiger Technologie“ ausge- noch engere Integration politischer, litärischer Optionen. Wie das Weiß- rüstet werden und „Stabilisierungs- militärischer, entwick lungspolitischer, buch betont, kann den „neuartigen kräfte“ (70.000) noch den Anforde- wirtschaftlicher, humanitärer, polizei- Risiken weder allein noch vorrangig rungen entspricht, ob und wie die licher und nachrichtendienstlicher In- mit militärischen Mitteln begegnet Einführung von 320 Eurofightern, strumente der Konfliktverhütung und werden.“ Damit ist die Zeit traditi- Kampfhubschraubern und die neue Krisenbewältigung voraussetzen“. oneller Kampfeinsätze vorüber. Der Heeresluftabwehr in das zukünftige Mit diesem Bekenntnis zu einer erste Einsatz der ursprünglich für Einsatzprofil passen. Die amerika- korrespondierenden, „umfassenden „Operationen mit hoher Intensität“ nischen Streitkräfte brauchen keine Sicherheitsstrategie“ lässt das Weiß- vorgesehenen Nato Response Force Unterstützung bei „High-Tech“-Ein- buch es dann aber bewenden. Es galt bezeichnenderweise den Erdbe- sätzen, aber dringend Unterstützung bleibt die Antwort schuldig, wie denn benopfern in Kaschmir. bei Stabilisierungsmissionen. 10 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 PWOLITIKERGESPRÄCHEISSBUCH 2006

Innere Sicherheit schutzlos ausgeliefert, eine Lage, die buch auf etwas mehr als ein Drittel. Eine Schlüsselfrage der neuen in der westlichen Welt einmalig sein Das neue Weißbuch widmet sich vor- Sicherheitskonzeption bleibt völlig dürfte. rangig strukturellen und militärischen ungeklärt. Sie lautet: Kann die Bun- In diesem Zusammenhang ist es Fragen, es fehlt eine übergreifende deswehr künftig als ein eigenständi- bemerkenswert, dass ein verfassungs- Konzeption, in der alle friedenspoli- ger Akteur im Bereich der inneren widriges Gesetz alle parlamentarischen tischen Instrumente erfasst und auf Sicherheit handeln, oder soll sie der und regierungsamtlichen Kontrollen die wichtigsten Zielsetzungen hin Polizei bloß im Ausnahmefall als Un- ohne Probleme durchlaufen kann, und koordiniert werden. terstützer mit nicht „polizeitypischen“ erst danach vom Verfassungsgericht Insgesamt kann das Weißbuch den Waffen dienen? Die Antwort hängt gestoppt werden muss. Das bedeutet Anspruch, ein sicherheitspolitisch- letztlich davon ab, ob die Bundesre- für Soldaten, dass auf die Verfassungs- konzeptionelles Grundlagenwerk zu gierung den neuen Terrorismus als ei- und Völkerrechtskonformität von Ein- sein, nicht erfüllen. Es bleibt mehr ein nen kriegsähnlichen Angriff begreifen satzbeschlüssen für die Bundeswehr „Verteidigungsweißbuch“, was nach oder als Superkriminalität einstufen durch Regierung und Parlament nicht 12 Jahren Abstinenz durchaus schon will. Das Weißbuch verweist auf die in jedem Fall Verlass ist. ein erheblicher Fortschritt ist. ❏ Notwendigkeit einer verfassungsrecht- lichen Regelung, um nach dem Kas- Fazit sieren des Luftsicherungsgesetzes Während im Weißbuch 1994 WEISSBUCH 2006 ZU durch das Bundesverfassungsgericht noch etwas über die Hälfte des Textes MILITÄRSEELSORGE: gegen terroristische Angriffe mit (Kapitel 1-4) für die veränderte Lage, einem zivilen Flugzeug militärische die deutschen Interessen und den „Auch religiös ungebundene Soldaten Waffen einsetzen zu können. Bis da- politischen Raum reserviert war, be- schätzen Militärseelsorge“ hin ist Deutschland solchen Angriffen schränkt sich dies im neuen Weiß- ie Militärseelsorge der Kir- Dchen wird nach Angaben GEFUNDEN: des Weißbuchs auch von religi- ös ungebundenen Soldaten ge- Verein Aachener Friedenspreis zeigt Merkel und Jung an schätzt und angenommen. Laut er Verein Aachener Friedenspreis hat Strafanzeige gegen Bundeskanz- dem am 26.10. von der Bundes- Dlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide regierung vorgelegten Bericht CDU) wegen „Vorbereitung von Angriffskriegen“ gestellt. Dieser Straftatbe- gehören mittlerweile rund 40 stand sei mit der Verabschiedung des neuen Weißbuchs der Bundeswehr er- Prozent der Bundeswehrange- füllt, sagte der Vereinsvorsitzende Otmar Steinbicker am 15. Nov. in Aachen. hörigen weder der evangeli- Das Weißbuch beschreibe eine neue Militärdoktrin, in der die Bundeswehr schen noch der katholischen „die Rolle einer weltweit einzusetzenden und präventiv tätigen Interventi- Kirche an. Es gebe demgegen- onsarmee“ übernehme. Außerdem erfolge eine „materielle Umrüstung der über „zunehmend Angehörige Bundeswehr“. Damit sei die Vorbereitung von Angriffskriegen gegeben, so anderer Religionen“. Steinbicker. Das Weißbuch löse sich vom bisherigen Verteidigungsbegriff Das Weißbuch hebt hervor, und plädiere für Militäreinsätze, ohne dass zuvor ein Angriff auf das eigene dass die Seelsorge durch die Territorium oder das eines Bündnispartners stattgefunden habe, kritisierte einsatz-orientierte Ausrichtung die Vereinigung. „Eine derartige präventive Kriegsführung hebelt das ge- neue Aufgabenschwerpunkte samte, auf Friedenspflicht angelegte Völkerrecht aus“, sagte Steinbicker. erhalten habe. Das Engagement In der Begründung der Strafanzeige heißt es, die Bundesregierung zeige der Geistlichen gerade bei den im Weißbuch ein neues Verständnis der Begriffe „Sicherheit“ und „Vertei- mitunter extremen Situationen digung“, das auch mit dem Grundgesetz und der UNO-Charta nicht über- während eines Auslandsein- einstimme. Die Bundeswehr werde zu einem Instrument zur Durchsetzung satzes sei ein „wichtiges Ele- außenpolitischer, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Ziele mit militä- ment der Fürsorge“. Die Seel- rischen Mitteln, kritisierte Steinbicker. Als Ziele und Interventionsgründe sorge unterstütze die Soldaten nenne das Weißbuch freie Transportwege, ein offenes Welthandelssystem, erfolgreich bei der Bewältigung funktionierende Kommunikationssysteme, eine gesicherte Rohstoffzufuhr persönlicher und seelischer Be- und eine nachhaltige Energieversorgung. Die Aachener Bürgerinitiative lastungen im Einsatzgebiet. Als zeichnet jedes Jahr Gruppen oder Persönlichkeiten aus, die sich „von un- weitere neue Aufgabe nennt das ten“ für den Frieden einsetzen. In diesem Jahr ging der Preis an den Verein Weißbuch die Sorge um Fami- „Hilfe für Menschen in Abschiebungshaft Büren“. Frühere Preisträger waren lienangehörige von im Einsatz der katholische US-Theologe Roy Bourgeois, die Münchner Schauspielerin befindlichen Soldaten. Ferner Hanne Hiob, die Tochter von Bertolt Brecht, die türkische Anwältin Eren beteilige sie sich an der Wie- Keskin, die Initiative Petersburger Soldatenmütter, die Flüchtlingsorga- dereingliederung von Rückkeh- nisation „Pro Asyl“ und die ökumenische US-Gruppe „Pastoren für den rern in den dienstlichen und Frieden“. (KNA) privaten Alltag. (KNA)

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 11 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Weißbuch 2006: Eine historische Herausforderung für Angela Merkel

VON KLAUS LIEBETANZ

as neue „Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und Download bei: www.bundeswehr.de zur Zukunft der Bundeswehr“ ist wesentlich besser und um- Dfassender als der ursprünglich militärisch verengte Entwurf des Planungsstabes im BMVg vom 29.04.2006 befürchten ließ (vgl. AUFTRAG Heft 203 „Wo bleibt das christliche Profil?“). Im Vorwort des neuen Weißbuches fordert Bundeskanzlerin Dr. Angela Mer- kel „eine vorausschauende und nachhaltige, letztlich erfolgreiche Sicherheitspolitik, die zivile und militärische Instrumente aufeinan- der abstimmen und zum Einsatz bringen muss.“ Damit ist Angela Merkel in ihrer Richtlinienkompetenz gefordert. Wesentliche Forderungen Werteorientierung statt es bei einer Schieflage des reessort- der GKS erfüllt reiner Interessenlage übergreifenden Ansatzes in der Pha- Die GKS hat in ihrer Erklärung Gegenüber dem Entwurf des Pla- se der Stabilisierung. Das betrifft zu Friedenseinsätzen deutscher Kräfte nungsstabes im BMVg, der sich fast insbesondere den unzureichenden „Der Friede ist möglich“ ein ausgewo- ausschließlich auf unmittelbare deut- Aufbau der rechtstaatlichen Polizei genes Gesamtkonzept aller beteiligter sche Interessen bezog, stellt das neue und die wenig durchgreifenden ent- Ressorts gefordert. Wörtlich heißt es Weißbuch die Werteorientierung in wicklungspolitischen Maßnahmen in in dieser GKS-Erklärung: den Vordergrund und berücksichtigt Afghanistan. Wenn es nicht gelingt, „Bei Friedenseinsätzen bedingen damit auch die Sicherheit und den die Situation der einfachen Bevöl- sich Sicherheit und Wiederaufbau Frieden der betroffenen Menschen in kerung in Afghanistan nachhaltig zu gegenseitig. Nur eine konzertierte den Krisenregionen. Damit entspricht verbessern, wird auch der Einsatz von Aktion aus angemessener militä- das Weißbuch weitgehend dem christ- Streitkräften scheitern, seien diese rischer Stabilisierung und ziviler lichen Weltbild, wie es im 2. Vatika- noch so sehr in der Lage, vernetzte Konfliktbearbeitung ist geeignet, nischen Konzil formuliert wurde: und wirkungsorientierte Operationen in einem vom Krieg heimgesuchten „Wer als Soldat im Dienst des Va- durchzuführen. Der UN-Sonderbeauf- Land einen sich selbst tragenden terlandes steht, betrachte sich als tragte Tom Königs (Grüne) hat Anfang Friedensprozess in Gang zu setzen Diener der Sicherheit und Freiheit August 2006 in einem Spiegelinter- und nachhaltig zu unterstützen. der Völker. Indem er diese Aufgabe view ein vernichtendes Urteil über die Die Mitwirkung der Menschen vor recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur bisherigen Bemühungen von Rot/Grün Ort ist unabdingbarer Bestand- Festigung des Friedens bei“ (GS in Afghanistan gesprochen. Es sei in teil einer Entwicklung zu einem Nr. 79). gefährlicher Weise beim Aufbau der gerechten Frieden.“ afghanischen Polizei und Armee an Diese Forderung wird vom nun- Nachhaltige Friedenskonsolidie- Personal und Geld gespart worden. mehr vorliegenden Weißbuch an meh- rung und Eigenverantwortlichkeit reren Stellen aufgenommen: Zu diesem Thema hält das neue Dringende Verbesserung „Staatliches Handeln bei der Si- Weißbuch fest: des Polizeiaufbau in AFG cherheitsvorsorge wird künftig „Nur die nachhaltige Konsolidie- Der Aufbau einer effektiven eine noch engere Integration po- rung von Frieden und Stabilität rechtstaatlichen Polizei in Afgha- litischer, militärischer, entwick- und die Schaffung von Eigenver- nistan hat eine Schlüsselfunktion lungspolitischer, wirtschaftlicher, antwortung der Betroffenen („own- (Kriminalitätsbekämpfung). Deutsch- humanitärer, polizeilicher und wership“) können verhindern, land ist hierbei die Lead Nation. Der nachrichtendienstlicher Instru- dass Konflikte erneut ausbrechen“ deutsche Ausbildungsbeitrag ist mit mente der Konfliktverhütung und (WB S. 30). ca. 40 Beamten qualitativ hervorra- Krisenbewältigung voraussetzen“ gend und international anerkannt; (WB S. 169). Das Versagen der aber quantitativ für ein Land, dass Das neue Weißbuch stellt mit Vorgängerregierung zweimal so groß wie Deutschland ist Recht fest, dass die neuen Bedro- Der ressortübergreifende Ansatz und deren polizeiliche Infrastruktur hungen und Risiken (wie z.B. inter- bei Friedenseinsätzen deutscher Kräf- durch die langjährigen Kriege völlig nationaler Terrorismus und zerfallene te wurde auch schon bei der rot-grü- zerstört war, viel zu gering und nicht Staaten mit organisiertem Verbrechen) nen Vorgängerregierung angestrebt. ausreichend wirksam. Hinzu kommt „weder allein noch vorrangig mit mi- Dafür gab es den vielgerühmten Ak- die dringend notwendige Unterstüt- litärischen Mitteln begegnet werden tionsplan „Zivile Krisenprävention“. zung für die Infrastruktur der landes- kann.“ (WB S. 23). Tatsächlich und in der Realität blieb weiten Polizei. Der jährliche deutsche

12 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 PWOLITIKERGESPRÄCHEISSBUCH 2006 finanzielle Beitrag von 12 Mio Euro was zur Folge hat, dass für den afghanischen Polizeiaufbau diese Teile der Bevölke- ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. rung für die Propagan- Was ist von einem frisch ausgebil- da der Taliban immer deten Polizisten zu erwarten, der für anfälliger werden. umgerechnet 28 Euro seine Familie Fazit: Afghanistan ernähren muss, und im Süden des und besonders der Sü- Landes in einem Erdloch (Polizei- den des Landes muss posten) schlecht ausgerüstet seinen zu einem Schwerpunkt Dienst verrichten muss. Er hat gegen der deutschen Ent- die Wordlords und die Taliban keine wickungszusammen- Chance und wird nur verheizt. arbeit werden, damit Fazit: Der deutsche Beitrag als der Einsatz deutscher Lead Nation für die Ausbildung und Soldaten nicht sinnlos Ausrüstung der afghanischen Polizei werden soll. muss erheblich erhöht werden. Auf die Dauer muss das Innenminis- Wachsende Bedeutung berg), in der viele engagierte Chris- terium einen eigenen Titel für die der Vernetzten Sicherheit ten dienen, einen weiteren wichtigen internationale Polizeiausbildung Auf dem „Berliner Forum Sicher- Schritt in Richtung Weltfrieden ge- erhalten. Das BMI darf nicht wei- heitspolitik – Impulse 21“ am 10. hen, nämlich durch angemessene terhin auf die Almosen des BMZ und November 2006 hat Bundeskanzle- ressortübergreifende Friedenskonso- das AA angewiesen sein. Es war ein rin Angela Merkel auf die wachsende lidierung in den sog. failing states, Skandal, dass der Innenausschuss Bedeutung einer vernetzten Sicher- um nicht zuletzt die geschundene des Deutschen Bundestages an der heitspolitik hingewiesen. Diese kön- Bevölkerung dieser Regionen von Debatte über die Verlängerung des ne sich nicht allein auf militärische der unerträglichen Last zu befreien deutschen Einsatzes in Afghanistan Mittel stützen. Vielmehr müssten und sie an den Reichtümern der je- am 21. und 26. September 2006 nicht Diplomatie, zivile Aufbau- und Ent- weiligen Länder zu beteiligen. Dies einmal beteiligt war. Darüber hinaus wicklungshilfe zusammenwirken. Die kann natürlich nur in Zusammenar- muss das BMI ein Attraktivitätspro- Bundeskanzlerin kündigte an, dass beit mit der EU, den Vereinten Natio- gramm für befähigte Polizisten auf- sich Deutschland während seiner nen und den Vereinigten Staaten von legen, welches verhindert, dass vom EU- und G-8-Präsidentschaft im ers- Amerika und last but not least mit der fordernden internationalen Polizeiein- ten Halbjahr 2007 verstärkt für eine betroffe nen Bevölkerung geschehen. satz zurückkehrende Polizisten oben- internationale Vernetzung zur Lösung Voraussetzung dafür ist, dass drein noch Karrierenachteile haben. von Konflikten einsetzen werde. Bun des kanzlerin Angela Merkel Ferner muss der Deutsche Bundestag – erstmals in der deutschen Nach- begreifen lernen, dass bei Frieden- Eine historische Aufgabe kriegsgeschichte – angemessen von seinsätzen deutscher Kräfte in der für Angela Merkel ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch Friedenskonsolidierung dem Aufbau Die CDU/CSU, die nach dem macht und die eigensüchtigen Minis- einer effektiven rechtstaatlichen Po- 2. Weltkrieg aus Protestanten und Ka- terien auf ein gemeinsames friedens- lizei die gleiche Bedeutung zukommt tholiken als „Partei der praktischen politische Ziel einschwört. Angesichts wie der militärischen Absicherung. Befreiungs-theologie“ gegründet der Tatsache, dass SPD und CDU/CSU Derzeit gibt Deutschland in Afgha- wurde, hat mit der Einführung der gemeinschaftlich 1948 die Präambel nistan 26 mal mehr für Militär als für sozialen Marktwirtschaft zum Wohl- des Grundgesetzes auf Herrenchiem- Polizisten aus. Das muss sich ändern. stand der einfachen Bevölkerung see formuliert haben, dürfte das ei- Voraussetzung für eine sinnvolle beigetragen und so letzten Endes den gentlich nicht zu schwer fallen. Die Exitstrategie ist eine funktionie- Untergang des sozialistischen La- Präambel1 beginnt mit den prophe- rende rechtstaatliche Polizei. Das gers verursacht, weil dieses an sei- tischen Worten: Gleiche gilt für alle sog. „failing nen eigenen Ansprüchen gescheitert „Im Bewusstsein seiner states“, wo Zehntausende von ehe- ist. Des Weiteren hat die CDU/CSU Verantwortung vor Gott und den maligen Kämpfern das organisierte durch ihr konsequentes Eintreten für Menschen, ... in einem vereinten Verbrechen subsistieren (z.B. für die die Einigung Europas dazu verholfen, Europa dem Frieden DR Kongo und den Libanon). dass heute von Portugal bis kurz vor in der Welt zu dienen“. ❏ St. Petersburg eine Zone entstanden Verstärkter Wiederaufbau im ist, in der aus strukturellen Gründen Süden von Afghanistan ein Krieg innerhalb dieser Region 1 s.a.: K. Liebetanz „»Im Bewusstsein Die Bevölkerung des Südens und ausgeschlossen ist. seiner Verantwortung vor Gott und den besonders die traditionell deutsch- Heute kommt es darauf an, dass Menschen, ... dem Frieden in der Welt dienen«. Eine sicherheitspolitische freundlichen paschtunischen Gebiete die CDU/CSU in der Koalition mit der Betrachtung zur Präambel des Grundge- partizipieren kaum am Wiederaufbau, erheblich gewandelten SPD (Godes- setzes; Seite 28 f.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 13 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

INTERVIEW MIT DER VORSITZENDEN DES VERTEIDIGUNGSAUSSCHUSSES DES BUNDESTAGES ULRIKE MERTEN (SPD): „Wir dürfen den Kampf um die Herzen und Köpfe der Menschen in Afghanistan nicht verlieren!“

ie Fragen an die Vorsitzende des Ver tei digungsaus - sein wird, ohne Unterstützung ihre Auf- schusses des Bundestages Ulrike Merten stellte gaben wahrzunehmen. Wäre es anders, DMajor a.D. Klaus Liebtanz, Mitglied des GKS-Sachaus- bedürfte es nicht der ISAF- und OEF- schusses „Sicherheit und Frieden“. Ulrike Merten unternahm Mitte Mandate unter Führung der NATO. Oktober mit einer Delegation von Abgeordneten des Deutschen AUFTRAG: Während der Debatte am Bundestages eine Informationsreise nach Afghanistan. 21. und 26. September 06 im Deut- schen Bundestag um die Fortsetzung AUFTRAG: Wie ist der Stand des Auf- vertrieben haben, mit ein paar hundert der Beteiligung der Bundeswehr am baus der Afghanischen National Ar- Taliban nicht fertig werden? Einsatz der ISAF haben nicht wenige mee (ANA)? Die Bundes wehrwehr ist Ulrike Merten: Wenn der Aufbau der Redebeiträge gezeigt, dass dem Aufbau in Afghanistan keine Besatzungsmacht, Afghanischen National Armee (ANA) einer effektiven rechtstaatlichen Poli- sondern hat eine Unterstützungs missi- einmal beendet sein wird, dann soll zei in Afghanistan eine Schlüsselfunk- on. Halten Sie es im Sinne der Hilfe sie einen Umfang von 62.000 Solda- tion zukommt. Ist es tatsächlich aus- zur Selbsthilfe für ausreichend, wenn ten haben. Die Bundeswehr unterstützt reichend, wenn die Bundesregierung die Bundeswehr in Kundus mit nur die Ausbildung und bietet Begleitung als “Lead Nation“ für diese Aufgabe 24 Offizieren und Feldwebeln die Aus- in einem Mentoring-Programm an. Die lediglich 12 Mio. Euro zur Verfügung bildung der ANA unterstützt? Teilen Erfahrungen sind durchaus positiv, stellt? In einem Spiegel-Interview be- Sie die Auffassung des UNO-Sonder- auch wenn der Aufbau insgesamt lang- hauptet Tom Koenigs kürzlich, dass in gesandten für Afghanistan, dass die samer vorangeht, als das am An fang ge fährlicher Weise beim Aufbau der ANA viel zu schwach ist? Wie ist es erwartet wurde. Mangelnde Erfahrung, afghanischen Polizei und Armee an eigentlich möglich, dass die tapfe- Ausrüstungsmängel und die unbefrie- Personal und Geld gespart wurde? ren und hochgelobten afghanischen digende Besoldungssituation sind u.a. Ulrike Merten: Ja, ich bin auch Kämpfer, welche die Engländer und Gründe dafür, dass die ANA noch für der Meinung, dass dem Aufbau der Russen nachweislich aus ihrem Land eine geraume Zeit nicht in der Lage Polizei eine besondere Bedeutung zu- kommt. In dieser Auffassung bin ich bei meinem Besuch durch viele Ge- Ulrike Merten, SPD spräche noch einmal bestärkt worden. *13.12.1951 in Bielefeld; ev.; verh., 2 Kinder. Es wäre gut, wenn die Bundesregie- bis 1965 Volksschule bis 1965. rung sich entschließen würde, ihre 1965-68 Ausbildung zur Kauffrau u. Drogistin. Anstrengungen in dem Bereich noch 1978-82 Telekolleg NRW, Fachabitur. zu intensivieren. 1971-75 Geschäftsführerin, AUFTRAG: Ferner konnte man aus 1975-78 Abteilungsleiterin Einkauf u. Distribution, der o.a. Debatte im Deutschen Bun- 1978 Ausscheiden aus dem Beruf. destag entnehmen, dass die Bevölke- Politischer Werdegang rung des Südens von Afghanistan und seit 1972 Mitglied der SPD besonders die traditionell deutsch- 1988-99 SPD Ortsvorsitzende freundlichen paschtunischen Gebiete 1992-2001 SPD-Kreisvorsitzende Krs Gütersloh kaum am Wiederaufbau partizipieren. seit 1998 MdB Was kann getan werden, dass dieser seit 2002 Wahlkreis Rhein-Sieg II Teil der afghanischen Bevölkerung we- niger für die Propaganda der Taliban Arbeit in den Ausschüssen des Bundestages anfällig wird? Seit 1998: Ordentliches Mitglied des Verteidigungsausschusses Seit 1998: Stellv. Mitglied des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen, Jugend Ulrike Merten: Ein Weg könnten seit 2002: Stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Wahlprüfung die in Rede stehenden ADZ (Afghan seit 05/2005: Vors. Verteidigungsausschuss im Dt. Bundestag Development Zones) sein. Aller dings hätte ich mir gewünscht, dass dieses Politische Schwerpunkte Konzept früher hätte zum Tragen kom- Verteidigungs- und Sicherheitspolitik men können. Nach der sog. Operation Kommunale Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung „Medusa“ ist es nötiger denn je, dass Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft (Quelle: http://www.bundestag.de/mdb/bio/M/merteul0 ) die Menschen im Süden Afghanistans den unmittelbaren Zusammenhang

14 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 INTERVIEW

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages Ulrike Merten (Bildmitte) besuchte vom 10. bis 14. Okt. 2006 mit einer Delegation von Bundestagsabgeordneten die deutschen Friedenskräfte in Afghanistan. Hier beim Eintreffen im PRT Kunduz. zwischen dem Kampf gegen Taliban- Kräfte und der Verbesserung ihrer Le- bensbedingungen erkennen können. Ich bin darüber hinaus der Auffas- sung, dass sich die NATO um eine stärkere Kohärenz ihres En gagements in Afghanistan bemühen muss. AUFTRAG: Die Drogenproduktion in Afghanistan befindet sich auf Rekord- Höhe und bedient 92 Prozent des Welt- marktes. Der Erlös dieser Produktion finanziert und fördert auch mafiose Strukturen, Kriminalität, den Taliban- Guerillakrieg, den islamischen Terro- rismus und die grassierende Korrup- tion in Afghanistan. Bemüht sich die eine „conditio sine qua non“, aber sie Herzen und Köpfe der Menschen in Bundesregierung in Zusammenarbeit können den Friedensprozess nicht ge- Afghanistan nicht verlieren dürfen. mit der internationalen Gemeinschaft stalten. Langfristig muss es daher zu Dazu gehört, dass sich die Lebensbe- um eine ernstzunehmende alter native einer Neugewichtung der finanziellen dingungen spürbar und möglichst Strategie zum Mohnanbau in Afgha- Mittel in der Phase der Friedenskon- schnell verbessern müssen. solidierung zu Gunsten der zivilen nistan? Wie könnte eine solche aus- AUFTRAG: Abschließend möchte sehen? Maßnahmen, wie den Aufbau einer effektiven und rechtstaatlichen Poli- ich Ihnen eine ganz persönliche Fra- Ulrike Merten: Sie sprechen eines zei, entwicklungspolitischen Maßnah- ge stellen. Wie werden Sie mit den der größten Probleme an. Dies zu lö- men, wie Schaffung von genügend enormen Anforderungen an Sie als sen wäre ein wichtiger Teil des Weges, Arbeitsplätzen, kommen. Halten Sie es Bundestagsabge ordnete und als Vor- der die Afghanen am Ende in die Lage für möglich, dass die große Koalition sitzende des Verteidigungsausschusses versetzen soll, ihr Schicksal ohne die Kraft findet, hier ein Umdenken fremde Hilfe in die Hand zu nehmen. fertig? Welche Rolle spielt dabei Ihr herbeizuführen oder werden die einge- evangelischer Glaube als Kraftquel- Die heimischen Bedingungen in Af- setzten Soldaten weiterhin Lückenbü- ghanistan sind so, dass vieles wächst, le und Motivation auch bei schier ßer für einen verfehlten Gesamtansatz unlösbaren Aufgaben und Anforde- was eine Alternative böte: Reis, Ge- bei Friedensmissionen sein? treide, Wein, Obst, Heilkräuter, um rungen durchzuhalten und den Durch- Ulrike Merten: Über das Ziel müs- nur einige Beispiele zu nennen. Die blick zu behalten? sen wir nicht streiten. Der Weg dahin Bemühungen der Bundesregierung – das will ich gerne zugeben – kann, Ulrike Merten: Das ist eine nicht und ihrer Kräfte vor Ort gehen natür- ja ich meine, er muss, Veränderungen einfach zu beantwortende Frage. Mir lich dahin, Alternativen und Strate- erfahren. Sie sprechen die richtigen hilft sehr, dass ich meine Arbeit, auch gien dafür aufzuzeigen und sie in die Dinge an. Ich widerspreche Ihnen al- nach so vielen Jahren, mit großer Realität umzusetzen. Aber Sie wissen lerdings in Ihrer Bewertung, dass die Freude tue. Ich fürchte mich nicht doch so gut wie ich, dass es mächtige, Soldaten der Bundes wehr Lückenbü- einflussreiche Akteure gibt, die alles vor schwierigen Aufgaben, aber ich ßer in einem verfehlten Gesamtansatz nehme sie auch nie – bei aller Rou- daran setzen, diesen Weg zu unter- seien. Ich habe mich mehrfach von binden und die Landwirte und deren tine – auf die leichte Schulter. Ich der hervorragenden, hilfreichen Rolle bleibe, wenn Sie so wollen, eine Ler- Familien in Abhängigkeit zu sich zu der Bundeswehr überzeugen können. nende. Das schützt mich vor Ober- halten. Dass sie in enger Zusammenarbeit AUFTRAG: Das Ziel der Friedenskon- und Abstimmung mit dem BMZ, dem flächlichkeit. Ich bin dankbar, dass solidierung ist ein sich selbst tragender Auswärtigen Amt und dem Bundesin- ich im Glauben wurzeln darf. Nicht Friedensprozess in der betreffenden nenministerium ihre Arbeit tut, will selbstverständlich und gedan kenlos, Region. Dieses zivile Ziel kann nur ich noch einmal ausdrücklich hervor- sondern auch immer wieder zweifelnd. durch zivile Maßnahmen erreicht wer- heben. Aber am Ende steht dann immer den. Streitkräfte können diesen Pro- Ich glaube, alle Verantwortlichen wieder die Freude über neuerliche zess absichern und sind auch häufig wissen, dass wir den Kampf um die Gewissheit. ❏ AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 15 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

WAFFENKONTROLLE: Vereinte Nationen wollen globales Abkommen zur Waffenkontrolle

ie Mitgliedstaaten der Ver- zelnen Ländern geltende Auflagen müsse auch das Know-how und die einten Nationen wollen einen leicht umgangen werden. Der neue Technologie zur Herstellung dieser Dneuen globalen Vertrag zur Vertrag wäre nach Meinung von Be- Waffen überwachen. Seit dem Zwei- Kontrolle konventioneller Rüstungs- obachtern ein entscheidender Schritt, ten Weltkrieg seien damit Millionen güter ausarbeiten. Der zuständige um Grauzonen und Schlupflöcher bei von Menschen in Konflikten verletzt Ausschuss der UN-Vollversamm- der Regulierung weltweiter Rüstungs- oder getötet worden, betont der Va- lung beschloss am 26. Oktober in transfers zu schließen. Nur so könne tikan. Der Präsident des Päpstlichen New York mit großer Mehrheit eine verhindert werden, dass Rüstungsgü- Rats, Kardinal Renato Raffaele Marti- entsprechende Resolution. Von 163 ter bei Kriegsverbrechen und Men- no, begrüßte eine derzeitige Initiative Staaten enthielten sich 24; allein die schenrechtsverletzungen eingesetzt vor der UN-Vollversammlung, die in- USA stimmten gegen den Auftrag für werden. In den vergangenen Jahren ternationale Regeln für den Umgang ein Vertragswerk, das unter anderem hatten Rüstungsorganisationen immer mit konventionellen Waffen zum Ziel Waffenlieferungen in Krisenregionen wieder auf ein entsprechendes Ab- hat. Mehrere Staaten haben in New verhindern soll. Auch Deutschland, kommen gedrängt. Zuletzt forderten York vorgeschlagen, verbindliche Ver- Frankreich und Großbritannien als 15 Friedensnobelpreisträger die Ver- einbarungen für den Export, Import große Waffenexporteure stimmten zu. einten Nationen auf, den Weg für ein und den Austausch konventioneller Russland und China nahmen an der globales Übereinkommen zur Kontrol- Waffen zu erarbeiten. Abstimmung nicht teil. Rüstungsor- le des konventionellen Rüstungshan- Das Fehlen eines Überwachungs- ganisationen begrüßten die Entschei- dels freizumachen. systems zum Waffenhandel belastet dung. nach Auffassung des Vatikan nicht Damit ist der künftige UNO- Vatikan fordert Kontrolle nur Friedens- und Versöhnungspro- Generalsekretär Ban Ki Moon be- konventioneller Waffen zesse nach Konflikten, sondern wirkt auftragt, in den kommenden zwölf ereits Anfang Oktober hatte der sich auch negativ auf die Stabilität Monaten einen Bericht vorzulegen, BVatikan eine effektive Kontrol- von Institutionen und eine nachhal- wie ein Vertrag zur Waffen- und Rüs- le des Handels mit konventionellen tige Entwicklung aus. Die unkontrol- tungskontrolle aussehen kann. Darin Waffen gefordert. Der Päpstliche Rat lierte Weitergabe von Rüstungsgütern sollen international verbindliche Re- „Gerechtigkeit und Frieden“ verlangte sei auch unmittelbar mit dem organi- geln für Import und Export festgelegt am Dienstag in einer Erklärung, die sierten Verbrechen und dem interna- werden. Derzeit können nur in ein- internationale Staatengemeinschaft tionalen Terrorismus verbunden. (PS/KNA/ZENIT) Studie: Streumunition trifft vor allem die Zivilbevölkerung nternationale Experten haben ein den Opfern zählten häufig auch Ein- mentiert weltweit 11.044 Opfer von umfassendes weltweites Verbot satzkräfte bei der Friedenssicherung Streumunition. Die tatsächliche Zahl von Streumunition gefordert. Nach oder Kampfmittelräumer. Die interna- schätzt die Organisation auf rund I 100.000. einer am 2. November in Berlin vor- tionale Gemeinschaft müsse endlich gestellten Untersuchung treffen 98 rechtlich verbindliche Regelungen Als Streubomben gelten Waffen, Prozent aller dokumentierten Unfälle treffen, um den weiteren Einsatz von die viele kleine explosive Munitions- mit Streumunition Zivilpersonen und Streumunition zu verhindern und die teile freisetzen und dadurch größere nicht Militärs. Streubomben hätten Räumung bisher verseuchter Gebiete Flächen treffen sollen. Zuletzt war unter der Zivilbevölkerung verhee- zu beschleunigen. Zügige um fassende insbesondere Israel in die Kritik ge- rende Auswirkungen, erklärte die Räumung sei der einzige Weg, um die raten, die Munition in den letzten Ta- Initiative „Handicap international“. Zahl der Opfer zu reduzieren. gen des Libanon-Krieges verwendet 40 Prozent der Opfer seien unter 18 zu haben. Jahre alt. Tausende Opfer Bemühungen der Bundesregie- Die Organisation stellte den Be- Bundestag fordert Verbot rung um eine Verbotsregelung wies richt „Fatal Footprint – Tödliche Spur“ von Streumunition sie als unzureichend zurück. Der Ge- vor, der erstmals umfassend die welt- ie Bundestagsparteien haben sich schäftsführer von Handicap Internati- weiten humanitären Folgen von Streu- Dfür ein Verbot von Streumunition onal Deutschland, Francois De Keers- munition erfasse. So seien die verfüg- ausgesprochen. Union und SPD for- maeker, betonte vor allem die lang- baren Daten über die Auswirkungen derten in einem Bundestagsantrag am fristigen Folgen. So töteten oder ver- auf das Leben der Menschen in jenen 28. September die Bundesregierung letzten Blindgänger spielende Kinder 24 Ländern oder Gebieten erfasst, die auf, Streumunition mit einer Blind- oder Familien, die nach einem Krieg erwiesenermaßen von Streumunition gängerquote von über einem Prozent in ihre Heimat zurückkehrten. Zu betroffen seien. Die Studie doku- Fortsetzung auf S. 17, Sp 1 u. 16 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 URSACHEN VON TERRORISMUS

Religiöser Fanatismus nicht die Hauptursache von politischer Gewalt und Terror Anzahl der Opfer und Anschläge in fünf Jahren um 300 Prozent gestiegen Wesentliche Ursachen sind Armut, Misswirtschaft und Unterdrückung ie Anzahl der Terroranschlä- zent aller terroristischen Gruppen che Entwicklungspolitik in die Lage ge und Opfer ist in den ver- weltweit dem religiösen – und dabei versetzt werden, sich noch stärker in Dgangenen Jahren weltweit um vor allem dem islamistischen – Extre- den Bereichen Armutsbekämpfung, mehr als das Dreifache gestiegen. mismus zuzuordnen. Dies entspricht Demokratieförderung und Unterstüt- Doch entgegen verbreiteter Auffas- in etwa dem Anteil linksextremisti- zung guter Regierungsführung zu sung machen die religiös motivierten scher militanter Organisationen. Den engagieren, um so politischer Gewalt Anschläge und Attentäter nur eine größten Anteil an politischer Gewalt entgegen zu wirken.“ Minderheit aus. Der geographische haben mit 36 Prozent nach wie vor Zum Konfliktmanagement in Schwerpunkt von gewalttätigen Kon- nationalistische und separatistische Form von Deeskalation und Wieder- flikten und politischer Militanz liegt Bewegungen. aufbau müssen daher umfassende und zudem nicht im Nahen und Mittleren Während die Zahl der Konflikte nachhaltige Entwicklungsstrategien Osten, sondern in Asien. Dies sind ei- insgesamt weltweit gestiegen ist, hat treten. Sabine Donner, Projektleiterin nige der zentralen Ergebnisse einer das Ausmaß der Gewalt abgenommen. der Bertelsmann Stiftung, warnt vor weltweiten Studie der Bertelsmann Im Gegensatz zum gängigen Eindruck überzogenen Erwartungen an kurzfris- Stiftung über politische Gewalt und liegt der geographische Schwerpunkt tige Interventionen von außen: „Die Extremismus, die heute veröffentlicht dieser politischen Gewalt nicht im Umsetzung von externen Strategien wurde. Nahen und Mittleren Osten, sondern für Demokratisierung, Staatsaufbau Danach ist die Anzahl der Ter- im asiatischen Raum, der dreimal so- und Entwicklung braucht eine dau- roranschläge in den vergangenen viel politische Konflikte aufweist. 80 erhafte Perspektive und stößt zudem fünf Jahren von 700 auf 2.200 pro Prozent aller terroristischen Anschlä- schnell an ihre Grenzen, wenn die Jahr angestiegen und die Anzahl der ge entfallen auf eine Kerngruppe von lokalen Entscheidungsträger nicht dabei getöteten Menschen und Ver- Staaten: Russland mit Tschetschenien, bereit sind, Verantwortung für eine letzten von 4.000 auf 13.000. Dabei Kolumbien, Irak sowie die Länderdrei- stabile und demokratische Ordnung lässt sich aufzeigen, dass der religiös ecke Indien-Kaschmir-Pakistan und zu übernehmen.“ motivierte transnationale Terrorismus Thailand-Philippinen-Indonesien. Die Studie „Violence, Extremism zwar ansteigend ist, aber nicht das „Auch wenn unsere Bedrohungswahr- and Transformation“ ist im Rahmen Hauptmotiv von politischer Gewalt nehmung aufgrund der Anschläge in des Bertelsmann Transformation In- darstellt. So sind lediglich 26 Pro- New York, London und Madrid eine dex 2006 entstanden. Der BTI erhebt andere ist, so wird politische Gewalt alle zwei Jahre neue Daten und Be- im Regelfall dort ausgeübt, wo sie auf- richte zum Stand von Demokratie und Fortsetzung von S. 16 grund von sozialer Ungerechtigkeit Marktwirtschaft sowie zur Qualität der aus den Beständen der Bundeswehr und der Ausgrenzung von benachteilig- politischen Führung in 119 Ländern. zu entfernen. Das Militär solle die ten Gruppen auch entsteht“, so der In einer Zusatzbefragung ihrer welt- Munition nur einsetzen dürfen, wenn Autor der Studie, Professor Aurel weit über 250 Experten ermittelte die es keine Alternativen gebe. Ferner Croissant, Universität Heidelberg. Bertelsmann Stiftung zudem Informa- solle sich Berlin international dafür Die wesentlichen Ursachen für tionen zur Stärke nichtstaatlicher po- engagieren, das Völkerrecht um Re- politische Gewalt sind nach den Er- litischer Extremisten, ihres Einflusses, geln für den Einsatz von Streumu- gebnissen der Studie nicht religiöser ihrer Unterstützer und vor allem ihrer nition auszuweiten. Notwendig sei Fundamentalismus, sondern Armut, Gewaltbereitschaft. In die Ergebnisse ein umfassendes und nachprüfbares ethnische Spaltung, Staatsschwä- dieser Sonderstudie sind zusätzlich Verbot. che, Mängel des politischen Systems die Daten der Konfliktdatenbank FDP und Grüne kritisierten in und externe Intervention. „Unsere CONIS der Universität Heidelberg eigenen Anträgen das Festhalten an einseitige Aufmerksamkeit auf den sowie der RAND/MIPT Terrorism der Ein-Prozent-Blindgängerquote. islamistischen Terrorismus und den Knowledge Database eingeflossen. In Sie forderten ein generelles Verbot Mittleren Osten verstellt den Blick der Studie wird die Stärke und Mili- jeglicher Munition dieser Art. Außer- des Westens auf die eigentlichen Ur- tanz extremistischer Bewegungen im dem sollte die Bundeswehr sämtliche sachen der politischen Gewalt sowie internationalen Vergleich untersucht. Streumunition aus den Beständen geeignete Ansätze ihrer Bekämp- Ein Anhang von 23 Kurzberichten entfernen. Die Grünen riefen dazu auf, fung“, folgert Dr. Hauke Hartmann, stellt die Situation in den am meis- dem Beispiel Belgiens zu folgen und Projektleiter der Bertelsmann Stif- ten von politischer Gewalt betroffenen entsprechend einer Forderung des EU- tung. „Abschottungsszenarien und Ländern dar. Die Publikation ist im Parlaments ein vollständiges Verbot Kontrollmechanismen werden allein Verlag Bertelsmann Stiftung (ISBN 3- der Streumunition zu beschließen. keine umfassende Sicherheit bieten 89204-921-1) erschienen. (KNA) können. Vielmehr muss die westli- (Bertelsmann Stiftung) AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 17 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Zur Nuklearproblematik

VON LUDWIG JACOB

ie Krisen um die Nuklearprogramme Nordkoreas und des Irans sowie die Auseinandersetzungen um das indisch-ame- Der NVV ist de-facto und de-jure Drikanische Nuklearabkommen vom Sommer 2005 haben zu diskriminatorisch. Er schreibt fünf einem tiefen Pessimismus über die Aussichten des nuklearen Nicht- Kernwaffenstaaten auf Dauer fest, verbreitungsregimes geführt. Fraglos besteht ein enger Zusammen- sieht keinerlei Kontrollen in diesen hang zwischen internationaler Ordnung und der Aufrechterhaltung Staaten vor und baut in der Praxis des globalen Regimes der nuklearen Nichtverbreitung. Wie sehr ein Dreiklassensystem des Technolo- nukleare Ordnung und internationale Ordnung zusammenhängen giezugangs auf: Einer privilegierten erkennt man daran, dass ein Umkippen des Gewaltverbots, d.h. Gruppe von Staaten ist der Besitz von also des Verbots präventiver Gewaltanwendung, in der Charta der Kernwaffen auf Dauer erlaubt. Einer VN dann eintreten könnte, wenn es radikalen Vertretern des poli- zweiten Gruppe von (OECD) Indus- tischen Islam gelänge die Kontrolle über Kernwaffen oder andere triestaaten ist zwar der Zugriff auf Massenvernichtungswaffen (MVW) zu erhalten. Kernwaffen verwehrt, aber alle sen- sitiven Anreicherungstechnologien können genutzt oder innerhalb dieser I. Grundlage nuklearer Kontrolle: Gruppe exportiert werden. Einer drit- der Internationalen Atomenergie- ten Gruppe von Staaten ist sowohl der ichtverbreitungsvertrag (NVV) organisation IAEO), die auf alles Zugriff auf Kernwaffen als auch auf N(1968) mit seinen Bestimmun- Ausgangsmaterial und besondere bestimmte sensitive Technologien ver- gen: spaltbare Materialien, sowie alle wehrt, die als Ausdruck einer Kern- Nuklearaktivitäten angewandt waffenoption interpretiert werden. Verpflichtungen der werden (Artikel III). Auch in anderer Hinsicht war er Kernwaffenstaaten: ein klarer Fehlschlag: Die Nukle- • Weitergabe von Kernwaffen oder Gemeinschaftliche armächte haben ihre aus dem NVV Kernsprengkörpern an andere Verpflichtungen: stammenden Verpflichtungen nicht oder Hilfe bei der Beschaffung, • Weitergabe von besonderem spalt- erfüllt, die nuklearen Potentiale sind Übergabe der Verfügungsgewalt barem Material und entsprechen- nur begrenzt abgebaut worden und es ist verboten (Artikel I). den Ausrüstungen an andere, nur besteht auch auf absehbare Zeit kei- • Mögliche Vorteile aus »fried- wenn sie Sicherungsmaßnahmen ne Aussicht auf weitere Abrüstungs- lichen Kernsprengungen« sollen unterliegen (Artikel III). gespräche. Im Gegenteil, mit der seit den Vertragsparteien zugänglich • Erleichterung und Beförderung Mitte der 90er Jahre laufenden Mo- gemacht werden (Artikel V). der weltweiten zivilen Kernener- dernisierung wird den strategischen • Verhandlungen in redlicher Ab- gienutzung, insbesondere durch Veränderungen im internationalen sicht über Beendigung des nukle- internationalen wissenschaftlich- System Rechnung getragen und die aren Wettrüstens in naher Zukunft technologischen Austausch (Ar- nuklearen Optionen an die neuen Ri- und zur nuklearen Abrüstung, tikel IV und Präambel). siken angepasst, d.h. ihre operative sowie über einen Vertrag zur all- Zu den gemeinsamen Verpflich- Rolle in den strategischen Konzepten gemeinen und vollständigen Ab- tungen gehören auch die angestrebten wird gestärkt zu Lasten der strate- rüstung (explizit genannt werden Verhandlungen zur Abrüstung (Arti- gischen Abschreckungsfunktion. Kernwaffenteststopp, Einstellung kel VI), die aber von der Sache her Hinzukommt, dass die USA durch der Kernwaffenproduktion) sollen Vorleistungen der Kernwaffenstaaten das Abkommen mit Indien über zi- geführt werden (Artikel VI und erforderlich machen. vile nukleare Zusammenarbeit vom Präambel). 02.03.2006 mit dem in den Vereinig- Kommentar ten Staaten bislang gesetzlich ver- Verpflichtungen der Im Hinblick auf die Verhinde- ankerten Grundsatz brechen, dass Nicht-Kernwaffenstaaten: rung der raschen Zunahme der Zahl Staaten, die nach den Bestimmungen • Keine Annahme von Kernwaffen der Nuklearmächte war der Vertrag des NVV als Nichtkernwaffenstaa- oder Kernsprengkörpern oder ein Erfolg – nur 8-9 Staaten verfü- ten gelten, nur dann mit atomarem Verfügungsgewalt darüber, kei- gen über Nuk-Waffen – bei über 40 Brennstoff und Technologie beliefert ne Herstellung oder Produktion, Staaten, die Atomkraft nutzen. Den- werden dürfen, wenn sie die Siche- keine Unterstützung anderer oder noch bleiben doch einige gewichtige rungsmaßnahmen der Internationalen Annahme von fremder Unterstüt- Mängel des NPT zu konstatieren, die Atomenergieagentur (IAEA) für ihre zung (Artikel II). in ihrer Problematik im Zusammen- gesamten atomaren Aktivitäten („full- • Annahme von Sicherungsmaßnah- hang mit dem Iran-Konflikt deutlich scope safeguards“) akzeptieren. Darin men (gemeint sind die Safeguards werden: liegt eine deutliche Schwächung des 18 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZUR NUKLEARPROBLEMATIK

NVV-Regimes und der Kontrollfunk- Eine Lösung der vertraglichen Waffen überall in der Welt sind tion der IAEA. Probleme wäre dann möglich, wenn eine wirklich alarmierende Er- Mit diesem Präzedenzfall ver- der Sicherheitsrat eine Resolution scheinung, die sich, so scheint es, schärft sich die Gefahr eines nukle- beschließen würde, wonach bei be- in vollem Aufschwung befindet. aren Dammbruchs. stimmten, sensitiven Technologien Abrüstungsverhandlungen wären Der Leiter der IAEO, Mohammed Artikel II des NVV Vorrang vor Artikel nicht vollständig, wenn sie die El Baradei, mahnte die Atomwaffen- IV habe und dass Anreicherungs- und Tatsache unbeachtet ließen, dass staaten im November 2005 erneut, die Wiederaufarbeitungstechnologien nur 80 Prozent der Rüstungsausgaben Abrüstung der Atomwaffen rascher bei jenen Nichtkernwaffenstaaten zu- für konventionelle Waffen verwen- voranzubringen. lässig sind, die einen Bedarf schlüs- det werden. Der Handel mit ih- Die jüngste NVV-Überprüfungs- sig nachweisen können (dazu gehören nen scheint sich überdies in stei- konferenz von 2005 endete ohne Fort- z.B. eine Mindestzahl an Kraftwerken) gendem Maße zu entwickeln und schritt und ohne ein Abschlussdoku- und für die jeweils gesonderte Kon- sich vorwiegend auf die Entwick- ment, das auch nur ein bescheidenes trollregime durch den Sicherheitsrat lungsländer zu richten. Jeder Ent- Maß an Übereinstimmung demons- (oder den Gouverneursrat der IAEO) schluss, zu dem man sich durch- triert hätte. verabschiedet werden. ringt, und jeder Vorstoß, den man unternimmt, um Herstellung und Handel einzuschränken und einer II. Stellungnahme der Kath. Kirche immer wirksameren Kontrolle zu unterwerfen, ist ein bedeutsamer 1. Heiliger Stuhl: Beitrag zur Sache des Friedens. uszug aus der Botschaft an nus erinnern, das ich bereits frü- Ereignisse der jüngsten Zeit haben Adie 2. außerordentliche Abrüs- her zitiert habe: »Tötet den Krieg die Zerstörungskraft der konven- tungskonferenz der Vereinten Natio- durch Verhandlungen, aber tötet tionellen Waffen und die bekla- nen, verlesen von Kardinalstaatsse- nicht die Menschen durch das genswerten Verhältnisse bestätigt, kretär Agostino Casaroli vor der UN- Schwert!« zu denen sich die Staaten selbst Vollversammlung in New York am 14. Wiederum bekräftige ich heute verurteilen, die versucht sind, zur Juni 1982, vor Ihnen mein Vertrauen in die Regelung ihrer Differenzen zu die- Teil 3: Probleme realistisch und ehr- Kraft fairer Verhandlungen, um sen Waffen zu greifen. lich in Angriff nehmen zu gerechten und vernünftigen 10. Aber die Berücksichtigung der Lösungen zu kommen. Diese Ver- quantitativen Aspekte sowohl der „Tötet den Krieg durch handlungen verlangen Geduld atomaren wie der konventionellen Verhandlungen“ und Ausdauer und müssen vor Rüstung genügt nicht. Eine ganz 8. Unter den gegenwärtigen Bedin- allem auf einen gleichgewichtigen, besondere Aufmerksamkeit muss gungen kann eine auf dem Gleich- gleichzeitigen und international ihrer Vervollkommnung entge- gewicht beruhende Abschreckung kontrollierten Rüstungsabbau ab- gen gebracht werden, die mit – natürlich nicht als ein Ziel an zielen. Hilfe neuer, hochentwickelter Tech- sich, sondern als ein Abschnitt auf Genauer gesagt, die laufende Ent- niken vorangetrieben wird, denn dem Wog einer fortschreitenden wicklung scheint zu einer wach- eben das ist eine der wesentlichen Abrüstung – noch für moralisch senden gegenseitigen Abhängig- Dimensionen des Wettrüstens. Sie annehmbar gehalten werden. keit der Waffensysteme zu führen. nicht zu beachten, würde dazu ver- Um jedoch den Frieden sicherzu- Wie soll unter diesen Umständen leiten, sich Illusionen zu machen stellen, ist es unerlässlich, dass ein gleichmäßiger Abbau erwogen und den Menschen, die sich nach man sich nicht mit einem Mini- werden, wenn die Verhandlungen Frieden sehnen, nur trügerischen mum zufrieden gibt, das immer nicht alle Waffengattungen ein- Schein zu bieten. von einer wirklichen Explosions- schließen? In dieser Hinsicht gefahr belastet ist. könnte die Weiterführung der Stu- Kommentar Was ist also zu tun? Mangels ei- die zu einem »Gesamtabrüstungs- Der Hinweis auf die qualitativen ner übernationalen Autorität, wie programm«, das Ihre Organisa- Veränderungen der „Nuclear-Posture“ sie bereits von Papst Johannes tion bereits in Angriff genommen treffen die heutige Entwicklung: seit XXII. in seiner Enzyklika Pacem hat, die notwendige Koordinie- 2001 findet ein deutliches Wettrüsten in terris gewünscht worden war rung der verschiedenen Formen zwischen den Nuklearmächten statt. und die man in der Organisation erleichtern und den Ergebnissen Das betrifft sowohl offensive Sys- der Vereinten Nationen zu finden mehr Wahrheit, Gerechtigkeit und teme, wie auch defensive Systeme. gehofft hatte, bleibt die einzige Wirksamkeit verleihen. Im Hinblick auf das Erfordernis realistische Lösung angesichts 9. In der Tat, die Kernwaffen sind einer „Not-Ethik“ hat sich gegen- der Kriegsdrohung immer noch nicht die einzigen Mittel für Krieg über 1983 daher strategisch nichts die Verhandlung. Hier möchte ich und Vernichtung. Die Herstellung qualitativ geändert. Im Gegenteil, Sie an ein Wort des hl. Augusti- und der Verkauf konventioneller der Einsatz von MVW gegen westli-

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 19 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

che Staaten – vor allem durch terro- dert. Papst Johannes Paul II. setzt die gehalten werden.“ ... ristische Organisationen – aber auch Appelle seines Vorgängers fort und be- 2.2 Bischofswort „Gerechter von westlichen Systemen gegen sog. gründet seine Forderungen nach Frie- Friede“ (Sept 2000) „Rouge States“ ist wahrscheinlicher den vor allem vom Recht und von der Einleitung: geworden. Dabei kommt den „failing“ Würde des Menschen her. Die Worte (2) Als wir „Gerechtigkeit schafft oder „failed states“ eine besondere gegen die Rüstung mit Waffen, die Frieden“ verfassten, konzentrierte Bedeutung zu, da sie als Basis für Ter- Tod und Vernichtung bringen, Furcht sich die gesellschaftliche Auseinan- rororganisationen dienen können. hervorrufen und wirtschaftliche Mittel dersetzung auf die Frage der nukle- in falsche Kanäle leiten, werden im- aren Abschreckung. ... mer schärfer. Besonders eindringlich Sie drehte sich im Kern um das 2. Deutsche Bischofs- hat Johannes Paul II. in seinen An- Problem, ob die Drohung mit dem konferenz sprachen vor der UNO-Vollversamm- Einsatz von Atomwaffen und die 2.1 Wort der deutschen Bischöfe lung am 02.10.1979 und vor dem entsprechenden militärischen Pla- von 1983: „Gerechtigkeit Friedensdenkmal in Hiroshima am nungen als Element einer Politik der schafft Frieden“, Nr. 3.5.2. 25.02.1981 sowie in seiner Botschaft Kriegsverhütung ethisch verantwortet Der Besitz von Kernwaffen wird an die Zweite Sondergeneralver- werden könnten oder nicht. Die lehr- vom Konzil nicht verurteilt, die sitt- sammlung der Vereinten Nationen amtlichen Äußerungen innerhalb liche Beurteilung der Abschreckung für Abrüstung vom 14.06.1982 an der katholischen Kirche gaben auf mit Kernwaffen wird offen gelassen. die Stunde der äußersten Gefahr und diese schwierige, das Gewissen vie- Die entscheidende Aussage lautet: an die Notwendigkeit eines radikalen ler Menschen außerordentlich belas- „Viele halten dies (gemeint: die Ab- Umdenkens gemahnt. tende Frage durchaus unterschiedlich schreckung möglicher Gegner mit nuancierte Antworten. Sie stimmten Kernwaffen) heute für das wirksams- Nr. 4.3.2 Kriegsverhütung aber in der Überzeugung überein, te Mittel, einen gewissen Frieden zwi- Nukleare Abschreckung ist auf dass die Strategie der nuklearen schen den Völkern zu sichern. – Wie Dauer kein verlässliches Instrument Abschreckung nur befristet und immer man auch zu dieser Methode der Kriegsverhütung. verbunden mit der Pflicht, „mit der Abschreckung stehen mag, die ... Diese sittliche Tolerierung der aller Anstrengung nach Alterna- Menschen sollten überzeugt sein, dass Abschreckung, sofern auf sie zur Auf- tiven zur Androhung von Massen- der Rüstungswettlauf, zu dem nicht rechterhaltung der Sicherheit auf dem vernichtung zu suchen“ (GsF 4.3.2), wenige ihre Zuflucht nehmen, kein si- mühsamen Weg zur Abrüstung nicht ethisch toleriert werden könne. cherer Weg ist, den Frieden zu sichern, sofort und ersatzlos verzichtet werden Diese Bewertung hat nichts von ihrer und dass das daraus sich ergebende kann, ist an strengste Bedingungen Gültigkeit verloren, denn nach wie sogenannte Gleichgewicht kein siche- geknüpft: vor verfügen die Großmächte über rer und wirklicher Friede ist“ (GS 81). Der erste und entscheidende umfangreiche Atomwaffenarsenale. Der politischen Wirklichkeit wird in- Gesichtspunkt ist das Ziel, das mit sofern Rechnung getragen, als eine dieser Strategie verfolgt wird: die II 7 Bedeutung und Grenzen solche Bewaffnung vorübergehend Kriegsverhütung ... militärischer Mittel toleriert werden kann, vorausgesetzt, Der zweite Gesichtspunkt zur II 7.1 Abrüstung und Rüstungs- wir nutzen „die Frist, die uns noch Bewertung der Abschreckung bezieht kontrolle von oben gewährt wurde, ... um mit sich deshalb auf die Mittel, d.h. die (132) Wir mahnen deshalb folgende geschärftem Verantwortungsbewusst- vorgesehenen konventionellen und Gesichtspunkte an: sein Methoden zu finden, unsere Mei- nuklearen Waffen sowie die entspre- – Umfang, Ausrüstung und Organi- nungsverschiedenheiten auf eine Art chende Einsatzplanung ... sation der Streitkräfte sind daran und Weise zu lösen, die des Menschen Eine von dieser politischen auszurichten, was für die Aufga- würdiger ist“ (GS 81). Es handelt Ziel setzung losgelöste Beurteilung ben der Landes- und Bündnisver- sich weniger um einen fixierten nuklearer Strategien und nuklearer teidigung, aber auch für ein ange- Standort als um eine Notstandsethik Rüstungsmittel müsste zwangsläufig messenes Engagement im Rahmen auf dem Weg vom Krieg weg und hin zu einer radikalen Verurteilung füh- internationaler Krisenbewältigung zu mehr Frieden. Im Übrigen werden ren. ausreicht. Mehr ist immer von vom Konzil alle Forderungen der Papst Johannes Paul II. an die Übel, auch ein gewohnheitsmä- Päpste im Blick auf die Schaffung Zweite Sondergeneralversammlung ßiges Beharren auf der Unterhal- einer Weltautorität und auf eine Re- der Verein ten Nationen für Abrüs- tung mächtiger Militärapparate duzierung von Ursachen des Krieges, tung 1982: ,,Unter den gegenwär- als Attribut nationaler Souverä- z.B. durch Ungerechtigkeiten, erneut tigen Bedin gungen kann eine auf dem nität. ... verstärkt (vgl. GS 82). Gleichgewicht beruhende Abschre- – Die Verpflichtungen, die sich Papst Paul VI. hat leidenschaft- ckung – natürlich nicht als ein Ziel für alle Signatarstaaten aus dem lich eine Beendigung des Rüstungs- an sich, sondern als ein Abschnitt auf Nichtverbreitungsvertrag für wettlaufs und eine völlige Beseitigung dem Weg einer fortschreitenden Abrüs- Kernwaffen ergeben, müssen strikt der Massenvernichtungswaffen gefor- tung – noch für moralisch annehmbar erfüllt werden. Vor allem sind waf-

20 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZUR NUKLEARPROBLEMATIK

fenfähiges Nuklearmaterial und – die unnötige Grausamkeiten und mili tärisch nutzbare Nukleartech- Leiden verursachen und nologien stren gen internationalen – die unbeteiligte und neutrale Kontrollen zu unterwerfen. ... Staaten in Mitleidenschaft zie- hen. Das ist bei einem Einsatz von III. Internationaler Gerichtshof in Den Haag Nuklearwaffen nicht zu gewährleisten, rage nach der Zulässigkeit weise – rechtmäßig oder rechtswidrig das gilt gleichermaßen für biologische Fder Androhung und des Ein- wäre. (...) und chemische Massenvernichtungs- satzes von Nuk-Waffen: waffen. „It follows from above mentioned Bemerkung: Nicht geklärt durch den IGH: requirements that the threat or use of Geklärt: Es gibt weder im Völ- Ausnahmeregelung, ob in „einer ex- nuclear weapons would generally be kergewohnheitsrecht noch im Völ- tremen Selbstverteidigungssituation, contrary to the rules of international kervertragsrecht eine spezifische Er- in der die Existenz des/eines Staates law applicable in armoured conflict, mächtigung zur Androhung oder zum auf dem Spiel stünde“, Androhung and in particular the principles and Einsatz von Atomwaffen. und Einsatz möglich wären. rules of humanitarian law.“1 Es gibt jedoch auch weder im Rechtliche Verbindlichkeit des Abstimmungsergebnis: 7 zu 7 Völkergewohnheitsrecht noch im Völ- IGH-Richterspruchs: (mit Präsidentenmehrheit), jedoch 3 kervertragsrecht eine umfassende und Die deutsche Bundesregierung hatte weitere Richter (Sri Lanka, Guayana, weltweit geltende Rechtsnorm, die in ihrer Stellungnahme gegenüber Sierra Leone) votierten nur deshalb ausdrücklich die Androhung oder den dem Deutschen Bundestag wiederholt gegen diese Formulierung, weil sie Einsatz von Atomwaffen verbietet. die Auffassung vertreten: „Rechtsgut- die Regelung verschärft haben woll- Das Völkergewohnheitsrecht ver- achten des Internationalen Gerichts- ten. Daher Ergebnis eigentlich 10 bietet im humanitären Kriegsvölker- hofs sind weder nach der UN-Charta zu 4 gegen die Androhung nuklearer recht zwingend die Verwendung von und dem IGH-Statut noch nach allge- Mittel. Waffen, meinem Völkerrecht rechtlich verbind- Einstimmige Feststellung der – die nicht unterscheiden zwischen lich.“2 .Sie sind „advisory opinion“. Rich ter, dass Nuk-Staaten gem. Art. kämpfender Truppe (Kombattan- VI des NVV verpflichtet sind, ernst- ten) und der Zivilbevölkerung, 2 Bundestags-Drucksache 13/5906 haft mit dem Ziel „Null“ zu verhan- deln. Der Besitz von Nuklearwaffen ist völkerrechtlich nicht verboten, IV. NATO die Haager Richter ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass auch 1. Die geltende Nato-Nuklear- Mitglieder zu stationieren, noch für Nuklearwaffen das Völkerge- doktrin sehen sie die Notwendigkeit, das wohnheitsrecht, das humanitäre 1.1 Auf der Tagung des Nato-Rates Nato-Nukleardispositiv oder die Völ kerrecht sowie spezifische, an- 1996 in Brüssel ist mit Zustim- Nuklearpolitik in irgendeinem deren Waffen gewidmete Rechtsnor- mung des deutschen Verteidigungs- Punkt zu verändern - und sehen men gelten. Sie erklärten, in diesem ministers beschlossen worden: wir dazu auch in Zukunft keine Sinne seien gleich mehrere interna- „Wir bekräftigen, dass die nukle- Notwendigkeit.“3 tionale Verträge relevant – die Gen- aren Kräfte der Bündnispartner Die Bundesregierung erklärte in fer Konventionen etwa, die alle Arten weiterhin eine einzigartige und einer 1996 veröffentlichten Ant- der Kriegführung verbieten, die nicht essentielle Rolle in der Allianz- wort auf eine parlamentarische zwischen militärischen Zielen, kämp- strategie der Kriegsverhinderung Anfrage im Deutschen Bundestag: fender Truppe und der Zivilbevölke- spielen. Von neuen Mitgliedern, „Die Bundesregierung sieht sich ... rung unterscheiden – radioaktiver die in jeder Beziehung Vollmit- in ihrer Auffassung bestärkt, dass Staub richte sich nicht nach Unifor- glieder der Allianz sein werden, bei Androhung des Einsatzes oder men und kenne keine Ländergrenzen. wird erwartet, dass sie das Kon- Einsatz von Nuklearwaffen Art. 2 Der Gerichtshof sah sich (in seiner zept der Abschreckung sowie die Abs. 4, und Art. 51 der UN-Charta „Präsidentenmehrheit“) zwar nicht essentielle Rolle unterstützen, die – die Regeln der Verhältnismäßig- abschließend in der Lage, positiv die Nuklearwaffen in der Allianz- keit sowie die auf alle Waffen an- oder negativ definitiv festzustellen, ob strategie spielen. Die Erweiterung wendbaren Regeln des Humani- der Einsatz oder die Androhung des der Allianz wird keine Änderung tären Völkerrechts – zu beachten Einsatzes von Atomwaffen in einer für im gegenwärtigen Nukleardispo- sind ... (und) dass die Staatenpra- einen Staat existenzgefährdenden ex- sitiv der Nato erforderlich machen, xis noch nicht zu einem generellen tremen Notwehrsituation – ausnahms- und daher haben die Nato-Länder Verbot von Nuklearwaffen gelangt 1 Ziff. 105, Abschn. E, 1. Absatz des nicht die Absicht, keine Pläne und 3 in: Bulletin des Presse- und Informtions- Rechtsgutachten gem. Art. 96 UN-Char- auch keinen Anlass, nukleare Waf- amtes der Bundesregierung Nr. 105; ta vom 08.06.1996 fen auf dem Hoheitsgebiet neuer vom 20.12.1996, S. 1136.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 21 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

... (Der) Besitz von Nuklearwaffen In Deutschland sind in Büchel derung von Zwang und jeder Art durch die Kernwaffenstaaten und (20) und Ramstein (130 – möglicher- von Krieg. Nukleare Streitkräfte die zugrundeliegende Abschre- weise bereits abgezogen) nukleare werden weiterhin eine wesent- ckungsstrategie (sind) nicht als Bomben B-61 stationiert. Sie dienen liche Rolle spielen,..... völkerrechtswidrig zu betrachten. politisch dem Erhalt der nuklearen 63. Ein glaubwürdiges nukleares Die geltende Verteidigungsstrate- Teilhabe, haben aber operativ keine Streitkräftedispositiv des Bünd- gie des Nordatlantischen Bünd- Aufgabe mehr. nisses und die Demonstration von nisses bleibt daher ... mit dem Das Schlusskommuniqué des Bündnissolidarität ... erfordern Völkerrecht vereinbar.“4 Schließ- Minis tertreffens der Verteidigungs- auch in Zukunft breite Teilhabe lich beharrte deshalb die alte planungsgruppe und der Nuklearen der in die kollektive Verteidi- deutsche Bundesregierung auch Planungsgruppe in Brüssel hat am gungsplanung involvierter europä- auf der Notwendigkeit der Option 12.06.2003 den Status der nuklearen ischer Bündnispartner an nukle- eines nuklearen Ersteinsatzes. ... Kräfte der NATO und das Strategie- aren Aufgaben, der Stationierung 1.2 Die nach der Bundestagswahl Konzept der Allianz bekräftigt. Her- von Nuklearstreitkräften...... vom 27. September 1998 gebil- vorgehoben worden ist die große Be- 64. ... die NATO (wird) in Europa sta- dete neue Regierungskoalition deutung der in Europa stationierten tionierte substrategische Nukle- hat in ihrem Koalitionsvertrag nuklearen Kräfte.6 Der Nordatlanti- arstreitkräfte auf dem niedrigsten, vom 20. Oktober 1998 vereinbart: krat hat im Dezember 2003 „die in mit der jeweils herrschenden Si- „Die neue Bundesregierung hält Europa stationierten und der NATO cherheitslage zu vereinbarenden an dem Ziel der vollständigen zur Verfügung stehenden Nuklear- Niveau beibehalten, die ein ... Abschaffung aller Massenvernich- streitkräfte“ als essentiell bezeich- Bindeglied zu den strategischen tungswaffen fest und wird sich in net. Nuklearstreitkräften darstellen Zusammenarbeit mit den Partnern und Verbündeten Deutschlands an 2. NATO-Strategie MC 400/2 2.3 Kommentar General Initiativen zur Umsetzung dieses von 1999 Naumann: Ziels beteiligen.“5 2.1 Nukleare Elemente „In der gegebenen sicherheitspo- 1.3 In Übereinstimmung mit der 22. Die Verbreitung von ABC-Waffen litischen Lage – hier erwähne ich deutschen Position hat der da- und ihrer Trägermittel gibt wei- insbesondere die nuklearen, bio- malige Bundesaußenminister ter Anlass zu großer Sorge. Das logischen und chemischen Waffen Joschka Fischer für die Abstim- Bündnis weiß,... dass dies eine und ihre Verbreitung samt ihrer mung in der UN-Vollversamm- direkte militärische Bedrohung Trägersysteme – halte ich einen lung über die u.a. von Brasilien, der Bevölkerung, Hoheitsgebiete Verzicht auf Nuklearwaffen zur Irland, Ä gyp ten, Schweden und und Streitkräfte des Bündnisses Ab schreckung und Kriegsverhin- Mexiko eingebrachte Resolution darstellen kann. derung nicht für möglich.“ L. 48 („Towards a Nuclear Weapon 46. ... das Bündnis (wird) für die vor- „Die Frage eines Erstschlags Free World: The Need For A New hersehbare Zukunft eine geeig- stellt sich für die Allianz grund- Agenda“) in letzter Minute dem nete Zusammensetzung nuklearer sätzlich nicht. Denn ihr Cha- deutschen Vertreter die Weisung und konventioneller Streitkräfte rakter ist rein defensiv. Die Nato erteilt, sich der Stimme zu enthal- beibehalten, die in Europa statio- würde niemals Waffen außer zur ten. Andere Nato-Staaten wie Ka- niert sind und auf dem gebotenen Selbstverteidigung einsetzen. Sie nada waren da mutiger und wären Stand gehalten werden, wo dies sieht sich auch nicht als Gegner zu einem „Ja“ in der UN bereit- erforderlich ist, wenngleich auf irgendeines Staats. Die nukleare gewesen, wenn die deutsche Bun- dem geringstmöglichen ausrei- Option betrachtet die Allianz als desregierung „mitgezogen“ hätte. chenden Niveau ... das schon erwähnte allerletzte Immerhin: Die UN-Resolution Einzig Nuklearwaffen machen Mittel zur Kriegsverhinderung und fand – gegen die Nein-Stimmen die Risiken jeglicher Aggression Beendigung einer Krise im Sinne u. a. der Atomwaffenmächte unkalkulierbar und unannehmbar. der Abschreckung.“ Großbritannien, Frankreich, USA, Sie sind daher nach wie vor von Russland sowie anderer Staaten entscheidender Bedeutung für Kommentar: – eine große Zustimmung in der die Wahrung des Friedens. Eine Erstschlagsstrategie hat es UN-Vollversammlung. in der NATO nicht gegeben, wohl je- 2.2 Merkmale nuklearer doch die Option eines Ersteinsatzes. Kommentar: Streitkräfte Diese Option ist heute noch gültig. Die grundlegende Position der 62. Der grundlegende Zweck der nu- Die Nuklearstrategie des Bündnisses jetzigen Bundesregierung hat sich klearen Streitkräfte der Bündnis- hat sich seit der „FLEXIBLE RESPONSE“ gegenüber der vorherigen nicht ge- partner ist politischer Art: Wah- nur materiell jedoch nicht konzeptio- ändert. rung des Friedens und Verhin- nell geändert. 4 Bundestags-Drucksache 13/5906. 6 s.a.: http://www.nato.int/docu/pr/2003/ Die NATO beschränkt ihre Nu- 5 Kapitel XI, Ziff. 6, Absatz 2. p03-064e.htm klearstrategie nicht auf Fälle extre-

22 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZUR NUKLEARPROBLEMATIK

mer Notwehrsituationen, in denen etwaigen Atomwaffeneinsatzes. Aus nischen Lebensdauer. Theoretisch das reine Überleben eines Staates auf beiden Gründen verstößt die Nuklear- wäre sogar eine Modernisierung der dem Spiel steht. Zudem gewährleis- strategie der NATO gegen zwingendes Waffen möglich. tet die NATO nicht die Einhaltung Völkerrecht. Ein neuer Entwurf der Zu der Weiterentwicklung der der vom IGH bestätigten völker- Strategie erscheint daher zwingend Nukleardoktrin der USA ist Deutsch- rechtlichen Einschränkungen eines erforderlich. land nicht gehört worden. Im Rahmen einer künftigen Wei- terentwicklung des Strategischen V. Bundesrepublik Deutschland Konzepts der Allianz soll auch die künftige Rolle von Nuklearwaffen in rundlagen deutscher Sicher- Nuklearstreitkräften auf deutschem Konsultationen in den dafür zuständi- Gheitspolitik gemäß Boden, die Beteiligung an Konsul- gen Gremien überprüft werden. Weißbuch 2006 tationen, Planung sowie die Bereit- Eine Aktion europäischer Par- (...) „Die Weiterverbreitung von stellung von Trägermitteln, einschl. lamentarier fordert den Abzug aller Massenvernichtungswaffen und ihrer der In-Übunghaltung. Im nächsten 480 noch auf europäischem Boden Trägermittel (Proliferation) entwickelt Jahrzehnt veralten große Teile des stationierten US-Atomwaffen. Dieser sich zunehmend zu einer potenziellen nuklearen Arsenals der NATO. Trä- Forderung neigt die französische Ver- Bedrohung auch für Deutschland. gerflugzeuge wie der Tornado und die teidigungsministerin Michele Alliot- Staatliche und nichtstaatliche Akteu re F-16 erreichen das Ende ihrer tech- Marie zu. versuchen, sich Hochtechnologie güter zu kriminellen Zwecken zu be schaffen. Darüber hinaus strebt eine Anzahl von VI. USA Ländern den Besitz von Massenvernich- tungswaffen und weitreichenden ational Security Presidential Einschluss nuklearer Waffen. In dem Trägersystemen an. Glaubhafte Ab- Directive 17 (NSPD 17) N „NUCLEAR POSTURE REVIEW“ (NPR) schreckung, ergänzt durch defensive „USA behält sich das Recht vor, von 2002 werden konventionelle und Abwehrmaßnahmen, ... mit überwältigender Macht, einschl. nukleare Streitkräfte konzeptionell des möglichen Einsatzes von Nuk- integriert (“Integrating conventional „Deutsche Sicherheitspolitik im Waffen, auf den Einsatz von MVW... and nuclear attacks will ensure the internationalen Rahmen.“ zu reagieren.“7 most efficient use of force..”) und ein „... Für die überschaubare Zu kunft umfassendes Spektrum militärischer wird eine glaubhafte Abschreckungs- Waffen des letzten Auswegs Optionen geplant: „U.S. strategic („last resort“) fähigkeit des Bündnisses neben kon- forces need to provide the President Insbesondere nach dem 11. Sep- ventioneller weiterhin auch nuklearer with a range of options to defeat any tember 2001 wurden die „Schur- Mittel bedürfen. aggressor - nuclear weapons will con- kenstaaten“ und der internationale „... Bündnissolidarität und fairer tinue to play a vital role”. Nach ei- Terrorismus zu einer gesamtheitli- Last enteilung erfordern es, dass ner Entscheidung des US-Senats von chen Bedrohung durch mögliche Deutschland bei der nuklearen Teil- 2003 scheint die Zeit inzwischen reif ABC-Waffen fusioniert. Die NATIONAL habe einen seiner Rolle im Bündnis zu sein, eine neue Generation takti- SECURITY STRATEGY (NSS) 2002 und und der im Strategischen Konzept von scher Kernwaffen – der “low yield 2006 formulieren die grundlegenden 1999 verein barten Grundsätze ent- mini-nukes” mit einer Explosions- Ziele der amerikanischen Außen- und sprechenden Beitrag leistet. [Subs- kraft von 0,1 KT zu entwickeln, die Sicherheitspolitik sowie die Mittel zu trategische Nuklearwaffen] „werden den Zerstörungsherd eng begrenzt ihrer Umsetzung), sie sind in Inhalt auf einem Mindestniveau gehalten, halten könnten. Der Kongress hat bis- und Stil stark militärisch und offen- das zur Wahrung von Frieden und her einer Entwicklung solcher Waffen siv geprägt.. Kernpunkt ist das Be- Stabilität ausreicht.“ nicht zugestimmt. „Ein enges und vertrauensvolles kenntnis der USA, ihre „beispiellose militärische Stärke sowie ihren gro- Verhältnis zu den USA ist für die „CONPLAN 8022“ ßen wirtschaftlichen und politischen Sicherheit Deutschlands im 21. Jh. Zur Vorbereitung von Einsätzen Einfluss“ zu nutzen, um ein „Mächte- von überragender Bedeutung.“ ... von Nuklearwaffen ist das US-Strate- gleichgewicht zu schaffen“, das sich „Deutschland strebt weiterhin nach gic Command (USSTRATCOM) in der zugunsten der Freiheit neigt. Zur Kompatibilität und Interoperabilität Offutt Air Force Base in Nebraska mit Durchsetzung dieser Ziele verfolgt seiner Streitkräfte mit denen der Ver- neuen Vollmachten ausgestattet wor- die Strategie einen Ansatz, bestehend einigten Staaten ebenso wie mit denen den, um die Rolle eines „globalen u.a. aus: der aktiven Bekämpfung von seiner anderen Bündnispartner.“ Integrators“ zu übernehmen, der für Terroristen und Schurkenstaaten, da- Operationen im Weltraum, Nachrich- bei wird der „präemptive Einsatzes Kommentar: ten-Operationen, integrierte Raketen- militärischer Mittel“ betont – unter Zur nuklearen Teilhabe gehören abwehr, für die Geheimdienste, die die Stationierung von verbündeten 7 Präs. Bush v. 14. Sept. 2002. Überwachung und Aufklärung sowie

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 23 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

den globalen Angriff und die strategi- preisträger, haben einen Appell ge- So heißt es in dem Doktrin-Ent- sche Abschreckung zuständig ist. Um startet. wurf: „Für eine größtmögliche Ab- diesen Auftrag abzusichern, entstand Fast 90 Parlamentarier aus Euro- schreckung gegen den Gebrauch gleichzeitig eine neue Führungstel- pa haben wegen der neuen amerika- von Massenvernichtungswaffen ist le: die Joint Functional Component nischen Nukleardoktrin einen Abzug es unerlässlich, die US-Truppen auf Command Space and Global Strike aller US-Atomwaffen aus ihren Län- den Gebrauch von Atomwaffen wir- (JFCCSGS/Kommandostelle für die dern gefordert. kungsvoll vorzubereiten und dass die vereinigten Komponenten Weltraum Eine solche auch präemptiv (mög- US-Truppen zum Einsatz von Atom- und weltweiter Angriff). The new licherweise sogar präventiv) zu nut- waffen entschlossen sind, falls dies zur Space and Global Strike command zende Einsatzdoktrin könnte es Nicht- Vorbeugung oder zur Vergeltung eines is tasked with implementing the new kernwaffenstaaten sinnvoll erscheinen Einsatzes von Massenvernichtungswaf- Global Strike mission assigned to lassen, sich selbst nukleare Waffen zur fen notwendig ist.“ STRATCOM in January 2003: Abschreckung zu beschaffen. Die Doktrin stünde damit in Zusammengefasst: JFCCSGS Indem Nuklearwaffen in die Pla- klarem Widerspruch zu den Initiati- hat die Aufgabe, die Auslösung ei- nung konkreter militärischer Opera- ven der USA, zur Verhinderung der nes nuklearen Angriffs im Sinne der tionen auf einem niedrigeren Niveau Proliferation von Massenvernich- erwähnten Nuclear Posture Review integriert werden, würde die Schwelle tungswaffen, wie z.B. der „Prolife- (NPR) zu überwachen, die einen zur Anwendung atomarer Waffen her- ration Security Initiative“. Ebenso Einsatz nuklearer Gefechtsköpfe abgesetzt. Nukleare Waffen erhielten werden die Anstrengungen UN durch nicht nur gegen „Schurkenstaaten“, so eine neue Qualität als direkt auf multilaterale Verhandlungen und die sondern notfalls auch gegen andere dem Gefechtsfeld einsetzbare Waffen. Arbeit der IAEA damit unterlaufen. Nuklearmächte vorsieht. Es gibt un- terschiedliche Szenarien, unter de- nen es gerechtfertigt sein könne, die VII. Frankreich Erlaubnis vom Präsidenten für den Einsatz dieser Waffen einzuholen. uch Frankreich und Groß- setzung unserer Präventionsstrategie Bereits im November 2005 hatte das Abritannien haben ihre Nukle- einfügt. Sie ist deren letztes Mittel. ... US Strategic Command eine Übung arplanung im Sinne der amerika- Angesichts der Sorgen der Gegenwart für einen „Global Lightening“ ge- nischen Überlegungen umgestellt. und der Unsicherheiten der Zukunft nannten Operationsplan abgehalten, Präsident Jacques Chirac bleibt die nukleare Abschreckung die bei der Angriffe mit konventionellen am 19.01.2006: „Eine solche Vertei- grundlegende Garantie für unsere Si- und atomaren Waffen gegen einen digungspolitik beruht auf der Gewiss- cherheit. Sie gibt uns die Macht, egal „fiktiven Feind“ simuliert wurden. heit, dass unsere lebensnotwendi gen wo die Bedrohungen herkommen, Danach gab das US-Oberkomman- Interessen garantiert werden. Diese Herrscher über unser Handeln, unsere do einen „fortgeschrittenen Bereit- Rolle wird der nuklearen Abschreckung Politik, über die Bewahrung unserer schaftszustand“ bekannt. zugedacht, die sich in die direkte Fort- demokratischen Werte zu sein“ Die operative Umsetzung einer solchen Planung trägt den Code-Na- men Concept Plan („Conplan“) 8022 VIII. Bedrohung – das Planungstableau für strategische Szenarien, die Kernwaffen einbezie- n Erklärungen der internationalen wartenden Panik und Lähmung der hen. Dabei gibt es eine aufschluss- IGemeinschaft wird spätestens seit Metropole rechnet man mit direkten reiche Besonderheit: Bei „Conplan den Anschlägen vom 11. September Kosten in Höhe von einer Billion Dol- 8022“ ist der Einsatz von Bodentrup- 2001 immer wieder darauf verwie- lar. Weitere ökonomische und gesell- pen nicht vorgesehen. sen, dass in Zukunft auch Terroristen, schaftliche Folgen wären unabsehbar. d.h. Einzelpersonen, Massenver- Der Grund für die gestiegene Gefahr Kommentar: nichtungswaffen einsetzen könnten. liegt im Erbe des Kalten Krieges und Seine politische Brisanz gewinnt Insbesondere die Zündung eines des Atomzeitalters, in dem weltweit in das Papier im Kontext der gescheiter- „primitiven nuklearen Sprengsatzes“ Nuklearenergie investiert und enorme ten Überprüfungskonferenz des Nicht- durch „substaatliche Akteure“ wird Mengen an Nuklearmaterial (Spreng- verbreitungsvertrages. Der uni la te rale in Betracht gezogen. Eine Studie der köpfe, Reaktoren, Atommüll, Pluto- Kurs in der US-Sicherheitspolitik Harvard-Universität kommt zu dem ni umlager etc.) angehäuft wurden. schwächt die dringend notwendige Schluss, dass die Explosion einer „Quellen für radioaktives Material gibt multilaterale Rüstungskontrolle und einfachen 10-KT-Bombe in Manhat- es überall auf der Welt“, sagt der Ge- Abrüstung. Unmittelbar nach Bekannt- tan eine halbe Million Menschen tö- neraldirektor der IAEO, Mohamed El werden der US-Doktrin formierte sich ten könnte.8 Abgesehen von der zu er- Baradei. Annähernd 20.000 demon- Widerstand unter Wissenschaftlern tierte taktische Nuklearsprengköpfe 8 (M. Bunn, A. Wier, J.P. Holdren: Control- in den USA und in anderen Ländern. ling Nuclear Warheads and Materials. A sioned by the Nuclear Threat Initiative, Physiker, darunter zahlreiche Nobel- Report Card and Action Plan, commis- März 2003, S. 15.

24 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZUR NUKLEARPROBLEMATIK lagern immer noch in Russland. Hinzu materials in den Nachfolgestaaten der und keinesfalls mit militärischen Mit- kommen Depots mit schätzungsweise Sowjetunion rufen Besorgnis hervor. teln allein“, meint Jeffrey Sachs, Di- 1.000 Tonnen hochangereichertem Wie russische Behörden meldeten, rektor des Earth Institute an der New Uran – genug für 20.000 Atombom- kam es in den vergangenen Jahren Yorker Columbia University. ben – sowie 160 Tonnen waffenfähiges zu mehreren Fällen, in denen terro- Nukleare Mittel sind heute mehr Plutonium. ristische Gruppen Nuklearanlagen denn je ungeeignet, um in den pre- Somit hängen nukleare Sicher- und -transporte ausspähten, mehr als kären und differenzierten Sicherheits- heit, Abrüstung, Rüstungskontrolle 500 Mal wurde versucht, radioak- beziehungen zwischen und innerhalb und Nuklearterrorismus unmittelbar tives Material illegal aus dem Land der Staaten seine Vorstellungen zusammen. Noch heute gibt es zu zu schaffen. Auch aus dem Reaktor durchsetzen zu können. Sie bringen viele ungesicherte Lagerstätten, Nu- Tschernobyl wurden zum Teil kilo- klearanlagen und Mülldeponien, die schwere Brennstäbe gestohlen. für die hochentwickelten westlichen Ziel von terroristischen Anschlägen Wie wahrscheinlich sind nukle- Industrienationen mit ihren offenen werden könnten, sei es, dass sie di- arterroristische Anschläge wirklich? Gesellschaften und weltweiten Roh- rekt angegriffen werden, sei es, dass Für UN-Generalsekretär Kofi Annan stoffabhängigkeiten kein Mehr an waffenfähiges Material entwendet sind sie alles andere als Science Fic- Sicherheit, weil ihre Abschreckungs- wird. Dies gilt nicht nur für die klas- tion, und die Indizien verdichten sich, wirkung heute auf vielfältige Weise sischen Nuklearmächte, sondern auch dass es früher oder später tatsächlich unterlaufen werden kann. für Schwellenstaaten wie Pakistan, wo dazu kommen wird. Der Internationale Gerichtshof die Sicherheit von nuklearwaffenfä- Ein neues Konzept der nuklearen hat in seinem Richterspruch vom higem Material besorgniserregend ist. Abschreckung (beispielsweise gegen 08.07.1996 einstimmig festgestellt: Vor allem die ungenügende Sicherheit „mögliche Proliferateure“) erscheint „Es besteht eine völkerrechtliche Ver- der Atomkraftwerke und des Nuklear- nicht mehr ausgeschlossen zu sein. pflichtung, in redlicher Absicht Ver- handlungen zu führen und zum Ab- schluss zu bringen, die zu nuklearer Zusammenfassende Stellungnahme: Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und wirksamer interna- olange Nuklear-Waffen und nukle- Staaten mehr nützen als den star- tionaler Kontrolle führen.“ ares Material in der Welt existie- ken, militärisch überlegenen Staaten. S Es scheint, dass mit dem Ergebnis ren, besteht die Möglichkeit, dass sie Daraus lässt sich folgern, dass starke der NVV-Verlängerungskonferenzen an andere Staaten oder nichtstaatli- Staaten ihren nationalen Sicherheits- che Akteure weiterverbreitet werden. interessen und ihren Bürgern mehr auch über die zukünftige Rolle der Bei nichtstaatlichen extremistischen dienen würden, wenn sie auf dem Kernwaffen entschieden wird. Zwei Gruppen ist die Aussicht auf Ab- Weg zu nuklearer Abrüstung weiter grundlegend unterschiedliche Opti- schreckung durch die Mittel der ver- vorangingen, statt sich neue nukleare onen zeichnen sich ab: geltenden Gewaltanwendung extrem Optionen zuzulegen. • Die eine bedeutet: Beibehaltung gering. Das gilt auch eingeschränkt Ein ungleicher Vertrag, wie der und Weiterentwicklung der Nu- für „failed states“. NVV (Nicht-Verbreitungs-Vertrag mit klearwaffen in den Kernwaffen- Um den Verzicht auf Atomwaffen einen Dreiklassensystem von Nukle- staaten und Neudefinition ihres durch die Nicht-Atomwaffenstaa- arwaffenbesitzenden, Wiederaufbe- Einsatzspektrums. Eine Steige- ten erreichen zu können, müssen die- reitungserlaubten und eingeschränkt rung des Strebens anderer Staa- jenigen, die diese Waffen bereits ha- Nutzungserlaubten) ist langfristig ten nach Besitz oder Kontrolle ben, den ersten Schritt tun: Sie müs- instabil und politisch unhaltbar. von Massenvernichtungswaffen sen Vertrauen in ihre guten Absichten Noch befinden sich keine Atomwaffen wäre damit verbunden. schaffen. Es gibt ca. 44 Länder, die in den Händen von Terroristen, ver- • Die zweite Option hieße: die Be- atomare Arsenale entwickeln könnten, sichert die Internationale Atomen- deutung von Kernwaffen in der aber entschieden haben, dies nicht zu ergiebehörde (IAEA) in Wien. Auch internationalen Politik Schritt für tun oder Entwicklungen abzubrechen. sei deren Herstellung bislang noch zu Schritt auf den kleinstmöglichen Darunter sind Kanada, Schweden, Ja- aufwendig und zu teuer, um sie außer- „level of ambition“ (Fähigkeitse- pan, Südafrika und Brasilien. halb tradierter staatlicher Strukturen Zu den wichtigsten Anreizen für betreiben zu können. Sehr viel anders bene) zu reduzieren, verbunden Weiterverbreitung von nuklearen Waf- würde sich die Lage allerdings dar- wäre damit eine erhebliche Ver- fen gehören: Bedrohungen durch ei- stellen, wenn potenzielle Täter auf die ringerung des Anreizes für andere nen Atomangriff, Bedrohungen durch mögliche Unterstützung durch Staaten Staaten, Kernwaffen zu erstreben. einen konventionellen Angriff eines rechnen könnten, die über Kernwaf- Unabdingbare Voraussetzung da- weit überlegenen Staates und nati- fen verfügen beziehungsweise diese für wäre die Aufrechterhaltung onales Prestige und Vorherrschaft. entwickeln. eines wirksamen umfassenden Diese Anreize lassen erkennen, dass „Wir können Sicherheitsprobleme Kontroll- und Sanktionsregimes Nuk-Waffen den Zielen schwacher nicht mit militärischen Mitteln lösen der Völkergemeinschaft. ❏

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 25 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

PROLIFERATIONSPROBLEMATIK: Chronologie und Hintergründe des Konflikts um die Atomprogramme des Iran und Nordkoreas

VON WERNER BÖS 1. Die Kontroverse und ihre Hintergründe

ordkorea und Iran sind der Ansicht, dass sie Nu- gung zu diversifizieren, besonders vor dem Hintergrund der klearwaffen zur Selbsterhaltung brauchen. Sowohl Verdopplung der iranischen Bevölkerung in den vergangenen Nin Teheran als auch in Pjöngjang glauben Militärs 20 Jahren und der weltweiten Sorge um eine Erschöpfung und Regierungen, dass nur der Besitz von Massenvernich- der Ölvorräte. Angesichts steigender Ölpreise ist es für Iran tungswaffen tatsächliche oder eingebildete Bedrohungen auch wirtschaftlich von Interesse, mehr Öl zum Export zur abschrecken kann. Verfügung zu haben und Strom im Inland mit Atomkraft zu Bereits 1968 unterzeichnete Iran den Atomwaffensperr- produzieren. Derzeit verbraucht der Iran ca. 40 Prozent sei- vertrag und ratifizierte ihn 1970. Signatarstaaten haben dem ner Ölförderung selbst. Vertrag zufolge das Recht, Kernenergie ausschließlich für Insbesondere die USA halten dagegen, dass der Iran kein zivile Zwecke einzusetzen. Jedwede militärische Nutzung ist Atomprogramm brauche, da das Land über umfangreiche Öl- untersagt und mit Sanktionen bedroht. Der Iran hält diese und Erdgasreserven verfüge und deren Ausbeutung billiger Position für „scheinheilig“ und „doppelzüngig“ und verweist sei als die Bemühungen zur Gewinnung nuklearer Energie. einerseits auf das ursprüngliche Ziel des Vertrags, nämlich Der Iran bezichtigt die USA im Gegenzug, lediglich das sei- die globale nukleare Abrüstung voranzutreiben, andererseits ner Meinung nach illegale Atommonopol Israels im Nahen auf das Verhalten der drei Atommächte Israel, Indien und Osten aufrechterhalten zu wollen. Pakistan, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeich- Zwei der Hauptgründe, die gegen ein iranisches Atom- net haben. Diese drei Staaten eigneten sich Atomwaffen in programm ins Feld geführt werden, ist die Machtverlagerung Geheimprojekten an (Israel 1968, Indien 1974, Pakistan in Nahost auf die iranische Seite und Ängste der israelischen 1990). Im Dezember 2003 unterzeichnete der Iran nach Regierung. Hinzu kommen die z.T. stark ausgeprägten fun- einem Ultimatum der IAEO zwar das Zusatzprotokoll zum damentalistischen Strukturen wie auch die in den meisten Nichtverbreitungsvertrag, ratifizierte es bislang aber nicht. westlichen Medien als gesichert geltende Unterstützung Das 1997 von der IAEO beschlossene Zusatzprotokoll ergänzt militanter Gruppierungen wie der libanesischen Hisbollah den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen von durch die derzeitige Regierung in Teheran. 1968. Es gestattet z.B. unangemeldete Kontrollen durch- Dass Nordkoreas Ingenieure es jetzt geschafft haben, zuführen, die auf Grund der Erfahrungen mit den Atom- die Bombe zu bauen, verdanken sie keineswegs allein ihrer rüstungsplänen des Iraks nach dem Zweiten Golfkrieg für Leistung. Dies ist vielmehr das Ergebnis einer langjährigen notwendig erachtet wurden. Zusammenarbeit mit Pakistan und China. Bereits in den Im Jahr 2002 wurde bekannt, dass der Iran Atomanlagen neunziger Jahren hatten chinesische Ingenieure ihren pa- unterhielt, die der IAEO verheimlicht worden waren, unter kistanischen Kollegen wichtiges Know-how und Gerät für anderem in Natans und Arak. den Bau einer Atombombe geliefert, von denen ein Teil später Doch dies ist nicht der einzige Anlass, der das Misstrau- nach Nordkorea und in den Iran gelangte. en der IAEO und zahlreicher Staaten insbesondere Israels gegenüber der Regierung in Teheran verstärkte. So handelt es sich insbesondere bei der Urananreicherung um eine so 2. Iran genannte Dual-Use-Technologie, also ein Verfahren, das so- wohl zu zivilen als auch militärischen Zwecken, wie zum 2.1 Entwicklung im Jahr 2005 Beispiel zur Herstellung von Atomwaffen, verwendet wer- – Im August 2005 lehnt der Iran die Vorschläge der „EU- den kann. Jedoch ist für den gegenwärtigen Stand iranischer Troika“ (die Außenminister Großbritanniens, Frankreichs Atomstromgewinnung nach Ansicht von Experten kein an- und Deutschlands) für ein umfassendes technisches, wirt- gereichertes Uran erforderlich. Sollte das ein Einwand sein, schaftliches und politisches Kooperationsprogramm mit dem so entkräftet ihn allerdings – rein rechtlich gesehen – der Hinweis ab, die EU bestreite Iran die friedliche Nutzung Atomwaffensperrvertrag selbst: Unterzeichner dieses Ab- der Kernenergie. kommens haben sogar Anspruch auf Unterstützung bei der – Im September 2005 beschließt die IAEA – bei Enthaltung Urananreicherung. Russlands und Chinas –, dass sie kein Vertrauen habe, dass Die Regierung in Teheran erlaubte zunächst Inspekti- das Atomprogramm Irans nur friedlichen Zwecken diene. onen der IAEO und stellte die Urananreicherung vorüber- – Der Iran hat seine Uran-Aufbereitungsanlage in Isfahan gehend sogar ein. Nach wie vor wird vehement jegliches wieder in Betrieb genommen und mit der Umwandlung von Streben nach Atomwaffen bestritten. Man frage sich, warum Uranerz als Vorstufe der Urananreicherung begonnen. es dem Land nicht erlaubt sein sollte, seine Energieversor- – Iran verweist auf Ahmadinedschads Kompromissangebot 26 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZUR NUKLEARPROBLEMATIK

im September 2005 vor der UN-Vollversammlung. Danach Chef Mohammed al-Baradei vor einer militärischen Lösung würde der Iran sein Anreicherungsprogramm als Joint Ven- und bezeichnet sie als „absolut kontraproduktiv“. Nur mit ture mit privaten und staatlichen Nuklearunternehmen aus Diplomatie und Zusammenarbeit sei dem Konflikt zu be- anderen Ländern betreiben. gegnen. Die IAEA betont, dass bisher keine Beweise für – Ende Oktober 2005: Präsident Mahmud Ahmadinedschad iranische Nuklearwaffenpläne existieren. Sie warnt weiter fordert, Israel von der Landkarte zu tilgen. vor der Gefahr des nuklearen Terrorismus, der durch einen – November 2005: Trotz internationaler Warnungen treibt Iran großen Schwarzmarkt für nukleares Material und Ausrüs- seine Pläne zur Uran-Anreicherung im eigenen Land voran tungen entstanden sei. Außerdem sei die Stagnation bei der und will nicht darauf verzichten. Das iranische Parlament nuklearen Abrüstung beunruhigend. erlässt ein Gesetz, wonach die Regierung im Falle des Über- – 14.12.05: Papst Benedikt XVI ruft die internationale Ge- weisens Irans an den VN-Sicherheitsrat verpflichtet wird, meinschaft zu neuen Abrüstungs-Initiativen auf, die auch alle ihre freiwilligen Maßnahmen zu beenden. Der Iran hat Atomwaffen umfasst. u.a. der IAEA erlaubt, seine Atomanlagen unangekündigt – Der israelische Generalstabschef glaubt, dass Iran noch eine zu kontrollieren. Unberührt bliebe das im Atomwaffensperr- Reihe von Hindernissen überwinden müsse, so dass eine vertrag festgelegte Mindestmaß der Zusammenarbeit. Atombombe frühestens 2008 einsatzbereit wäre. – 16.11.05: Ahmadinedschad erklärt , die Hauptaufgabe – 17.12.05: Auf dem EU-Gipfeltreffen wird vereinbart, die seiner Regierung sei es, „den Weg für die glorreiche Wie- „diplomatischen Optionen sorgfältig zu prüfen und das Ver- derkehr von Imam Mahdi zu ebnen“. Der geheimnisvolle halten der EU den iranischen Erklärungen und Aktionen“ 12. Imam des schiitischen Islams verschwand 941 n.Chr. anzupassen. Trotz der scharfen Verurteilung hält die EU an als Kind. Seitdem warten die Schiiten auf sein erneutes ihrer Absicht fest, am 21.12. 05 in Wien Gespräche über Erscheinen – im Glauben, dass er dann sieben Jahre lang die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu führen. herrscht, bevor er das Jüngste Gericht und das Ende der – Unter Berufung auf den BND wird berichtet, dass Iran von Welt herbeiführt. Um sich auf Mahdi vorzubereiten, soll Nordkorea 18 Raketenbausätze der mobilen BM-25 mit der Iran „zu einer mächtigen fortschrittlichen und beispiel- einer Reichweite von 2.500 km gekauft habe. Das Bedro- haften islamischen Gesellschaft werden“. hungsszenario für Deutschland und die NATO habe sich – 24.11.05: Selbstbewusst verbittet sich das iranische Parla- verändert. ment Ultimaten und Abenteurertum von Seiten des Westens – Nach Ahmadinedschad fürchtet der Iran westliche Dro- und stützt damit die weitgehend kompromisslose Position hungen nicht und droht seinerseits mit der Beendigung aller von Präsident Mahmud Ahmadinedschad . freiwilligen Kontrollen iranischer Atomanlagen durch die – Teheran fühlt sich nicht mehr an das freiwillige Moratorium IAEA, falls die EU den Sicherheitsrat anrufen sollte. Im- gebunden, das man den EU-3 (London, Paris und Berlin) merhin hatte Iran fast zwei Jahrzehnte sein Atomprogramm in Paris vor einem Jahr versprochen hatte. vor der IAEA geheim gehalten. Theoretisch drohten damit – 26.11.05: Der Iran bestreitet ein geheimes Atomwaffenpro- Sanktionen und politische Isolation. Ein Austritt des Irans gramm und argumentiert, alle Nuklear-Aktivitäten dienten aus der IAEA würde diese ohne jegliche Kontrollmöglich- ausschließlich der Stromerzeugung. keiten lassen. Gemäß der IAEA ist die Anreicherung legal, solan- ge sie deklariert wird, was die Lage noch verkompli- ziert. .png) – 28.11.05: Ahmadined- schads Verbalattacken und Provokationen gegen Isra- els Existenz und das Auf- tauchen einer aus Pakistan importierten Bauanleitung für die Bombe verstärken die westlichen Befürch- tungen. – Israel fordert, im Streit mit der iranischen Staats- führung nicht nur auf Verhandlungen zu setzen. Angesichts des extremen Hasses müssten auch an- dere Lösungen vorbereitet werden. – 10.12.05: Am Tag der Ent- gegennahme des Friedens-

nobelpreises warnt IAEA- (Grafik: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Atomprogramm_des_Iran_2

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 27 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

2.2 Entwicklung im Jahr 2006 wird von 27 Vertretern der Staaten mit Gegenstimmen von – 10.01.06: Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates u.a. Iran, Kuba, Venezuela und Syrien angenommen. Die fordern den Iran in getrennten Schreiben auf, die Forschung Zustimmung der Regierungen steht noch aus. Die Resoluti- am nuklearen Brennstoff-Kreislauf zu stoppen. Zugleich on sieht vor, dass die IAEA dem SR über den Iran berichtet. wird er aufgefordert, wieder zu ernsthaften Verhandlungen Ägypten und andere arabische Staaten verlangten im Text mit den Europäern zurückzukehren. den Einschluss einer atomwaffenfreien Zone im gesamten – 12.01.06: Die EU-Drei erklären, dass ihre Gespräche mit Nahen und Mittleren Osten (Israel!). Der VN-SR soll aber dem Iran an einem toten Punkt angekommen sind und wollen nur dann aktiv werden, wenn der Iran die Forderungen der eine Sondersitzung des Gouverneursrats der IAEA beantra- IAEA nach Einstellung der Urananreicherung nicht ein- gen. Dieser müsse über die Einschaltung des Sicherheitsrates stellt. befinden. Iran stellt aus Prostest gegen die geplante Einschaltung des – 14.01.06: Präsident Bush und Bundeskanzlerin Merkel er- Weltsicherheitsrats in den Atomstreit im März schriftlich klären, „die rote Linie“ sei überschritten. Dem Iran müsste die freiwillige Zusammenarbeit mit der IAEA ein. Dadurch gezeigt werden, dass sich die Staatengemeinschaft nicht werden unangemeldete Kontrollen unmöglich. provozieren lässt. Die Empfehlung der EU-Drei, den Si- – Bundeskanzlerin Merkel setzt bei der Münchner Sicher- cherheitsrat einzuschalten, wird begrüßt. Zunächst aber heitskonferenz dennoch weiter auf Diplomatie, den „Prozess müsse das IAEA –Direktorium dem Sicherheitsrat Bericht will keiner abbrechen“. erstatten. – 12.02.06: Iran sagt die Gespräche mit Russland über eine – Der VN – Generalsekretär, Kofi Annan, bietet seine Ver- Urananreicherung in Russland als Kompromiss, die für den mittlungsdienste an, will jedoch einer etwaigen Entschei- 15.02.06 angedacht waren, ab. Der SPD-Vorsitzende Matthi- dung des Sicherheitsrates nicht vorgreifen. Er legte dem as Platzeck verlangt kategorisch, dass alle militärischen Iran nahe, jede Eskalation zu vermeiden, Zurückhaltung zu Optionen vom Tisch müssen. Deutschland müsse auch im wahren und Gesprächen noch eine Chance zu geben. Den Konflikt mit dem Iran Friedensmacht bleiben. westlichen Staaten empfiehlt er, das Nukleardossier nicht – 13.03.06: Wie von der IAEA verlautet, hat der Iran den dem Sicherheitsrat vorzulegen. Konfrontationskurs verschärft, indem er wieder in geringem – 18.01.06: Die Europäer haben mit der Ausarbeitung einer Umfang Uran anreichert, „Urangas ist in drei Maschinen Resolution begonnen, die den Fall vor den Sicherheitsrat geleitet worden“. bringen soll. Der Text soll den Mitgliedern IAEA am 2. – 18.02.06:DIE WELT-Umfrage unter Deutschen ergibt: Februar vorgelegt werden. Der Textentwurf fordere Iran auf, Mehrheit sieht das Atombomben-Programm des Iran als rasch, umfassend und transparenter mit dem Weltsicher- große Gefahr und jeder dritte Deutsche ist für einen Mili- heitsrat zusammenzuarbeiten; Sanktionen würden nicht tärschlag. gefordert. – 20.02.06: Gespräche in Moskau zwischen Russland und – Iran, die zweitgrößte Erdgas- und fünftgrößte Erdölmacht, Iran über Atom-Kompromiss aufgenommen. Vorschlag wird droht als Reaktion mit einer Ölkrise. von Iran als Einschränkung seiner Souveränität empfunden – Ahmadinedschad trifft radikale Palästinenser und sichert und droht mit Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag. El ihnen Unterstützung ihres „gerechten Kampfes“ zu. Weiter Baradei sieht Möglichkeit, Iran den Betrieb einer Pilotan- besucht er Syriens Präsident Assad und verdeutlicht die enge lage zur Gesichtswahrung zu erlauben. Partnerschaft und „tief verwurzelten, starken, dauerhaften – 03.03.06: Die EU – Drei machen einen weiteren Versuch und alten Verbindungen“. Offene antisemitische Äußerungen und treffen sich in Wien mit dem iranischen Chefunter- machte er bei diesen Besuchen nicht. händler auf Bitten des Iran, um vor der Sitzung der IAEA – 23.01.06: Ahmadinedschad ruft die islamischen Staaten eine Lösung zu finden. Nach zwei Stunden endet das Treffen auf, ihre wirtschaftliche Stärke als Waffe gegen den Westen ergebnislos. Russland und China mahnen zur Geduld und einzusetzen, um Feinden „die Hände abzuhacken“; parallel sehen weiter Chancen für diplomatische Einigung. Ahma- zu dem „politischen Krieg“. Gleichzeitig stimmt Iran neuen dinedschad warf der IAEA politische Voreingenommenheit Kontrollen durch IAEA-Inspektoren zu und wertet dies als vor. Signal des guten Willens. – 05.03.06: Die USA fordern bereits Sanktionen gegen den – 26.01.06: Iran äußert sich wohlwollender als zuvor zum Iran und lehnen eigene direkte Gespräche mit dem Iran russischen Vorschlag, die umstrittene Urananreicherung ab. Gleichzeitig akzeptiert Präsident Bush die Atommacht gemeinsam auf russischem Boden zu betreiben. Indien außerhalb des Sperrvertrages und schließt mit ihr – Ein Treffen von Vertretern der iranischen Regierung und Verträge über den weiteren Ausbau. der EU in Brüssel blieb ohne nennenswerte Fortschritte. – 06.03.06: Der Gouverneursrat der IAEA hat Beratungen Wohl auch deshalb gelang es beim späteren Treffen der aufgenommen. El Baradei warnt zum Auftakt vor einer Kon- Außenminister der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder frontation zwischen dem Westen und dem Iran. Er schlägt (FR,GBR,USA,CHI,RUS) sowie Deutschland in London mit Russland als Kompromiss vor, dass der Iran in einer eine gemeinsame Strategie für die Sitzung der IAEA am Pilotanlage weiter zur Urananreicherung forschen dürfe. 02.02.06 in Wien zu beschließen: Der IAEA – Gouverneurs- – 09.03.06: Teheran bleibt kompromisslos. Der Gouverneurs- rat soll mit möglichst großer Mehrheit seiner 35 Mitglied- rat der IAEA überweist gem. Resolution vom 05.02.06 den staaten den Atomstreit mit dem Iran an den Sicherheitsrat Atomstreit an den VN-Sicherheitsrat, der Sanktionen ver- der VN verweisen. hängen könnte. Die zentrale Botschaft des Berichtes ist – 05.02.06; Der Resolutionstext des IAEA-Gouverneursrats die Unsicherheit über den möglichen Atomwaffenbau und

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die Rolle des Militärs. Aber das ist noch nicht das Ende korea die Atombombe besitzen, aber Iran nicht? Weil sich der Diplomatie; parallel soll weiter in der IAEA verhandelt die arabische Welt vom Westen nicht ernst genommen fühlt, werden. wird der Iran als antiamerikanisches und antiisraelisches – Der geistliche Führer des Iran, Ali Chamenei, unterstützt Machtzentrum der islamischen Welt immer stärker. Der Ahmadinedschads Haltung, der bei Versammlungen im Atomstreit zusammen mit den Drohungen gegen Israel, ganzen Land mit der Einstellung der Ölexporte droht, die haben den Iran des Ahmadinedschad bereits ins Zentrum den Westen härter treffen würde als die Sanktionen den gerückt. Iran. – Der Westen besteht zu Recht darauf, dass Teheran verbindlich – 21.03.06: Die EU-Drei bieten dem Iran unter Bedingungen und kontrollierbar auf die militärische Nutzung der Atomkraft neue Verhandlungen an. Voraussetzung sei der Stopp der verzichtet. D.h. die Urananreicherung ganz vom Iranischen Urananreicherungsaktivitäten. Boden fernzuhalten, um Missbrauch zu verhindern. – 25.03.06: Uneinigkeit im VN-Sicherheitsrat über den In- – Die Motive, die Iran nach der Bombe streben lassen, sind: halt einer VN-Präsidentenerklärung. Russland und China Zweite Atommacht neben Israel zu werden, Führer der mosle- blockieren die Beratungen auf Botschafterebene. Sie haben mischen Welt zumindest im Nahen und Mittleren Osten Bedenken, dass Drohungen mit Sanktionen zum völligen und neue Vormacht zu sein. Die kompromisslose Haltung Abbruch der Zusammenarbeit des Iran mit der IAEA führen soll die moderaten Kräfte in Teheran ausschalten und das könnten. Weiter sind gegen eine kurze Frist von zwei Wo- Land auf einen harten islamistischen, antiwestlichen Kurs chen, binnen der der Iran den Forderungen der IAEA nach- bringen. Seit einem Jahr ist der Iran dabei, seine Anlagen kommen soll. Einer Erklärung müssen alle 15 Mitglieder zu verbunkern. des VN – Sicherheitsrates zustimmen. Für eine Resolution – Zusammen mit dem unfassenden amerikanisch/europäischen ist die Unterstützung von 9 Mitgliedern erforderlich, ohne Kooperationsangebot (zivile Atomtechnik, Handelsverträge, ein Veto der 5 ständigen Mitglieder. Mitgliedschaft in WTO) hätte der russische Vorschlag eine – Inzwischen lässt eine technische Nachricht aus dem Iran die Brücke sein können, um sich ohne Gesichtsverlust aus der westlichen Diplomaten aufhorchen: In einer Atomfabrik des selbst verschuldeten internationalen Isolation zu befreien. Landes ist es gelungen, 164 Gaszentrifugen miteinander zu – Angesichts des latenten Widerstandes von Russland, China einer sog. Kaskade zu verbinden, mit der auch Sprengstoff und mehreren Mitgliedern aus der dritten Welt hat sich die für Atombomben hergestellt werden kann. Eine Schlüssel- Einschaltung des Sicherheitsrates bisher als stumpfe Waffe technologie, die den Iran zum Bau der Bombe in schon fünf erwiesen. Vor allem Putin wird sich entscheiden müssen Jahren befähigen kann. zwischen seiner nur halbherzigen Unterstützung der EU/ USA und der Rückendeckung für Irans Forderungen. Hier 2.3 Bewertung: ist ein internationales Spannungspotential das weit über die – Die IAEA inspizierte erstmals im Februar 2003 iranische engere Region hinausgreift. Jede Uneinigkeit der Weltge- Nuklearanlagen. Zwar konnten keine eindeutigen Beweise, meinschaft spielt Iran in die Hände. aber viele Hinweise für ein Atomprogramm gefunden wer- – Der Westen kann sich nicht in Sicherheit wiegen. Dem De- den. Teherans Bereitschaft zur Offenlegung war und ist fätismus, wonach der Aufstieg Irans zur Atommacht letztlich ungenügend. Auf internationalen Druck hatte der Iran die nicht zu verhindern sei, aber auch nicht die größte Katas- Urananreicherung im Oktober 2003 ausgesetzt. trophe wäre, darf man sich nicht hingeben. Der Scheintrost, – Mit der jetzigen Wiederaufnahme der Atomforschung will dass Atommächte schon lernten, mit der Verantwortung um- Iran wieder in begrenztem Umfang Uran anreichern, angeb- zugehen, die Ihnen die Bombe aufbürdet, setzt allerdings lich als Teil der geplanten Experimente zur Schließung des Rationalität voraus, die beispielsweise Selbstmordattentä- atomaren Brennstoff-Kreislaufs. tern fremd ist. – Im Iran gibt es eine weit verbreitete Meinung, dass er sein – Ahmadinedschad wartet nur auf Repressalien des Westens, im Atomsperrvertrag verbrieftes Recht auf die volle zivile die ihm Gelegenheit zur großen Geste geben, damit der per- Nutzung des nuklearen Brennstoffkreislaufs verteidigen sische Löwe der Welt die Zähne zeigen kann. Er kann sich müsse. Diese Frage ist für fast alle Bürger eine Frage des so als Gralshüter muslimischer Interessen gebärden und Nationalstolzes geworden. dem Westen sagen, was Millionen in der arabischen Welt – Aber das Streben der Hardliner nach der Verfügbarkeit der denken und deren Herrscher niemals zu sagen wagen. nuklearen Waffentechnologie findet keineswegs ungeteil- – In vielen Staaten der freien Welt würden Ahmadinedschads te Zustimmung. Auch der aggressive Konfrontationskurs Äußerungen den Straftatbestand der Volksverhetzung erfül- Ahmadinedschads spaltet die Führungselite. Selbst kon- len, im Iran sind sie fester Bestandteil üblicher Propaganda. servative Gruppen wollen keinen gewaltsamen Konflikt mit Es ist ein bewährtes Mittel diktatorischer Regime, einen dem Westen. äußeren Feind zu attackieren, um bröckelnde Stabilität nach – Der Iran verfolgt den Besitz eigener Nuklearwaffen. Es gibt innen zu festigen. sonst keine Erklärung, warum sie selbst die Anreicherung – Sie sind Teil einer prononciert antiwestlichen Regierungs- vornehmen wollen. Der Brennstoff für friedliche Nutzung politik, die einen Ausgleich mit dem Westen nicht nur nicht würde ja geliefert werden. Darüber hinaus arbeitet der Iran sucht, sondern geradezu fürchtet, dass dies gesellschaftliche an der Verbesserung der Reichweite seiner Mittelstrecken- Reformen im Iran unterstützen könnte. raketen. Wenn man beide Bemühungen verbunden betrach- – Der Westen scheut sich, politische Konsequenzen zu zie- tet, dann ist eine Bedrohung fassbar. hen. Er belohnt skandalöse Äußerungen noch mit diploma- – Stimmen fragen, warum dürfen Israel, Pakistan und Nord- tischer Annäherung. Das nennt man Appeasement. Dagegen

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wird eingewendet, wenn man Iran isoliere, gehe auch der starrigkeit. Wer jetzt die Konfrontation mit dem Iran scheut, Einfluss auf die Führung in Teheran verloren. Aber was der wird später einen viel höheren Preis zu entrichten ha- hat das bisher gebracht. Die Europäer und die USA ha- ben. Es geht darum, dem gefährlichsten aller Länder die ben die Wiederaufnahme der Uranumwandlung in 2005 tödlichsten Waffen zu versagen. geschluckt, die „rote Linie“ wurde notgedrungen bis zur – Die US-Regierung hofft, wie die Europäer auch, auf die kritischen Urananreicherung nach vorn geschoben. Nukle- Wirksamkeit von politischen und wirtschaftlichen Sankti- aranreicherung in nationaler Regie bedeutet die Gefahr des onen. Mit dem erklärten Ziel, Atomwaffen in den Händen Atombombenbaus, der Israel konkret und massiv gefährdet. Teherans auf keinen Fall zuzulassen, ist auch die militä- Und den es nicht zulassen wird. rische Option schon definiert. – Eine Minderheit der Iran-Insider glaubt, dass der rheto- – Der Konflikt scheint unaufhaltsam zu eskalieren. Doch rische Lärm aus Teheran und das Katz-und-Maus-Spiel ein Angriff gegen die nuklearen Forschungs- und Produk- Verhandlungstaktik sei: Mit Maximalforderungen will Iran tionseinrichtungen im Iran oder ein regelrechter Krieg, all letztlich ein Minimum erreichen, heißt es hier. Innenpoli- das steht keineswegs unmittelbar bevor, und er ist noch tisch stärken die Drohungen des Westens die Position Ahma- immer vermeidbar. Zweieinhalb Jahre lang hat der Iran dinedschads. Er braucht den Hass und den Atom-Nationa- die Verhandlungspartner der EU mit einer Mischung aus lismus, weil nur sie die Iraner hinter ihm vereinen. Zugeständnissen, Halbwahrheiten, Provokationen und – Der Konflikt mit dem Iran eskaliert. Und eine militärische Drohungen hingehalten. Jetzt bleibt dem Mullah-Regime Intervention, sei es durch die USA, sei es durch Israel, wahrscheinlich nur noch wenig Zeit, um internationales ist längst keine rein theoretische Option mehr, wenn der Vertrauen zurück zu gewinnen. Iran seine Nuklearoptionen nicht aufgibt oder sich einer – Viel wahrscheinlicher ist, dass der SR eine Phase der kla- strengen internationalen Kontrolle unterwirft. Doch schon ren Forderungen, Ultimaten und Sanktionen einleiten wird. Kriegspläne führen zu einer nicht gewollten Solidarisierung Wenn der SR glaubwürdig bleiben will, ist dann in letzter der Menschen in der islamischen Welt. Konsequenz auch ein Mandat für Militäraktionen unver- – Die USA glauben nicht mehr an eine politische Lösung und meidbar. Das Blatt wenden kann nur die iranische Führung unterstützen die EU nur pflichtschuldig. Ahmadinedschads selbst. Hetze hat es geschafft, dass der Iran in den USA als echte – Der Westen darf sich nicht durch Drohgebärden beeindru- Bedrohung wahrgenommen wird. Mit der Einschaltung des cken lassen. Der Iran ist schwächer und weniger stabil als VN-SR geht die Suche nach diplomatischen Lösungen in die er sich gebärdet. Trotzdem darf es keinen Automatismus letzte Runde. Je mehr die Bedeutung Irans für die Energie- geben mit einem unausweichlichen Ausgang wie beim Irak- versorgung (Gas, Öl), vor allem der asiatischen Großmächte Krieg, der den Fundamentalismus in der muslimischen Welt in den kommenden Jahren wachsen wird, desto schlechter geschürt und den islamischen Terroristen in die Hände stehen die Chancen des Westens, im Streit um das iranische spielte. Atomprogramm eine „internationale Gemeinschaft“ gegen Teheran zu mobilisieren. Zudem auch Russland aus geostra- 2.4 Problemlösungsansätze/-fragen: tegischen Gründen eine schwer durchschaubare Rolle spielt – Wie schaffen wir eine Umwelt, in der Atomwaffen wie Skla- und den Iran mit 29 mobilen Flugabwehrraketen beliefern verei oder Genozid als Tabu und eine historische Anomalie will. gelten? – Es ist zu fragen, ob der Iran im Nervenduell mit dem Westen – Kann die Gründung einer multinationalen Bank für ato- bisher überhaupt die richtigen Botschaften erhalten hat. Ob mare Brennstoffe allen Ländern Zugang zu dem Material es nicht aus Teheraner Sicht sogar ein Erfolg war, Europa für friedliche Zwecke verschaffen? Kann so der Bau von so lange hingehalten zu haben. Und vor allem, ob die Es- eigenen Atomanlagen verhindert werden, die auch zum kalation nicht vermeidbar gewesen wäre, wenn man dem Bau von Waffen eingesetzt werden könnten? Könnten sich Iran früh hätte spüren lassen, dass es sich hier nicht um nicht auch weitere Staaten außer dem Iran an der russischen rhetorisches Armdrücken handelt. Urananreicherung beteiligen und damit Teile des Brenn- – Nun ist Härte zu erwarten, auch von den bisher kooperati- stoffkreislaufs unter multilaterale Kontrolle bringen. onsbereiten Europäern – möglicherweise zu spät. Die aus- – Kann die Zuständigkeit für die Nuklearfrage Ahmadined- dauernde Diplomatie der Europäer mehr als ein Jahr lang, schad entzogen werden, obwohl er viele wichtige Posten mögen taktisch falsch gewesen sein. Politisch allerdings in der Regierung schon mit seinen engsten Vertrauten aus besteht nach diesem Jahr kein Zweifel mehr, dass mit viel dem Kreis der Revolutionsgarden besetzt hat? Sind oppo- Geduld und warmen Worten im Iran nichts zu erreichen ist. sitionelle Kräfte noch willens und in der Lage, Widerstand Weil der Prozess der so lange torpedierten Verständigungs- gegen die Radikalisierung zu leisten? bemühungen so lange erduldet wurde, sollte es nun umso – Hat die Einschaltung des Sicherheitsrates der VN eine Wen- leichter fallen die harten Konsequenzen zu ziehen. de gebracht? Oder ist aller Dialog und Verhandeln nur ein – Teheran meint es ernst mit seinem Atomprogramm und blufft Zeitgewinn für Irans Nuklearpläne. Könnte eine verurtei- nicht. Es hat seine Chance vergeben, aus seinem Paria- lende Resolution die Isolation des Iran in der Völkerge- Status erlöst zu werden. Das Atomprogramm ist längst zu meinschaft bedeuten, die das Land am stärksten treffen einer Angelegenheit nationaler Ehre mutiert, ein Selbstbe- würde? Ist das Risiko einer Eskalation beherrschbar, wenn hauptungs-Beweis gegen alles Westliche, ein Stützkorsett der Iran die Weisung des Sicherheitsrates ignoriert und ihn für den fundamentalistischen Trotz. Wer diese Logik mit zum Handeln zwingt? Annäherungsversuchen belohnt, nährt lediglich die Hals- – Können politische (Abbruch der diplomatischen Bezie-

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hungen und weit reichende Isolation, Ausschluss Irans von nicht nach Atomwaffen strebe und die Zusammenarbeit mit der Weltmeisterschaft – von der FIFA jedoch abgelehnt, der IAEA fortsetzen werde. Diese Versprechen dürfte die Erklärung von Ahmadinedschad zur unerwünschten Person, Vetomächte der VN wenig beruhigen und den Verdacht, Iran Einreiseverbote,) und wirtschaftliche Sanktionen (Errichten strebe nach Atomwaffen, nicht beseitigen. eines Handelsembargos trotz eigener Betroffenheit, Blocka- – 14.04.06: IAEA-Direktor El Baradei kann das iranische de der Ölverkäufe, Einschränkung des iranischen Flug- Regime nicht überzeugen, die Anreicherung von Uran „für verkehrs, Sperren von Auslandskonten und internationaler eine bestimmte Zeit zur Vertrauensbildung“ wieder auszu- Kredite) bis hin zum Ausschluss aus den VN eine Rich- setzen. Iran ist kompromisslos. tungsänderung der iranischen Nuklearpolitik bewirken? – 15.04.06: Die USA und Europäer fordern eine Resolution Oder würde eine solche Eskalation schneller als jemandem des VN-SR nach Kapitel XII der Un-Charta, mit der For- lieb zum bewaffneten Konflikt führen? Zumindest aber zum derungen rechtlich bindend würden und Sanktionen und Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag und einem Stopp militärische Einsätze angedroht werden könnten, wenn die der Öl- und Gaslieferungen? internationale Sicherheit auf dem Spiel steht. – Sollte der Westen trotz allem den Iran als gleichberechtigtes Der Leiter der iranischen Atomernergiebehörde schlägt vor, Mitglied behandeln und eine KSZE-ähnliche Organisation jene Länder, die über das iranische Atomprogramm besorgt mit vertrauensbildenden Maßnahmen im Mittleren Osten seien, sollten Partner Irans in der Anreicherungsanlage in anstreben? Verhandlungen auf Augenhöhe statt Strafdiplo- Natanz werden. matie sowie Kulturaustausch und Städtepartnerschaften? – 16.04.06: Nach Außenministerin Rice sind die USA notfalls – Hat der Westen nicht Anlass, sich selbst und seine Doppel- bereit füe einen Militärschlag. Der Iran erklärt die Dro- standards (z.B. USA-Indien) zu prüfen und den aufrichtigen hungen der USA für unglaubwürdig. Die USA seien nicht und intensiven Dialog und die beispielhafte Zusammenar- in der Lage einen weiteren Konflikt durchzustehen. beit mit den gemäßigten Kräften des Islams zu suchen? Sind – 18.04.06: Papst Benedikt XVI fordert in seiner Osterbot- Abschottung und Einsatz von Machtmitteln nicht weniger schaft, ohne den Iran ausdrücklich zu nennen: „Was die überzeugend als Freiheit, Toleranz und Verantwortung, die internationalen Krisen im Zusammenhang mit der Atomkraft stärksten Argumente des Westens? angeht, so möge durch ernsthafte und aufrichtige Verhand- – Kann es sein, dass es für das Iran-Problem vorerst gar keine lungen eine für alle ehrenhafte Schlichtung erreicht wer- Lösung gibt? Bleibt bei dieser Lage einstweilen nicht nur den. der Aufbau einer Drohkulisse, die nicht mehr die Verhinde- Für den Fall eines Angriffs auf die Atomanlagen droht Te- rung der iranischen Bombe, sondern die Verzögerung, und heran mit dem Einsatz von 40 000 Selbstmordattentätern. damit die Hoffnung zum Ziel hat, dass sich in der Zwischen- – 20.04.06: Für den Fall, dass der VN-SR sich nicht auf zeit die politischen Bedingungen im Iran ändern? Vielleicht Maßnahmen einigen kann, bringt die US-Außenministerin auch durch Einflussnahme auf die innere Entwicklung von eine „Koalition der Willigen“ ins Gespräch. Ein Begriff außen? Noch haben wir die Zeit, denn der Iran steht noch der aus dem Irak-Krieg bekannt ist und darauf hindeutet, immer vor großen technischen Problemen bis er sein Ziel dass die USA es auf einen bewaffneten Konflikt ankommen in 5 bis 10 Jahren erreichen kann. lassen, um die iranische Führung in die Knie zu zwingen. Diese Erpressungsstrategie birgt die Gefahr, dass am Ende 2.5 Fortschreibung der Entwicklung: tatsächlich nur der Militärschlag bleibt mit seinen unkal- – 30.03.06: Nach dreiwöchigen Verhandlungen hat der Weltsi- kulierbaren Risiken. cherheitsrat eine Erklärung des Präsidenten zum iranischen – 22.04.06: Die russische Regierung sagt zum ersten Mal Atomprogramm beschlossen. Er fordert den Iran auf, alle öffentlich, dass man nur über Sanktionen sprechen könnte, Forderungen der IAEA zu erfüllen und seine Urananrei- „wenn konkrete Tatsachen bekannt werden, die beweisen, cherung einzustellen. In 30 Tagen soll die IAEA den VN- dass Iran nicht ausschließlich mit friedlichen nuklearen Sicherheitsrat unterrichten, ob dies geschehen sei. Moskau Aktivitäten beschäftigt ist. Damit ist Teheran de facto aus und Peking hatten auf einen moderaten Kurs gedrängt. Dem dem politischen Schwitzkasten entlassen Iran wird so nicht mehr vorgeworfen, dass sein Atompro- Staatspräsident Hu Jintao wiederholte in Washington, dass gramm eine „Bedrohung des internationalen Friedens und der Atomstreit „friedlich“ und durch „diplomatische Ver- der Sicherheit“ darstelle. handlungen“ beigelegt werden solle. – 31.03.06: Der iranische Außenminister Mottaki lehnte die Noch gibt sich die EU einig im Atomstreit, doch London und Erklärung scharf ab, betont aber, den Gesprächsfaden nicht Paris könnten ausscheren. Es fällt immer schwerer eine ge- abreißen zu lassen. meinsame Linie zu halten. Während Berlin auf das Konzept – 31.03.06: Iran hat eine Rakete getestet, die mehrere Ziele viel Zuckerbrot und wenig Peitsche setzt, sind Frankreich zugleich angreifen und vom Radar nicht entdeckt werden und Gr0ßbritannien in das Lager der Hardliner gewechselt. kann. Es soll sich um eine ballistische Rakete handeln, Noch tragen die EU-Drei ihre Differenzen nicht öffentlich die rund 2.000 km weit fliegen und auch Atomsprengköpfe aus. tragen kann. – 28.04.06: Die dem Iran gesetzte 30-Tage-Frist des VN-SR – 12.04.06: Ahmadinedschad erklärt die erfolgreiche Uran- ist abgelaufen. IAEA-Direktor El Baradei hat dem VN-SR anreicherung in der Anlage von Natans zu einem histo- über das Atomprogramm Bericht erstattet. Danach ist der rischen Erfolg. Der Iran werde die Technologie weiter ent- Iran der Forderung des VN-SR nach einer Einstellung der wickeln, bis die Atomkraftwerke des Landes mit Brennstoff Urananreicherung nicht nachgekommen. Irans Präsident versorgt werden könnten. Er versicherte weiter, dass der Iran Ahmadinedschad hatte jedes Zugeständnis abgelehnt und

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die Zusammenarbeit mit der IAEA weiter eingeschränkt so- Die IAEA bestätigt, dass Iran in Natans mit 164 Gaszentri- wie die IAEA-Inspektoren erheblich behindert. Das bisher fugen einen erneuten Versuch zur Urananreicherung unter- angereicherte Uran sei für Atomkraftwerke, nicht aber für nommen hat. Atomwaffen verwendbar. Der einflussreiche Vorsitzende des Wächterrates erklärte, – 29.04.06: Der Westen droht als Reaktion mit einer Reso- dass der Iran nicht auf sein Recht zur Nutzung der Atom- lution des VN-SR noch ohne Einschluss von Sanktionen, energie einschließlich der Urananreicherung verzichten aber den Weg sichtbar öffnend für Mittel des Kapitel VII wird. der UN-Charta. – 12.06.06: Iran will ein Ggenangebot zum Vorschlag der – 01.05.06: EU-Chefdiplomat Javier Solana lehnt eine mili- Staatengemeinschaft vorlegen. Es könnte sich nur um eine tärische Lösung ab. „Wir streben weiter eine diplomatische Änderung oder einen völlig neuen Entwurf handeln. Lösung an. Der VN-SR ist jetzt gefordert zu handeln“. Dem Iran ist es nicht gelungen, die Veto-Mächte im VN-SR – 04.05.06: Bundeskanzlerin Merkel trifft Präsident Bush in im Atomstreit zu spalten; diese haben den Termin für eine Washington. Im Atomstreit setzte sie sich für ein geschlos- Antwort Teherans auf den 29.06.06 festgelegt. senes Vorgehen der Staatengemeinschaft ein und kann für – 18.06.06: Außenminister Steinmeier erklärt: „Wir sind Ihre Haltung auf eine breite politische Unterstützung der dafür, den Nichtverbreitungsvertrag von 1970 effektiv an- Bundestagsparteien rechnen. Die USA ziehen die Bildung zuwenden. Der enthält das Versprechen der Atommächte einer „Koalition der Willigen“ für Strafmaßnahmen gegen abzurüsten, und dazu sollten wir sie auch drängen.“ Über Iran in Erwägung, sollte der VN-SR sich nicht auf gemein- den aktuellen Iran-Konflikt hinaus müsse der Stand der same Schritte einigen. nuklearen Rüstung weltweit überprüft werden. – 08.05.06: Ahmadinedschad schreibt Bush und macht all- – 23.06.06: Der iranische Ölminister hat angekündigt, dass gemeine Vorschläge für neue Lösungen als Ausweg aus den der Iran am 23.September 2006 die Einfuhr von Benzin internationalen Problemen. Er benennt das Schreiben als beendet. Aufgrund fehlender Raffineriekapazitäten muss „Worte und Meinungen des iranischen Volkes“ und erklärt das Land mehr als 40 Prozent seines verbrauchten Benzins Demokratie und Liberalismus für gescheitert. Nur indirekt importieren. Es wird vermutet, das die Verwundbarkeit Irans geht er auf den Atomkonflikt ein: „Warum wird jeder techno- durch mögliche Sanktionen im Atomstreit verringert werden logische und wissenschaftliche Fortschritt im Nahen Osten soll. als Bedrohung des Zionistischen Regimes dargestellt?“ – 28.06.06: Der russische Präsident Putin hat den USA neue – 13.05.06: Der Verdacht gegen den Iran bekommt neue Verhandlungen zur Abrüstung bei den strategischen Atom- Nahrung. Die IAEA hat in Proben, die im Februar aus dem waffen vorgeschlagen. Es gehe zuerst einmal um einen Ein- ehemaligen Forschungszentrum Lavisan-Schian entnom- satz für das 2009 auslaufende START-Abkommen. Er sprach men wurden, neue Spuren hoch angereicherten Urans ge- sich auch für eine grundlegende Neuordnung der weltweiten funden. Der Anreicherungsgrad liegt im waffentauglichen Sicherheitsstruktur aus. Bereich. – 11.07.06: Der EU-Vertreter Solana konnte beim Treffen mit Der VN-Generalsekretär fordert die USA erneut zu direkten dem iranischen Vertreter diesen nicht zu einer substantiel- Verhandlungen auf. Beobachter gehen davon aus, dass es len Reaktion auf das Angebotspaket bewegen. Teheran um eine Sicherheitsgarantie von Seiten der USA – 13.07.06: Präsident Bush erklärt bei seinem Deutschland- geht. besuch, dass die zumutbare Frist für den Iran nun abge- – 31.05.06: Die USA vollziehen in dem Atomkonflikt eine laufen sei und der Weg vor den VN-SR nur die logische diplomatische Kehrtwende und bieten dem Iran direkte Ge- Konsequenz wäre. Dabei ist ein wichtiges Ziel, die Ge- spräche an. Die USA wünschen eine „neue und positive“ schlossenheit der Vetomächte und Deutschland zu erhalten. Beziehung. Ein mögliches Ergebnis (Sanktionen?) der SR-Beratungen – 02.06.06: Die Außenminister der fünf Vetomächte des Welt- deutete er nicht an. sicherheitsrats und Deutschland haben sich auf eine ge- – 15.07.06: Der VN-SR hat im vollen Wortlaut den Kompro- meinsame Haltung im Atomstreit mit dem Iran verständigt. missvorschlag der fünf Vetomächte und Deutschland im Dies beinhaltet ein Paket von Vorschlägen für Gespräche Atomstreit mit Iran veröffentlicht. mit Iran, aber auch Elemente für eine Sanktionsbeschluss Darin werden Iran Unterstützung beim Bau eines Leicht- im VN-SR, falls das Regime den Forderungen der interna- wasserreaktors und bei der Entwicklung der friedlichen tionalen Gemeinschaft nicht folgen wird. Nutzung der Kernenergie angeboten. Als weitere Anreize – 06.06.06: Der EU-Beauftragte Solana traf am Vorabend in werden Iran die regelmäßige Versorgung mit Uran-Brennstä- Teheran ein, um das Verhandlungsangebot zu überbringen. ben aus Russland in Aussicht gestellt. Darüber hinaus solle Es besteht aus Vorschlägen zum Ausbau der Handels- und auch die iranische Wirtschaft durch Investitionen und volle Wirtschaftsbeziehungen, zur technischen Zusammenarbeit Integration in die Welthandelsorganisation (WTO) ange- auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie kurbelt werden. Handelsbeschränkungen auf den Gebieten und zu einem Dialog über Fragen der Sicherheit. Angeregt der zivilen Luftfahrt und der Telekommunikation könnten wird unter anderem eine Konferenz über Sicherheitsarra- aufgehoben werden. Dabei geht es konkret um den Handel gements in der Region des Nahen und Mittleren Ostens. mit Flugzeugen und Flugzeugteilen der Hersteller Boing Sicherheitsgarantien lehnen die USA weiterhin ab. und Airbus, die Lieferung moderner Internet- und Telekom- – 10.06.06: Präsident Bush drängt den Iran zu einer raschen munikationstechnologie sowie um eine Öffnung der Märkte Reaktion auf den jüngsten Kompromissverschlag der inter- in Europa und den USA für iranische Agrarprodukte. nationalen Gemeinschaft. Im Gegenzug soll sich Teheran verpflichten, alle Aktivitäten

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zur Urananreicherung auszusetzen und voll mit der IAEA Raketen während der mehrwöchigen Manöver, die markigen zusammen zu arbeiten. Sprüche von Präsident Ahmadinedschad und Ajatollah – 21.07.06: Iran kündigt an, am 22.August seine offizielle Chamenei sowie das Zutrittsverbot für internationale In- Antwort auf das Verhandlungsangebot der VN-Vetomächte spekteure zu einer wichtigen Anlage waren nicht gerade und Deutschland zu seinem Atomprogramm vorlegen zu Vertrauen erweckend. wollen. 2.8 Fortschreibung der Ereignisse: 2.6 Bewertung: – 25.08.06: Die Bundesregierung und die USA haben die Es war vorgesehen, in der Resolution zunächst auf die Arti- iranische Antwort als unzureichend zurück gewiesen. Es kel 39 und 40 nach Kapitel VII der UN-Charta zu verweisen. fehle die entscheidende Ankündigung des Iran zur zentralen Danach kann der Sicherheitsrat eine Bedrohung des Welt- Forderung des VN-SR, die Atomanreicherung zu stoppen. friedens feststellen (39) und die beteiligten Parteien noch Die 21-seitige Antwort, vom französischen Außenminister einmal zu bestimmten Maßnahmen aufrufen (40). Im Falle Douste-Blazy als sehr langes und kompliziertes Dokument Iran dürfte das u.a. die Einstellung der Urananreicherung bezeichnet, lässt nach Einschätzung Londons harte Diskus- und anderer nuklearer Verfahren sein, die auch militärisch sionen im Sicherheitsrat erwarten. Russland bekräftigte, genutzt werden können. es halte an der Suche nach einer politischen Lösung fest, Strittig ist, ob auch ausdrücklich auf Artikel 41 Bezug ge- während China die Notwendigkeit des Dialogs unterstrich nommen werden soll, der die Verhängung von (Wirtschafts-) und den Iran zu konstruktiven Maßnahmen aufforderte. Sanktionen ermöglicht. Militärische Maßnahmen gegen Iran Erste Details des iranischen Schreibens sind bekannt gewor- stehen nicht zur Debatte. den: Der Iran dringe auf einen konkreten Zeitplan für die Zudem fordert der Text alle Länder auf, sofort Lieferungen Umsetzung des Anreizpaketes, zudem fordere er Garantien an Iran zu verhindern, die zur Urananreicherung oder für und Einzelheiten zu vorgeschlagenen Sicherheitsvereinba- Raketenprogramme verwendet werden können. rungen in der Region. – 26.08.06:Der frühere iranische Präsident Chatami warnt 2.7 Fortschreibung der Ereignisse: vor wachsendem internationalem Druck auf sein Land. Da- – 31.07.06: Der VN-SR beschließt nach Artikel 40 Kapitel durch würde nur eine weitere Krise in der ohnehin schon VII, die unter Androhung von Sanktionen nach Artikel 41 explosiven Region geschaffen. Der Iran habe ein Recht zur eine Einstellung der Urananreicherungen bis Ende August Entwicklung der Atomenergie, die ausschließlich friedliche fordert. Diese Resolution 1696 wurde mit Stimmen 14 : 1 Zwecke verfolge. Die Haltung der USA zur Nichtverbreitung (Katar) angenommen. nannte er heuchlerisch. – 02.08.06: Der iranische Präsident weist die Resolution zu- Israel geht davon aus, dass die Welt den Iran nicht werde rück, die Iran für die Aussetzung der Urananreicherung eine stoppen können. Deshalb würde eine Entscheidung hin- Frist bis zum 31.08.06 setzt. sichtlich militärischer Gewalt gegen die iranischen Nukle- – 07.08.06: Der Iran will trotz der Sanktionsandrohungen areinrichtungen näher rücken. Israel traut den VN-Mecha- der VN seine Arbeiten zur Urananreicherung ausweiten. nismen keinen Erfolg zu und hält sich ein militärisches Teheran bezeichnet die Resolution als illegal. Das Land Vorgehen offen. werde die gesetzte Frist keineswegs einhalten. Es habe keine – 31.08.06: Das VN-Ultimatum im Atomstreit mit dem Iran seiner Verpflichtungen nach dem Atomwaffensperrvertrag ist abgelaufen. Die Zeichen stehen auf Konfrontation. Der verletzt. Iran hat als wichtigsten Punkt die eigenständige Anreiche- – 23.08.06: Chef-Atomunterhändler Laridschani übergab ges- rung von Uran nicht gemäß der Auflagen des VN-SR aus- tern in Teheran die offizielle Antwort seines Landes auf das gesetzt. Iran hat das Ultimatum mehrfach als unrechtmäßig Anreizpaket des VN-SR an die Vertreter der fünf Vetomächte zurückgewiesen. Nun stellt Ahmadinedschad die Autorität und Deutschland. Details zum Inhalt nannte er nicht. Er des gesamten Sicherheitsrates in Frage. Da Beschwerden betonte aber, die Führung in Teheran wolle ab sofort über gegen ein Veto nicht möglich seien, sei dieses Recht „eine alle Punkte des Pakets reden und dabei eine konstruktive Beleidigung der Würde, Unabhängigkeit, Freiheit und Sou- Rolle spielen. Die Antwort des Iran sei so angelegt, dass veränität anderer Staaten“. sie den Weg für Verhandlungen ebne. 2.9 Bewertung: 2.8 Bewertung: Wird der VN-SR die angedrohten Sanktionen beschließen? Die Resolution des VN-SR vom 31.07.06 ist die erste, die Oder hat der Iran sein Ziel schon erreicht und die internatio- rechtlich bindende Forderungen an den Iran stellt und nale Gemeinschaft gespalten? Die Grenzen der Gemeinsam- wirtschaftliche sowie politische Sanktionen androht. Mi- keiten der Ratsmitglieder sind in deren unterschiedlicher litärische Sanktionen blieben auf Drängen Russlands und Reaktion auf die iranische Antwort sichtbar geworden. Chinas unerwähnt. Bis zu einem Beschluss des VN-SR werden wieder Wochen Teherans Führer beharren weiter auf dem prinzipiellen vergehen, wenn es überhaupt einen geben wird. Recht, über den vollen Nuklearkreislauf mit eigener An- Eine Resolution zu internationalen Sanktionen könnte den reicherung zu verfügen. Ob sie dem Ultimatum des VN- Import von Kriegsmaterialien aller Art stoppen, einschließ- SR entsprechen, dieses Programm bis zum 31.August zu lich Präzisionswerkzeuge und Know-how für iranische Waf- suspendieren, wird zeigen, was ihre Gesprächsbereitschaft fenprogramme. wirklich wert ist. Die demonstrativen Starts weit reichender Internationale Reisebeschränkungen für die Führung und

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 33 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

das Zudrehen des Geldhahns sowie die Lieferung von Treib- September 2007 in Betrieb genommen werden. Damit setzt stoffen an den Iran könnten ebenso auf der Verbotsliste sich Russland gegen iranische Forderungen nach schnel- stehen. Wie immer in solchen Fällen wären die ärmsten Seg- lerer Fertigstellung durch. mente der Gesellschaft am stärksten betroffen, sie könnten – 07.10.06: Im Atomkonflikt mit dem Iran haben die fünf Ve- elementare subventionierte Güter nicht mehr erstehen. tomächte und Deutschland in London Gespräche über erste Man muss jedoch auch sehen, dass solche Embargos auch Sanktionen gegen Teheran aufgenommen. Nach Ansicht der immer Löcher haben: z.B. durch Schmuggel, Korruption USA und Großbritannien ist die Zeit für Strafmaßnahmen und Boykott verbündeter Regierungen. Ayatollah Ali Cha- durch die internationale Gemeinschaft gekommen. Die menei behauptet, Sanktionen bedeuten überhaupt nichts Bundesregierung erwartet von den Gesprächen noch keine für uns. Entscheidung über konkrete Sanktionen. Einigkeit besteht Die „diplomatische Druckluft“ wird Iran wahrscheinlich darüber, dass eine Fortsetzung der Gespräche des EU-Au- weiter als Überflieger im Islamischen Lager halten. ßenbeauftragten Solana mit der iranischen Seite sinnlos sei und nun der VN-Sicherheitsrat wieder eingeschaltet werden 2.10 Fortschreibung der Ereignisse: müsse. – 07.09.2006: Die VN-Vetomächte sind im Atomstreit un- – 18.10.06: Die EU-Außenminister in Luxemburg erklären eins. Eine gemeinsame Haltung ist nicht zu erkennen. Die mit Blick auf die bereits am 31. Juli, mit Frist 31. August politischen Direktoren der Vetomächte und Deutschlands mit Resolution 1696 vom 31.07. angedrohten politischen beraten heute in Berlin über das weitere Vorgehen. und wirtschaftlichen Maßnahmen, dass sie„ die jetzigen Be- – 10.09.06: Teheran spielt weiter auf Zeit und droht dabei ratungen über VN-Sanktionen gegen den Iran unterstützen, sein Blatt zu überreizen. Jedoch, Sanktionen scheinen die sich parallel dazu aber weiter um Verhandlungen mit dem Klerikalen nicht zu scheuen, Reformer hingegen fürchten Iran bemühen. die Isolation. Je länger das Debakel im Irak anhält und der – 21.10.06: Ein neuer Entwurf für eine Iran-Resolution liegt Atomstreit andauert, desto besser werden wohl die Angebote vor. Im VN-Sicherheitsrat wächst offenbar die Zustimmung für den Iran werden. zu Strafen. China versicherte den USA, sich konstruktiv an – 18.09.06: Außenminister Steinmeier schlägt die Schaffung einer Lösung des Konflikts zu beteiligen. einer von mehreren Staaten betriebenen Uran-Anreiche- – Irans Präsident Ahmadinedschad stellt indes die Legitimität rungsanlage unter dem Dach der Internationalen Atomen- des Rates in Frage und bezeichnete Israel in einer Rede als ergie-Organisation vor. Von dort könnten dann Interessenten „unrechtmäßigen und erfundenen Staat, der nicht lange wie Iran unter strenger Aufsicht nukleare Brennstäbe für überleben könne“. die zivile Nutzung beziehen. Es muss internationale Lie- – 29.10.06: Iran bestätigt, seine Versuche zur Urananreiche- fergarantien geben. Dies könnte den Wunsch nach eigenen rung mit der sich Sprengstoff für Atombomben gewinnen Uran-Anreicherungsanlagen ersetzen. lässt im Atomforschungszentrum Natans verdoppelt zu ha- – 27.09.06: Moskau bremst Irans Reaktor-Pläne. Das mit rus- ben. Die IAEA zeigte sich nicht überrascht, sie hält dies für sischer Hilfe erbaute erste Atomkraftwerk Irans soll erst im einen logischen zweiten Schritt nach den bisherigen Tests.

2.11 Bewertung: Die EU hat wahrlich alle Register gezogen, ein fast übertriebenes Angebot voller Wohltaten für Iran geschnürt, um die Mullahs von ihren Plänen zur Urananreicherung abzubringen. Bei aller Wertschätzung dieses Versuches, den Aufstieg Teherans zur Atommacht mit diplomatischen Mitteln zu verhindern, muss man sagen: Iran hat sich keinen Millimeter bewegt. Die Zeit der Gespräche ist zwar nicht vorbei, aber die Uhr für eine friedliche Einigung läuft ab. Teheran hat sich mit seinem Beharren selbst in eine Position gebracht, die es ohne Gesichtsverlust nicht mehr verlassen kann. Für Europa ist das ein herber Rückschlag, weil der Atomkonflikt neben der Nahost-Krise wohl die derzeit wichtigste außenpolitische Herausforderung ist.

3. Nordkoreas Atomwaffentest 3.1 Sachstand: Nordkoreanische Raketenschüsse am 5. Juli und Ort des Atomwaffentests – 10.10.06: Ungeachtet aller internationalen vom 9. Oktober 2006 (Quelle: Japan Defence Agency) Warnungen hat Nordkorea seinen ersten

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Atomtest durchgeführt. Die internationale Gemeinschaft 3.4 Bewertung: zeigt sich geschlossen empört darüber. Präsident Bush Absehbar ist die Destabilisierung der Kräftebalance in spricht von einer Bedrohung des Weltfriedens. Außenmi- Asien u.a. mit der Aufrüstung Japans, auch wenn „das Stre- nister Steinmeier sieht „Irrweg der Selbstisolation“. Selbst ben nach atomarer Bewaffnung nicht in Frage käme“. Zu- Nordkoreas bislang engster Verbündeter China zeigte kei- dem, eine Schleuse gegen die Verbreitung von Atomwaffen, nerlei Verständnis. Südkorea hat seine Hilfslieferungen von Iran bis hin in Terroristenhände, ist geöffnet worden. eingestellt. Der VN-Sicherheitsrat verurteilte den Atom- Und von den USA durch die Sanktionierung des indischen waffentest aufs Schärfste. Alleingangs zusätzlich beschädigt, gerät das System der in- Nordkorea berichtet, das unterirdische Experiment sei mit ternationalen Kontrolle zusehends ins Wanken. Wer immer „einheimischer Weisheit und Technologie hundertprozentig sich von den USA bedroht fühlt, wird Irak und Nordkorea durchgeführt worden“. Damit ist Korea das neunte Land auf vergleichen und zu dem Schluss kommen, mit Atomwaffen der Erde, das einen Atomtest durchgeführt hat. lebt es sich sicherer. Was wohl auch der Iran denkt.

3.2 Bewertung: 3.5 Fortschreibung der Ereignisse: Bei der Frage nach einer angemessenen Reaktion auf diese – 17.10.06: Nordkorea hat die vom Sicherheitsrat verhängten schlimme Provokation des Hungerstaates bleibt nur die Rat- Sanktionen als Kriegserklärung bezeichnet. Außerdem gibt losigkeit. Scharfe Verurteilungen, eine Resolution des Si- es offenbar wage Hinweise auf die Vorbereitung eines zwei- cherheitsrates, neue Sanktionen – das alles ist wohl richtig, ten Atomtests. aber was genau kann damit eigentlich erreicht werden? – 20.10.06: US-Präsident Bush hat Nordkorea ernste Konse- Die Ausbreitung von Atomwaffen lässt sich langfristig wohl quenzen angedroht, sollte das Land Atomwaffen an andere ohnehin nicht verhindern. Und gegen Regime, die wider alle Staaten wie den Iran oder an Terrororganisationen weiter- Vernunft auf Provokation und Konfrontation setzen, hilft leiten. auch keine Diplomatie. Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Il empfängt den chinesischen Gesandten. Es war das erste Mal seit dem 3.3 Fortschreibung der Ereignisse: Atomtest, dass Kim mit einem ausländischen Diplomaten – 12.10.06: Nordkorea hat seine Drohgebärden verstärkt. zu Gesprächen über die Krise zusammenkam. Kim soll im Die Bemühungen um VN-Sanktionen bezeichnete es als Gespräch bedauert haben, dass sein Land China durch den Kriegserklärung und kündigte weitere Atomtests an. Im Atomtest Anfang Oktober in eine schwierige Lage gebracht Westen wuchsen indes Zweifel, ob Nordkorea tatsächlich habe. einen Atomtest unternommen hat und ob er nicht vielleicht – 21.10.06: Nach den VN-Sanktionen als Reaktion auf seinen misslungen ist. Atomtest bemüht sich Nordkorea offenbar um Entspannung. – 16.10.06: Die 15 Mitglieder des VN-Sicherheitsrates haben Es gebe keine Pläne für weitere Nukleartests, sagte Kim einstimmig Sanktionen gegen Nordkorea beschlossen, weil Jong Il. sie durch den mutmaßlichen Atomtest des Landes „den – Die USA und China dringen derweil auf einen neuen An- Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedroht seh- lauf zu den seit November 2005 unterbrochenen Sechserge- en“. Die Resolution verlangt, dass alle Ein- und Ausfuhren sprächen über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm. Nordkoreas nach Bestandteilen für Massenvernichtungswaf- Daran nehmen weiter teil die beiden koreanischen Staaten, fen und damit im Zusammenhang stehende Güter kontrolliert Russland und Japan. werden sollen. Daneben soll ausländisches Vermögen einge- – 03.11.06: Nordkorea geht gestärkt in neue Verhand- froren werden. Ein generelles Waffenembargo ist nicht vor- lungen. gesehen. Aber die Weitergabe von schweren konventionellen Waffen wird untersagt. Dies betrifft vor allem Kampfpanzer, 3.6 Bewertung: Artilleriegeschütze, Kampfflugzeuge und –hubschrauber so- Die allseits begrüßte Rückkehr an den Verhandlungstisch wie Kriegsschiffe und Raketensysteme. Besonders gegen die ist vor allem ein Erfolg chinesischer Diplomatie. Das Zu- Führungsschicht richtet sich das Verbot, Luxusgüter in das geständnis, zu den Sechser-Gesprächen zurückzukehren, Land zu liefern. Die Staatengemeinschaft fordert weiter eine besänftigte nicht nur China, sondern erlaubt Nordkorea atomwaffenfreie koreanische Halbinsel. Sollte Nordkorea die Feststellung, dass die USA jetzt am Zuge seien, die nachprüfbar sein Atomwaffenprogramm beenden, würden Gespräche voranzubringen. Dabei behält es sich unverän- die USA und andere Länder umfangreiche Wirtschafthilfe dert das Recht vor, Atomwaffen zu testen. Die Forderung, leisten. Nordkorea wird aufgefordert an den Verhandlungs- dass die USA als Voraussetzung für Gespräche erst die tisch zurückzukehren. Aus Rücksicht auf China und Rus- amerikanischen Finanzsanktionen aufheben müsste, hatte sland wird auf militärische Drohungen verzichtet. Pjöngjang schließlich fallen lassen. Vor einem Jahr hatte Japan kündigte zugleich an, dass es seine bereits beschlos- sich Nordkorea grundsätzlich zur Aufgabe seines Atom- senen Strafmaßnahmen gegen Nordkorea noch verschärfen programms bereit erklärt. Damals winkten wirtschaftliche wolle, dazu gehört allen nordkoreanischen Schiffen das An- Hilfe, Energielieferungen, eine Sicherheitszusage der USA legen in japanischen Häfen zu verbieten. und eine Normalisierung der Beziehungen zu Washington. Die USA verweigern weiterhin direkte Gespräche mit dem Trotzdem wurde der Weg der Isolierung und Entwicklung „Schurkenstaat“. Die IAEA mutmaßte, dass Nordkorea ge- der Atombombe gewählt. Heute hat das Regime sie im Ar- nug Plutonium aus dem Versuchsreaktor in Yongbyong für senal! Wie teuer, wenn überhaupt realisierbar, sollte eine fünf bis sechs Atombomben gewonnen haben könnte. Rück-Rüstung werden? ❏

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 35 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, ... dem Frieden in der Welt dienen« Eine sicherheitspolitische Betrachtung zur Präambel des Grundgesetzes

VON KLAUS LIEBETANZ

m Folgenden untersucht der Autor, Mitglied des GKS-Sachaus- später CDU) mit folgenden Worten schusses „Sicherheit und Frieden“, wie es zu der o.a. Formu- gefordert: „Wenn ich zum Inhalt der lierung in der Präambel des deutschen Grundgesetzes vom Präambel noch weitere Ausführungen 23. Mai 1949 gekommen ist. machen darf, so muss ich darauf hin- I weisen, dass wir bei dieser Fassung Die Bedeutung der Präambel zeigt, dass wir Deutsche ein positives, einiges vermissen, was mit der von Der Text des Grundgesetzes wurde fruchtbares Glied der europäischen Herrn Dr. Süsterhenn (CDU, Anm. d. im Wesentlichen in der Zeit vom 10. Völkerfamilie sein wollen und sein Verf.) gewünschten Verankerung des August 1948 bis zum Frühjahr 1949 können. Damit eröffnet sich dann Werkes im metaphysischen zusam- in Bayern auf Herrenchiemsee vom auch der Weg zum Frieden. Denn menhängt. Ich bin der Auffassung, Hauptausschuss des Verfassungskon- alles, was wir tun, kann zunächst dass die ethische Qualifikation der vent formuliert. Dieser bestand aus nur eine Vorarbeit dafür sein, dass Präambel klar und deutlich hervor- 21 gewählten Vertretern der Länder. auch in Deutschland wieder die Frie- treten muss. Ich bin der Auffassung, Um die Formulierung der Präambel densglocken läuten können und die dass die Bezugnahme auf unsere Ver- des Grundgesetzes wurde monate- Friedensarbeit beginnen kann. Das antwortung vor Gott in diese Präam- lang heftig gerungen. Die Präambel ist die tiefste Sehnsucht des ganzen bel hineingehört; denn wir sind nicht sollte nämlich nach den Worten von deutschen Volkes. nur dem deutschen Volk, sondern Prof. Dr. Carlo Schmid (SPD) „nicht Meine Herrn, ich darf, vielleicht auch durch unser Gewissen auch den einen rhetorischen Vorspruch, den ist es ein wenig altmodisch, zum geistigen Mächten verantwortlich, die man aus Gründen der Dekoration und Schluss noch einem Gedanken Aus- sich in Gott personifizieren. Auch im der Feierlichkeit dem „eigentlichen“ druck geben. Das Werk, das von hier Weimarer Verfassungsausschuss ist Text voranstellt“ zum Inhalt haben, seinen Ausgang nehmen soll, wird so diese Frage erörtert worden. Damals sondern „ein wesentliches Element vielen großen Aufgaben gerecht wer- bestand die Sorge, ein Antrag hier- des Grundgesetzes“ (s. Protokoll des den müssen. Es soll den Grundstein über könnte abgelehnt werden, und Parlamentarischen Rates – 6. Sitzung, legen nicht nur für künftige materi- man hat wegen der Gefahr dieser Ab- 20.10.1949, S. 70). elle, sondern auch für die geistige lehnung verhindert, dass er überhaupt Wohlfahrt des deutschen Volkes. Da- gestellt wurde. Das soll uns aber heute Der Gottesbezug und die Ver- her muss es nach meiner Auffassung nicht beeinflussen, die Notwendigkeit pflichtung zum Frieden von der Führung des heiligen Geistes dieser Bezugnahme klar und eindeu- Der Gottesbezug und die Ver- überschattet sein. Dabei mag jeder tig zu vertreten.“ pflichtung zum Frieden war ein be- sich vom Heiligen Geist das Bild (Protokoll der 6. Sitzung des Parl. sonderes Anliegen der Vertreter der machen, das seiner Weltanschauung Rates vom 20.10.1948, S. 77) CDU/CSU. Dies kommt in besonderer entspricht. Einig aber sind wir alle in Weise in den folgenden Ausführungen dem Gedanken, dass die edelste gött- Einwände von Prof. Dr. Heuss des bayerischen Staatsminister Pfeif- liche Form des Geistes Sie erfüllen (FDP) fer zum Ausdruck: „Es soll – das muss, damit einstens in der Geschich- Auf der gleichen Sitzung des ist unsere große Hoffnung – in den te des Aufbaus des neuen Deutsch- Parlamentarischen Rates gab The- nächsten Monaten ein Verfassungs- lands dem Verfassungskonvent von odor Heuss, der spätere erste Bun- werk entstehen, dass dem neuen Herrenchiemsee ein Ehrenplatz ge- despräsident, seine Bedenken gegen Deutschland den Weg in die europä- bührt.“ (s. Protokoll der 1. Sitzung den Gottesbezug in der Präambel mit ische Völkerfamilie öffnet und uns die des Verfassungskonvent auf Herren- folgenden Worten zum Ausdruck: Möglichkeit gibt, durch eigene staats- chiemsee am 10.08.1948, S. 8) „Darüber, ob man eine theologische gestaltende Kraft zu beweisen, dass Formel mit hereinnimmt oder nicht, wir vielmehr in uns Kraft fühlen, das Unterstützung von Dr. Seebohm können wir miteinander reden. Aber wahrhaft Gute im deutschen Wesen zu (DP) von dorther kommt auch die Sorge, gestalten und die Gefahr von Fehlern Die Verankerung des Gottesbe- dabei Gott zu bemühen, für die Un- und Wirrungen der Vergangenheit zu zuges in der Präambel wurde auch zulänglichkeiten, die Torheiten und vermeiden, ein Verfassungswerk, das von Dr. Seebohm (Deutsche Partei, die Missverständnisse, die auf Grund

36 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZUR PÄAMBELK DESOPFZEILE GG eines sehr menschlichen Werkes ent- nicht wenige überzeugte Christen – Förderung der jeweiligen Zivil- stehen. Man muss sehr vorsichtig sein dienen, an der politischen Macht ist, gesellschaft und um der theologischen Position willen, ist sie verpflichtet wieder wirksame – lebensrettende humanitäre dieses sehr diesseitige Werk zu stark Friedenspolitik zu betreiben (s.a. das Hilfe. im Metaphysischen verankern zu Interview mit der Parlamentarischen Die große Koalition sollte sich vor wollen, weil man sich selber dann in Staatssekretärin im BMZ, Karin Kor- allem von der halbherzigen Friedens- eine quasi Nichtverantwortung begibt. tmann (SPD), auf dieser Seite). Dies politik der Vorgängerregierung tren- Aber darüber wird zu sprechen sein. geschieht bei Auslandseinsätzen nen. Kronzeuge für diese Halbherzig- Mir kommt es darauf an, dass wir die deutscher Kräfte nicht nur durch mi- keit ist der UNO-Sonderbeauftragte knappe, feierliche und doch sachlich litärische Eindämmung, sondern vor für Afghanistan, Tom Koenigs (Grü- bindende Form in der Präambel schaf- allem durch ne), der dies Anfang August 2006 in fen können, die, so mühsam und an- – angemessene effektive und einem Interview beklagte (Der Spiegel ständig unser gemeinsames Bemüh- rechtsstaatliche Ausbildung en gewesen ist, im Ergebnis bis jetzt 32/2006, S.104 ff). Die CDU/CSU ist der jeweiligen lokalen Polizei; leider noch nicht vorliegt.“ (Protokoll zusammen mit der SPD gut beraten, – durch massive entwicklungs- der 6. Sitzung des Parl. Rates, S. 76) deutsche Auslandseinsätze im Lichte politische Maßnahmen, wie vor der gemeinsam unter Anrufung Got- Wortlaut der Präambel allem die Schaffung von Arbeits- tes feierlich verabschiedeten Präam- Am 23. Mai 1949 wurde der Text plätzen; bel des deutschen Grundgesetzes zu ❏ der Präambel (s. Kasten) durch den – demokratischen Staatsaufbau; korrigieren. Parlamentarischen Rat in das Grund- gesetz aufgenommen, nachdem er vom Hauptausschuss des Verfassungskon- vents mit 18 gegen 1 Stimme ange- nommen wurde. Präambel des GG „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott Abschließende Betrachtung Die Entstehungsgeschichte der und den Menschen, von dem Willen beseelt, Präambel des deutschen Grundge- seine nationale und staatliche Einheit zu wahren setzes zeigt, dass die CDU/CSU maß- geblich an der friedenspolitischen und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Formulierung derselben beteiligt war. Europa dem Frieden der Welt zu dienen, Friedenspolitik ist also nicht – wie gelegentlich jüngere Mitarbeiter der hat das deutsche Volk CDU meinen – eine zu bekämpfende in den Ländern, Bayern, Bremen, Hamburg, „weltfremde“ Propaganda linker Par- Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, teien, sondern ein wesentlicher Be- standteil christdemokratischer Poli- Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg- tik. Die CDU/CSU hat vom Beginn an Baden und Württemberg-Hohenzollern, eine aktive Friedenspolitik betrieben und insbesondere durch ihre konse- um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit quente Europapolitik zu einer fried- eine neue Ordnung zu geben, kraft seiner lichen Gestaltung der Welt wesentlich beigetragen. verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz Derzeit muss die CDU/CSU je- der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. doch darauf achten, dass sie nicht in das gleiche Verhaltensmuster verfällt Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen wie nicht wenige westdeutsche Poli- mitzuwirken versagt war. tiker, die 40 Jahre lang bei Sonntags- reden feierlich bekundet hatten, dass Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, Berlin Hauptstadt würde, sobald die in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Wiedervereinigung da sei. Nach der Deutschlands zu vollenden.“ Wiedervereinigung bekamen sie je- doch kalte Füße und wollten davon nichts mehr wissen. Bonn sollte aus durchsichtigen Gründen Regierungs- sitz bleiben. Heute, wo die CDU/CSU zusammen mit der SPD, in der auch

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 37 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Zur Lage in der Demokratischen Republik Kongo vor Verkündigung des Ergebnis ses der Stichwahl

VON JOACHIM HELLERSDORF

Die Situation blieb nach der Die beiden zur Wahl stehenden mentan stärker in Erscheinung 1.Stichwahl vom 29. Oktober 2006 4.Politiker verkörpern auch unter- treten. Auch kann die aktuelle ruhig, die beiden Kontrahenten schiedliche, zeitweilig auch ge- Ruhe in Kivu täuschen. haben sich in einer Absichtser- gensätzliche, politische Grund- • Es sind noch zu wenige Sol- klärung auf die Anerkennung linien: Während Bemba bis zu daten von der Neustrukturierung des Wahlergebnisses und ihres einem gewissen Grade die Mo- der Armee erfasst worden. gegenseitigen Schutzes nach butu-Tradition widerspiegelt, ist • Bevorzugung einer ethnischen der Verkündung des Wahler- der politische Hintergrund von Gruppe; im Falle Kabilas der gebnisses verpflichtet. Auch Kabila und Gizenga, der desi- Tutsi (Meinung in Kinshasa: mit solle das Wahlergebnis nicht gnierte Premierminister, eher das Kabila kommen die Rwander). mit Waffengewalt in Frage ge- politische und moralische Erbe • Machtpolitische Ambitionen stellt werden. von Lumumba. (Dieser Umstand einiger Nachbarstaaten des Kon- Es war auch nicht sehr wahr- sollte weniger in das europäische go, die über ein breites Spek- scheinlich, dass es am Wahltag Links-Rechts-Schema gepresst, trum von direkter und indirekter – eine gute Organisation der eher als unterschiedliche Aus- Einflussnahme verfügen. (Bsp. Wahlen vorausgesetzt – zu grö- prägungen von nationalistischen Rwanda: Es könnte alle Kongo- ßeren politischen Problemen Strömungen verstanden werden.) lesen in Rwanda auffordern, die kommen würde. Offenbar hat das Wahlverhalten vorgeschriebenen Visagebühren Trotz Bekundungen zur Ge- der Kongolesen auch einen his- zu bezahlen oder das Land zu waltfreiheit ist die Entwicklung torisch-politischen Aspekt. verlassen, was das sicherheits- der Situation nach Verkündi- politische Gefährdungspotential gung des Wahlergebnisses nicht Folgende Faktoren könnten einer im Ostteil Kongos stärken wür- vorhersagbar. Auch begrenzte 5.weiteren Stabilisierung entge- de.) Gewaltandrohung oder -anwen- genwirken und gar destabilisie- • Die Wahl von Bemba zum dung kann eine Kettenreaktion rende Wirkungen entfalten: Präsidenten hätte auch weitrei- der Gewalt und Gegengewalt in • Dauerstreit zwischen dem Prä- chende regionale Konsequenzen: Gang setzen. Dazu reicht bereits sidenten, dem Vizepräsidenten Angesichts seiner guten Be- ein betrunkener Soldat. und dem Parlament: Die Verfas- ziehungen zu Uganda und vor sung sieht eine Machtteilung vor, dem Hintergrund der Dauer- Kabila und Bemba hielten sich die es bisher in der politischen spannungen zwischen Rwanda 2.als Personen im Wahlkampf zu- Kultur des Landes nicht gab. Es und Uganda wäre dies für die rück. Die Massenmedien in ih- bedarf dafür seitens der Politi- politische Führung in Rwanda rem Umfeld weniger. Einzelne ker einer angemessenen Politik, ein Verlust an Einflussmöglich- Zeitungen und Homepages ver- auch der Einsicht in die Rechts- keiten und an politischem Hand- melden bereits den Sieg des ei- gebundenheit der Politik. Es ist lungsspielraum. Umgekehrt, je- nen oder anderen Kandidaten. fraglich, ob dies kongolesische doch nicht so akzentuiert, würde Politiker dem Land vorleben dies bei der Wahl von Kabila für Die bisher veröffentlichen Wahl- können. Ein Lernprozess wird Uganda zutreffen. 3.ergebnisse zeigen, dass in allen unvermeidlich sein. • Nachlassende (Selbst-)Kon- Wahllokalen die Entscheidung • Die führenden Politiker ver- trolle der Massenmedien, beson- eindeutig entweder für Kabila fügen außerhalb von Kinshasa ders in der Hauptstadt. oder für Bemba ausfiel. Egal noch immer über Milizen, die wer die Wahl gewonnen hat, die (aus meiner Sicht) nicht von der Ausblick Wähler der Region, die nicht für MONUC kontrolliert werden. Dem Kongo eröffnet sich die ihn gestimmt hat, werden sich Unter den vielfältigen Gerüch- 6.Möglichkeit für eine friedliche betrogen fühlen. Ihre Reaktion ten gibt es auch solche, die von Entwicklung, die aber noch auf das Wahlergebnis ist un- Neuaufstellung von Milizen spre- viel fäl tigen Gefährdungen un- klar, Überreaktionen einzelner chen. Jeder führende Politiker terligt. Milizen oder Truppenteile sind hat die Möglichkeit, bewaffnete möglich. Gruppierungen über Mittels- Die Bevölkerung und der Groß- Offenbar verfügt Kabila ge- männer zu steuern. In Equateur 7.teil der Politiker wollen den po- genüber Bemba über einen be soll eine bewaffnete Gruppe mit litischen Neuanfang in ihrem Vorsprung 58 zu 42 Prozent. dem Namen „Rote Armee“ mo- Land. Das bisherige System

38 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZUR LAGE IMK OPFZEILEKONGO

– 1 + 4 (ein Präsidenten und Art spezialisierter Gerichtshof Ära zurückfallen, sondern dass vier Vizepräsidenten) – brachte könnte sich diesem Problem an- sie dies angesichts der Globalisie- zwar den Frieden in Form eines nehmen. rung (u.a. durch das Verwischen politischen Kompromisses, aber Es besteht die Gefahr, das kon- der Grenzen zwischen Staat und keine Entwicklung. Die schnel- golesische Politiker nicht nur in Wirtschaft) dies noch akzentuier- le Arbeitsaufnahme der obersten die „Gewohnheiten“ der Mobutu- ter zelebrieren können. ❏ Machtorgane des Landes, vor allem der Regierung, hat zen- trale Bedeutung. Mehr als 11.000 Kinder in der Hand von Rebellengruppen Die Bevölkerung erwartet von der Regierung eine zügige Verbes- rei Jahre nach Ende des Bür- auf, alle Kinder zu befreien. serung ihrer Lebenslage, darunter gerkriegs im Kongo sind nach Ein seit 1998 dauernder Bürger- Entlastung von Schulgeld, Verbes- DAngaben von amnesty inter- krieg in dem zentralafrikanischen serung des Gesundheitsdienstes national (ai) noch mehr als 11.000 Land endete im April 2003. Dabei sowie überschaubare (und be- Kinder in der Hand von bewaffneten wurden nach UN-Schätzungen min- trugsfreie) Verwaltungsabläufe. Gruppen. Ein Regierungsprogramm desten 30.000 Jugendliche unter 18 Ungenügende Fortschritte in die- zur Entwaffnung und Wiedereinglie- Jahren von der Armee oder bewaffne- sen Bereichen möglicherweise ge- derung in die Gesellschaft reiche ten Gruppen als Kindersoldaten re- paart mit schweren Korruptions- nicht zum Schutz der als Kindersol- krutiert. Das Reintegrationsprogramm fällen in Regierungskreisen oder daten missbrauchten Jugendlichen für ehemalige bewaffnete Kämpfer gar Menschenrechtsverletzungen aus, heißt es in einem am 4. Oktober wurde nach ai-Angaben mit umge- würden schnell dem Präsidenten in London veröffentlichten ai-Bericht. rechnet rund 160 Mio Euro von der angelastet werden und könnten Besonders die Anzahl der verschlepp- internationalen Staatengemeinschaft erneut die Situation destabilisie- ten Mädchen, die von den ehemaligen finanziert. Seit 2003 stand Präsident ren. Kämpfern als sexuelles Eigentum an- Joseph Kabila an der Spitze einer gesehen würden, sei ungeklärt. „In Über gangsregierung. Ende Oktober Der Kongo bedarf weiter der manchen Gegenden wurden weniger haben die Kongolesen in der zweiten 8.Unterstützung und Begleitung als zwei Prozent der Mädchen aus den Runde der Präsidentschaftswahlen durch die internationalen Ge- Gruppen befreit“, sagte der stellver- zwischen Kabila und seinem Her- meinschaft. Besonders die Zeit tretende Afrika-Direktor von amnesty, ausforderer Jean-Pierre Bemba ent- der Regierungsbildung und ihrer Tawanda Hondora. Dabei seien mehr schieden. ersten Arbeitsmonate bleiben si- als 40 Prozent der Verschleppten Kabila erhielt 58 Prozent der ab- cherheitsrelevant. Ein wichtiger Frauen. Zugleich rekrutierten die Re- gegebenen Stimmen und wird damit Aspekt wird dabei zumindest an- bellen weiterhin neue Kindersoldaten. der neue Präsident der Demokra- fänglich auf dem militärischen ai forderte die kommende Regierung tischen Republik Kongo Faktor liegen (Abschreckung der Demokratischen Republik Kongo (KNA) durch Anwesenheit, Druck auf Abschluss der Neubildung der Armee, Unterstützung ihrer sozi- Stichwort: Kindersoldaten alen Logistik, staatsbürgerliches eltweit werden VN-Schätzungen zufolge nahezu 300.000 Kinder- Schulungsprogramm). Wsoldaten eingesetzt. Ein Drittel von ihnen sind Mädchen. Viele der kleinen Krieger haben das 10. Lebensjahr noch nicht erreicht. Kinder- Die internationale Gemeinschaft soldaten stammen meist aus den ärmsten Schichten der Bevölkerung. 9.sollte sich selbst auf einen ange- messenen Umgang mit dem Kon- Land Zahlder Kindersoldaten Einsatz go verpflichten. Im Hinblick auf Kolumbien ca. 14.000 FARC, ELN etc. „Sondereinnahmen“ werden die Burma ca. 50.000 Regierungsarmee, bewaff- führenden Politiker Kongos mit nete Oppositionsgruppen Sicherheit die unterschiedlichen Staatenvertreter gegeneinander Angola ca. 7.000 auszuspielen wissen. Veruntreu- Indien Anzahl unbekannt Regierungsarmee, bewaff- ungen sollten publik gemacht nete Oppositionsgruppen werden, auch der Verdacht. Keine Afghanistan Anzahl unbekannt Budgethilfen oder Finanzzuwen- Philippinen Anzahl unbekannt Paramilitärs, bewaffnete dungen ohne direkte Kontrolle. Oppositionsgruppen Die Kultur der Veruntreuung öf- fentlicher Gelder lähmt den Kon- Indonesien Anzahl unbekannt Informanten für Regierungs- go und dürfte das entscheidende u. Oppositionsgruppen) Entwicklungshemmnis sein. Eine

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 39 Bild des Soldaten

Schädel-Fotos in der Bild-Zeitung beschäftigen auch die Militärseelsorge: Nicht allein Angelegenheit der Bundeswehr,

sondern der Gesellschaft, deren Spiegel die Truppe ist eutsche Soldaten hatten sich in Afghanistan mit menschlichen Totenschädeln in obszöner Weise fotografieren lassen. „Bild“ hatte dazu am 25.10.2006 drei Fotostrecken veröffentlicht und damit Deinen Zeitpunkt gewählt, als Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung das neue „Weiß- buch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ der Öffentlichkeit vorstellte. Motivforschung betrieben nicht nur Medien und Behörden, sondern auch die Militärseelsorger, die bei ih- rer Gesamtkonferenz (23.-27.10.2006 in Freising) von dem „Skandal“ überrascht wurden, so berichtete der KNA-Informationsdienst Nr. 44 am 01.11.2006. Der Gautinger Pfarrer Otto Gäng, 2002/2003 in Kabul im Einsatz, hätte nach eigenen Worten „eine solche Schändung nie für möglich gehalten“. Zugleich bestätigt er, dass der Einsatz unter Lebensge- fahr zu einer gewissen Verrohung führt: „Man stumpft ab.“ In dieser Haltung komme auch ein gewisser Selbstschutz zum Ausdruck. Denn vor allem bei Patrouillen durchlebten die Soldaten enorme psychische und physische Strapazen. Entschuldigen will Gäng die Grenzüberschreitung damit allerdings nicht. „Die Soldaten waren sich nicht im Klaren darüber, was sie tun“, sagt der Münchner Standortpfarrer Edwin Grötzner. Er verweist auf das zum Teil sehr junge Alter der Täter. Für den Geistlichen, der noch im Juli in Kabul war, ist der Skandal jedoch keine Angelegenheit der Bundeswehr, sondern der Gesellschaft, deren Spiegel die Truppe sei. Wenn es in der Schule Probleme mit der Disziplin gebe, „dann haben wir irgendwann diese Probleme auch in der Bundeswehr“. Die Soldaten würden vor ihren Auslandseinsätzen mindestens dreimal in zum Teil mehrwöchigen Seminaren vorbereitet. „Da lernt man auch, dass man so nicht mit Gebeinen von Toten umgeht.“ Militärbischof Walter Mixa meint, zu solchen Taten seien nur Menschen fähig, die innerlich haltlos seien und offenbar zwischen Gut und Böse nicht unterscheiden könnten. Umso wichtiger seien die Innere Führung und der von den Kirchen gestaltete Lebenskundliche Unterricht. Der Münchner Benediktiner-Al- tabt Odilo Lechner will die Ereignisse trotz der schlimmen Bilder nicht überbewertet wissen. Es habe sich um einen ungeschickten Versuch gehandelt, spaßhaft mit etwas Unbekanntem wie dem Tod umzugehen. Schlimmer sei, wenn Lebende gefoltert oder misshandelt würden. Militärpfarrer Michael Waldschmitt, der bis Ende September die deutschen Truppen in Kabul beglei- tet hatte, äußerte sich dazu auf Befragen im „Hamburger Abendblatt“ vom 26.10.2006. Er wandte sich gegen den Eindruck, dass der Einsatz in Afghanistan zu einer Verrohung der Soldaten geführt haben könnte. Die „abscheulichen Bilder“ verwiesen vielmehr darauf, dass viele junge Menschen gewalttätige Filme und brutale Computerspiele konsumierten. Das gelte auch für manche Soldaten, die in Afghanistan Laptops zur Freizeitgestaltung nutzten. „Die Bundeswehr ist ein Spiegel der Gesellschaft“, sagte Wald- schmitt. „Entscheidend ist, was die Soldaten an Vorerfahrungen mitbringen, und welche Einstellung ihre private Umgebung und die Gesellschaft zu Gewalt haben.“ Die GKS hatte bei einer Vorstandssitzung beschlossen, über die von ihr mitgetragenen Stimmen aus der Militärseelsorge hinaus, sich nicht mit einer eigenen Stellungnahme zu dem Vorfall zu äußern. Nachfolgend veröffentlicht AUFTRAG aber die sehr engagierte Meinung eines Mitglieds des GKS-

Geschmacklos und makaber – BILD und die Bilder von Helmut Jermer nde Oktober wurde von BILD bedienen, scheute die Redaktion kei- wohl ein Fremdwort – steckt hinter – wieder einmal – eine „Sau ne Mühe und kein Honorar. Wie groß solchem Gebaren? Natürlich kann Edurchs Dorf getrieben“. Das muss sie den Gaffer-Faktor einschät- BILD sich die Presse-„Freiheit“ neh- Boulevardblatt hielt es für seine zen, wenn sie glaubt, auf so schein- men und über solche Vorfälle berich- Informationspflicht, die Menschen heilige Weise die Volksseele – mit ten. Muss man aber Bilder, auch wenn draußen im Lande mit makaberen drei Jahre alten Bildern – aufwühlen sie als Dokumente der Zeitgeschichte und anstößigen „Knochenbildern aus zu müssen? Die Aktualität kann nicht rechtlich nicht zu beanstanden sind, Afghanistan“ beglücken zu müssen. das Motiv gewesen sein. Welche jour- mit so unästhetischen und verab- Um die voyeuristische Leserschaft zu nalistische Ethik – für dieses Blatt scheuenswürdigen Szenen zeigen. Cui 40 AUFTRAG 264 • Dezember 2006 ZERRBILD IN BIILD bono? Welche Absicht steckt hinter dings1 schneidet er tiefgefrorene Tote einer solchen „Berichterstattung“? auf und verkauft die Scheibe für 7.000 Das schnell-lebige Tagesgeschäft Euro. Seine Ausstellungen sind auch in einer Boulevard-Zeitungsredaktion von Kindern (unter sechs Jahre Ein- vernebelt nicht selten den Blick für tritt frei!) besucht, und kaum jemand weitsichtige und tiefgründige The- regt sich öffentlich auf über diese men. Die oft selbstgemachte Hektik Störung der Totenruhe. Eine wirklich führt zu einer ex-und-hopp-Mentali- verlogene und kranke Gesellschaft! tät, die einen Fast-Food-Journalismus Wenn sich junge Leute an so generiert. Wirklich wichtige, über die einem „Scheiß“ orientieren, dann Tagespolitik hinausreichende Themen darf man sich nicht wundern, wenn verlieren die sensationslüsternen ein paar selbsternannte „Künstler in Schreiberlinge aus dem Blick, den Uniform“ eine Knochen-Performance ihnen die dicken schwarzen Lettern der obszönen Art bieten. Wer Gewalt- verstellen. Da wartet die Republik seit videos wie Nutella-Brötchen in sich 12 Jahren auf ein neues Weißbuch. „reinzieht“, merkt vermutlich nicht Der Bundesminister der Verteidigung, Eindrücke aus der Krisenregion einmal auf der Anklagebank, wie er das Auswärtige Amt, das Kanzleramt – Stress eben. sich gefühlsmäßig selbst amputiert haben sich redlich bemüht, eine Zu- Ungeheuerlich ist allerdings die hat. Gewalttätigkeiten und entwürdi- sammenschau „zur Sicherheitspolitik Masche, dass die am ekelhaften Trei- gende Behandlungen gehören man- der Bundesrepublik Deutschland und ben beteiligten Soldaten ihre „Er- cherorts, und nicht erst seit heute, zur Zukunft der Bundeswehr“ vorzu- innerungsphotos aus Afghanistan“ zum Schul-Alltag. (Rütli-Schule und legen - für den Verteidigungsminister meistbietend an Zeitungen und Sen- anderswo), Heavy-Metal-Kult, Skin- ein großes und bedeutsames Ereignis. der verscherbeln. Zutreffend kriti- Heads und Baseball-Schläger schwin- BILD hat mit seinen Schlagzeilen siert der Bundeswehrverband dieses gende Glatzen sind nichts anderes als den Auftritt vermasselt. Der Öffent- dumm-dreiste Verhalten der Unka- ein Menetekel der fortschreitenden lichkeit wurden am gleichen Tag vom meraden, mit denen sie das Ansehen Wohlstandsverwahrlosung. In so gott- auflagenstärksten Boulevard-Blatt des der Bundeswehr insgesamt geschä- loser Unkultur schmilzt die Achtung Landes alte Knochen statt seriöse In- digt haben und ihre abgelichteten vor der Menschenwürde ab! Und wer formation über ein existenziell wich- „Kameraden (vermutlich ohne sie zu glaubt, man könne dem entgegenwir- tiges Thema serviert. Vermutlich weiß fragen) in widerwärtiger Weise einem ken, indem man Kinder so früh wie man bei BILD nicht, wie Sicherheit Millionenpublikum vorgeführt“ ha- möglich vom wärmenden Nest (der buchstabiert wird. Wenn es aufgrund ben. Sie haben in Kauf genommen, weniger werdenden) intakter Familien solcher „Berichte“ zu Gefährdungen dass die knapp 3.000 ISAF-Soldaten entwöht und in KiTas entsorgt, dem ist der Truppe im Einsatzland kommt, deswegen noch größeren Gefahren nicht mehr zu helfen. (Diesen Exkurs trägt, um es klar zu sagen, BILD die ausgesetzt werden. Spätestens seit nur, um auf Verhältnismäßigkeit, Ur- größere Schuld. Und in diesem Sinne dem „Karikaturen-Streit“, seit „Abu sachen und Wirkung von Schuld hin- ist dieser Artikel eine Anklage. Graib“ ist bekannt, wie islamistische zuweisen.) Extremisten solche Bilder zu instru- Erklären, mentalisieren verstehen. Für dieses Erziehungs- und aber nicht entschuldigen wirklich schändliche Tun darf es „null Bildungsversagen as die Sache selbst betrifft: das Toleranz“ geben. Zusammen mit ihren enn Kinder geschändet oder zu W(seinerzeitige) Verhalten der journalistischen Aufkäufern trifft die- WTode gequält werden, wie neu- Soldaten kann natürlich nicht hin- se „Kameradenschweine“ die größere lich in Bremen, aber nicht nur dort, genommen werden. Da gibt es nichts Schuld. ist das m.E. viel schlimmer. Rudolf zu beschönigen und auch nichts zu Affemann: Krank an der Gesellschaft entschuldigen. Solche makaberen Sie nennen es Kunst und Christa Mewes: Manipulierte Spielchen, solche obszönen Posen, in n den Feuilletons liest man in den Maßlosigkeit, Freiheit will gelernt denen sich die Soldaten fotografiert Iletzten Jahren über „modern in- sein, Macht Gleichheit glücklich, haben, müssen gemaßregelt werden. szenierte“ Theaterstücke oder Opern Kinderschicksal in unserer Hand, Ent- Wohl haben Psychologen und Seelsor- (z.B. „Idomeneo“). Was dort auf der scheidend sind die ersten Jahre, Unser ger Erklärungen, die m.E. recht ein- Bühne als (nicht selten staatlich ge- Leben muss anders werden, Der Weg leuchtend klingen: die jugendlichen förderte) „Kunst“ angeboten wird, zum sinnerfüllten Leben – wer kennt Soldaten leben in einer schwierigen spottet jeder Beschreibung: Blut- schon diese prophetischen Schriften Lage: einerseits Langeweile, anderer- Sudeleien, Kotz, Kack, Pornos ... – sie warnen seit 30, 40 Jahren vor seits ständige Be drohung durch einen Und die Leute klatschen Beifall. Mit gesellschaftlichen Fehlentwicklungen: anonymen Feind, keine Privatsphäre, anderen Perversionen betreibt der „Hilfe, ich bin normal“schrieb Hans Trennung von Freundin oder Ehefrau Plastinator Günther von Hagen seine 1 Deutschlandradio Kultur: „Umstrittene (und Familie), mangelnde Gelegen- Geschäfte, indem er systematisch und Leichen-Plastinationsfabrik in Guben heiten zum Abarbeiten schlimmer fabrikmäßig Leichen verwertet; neuer- eröffnet“ am 16.11.06. AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 41 BILD DES SOLDATEN

Mayer Mitte der 80er in einem Her- lichkeit als Grundbedingung für den nachhaltig zu vermitteln. Wenn es der-Bändchen, gleichsam als Reak- Dienst an der Gemeinschaft, was sich aber schon schwer ist, diesen Multi- tion auf die Irrungen und Wirrungen für den Soldaten in Eid oder Gelöb- plikatoren begreiflich zu machen, was der 68er. Und Georg Huntemann be- nis verdichtet, nämlich „der Bundes- Innere Führung ist, wie viel schwerer klagte in einer weitsichtigen Schrift: republik Deutschland treu zu dienen ist es dann erst, sie dem ‚einfachen Die Zerstörung der Person, Der verlo- und das Recht und die Freiheit tapfer Soldaten’ oder gar Außenstehenden rene Maßstab, … zu verteidigen!“ nahe zu bringen. Die Bundeswehr zieht junge Leu- Die Schulen haben die Pflicht, te als Erwachsene ein. Nach dem Ge- im Rahmen der politischen Bildung Innere Führung erzeugt eine kons- setz sind sie mit 18 Jahren mündig. im Sozialkunde-, Religions- bzw. truktive „Unternehmenskultur“ Bis dahin ist erzieherisch alles längst Ethikunterricht die heranwachsende m Innere Führung in der Bun- „gelaufen“; Korrekturen am Auftre- Generation auf Bürgerrechte aber Udeswehr zu verankern, muss jede ten und/oder Verhalten sind besten- auch -pflichten gegenüber Staat und Gelegenheit zur Vermittlung genutzt falls noch aus Einsicht möglich. Die Gemeinschaft vorzubereiten. Wo sonst werden – nachwuchsbedingt ein Dau- Bundeswehr ist quasi ein Hohlspiegel sollen junge Menschen die komplexen erauftrag. Die Vorgesetzten stehen in der Gesellschaft. Wo und wie soziali- und mitunter komplizierten Zusam- der Pflicht, Innere Führung den ihnen sieren ihre Rekruten, bevor sie ein- menhänge der Fragen, wie „man Staat anvertrauten Soldaten vorzuleben und gezogen werden? Viele Familien sind macht“, verstehen lernen: Werte und sie anzustecken. Es geht schließlich kaputt. Elternhaus und Schule sind Normen, grundgelegt in der Verfas- um Wertvorstellungen (Menschenbild nicht selten überfordert. (Bindungs- sung, vorgelebt von Eltern, Lehrern, GG) und daraus abgeleiteten (solda- unfähigkeit, Scheidungswaisen, sog. Vorgesetzten … (von den in die Deka- tischen) Tugenden, die beim Soldaten Kinderarmut, Erziehungsversagen …) denz abdriftenden Parteien ist diesbe- (als Rezipienten) Denk- und Verhal- Moral und Anstand fördernde Institu- züglich nichts zu erwarten) bewirken tensweisen beeinflussen. tionen wie die Kirchen verlieren zu- gesellschaftlichen Zusammenhalt in Militärseelsorger bieten hier, un- nehmend an Bedeutung oder werden guten und schlechten Zeiten. Und abhängig von militärischer Hierar- nicht mehr ernstgenommen. gerade in letzteren müssen sie sich chie und Befehlsgewalt, ihre Dienste bewähren. Ansonsten verkommt die an: sie begleiten die Truppe und sind Anstand und Sitte – Bundesrepublik zur Bananenrepub- für jeden Soldaten ansprechbar. Sie ganz schön altmodisch lik, die Demokratie zu Demoskopie. sensibilisieren die Soldaten im All- Die Anständigkeit (sinnverwandt: gemeinen und die Vorgesetzten im ehrenhaft, ehrenwert, ehrlich, ein- Vor-beugen und Für-sorgen ist Besonderen für die moralische Ver- wandfrei, fair, korrekt, loyal, mora- besser als anklagen! antwortung des militärischen Diens- lisch, nett, rechtschaffen, rein, rück- ber diese Tatsachen und Befind- tes und geben Antworten auf Fragen sichtsvoll, salonfähig, seriös, sittlich, Ülichkeiten und den Umgang mit nach Sinn, Schuld und Vergebung. sittsam, tugendhaft, unverdorben, ihnen wird man im Verteidigungs- Neben der eigentlichen und allge- züchtig2) eines Menschen, der gelernt ministerium und an anderen Stellen meinen pastoralen Aufgabe, die freie hat, mit seiner Freiheit umzugehen, nachdenken müssen. Denn zunächst Religionsausübung in dem Bereich der verantworten kann, was er tut, der ist es ein Problem der Führung, nicht der Streitkräfte, dem sie zugeordnet weiß, wie er sich zu benehmen hat, – wie manche behaupten - der Inne- sind, sicherzustellen, vermitteln die was er geben soll und empfangen darf, ren Führung. Aber: Innere Führung Militärseelsorger Inhalte, „die für die kommt nicht durch Pollenflug. Der kann helfen, die Probleme aufzufan- Lebensführung des Menschen, seine Charakter eines Menschen ist nicht gen und ggf. zu heilen. Wer von den Beziehung zur Umwelt und für die naturgegeben. Die Familie, die unter politisch und militärisch Verantwort- Ordnung des Zusammenlebens in der dem besonderen Schutz(?) des Staates lichen allerdings glaubt, die Soldaten, Gemeinschaft wesentlich sind.“ Mit steht, ist die Keimzelle, in der Kin- die Vorgesetzten zumal, durch irgend- solcher, vom Dienstherrn angesetz- der geborgen aufwachsen können und welche zusätzlichen Alibi-Programme ten „Lebenskunde“ fördern sie die ihre frühe Prägung durch Erziehung noch mehr belasten zu müssen, macht sittlichen, geistigen und seelischen erfahren. Aus dem Ur-Vertrauen, das sich selbst was vor und lügt sich in Kräfte, „die mehr noch als fachliches aus familiärer Geborgenheit wächst, die Tasche. Können den Wert des Soldaten be- können Sinn für das Gemeinwohl (von Haben alle, die „Innere Führung“ stimmen“. Militärseelsorger reden allzu vielen auf Meinwohl [Egoismus, so oft bemühen, auch tatsächlich ver- damit einer anspruchsvollen solda- Hedonismus] reduziert) und soziales standen, worum es geht? Oder noch tischen Ethik das Wort; sie tragen Engagement erwachsen. schärfer gefragt: beherzigen sie im dazu bei, dass der Soldat in die Lage In diesem Zusammenhang stellt Truppenalltag, was der Begriff vorgibt? versetzt wird, zu sehen, zu werten und sich die Frage, was Familie mit dem Die langen Erfahrungen von Mittlern zu handeln. Die katholische Kirche Selbstverständnis des Soldaten zu tun der Inneren Führung zeigen, dass es legt Wert auf Wertebindung, Gewis- hat. Mit der Antwort tut sich mancher in der Vergangenheit oft schwierig ge- senbildung und eine verantwortete schwer: Verbundenheit und Verbind- wesen ist, Innere Führung gerade dem Lebensführung, wofür die Militärseel- 2 vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, Bd. Führungsnachwuchs der Bundeswehr sorge einen wesentlichen Beitrag zu 10, Mannheim, Wien, Zürich, 21985. (Offizier- und Unteroffizieranwärter) leisten vermag. ❏ 42 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 BZILDERRBILD DES SINOLDATEN BIILD Papst: Soldaten müssen für Sicherheit und Freiheit eintreten Kongress für Militärbischöfe und Militärseelsorger im Vatikan

ür Papst Benedikt XVI. besteht geistliche Betreuung von Soldaten im ker“ stehen. „Leider führen manchmal die erste Aufgabe von Soldaten Licht des Zweiten Vatikanischen Kon- andere, durch internationale Spannungen Fdarin, „Diener des Friedens“ zu zils dargelegt hatte. hervorgerufene wirtschaftliche und poli- sein. Die geistliche Unterstützung, die Im Vorwort dieses Dokuments tische Interessen dazu, dass diese posi- die Kirche den Rekruten und Armee- werden die Armeeangehörigen als tive Tendenz Hindernisse vorfindet und angehörigen zuteil werden lässt, sollte „Diener der Sicherheit und des Frie- Rückschläge erleidet, wie man es etwa an diesem Ziel verpflichtet sein. dens der Völker“ bezeichnet, da sie den Schwierigkeiten sehen kann, die bei Der Heilige Vater richtete diese wahrhaft zu dauerhaftem Frieden den Abrüstungsprozessen vorkommen.“ Botschaft an die Mitglieder des fünf- beitragen würden, sofern sie ihrer ten internationalen Kongresses für Verpflichtung in Gerechtigkeit nach- Vatikan: Politischer Weltfrieden Militärordinariate. Organisiert hat- kämen. setzt Friedenskultur voraus te das Treffen die Kongregation für In diesem Sinn ermutigte Papst Ebenfalls im Oktober äußerte sich Bischöfe, der die Militärordinariate Benedikt seine Gäste, den Soldaten der Vatikan-Vertreter bei der UNO, direkt unterstehen. Die Militärseel- zu helfen, „echte Experten und Lehrer Erzbischof Celestino Migliore, vor der sorger tagten vom 23. bis zum 27. dessen zu sein, was die Kirche hin- Vollversammlung in New York zu dem Oktober in der alten Synodenhalle sichtlich der Errichtung des Friedens Thema „Die Kultur des Friedens“. Po- im Vatikan und setzten sich dabei in der Welt lehrt und praktiziert“. litischer und sozialer Frieden setzten mit dem Thema: „Die Soldaten im Dazu wolle die katholische Kirche nach Ansicht des Vatikans ein rich- Dienst des Friedens“ auseinander. weiter an der Gewissensbildung von tiges Verhältnis zwischen Wahrheit Der Katholische Militärbischof für Soldaten mitarbeiten, damit sie ihre und Frieden auf kultureller Ebene die deutsche Bundeswehr, Dr. Walter Aufgabe als Dienst für Sicherheit voraus. Internationaler Terrorismus, Mixa, nahm an dem Kongress teil und Freiheit begreifen. Nach wie vor Krieg, Völkermord und weltweite und erläuterte in einem Referat vor seien Personenwürde und Frieden die Ungerechtigkeit hätten ihre Ursachen den versammelten Militärbischöfen grundlegenden Werte, an denen sich nicht nur im sozialen und politischen aus aller Welt die Aussagen der deut- die Seelsorge in Armeen orientieren Bereich. Kriege hätten ihre tief- schen Bischöfe „Soldaten als Diener müsse. Das Thema des Friedens sei ere Motivation auch im kulturellen, des Friedens – Erklärung zur Stellung ein „wesentlicher Aspekt“ der kirch- ideologischen und philosophischen und Aufgabe der Bundeswehr“ vom lichen Soziallehre, betonte der Bi- Bereich, betonte der Erzbischof laut 29.11.2005. schof von Rom. einem im Vatikan verbreiteten Text. In seiner Ansprache bezog sich Die kirchliche Sicht habe die west- Daher müsse eine nationale wie in- Benedikt XVI. auf die Apostolische li che Kultur wesentlich beeinflusst und ternationale Friedenspolitik formuliert Konstitution „Spirituali Militum Cu- dem heute verbreiteten Ideal zum Durch- werden, die der „Wahrheit vom Frie- rae“ aus dem Jahr 1986, in der sein bruch verholfen, nach dem die Streit- den Rechnung trägt, und die darauf Vorgänger Papst Johannes Paul II. kräfte „im ausschließlichen Dienst der verzichtet, Lügen zum System von die kanonischen Richtlinien für die Verteidigung und der Sicherheit der Völ- Beziehungen oder von Regierungsar-

Zum Bild des Soldaten im neuen Weißbuch erade vor dem Hintergrund der Besonderheiten des militärischen Dienstes ist es wichtig, dass die Solda- „Gtinnen und Soldaten über eine enge und bewusste Bindung an die in der Verfassung verankerten Werte und Normen verfügen. Nur wer die freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv anerkennt, kann sie mit Über- zeugung verteidigen. Nur wer rechtsstaatliche Grundsätze und Werte selbst im täglichen Dienst erlebt, entwickelt die erforderliche Bereitschaft, sich für sie einzusetzen.“ (WB S. 79)

leichzeitig sind die Soldatinnen und Soldaten in der neuen Bundeswehr – neben ihrer Funktion als Kämpfer „G– auch Helfer, Schützer und Vermittler. Dieses Anforderungsprofil verlangt von ihnen Analyse- und Hand- lungsfähigkeiten, die über rein militärische Aspekte weit hinausreichen. ... Intensive ethisch-moralische Bildung trägt nicht nur dazu bei, ein reflektiertes berufliches Selbstverständnis zu entwickeln, sondern fördert auch die Fähigkeit des Einzelnen, in moralisch schwierigen Situationen eigenverantwortlich zu handeln. Eine umfassende interkulturelle Bildung schärft das Bewusstsein für die religiösen und kulturellen Besonderheiten in den jeweiligen Einsatzgebieten. Dieser umfassende Bildungsansatz steigert die Motivation des Einzelnen, bindet sein Handeln an den Schutz von Freiheit und Frieden und stärkt seine Handlungssicherheit vor allem im Einsatz.“ (WB S. 80 f.)

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 43 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

46. WOCHE DER BEGEGNUNG: „Soldaten als Diener des Friedens – Gewissen und Gehorsam“ Zentrale Versammlung – Einführende Zusammenfassung

as zentrale Treffen der in der Die stellvertretende Vorsitzende Gehorsam“ in den Mittelpunkt. Ge- Katholischen Militärseelsor- des Diözesanrates Speyer, Frau Fi- horsam in der Kirche sei immer ein- ge in der Bundeswehr orga- kinger, stellte in einem Grußwort die gebettet in den Dienst an und für Gott. D wechselhafte Geschichte des Bistums „Die Ehre Gottes und der Dienst am nisierten Soldaten fand in diesem Jahr vom 18. bis 23. September 2006 vor und wies auf die wegen der Aus- Nächsten schließen sich immer ein“, statt. Tagungsort war das Heinrich landseinsätze der Bundeswehr große so P. Weich. Auch in strengen, dem Pesch Haus (HPH) in Ludwigshafen/ Aktualität des Leitwortes der Woche Gehorsam besonders verpflichteten Rheinland-Pfalz. Am 24. September „SOLDATEN ALS DIENER DES FRIEDENS Jesuitenorden gehe es nicht um einen konnte das HPH, ein Bildungszent- – GEWISSEN UND GEHORSAM.“ hin. „Ping-Pong-Gehorsam“, wie der Pa- rum für angewandte Ehik und gesell- Zunächst tagte in dieser 46. Wo- ter es nannte, sondern um einen Ge- schaftliche Praxis, sein 50-jähriges che der Begegnun g (WdB) die ZV vom horsam, der dem Gewissen und dem Bestehen feiern. Der Leiter des HPH, 18. bis 20. September, dann die Bun- Dienst an Gott verpfichtet sei. Pater Tobias Karcher SJ, stellte bei deskonferenz der GKS (21.-23.09.). Beschlossen hat die ZV wieder- der Begrüßung der Delegierten den Das gemeinsame Motto der Woche um die Fortsetzung ihrer „Nachbar- Namensgeber Heinrich Pesch, Jesuit lautete: „SOLDATEN ALS DIENER DES schaftshilfe“ für ein weiteres Jahr. Die und Sozialökonom, vor.1 FRIEDENS – GEWISSEN UND GEHORSAM.“ Aktion des abgelaufenen Zeitraumes Zu diesem Thema fand im Rahmen „ Hilfe für jugendliche Landminenop- 1 Heinrich Pesch (* 1854 in Köln, † 1926 der ZV eine Podiumsdiskussion2 statt. fer im Kosova“ hatte im Jahreszeitrau in Valkenburg/NL), gilt als Begründer des Solidaritätsprinzips der kath. Sozi- Diese beleuchtete die rechtliche, die 2005/2006 einen Spendenbetrag von allehre. Er war Lehrer von Oswald von ethisch-moralische und die solda- 11.500 Euro erbracht. Für 2006/2007 Nell-Breuning. Mit seinem 5-bändigen tische Position zu diesem Problem- hat die ZV einmütig beschlossen, die „Lehrbuch der Nationalökonomie“ schuf kreis. „Nachbarschaftshilfe“ fortzusetzen er die wesentlichen Grundsätze der fünf Jahre nach seinem Tod erschienenen En- Auch der Jesuit Karl Weich stellte und ein Renovabis-Projekt „Perspek- zyklika Pius XI. „Quadragesimo anno“. in seiner am Mittwoch vorgetragenen tiven durch Bildung – ein Gymnasi- Pesch geht in seinem Werk davon aus, Lebensbild des seligen P. Rupert um für Schülerinnen und Schüler im dass zwischen dem Individuum und der 3 4 Gesellschaft ein wechselseitiges Abhän- Mayer die Thematik „Gewissen und Kosovo“ zu unterstützen. gigkeits- und Verpflichtungsverhältnis Am 20. September wählten die besteht. Aus diesem Grundgedanken 2 Zwei Statements der Podiumsdis- Delegierten der ZV Stabsfeldwebel entfaltet er sein „soziales Arbeitssys- kussion s.S. 48-54.. Ralf Eisenhardt (40) für eine vier tem“, indem der Mensch und der Dienst 3 Pater Rupert Mayer SJ, der heimliche am Gemeinwohl als Ziel der Wirtschaft Schutzpatron der Kath. Militärseelsorge jährige Amtszeit zu ihrem Vorsit- definiert werden. Pesch befürwortet Pri- in Deutschland, wurde wiederholt im zenden. Er tritt die Nachfolge von vatwirtschaft und freie Konkurrenz, die AUFTRAG vorgestellt. Wer mehr über- Oberst Richard Schmitt an, der Ende aber der sozialen Gerechtigkeit und dem das Leben des Seligen wissen möchte, des Jahres 2006 in den Ruhestand Gemeinwohl als regulative Prinzipien sei auf die vom KMBA herausgegebene unterstellt sein sollen und in den Dienststellen der Militärseel- geht. Eisenhardt wurde 1966 in Essen-Steele geboren. Nach der Schule schloss er eine Ausbildung zum Brillenoptikschleifer ab. 1986 trat er in die Bundeswehr ein und Stabwechsel absolvierte eine Ausbildung zum bei der diesjäh- Transportfeldwebel sowie zum In- rigen Zentralen dustriemeister für Kraftverkehr. Versammlung: Seit Januar 2006 ist Eisenhart Stabsfeldwebel Wehrdienstberatungsfeldwebel am Ralf Eisenhardt Zentrum für Nachwuchsgewinnung folgt Oberst West, Düsseldorf, Zweigstelle Richard Schmitt, Fortsetzung auf Seite 46 u. der zum Jahres- ende in den Ru- sorge verfügbare Sonderheft 1987 der Zeitschrift „Militärseelsorge“, hestand versetzt Hans Jürgen Brandt „... Zur Selig- wird, in das sprechung der Karmelitin Edit Stein Amt des Vorsit- und des Jesuitenpaters Rupert May- zenden der ZV. er“, verwiesen. 4 Projektbeschreibung der neuen (Foto KMBA) NachbarschaftShilfe s.S. 55.

44 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZENTRALE VERSAMMLUNG Tagesordnung für die Zentrale Versammlung der katholischen Soldaten 2006 im Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs

Dokumentiert TOP Thema / Vorhaben /Ereignis Durchführung (Hinweis) Seite 1 Begrüßung O Schmitt 2 Einweisung in das Tagungshaus P. Karcher SJ (S. 44) 3 Grußworte: Katholischer Leitender Militärdekan Koblenz MD Schnettker Katholikenrat Speyer Frau Fikinger (S. 44) 4 Eröffnung der Beratungen der Zentralen Versammlung 2006 MGV Wakenhut S. 46 Bericht zur Lage der katholischen Militärseelsorge 5 Bildung eines Wahlausschusses OTL Schellhaas 6 Podium „Soldaten als Diener des Friedens – Prof. Dr. Hoppe S. 47-51 Gewissen und Gehorsam“ GM Glatz S. 52-53 MR Günther 7 Aussprache zum Thema LWD i.K.Bendel 8 Vorbereitung der Wahl des Vorsitzenden ZV Wahlausschuss 9 Wort des Vertreters des Priesterrates MD Stolz S. 54 10 Bericht über die Arbeit im ZdK GLt Lather 11 Bericht über die Arbeit im Vorstand ZV O Schmitt 12 Bericht über die Nachbarschaftshilfe 2005/2006 Beschluss StFw Weber S. 55 zur Fortsetzung der Nachbarschaftshilfe 2006/2007 13 Vorstellung der Arbeit aus den Sachausschüssen des Merkblatt Vorstandes S. 56 – Sachausschuss „Ehe-Familie-Partnerschaft“ Frau Petersen – Sachausschuss „Gemeindearbeit“ StFw Koethe – Sachausschuss „Dienstalltag und Christsein“ M Gräf – Sachausschuss „gesellschaftliches Engagement“ OFA Dr. Keim – Sachausschuss „Information“ OTL Graichen 14 Möglichkeit zum Einbringen weiterer Beschlussvorlagen Moderator 15 „Zeugnis für Gott, Dienst am Menschen“ – P. Weich SJ (S. 44) das Leben des seligen P. Rupert Mayer SJ“ 16 Berichte aus den Dienstaufsichtsbezirken der Moderatoren/ Katholischen Leitenden Militärdekane Vertreter der AK 17 Zusammenfassung durch den Vorsitzenden ZV O Schmitt (S. 46) 18 Verabschiedung von Beschlussvorlagen Moderator 19 Vorstellung der Kandidaten für die Wahl des Vorsitzenden ZV Wahlausschuss - evtl. Personaldebatte 20 Wahl des Vorsitzenden Wahlausschuss 21 Bericht des Bundesvorsitzenden der GKS OTL Brochhagen S. 57-58 22 Bekanntgabe des Wahlergebnisses Wahlausschuss 23 Wort des Militärbischofs zum Abschluss MB Dr. Mixa S. 58 24 Schlusswort des scheidenden Vorsitzenden ZV O Schmitt (S. 46) Wort des neuen Vorsitzenden ZV SF Eisenhardt Interview S. 59-60

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 45 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

Bericht von Militärgeneralvikar Prälat Walter Wakenhut vor der ZV am Montag, den 18.09.2006, in Ludwigshafen

zu einem erfüllten Leben sein kann, wird, unsere freien Stellen nachzube- aber ebenso wenig ein unvernünftiger setzen. Glaube, der zu Fanatismus und Terror In mühsamen und anstrengenden, ausarten kann. im Letzten aber doch erfolgreichen In seiner ersten Enzyklika „DEUS Verhandlungen mit dem Staat ist es CARITAS EST“ hat Papst Benedikt den uns gelungen für die Ortsebene („Der Weg gewiesen. Der Gott, der Liebe ist, Katholische Standortpfarrer“) 90 will dass wir Menschen diesen Weg Dienst-/Planstellen zu erhalten. Mit der Liebe, als Diener des Friedens diesen neunzig müssen und können gehen. wir die Seelsorge in der Heimat wie Sie wollen als katholische Solda- im Einsatz gewährleisten – wenn auch ten und Soldatinnen ein deutliches mit manchen Schwierigkeiten. Aber einer Zeit hoher Spannung Zeichen setzen für die Welt Gottes, ei- das kennen sie auch aus ihren Berei- (Libanon – Aufregung der ner Welt voller Hoffnung und Zukunft chen, dass Personal knapp ist. InMuslime über den Papst) trotz aller Widerwärtigkeiten und aller Nachdem der Staat seine Bring- haben Sie sich als katholische Solda- Bosheit in eben dieser Welt. schuld in organisatorischer Hinsicht ten hier in Ludwigshafen eingefunden. Als Militärseelsorger wollen wir erbracht hat, ist es an der Kirche, an Das Thema dieser Tage „SOLDATEN ALS sie dabei mit bestem Wissen und den Diözesen, auch das nötige, für die DIENER DES FRIEDENS – GEWISSEN UND Gewissen unterstützen. Und gerade Militärseelsorge geeignete (Alter, Fit- GEHORSAM“ ist so gerade jetzt von deswegen erfüllt es mich mit großer ness) Personal freizustellen – Pfarrer, höchster Aktualität. Sorge, dass es zunehmend schwieriger Pastoralreferenten und -referentinnen. Der Papstbesuch hat uns gezeigt, wir haben als Christen, ja als katho- lische Christen durchaus etwas zu sa- Fortsetzung von Seite 44 gen – auch wenn das nicht immer so Hamm/Unna.Ralf Eisenhardt wur- lung ein.6 Sie sind wichtig für die ankommt. Erinnern wir uns der Worte de getauft in der methodistisch- Bewertung der Arbeit in den Räten. Jesu aus dem Evangelium vom gestri- evangelischen Freikirche in Essen. Der bis zu dieser Woche amtierende gen 24. Sonntag im Jahreskreis, die er Im April 1992 trat ZUR katho- Vorsitzende der ZV, Oberst Richard an den Petrus richtet. „Du hast nicht lischen Kirche über. Seit dieser Zeit Schmitt, zog aus diesen Berichten das im Sinn, was Gott will, sondern nimmt Eisenhardt verschiedene die Schlussfolgerung, Laienaposto- was die Menschen wollen.“ Ehrenämter in der Katholischen lat brauche Mut und die Bestärkung, Christsein in der Welt von heu- Militärseelsorge wahr. Seit 1992 nicht allein zu stehen. Er appellierte te, Soldat und Christ sein in der Welt ist er Mitglied im Pfarrgemein- in seinem Schlusswort vor der ZV an von heute, ist nicht so einfach. Die derat/Seelsorgebezirksrat, dessen die Delegierten zusammenzuhalten: Versuchung, sich auf diese Welt, auf Vorsitzender er von 1998 bis 2003 „Wer glaubt, bleibt nicht allein.“ Zum das eigene Leben, auf die eigenen war. Seit 1993 nimmt er regelmäßig Schluss der ZV und damit auch zum Interessen zu beschränken, einen als Delegierter an der ZV teil. 2003 Abschied aus dem Amt des Vorsitzen- guten Job zu machen und dabei ein wählte ihn die ZV als einen ihrer den dankte Oberst Richard Schmitt leidliches Auskommen zu haben, ist drei Vertreter ins Zentralkomitee allen, die ihn bei seiner Arbeit beglei- immer wieder groß. der deutschen Katholiken (ZdK). tet und unterstützt hatten. Allen Dele- Aber gerade der Beruf des Solda- Eisenhardt ist verheiratet und hat gierten wünschte er bis zur nächsten ten ist es, der zwangsläufig den Blick zwei Söhne.5 ZV in Augsburg „viele gute Glaubens- weitet. Frieden, Freiheit, Wohlerge- Die Berichte aus der Arbeit erlebnisse, erfüllende Momente und hen, eine gerechte Ordnung all das der Sachausschüsse des Vorstands Gottes Segen“. ist nicht mehr nur für sich möglich. der ZV wie auch die Berichte der Die ZV endete und die Bundeskonfe- Das umzusetzen und zu verwirklichen Moderatoren bzw. der Vertre- renz begann mit einem Pontifikalamt geht nur mit den anderen, der Völ- ter der Arbeitskonferenzen aus mit Militärbischof Dr. Walter Mixa. kergemeinschaft, der ganzen Mensch- den Dienstaufsichtsbezirken der An den Gottesdienst schlossen sich heitsfamilie. Katholischen Leitenden Militär- ein Empfang und ein Gästeabend des Der Papst hat bei seinem Besuch dekane (KLMD) nahm wie immer Militärbischofs an. (PS) in Altbayern mehrmals darauf hin- einen breiten Raum in den Bera- gewiesen, wie gefährdet eine Welt tungen der Delegiertenversamm- 6 Merkblatt zurArbeit der Sachausschüsse ohne Gott ist – in der es nur um das s.S. 56 Die Berichte aus den Dienstaf- 5 AUFTRAG stellt in einem Interview dsichtsbereichen sind z.T. so unfassend, eigene Interesse geht – und dass Ver- den neuen Vorsitzenden der ZV auf dass sie den Rahmen der Berichterstat- nunft ohne Glaube keine Grundlage den Seiten 59 f. vor. tung im AUFTRAG sprengen. 46 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZENTRALE VERSAMMLUNG

Die Annahme, Militärseelsorgevertrag Eine weitere – auch die Laien be- Menschen, Mitarbeiterinnen und Mit- und Statuten verpflichten nur den treffende – organisatorische Maßnah- arbeiter, die jahrelang in vertrauter Staat, nicht aber die Kirchen – oder me ist die anstehende Reduzierung Umgebung gute Arbeit geleistet ha- nicht so sehr –, ist falsch. Die Kir- unserer Dienstaufsichtsbezirke auf ben und leisten. Die Transformation chen haben die Bringschuld, die not- vier (von ursprünglich acht). Ohne der Bundeswehr erfordert aber ihren wendigen Seelsorger und Seelsorge- jetzt auf die damit verbundenen Pro- Tribut. rinnen zu stellen. Dazu gibt es diese bleme im Detail einzugehen, bitte ich Ziel dieser Neustrukturierung Verträge! Sie, ihre Organisationsformen auf der ist und muss bleiben, dass unsere Der Staat hat zugestimmt, dass Mittleren Ebene (Arbeitskonferenzen, Arbeit optimiert und nicht erschwert von den 90 Dienststellen 30 Prozent Bereichskonferenzen der GKS) darauf wird, dass sie transparenter und nicht mit Pastoralreferenten besetzt werden auszurichten. Die von ihnen erarbei- immer undurchschaubarer wird. Es können und dass diese wie die Pfarrer tete und empfohlene Neuordnung der muss allen Beteiligten, Staat wie Kir- zwölf Jahre über Gestellungsvertrag Arbeitskonferenzen wird verfügt, wenn che, bewusst sein. Wir sind nicht für in der Militärseelsorge verweilen kön- die staatlichen Organisationsmaß- uns selbst da, sondern allein für die nen. Ebenso sind die Hindernisse, die nahmen erlassen und umgesetzt sind. Soldaten und deren Familien. sich vor den Auslandseinsätzen dieser Es gilt auch hier der Grundsatz: Die Ich wünsche dieser 46. Woche Berufsgruppe aufbauten, weithin be- Militärseelsorge folgt in ihrer Struktur der Begegnung, an der ich wegen seitigt. Der erste Pastoralreferent geht der staatlichen Organisation. einer Überhäufung von Terminen in den nächsten Tagen in den Kosovo, Die meisten Sorgen und Schwie- gerade in dieser Woche nur bis mor- wo er zusammen mit dem dort einge- rigkeiten wird die – ohne Zweifel gen Mittag teilnehmen kann, einen setzten Militärpfarrer ein Seelsorge- notwendige – Umorganisation und guten Verlauf und die Erfahrung team bilden wird. Neustrukturierung des KMBA mit echt christlicher, geschwisterlicher sich bringen – geht es da doch um Gemeinschaft. ❏

STATEMENTS DES PODIUMSGESPRÄCHS ZUM THEMA „SOLDATEN ALS DIENER DER FREIHEIT – GEWISSEN UND GEHORSAM: Gewissensfreiheit als Grenze der militärischen Gehorsamspflicht

VON THOMAS HOPPE

icht nur in der katholischen Es gehört daher zum kirchlichen Ver- Moraltheologie, sondern weit kündigungsauftrag, diese moralische Ndarüber hinaus herrscht dahin- Verantwortung ins Bewusstsein zu ru- gehend Übereinstimmung, dass nie- fen – zumal in Bereichen, in denen mand eine Handlung begehen darf, Menschen nicht nur für sich selbst die er in einer um Sachgerechtigkeit entscheiden, sondern Dritte von ih- bemühten Prüfung seines Gewissens ren Entscheidungen mittelbar oder als unsittlich erkennt. „Keine Gehor- unmittelbar betroffen sind. Insbe- ausführt ... Höchste Anerkennung ver- samspflicht gegenüber irgendeiner sondere gilt dies für Handlungszu- dient dagegen die Haltung derer, die staat lichen oder auch kirchlichen sammenhänge, in denen das Leben sich solchen Befehlen furchtlos und Auto rität kann den Einzelnen von die- und die körperliche Unversehrtheit offen widersetzen“ (GS Nr. 79). ser Verantwortung für sein Tun entbin- von Menschen gefährdet werden bzw. Dabei richtet sich das Gewissens- den“1. Denn hierbei geht es unmittel- werden können, wie es im Kontext je- urteil nicht primär auf allgemeine bar um die moralische Integrität der der Form von Gewaltanwendung der Prinzipien zur Beurteilung der sitt- Person – theologisch gesprochen: um Fall ist. In der Pastoralkonstitution lichen Erlaubtheit von Gewalt, son- ihr Heil –, nicht um ihr Wohlergehen „Gaudium et spes“ erinnert das Zweite dern „in erster Linie auf das konkrete in Belangen des irdischen Lebens2. Vatikanische Konzil deswegen „an die Handeln“3, auf den hier und jetzt zu bleibende Geltung des natürlichen leistenden Dienst und seine Formen. 1 Walter Kerber, Zur Moral des militä- rischen Gelöbnisses im Zeitalter der nu- Völkerrechts und seiner allgemeinen Weil die Treue zum eigenen Gewissen klearen Abschreckung, in: Stimmen der Prinzipien“: „Handlungen, die in be- eine unbedingte moralische Pflicht Zeit 113 (1988) H.5, S. 313-325, hier S. wusstem Widerspruch zu ihnen stehen, darstellt, ergibt sich das moralische 317. sind Verbrechen; ebenso Befehle, die Recht darauf, dass diese Treue von 2 Zur Unterscheidung zwischen sittlichen und nicht-sittlichen Werten vgl. Bruno solche Handlungen anordnen; auch jedem anderen respektiert wird, un- Schüller, Die Begründung sittlicher Ur- die Berufung auf blinden Gehorsam teile, Düsseldorf 2. Aufl. 1980, S. 73ff. kann den nicht entschuldigen, der sie 3 Kerber, a.a.O., S. 318. AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 47 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

mittelbar aus der Würde der Person. Das Wort der deutschen Bischöfe im ethischen Zusammenhang von Niemandem ist es gestattet, einen „Gerechter Friede“7 betont in diesem be son derer Bedeutung. Denn es anderen zum Handeln gegen sein Zusammenhang insbesondere die Be- gibt Aufschluss darüber, ob und in verpflichtendes Gewissensurteil zu deutung des Konzepts der Inneren welchem Umfang eine Garantie der verleiten oder gar zu zwingen. Le- Führung in der Bundeswehr: Dessen Gewissensfreiheit für Soldaten durch diglich in den Bereich der äußeren Prinzipien „binden militärisches Han- positives Recht tatsächlich gegeben Handlungsfreiheit einzugreifen kann deln an die Werte des Grundgesetzes ist. In einem seiner Leitsätze hebt unter außergewöhnlichen, genau zu und orientieren die innere Ordnung das Urteil hervor: Die „Verpflichtung bestimmenden Umständen erlaubt der Streitkräfte an rechtsstaatlichen jedes Bundeswehrsoldaten, erteilte sein, beispielsweise um eine Person, Grundsätzen und am Schutz der Men- Befehle ‚gewissenhaft’ ... auszufüh- die ansonsten einen hochanstecken- schenwürde“8. Konkret bedeute dies: ren, fordert keinen bedingungslosen, den Virus verbreiten würde, für einige „Damit dieser Grundsatz in der Praxis sondern einen mitdenkenden und Zeit in Quarantäne zu nehmen4. wirksam werden kann, bedarf es bei insbesondere die Folgen der Befehls- Niemand ist zudem dazu berech- Vorgesetzten wie Untergebenen nicht ausführung – gerade im Hinblick auf tigt, den inhaltlichen Umfang mög- nur einer genauen Information über die Schranken des geltenden Rechts licher Gewissensurteile, die Anspruch die Normen des humanitären Völker- und die ethischen ‚Grenzmarken’ des auf Respekt erheben, im Vorhinein rechts und des Soldatenrechts. Darüber eigenen Gewissens – bedenkenden festzulegen und dadurch zugleich zu hinaus müssen sie die Wirkungen des Gehorsam“12. Das Recht, sich auf beschränken, so dass Fälle, die mit- eigenen Handelns hinreichend über- das Urteil des eigenen Gewissens zu tels einer solchen Festlegung nicht er- blicken und sie anhand der Maßstäbe berufen, gilt also nicht nur im Hin- fasst wären, aus dem Schutzbereich eines gebildeten Gewissens bewerten blick auf Befehle, die bereits nach des moralischen Rechtes auf Gewis- können. Denn der bisher erreichte dem geltenden Recht – also den sensfreiheit hinausdefiniert würden. rechtliche Standard allein vermag die ein schlägigen Normen des Völker- Von Bedeutung sein kann allenfalls Opfer bewaffneter Konflikte noch nicht rechts, der bundesrepublikanischen die Frage, ob sich an der Art und Wei- hinreichend zu schützen. Erforderlich Verfassung und des Soldatengesetzes se, in der jemand sich auf sein Gewis- ist zudem ein rechtlicher Freiraum, der – unzulässig sind und infolgedessen sensurteil beruft, ablesen lässt, dass es dem Befehlsempfänger auch prak- keine Gehorsamsforderung begrün- es sich tatsächlich um eine schutz- tisch ermöglicht, sich solchen Anord- den können13: „Die verfassungs- würdige Gewissensentscheidung han- nungen zu widersetzen, die rechtliche delt oder aber möglicherweise um die bzw. ethische Grenzen verletzen. Posi- [= BVerwG 2005]. Verwechslung eines Tatsachenirrtums tives Recht hat auch für den Soldaten 12 BVerwG 2005, S. 77. 9 13 Aus den einschlägigen Normierungen mit einer Gewissensproblematik, über die Gewissensfreiheit zu garantieren“ . ergibt sich folgende rechtliche Situation: die die betreffende Person aufgeklärt Daraus ziehen die Bischöfe die Kon- „Nicht befolgt werden müssen, oder gar werden könnte und sollte. Selbst für sequenz: „Zum Berufsethos gehören dürfen ... Befehle, die die Menschenwür- diesen Fall ist aber daran festzuhalten, auch Urteilsfähigkeit und selbstbe- de verletzen. Gleiches gilt ... für Befehle, stimmtes Handeln. Deswegen ist ein die nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt dass auch eine Gewissensentschei- wurden. ... Von der Gehorsamspflicht dung, die auf einem von der urtei- ethisch verantwortetes Entscheidungs- ausgenommen sind auch solche Befehle, lenden Person nicht erkannten Irr- verhalten der Soldaten ein hohes Gut. durch deren Befolgung eine Straftat tum beruht, nichtsdestoweniger für Es sollte in der gesamten Ausbildung begangen würde, wobei nicht nur Delikte und in der praktischen Ausgestaltung nach dem nationalen Strafrecht, sondern diese verbindlich und daher in den ebenso Delikte nach dem Völkerstrafrecht Schutzbereich der Gewissensfreiheit des Prinzips von Befehl und Gehorsam umfasst sind. Auf internationaler Ebene einbezogen bleibt. Dem entspricht so stark wie nur möglich in den Mit- mitunter fehlende effektive Durchset- telpunkt gerückt werden“10. zungsmechanismen können so durch alle das Bundesverfassungsgericht – und drei Gewalten des völkerrechtsverpflich- seither die ständige Rechtsprechung teten Verfassungsstaates kompensiert wer- – durch die folgende Definition: Ge- Das Urteil des Bundes- den. Eine weitere Gruppe nicht bindender wissensentscheidung sei „jede ernste verwaltungsgerichts Befehle bilden die objektiv unmöglichen sittliche, d.h. an den Kategorien von vom 21. Juni 2005 oder sinnlos gewordenen. ... Offensicht- Das Urteil des 2. Wehrdienstsena- lich nicht verbindlich sein können ferner Gut und Böse orientierte Entscheidung, solche Befehle, die ihrer seits Art. 26 Abs. die der Einzelne in einer bestimmten tes des Bundesverwaltungsgerichts 1 S. 1 GG [Verbot des Angriffskriegs] ver- Lage als für sich bindend und inner- vom 21. 6. 200511 ist daher gerade letzen würden. ... Unverbindlich bleiben schließlich alle ‚unzumutbaren’ Befehle. lich unbedingt verpflichtend erfährt, Die Gewissensfreiheit des Solda- Unzumutbarkeit liegt bei einem besonders so dass er gegen sie nicht ohne ernste ten. Anmerkungen zum Urteil des tiefen und weitreichenden Eingriff in Gewissensnot handeln könnte“5. Auf Bundesverwaltungs gerichts vom 21. Juni die Persönlichkeitssphäre vor. Damit ist die inhaltliche „Richtigkeit“ oder 2005 (2 WD 12.04), in: NZWehrr 47 der Bogen zu Art. 4 Abs. 1 GG gespannt, (2005) H.6, S. 234-246, hier S. 239. denn die Freiheit des Gewissens und „Falschheit“ der Entscheidung kann 7 Hrsgg. v. Sekretariat der Deutschen Bi- der Gewissensentscheidung ist mit dem es daher nicht ankommen6. schofskonferenz, Bonn September 2000 der Verfassung zugrunde liegenden Bild [= GF]. von der autonomen sittlichen Persön- 4 Es versteht sich dabei von selbst, dass 8 GF, Ziff. 140. lichkeit untrennbar verbunden“ (Markus ihr auch in dieser Zeit eine menschen- 9 GF, Ziff. 141. Kotzur, Gewissensfreiheit contra Ge- würdige Behandlung zukommen muss. 10 GF, Ziff. 142. horsamspflicht oder: Der Irak-Krieg auf 5 BVerfG 12, S. 45 (55). 11 BVerwG 2 WD 12.04, im Folgenden zit. verwaltungsgerichtlichem Prüfstand, 6 So zutreffend u.a. Frank Schafranek, nach NJW 59 (2006) H.1-2, S. 77-108 in: Juristen-Zeitung 61 (2006) H.1, S. 48 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZENTRALE VERSAMMLUNG rechtliche Gewährleistung der Gewis- möglichster ‚Schonung’ ihres jewei- bild des Konzepts der Inneren Füh- sensfreiheit hat die Aufgabe und den ligen Regelungsanspruchs“17, bei rung, das nicht eine blinde, sondern Zweck, den Spielraum für Handlungs- dem der jeweils betroffene „sachliche eine ethisch reflektierte Gehorsams- alternativen zu erweitern, wenn die Grundwertgehalt“ in jedem Fall zu re- bereitschaft einfordert, wird durch Rechtsordnung den Einzelnen (an- spektieren sei. Die Umsetzung dieses das Urteil bestätigt, dieses Konzept derenfalls) vor die Alternative stellt, Grundsatzes erfordere „ein kons- mithin in einer Zeit gestärkt, in der es gewissenskonform und rechtswidrig truktives Mit- und Zusammenwirken aus unterschiedlichen Gründen unter oder gewissenswidrig und rechtmä- ‚beider Seiten’“18. Der militärische Druck gerät. Auch deswegen sind die ßig zu handeln“14. Auch stellt das Vorgesetzte hat die geltend gemachte im Urteil getroffenen Klarstellungen Urteil klar, dass das Recht zur Be- Gewissensentscheidung ernst zu neh- zu begrüßen. rufung auf die Gewissensfreiheit für men, er darf sie „weder negieren noch Freilich lässt der Text der Urteils- einen Soldaten nicht dadurch hinfäl- lächerlich machen oder gar unterdrü- begründung auch erkennen, welche lig wird, dass er zu einem früheren cken“19. Der verweigernde Befehls- Bedeutung einer zutreffenden Aufklä- Zeitpunkt oder demjenigen seiner empfänger hat gemäß einem weiteren rung über die jeweilige Rechts- und Befehls verweigerung nicht vom Recht Leitsatz einen Anspruch darauf, „dass Faktenlage zukommt, die es gegenü- auf Kriegsdienstverweigerung gemäß ihm eine gewissenschonende diskri- ber einem in einem Gewissenskonf- Art. 4 III GG Gebrauch gemacht hat. minierungsfreie Handlungsalternative likt befindlichen Soldaten darzulegen In Übereinstimmung mit der bishe- bereitgestellt wird, um einen ihn in gilt. Dass es nicht hinreichen kann, rigen Rechtsprechung höchster Bun- seiner geistig-sittlichen Existenz als eine mögliche Gewissensproblema- desgerichte hebt das Urteil außerdem autonome Persönlichkeit treffenden tik dadurch wegzudefinieren, dass hervor, dass es nicht Dritten obliegt, Konflikt zwischen hoheitlichem Gebot man alle potentiell problematischen über den Inhalt der geltend gemach- und Gewissensgebot zu lösen“20. Die Handlungsweisen vorab unter eine ten Gewissensentscheidung zu urtei- Geltung der allgemeinen Gehorsams- oder mehrere der hier angegebenen len – Gegenstand einer Prüfung kann pflicht jenseits des den Gewissens- Kategorien von vornherein unverbind- (und muss) lediglich die Frage sein, konflikt auslösenden Falles erlischt licher Befehle subsumiert, zeigt sich ob von einer „hinreichende[n] Wahr- dadurch freilich nicht. bei einem Blick auf die Lückenhaftig- scheinlichkeit des Vorhandenseins keit einschlägiger Normierungen des des Gewissensgebots und seiner Ver- Die Implikationen des Urteils Völkerrechts. So fehlt es noch immer haltensursächlichkeit“15 ausgegan- und seine Konsequenzen an einer konsensualen Interpretation gen werden kann. Nur so lässt sich Die vorliegende Entscheidung des Terminus „Angriffskrieg“ – recht- sicherstellen, dass der Schutz der unterstreicht in wünschenswerter liche Unklarheiten in dieser Hinsicht Gewissensfreiheit im konkreten Fall Deutlichkeit, dass die jedem einzel- sind ersichtlich von direkter Bedeu- nicht nach politischen Opportuni- nen Soldaten als moralischem Subjekt tung auch für die Frage, ob und unter tätsgesichtspunkten disponibel wird. seiner Entscheidungen aufgegebene welchen Umständen die Beteiligung Überdies stellt das Gericht fest, dass ethische Verantwortung auch für den Deutschlands an vergleichbaren Un- das Grundrecht der Gewissensfreiheit von ihm zu leistenden Befehlsgehor- ternehmungen einem Verstoß gegen keinem Gesetzesvorbehalt unterliegt sam im Einzelfall getragen werden Art. 26 I GG gleichkommt, der die und daher auf diesem Wege auch kann, ohne ihn im Konfliktfall zwi- Vorbereitung (und um so mehr die nicht eingeschränkt werden kann; schen Gehorsamsforderung und Ge- Führung) eines Angriffskriegs ver- selbst durch die wehrverfassungs- wissensurteil zwangsläufig in einen bietet. Unbefriedigend bleiben aber rechtlichen Vorschriften des Grund- Gegensatz zur ihn bindenden Rechts- auch die bestehenden rechtlichen gesetzes werde es nicht verdrängt. ordnung zu bringen21. Das Soldaten- Regelungen im Bereich des „ius in Durchaus nicht blind ist das Ur- sondern stelle lediglich eine bestimmte teil gegenüber den praktischen Fol- 17 ebd. S. 103. „Rechtsmeinung“ dar, deren Vertretung gen dieser Rechtslage für den mili- 18 ebd. S. 105. „zunächst nur eine Meinungsäußerung tärischen Dienstbetrieb. Es fordert, 19 ebd. S. 105. i.S.d. Art. 5 Abs. 1 GG“ sei (S. 241). Bei 20 ebd. S. 78. Zu denken ist hier an eine dieser juristischen Subsumption wäre den hier möglichen „faktische[n] anderweitige Verwendung, Wegkomman- der Rechtsschutz für einen Soldaten, für Konflikte[n] und Unzuträglich- dierung, Versetzung o.ä. den die Zweifel an der Rechtmäßigkeit keiten“16 durch Herstellung „prak- 21 Zutreffend Klaus Dau, Kommentar zu und Verbindlichkeit eines an ihn ergan- tischer Konkordanz“ Rechnung zu BVerwG 2 WD 12.04, in: NZWehrr 47 genen Befehls zugleich eine Gewissens- (2005) H.6, S. 254-257, hier S. 255: problematik entstehen lassen, ungleich tragen: „Diese erfordert ... eine ‚Op- „Die Gewissensentscheidung des einzelnen schwächer, als wenn die Einschlägigkeit timierung’ des Geltungsgehalts aller Soldaten indes nur auf eine Rechtsfrage von Art. 4 Abs. 1 GG bejaht wird. Sohm, beteiligten Verfassungsnormen unter zu verkürzen, wird der Konfliktlage zwi- a.a.O., S. 55, interpretiert zutreffend die schen Rechtspflicht und Gewissen nicht Argumentation des BVerwG im vorlie- 25-30, hier S. 27; vgl. auch Schafranek, gerecht. Seit den Zeiten der Antigone genden Fall: „Die für den Einzelnen nach a.a.O., hier S. 235f., sowie Stefan Sohm, verlangt sie eine auch ethische Auflö- seinem Gewissen maßgeblichen ethischen Vom Primat der Politik zum Primat des sung.“ Deswegen ist der Auffassung Gebote könnten auch im geltenden Recht Gewissens?, in: NZWehrr 48 [2006] H.1, von Schafranek, a.a.O., S. 239ff., zu ihren Niederschlag gefunden haben, S. 1-24, hier S. 4). widersprechen, das Bestreben, die dies entkleide sie nicht ihres ethischen 14 BVerwG 2005, S. 88. eigene Beteiligung an einer möglichen Charakters. Auch bezüglich rechtlicher 15 BVerwG 2005, S. 77. Straftat zu verhindern, sei nicht Aus- Bedenken bestehe damit die Möglichkeit, 16 ebd. S. 105. druck einer Gewissensentscheidung, sich auf die Gewissensfreiheit zu berufen.“ AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 49 46. WOCHE DER BEGEGNUNG bello“, beispielsweise hinsichtlich stützungsleistungen der Bundeswehr Fortschritte erscheinen ferner im 22 25 eines Einsatzes von Atomwaffen bzw. nicht aus“ . Nach Auffassung des Hinblick auf die geltenden Standards im Hinblick auf nicht zwischen-, son- Gerichtes hätten daher die Bundes- im humanitären Völkerrecht notwen- dern innerstaatliche Auseinanderset- wehrführung und die militärischen dig, die die Opfer bewaffneter Kon- zungen, in die durch eine Intervention Vorgesetzten einer weitergehende Auf- flikte nicht hinreichend zu schützen 23 von außen eingegriffen wird . Zur Si- klärungspflicht gehabt. Doch ist damit vermögen – zumal angesichts gewan- tuation des im konkreten Fall betrof- zu rechnen, dass auch auf dieser hö- delter Konfliktaustragungsformen fenen Soldaten führt das Gericht aus, heren Ebene erhebliche Unklarheiten und sich verändernder technischer der Soldat sei zwar durch einen Vor- bereits über die rechtliche Bewertung Möglichkeiten zum Einsatz von Ge- gesetzten auf die Möglichkeit hinge- des staatlichen Handelns zumindest walt. Auch mit den Mitteln des Rechts wiesen worden, „einen Anwalt seines in der Entscheidungssituation selbst sollte versucht werden, den schwer 24 Vertrauens zu konsultieren“ . Jedoch verbleiben – man denke nur an die beherrschbaren Eigendynamiken je- hält es fest: „Im vorliegenden Falle seinerzeit strittig diskutierte Frage, der organisierten Gewaltanwendung reichte dies angesichts der Komplexi- wie es um die Völkerrechtskonformi- und den damit einher gehenden Es- tät der einschlägig relevanten soldaten- tät der deutschen Beteiligung an der kalationsgefahren so weit wie möglich , verfassungs- und völkerrechtlichen Intervention im Kosovo 1999 bestellt Dämme zu setzen. Daher gilt es zum Fragen sowie der Ungewissheiten über sei. einen, alle Staaten dazu zu bewegen, die konkreten Auswirkungen [der dem Mit Situationen, die die ernst- die Standards der Zusatzprotokolle im Soldaten befohlenen Tätigkeiten] ... hafte Prüfung eines bewaffneten Ein- eigenen Zuständigkeitsbereich ver- auf den im Frühjahr 2003 begonnenen greifens zum Schutz von an Leib und bindlich zu machen – vorzugsweise und in seiner Dauer nicht abschätz- Leben bedrohten Menschen zu ei- auf dem Weg des Beitritts zu diesen baren Irak-Krieg sowie die damit im ner Pflicht der Staatengemeinschaft Vertragswerken. Zum anderen sollten Zusammenhang stehenden Unter- werden lassen, ist auch künftig zu Verhandlungsprozesse initiiert bzw. rechnen. Soldaten, die in solche Ein- weitergeführt werden, die auf eine 22 Vgl. dazu bereits Kerber, a.a.O., S. 320, sätze entsandt werden, dürfen aber der zugleich (S. 324) darauf hinweist, Fortbildung und Verstärkung der hu- wie schwierig die Zuweisung rechtlicher dabei nicht dauerhaft unter dem manitären Schutznormen des Völker- wie moralischer Verantwortung an ein- Eindruck stehen, in einer ethischen rechts, über den Rahmen der Zusatz- zelne Personen im konkreten Fall werden wie rechtlichen Grauzone zu handeln protokolle hinaus, gerichtet sind. kann: „Die moderne Kriegführung gibt oder sich sogar an einem schwer- dem einzelnen ... nur beschränkt Infor- Schließlich macht das Gericht mationen darüber, was ein bestimmter wiegenden Völkerrechtsbruch zu auf den hohen persönlichen „Preis“ Einsatzbefehl konkret bedeutet. Der beteiligen. Anderenfalls ist damit zu aufmerksam, den die Entscheidung einzelne ist Teil eines vernetzten Ap- rechnen, dass gerade moralisch sen- parates, für dessen Wirkung es darauf zur Befehlsverweigerung für den be- ankommt, dass jedes Teilchen zuverlässig sible Soldatinnen und Soldaten sich treffenden Befehlsempfänger nach funktioniert, bei dem aber nur wenige vor schwerwiegende Gewissensfragen sich ziehen kann: „Der einzelne, in- jenen Überblick über das Ganze besitzen, gestellt sehen. Es bedarf daher einer dividuell handelnde Soldat befindet der allein ein klares Urteil erlauben Weiterentwicklung des internationa- würde. Selbst bei einem eindeutig verbre- sich in einem solchen Konfliktfalle cherischen Atomwaffeneinsatz dürfte es len Rechts mit dem Ziel, sicherzu- ... regelmäßig in der Gefahr, sich im schwierig sein, die abgestufte Verantwor- stellen, dass erforderliche Entschei- Kameradenkreis zu isolieren, zum Au- tung der einzelnen Beteiligten klar festzu- dungen zu bewaffnetem Eingreifen ßenseiter abgestempelt zu werden oder stellen und sie dafür haftbar zu machen.“ aufgrund konsentierter materieller 23 In diesem Zusammenhang macht der sonst auf Ablehnung in seinen beruf- jüngst erschienene Kommentar zum Sol- Rechtsstandards und möglichst frei lichen Sozialbeziehungen zu stoßen. In datengesetz von Dieter Walz/Klaus von andersgelagerten politischen Op- einem wegen Ungehorsam eingeleite- Eichen/Stefan Sohm, Heidelberg 2006, portunitätskalkülen getroffen werden ten Strafverfahren droht ihm darüber auf eine Regelungslücke auch in der können. Die entsprechenden Verfah- nationalen bundesdeutschen Rechtsord- hinaus, zu einer Kriminalstrafe ver- nung aufmerksam; im Kommentar zu § 7 rensregelungen in internationalen urteilt sowie daneben noch in einem SG (Grundpflicht des Soldaten) heißt es: Gremien sind daraufhin zu reformie- gerichtlichen Disziplinarverfahren „Die Pflicht zur Tapferkeit beschränkt sich ren, dass sie das Zustandekommen mit einer empfindlichen Disziplinar- auf deutsche und – allenfalls – alliierte sachgerechter Beschlüsse fördern. Rechtsgüter. Bloße deutsche ‚Interessen’ maßnahme belegt zu werden und in oder gar solche anderer Staaten oder die Auch wenn gegenwärtig diskutierte der Konsequenz für seinen weiteren Aufgabenwahrnehmung internationaler konkrete Vorschläge hierzu aus un- beruflichen Lebensweg bei Beförde- Organisationen sind nicht in den Schutz- terschiedlichen Gründen noch nicht rungen, Verwendungsentschei dungen bereich einbezogen, für den die Soldaten überzeugen können, muss die Suche der Bw [Bundeswehr] mit ihrem Leben oder sonstigen Fördermaßnahmen er- einzutreten haben. Wer dies politisch für nach konstruktiven Modifikationen hebliche Nachteile hinnehmen zu müs- opportun hält, muss den Gesetzgeber be- des gegebenen Systems, nach trans- sen“27. Das Gericht sieht hierin ein mühen“ (120 Rdn. 20). Und: „Eine De- parenten und zugleich effizienten wie finition des unbestimmten Rechtsbegriffes von vornherein wirksames Hindernis rechtlich überprüfbaren Entschei- dafür, dass sich Soldaten ohne eine ‚treu zu dienen’ ist bisher weder durch die 26 Rechtsprechung noch durch die Literatur dungswegen fortgeführt werden . erfolgt. ... Der weiteren Interpretation ist rechte. Zivile Einmischung und militä- damit jeder Raum eröffnet“ (121 Rdn. 25 ebd. rische Intervention, Berlin 2004, S. 187- 29). 26 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Thomas 192. 24 BVerwG 2005, S. 107. Hoppe (Hg.), Schutz der Menschen- 27 BVerwG 2005, S. 106. 50 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZENTRALE VERSAMMLUNG

34 „nachvollziehbare“28 Begründung auf Auf die diesbezügliche Kontroverse zu reagieren , würde jedoch jenes ihr Gewissen berufen, um einen legi- kann zwar an dieser Stelle im Ein- wesentliche Charakteristikum sukzes- timer Weise an sie ergangenen Befehl zelnen nicht eingegangen werden. sive ausgehöhlt, durch das sich nach nicht ausführen zu müssen. Dies ist In einer ethischen Betrachtung ist dem Willen des Gesetzgebers die aber nur die eine Seite des Problems. jedoch festzuhalten, dass nicht der Bundeswehr von Armeen früherer Zu bedenken ist demgegenüber, ob Befehlsgeber die Definitionsmacht Zeiten unterscheiden soll: Die Wert- durch die antizipierbare Kette von darüber beanspruchen kann, ob eine schätzung eines ethisch reflektierten rechtlichen und sozialen Sanktionen, glaubhaft geltend gemachte Gewis- Gehorsamsverständnisses, mit der un- denen sich der potentielle Verwei- sensentscheidung auch tatsächlich ausweichlich verbunden ist, dass ge- gerer ausgesetzt sieht, nicht auch zu schützen ist. Im positiven Recht gebene Befehlslagen eben aus jenen die Bereitschaft untergraben wer- steht ausdrücklich der Weg einer spä- ethischen Erwägungen heraus nicht den könnte, in einem tatsächlichen teren gerichtlichen Überprüfung des in jedem Falle auf Zustimmung und Gewissenskonflikt eher der Stimme in Rede stehenden Sachverhalts offen. entsprechende Umsetzung rechnen dieses Gewissens zu folgen als den Von dieser Sachlage müssen Vorge- können. Diese Grundsituation mag Erwartungen des Befehlsgebers29. setzte ausgehen können, d.h. hierüber unter pragmatischen Gesichtspunk- Dies wäre nicht nur ethisch, sondern vor allem hinreichend informiert sein, ten zuweilen störend wirken – sie ist zugleich verfassungsrechtlich hoch um zu vermeiden, dass sie in einem jedoch auf das begründete Urteil zu- problematisch. konkreten Fall (unbeabsichtigt) den rückzuführen, dass durch eine Streit- Um so mehr ist vor diesem Hin- Schutzzweck des Rechts auf Gewis- kräftestruktur, der das Recht und ggf. die Pflicht zur Prüfung von Befehlen tergrund davor zu warnen, die Auffas- sensfreiheit vereiteln. nicht nur anhand der Normen des sung des Bundesverwaltungsgerichts, Es mag nahe liegen, die mögli- positiven Rechts, sondern auch an dass von einem im Gewissenskonflikt cherweise auftretenden praktischen stehenden Soldaten erwartet werden den Maßstäben eines gebildeten Ge- Probleme im Truppenalltag, die mit wissens sozusagen inhärent ist, weit- könne, diese Problematik seinen der Geltendmachung einer Gewis- 30 aus mehr Unheil verhindert wird als Vorgesetzten nicht „zur Unzeit“ dar- sensnot verbunden sein können, da- zulegen, in dem Sinne zu interpre- an Entlastung der Befehlsgebenden durch „lösen“ zu wollen, dass man gewonnen werden könnte, wären sol- tieren, dass für einen solchen Fall den Betroffenen einen legalen Weg der Schutz der Gewissensentschei- che Haltungen zum Umgang mit mi- eröffnet, die Bundeswehr alsbald zu litärischen Mitteln nicht spürbar. In- dung zurückzutreten habe, sofern er verlassen. So vertritt ein kürzlich mit dringenden Erfordernissen der sofern geht es nicht nur darum, dass erschienener Beitrag in der „Neuen sich der Befehlsgeber gewissermaßen Funktionsfähigkeit der Streitkräf- Zeitschrift für Wehrrecht“ die Auffas- te kollidiere. Diese Position wird in aus einer Haltung der Großzügigkeit sung, es bleibe „dem Soldaten als ‚ge- der das Urteil kommentierenden bzw. heraus nach Kräften um eine Abmil- wissensschonende Alternative’ immer kritisierenden juristischen Litera- derung möglicher Gewissenskonflikte die Möglichkeit, aus den Streitkräften tur mancherorts vertreten31, wobei bemüht. Vielmehr muss auch künftig teilweise durchaus problematische auszuscheiden. ... Im übertragenen innerhalb wie außerhalb der Bundes- Voraussetzungen eine Rolle spielen32. Sinne könnte man von einem ‚benefi- wehr der Schutz der Gewissensfreiheit cium emigrationis’ aus dem Sonder- gerade im Interesse des Gemeinwohls statusverhältnis als letzter Gewähr der der Bürger eines Staates als ein hohes 28 BVerwG 2005, S. 77 u.ö. 33 29 Vgl. Dau, a.a.O., hier S. 257: „Der Un- Gewissensfreiheit sprechen“ . Durch Gut aufgefasst und dadurch eventu- tergebene geht gegenüber einem Befehl, ein Konzept, das darauf hinausliefe, ellen Tendenzen zur Diskriminierung ihn mit der Berufung auf die Gewissens- auf jeden Gewissensvorbehalt mit ei- von Menschen, die sich auf ihr Ge- freiheit nicht zu befolgen, ohnehin hohes Risiko ein. Verweigert er den Gehorsam, ner Entlassung aus den Streitkräften wissen berufen, wirksam begegnet begeht er ein Dienstvergehen und unter werden. ❏ den Voraussetzungen des § 20 WStG auch Recht sprechung anerkannt, dass bei der eine Wehrstraftat. Schuld oder Unschuld Bestimmung des Schutzbereichs maß- 34 Kritisch hierzu auch Rolf Clement, Die erweisen sich erst in einem aufwändigen geblich auf das Selbstverständnis des Funktionsfähigkeit der Bundeswehr und Gerichtsverfahren.“ Grundrechtsträ gers abzustellen ist. Ver- das Gewissen des Soldaten, in: Euro- 30 BVerwG 2005, S. 105. gleichbares gilt für die Gewissensfreiheit. päische Sicherheit 54 (2005) H.8, S. 31 Vgl. Schafranek, a.a.O., S. 243: „Wenn Hier kann dem Bundesverwaltungsge- 40-41; für ihn sind „Situationen denkbar, das BVerwG es angesichts des hohen richt nur zugestimmt werden“. Dennoch wo die Tatsache der politischen Entschei- Rangs der Grundrechte für verfehlt vertritt er am Schluss seines Beitrags dung der Bundesregierung oder des Bun- hält, ‚von den Streitkräften oder ihrer die Auffassung, dem Dienstherr komme destages für einen bestimmten Einsatz bei jeweiligen politi schen Führung definierte das Recht zu, eine Abwägung zwischen der Gewissensprüfung des Soldaten nicht Bedarfs-, Effek tivitäts- oder Funktions- den militärischen Belangen und dem aus- anforderungen heranzuziehen’ und diese Grundrechtsschutz des Einzelnen zu reicht, um den Einsatz als eigene Auf- dann mit dem Grundrecht der Gewissens- treffen. Im Ergebnis scheint sich diese gabe zu akzeptieren. ... hier müsste die freiheit abzuwägen, ist dem entgegenzu- Argumentation nicht erheblich von der Bundes wehr im Geist der inneren Struk- halten: Einer muss die Definitionsmacht Position Schafraneks (a.a.O., S. 243) zu tur der letzten 50 Jahre auch auf den haben, und das kann nicht der einzelne unterscheiden, da nicht zu erkennen ist, Soldaten eingehen. Nicht jede Nichtbe- Soldat sein.“ wieso in einer solchen Abwägung nicht teiligung an einem bestimmten Einsatz 32 Sohm, a.a.O., S. 7, stellt zwar einerseits de facto eine Definitionsmacht seitens sollte damit die Frage aufwerfen, ob der fest: „Hinsichtlich des Grundrechts der des Dienstherrn beansprucht würde. bestimmte Soldat in den Streitkräften Reli gionsfreiheit ist in Literatur und 33 Sohm, a.a.O., S. 23. bleiben darf“ (40).

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 51 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

„Soldat als Diener des Friedens – Gewissen und Gehorsam“ Einführung aus der Sicht eines Soldaten, der an der Planung und Führung von Einsätzen beteiligt ist

VON GENERALMAJOR RAINER GLATZ

evor ich zum Thema komme, ständig spürt und der man sich bei wissen, woher sie kommen, und wie gestatten Sie mir drei Vormer- allen zu treffenden Entscheidungen wir sie berücksichtigen müssen. Bkungen – auch zu meiner Per- bewusst sein muss – und dies 24 Dies kann nur gelingen, wenn son –, damit Sie das von mir Gesagte Stunden am Tag und sieben Tage in sich das Wissen um die Verhältnisse in die Gesamtthematik besser einord- der Woche. Darauf haben die uns an- in den Einsatzgebieten in idealer nen können. vertrauten Frauen und Männer einen Weise auch zu Toleranz entwickelt, Ich bin im 38. Dienstjahr als Sol- Anspruch, auf dessen Einlösung sie der Achtung vor der anderen Kultur 1.dat und habe im steten Wechsel auch vertrauen können müssen. und ihren ganz spezifischen historisch zwischen Stäben und Truppe Erfah- gewachsenen Werteordnung. rungen im nationalen und internatio- Ein Wort zu meinem Selbstver- Wir benötigen dieses Wissen nalen Bereich auf nahezu allen Füh- 2.ständnis als Soldat. dringend. Denn, wenn wir insgesamt rungsebenen sammeln dürfen. Ich persönlich beziehe dieses aus- erfolgreich sein wollen, müssen wir Die Auslandseinsätze der Bundes- drücklich auch in Bezug auf unsere die Köpfe und Herzen der Menschen wehr haben mich in den verschiedens- Auslandseinsätze aus Artikel 1, Ab- in den Einsatzgebieten gewinnen. ten Bereichen seit SOMALIA immer satz 1 unseres Grundgesetzes, in dem Auch aus diesem Grunde stellen wir wieder intensiv gefordert, ins beson- es heißt: „DIE WÜRDE DES MENSCHEN unseren Kontingentführern in den dere in meinen dreieinhalb Jahren IST UNANTASTBAR. SIE ZU SCHÜTZEN UND Einsatzgebieten sogenannte „Landes- als Brigadekommandeur der Jäger- ZU ACHTEN IST VERPFLICHTUNG ALLER kundliche Berater“ zur Seite. brigade 37 „Freistaat Sachsen“, in STAATLICHEN GEWALT.“ Darüber hinaus hat das Militär- der ich im Winter 98/99 zur Zeit des Wenn man dieser Linie folgt, muss geschichtliche Forschungsamt, un- beginnenden KOSOVO-Krieges als dies für uns in mehrerer Hinsicht ter anderem mit der Erstellung von Kommandeur der D/F Brigade im Konsequenzen haben. Zum einen nach „Wegweisern zur Geschichte“ Afgha- Einsatz war, während meiner Zeit als innen bezogen auf unser Führungsver- nistans, Bosnien-Herzegowinas und Stabsabteilungsleiter FüH III, in die ständnis und unsere Führungskultur des Kongos der Bundeswehr Hilfen die ersten Planungen für eine deut- – also die Auftragstaktik und die Prin- für den Einsatz an die Hand gegeben, sche Beteiligung an ISAF und OEF zipien der Inneren Führung. Zum an- welche aus meiner Sicht in diesem fielen, sowie während meiner dreiein- deren nach außen bezogen auf unser Gesamtzusammenhang nicht hoch halbjährigen Zeit als Divisionskom- Verhalten gegenüber der Bevölkerung genug geschätzt werden können. Dan- mandeur der Division Spezielle in den Einsatzgebieten. kenswerter Weise wird diese Zusam- Operationen in Regensburg, in der Für die einzelnen Einsatzgebiete menarbeit fortgesetzt. ich fast durchgängig Truppenteile in müssen wir daher bei unseren dort Lassen Sie mich diesen Punkt Afghanistan hatte. meiner Ausführungen noch einmal eingesetzten Soldaten ein Verständnis Seit Anfang April dieses Jahres zusammenfassen: für Geschichte, Kultur, Religion und bin ich für die Dauer der Abwesen- Wir können in den Stabilisierungs- sich daraus entwickelte Norm- und heit des Befehlshabers des Einsatz- operationen vom Balkan bis Afgha- führungskommandos der Bundes- Wertvorstellungen sowie daraus abge- nistan nur dann erfolgreich sein, wenn wehr, Generalleutnant Viereck, im leitete Verhaltensnormen im Umgang es uns gelingt, die Bevölkerung in den Rahmen seiner Verwendung als Ope- miteinander und mit Fremden aus Einsatzgebieten zu gewinnen und zu rations Commander der EU für die einem anderen Kulturkreis, die wir überzeugen, dass es sich lohnt, ihren Mission im Kongo mit der Führung ja nun einmal sind, schaffen. Weg mit uns gemeinsam zu gehen. des Einsatzführungskommandos der Dies versuchen wir durch Unter- Dies muss bei der Planung und Bundeswehr betraut worden. D.h., richte und in der einsatzvorbereiten- Durchführung all unserer Operati- ich trage zurzeit die Verantwortung den Ausbildung in vielerlei Abschnit- onen, seien sie rein militärisch und/ für ca. 7.700 deutsche Soldaten, die ten sowie an vielen Stationen während oder gemeinsam mit zivilen Organisa- ihren Dienst in den Auslandseinsatz- der praktischen Ausbildungsab- tionen, stets mitbedacht werden. gebieten der Bundeswehr in zehn un- schnitte sicherzustellen. terschiedlichen Missionen auf drei Denn das Motto: „Nur wer weiß, Bei der Entsendung von Solda- Kontinenten vom Balkan, über das woher er kommt, weiß, warum er sich 3.ten in eine Stabilisierungsopera- Horn von Afrika, im Kongo und in wo befindet!“, gilt auch mit dem Blick tion müssen sich alle, insbesondere Afghanistan versehen. auf andere. Wir können nur wissen, aber die politischen Entscheidungs- Und ich kann Ihnen sagen, dies wie wir mit den Befindlichkeiten in träger im Klaren darüber sein, dass ist eine Verantwortung, die man fremden Ländern umgehen, wenn wir mit dem Einsatz von Soldaten neben 52 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZENTRALE VERSAMMLUNG dem stabilisierenden Aspekt zunächst für die Politik nur „Zeit gekauft“ wird. Nämlich die Zeit, die es der Politik ermöglicht, an der Beseitigung der tieferliegenden Konfliktursachen zu arbeiten. Anders ausgedrückt: Der militärische Beitrag ist ein wichtiger, er mag ein „Türöffner“ sein, ist aber auf sich allein gestellt nicht ausrei- chend, um diese Konflikte zu lösen oder zu beseitigen.

amit komme ich nun zum Kern DIhrer Fragestellung, den Berei- chen Verantwortung und Gewissen. Hier muss man vorausschickend zunächst einmal feststellen, dass sich alle unsere Einsätze im Bereich des Völkerrechtes bewegen, d.h. sie sind durch dieses abgedeckt. Zudem sind sie VN-mandatierte Einsätze zur Kri- senbewältigung, anders als die Ein- sätze der Marine am Horn von Afrika Die Teilnehmer des Podiumsgesprächs (v.l.): LWissDir i.K. Lothar Bendel, und im Mittelmeer. Diese gründen Prof. Dr. Thomas Hoppe, GenMaj Rainer Glatz und v.r. MinRat Günther, sich auf Art. 51 der VN-Charta, also r. dazwischen MilDek Johann Mayer (Foto M. Beyel, KMBA) Selbstverteidigung, sowie Art. 5 des NATO-Vertrages und die VNSR-Re- litärische Operationsführung in den anvertrauten Frauen und Männer und solutionen 1368 und 1373 aus 2001 Einsatzgebieten verantwortlich sind, der Tatsache, dass die Bindung mili- sowie der VNSR-Resolution 1566 liegt eine wesentliche und täglich tärischen Handelns an die nationale aus 2004. Darüber hinaus werden wiederkehrende Aufgabe des Ein- und internationale Rechtsordnung die alle Einsätze bewaffneter deutscher satzführungskommandos darin, diese Befehlsgewalt und Gehorsamspflicht Streitkräfte auf der Basis von Bun- Operationsführung darauf zu überprü- der Soldaten begrenzt, sehr bewusst, destagsmandaten unter Berücksich- fen, ob sie aus der Sicht deutschen wissen aber auch, dass auch unter tigung deutschen Rechtes sowie der Rechts und unserer Einsatzregeln diesen Rahmenbedingungen jeder politisch gebilligten Regeln für die auch mandatskonform ist. Einsatz mit Risiken behaftet ist. Anwendung militärischer Gewalt, den Sie können sicher sein, dass die- sogenannten Rules of Engagement se Aufgabe, in der wir auch gegenü- assen Sie mich zu dem Spannungs- (ROE), durchgeführt. ber der militärischen und politischen Lfeld, das sich aus dem Gewissen Der einzelne Soldat wird auf der Ebene sowie letztlich gegenüber dem des Einzelnen und damit für die Fra- Grundlage dieser ROEs anhand einer Parlament Verantwortung tragen, ge der Übernahme von Verantwortung Taschenkarte ausgebildet, die ihm durch uns sehr ernst genommen wird. ergeben kann, vor unserer späteren insbesondere in den Fällen Rechts- Es ist unsere wichtigste Kernaufgabe Diskussion als evangelischer Christ sicherheit vermitteln soll, in denen neben vielen anderen. mit Rückgriff auf ein Wort Dietrich er im Einsatz gezwungen sein könnte, Und, wenn sie die Diskussion in Bonhoeffers schließen: nach dem Prinzip der Verhältnismä- den Medien über einen möglichen „Das letzte Nichtwissen des eige- ßigkeit der Mittel militärische Gewalt, Einsatz deutscher Soldaten außerhalb nen Guten und Bösen und damit das einschließlich der Waffengewalt, ein- Kabuls sowie der Nordregion Afgha- Angewiesensein auf Gnade gehört zusetzen. D.h., der einzelne Soldat nistans mitverfolgt haben, können Sie wesentlich zum verantwortlichen ge- nimmt seinen Auftrag in einem zuvor sich auch vorstellen, dass uns diese schichtlichen Handeln. Der ideolo- eindeutig auch rechtlich klar defi- Aufgabe im Zusammenspiel mit den gisch Handelnde sieht sich in seiner nierten Rahmen wahr. Insofern ist er Kommandeuren vor Ort immer wieder Idee gerechtfertigt, der Verantwort- in diesen Lagen auch zum Gehorsam sehr fordert. liche legt sein Handeln in die Hände verpflichtet. Dies enthebt ihn aber Wir sind uns der hohen Verant- Gottes und lebt von Gottes Gnade und nicht möglicher moralischer Dilem- wortung für Leib und Leben der uns Gunst“ ❏. mata in einer konkreten, nicht vorher- sehbaren Situation. Da unsere Soldaten ihren Dienst Hinweis zur Thematik s.a. S. 55: in all unseren Einsätzen auch unter „Papst Benedikt XVI. Soldaten müssen der Führung multinationaler Kom- mandeure versehen, die für die mi- für Sicherheit und Freiheit eintreten“ AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 53 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

„Pfarrer ja, Glaube und Kirche nein!“ Grußwort des Moderators des Priesterrates Militärdekan Thomas Stolz, StOPfr Ulm I schiedlichsten Aufgabebereichen und in die Kirche hineinführen? Bei wirken und vor allem, wie können der Kirche unter Soldaten ist es be- wir mehr Menschen von der Großar- kanntlich nicht anders, sondern eher tigkeit des Glaubens und der Kirche noch extremer. Den Pfarrer, die Mi- begeistern. litärseelsorge finde ich gut, aber mit Nach einer Umfrage, anlässlich Glauben habe ich nichts am Hut, so des Papst-Besuches durch McKinsey, ein weit verbreitete Meinung unter lässt sich zwar feststellen, dass 20% den Soldaten. Ebenso meine Erfah- der Deutschen, Ihre Meinung über rungen aus den vielen Auslandsein- die kath. Kirche verbessert habe, von sätzen bestätigen mir diese Tatsache. den Katholiken sind es 32%. Wenn von 1.200 Soldaten sonntags uerst möchte ich mich ganz 80 zum Gottesdienst kommen, dann 20% der Katholiken sagen, sie herzlich bei Ihnen im Namen kann ich als Priester schon froh sein. gingen jetzt regelmäßig in den Sonn- des Priesterrates für Ihre Arbeit Dennoch ist die Annahme meiner Per- Z tagsgottesdienst, das sind 2% mehr als in der vergangen Zeit bedanken. Viele son bei den Soldaten und auch die der bei der vorherigen Umfrage. 43% der von Ihnen haben sich in manchen Be- anderen Pfarrer recht hoch. Pfarrer ja Befragten sind der Meinung, die Ins- reichen selbstlos und mit viel Enga- Glaube und Kirche nein. titution kath. Kirche müsse sich drin- gement eingesetzt. Die Gemeinschaft In den kommenden Jahren sehe gend verbessern. Das sind 14% mehr der Kirche lebt, gestaltet und baut auf, ich genau in diesem Punkt die ent- als 2002. Fast jeder zweite Deutsche durch das Handeln und Reden vieler scheidende Herausforderung für die (45%) hat weiterhin kein Vertrauen in Menschen. Sie haben dies getan und gesamte Kirche und all derer die ih- die kath. Kirche als Institution. Noch damit nicht nur Zeugnis abgelegt für ren christlichen Glauben als einen schlechtere Vertrauenswerte erzielen ihren Glauben an Jesus Christus, son- gelungenen Lebensentwurf betrach- die Rentenversicherung (47%) und ten und diesen in der Welt verkünden dern Sie haben auch durch das Ein- die politischen Parteien (57%). und leben wollen. setzen ihrer unterschiedlichen Gaben Regelmäßige Kirchgänger erwar- Die Kirche muss in der Gesell- und Fähigkeiten an dem lebendigen ten nur zu 35% (Gesamtbevölkerung schaft wieder einen größeren Rück- Haus Gottes in dieser Welt mitgebaut. 47%), dass sich in den nächsten Jah- halt bekommen. Die Kirche muss Dankeschön und vergelte diesen Ein- ren die Lage auf dem Arbeitsmarkt wieder erkannt werden als ein Garant satz Ihnen Gott. verschlechtert, 25% von ihnen rech- guten und wahrhaftigen Lebens. Die Einige von Ihnen denken und pla- Kirche muss wieder die Fürspreche- nen auch weiter und machen sich Ge- nen mit einer Verbesserung der Bil- dungssituation, von den Deutschen rin der kleinen Leute werden und danken in Planung und Organisation sie muss sich bedingungslos für die der Kirche unter Soldaten. insgesamt sind es nur 18%. In Hilf- sorganisationen sind 27% der aktiven vielen Randgruppen und außerhalb So wurde der Vorschlag in den der Gesellschaft Stehenden küm- Katholiken tätig, sie liegen damit um Priesterrat eingereicht, einmal zu be- 1 mern. Und wenn ich hier von Kirche denken, ob es nicht sinnvoll sei, er- 15% über dem Bundesdurchschnitt. spreche, dann meine ich jeden Ein- fahrene und die Auslandseinsätze der Diese Zahlen können wir analy- zelnen von uns. Priester und Laien Bundeswehr kennende Soldaten, die sieren, oder diskutieren. Fakt ist, und sind aufgerufen das Evangelium im kirchlich gebunden und aktiv sind, das ergeben viele gleich geartete Um- und durch das Leben zu verkünden. den Pfarrern im Einsatz zur Seite zu fragen: In vielen Bereichen kommt die Dies hat nicht mit Bequemlichkeiten stellen. Diesen Gedanken finde ich kath. Kirche und damit auch christli- zu tun, sondern fordert eine gewisse gut und wir werden ihn aufgreifen cher Glaube nicht mehr vor. Radikalität. und ohne Bürokratie und großartige Normen und Gesetze ändern, die Daher meine lieben Schwestern Vorplanung umsetzen. Dieser Vor- Kirche dem säkularisierten Zeitgeist und Brüder im Glauben, bitte ich schlag zeigt mir persönlich das gute anpassen würde der Wahrheit und Sie herzlich, Ihren Glauben und Ihre Zusammenwirken von Priestern und dem Anspruch des Evangeliums und Überzeugung nicht zu verstecken Laien. Einander tragen und stützen, dem Auftrag der Kirche nicht nur sondern gelegen oder ungelegen in unsere Gesellschaft einzubringen. für einander da sein, muss die Devise nicht gerecht werden, sondern wäre Dies wird unser Auftrag für die Zu- unseres kirchlichen Handelns sein. gleichzeitig ihr Untergang. Was aber tun? Wie die Menschen begeistern kunft sein und kein anderer. Der hl. Wo aber geht die Kirche unter Johannes Don Bosco kann uns hier Soldaten hin, wie können wir weiter 1 aus „Der Dom“ Kirchenzeitung für das ein Beispiel sein. ❏ aktiv und sinnvoll in unseren unter- Erzbistum Paderborn, 17.09.2006, S. 3.

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NACHBARSCHAFTSHILFE 2006 / 2007 – PROJEKTBESCHREIBUNG: „Perspektiven durch Bildung – ein Gymnasium für Schülerinnen und Schüler im Kosovo“ ie größten Hoffnungen für das nur Wissen vermittelt. Im Mittelpunkt und vor Ort eingesetzte Soldaten des Kosovo richten sich auf die steht die Wertevermittlung. Deutschen Einsatzkontingents KFOR DJugend des Landes. Mehr als Um auch jenen Kindern, deren haben die Projektpartner bereits die Hälfte der Bevölkerung ist jünger Eltern es sich nicht leisten können, mehrfach besucht. Unter anderem als 25 Jahre. Diese Jugend braucht den Zugang zur Schule zu ermögli- führten Kontingentsoldaten eine ganz- die Möglichkeit zur Bildung im euro- chen, vergibt der Trägerverein Stipen- tägige Erste Hilfe Ausbildung am Loy- päischen Sinne und eine Chance zur dien oder zumindest Teilstipendien (z. ola Gymnasium durch, die neben dem Entfaltung im Geist der Verständigung, Zt. 10% Anteil). Die Förderung von Wissen den Schülern auch ein verän- der Achtung und des Respekts. Mäd- Mädchen in einem muslimischen dertes Soldatenbild vermittelten. chen und Jungen aller Ethnien und Land, ist ein ganz besonderes Anlie- Die Finanzierung des Betriebs Glaubensrichtungen sollen gemein- gen. Daher sind die Hälfte der Plätze und Ausbaus der Schule und des sam zur Schule gehen und wieder neu an der Schule und in den Internaten Internats scheint gesichert. Zur Fi- lernen, miteinander zu leben. für Mädchen reserviert. nanzierung der Stipendien werden Das kirchliche Hilfswerk Reno- Noch in diesem Jahr wird mit der verlässliche finanzielle Zusagen ge- vabis gab im Jahre 2003 eine Mach- Bau-Phase II begonnen. Es werden braucht. Der Anteil von Kindern aus barkeitsstudie zur Errichtung eines Sportplätze, eine Mehrzweckhalle und sozial schwachen Familien soll mit klassischen Gymnasiums im Kosovo weitere Klassenzimmer entstehen. deren Hilfe gesteigert werden. Für ein in Auftrag. Danach ist die Gründung Das Lehrpersonal und die wei- Stipendium werden 720,00 Euro/Jahr einer solchen Schule im Kosovo nicht teren Mitarbeiter sind bekannt. Der (nur Schule) bzw. 2.520,00 Euro/Jahr nur wünschenswert und machbar, son- Katholische Standortpfarrer Köln- (Internat) veranschlagt. dern auch verantwortbar. Insbesonde- Wahn, Militärpfarrer Michael Berning, (Peter Weber) re soll auch Mädchen die Chance zu einer guten Ausbildung eröffnet wer- den. Das zu gründende Gymnasium sollte unbedingt ein Internatsgymna- sium sein, das allen Kosovaren und GEFUNDEN: den Anrainerstaaten offen steht. In Prizren erfolgte bereits am 16. Papst Benedikt XVI.: Soldaten müssen April 2005 die Grundsteinlegung. Nur 5 Monate später, am 12. September für Sicherheit und Freiheit eintreten 2005, wurden Teile der Schule ein- geweiht. Der Unterricht begann für ie katholische Kirche will nach den Worten von Papst Benedikt 184 Kinder am darauf folgenden Tag. XVI. weiter an der Gewissensbildung von Soldaten mitarbeiten. Als juristische Person und Ansprech- DDiese müssten ihre Aufgabe als Dienst für Sicherheit und Frei- partner fungiert der Trägerverein „As- heit begreifen, sagte der Papst am 5. Oktober bei einer Begegnung mit sociation Loyola Gymnasium“. Ihm internationalen Militärgeistlichen. Nach wie vor seien Personenwürde wurde der Public Benefit Status (Ge- und Frieden die grundlegenden Werte, an denen sich die Seelsorge in meinnützigkeit) zuerkannt und er ist Armeen orientieren müsse. Das Kirchenoberhaupt äußerte sich aus bei der UNMIK als NGO registriert. Anlass des fünften internationalen Kongresses der Militär-Ordinariate Der Trägerverein setzt sich aus vielen im Vatikan. Das am Freitag beendete Treffen stand unter dem Thema kirchlichen und sozialen Stiftungen „Ministerium pacis inter arma“ (Friedensdienst unter Waffen). aus Deutschland, Österreich und dem Benedikt XVI. unterstrich, bewaffnete Kräfte dürften „ausschließ- Kosovo zusammen. Das Gymnasium lich im Dienst der Verteidigung und der Sicherheit und der Freiheit wird von Pater Walter Happel SJ ge- der Völker“ eingesetzt werden. Entsprechend habe auch schon das leitet. Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) die Aufgabe des Militärs als Das Loyola Gymnasium verfolgt Dienst für den Frieden beschrieben. Leider sorgten jedoch wirtschaft- eine optimistische Pädagogik. Die Er- liche und politische Interessen dafür, dass diese „konstruktive Tendenz“ ziehung ist welt- und lebensbejahend behindert und gebremst werde. Das zeige sich auch bei der Abrüstung, und will zur ganzheitlichen Bildung beklagte der Papst. (KNA) des Einzelnen in der Gemeinschaft beitragen. Den Schülern wird nicht

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 55 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

Aus der Arbeit der Sachausschüsse

in wesentlicher Teil der Arbeit innerhalb des Vorstandes der Arbeit ist es, die Soldaten und die Zentralen Versammlung (ZV) wird in den Sachausschüssen ge- militärische Führung für dieses The- Eleistet. Jedes Vorstandsmitglied leitet einen Ausschuss. Deren ma zu sensibilisieren und konkrete Mitglieder werden vom Vorstand berufen. In regelmäßigen Abstän- Hilfestellungen bei der Vorbereitung den treffen sich diese Sachausschüsse, um zum jeweiligen Thema auf Einsätze anzubieten. Im Zusam- zu arbeiten und zu diskutieren. Weitere Mitarbeiter sind in den menhang mit der Patientenverfügung Ausschüssen willkommen. Die Leiter der Sachausschüsse tragen im wurde auch das Thema „Recht auf Verlauf der ZV zur Arbeit in ihrem Themenbereich vor. Hier eine Zu- aktive Sterbehilfe“ als Ausdruck ei- ner persönlichen Souveränität in der sammenfassung, wie sie auch als Merkblatt für die Räte vorliegt. Öffentlichkeit, in den Medien und in ienstalltag und Christsein/ der Politik neu diskutiert. DMission: Organisation/Planung Leitung: Leitung: Oberstleutnant he – Familie – Partnerschaft: Major Gereon Gräf Hans-Georg Schellhaas E Leitung: Juliane Petersen Dieser Sachausschuss hat sich Dieser Sachausschuss hat als für das vergangene und die drei fol- Hauptaufgabe die organisatorische Inhaltlich hat sich der Sach aus- genden Jahre die Themenbereiche Vorbereitung und Durchführung der schuss dieses Jahr dem Thema „Kin- Lebenskundlicher Unterricht (LKU), ZV innerhalb der Woche der Begeg- der“ gewidmet. Der Sachausschuss Familienseelsorge und Seelsorge im hat die Entstehung der Elternbroschü- Auslandseinsatz auf die Tagesordnung nung. Hierbei arbeitet er sehr eng mit dem Referat IV des Katholischen Mi- re von Frau Mödl (ZFG in Eichstätt) geschrieben. „Wir schaffen das“ konstruktiv beglei- Hierbei wird unter anderem bei litärbischofsamtes zusammen. Neben dieser Aufgabe ist er für Planungen tet und diese auf der ZV auszugsweise der Erstellung der neuen ZDv 10/4 vorgestellt mitgewirkt. Wichtige Neuerungen bei und Termine des Vorstandes der Zen- Der Ausschuss arbeitet an sei- der Durchführung des LKU dürften tralen Versammlung verantwortlich nem Internet-Auftritt „Krisenkom- u.a sein: und führt die Terminübersicht. pass“ weiter. Dort wird u.a eine Zu- · Keine konfessionelle Trennung . LKU wendet sich an alle Soldatinnen sammenfassung des Themenbereichs und Soldaten Soziales Engagement: eingestellt. Damit will der SA auch · Seminarform (Tagesseminar) zu einem Informationsaustausch in Leitung: seinem Internet-Forum anregen. Stabsfeldwebel Peter Weber emeindearbeit: Der Sachausschuss schlägt geeig- G nete Projekte für die sozial-caritative Information: Leitung: Aktion „Nachbarschaftshilfe“ der Ka- Leitung: OTL Stefan Graichen Stabsfeldwebel Rüdiger Koethe tholischen Militärseelsorge vor und Der Sachausschuss greift Fragen begleitet diese in der Umsetzung. Der Sachausschuss erarbeitet und Probleme in den Seelsorgebe- Dazu gehört der Gedankenaus- zur Zeit einen Internetauftritt der ZV. zirken auf und macht dem Vorstand tausch und die Korrespondenz mit Neben der Berichterstattung über die Vorschläge zur Beantwortung von den Partnern in den Projekten. Im Arbeit im Vorstand und den SA steht Fragen bzw. Lösung von Problemen. Rahmen der Kontaktpflege zu Reno- die Berichterstattung über die „Woche Desweiteren hält er enge Verbindung vabis vertritt er die ZV bei Partner- der Begegnung“ im Mittelpunkt. zu den Seelsorgebezirksräten und zur schaftstreffen dieser Organisation. Es werden neben Informationen mittleren Ebene, den Arbeitskonfe- über die Mitarbeit im Laienapostolat renzen der Leitenden Militärdekane esellschaftliche Entwicklung/ der Katholischen Militärseelsorge (KLMD). Er erarbeitet Vorschläge für Friede/Umwelt: auch Hinweise zu unserem Glauben die Ordnung der Laiengremien. Er G bereitgestellt. Auch soll die Vernet- überarbeitet das Handbuch für Seel- Leitung: OFA Dr. Martin Keim zung der organisierten Laienarbeit sorgebezirksräte. Weiterhin beobach- Dieser Sachausschuss befasst vorangebracht werden. Ein weiterer tet er Veränderungen der Bundeswehr, sich mit ethischen und gesellschaft- Arbeitsbereich wird die Pressearbeit die Einfluss auf die Militärseelsorge lichen Grundfragen. Dabei liegt zz. sowie die Herausgabe von Informati- an den Standorten haben. Schließlich der Schwerpunkt auf dem Gebiet der onen und Flyern bleiben. erarbeitet er auch Vorschläge zur Un- „Patientenverfügung“ mit den Teil- (Vorstand ZV) terstützunq der Laienarbeit im Aus- bereichen „Vorsorgevollmacht“ und landseinsatz. „Versorgungsvollmacht“. Ziel der 56 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZENTRALE VERSAMMLUNG Der Bundesvorsitzende zur Lage der GKS Bericht vor der Zentralen Versammlung 2006 in Ludwigshafen litaire International (AMI) durch Oberst i.G. Reinhard Kloss. Die OBERSTLEUTNANT PAUL BROCHHAGEN Möglichkeit das Gedankengut der Inneren Führung international zu ist gute Tradition, dass der Lather an GenMaj Korte und die vermitteln, ist von unschätzbarem Es Bundesvorsitzende der GKS Seminarleitung von Oberstlt a.D. Wert. der Zentralen Versammlung aus der Paul Schulz an Oberst a.D. Karl- GKS berichtet. Außerdem stellt ja Jürgen Klein übergeben. Was hätte besser sein können? die GKS nach der Ordnung der Zen- 4. Als positiv zu bewerten ist auch 1. Mit Bedauern habe ich einsehen tralen Versammlung die Hälfte der der Stand der Zusammenarbeit müssen, dass ich meine Absicht, Mitglieder. mit der deutschen Sektion der im ersten Amtsjahr einmal in al- Da mein umfassender Bericht zur kath. Friedensbewegung „pax len Bereichen gewesen zu sein, Lage der GKS 20061 gedruckt vorliegt, christi“. Im November des ver- nicht habe realisieren können. will ich mich hier mit den Aspekten gangenen Jahres führten wir unter Der Plan war zu ehrgeizig. Mich befassen, die mir besonders am Her- der Regie der bischöflichen Kom- tröstet aber, dass meine beiden zen liegen. mission „Justitia et Pax“ ein wei- Stellvertreter vor Ort waren und 1. Ich möchte beginnen mit einem teres gemeinsames Seminar durch. die Verbindung gehalten haben. Bekenntnis zur engen Zusam- Nachdem es 2004 um einen Er- 2. Das Projekt „Aufbau Ost“ ist menarbeit mit der ZV; das gilt fahrungsaustausch über Ausland- nicht nur politisch eine Mammu- uneingeschränkt natürlich auch seinsätze ging, wurden diesmal taufgabe. Ein Fortschritt ist nicht für den noch zu wählenden neuen die Ausbildungskonzepte der Ak- zu erkennen und angesichts nur Vorsitzenden. teure bei der Friedenskonsolidie- ca. 2000 kath. Soldaten im ge- 2. Gleich an zweiter Stelle steht rung verglichen. So ist inzwischen samten Bereich auch nur schwer- mein Dank an unseren Militär- ein von gegenseitigem Respekt lich zu erwarten. Die Saat fällt zu bischof, dass er unsere Laienar- getragenes Verhältnis entstan- oft auf steinigen Grund oder unter beit ungeachtet der Misstöne aus den und die frühere Sprachlosig- die Dornen. einem bayerischen Bistum un- keit überwunden. Ich freue mich, 3. Schließlich kann ich sie nicht vor verändert fördert. Mit Ihrer An- dass der Vizepräsident von pc, der unangenehmen Wahrheit be- wesenheit über drei Tage dieser Herr Johannes Schnettler, unserer wahren, dass bei uns wie in vielen Woche der Begegnung setzen Sie Einladung gefolgt ist; er wird ein privaten und öffentlichen Haus- ein deutliches Zeichen. Grußwort sprechen. halten sparen angesagt ist. Die 3. Dieser Bericht ist auch Rechen- 5. Auch die Gelegenheit zur Mit- allgemeinen Kostensteigerungen schaftsbericht über das erste arbeit bei der Erarbeitung des und aufwändige Veranstaltungen Jahr meiner Amtsführung – wie geplanten Weißbuches dürfen im Jubiläumsjahr zwingen zu schnell rennt die Zeit dahin! Also: wir ungeachtet der Aussicht auf schmerzhaften Einsparungen und Was war gut, was hätte besser sein Berücksichtigung unserer Stel- zu strenger Haushaltsdisziplin. können. Auf der Habenseite ste- lungnahme als Erfolg buchen. Ich hen zuerst die vielen „pastoralen“ bin persönlich skeptisch, ob das Soweit mein Rechenschaftsbe- Aktivitäten an der Basis, bei den Weißbuch überhaupt veröffent- richt als Ergänzung zum vorliegenden GKS-Kreisen. Wir können uns licht wird. Ich habe mich im Be- Lagebericht der GKS 2006. freuen über blühendes Leben in richt zu den drängenden Fragen Ich möchte dieses Forum nutzen, vielen Kreisen. Das ist die Basis geäußert. um einige grundsätzliche Gedanken unserer Arbeit. Die Akademie 6. Ebenfalls im politischen Raum vorzutragen. Oberst Korn im vergangenen Jahr finden in der Regel zweimal jähr- Bei der Übernahme des Amtes hat wieder ihren Wert als Mar- lich im Haus des Kath. Militär- habe ich deutlich gemacht, dass die kenzeichen unserer Bildungsar- bischofs in BERLIN Gespräche strategische Aufstellung der GKS beit bestätigt. Der Dreiklang Be- mit Politikern statt. Allein die nicht in Frage gestellt ist. Dennoch gegnung – Bildung – Besinnung Tatsache, dass wir den Wehrbe- arbeiten wir - wie auch die großen hat hier eine starke Stütze. In auftragten des Deutschen Bun- Volksparteien - an unserem Grund- einem feierlichen Festakt wurde destages zu Gast hatten und im satzprogramm. 10 Jahre nach der letz- die Schirmherrschaft von GenLt November den Bundesminister ten Überarbeitung, an der ich selbst der Verteidigung zu Gast haben als Vorsitzender des Sachausschusses 1 Der 40-seitige Lagebericht der GKS 2006 wurde den Delegierten der Bun- werden, macht deutlich, dass wir Konzeption und Information maßgeb- deskonferenz in Ludwigshafen ausge- gehört werden und auf diese Wei- lich beteiligt war, ist eine Neufas- händigt. Die Informationen sollen an se Einfluss nehmen können. sung erforderlich, nicht zuletzt um die Bereiche und Kreise weitergegeben 7. Auf der Haben-Seite zu verbuchen Interessenten, Sympathisanten und werden. Der Beitrag des Geistlichen Beirats zum Lagebericht ist auf Seite 65 ist schließlich die Übernahme der Neu-Mitgliedern unsere Programma- wiedergegeben. Präsidentschaft des Apostolat Mi- tik in gedruckter Form in die Hand

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 57 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

geben zu können. Zudem haben wir mandeurtagung der Bundeswehr 2005, tionen und Positionen, die ausdrück- bei der Erarbeitung des Textes „50 wie es auch der Wehrbeauftragte des lich zu begrüßen sind, weil sie der Jahre Militärseelsorge – die GKS im Deutschen Bundestages in seinem katholischen Ethik und der Position Spannungsfeld gewandelter Aufträ- letzten Jahresbericht angemahnt hat. der GKS entsprechen. ge der Bundeswehr“ und durch das Ich habe dem Vorsitzenden der Deut- Damit komme ich zum Schluss Bischofswort „Soldaten als Diener schen Bischofskonferenz, Karl Kardi- und bitte sie alle im Geist der päpst- des Friedens“ Aussagen von grund- nal Lehmann, unsere Stellungnahme lichen Enzyklika „Deus Caritas est“ sätzlicher Bedeutung formuliert und brieflich übermittelt. Sie können das in der Bundeswehr Zeichen zu setzen formuliert gefunden, so dass kein im AUFTRAG nachlesen. Wir wollen und Flagge zu zeigen. Der verstorbene Weg an einer Aufnahme in „Ziele und uns hier mit dem nötigen Rüstzeug große Papst Johannes Paul II hat das Wege“ vorbeigeht. Es tut einfach gut, für die Diskussion in den Bereichen gemäß eigener Darstellung so prakti- so haben wir bei den intensiven Ge- SOWIE Kreisen versehen und so das ziert, dass er für jeden Menschen, dem sprächen im Bundesvorstand erfahren, Thema als Jahresthema 2006/2007 er begegnete, zuerst ein stilles Gebet dass wir uns selbst vergewissern, wer mitnehmen. Auch wenn es teilweise gesprochen hat. - Wenn es stimmt, sind wir, wo kommen wir her, wo wol- „schwere Kost“ ist; es führt kein Weg dass Kirche im 3. Jahrtausend entwe- len wir hin?. daran vorbei; wenn wir mitreden wol- der mystisch / spirituell, also fromm, Es geht also nicht um eine len, müssen wir kompetent sein. wird oder untergeht, fordere ich sie Neuausrichtung unserer Gemein- Ich habe im Lagebericht auch auf unverschämt katholisch zu sein schaft, sondern vielmehr um eine Stellung genommen zum Urteil des und dies auch zu zeigen. Präzisierung unserer Grundsätze. Bundesverwaltungsgerichtes in der Wir, die GKS, beobachten weiter, Als ersten nenne ich: Wir leben, Sache Major Pfaff. Ich sage es noch was sich in der Politik, in der Gesell- ich wiederhole das, von lebendigen einmal in aller Deutlichkeit: Unab- schaft und der Bundeswehr tut und GKS-Kreisen, das ist unsere Basis hängig von der Bewertung dieses melden uns zu Wort, sei es gelegen – ohne die geht nichts! Danke für Einzelfalles enthält das Urteil Defini- oder ungelegen. ❏ ihr Engagement; Dank an die Mili- tärseelsorger und Pfarrhelfer, ohne deren geistlichen Rat und tatkräftige Unterstützung auch nichts ginge! „Wir wissen nicht, wie nachhaltig unser Beispiel ist“ Aber, wir haben auch einen missi- Schlusswort von Militärbischof Walter Mixa zu den Beratungen der ZV onarischen Auftrag: ohne Wirkung in die Bundeswehr und die Gesellschaft n seinem Schlusswort dankte der Militärbischof Oberst Richard wären wir uns selbst genug und ohne Schmitt, für seine zwar kurze, aber verdienstvolle Arbeit als Vor- Relevanz. Katholisch sein heißt sogar Isitzender der ZV.1 Die Wichtigkeit der organisierten Laienarbeit in noch mehr: nämlich global und inter- der katholischen Militärseelsorge werde auch unterstrichen durch die national zu denken und zu handeln! Berichte aus den Bereichen. „Ohne gute Zusammenarbeit geht nichts Von daher wird unser Engagement im voran“, meinte der Bischof und ergänzte, dass die unterschiedlichen Gna- AMI, dem Apostolat Militaire Interna- dengaben zur gegenseitigen Ergänzung der Kräfte führten. Ein Grund für tional verständlich. den Militärbischof gerade auf der Ebene der Seelsorgebezirke um eine Abschließend zu dem Kapitel vertrauensvolle Zusammenarbeit der Ehrenamtlichen mit den Haupt- „Grundsätzliches“ wiederhole ich amtlichen zu werben hier in aller Deutlichkeit: Die GKS Den Weltjugendtag 2005 in Köln bezeichnete Mixa als „größte ist und bleibt eine Gemeinschaft, die Glaubensdemonstration und -bekenntnis in der gemanisch-deutschen sich nicht nach dem Motto „Wie viele Geschichte“. Auf diözesaner Ebene gebe es ähnliche Ereignisse. Der Divisionen hat der Papst ?“ über Mit- Bischof appellierte an die Delegierten: „Mit Mut voran! Wir haben keinen gliederzahlen definiert, sondern von Grund uns zu verstecken und stumme Hunde zu sein, weil wir ein Gottes- der Gemeinsamkeit der Ziele und und Menschenbild anzubieten haben, das seinesgleichen sucht.“ Ideale derer lebt, die sich dazugehö- Glück und Segen wünschte der Militärbischof dem neuen Vorsit- rig fühlen. zenden der ZV, Stabsfeldwebel Ralf Eisenhardt. Auch die zweite Säule Gestatten sie mir einige Gedan- der katholischen Militärseelsorge neben den Räten, die Gemeinschaft ken zum Leitthema dieser Woche der Katholischer Soldaten (GKS), sprach der Bischof an. Er hob besonders Begegnung „Soldaten als Diener des den Wert der „Akademie Oberst Helmut Korn“ hervor, durch welche die Friedens – Gewissen und Gehorsam“. GKS gerade junge Vorgesetzte anspreche und einzubinden suche, um sie Die deutsche Bischofskonferenz hat in existenziellen Lebens- und Berufsfragen zu beraten. Und allgemein sich genötigt gefühlt, zum Dienst der zur Wichtigkeit des Laienapostolats merkte Bischof Mixa an: „Wenn auch Soldaten Stellung zu nehmen. Das ist wenig unmittelbare Fortschritte festzustellen sind, wissen wir nicht, wie absolut außergewöhnlich. Wir müssen nachhaltig unser Beispiel ist.“ (PS) die Chance ergreifen und die Gedan- ken und Anregungen breit diskutieren, 1 Schmitt war am 16. September 2004 bei der 43. WdB auf Schloss Hirschberg bei Beilngries (Diözese Eichstätt) als Nachfolger von Oberst Franz-Josef Pütz zum wie es auch unser Bundespräsident Vorsitzenden der ZV gewählt worden. bei seiner Rede anlässlich der Kom-

58 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZENTRALE VERSAMMLUNG

DAS INTERVIEW: Stabsfeldwebel Ralf Eisenhardt, neuer Vorsitzender der ZV R. E.: Halt und Zuversicht erfahre ist das Thema der Akzeptanz, vor der ich im Glauben an Jesus Christus. Wahl des neuen Vorsitzenden, disku- Die christlichen Werte stehen nicht tiert worden. Der größte Teil der Zen- entgegen der Werte, denen ich als tralen Versammlung ist der Meinung, Soldat verpflichtet bin. Sie gehen so- der Dienstgrad ist für die Akzeptanz gar ein ganzes Stück weiter. Wenn ich des Vorsitzenden nicht ausschlag- versuche Christus zu folgen, erfülle gebend. Seitens der hauptamtlichen ich u.a. meinen Auftrag als Soldat der Militärseelsorge, angefangen vom Mi- Bundeswehr sicher nicht schlecht. litärbischof, Militärgeneralvikar und AUFTRAG: Aus welchem Grund waren alle die ich gesprochen habe, bestand AUFTRAG: Geben Sie unseren Lesern Sie bereit, für den Vorsitz in der ZV zu überhaupt kein Zweifel, dass der bitte einen kurzen stichwortartigen kandidieren? Dienstgrad nicht entscheidend ist. Au- Überblick über die wichtigsten Stati- ßerhalb der Militärseelsorge, jedoch onen Ihres Lebens. R. E.: Da ich seit vielen Jahren in innerhalb der Bundeswehr mag es der Militärseelsorge ehrenamtlich Ralf Eisenhardt: Geboren bin ich bei einigen Offizieren zunächst viel- mitarbeite, weiß ich, dass das En- leicht ein kleines Erstaunen geben, 1966 in Essen, evangelisch getauft. gagement der ehrenamtlichen Laien Aufgewachsen in Kamen in Westfa- allerdings gibt es bislang überhaupt in der katholischen Militärseelsorge kein Problem als Gesprächspartner len. 1982 Mittlere Reife, 1985 Aus- enorm hilft, die Kirche unter Soldaten bildung zum Brillenoptikschleifer, akzeptiert zu werden. Das wäre in an- erfahrbar zu machen. Die Aufgabe als deren Armeen sicherlich schwieriger 1986 in die Bundeswehr eingezogen. Vorsitzender der Zentralen Versamm- – hier greift das Prinzip der Inneren 1992 erst Übertritt in die katholische lung bedeutet für mich viel geben zu Führung stark. Außerhalb der Bun- Kirche, danach Ernennung zum Be- dürfen, doch auch viel nehmen zu deswehr ist die Akzeptanz voll gege- rufsoldat und dann – jetzt kommt die können. Es ist für mich eine einma- ben, da spielt der Dienstgrad keine wichtigste Station – Heirat mit meiner lige Gelegenheit, in dieser Funktion Rolle, das habe ich schon durch die Frau Birgit. 1995 Geburt Sohn Aaron mitgestalten zu dürfen. Jonathan. 1998 Geburt Sohn Jakob Mitgliedschaft im Zentralkomitee der AUFTRAG: Welche Schwerpunkte wol- Antonius. Seit 2003 mit der Wahl zum Deutschen Katholiken gewusst. Viele len Sie als Vorsitzender Delegierten der Zentralen Versamm- der ZV setzen? lung (ZV) für das Zentralkommitee der deutschen Katholiken (ZdK) ko- R. E.: Ich möchte die optiertes Mitglied im Vorstand der Beratungsfunktion des Zentralen Versammlung. 2006 Wahl Gremiums stärker her- zum Vorsitzenden der Zentralen Ver- ausstellen. Außerdem bin sammlung. ich der Meinung, dass der Zentralen Versamm- AUFTRAG: Was hat Sie bewogen Be- lung in ihrer Außenwir- rufssoldat zu werden? kung und –darstellung R. E.: Da stand zunächst die soziale mehr Berücksichtigung Absicherung der Familie oben an. zukommen sollte – daran Meine Frau und ich wollten gern Kin- möchte ich arbeiten. der und da war ein fester Arbeitsplatz AUFTRAG: Streitkräfte uns beiden wichtig. Es war aber auch sind hierarchisch gegli- die Überzeugung, dass ich als Soldat ederte Organisationen. einen guten und richtigen Beitrag für Glauben Sie, dass der mein Heimatland leiste. Und es be- Dienstgrad bei der Akzep- wog mich die Erkenntnis, dass mir tanz des Vorsitzenden der meine Arbeit immer gut gefiel, was ZV innerhalb und außer- heute noch der Fall ist. halb der Militärseelsorge eine Rolle spielt? AUFTRAG: Was gibt Ihnen Ihr Glaube und welche Rolle hat er bisher in Ih- R. E.: Innerhalb der rem Beruf als Soldat gespielt? Zentralen Versammlung

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 59 46. WOCHE DER BEGEGNUNG haben sich gefreut, dass innerhalb der – Der AUFTRAG … ist seit lan- Militärseelsorge der Status eines Sol- gem eine meiner Pflichtlektüren, der daten nicht die entscheidende Rolle dankenswerter Weise viele Themen spielt, dafür gab es von vielen Seiten nicht nur an der Oberfläche behan- viel Lob. delt, son dern bewusst der Forderung AUFTRAG: Ergänzen Sie bitte fol- nachkommt, anspruchsvoll für kirch- gende Satzanfänge: lich, militärseelsorglich und theolo- – Kirche unter Soldaten … ist für gisch interessierte Menschen lesbar mich ein Stück zu Hause sein, egal wo zu sein. ich örtlich in der Bundeswehr bin. AUFTRAG: Was sollte sich nach Ihrer – Das Laienapostolat in der katho- Meinung in der „Kirche unter Solda- lischen Militärseelsorge … ist unver- ten“ ändern? zichtbarer Bestandteil der Kirche R. E.: Im Prinzip nichts. Ich wünsche unter Soldaten mir die Einsicht jedes Bundeswehran- – Jugend in der Kirche … wünsche gehörigen, dass die Militärseelsorge ich Erlebnisse und Begegnungen, vom Staat gewollt in die Bundeswehr die ihr den Zugang zum christlichen integriert wurde. Mit der „Kirche Glauben eröffnet und erhält. unter Soldaten“ wird ein Grundrecht – Frauen in der Kirche … sind für der Soldaten verwirklicht, dass zu re- mich genau so selbstverständlich wie spektieren jeder Soldat verpflichtet Männer in der Kirche. ist, besonders natürlich Soldaten in – Ökumene in der Militärseelsorge Führungsverantwortung. … zeigt auf, dass Grenzen vorhanden und zu überwinden sind. AUFTRAG: Was tun Sie, wenn Sie sich entspannen wollen? – Die GKS … hat innerhalb des en- gagierten Laienapostolates für mich R. E.: Spazieren gehen, ruhige Musik grundsätzlich eine gleichwertige Be- hören oder auch gern einen Fernseh- deutung wie die Rätestruktur in der krimi genießen. katholischen Militärseelsorge des- AUFTRAG: Haben Sie ein Motto und halb bin ich aktives Mitglied – die wenn ja, wie lautet es? Arbeitsweisen sind etwas anders und die Aufgaben werden unabhängiger R. E.: Ich habe kein Motto. Jemand wahrgenommen. sagte einmal zu mir: „Denke daran, ein Jedes geht mit seinem Gegen- teil schwanger.“ Daran denke ich oft und es macht mich dankbar, auch im Glauben. AUFTRAG: Wollen Sie unseren Lesern noch etwas zusätzlich mitteilen? R. E.: Vielen Dank an die aktiven GKS-Mitglieder, welche sich für die Militärseelsorge im vergangenen Jahr engagiert haben. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein friedliches und segensreiches Weihnachtsfest. Helfen Sie mit im Jahr 2007 die Mi- litärseelsorge zu gestalten, durch Be- suche der Gottesdienste, Teilnahme an Veranstaltungen und auch durch Ihre unverzichtbare ehrenamtliche Arbeit. Und schreiben Sie mir bitte, wenn Sie Anmerkungen zu unserer gemeinsamen Arbeit haben. (Das Interview führte PS) 60 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 ZENTRALE VERSAMMLUNG

MMilitärbischofilitärbischof WalterWalter MixaMixa beibei denden LaienLaien währendwährend derder WocheWoche derder BegegnungBegegnung

oben: Gottedienst in der Kapelle des Tagungshauses; Geistliche am Altar v.l.: Diakon OLt Jürgen Masuch, MD Thomas Stolz, Militärbischof Walter Mixa, MD Johann Meyer, KLMD Rainer Schnettker (z.T. von Ministranten verdeckt); Mitte: Militärbischof im Gespräch mit dem ehemaligen Vorsitzenden der ZV, Oberst Richard Schmitt (l.) und dem neugewählten StFw Ralf Eisenhardt; unten v.l.: Beim Empfang am Mittwoch: Chaplain Majo Arnoldas Valkauskas (LIT), stellv. Bundesvorsitzender Hptm Hans- Georg Pauthner, Bundesvorsitzender OTL Paul Brochhagen, Diözesanbischof Speyer Anton Schlembach

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 61 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

BUNDESKONFERENZ DER GKS IN DER 46. WOCHE DER BEGEGNUNG : Bundeskonferenz der GKS stellt das Thema „Ethische Bildung in der Bundeswehr – Chancen und Risiken“ in den Mittelpunkt Einführende Zusammenfassung as Leitwort der Woche der Be- in den deutschen Diözesen nen Pastoralbesuchen bei der Truppe gegnung „SOLDATEN ALS DIENER Dr. Andreas Ruffing, von den Soldaten immer wieder die DDES FRIEDENS – GEWISSEN UND • als Vertreter der Militärseelsorge Durchführung des Lebenskundlichen GEHORSAM“ aufgegriffen behandelte Litauens Chaplain Major Arnoldas Unterrichts eingefordert werde. die Bundeskonferenz der GKS unter Valkauskas, Er ermunterte die in Räten und den Aspekt „ETHISCHE BILDUNG IN DER • den Vorsitzenden des Verwaltungs- im Verband aktiven Laien „unver- BUNDESWEHR – CHANCEN UND RISIKEN“. rates der KS Dipl.BetrWirt schämt katholisch“ zu sein, also ihren Der Bundesvorsitzende Oberstleut- Detlef Warwas, Glauben auch nach außen deutlich zu nant Paul Brochhagen eröffnete die • Josef König für die „aktion kaser- machen. Christen müssten Bekenner Bundeskonferenz und begrüßte: ne“ und als Vertreter des BDKJ, sein. • Militärbischof Dr. Walter Mixa, • Carl-H. Pierck, Chefredakteur • den Geistlichen Beirat der GKS „Die Tagespost“ und „kompass“. er bisherige Vorsitzende der ZV, Militärdekan Johann Meyer, DOberst Richard Schmitt, be- • den Sprecher des Priesterrates Mi- Grußworte richtete von den vorangegangenen Be- litärdekan Thomas Stolz, ilitärbischof Dr. Walter Mixa ratungen der ZV. Die ZV habe in den • den Kath. Leitenden Militärdekan Mwies auf das Wort der deutschen vergangenen drei Tagen unter dem Köln-Wahn MD Schnettker, katholischen Bischöfe „Soldaten als gemeinsam gewählten Leitwort getagt. • den zuständigen Standortpfarrer Diener des Friedens“ hin. Es sei eine Eine gelungene Podiumsdiskussion von Mainz Pfarrer Pries, berechtigte und immer wieder gestell- habe die rechtliche, die ethischmo- • den Vorsitzenden der ZV Oberst te Frage der Soldaten, welche Bedeu- ralische und die soldatische Position Richard Schmitt und seinen neu tung dem Gewissen zukomme. Daher zu dieser Fragestellung beleuchtet. gewählten Nachfolger Stabsfeld- sei die von den Bischöfen geforderte Nach der Neuwahl des Vorstan- webel Ralf Eisenhardt, Stärkung der Inneren Führung von des im vergangenen Jahr habe sich • den als Referenten zur Bundes- besonderer Bedeutung. Er hob als der Vorstand in der Zwischenzeit konferenz eingeladenen Leitenden herausragende Forderungen den Re- auf seine Aufgaben eingestellt. Alle Wissenschaftlichen Direktor im spekt vor Würde und Leben der un- Sachausschüsse hätten sich konsti- Kirchendienst Lothar Bendel, terstellten Soldaten und die Weiter- tuiert. Die inhaltliche Arbeit in den • die Vorsitzende der KAS Christa geltung der Grundsätze der Inneren Sachausschüssen sei neu geordnet Reichard und als Vertreter der Ge- Führung in der Zusammenarbeit mit worden. Dabei spielten die Auswir- schäftsführung Martin Oster, Streitkräften anderer Nationen her- kungen der Transformation der Bun- • als Vertreter des Instituts für Theo- vor. Die von ZV und GKS gewählte deswehr eine besondere Rolle. Die logie und Frieden Oberst a.D. Thematik „SOLDATEN ALS DIENER DES Einsätze der Bundeswehr im Aus- Ludwig Jacob, FRIEDENS – GEWISSEN UND GEHORSAM“ lande spiegelten sich in den Themen • den Vizepräsidenten der deut- nur ein Jahr nach dem Erscheinen der „Verwundung und Tod“ sowie „Patien- schen Sektion von pax christi Jo- Schrift der Bischöfe sei eine großar- tenverfügung“, aber auch in der Frage hannes Schnettler tige Leistung, für die den Laien be- nach den Auswirkungen auf die Fa- • den Leiter der Arbeitsstelle für sondere Anerkennung gebühre. Der milien der Soldaten und Soldatinnen Männerarbeit u. Männerseelsorge Militärbischof betonte, dass bei sei- wider.

Blick ins Plenum der Bundeskonferenz; Oster (KAS), Detlef Warwas (Vorstand (IThF), Josef König (ak), BrigGen vorn: Bischof Walter Mixa, Geistl. Bei- KS), Dr. Andreas Ruffing (ArbSt FD); a.D. Friedhelm Koch (GKS); Bild r.: rat Johann Meyer, 2. Reihe v.l: Martin mittl. Bild v.r.: Oberst Ludwig Jacob GKS-Delegierte aus den Bereichen.

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Oberst Schmitt erläuterte das sorge und seines Militärbischofs und Engagement der Zentralen Versamm- wünschte der Konferenz einen erfolg- lung beim Bau eines Gymnasiums reichen Verlauf. im Kosovo und bei der finanziellen Unterstützung bedürftiger Schüler ie Vorsitzende der Katholi- im Rahmen des Projekts „Nachbar- Dschen Arbeitsgemeinschaft schaftshilfe“. für Soldatenbetreuung (KAS), Bei den Berichten aus den Wehr- Christa Reichard, dankte für die bereichen sei die Sorge deutlich ge- worden, welche Auswirkungen die Reduzierung der Dienstaufsichts- bereiche der Katholischen Militär- seelsorge von sieben auf vier haben werde. Besonders die wachsenden Unterschiede zur Organisation der Evangelischen Militärseelsorge be- reitet Sorge. in der Frage von Friedenssicherung Als neuer Vorsitzender der ZV und Friedensstabilisierung zwar un- sei Stabsfeldwebel Ralf Eisenhardt terschiedliche Zugänge und Verant- gewählt worden, der sein Amt an die- wortlichkeiten, aber Einigkeit in der sem Tag übernommen habe. Zielsetzung gebe. Pax christi habe sich gegen den UNIFIL-Einsatz im tabsfeldwebel Ralf Eisenhardt Libanon ausgesprochen, weil dieser Srichtete ein Grußwort an die Einsatz voreilig und ohne ausrei- Bundeskonferenz. Er führte aus, es Einladung, die sie gerne angenom- chende gesellschaftliche Diskussion liege ihm viel an einer guten Zu- men habe. Sie überbringe die Grüße angeordnet worden sei. Insbesondere sammenarbeit mit der GKS, denn der KAS zum letzten Mal, da bei der die Bedeutung einer denkbaren be- schließlich entsende sie die gleiche Mitgliederversammlung im nächsten waffneten Auseinandersetzung zwi- Anzahl Delegierte in die ZV wie die Jahr wieder ein Mitglied des Deut- schen deutschen und israelischen Arbeitskonferenzen mit den Vertretern schen Bundestages als Vorsitzender Soldaten sei nicht hinreichend be- aus den Seelsorgebezirksräten. Im gewählt werden solle. dacht worden. Übrigen nehme die GKS damit eine Sie erinnerte an die gute Zusam- einzigartige Stellung im deutschen menarbeit beim Katholikentag in ür das Institut für Theologie Verbandskatholizismus ein. Sie par- Saarbrücken. In den Einsatzländern Fund Frieden in Hamburg über- tizipiert auf allen Ebenen wirksam und zu Hause sehe die KAS ihre Be- brachte Oberst a.D. Ludwig Jacob und unmittelbar an den Laienräten treuungsaufgabe gegenüber den Sol- die Grüße des Direktors Dr. Justen- der katholischen Militärseelsorge. daten und deren Familien. Sie bitte hoven. Die Kernaufgaben dieses Frie- Und wörtlich fügte Eisenhardt hin- GKS und ZV um eine weitere Vertie- densforschungsinstituts der katho- zu: „Ich anerkenne, dass die GKS in fung der Zusammenarbeit. lischen Kirche in Deutschland in der ihrem Wirken eine wichtige Autorität Trägerschaft des Katholischen Mili- zur Bildung des Militärischen Gewis- er Vizepräsident der deut- tärbischofs seien die historische Auf- sens war und ist.“ Dschen Sektion von pax christi, arbeitung der theologischen Aussagen Johannes Schnettler, wies darauf zur Friedenslehre, die philosophische haplain Major Arnoldas Val- hin, dass erstmals der Vizepräsident und ethische Auseinandersetzung mit Ckauskas (LIT) überbrachte die von pax christi an der Bundeskonfe- völkerrechtlichen Fragen, die Be- Grüße der litauischen Militärseel- renz der GKS teilnehme. Der Grund schäftigung mit aktuellen Fragen der dafür sei in der gemeinsamen Arbeit Konfliktbearbeitung, die Befassung der vergangenen Jahre zu sehen. Er mit Problemen der Terrorismusbe- dankte dem Bundesvorsitzenden der kämpfung, schließlich die Betreuung GKS für dessen Teilnahme an der eines sog. Offizierkreises, der sich auf letzten Konferenz von pax christi. wissenschaftlichen Tagungen mit frie- Die in dem von der GKS gewähl- densethischen Fragen befasse. ten Thema angesprochene Gewissens- frage verbinde GKS und pax christi. r. Ruffing, Leiter der kirch- Das letzte gemeinsame Seminar in Dlichen Arbeitsstelle für Män- Bensberg habe gezeigt, dass es auch nerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen, stellte Chaplain Major Arnoldas Valkauskas die Arbeitsstelle vor. Sie arbeite im (LIT) und der Referent des Bildungs- Auftrag der Deutschen Bischofskon- themas LWD Lothar Bendel (KMBA) ferenz und sei zugleich Zentralstelle AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 63 46. WOCHE DER BEGEGNUNG für die Männerarbeit in den Diözesen. Bildungsvortrag, v.l.: Referent Die Zusammenarbeit zwischen GKS LWD Lothar Bendel und die und der Arbeitsstelle sei seit langen Moderatoren StFw Klaus Feinseis Jahren sehr eng und vertrauensvoll. und Hptm Hans Georg Pauthner. Vertreter der GKS seien in der GKMD (Gemeinschaft der katholischen Män- ner Deutschlands) regelmäßig an verantwortlicher Stelle positioniert besonders am Herzen liege. Dazu gewesen. Männerarbeit setze heute habe die GKS im zurückliegenden an den konkreten Lebenssituationen Jahr mit ihrer Akademie Oberst der Männer an. Auch die Lebenser- Helmut Korn in Fulda und einem fahrung von Soldaten seien hier ein- weiteren gemeinsamen Seminar mit zubeziehen. pax christi in Bensberg gute Arbeit Dr. Ruffing dankte für die Mög- geleistet. lichkeit, in der GKS-Verbandszeit- Brochhagen dankte den haltens sein. Ferner gehe es um eine schrift AUFTRAG über die Männer- Sachausschüssen für ihre qualitativ Moralerziehung, die auf Grundhal- arbeit zu informieren. hochwertige Arbeit. Die regelmä- tungen ziele, die den Grundnormen ßigen Politikergespräche bewertete unserer Gesellschaft entsprächen.2 osef König, Geschäftsführer er als äußerst erfolgreich. In diesem – Der Vortrag wurde in mehreren Ar- Jder aktion kaserne, überbrachte Jahr seien besonders das Gespräch beitsgruppen vertieft, die ihre Ergeb- Grüße im Auftrag des Bundesvorstan- mit dem Wehrbeauftragten und das nisse im Plenum vortrugen. des des BDKJ. König erklärte, dass er im November geplante Gespräch mit Im Mittelpunkt des Kulturpro- die von der Bundeskonferenz gewähl- dem Bundesminister der Verteidi- gramms der Bundeskonferenz stand te Thematik für äußerst bedeutend gung1 hervorzuheben. eine Führung im Dom zu Speyer. In halte. Die Entscheidung des Bundes- Der Bundesvorsitzende erläuterte dem anschließenden geselligen Teil verwaltungsgerichtes zur Kernfrage die Notwendigkeit, die Grundsatz- wurde Oberst a.D. Karl-Jürgen Klein von Gewissen und Gehorsam sei in- papiere der GKS „Ziele und Wege“ offiziell aus seiner Funktion als Bun- sofern hilfreich, als das Gewissen als sowie „Ordnung“ und „Geschäfts- desvorsitzender der GKS, Oberst- moralische Kategorie für unantastbar ordnung“ an die geänderten Verhält- leutnant a.D. Paul Schulz aus seiner erklärt werde. Er regte an, das Solda- nisse anzupassen. Zugleich machte Aufgabe als Leiter der Akademie tengesetz und die ZDv 10/1 im Lichte er deutlich, dass dies keine Verände- Korn und Hauptmann a.D. Günter dieser Entscheidung des BVerwG zu rung in der grundsätzlichen Ausrich- Hagedorn als langjähriger Bundes- prüfen und ggf. zu ergänzen. tung der GKS bedeute. Sie sei und geschäftsführer und Haushaltsbeauf- bleibe eine Gemeinschaft, die sich tragter verabschiedet. Bericht des Bundesvorsitzenden nicht über Mitgliederzahlen, sondern Während der Bundeskonferenz Der Bundesvorsitzende GKS über gemeinsame Ziele definiere. Sie fanden auch die Mitgliederversamm- Oberst leutnant Paul Brochhagen hob bleibe ein unabhängiger Verband, der lungen des Förderkreises der GKS e.V. zunächst seine Absicht zur engen sich selbstbewusst zu Wort melde, wo (FGKS e.V.) und der Gemeinschaft Zusammenarbeit mit dem neuen ZV- immer dies nötig sei. Katholischer Soldaten e.V. (GKS e.V.) Vorsitzenden hervor. Zur inhaltlichen statt. Arbeit der GKS machte er deutlich, Bildungsvortrag dass ihm der Schwerpunkt „Bildung“ Der Grundsatzvortrag zum Jah- a. FKGS e.V. resthema beleuchtete die ethische Protokoll der Mitgliederversamm- Bildung in der Bundeswehr. Referent lung s.S. 74. war der Leitende Wissenschaftliche Direktor im Kirchendienst Lothar b. GKS e.V. Bendel, Referatsleiter im KMBA. Er Die Mitgliederversammlung trat führte aus, dass auch heute schon am 23.09.2006 zusammen. Das Pro- ethische Bildung in der Bundeswehr tokoll wurde den Mitgliedern zuge- immer dann vermittelt werde, wenn sandt. in der Unterrichtung der Wertebezug OStFw Johann Schacherl ist als deutlich werde. Es gebe aber kein stellvertretender Vorsitzender zu- Lehrfach „Ethische Bildung.“ Das rückgetreten, bleibt aber als Schatz- Ziel ethischer Bildung müsse die meister im Vorstand des Vereins. Als Verbesserung der moralischen Urteils- sein Nachfolger wurde OTL Paul kraft der Soldaten und die inhaltliche Brochhagen gewählt. Bestimmung moralisch richtigen Ver- Als Nachfolger des früheren 1 Dieses „Politikergespräch“ hat am 09.11.2006 in Berlin stattgefunden; 2 Referat dokumentiert S. 66-72 ff., s.a.S. 4 ff. in diesem AUFTRAG. Diskussion S. 72. 64 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 BUNDESKONFERENZ DER GKS

Geistlichen Beirats der GKS – des beauftragten mit ihren vielen Helfern. Noch einmal griff er das Thema heutigen Generalvikars von Bamberg Der Bundesvorsitzende dankte auch der Woche „SOLDAT ALS DIENER DES Georg Kestel – wurde der jetzige MD Meyer für die geistliche Beglei- FRIEDENS – GEWISSEN UND GEHORSAM“ Geistliche Beirat Militärdekan Johann tung: Die Gottesdienste seien die Mit- auf: Wir seien mit der Wahl dieses Meyer zum Beisitzer in den Vorstand te, aus der wir leben. Themas gut beraten gewesen. Durch gewählt. Abschließend bezog sich der unsere gemeinsame Arbeit seien wir Bundesvorsitzende auf die Worte des jetzt besser für die Diskussion in der Geistlichen Beirats im Lagebericht Bundeswehr gerüstet, auch mehr sen- Schlusswort des Bundesvorsitzenden 3 Paul Brochhagen sprach von der GKS. Dieser habe davon ge- sibilisiert für das, was mit den neuen fruchtbaren Tagen der Begegnung, sprochen, dass katholische Verbände ZDv 10/1 und 10/4 auf uns zukom- Bildung und Besinnung, die wir in praktische Lernorte des sozialen Ge- me. Ludwigshafen verbracht hätten. Er wissens sein müssten. Wir müssten Der Bundesvorsitzende wünschte dankte seinen Stellvertretern, Hptm uns fragen, ob uns dies gelungen sei. allen Teilnehmern Gottes Segen für Georg Pauthner und StFw Klaus Fein- Wir müssten darüber nachdenken, wie die weitere Arbeit, für das eigene eis, die als Moderatoren die Veran- das Leben aus dem Glauben gestärkt Wohl und das Wohlergehen der Fa- staltung souverän geleitet hatten. werden könne und wie verbandliche milien. Alle mögen mit neuer Kraft Ein weiterer Dank ging an die Selbstorganisation ein neuer Weg der in den Alltag zurückkehren und aus Organisatoren, besonders an die Ka- Kirchenbildung werden könne. Er diesen Tagen der Gemeinschaft die meraden aus dem Bereich Koblenz richtete die Bitte an MD Meyer, dabei Ermunterung gewinnen, immer wie- (OTL Warner, Hptm a.D. Dorndorf) für zu helfen, dass die GKS selbst immer der Menschen für die Arbeit in der einen informativen Bildungsteil und kritisch prüfe, ob sie dieser Aufgabe Kirche, in der GKS zu suchen. eine gelungene Abendveranstaltung, gerecht werde. Abschließend erteilte Militärde- sowie an das Team um den Bundes- 3 Beitrag des Geistlichen Beirats zum La- kan Meyer den Reisesegen. geschäftsführer und den Haushalts- gebericht 2006 der GKS s.S. 65. (PS/Klaus Achmann)

Wort des Geistlichen Beirats zum Lagebericht 2006

MILITÄRDEKAN JOHANN MEYER

bin nun seit Anfang der Kath. Theologie an der Kath. Ich des Jahres im Referat Universität Eichstätt. IV im KMBA tätig. Bei der Arbeit • 1986 wurde ich zum Diakon und bin ich während des Jahres auf einen 1987 zum Priester geweiht. fahrenden Zug aufgesprungen, den • Meine Kaplanszeit verbrachte ich mein Vorgänger (zwischenzeitlich) u.a. in Roth bei Nürnberg. Dort Generalvikar Georg Kestel zum Rol- lernte ich den damaligen Stand- len gebracht hat. ortpfarrer kennen, der mich für Ich möchte die Chance nutzen, die Militärseelsorge immer mehr mich Ihnen kurz vorzustellen. interessierte. 1991 wurde ich dann • Ich bin 47 Jahre alt. Ich komme aus Standortpfarrer in Roth. Nach der Diözese Eichstätt. 1978 habe meinem Einsatz 1998 bei SFOR Süden konnte ich dann sehen, wie die ich Abitur gemacht. Anschließend (1. Kontingent neu) wurde ich 1999 einzelnen GKSKreise auf der mittle- war ich in dieser friedensbewegten nach Ingolstadt versetzt, 2002 nach ren Ebene wie Zahnräder ineinander Zeit vor der Frage gestanden: „Was Regensburg, greifen. machst du jetzt? Zivildienst oder • 2005 nach Potsdam ans Einsatz- Durch Sitzungen und Sachaus- Bundeswehr?“ Ich habe mich führungskommando und 2006 an schüsse konnte ich mir dann ein etwas für die Bundeswehr entschieden, meine jetzige Stelle im KMBA. intensiveres Bild machen, welche Ar- denn einen KDV-Antrag hätte ich Für mich ist es damit also die beit auf Bundesebene läuft. Ich muss vermutlich aus gewissen Gründen erste Bundeskonferenz der GKS, bei bekennen, dass ich beeindruckt bin. und nicht aus Gewissensgründen der ich dabei bin. Ich kenne die GKS Das Engagement in manchen Sach- gestellt. Ich war dann 15 Monate bisher nur aus meiner Arbeit an der ausschüssen und die hochqualifizierte als Wehrpflichtiger in einer Nach- Basis. Dort habe ich sie schätzen ge- Arbeit in diesen sind wichtig, müs- schubkompanie. lernt. Für mich war sie in Roth und sen sein, um Eckpfeiler für die Posi- • Danach habe ich eine Lehre als Ingolstadt ein ganz wichtiger und we- tionierung der GKS zu schaffen. Ich technischer Zeichner im Maschi- sentlicher Teil der Seelsorge an den denke, auf Bundesebene braucht sich nenbau angefangen. Standorten. die GKS nicht zu verstecken! Dafür • 1980 begann ich mit dem Studium Bei den Arbeitskonferenzen im danke ich allen von Herzen!

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 65 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

Eines allerdings fällt mir auf. Die – „Wie kann ich Kameraden für die Vorgänger, Generalvikar Kestel, im GKS auf Bundesebene und die GKS GKS begeistern?“ letzten Jahr bei Leo Jansen und Man- an der Basis erscheinen mir (viel- – Welche Antworten kann ich geben fred Körber zitiert hat: leicht auch noch oberflächlich gese- auf die Frage: , Was bringt es mir, Katholische Verbände sind eine hen) sehr unterschiedlich. Während in der GKS zu sein?‘“ Chance für die gesamte Pastoral, ... auf Bundesebene die Inhalte klar Ich denke, diese Fragen müss- ... wenn sie nicht Vergangenem nach- sind, erlebte ich an der Basis doch ten auf allen Ebenen immer wieder trauern, sondern sich als prak- andere Anliegen. diskutiert und dann beantwortet tische Lernorte des sozialen Ge- werden – zum wissens und der Solidarität weiter Wohl der GKS und profilieren. der einzelnen Sol- ... wenn sie die Bedeutung des Evan- daten. geliums in den alltäglichen und Ich wünsche politischen Lebenszusammenhän- mir für die GKS, gen mit den Menschen neu er- dass der Austausch schließen. von oben nach un- ... wenn sie selbst wie auch die ver- ten und von unten fasste Kirche die verbandliche nach oben intensiv Selbstorganisation als einen neu- funktioniert, da- en Weg der Kirchenbildung unter mit das eintreffen den veränderten Bedingungen der kann, was mein Moderne begreifen. ❏

Mit dem Großen Kreuz der Kath. Militärseelsorge dankt MD Johann Meyer der Leitung des Heinrich Pesch Hauses für die gute Betreuung während der 46. Woche der Begeg- nung; l. P. Tobias Karcher SJ, Mitte die Hauswirtschaftsleiterin

Ethische Bildung in der Bundeswehr – Chancen und Risiken Vortrag zur Bundeskonferenz der GKS in Ludwigshafen am 21. Sept. 2006 als ZDv 10/4 den Lebenskundlichen Unterricht regeln. Die Herausnahme VON LOTHAR BENDEL der Dienstvorschrift zum Lebenskund- lichen Unterricht aus der 66er-Reihe Nach meiner Erinnerung der Vorgängerversion pointiert die (Militärseelsorge) und Einfügung in artikuliert sich mit Beginn Notwendigkeit einer Stärkung des die 10er-Reihe (Innere Führung, Poli- 1.unseres neuen Jahrtausends ethischen Bewusstseins sowie die tische Bildung) soll die Verantwortung in den Streitkräften ein gesteigertes Schärfung der sittlichen Urteilsfähig- der militärischen Führer für den Le- Interesse an Fragen der Ethik bzw. keit der Soldaten. Ihre Inkraftsetzung benskundlichen Unterricht deutlicher ethischer Bildung. Als Indiz dafür steht allerdings noch aus. machen. verweise ich nur auf entsprechende Die Kirchenämter, das Katholi- Projekte wie die regelmäßige Durch- sche Militärbischofsamt und das Ethik in der Offizier- und führung von Werteseminaren in den Evan gelische Kirchenamt für die Unteroffizierausbildung letzten Jahren, die auf einen verbind- Bundeswehr, haben die ZDv 66/2 Freilich muss ethische Bildung in lichen Wertekanon für Soldaten der (Lebenskundlicher Unterricht) über- der Bundeswehr nicht neu erfunden Bundeswehr zielen, sowie aktuelle arbeitet und einen modernisierten werden. Was ich im Folgenden knapp Pläne, Offiziere in Universitätspro- Entwurf an das Ministerium geschickt. skizziere ist Ihnen allen bestens ver- grammen in Methoden ethischer Bil- Diese Dienstvorschrift wird zukünftig traut. dung trainieren zu lassen. Ethische Inhalte werden im Lehrgebiet „Innere Führung“, Ethischen Bildung in Moral ist eine soziale Gegebenheit. das in der Ausbildung der Of- Vorschriften – Sachstand fiziere und Unteroffiziere als Die ZDv 10/1 (Innere Menschen leben immer schon in einer moralischen Kultur, Pflichtfach unterrichtet wird, the- Führung) ist in einem länge- die unsere Maßstäbe, Werte und Ideale bestimmt und matisiert. Die rechtlichen Grund- ren Prozess überarbeitet wor- festlegt, mit deren Hilfe sie moralisch urteilen. lagen des soldatischen Dienstes, den und betont gegenüber die verbindlichen Rechtsnormen,

66 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 BUNDESKONFERENZ DER GKS an denen sich militärisches Handeln und deshalb natürlich Quelle ständi- Erteilung des Lebenskundlichen Un- orientieren muss sowie historische gen Streites. terrichts. Bei der oben erwähnten Mo- und politische Bildung sind wichtige dernisierung und Neufassung der ZDv Inhalte im Lehrfach Innere Führung. Lebenskundlicher Unterricht 66/2 wird die Frage nach den Themen Aus meiner Sicht ist die Vermitt- Der Lebenskundliche Unterricht des Lebenskundlichen Unterrichtes lung solider Kenntnisse des natio- (LKU), den die Militärseelsorger und gerade in den Laufbahnlehrgängen nalen und internationalen Rechts ein Militärseelsorgerinnen erteilen, be- sicherlich neu gestellt werden. wesentlicher Bestandteil ethischer handelt natürlich ethische Aspekte Ethische Bildung fand und findet Bildung, allerdings nur, wenn die Dar- des Dienstes in den Streitkräften, ist also in der Bundeswehr immer statt, stellung des positiven Rechtes trans- aber von seinem Selbstverständnis allerdings nicht in einem speziellen parent ist auf die Werte hin, die der her nicht auf ethische Bildung zu re- Lehrfach „Ethik“. Brauchen wir nun Rechtsordnung zugrunde liegen und duzieren, vielmehr will er immer auch ein solches Fach? Diese Frage wird die durch eben diese Rechtsordnung ein Beitrag zur Lebenshilfe sein. m.E. in den Streitkräften in der nächs- geschützt werden sollen. Eine bloß Ende der 90er Jahre wurde der ten Zeit diskutiert werden. positivistische Belehrung und Instru- Versuch unternommen, in ierung über die Normen der Rechts- Absprache mit den Teilstreit- ordnung, die deren menschenrecht- kräften ein Curriculum für den Ethik ist Theorie der Moral, die auf die Klärung liches Begründungsfundament nicht LKU an den Ausbildungsein- der moralischen Grundbegriffe und Rechtfertigung deutlich macht, ist unbefriedigend richtungen der Bundeswehr und im Letzten nicht hilfreich. Es ist zu entwickeln. Die verbind- moralischer Ansprüche und Forderungen zielt unwahrscheinlich, dass jemand, der liche Aufteilung von Themen die moralischen Fundamente (d.h. die auf verschiedene Lehrgänge Prinzipien der ius-in-bello-Tradition) soll sicherstellen, dass während der Warum ethische der völkerrechtlichen Begrenzungen Ausbildung zum Unteroffizier und Bildung? militärischer Gewaltanwendungen Offizier eine möglichst umfassende 2.Stellen wir uns jetzt erst ein- nicht kennt, in kritischen Situationen Behandlung berufsethischer Themen mal die Frage, wie sich ein solcher ak- normorientiert handelt. Rechtsgehor- gewährleistet ist. Vier Themenfelder tueller Ruf nach Ethik bzw. ethischer sam aus Angst vor Sanktionen ist eine wurden hier als wichtig und unver- Bildung rechtfertigen oder erklären schwache Motivation in Situationen zichtbar angesehen: Friedensethik; lässt. eskalierender Gewalt. Führungsverantwortung; Gewissen Ethik ist ein Krisenphänomen. Auch die politische und histo- und Gehorsam; Krisen- und Extrem- Immer dann nämlich , wenn uns un- rische Bildung will die Fähigkeit för- situationen. In diesen Themenfeldern sere moralischen Intuitionen, mit de- dern, Grundfragen des Soldatenberufs sollten die Grundfragen einer Ethik nen wir unseren – auch beruflichen in seiner politischen und moralischen militärischen Handelns angesprochen – Alltag meistern, im Stich lassen, Dimension zu reflektieren. werden: wird der Ruf nach Ethik laut. Es sind 1. In welchen Situationen und zu i.d.R. neue, unbekannte Situationen Politische und historische welchen Zielen ist die Anwen- oder Handlungsoptionen, bei denen Bildung dung militärisch organisierter die Beantwortung der Frage nach dem Historische Bildung und die in Gewalt ethisch gerechtfertigt? richtigen Handeln schwer fällt, die der Geschichte der Bundeswehr re- 2. Welche Normen regeln militä- einen derartigen Ethikbedarf produ- gelmäßig auftauchende Frage nach risches Handeln und speziell die zieren.1 der Tradition dieser Armee sind üb- Anwendung militärischer Gewalt? Ethische Bildung in den verschie- rigens ein ganz ausgezeichneter Ort, Wo liegen die Grenzen des solda- denen Lernfeldern geschah beinahe um sich des politischen und ethischen tischen Gehorsams? 40 Jahre in der Bundeswehr in ru- Selbstverständnisses der Soldaten zu 3. Welche Bedeutung haben perso- higen Bahnen, denn der Auftrag der vergewissern. Historische Bildung in nale Kompetenzen und morali- Streitkräfte – die Landes- und Bünd- den Streitkräften zielt nämlich auf sche Haltungen (Tugenden) für nisverteidigung - war kaum Thema ei- eine wertorientierte Auseinanderset- ein verantwortliches und morali- ner ethischen Diskussion. Das Recht zung mit der Entwicklung von Streit- sch richtiges Führungshandeln der kollektiven Selbstverteidigung kräften in Deutschland. Nur auf der gerade in Krisen- und Extremsi- ist ethisch und völkerrechtlich unbe- Basis einer Übereinstimmung mit den tuationen der Selbst- und Fremd- stritten. Strittig waren nur im Blick Werten, die unserer rechtlichen und gefährdung.? auf den Einsatz von Nuklear- und staatlichen Ordnung zugrunde lie- anderen Massenvernichtungswaffen gen, können Taten und Ereignisse der Dieses Curriculum war nicht so die Mittel der Selbstverteidigung. deutschen Militärgeschichte Tradition erfolgreich, wie seine Schöpfer gehofft Ebenso wenig in Frage gestellt war und Vorbild für die Bundeswehr sein. hatten.Dies hat verschiedene Gründe: 1 Als Beispiel verweise ich auf die soge- Tradition ist immer ein normatives Vielleicht wurde der Unterricht the- nannte „Bioethik“, deren akademische Konstrukt, Ergebnis einer moralisch matisch überfrachtet? Auch die perso- und öffentliche Konjunktur auf unser und politisch begründeten Auswahl nelle Situation der Militärseelsorge ist rapide wachsendes naturwissenschaft- liches Wissen in der Erforschung des und Interpretation der Vergangenheit nicht förderlich für eine regelmäßige Humangenoms reagiert.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 67 46. WOCHE DER BEGEGNUNG das kodifizierte Regelwerk zur Moral hat ein anthropologisches Fundament. Moral und Ethik Normierung militäri scher Ge- Die Situation des Menschen in der Welt hat den Charakter 3.Bevor ich nun auf waltanwendung: das humani- die Fragen, die das Thema täre Völkerrecht. einer Forderung, auf die Menschen in praktischen Urteilen anzeigt, nämlich nach Zie- Ethische Bildung geschah antworten: Urteile also, die festlegen, welche Handlungen len, Methoden und Konzepten mithin im Horizont von zu unterlassen und welche geboten sind. ethischer Bildung und Re- Selbstverständlichkeiten. flektion in den Streitkräften In der neuen sicherheits- eingehe, will ich in einem politischen Lage, bei den neuen wien durch Bombardements aus der Zwischenschritt eine Klärung der Aufträgen der Streitkräfte sind die- Luft von der Vertreibung ethnischer Begriffe Moral und Ethik versuchen. se Selbstverständlichkeiten verloren Albaner aus dem Kosovo abbringen, Hier kann ich natürlich nur defi- gegangen. Die beste und kürzeste schlossen jedoch zugleich öffentlich nitorisch und damit immer auch sehr Übersetzung von Transformation der aus, dass an den Einsatz von Boden- vereinfachend vorgehen, aber wer Bundeswehr heißt: nichts ist mehr so, truppen gedacht sei. Die Beobachter eine Konzeption ethischer Bildung wie es mal war. der Vereinten Nationen wurden aus beschreiben und entwickeln will, Wiedergekehrt ist die Frage nach dem Kosovo zurückgezogen. So konnte muss über ein kommunizierbares Ver- dem gerechten Krieg. Konnte 1991 die Vertreibung zunächst noch unge- ständnis von Moral, Ethik und beider die Zeitschrift der italienischen Jesu- hemmter weiter gehen und erreichte zentraler Grundbegriffe verfügen. 3 iten La Civilta Cattolica (30.07.1991) überhaupt ihr größtes Ausmaß. Wann konstatieren, dass die Lehre vom ge- die jugoslawische Führung klein bei- Moral ist ein soziales Faktum rechten Krieg nicht mehr haltbar sei, geben würde auf Grund der Bombar- Wir leben immer schon in einer scheint 15 Jahre später der Sieg der dements, war zu diesem Zeitpunkt moralischen Kultur, die unsere Maß- Lehre vom gerechten Krieg allgemein nicht abzusehen. Wie ist die Hand- stäbe, Werte und Ideale bestimmt und anerkannt. Nachdem in den 90er Jah- lungsweise der NATO moralisch zu festlegt, mit deren Hilfe wir moralisch ren des vergangenen Jahrhunderts beurteilen? Durfte man serbische urteilen. Diese moralische Kultur ent- eine intensive Diskussion über die Städte bombardieren und die zivile hält eine Vorstellung davon, was uns Kriteriologie des gerechten Krieges Infrastruktur zerstören, um den Wil- zusteht und was wir anderen Men- ( im Zusammenhang der Frage nach len der jugoslawischen Führung zu schen schulden. Sie enthält mora- der Legitimität humanitärer Inter- beeinflussen? lische Aussagen, die zu einem Han- ventionen) geführt wurde, wird die- Offensichtlich durfte man dies, deln auffordern, die Stellung nehmen se weitgehend als kritische Theorie wenn man den Nonkombattantensta- und jemanden verpflichten wollen.4 rezipiert, die klärt, wann und welche tus neu definiert. Dies tut Colonel Die Grundsätze unserer mora- Gewaltanwendung legitim ist. Charles Dunlap im Jahre 2000 in der lischen Welt sind dem Einzelnen Zeitschrift „Strategic review“2, wo er nicht immer reflexiv präsent. Im Un- Neue Kriege – ethische Grenzen das Ende der Unschuld verkündet und terricht (nicht nur bei Wehrpflichti- legitimer Gewaltanwendung den Kombattantenstatus in der Post gen) macht man bisweilen die Erfah- Zunehmend geraten auch die – Kosovo - Ära neu definieren will. In rung, dass moralisches Wissen, also Regeln des ius in bello in den neuen Kriegen wie dem Kosovo-Krieg sind Wissen um die bestimmenden Werte, Einsatzszenarien unter Druck. Unser die Nonkombattanten - die serbischen Normen und Ideale unserer Kultur, Institut in Hamburg, das Institut für Bürger also - moralisch schuldig, da nicht oder nur sehr rudimentär vor- Theologie und Frieden, hat ein For- sie ihre Regierung unterstützen bzw. handen sind. Trotzdem handeln die schungsprojekt zum Thema „Ethische gewählt haben. Nonkombattanten dür- meisten regel- und moralkonform im Grenzen legitimer Gewaltanwendung Sinne konventioneller Orientierungen fen zwar nicht direkt getötet werden, in den neuen Kriegen“ initiiert, das des Kohlbergschen Stufenschemas5. aber entgegen den völkerrechtlichen von einer Grundlagenkrise der Nor- Bestimmungen darf das Eigentum der men der Gewaltanwendung (humani- 3 Verpflichtet ist dieses Verständnis von Mo- täres Völkerrecht) ausgeht. Zivilbevölkerung zerstört werden, d.h. ral und Ethik in erster Linie Peter Knauer: Handlungsnetze. Über das Grundprinzip Wir diskutieren im Rahmen der die Infrastruktur ist ein legitimes Ziel militärischer Gewalt. So kann eine der Ethik, Frankfurt/M 2002. Terrorismusbekämpfung erneut über 4 Zum Beispiel: Du sollst nicht gegen Folter. Wir diskutieren über die Mög- ganze Nation legitimer Weise in einen Gesetze verstoßen. Du musst die lichkeit oder sogar Notwendigkeit, Zustand von Strom-, Lebensmittel- Folgen Deines Handelns beachten. und Wassermangel gebombt werden. Du sollst nicht stehlen. entführte Flugzeuge abzuschießen 5 Kohlberg unterscheidet präkonventio- und damit unschuldige Passagiere zu Solche Fragen und Thesen ver- nelle, konventionelle und postkonventio- töten. weisen auf einen steigenden Bedarf nelle Stufen moralischer Wertung. Kon- an ethischer Reflektion in den Streit- ventionelle moralische Wertung beruht Wir diskutieren hier in Deutsch- auf Rollenübernahme, Orientierung an land erstaunlicher Weise nicht über kräften hin, aber nicht nur dort. der konventionellen Ordnung und den die Moralität des Kosovo -Krieges. Die 2 Charles J. Dunlap: The End of Inno- Erwartungen anderer, insbesondere der NATO wollte im Kosovo-Konflikt des cence: Rethinking Noncombatancy in Autoritäten; s. L. Kohlberg: Zur kogniti- the Post-Kosovo Era. In: Strategic Re- ven Entwicklung des Kindes, Frankfurt/ Jahres 1999 das serbische Jugosla- view, Summer 2000, 9-17 M 1974.

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Ethik hingegen ist Theorie, eine operations- und Kommunikationsfä- Metaebene der Reflexion auf Moral. Werte sind individuell und/oder sozial higkeit usw., die gerade auch für eine Sie zielt auf Klärung der moralischen nicht kulturrelative Begründung der Grundbegriffe und Rechtfertigung begehrte und geschätzte Güter und Ziele Menschenrechte bedeutsam sind.8 mo ra lischer Ansprüche und Forde- menschlichen Strebens und Lebens. Zuletzt sollte im Kontext gesell- rungen, sofern diese problematisiert schaftlicher Wertdebatten bedacht sind. Ziele menschlichen Strebens und Le- werden, dass der sog. Wertewandel Während Moral also unausweich- bens (Gesundheit, Frieden, Freiheit, seine Ursachen in sozialen und ge- lich ist, da wir uns in moralischen Selbstverwirklichung usw.). sellschaftlichen Änderungsprozessen Lebenswelten handelnd vorfinden, hat und sich nicht individueller Will- muss Ethik nicht sein. Möglicher- Exkurs: Wertewandel kür verdankt. Als Beispiel verweise weise existiert in einem wohlgeord- Wer gegenwärtig – gerade auch in ich hier auf die Theorie der Posthero- neten Gemeinwesen kaum Bedarf an den Streitkräften - von Werten spricht, ischen Gesellschaft, die gegenwärtig ethischer Reflexion. von einigen Sozialwissenschaftlern tut dies oft in kulturkritischer Manier 9 Moral als soziales Faktum ist einer Klage über Wertwandel oder vertreten wird . Postheroisch sind grundgelegt in der Situation des Men- Werteverfall. Gesellschaften, in denen der Tod im schen in der Welt. Menschen sind Der sog. Wertewandel ist freilich Kriege kein akzeptables Ereignis Lebewesen, die an einem „Gelingen in der Geschichte der Menschheit ist. Entsprechend niedrig gewichtet ihres Lebens als Ganzem“ (Robert eine Konstante. Er ist in der Regel sind soldatische und militärische Spämann) interessiert sind. Sie erfah- keine dramatische „Umwertung aller Werthaltungen. Die Entstehung einer ren sich jedoch zugleich als Wesen, Werte“ (Nietzsche), sondern, wie die postheroischen Gesellschaft verdankt die in der Verfolgung ihrer Lebens- empirische Sozialforschung zeigt, eine sich nun freilich nicht dem Sieg einer projekte verletzlich und auf Hilfe an- Neupositionierung von Werten auf ei- pazifistischen Ethik, sondern steht gewiesen sind. ner hierarchischen Werteskala.6 in einem engen Zusammenhang mit Die prekäre Situation des Men- Des Weiteren bedeutet Wertewan- der demographischen Entwicklung. schen in der Welt hat den Charakter del nicht per se Verfall von Werten. Gesellschaften, deren Familien 5 einer Forderung, einer Bitte, auf die Jeder Wertewandel verlangt deshalb – 10 Kinder haben, empfinden den Menschen in praktischen Urteilen nach einer ethischen Prüfung. möglichen Verlust eines Teiles ihrer antworten: Urteile also, die festlegen, Vergleichen Sie etwa die Werte Kinder im Krieg als Übel, das jedoch welche Handlungen zu unterlassen einer Feudalgesellschaft mit unseren unter Umständen gerechtfertigt er- und welche geboten sind. Werten: Die christlichen Völker in scheint. Gesellschaften mit wenig Die Moral besteht deshalb in ih- der Feudalzeit haben die Friedensbot- Kindern hingegen dulden nicht de- rem Kernbereich aus Schädigungsver- schaft des Christentums mit der Lust ren Tod in kriegerischen oder militä- boten (Unterlassenforderungen) und an Gewalt und dem Hochgefühl des rischen Aktionen. Hier findet also ein Hilfspflichten. Krieges auf eine Weise verbunden, Wertewandel statt, der, wenn man das In der moraltheologischen Tra- die uns heute unverständlich ist7. überhaupt will, mit pädagogischen dition bezeichnet man Schädigungs- Unsere Väter und Großväter er- Mitteln nicht bearbeitet werden kann. verbote als negative Pflichten, die lebten 1945 einen beispiellosen Wer- Dieser Wandel formuliert vielmehr semper et pro semper gelten, immer tewandel, den wir doch auf keine Weise eine politische Gestaltungsaufgabe, und auf jeden Fall. Hilfspflichten da- als Verfallsgeschichte beschreiben. dass nämlich staatliche Sicherheits- gegen als positive Pflichten gelten Zudem zeigt die vergleichende vorsorge auch in einer postheroischen semper sed non pro semper. Sie Gesellschaft möglich ist gelten immer, aber verpflichten nicht in jedem Fall zu aktuellem Normen sind generalisierte Verhaltenserwartungen, Normen und Tugenden Handeln. Die Unterscheidung die eine Schutzfunktion gegenüber Werten haben. Normen sind generalisierte zwischen negativen und posi- Verhaltenserwartungen, die eine tiven Pflichten trägt daher der Schutzfunktion gegenüber Wer- Tatsache Rechnung, dass die Ge- Kulturanthropologie auch, dass es ten haben. währleistung von Hilfe abhängig ist fundamentale universelle Werte oder So schützt etwa das Tötungsver- von Ressourcen und Kompetenzen Güter gibt, die der kulturellen Rela- bot den Wert „Leben“, das Verbot des und deshalb meistens vor Vertei- tivierung entzogen sind. Hier sind z. Diebstahls den Wert „Eigentum.“ lungsprobleme stellt. Im Blick auf die B. zu nennen Güter wie Leben, kör- Tugenden sind Haltungen und negativen Pflichten gibt es hingegen perliche Unversehrtheit, Gesundheit, keine Verteilungsfragen. Leben in sozialen Beziehungen, Ko- 8 Vgl. hierzu z.B. die Arbeiten der Menschliches Handeln vollzieht ameri ka nischen Philosophin Martha Nussbaum. Auf deutsch ist erschienen: sich immer unter der Rücksicht eines 6 Hinzuweisen ist hier auf die seit den Martha Nussbaum: Gerechtigkeit oder „Wertes“, der angestrebt wird. In 70er Jahren stattfindende Diskussion das gute Leben, Frankfurt 1999. dieser anthropologischen Sicht sind um das Verhältnis von Pflicht- und 9 vgl. z.B. Edward Luttwak: Strategie. Werte individuell und/oder sozial Selbstverwirklichungswerten. Die Logik von Krieg und Frieden; 7 s. hierzu Marc Bloch: Die Feudalgesell- Lüneburg 2003 (amerik. Original 1987; begehrte und geschätzte Güter und schaft, Stuttgart 1999. 2001); S. 105 ff.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 69 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

Handlungsdispositionen, die den Zweck, das sog. Handlungs- richtiges und gebotenes Han- Tugenden sind Haltungen und Handlungsdispositionen, objekt, gebunden. deln in Situationen sicherstel- Stellen Sie sich vor, einer len, in denen affektive und emo- die richtiges und gebotenes Handeln in Situationen von Ihnen steht auf und verteilt tionale Hindernisse bestehen. sicherstellen, in denen affektive und emotionale 20-Euro-Scheine an einige Mit- Das Wissen um das moralisch Hindernisse bestehen. Tugenden sind notwendige glieder dieses Plenums. Wie ist richtige Handeln führt nämlich diese Handlung moralisch zu nicht automatisch zur richtigen Korrektive der menschlichen Natur, die sich auf beurteilen? Beantworten kann Handlung. Zwischen Einsicht Motivationsmängel und Handlungshindernisse beziehen. ich die Frage nur, wenn ich In- und Handeln stehen unsere Nei- formationen darüber habe, zu gungen, Ängste und Begierden. In der kirchlich moraltheologi- welchem Zweck diese Handlung Tugenden sind notwendige Korrektive schen Tradition hat man diese ele- vollzogen wurde. der menschlichen Natur, die sich auf mentaren Verbindlichkeiten als Möglicherweise (a) dient das Motivationsmängel und Handlungs- Hand lungen bezeichnet, die in sich Verteilen des Geldes der Rückzah- hindernisse beziehen. schlecht sind, deren Unterlassung lung von Schulden, aber vielleicht Aus Tugend handelt also derjeni- also ausnahmslos gefordert werden (b) sollen einige Plenumsmitglieder ge, der unabhängig von seinen indi- muss.10 bestochen werden, damit sie bei der viduellen Interessen und Neigungen Der Status solcher in sich bevorstehenden Vorstandswahl einem das moralisch Richtige tut. schlechten Handlungen ist in der ka- bestimmten Kandidaten ihre Stimme Die Tapferkeit z.B. ermöglicht tholischen Moraltheologie in den ver- geben. das Tun des moralisch Gebotenen in gangenen Jahrzehnten intensiv disku- Im Fall (a) ist die Handlung mora- Situationen der Angst, wo der Flucht- tiert worden. Ich muss hier nicht diese lisch richtig, im Fall (b) natürlich mo- trieb uns zu beherrschen droht. Diskussion darstellen, will aber dar- ralisch schlecht. Der physische Akt Gerechtigkeit ermöglicht die ge- auf hinweisen, dass nicht einfachhin der Handlung, das Geldverteilen, ist forderte Gleichbehandlung von Per- der physische Vollzug einer Handlung in beiden Fällen identisch. sonen, zu denen wir in unterschied- in sich schlecht ist, sondern nur eine In den letzten Überlegungen habe lichen emotionalen Beziehungen immer schon moralisch qualifizierte ich Ihnen eine recht simplifizierte stehen. Handlung. Das ist nun erläuterungs- Darstellung einiger (nicht aller) Ele- Den Kern der Moral bilden Aus- bedürftig. mente der traditionellen scholasti- sagen, die festlegen, was Menschen In sich schlecht ist Mord, da eine schen Lehre von den „Quellen der einander schulden. Diese sind nicht moralisch nicht gerechtfertigte Tö- Moralität“ vorgetragen. pluralismusfähig. Es gibt keinen tungshandlung. Nicht jede Tötungs- Ich will meinen kurzen Überblick moralischen Pluralismus. handlung ist Mord, sondern es gibt zusammenfassen mit einer Bemer- Damit verkenne ich nicht, dass z.B. auch die gerechtfertigte Selbst- kung zu Friedrich Nietzsches Kritik wir in einer pluralistischen Gesell- verteidigung. der „christlichen“ Moral als Sklaven- schaft leben. Pluralismusfähig sind In sich schlecht ist die Lüge, da moral, deren Normen der Versuch der Fragen des Konzepts eines guten eine moralisch nicht gerechtfertigte Schwachen ist, die Starken daran zu Lebens, des Lebensstils, der Lebens- Falschaussage. Nicht jede Falschaus- hindern, sie zu schädigen. Nietzsche form, die Formen der (religiösen, sage ist eine Lüge. Die Falschaussage hat Recht, es ist nämlich die ureige- metaphysischen, naturalistischen) zugunsten eines anderen Menschen, ne Aufgabe der Moral willkürlichen Weltinterpretation und des Selbstver- um fremdes Leben zu retten oder Handelns, das immer ein Machtgefäl- ständnisses. In freien Gesellschaften einen ungerechtfertigten Angriff ab- le zwischen Starken und Schwachen ist ein solcher Pluralismus offensicht- zuwehren oder gar einem Menschen voraussetzt, zu verhindern. Willkür lich unvermeidlich. Es ist nämlich wirksam zu helfen, ist durchaus mo- macht, was sie will. das Kennzeichen totalitärer oder au- ralisch gerechtfertigt. Der Betonung auf den Schutz und toritärer Gesellschaften, dass sie für In sich schlecht ist der Diebstahl, der Respekt der Menschenwürde in ihre Mitglieder ein Konzept des guten da eine ungerechtfertigte Wegnahme kirchlichen Texten ist in diesem Sinne Lebens verbindlich machen wollen. fremden Eigentums. Nicht jede Weg- zu verstehen, als Appell moralisch Eine nicht pluralismusfähige Mo- nahme fremden Eigentums ist indes und nicht willkürlich zu handeln. ral, die festlegt, was Menschen einan- Diebstahl. Willkürliches Handeln verstößt im- der schulden, kritisiert jeden Relati- Die moralische Qualität einer mer gegen die Menschenwürde. vismus, der die universelle Gültigkeit Handlung lässt sich also nicht ab- Wir sollen einander nach ver- moralischer Forderungen bestreitet, lesen am physischen Vollzug dieser nunftgemäßen Gründen behandeln, weiß aber, dass es in moralischen Handlung, sondern ist konstitutiv an in die der jeweils Andere jedenfalls Fragen natürlich Dissens gibt, auch auch aufgrund seiner Vernunft ein- 10 Das II. Vat. Konzil zählt zu diesen in 11 dieser Dissens wurzelt in der Situati- sich schlechten Handlungen zum Bei- stimmen kann. Das ist der Sinn der on des Menschen als endlichem und spiel alle Formen der direkten Tötung irrtumsanfälligem Wesen. Unschuldiger (Mord, Völkermord, Ab- 11 vgl. Stephan Ernst: Personenwürde und treibung, Euthanasie), aber auch Folter, ärztliches Handeln. Hermeneutische Prostitution und Sklaverei. (Gaudium et Überlegungen zu einem verbreiteten Ar- Kirchliche Morallehre Spes Nr. 27) gument in der medizinischen Ethik, in:

70 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 BUNDESKONFERENZ DER GKS kantischen Formel vom Menschen als einandersetzung mit solchen „Fällen“ den deutschen Gesetzgeber im Janu- „Zweck an sich“. (problematische Entscheidungssitua- ar 2005, ein Luftsicherheitsgesetz zu tionen) erwiesen, in denen den han- verabschieden, das festlegt, dass ein Modelle ethischer Bildung delnden Akteuren mehrere Hand- Luftfahrzeug mit Waffen bekämpft 4.Ein kurzer Blick in die inter- lungsoptionen offen stehen. Geeignet und zerstört werden darf, wenn dieses nationale Diskussion (besonders in sind mithin Fälle, die transparent gegen das Leben von Menschen ein- die USA) zeigt, dass im Wesentlichen sind auf miteinander konfligierende gesetzt wird und andere Mittel zur zwei Modelle ethischer Bildung in und Werte oder Pflichten oder aber kom- Gefahrenabwehr nicht vorhanden für Streitkräfte entwickelt wurden: 1. plexe Entscheidungssituationen, in sind. Konkret bedeutet dies, dass ein Ein sog. „Ethical decision making denen unter Zeitdruck oder Informati- entführtes ziviles Flugzeug, von dem training“, das an der Lösung norma- onsmangel entschieden werden muss. angenommen wird, dass es z. B. gegen tiv-ethischer Fragen interessiert ist Die zeitgenössische Ethik spricht hier ein Kernkraftwerk gelenkt wird, abge- und 2. ein „core value development“, gerne von Dilemma-Situationen, aus schossen werden darf samt Besatzung das auf gemeinsame Wertbindungen der Tradition bekannt sind solche Fäl- und Passagieren. Im Februar 2006 hat zielt. Liest man nun die neuen Ent- le als Pflichten-Kollisionen. In diesen das Bundesverfassungsgericht dieses würfe einer ZDv 10/1 oder ZDv 10/4, Situationen kann ich eine Pflicht nur Gesetz für verfassungswidrig erklärt. so zeigt sich, dass dies auch die lei- erfüllen, in dem ich zugleich eine an- In der Perspektive des Bundesverfas- tenden Zielsetzungen ethischer Bil- dere Pflicht verletze und damit Men- sungsgerichtes verletzt das Gesetz die dung in der Bundeswehr sind. schen ein Übel zufüge. Menschenwürde der Passagiere, weil Das erste Ziel ethischer Bildung hier Leben gegen Leben abgewogen ist die Verbesserung der moralischen wird, was in der Tat immer willkürlich Urteilskraft der Soldaten, d.h. das Die moralische Qualität einer Handlung ist ist. Ist aber in dieser Perspektive das Vermögen in konkreten Entschei- bestimmt durch den Zweck der Handlung. moralische Problem des Flugzeugab- dungssituationen generelle Normen schusses sachgerecht gestellt? In der sachgemäß und situationsgerecht zur moraltheologischen Tradition hat man Geltung zu bringen und so inhaltlich Fall-Lösungen versucht, durch die Formulierung des das moralisch richtige Handeln zu Welche Begrifflichkeit man auch Prinzips der Doppelwirkung14 die Fra- bestimmen. Moralische Urteile sind immer wählt, es geht letztlich um ge zu beantworten, wann die Verur- das Ergebnis einer Applikation, ei- Kasuistik, also die Lösung konkreter sachung oder Zulassung eines Scha- ner Anwendung genereller Normen Einzelfälle. dens/Übels gerechtfertigt ist. auf eine konkrete Situation. Deshalb Für Immanuel Kant ist die Ka- Dieses Prinzip besagt, dass die setzt moralische Urteilskompetenz suistik ein wichtiger Bestandteil der Zulassung eines Schadens/Übels dann nicht nur ein hinreichendes norma- Moralpädagogik.13 In der „Kateche- erlaubt sein kann, wenn der Zweck tives Wissen voraus, sondern auch tischen Moralunterweisung würde es der Handlung moralisch legitim ist die Fähigkeit, die relevanten empi- zur sittlichen Bildung von großem und die Schädigung weder als Mittel rischen Merkmale einer Situation Nutzen sein, bei jeder Pflichtzerglie- noch als Zweck direkt intendiert wird, zu erkennen und beides in Bezie- derung einige kasuistische Fragen sondern eine nicht intendierte, wenn hung zu setzen. Moralische Urteile aufzuwerfen“. Wer eine Pflichtzer- auch vorhergesehene Nebenwirkung haben immer einen empirischen gliederung vornehmen muss, also die ist. Ein klassisches Beispiel für den und einen normativen Anteil.12 Bestimmung des moralisch richtigen Gebrauch dieses Prinzips der Dop- Auch hier mag ein Beispiel der Handelns in einer schwierigen Si- pelwirkung ist die Unterscheidung Verdeutlichung dienen: Das (mora- tuation anstrebt, übt sich darin – so von strategischen und Terrorbom- lische) Verbot, unter Alkoholeinfluss Kant – eine „Kultur der Vernunft“ ben. Im ersten Fall bombardiert ein Auto zu fahren, setzt sich zusammen zu entwickeln und die praktische Ur- Kampfpilot (die Gerechtigkeit des aus einem normativen Urteil, dass es teilskraft zu schärfen. Darüber hinaus Krieges hier vorausgesetzt) ein mili- verboten ist, andere zu schädigen, ist Kant der Meinung, dass durch sol- tärisches Ziel (um den Krieg schnel- und einem empirischen Urteil, dass che Übungen jemand unvermerkt „in ler zu gewinnen), wohlwissend, dass unter Alkoholeinfluss die Reaktions- das Interesse der Sittlichkeit gezogen dabei unschuldige Zivilisten, die schnelligkeit nachlässt und damit das wird“. in der Nähe leben, getötet werden. Schädigungsrisiko für andere steigt. Natürlich müssen im Unterricht Im zweiten Fall bombardiert ein Als hilfreich für den Unterricht solche Fälle besprochen werden, die Kampfpilot unschuldige Zivilisten, hat sich die Diskussion und die Aus- den militärischen Kontext berühren. um den Gegner zu demoralisieren Aber in der gegenwärtigen Situation und zur schnelleren Kapitulation Stimmen der Zeit 125 (2000), gibt es daran keinen Mangel. zu bewegen (um damit den Krieg S. 609-621; ferner Bruno Schüler: Ohne Zweifel waren die Ereig- schneller zu gewinnen). Gemäß dem Die Personenwürde des Menschen als nisse des 11. September Anlass für Prinzip der Doppelwirkung kann das Beweisgrund in der normativen Ethik, in: Theologie und Philosophie53 (1978), 13 Dieter Witschen: Kasuistik in Kants strategische Bomben (Fall 1) mo- S. 538 -555. Ethik. Ein Hinweis auf ein nahezu völlig 14 Eine ausführliche Darstellung und 12 s. hierzu Matthias Gillner: Praktische vernachlässigtes Thema, in Ethica 24 Interpretation des Prinzips der Doppel- Vernunft und militärische Professionali- (2006) 2, S. 179 – 198. Hier sind obige wirkung findet man bei P. Knauer: Hand- tät. WIFIS-AKTUELL 23, Bremen 2002. Kantzitate belegt. lungsnetze a.a.O. S. 27 -69.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 71 46. WOCHE DER BEGEGNUNG ralisch erlaubt sein, da der Tod der fähigkeit der Soldaten gefordert. Im Es kommt deshalb methodisch darauf unschuldigen Zivilisten weder Mittel Unterricht muss es deshalb darum an, Strategien zur Bewusstmachung noch Zweck der Bombardierung ist. gehen, Soldaten zu befähigen, mora- und Klärung dieser menschen- und Anders verhält es sich im Fall lische Probleme mit Hilfe von Begrif- verfassungsrechtlichen Werte und des Terrorbombens. Hier ist der Tod fen, Argumenten und Sachkompetenz Normen zu entwickeln. Hier geht es Unschuldiger der Zweck der Hand- zu lösen. also in erster Linie um Moralerzie- lung. Es gilt also der Grundsatz, dass hung, die auf solche Grundhaltungen der gute Zweck, nämlich die schnel- Ziele ethischer Bildung und persönliche Werterangordnungen le Beendigung des Krieges, nicht die Noch ein Wort zum Dilemma- zielt, die den normativen Orientie- schlechten Mittel rechtfertigt. Begriff, der zur Zeit Konjunktur hat. rungsgütern unserer Gesellschaft ent- Wahrscheinlich kann man die Wenn von Dilemma oder Dilemmata sprechen. Didaktisch muss man hier Frage nach der Erlaubtheit des Ab- die Rede ist, entsteht oft der Ein- von einem Werte- und Normenbestand schusses eines entführten Flugzeuges druck, als handle es sich hier um Si- ausgehen, dessen uneingeschränkte beantworten wie im Falle des strate- tuationen unausweichlicher Schuld. Verbindlichkeit ein nichtdiskutables gischen Bombens. Das Ziel des Ab- Was ich auch tue, wie immer ich mich Axiom ist. Wir können uns also nicht schusses ist nämlich die Beseitigung entscheide, ich werde schuldig. Nun hinstellen und fragen, welche Werte einer Bedrohung für menschliches sind die Fälle, über die wir hier re- braucht der Soldat der Bundeswehr. Leben. Die vorhersehbare Tötung den, derart, dass es immer um die Diese sind vielmehr vorgegeben. aller Flugzeuginsassen ist weder das Erlaubnis geht, Menschen schwerste Ich bin beinahe am Ende meiner Ziel dieser Handlung noch ein erfor- Übel zuzufügen. Es ist nicht nur ver- Überlegungen angelangt, möchte aber derliches Mittel, um dieses Ziel zu ständlich, sondern geradezu gefordert, noch einige kleinere Punkte hinzufü- erreichen. Das Flugzeug muss näm- dass wir alle und Soldaten im Beson- gen. lich auch dann abgeschossen werden, deren in solchen Situationen Schuld- wenn alle Insassen mit dem Fallschirm gefühle entwickeln im Sinne eines Moral – das Resultat von abspringen und die Maschine fernge- Bedauerns darüber, anderen ein Übel Freiheit steuert auf ihr Ziel zufliegt.15 zuzufügen. Soldaten ohne Schuldge- So wichtig die Initiierung mo- Zweifellos wird man den Atom- fühle sind verroht. Allerdings ist zwi- ralischer Bildungsprozesse in den bombenabwurf auf Hiroshima oder schen Gefühlen des Bedauerns und Streitkräften auch ist, scheitert man die Bombardierung Dresdens zu den moralischer Schuld zu unterscheiden. vermutlich in seinen Bemühungen, moralisch illegitimen Formen eines Moralisch schuldig werde ich nur wenn die Grenzen moralischer Bil- Terrorbombens zählen. Wird man dann, wenn es zu meiner Handlung dung nicht mit bedacht werden. Moral dann aber nicht auch die Bombardie- eine vorzugswürdige Alternative gibt. ist immer das Resultat von Freiheit. rung Serbiens im Jahre 1999 zum Typ Diese Unterscheidung und Klä- Moralische Gesinnung und Charakter des Terrorbombens rechnen müssen? rung der Begriffe von moralischer gründen in einer unverfügbaren Ent- Rechtfertigt der gute Zweck, nämlich Schuld und Schuldgefühlen ist ein scheidung autonomer Subjekte, die die (mögliche) Verhinderung der Ver- wichtiges Ziel ethischer Bildung, da „pädagogischem und didaktischem treibung der Albaner das schlechte die Entwicklung einer „dirty job“ Bildungshandeln“ entzogen ist. Man Mittel, die direkte Schädigung Un- Mentalität („Einer muss sich ja die mag das bedauern. Das Leben wäre 16 vielleicht einfacher, und es gäbe nicht schuldiger? Hände schmutzig machen“) bei Sol- 17 so viel Unmoral, wenn die Moral ein Die Beispiele zeigen die Unver- daten nicht wünschenswert ist, weil Teil von uns wäre wie eine Zwangsja- meidbarkeit von Situationen auf, in sie verantwortliches Handeln letztlich cke, in die wir fest eingebunden sind. denen die Soldaten vor schwierigen in Frage stellt. Anwendungsfragen moralischer und Aber das Leben wäre dann auf jeden Das zweite Ziel ethischer Bildung Fall auch viel unernsthafter, so aber rechtlicher Normen stehen. gemäß ZDv 10/1 (neu) gilt der mo- Hier ist selbstbestimmte mora- stehen wir oft vor ernsthaften Ent- ralischen Loyalität der Soldaten. 18 lische Urteils- und Argumentations- scheidungen . Gemeint ist damit die ungezwungene Ich warne deshalb auch vor über- Anerkennung der fundamentalen Wer- 15 Gerhard Beestermöller: Das Luftsicher- zogenen Erwartungen an Dilemmadis- heitsgesetz als Krisenindikator, in: Die te und Normen unserer moralischen kussionen und der Konzeption von Neue Ordnung 60 (2006) 4, S. 296-317 Kultur, auf die ich oben kurz einge- Instrumenten zur Messbarkeit mora- argumentiert, dass unter bestimmten gangen bin. Umständen der Abschuss eines Flug- lischer Entwicklung. zeuges als Nebenwirkung gerechtfertigt Das Menschenrechtsethos bildet Bekanntlich ist das Leben kurz, werden kann und korrigiert seine Positi- den Kern unserer moralischen Kultur, aber die Wissenschaft hat viel Zeit. on, die er in: Ist im Krieg gegen den Ter- ebenso aber auch das Grundgesetz, das In Unterrichtssituationen können wir rorismus alles erlaubt? Militärseelsorge ein Depot für Werte, Normen und Idea- 42 (2004) – Dokumentation, S. 92 – 97 Probleme ausführlich diskutieren dargestellt hat. le ist und nicht bloß die Rechtsstellung und uns in der Regel die nötigen Sa- 16 vgl. hierzu P. Knauer; Handlungsnetze, der Bürger festlegt und die Regeln der chinformationen beschaffen. Im All- a.a.O. S. 65 Herrschaftsausübung enthält. tag handeln wir unter Zeitdruck und 17 Weitere Beispiele findet man z.B. in der Publikation des Zentrum Innere Füh- Moralische Loyalität kann nun 18 s. hierzu die Überlegungen von Ernst rung: Entscheiden und Verantworten. nicht befohlen werden, sondern ist Tugendhat: Vorlesungen über Ethik, Konfliktsituationen im UN-Einsatz. das Resultat von Bildungsprozessen. Frankfurt/Main 1993, S. 97. 72 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 BUNDESKONFERENZ DER GKS

Unwissenheit. Hier ist es Es gibt Situationen, wichtig, einen „Sinn für Unbedingte Unterlassungspflichten in denen die moralische Kontingenz“ (für Grenzen oder: Pflicht besteht, Irrtü- der Verfügbarkeit) zu ent- Warum vieles sein darf, aber einiges unbedingt nicht mer und damit unge- wickeln. Was heißt das? wollt Fehler in Kauf zu Moralisches Urteilen „Was zum Lebens selbst in Gegensatz steht, wie jede Art von Mord, nehmen, da andernfalls ist wie menschliches Ur- Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbst- Handeln selbst unmög- teilen allgemein irrtums- mord; was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, lich wird. fähig, da wir die Folgen wie Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, einer Handlung oftmals Solche Fragen müs- nicht überblicken oder psychischen Zwang auszuüben; was immer die sittliche Würde angreift, sen im Unterricht be- hinsichtlich relevanter wie unmenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, sprochen werden und Faktoren einer Situation Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit ich denke, es ist hilf- irren. Soldaten zumal ste- Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen reich und wichtig, dass hen in Entscheidungssitu- der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwort- dieser Unterricht einen ationen, die hinsichtlich kirchlichen Horizont liche Person behandelt wird: der Folgen und Auswir- hat und haben soll, denn kungen der Handlungen All diese und andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; als Christen braucht uns ungewiss und deshalb sie sind eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr diese Kontingenz, d.h. riskant sind. Man kann jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. die Abhängigkeit er- oft nur mit Wahrschein- Zugleich sind sie in höchstem Maße ein Widerspruch gegen die Ehre folgreichen moralischen lichkeiten und unter Un- des Schöpfers.“ (II. Vatikanisches Konzil (1962-1965), Gaudium et spes 27) Handelns von Bedin- sicherheiten entscheiden. gungen, die wir nicht be- Soldaten müssen nun ge- herrschen, nicht erschre- rade in Konfliktlagen unter solchen natürlich vermeidbar gewesen wären, cken. Die Liebe Gottes zu uns hat ihr Unsicherheits- und Ungewissheitsbe- wenn mehr Zeit für die Suche nach Maß nicht an unserer moralischen dingungen moralisch verantwortlich der besten Therapie zur Verfügung Praxis. Alles was gebrochen und feh- entscheiden. gestanden hätte.19 lerhaft ist, wird in einem umfassenden Der Gefreite im Wachdienst im Sinnhorizont gutgesprochen. Camp, dem sich ein Fremder nähert, Fortsetzung mit 2 Anh. auf S. 74 dessen Absichten nicht bekannt sind 19 Das Beispiel findet man bei Peter (Opfer, Freund oder Feind), muss über Knauer: Handlungsnetze a.a.O., S. 99 f. den Gebrauch der Schusswaffe ver- antwortlich entscheiden. Die besten moralischen Entschei- dungsregeln wie etwa das Prinzip der Doppelwirkung beseitigen nicht die- se grundsätzliche Unsicherheit und Ungewissheit moralischer Entschei- dungen. Soldaten handeln oftmals in Ge- fährdungssituationen und hier unter Zeitdruck, die es moralisch verbieten, zuviel Zeit für die Suche nach der mo- ralisch besten Lösung zu verbringen. Innerhalb der zur Verfügung stehen- den Zeit muss die wahrscheinlich beste Lösung gesucht werden. Ein Sanitätsarzt zum Beispiel, zu dem ein Verwundeter gebracht wird, kann sich nicht für Stunden zurückziehen, um die bestmögliche Therapie her- auszufinden, denn in der Zwischen- zeit könnte der Patient sterben. Er muss in der kurzen Zeitspanne, die Bei einem geselligen Abend im Rahmen des Kulturprogramms, verabschie- er zur Verfügung hat, die am ehesten dete der Bundesvorsitzende OTL Paul Brochhagen drei „alte“ Mitglieder des geeigneten medizinischen Maßnah- Bundesvorstandes aus (einigen) ihrer Ämterm (v.l.): Ehrenbundesvorsitzender men durchführen und dabei in Kauf Paul Schulz als Leiter der GKS-Akademie Helmut Korn, Ehrenbundesvorsitzen- nehmen, dass er sich irrt und damit der Oberst Karl-Jürgen Klein als Bundesvorsitzender und Hptm a.D. Günter dem Patienten Schäden zufügt, die Hagedorn als Haushaltbeauftragter.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 73 46. WOCHE DER BEGEGNUNG

ANHANG 1: ANHANG 2: Standardbeispiele in der Diskussion des Einige Aspekte der Diskussion: Prinzips der Doppelwirkung – Es wurde gefragt, ob die Instrumente zur Gemäß dem Prinzip der Doppelwirkung kann in den fol- ethischen Bildung ausreichen. Manche Entschei- genden Beispielen jeweils die erste Handlung moralisch richtig dungsdramatik (Beispiel: Israelische Angriffe sein, während die zweite immer moralisch falsch ist. auf zivile Infrastruktur) fordere eine eingehende ethische Bewertung. Strategischer Bomber vs. Terrorbomber – In der Bundeswehr gibt es seit jeher ethische • Strategischer Bomber: Wertevermittlung in vielen Bereichen, in der ak- Ein Kampfpilot bombardiert (in einem gerechten Krieg) ein tuellen Diskussion fehlen jedoch soldaten- und militärisches Ziel (um den Krieg (schneller) zu gewinnen), praxisgerechte Vorschläge. wohl wissend, dass dabei unschuldige Zivilisten, die in der – In vielen Fällen gibt es nur Lippenbekenntnisse Nähe leben, getötet werden. zur ethischen Bildung in der Bundeswehr, da sich • Terrorbomber: manche um die Funktionsfähigkeit der Streitkräf- Ein Kampfpilot bombardiert (in einem gerechten Krieg) un- te sorgen. – Es wurde auf das Problem der un- schuldige Zivilisten, um den Gegner zu demoralisieren und terschiedlichen ethischen Vorstellungen bei ver- zur schnelleren Kapitulation zu bewegen (und damit den schiedenen Bündnisnationen und die drohenden Krieg (schneller) zu gewinnen). negativen Konsequenzen bei gemischt-nationalen Einsätzen hingewiesen. Hysterektomie vs. Kraniotomie • Hysterektomie: – Soldaten stehen im Zusammenhang mit Waffen- Ein Arzt führt an einer an Krebs erkrankten schwangeren einsätzen vor ethischen Fragen, vor denen die zi- Frau eine Hysterektomie (Gebärmutterentfernung) durch, um vile Bevölkerung nicht steht. Wünschenswert sei, das Leben der Frau zu retten, wohl wissend, dass dabei der Orte zu schaffen, wo diese Diskussion politisch Fötus sterben wird. wird – also nicht nur innerhalb der Bundeswehr, • Kraniotomie: sondern gesellschaftsweit geführt wird. Ein Arzt führt eine Kraniotomie (Zertrümmerung des Schä- – Ein praktischer Grund gegen ein eigenes Fach dels des Fötus) durch, um den Fötus aus dem Geburtskanal „ethische Bildung“ liegt darin, dass die Vielzahl zu entfernen und das Leben der schwangeren Frau zu ret- der Forderungen in der Truppe nicht realisierbar ten. sind. Es sei daher richtig, dass ethische Bildung als übergreifendes Element in vielen Ausbil- Schmerzlinderung vs. Euthanasie dungselementen zu vermitteln ist. •Schmerzlinderung: Ein Arzt verabreicht einem von starken Schmerzen geplag- Arbeitsgruppen zum Thema ten todkranken Patienten ein Mittel, um seine Schmerzen zu AG 1 Herausforderungen an das Konzept der lindern, wohl wissend, dass dadurch der Tod früher eintreten Inneren Führung wird als ohne Verabreichung des Mittels. AG 2 Entwurf der neuen ZDv 10/1 • Euthanasie: Ein Arzt verabreicht einem von starken Schmerzen geplagten AG 3 Lebenskundlicher Unterricht todkranken Patienten ein Mittel, um ihn zu töten und dadurch AG 4 Ethische Bildung in der Bundeswehr: von seinen Qualen zu erlösen. Was kann die GKS tun?

Vier in ihrem Element: v.l. Sänger Friedhelm Koch und Paul Brochhagen; ihre Freude daran haben Karl-Jürgen Klein und Johann Schacherl.Bildmontage vom Bischof Walter Mixa verpasst geselligen Abend bei der Bundeskonferenz (PS/F. Brockmeier) Major Gereon Gräf eine Zigarre

74 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 BFUNDESKONFERENZÖRDERKREIS DER GKSDER GKS E.V.

Ludwigshafen, den 22. September 2006

Mitgliederversammlung des Förderkreises der GKS am 22.09.2006 in LUDWIGSHAFEN

– PROTOKOLL –

Teilnehmer: 39 Personen (siehe Beilage 2) Verteiler: Mitglieder Vorstand FGKS Ort: Heinrich Pesch Haus, LUDWIGSHAFEN Geistlicher Beirat GKS Zeit: 22.09.2006, 1330 - 1410 Uhr Chefredakteur AUFTRAG Vereinsmitglieder (über Verbands- Anlage: (nur in Akte Bundesgeschäftsführer): zeitschrift AUFTRAG) Bericht des Vorstandes (Lage- und Kassenbericht) Beilagen: 1. Tagesordnung (gem. Einladung im AUFTRAG 262/Juni 2006, Seite 79) 2. Teilnehmerliste

Das folgende Protokoll gilt als durch den Vorstand FGKS genehmigt, sofern nicht bis spätestens 4 Wochen nach Erscheinen des AUFTRAG (Protokoll wird im AUFTRAG veröffentlicht, aber nicht verteilt) schriftlich beim Bundesgeschäftsführer Einspruch dagegen erhoben wird. Eine weitere Genehmigung in der nächsten Mitgliederversammlung entfällt.

1. Der Vorsitzende des FGKS e.V., Oberstleutnant Paul Brochhagen, eröffnete die Mitgliederversammlung des Förderkreises der GKS. Er begrüßte die Teilnehmer und stellte fest, dass die Einladung mit der Tagesordnung zeit- und fristgerecht ergangen ist. Weiterhin stellte er die Beschlussfähigkeit fest. 2. Die Tagesordnung wurde angenommen (Beilage 1). 3. Protokoll: Bundesgeschäftsführer GKS, 0berst a.D. Dr. Klaus Achmann 4. Bericht des Vorstandes Der Schatzmeister, OStFw Berners, legte den Lage- und Kassenbericht vor (Anlage). Die Mitgliederzahl stieg im Jahr 2005 auf 343 an. Zur Unterstützung der GKS wurden im Jahre 2005 insgesamt 16.541,55 Euro ausgegeben. 5. Die Kassenprüfer, OTL a.D. d.R. Bastian und StFw Wedekin, haben den Haushalt 2005 geprüft. Sie bestätigten eine einwandfreie, übersichtliche und vorbildliche Kassenführung, es gab keine Beanstandungen. Sie schlugen die Entlastung des Vorstands vor. 6. Die Entlastung des Vorstandes für das Haushaltsjahr 2005 erfolgte mit 35 Ja-Stimmen bei 4 Enthaltungen ohne Gegenstimmen. 7. OTL a.d. d.R. Bastian und StFw Wedekin wurden mit 35 Ja-Stimmen bei 4 Enthaltungen ohne Gegenstimmen erneut als Kassenprüfer gewählt 8. Sachstand Der Sitz des Vereins wurde von BONN nach BERLIN verlegt. Nächster Schritt ist die Erlangung der Gemeinnüt- zigkeit durch einen Antrag an das zuständige Finanzamt. Die Mitgliederversammlung entschied sich mit 36 Ja- Stimmen bei 3 Enthaltungen und ohne Gegenstimme für diesen Weg. 9. Allgemeines . Der Vorsitzende rief dazu auf, weiterhin mit Nachdruck für den FGKS eV. zu werben. . Bei Konferenzen der GKS und der ZV sollten Anmeldeformulare für den FGKS e.V. ausliegen.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 75 KIRCHE UNTER SOLDATEN

51. GESAMTKONFERENZ DER MILITÄRSEELSORGE IN FREISING: Kirche als Lernort für interkulturelle Kompetenz und Wertevermittlung

VON BERTRAM BASTIAN Seelsorge an den Soldaten. Er dankte kulturelle Kompetenz war das übergeordnete den deutschen Bischöfen, die in ihrer InterThema mit dem sich die hauptamtlichen katho- Herbstvollversammlung in Fulda dem lischen Militärgeistlichen, Pastoralreferentinnen und -referenten Militärbischof ihre volle Unterstützung bei ihrer diesjährigen Gesamtkonferenz auf dem Domberg in für die weitere seelsorgerische Beglei- Freising vom 24. bis 26. Oktober befassen wollten. Die Tagung tung der Soldaten auch unter den ge- stand unter dem Motto „DIE KIRCHE ALS LERNORT FÜR INTERKULTURELLE änderten Rahmenbedingungen und in KOMPETENZ UND WERTEVERMITTLUNG IN STAAT UND GESELLSCHAFT“. Eine un- den Auslandseinsätzen zusagten. Ein erwartete Tagesaktualität erhielt das Thema als schockierende Beispiel für das Engagement des Vor- sitzenden der Deutschen Bischofskon- ferenz, Karl Kardinal Lehmann, sei Fotos deutscher Soldaten aus vorbereiteten Workshops mit ihren seine Predigt in St. Gereon in Köln Afghanistan in den Medien Beiträgen nicht zurückhielten, wurde während des Festgottesdienstes an- erschienen, dies punktgenau Militärbischof Mixa mit Wünschen lässlich 50 Jahre Militärseelsorge in zur Veröffentlichung des Weiß- für Interviews und Stellungnahmen Nordrhein-Westfalen gewesen. buches 2006. geradezu überhäuft. Am Morgen hatte Der Militärgeneralvikar führte Einführungsvorträge eine große deutsche Boulevardzeitung weiter aus, dass die neue Struktur der rof. Dr. Claude Ozankom, Theo- die abstoßenden Fotos von einzelnen Militärseelsorge jetzt einen verhan- Plogieprofessor an der Universität Soldaten des deutschen Kontingentes delten Rahmen durch den Haushalt Bonn, hielt den Vortrag „INTERKULTU- veröffentlicht. des Bundesministers der Verteidigung RELLER DIALOG“ und nach ihm refe- habe, und nun das Militärbischofsamt rierte Dr. Chibueze Udeani, von der Lagevortrag des Militär- darangehe, diesen Rahmen mit „In- Universität Salzburg, über das The- generalvikars halt“ zu füllen. Dabei seien akzeptab- ma: „FREMDEN BODEN BETRETEN – ZU eradezu unberührt durch die le Lösungen erreicht worden. So sei es DEN HERAUSFORDERUNGEN UND CHANCEN GHektik der öffentlichen Diskus- nun möglich, dass auch Pastoralrefe- MULTIKULTURELLER BEGEGNUNGEN IM sion über die Fotos aus Afghanistan rentinnen und -referenten die Solda- ZEITALTER DER GLOBALISIERUNG“. Eine trug Militärgeneralvikar Prälat Walter ten in die Einsätze begleiten können. intensive Diskussion mit den Vor- Wakenhut am nächsten Tag zur Lage Die Gliederung der Dienstaufsichts- tragenden schloss den Vormittag ab der katholischen Militärseelsorge vor. bereiche und das Regeleintrittsalter und bildete die Grundlage für die Im Rückblick auf eine 50-jährige Er- der Militärpfarrer seien mit 45 Jahren Workshops, welche am Nachmittag folgsgeschichte fasste er zusammen, hinnehmbar. das Leitthema vertieften. Während dass Staat und Kirche eine gemein- Trotz der abnehmenden Zahl der die Teilnehmer der Konferenz in den same Verantwortung hätten für die Pfarrer, die im Gegensatz zu den grö- ßer werdenden Betreuungsbereichen stehe, habe die Militärseelsorge einen ganz bedeutenden Vorteil gegenüber der zivilen Gemeindebetreuung: Die Militärseelsorge erreiche mit den Grundwehrdienstleistenden ein Mi- lieu, welches in den Pfarrgemeinden gar nicht oder nur vereinzelt vorkom- me. Dies gelte es zu nutzen. Dabei solle man sich nicht auf das Büro oder

Diskussion nach den Einführungs- vorträgen. Auf dem Podium v.l.: Dr. Chibueze Udeani, Universität Salzburg (l.), Leitender Wissensch. Direktor i.K. Lothar Bendel und Prof. Dr. Claude Ozankom, Universi- tät Bonn. (Fotos M. Beyel, KMBA)

76 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 51. GESAMTKONFERENZ den Container zurückdrängen lassen, gesetzten im Einsatz. sondern man müsse gestalten und In seiner Zusammenfassung hob agieren, damit man diese jungen Leu- Bergmann hervor, dass die Innere te auch erreiche. Predigt, Liturgie und Führung ein Ergebnis der Nachkriegs- äußeres Erscheinungsbild müssten geschichte sei und durchaus als eine im Einklang stehen. Nur dann könne Art „Verfassung für die Streitkräfte“ es gelingen, in den Streitkräften den angesehen werden könne, da sie die jungen Menschen als Spiegelbild der Grundlage für das Selbstverständnis Gesellschaft abzuholen und an die des Soldaten sei. Religion heranzuführen. Militärbischof Dr. Mixa dankte Militärseelsorge solle sich nicht dem Stabsabteilungsleiter Fü S I für nur als Sakramentenspender verste- seine Ausführungen und erwähnte hen, sondern ständiger Begleiter sein. dabei, dass er die Gelegenheit hatte, Dabei sei Kreativität gefragt, um die bei der Tagung aller Militärbischöfe Frohbotschaft als „gute Information“ die Innere Führung der deutschen an den Mann zu bringen. Wo früher Streitkräfte vorzustellen. Er betonte der Standortgottesdienst die Normali- auch, dass bei anderen Armeen eine tät widerspiegelte, seien es heute Fa- BrigGen Robert Bergmann, Art „Lebenskundlicher Unterricht“ milienwochenenden, Sportexerzitien Stabsabteilungsleiter Fü S 1 nicht existent sei! und Kleinbegegnungen. Im Lebens- kundlichen Unterricht benötigten die Gesellschaft integriere und verankere, Predigt des Militärbischofs Menschen in den Streitkräften eine sie schaffe Motivation und Mitverant- der Predigt während des Ponti- bessere ethische Ausbildung. Solda- wortung und gestalte die innere Ord- Infikalamtes am Mittwoch nahm ten im Einsatz müssten die ethischen nung der Streitkräfte. Damit werde Militärbischof Dr. Walter Mixa auch Dimensionen ihres Handelns verste- die Innere Führung für Soldaten die zu den Veröffentlichungen über das hen und danach handeln können. Zu verbindliche Grundlage und für zi- Fehlverhalten einzelner deutscher dieser geforderten und gewünschten vile Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Soldaten in Afghanistan Stellung. Er Wertevermittlung seien die Militär- Leitlinie für das Handeln. Dies gel- sagte, dass er noch nicht verurteilen pfarrer besonders geeignet. te es besonders bei den gesteigerten wolle, da die Untersuchungen erst an- Zum Schluss dankte der Militär- Risiken im Einsatz und bei den Her- liefen und die Ergebnisse abgewartet generalvikar dem Militärbischof für ausforderungen zu berücksichtigen werden müssten. Hier nun einige Pre- seine vielseitigen Anstrengungen um und zu beachten. Damit solle eine digtauszüge: die Militärseelsorge und allen Mitbrü- hohe Wirksamkeit der Bundeswehr Nach der Frage, was in einem dern – besonders denen im Einsatz im Einsatz als Gesamtziel unterstützt Menschen vorgeht, der eine derartige – sowie allen Pastoralreferentinnen/- werden. Handlungsweise an den Tag legt, referenten, die die Arbeit im Gebet Nach einer kurzen Darstellung drängt sich die Frage auf, wer ist der begleiten. Wakenhuts Dank galt auch über den Bearbeitungsstand der zu Mensch wirklich? Wie gehen wir mit den Militärdekanen, den Mitarbeite- erwartenden neuen Vorschriften ZDv lebenden Menschen, mit den Toten rinnen und –arbeitern im Bereich 10/1 und ZDv 12/1 (beide in der mi- und mit dem Leichnam um? Kann im des Militärbischofsamtes sowie den nisteriellen Mitprüfung) wurde die Namen einer Religion Hasserfülltes Soldatinnen und Soldaten für ihr En- Rolle der Militärseelsorge im Drei- geschehen? Die Konferenz über den gagement in den Gremien der Mili- Ebenen-Konzept der Behandlung interkulturellen Dialog ist absolut tärseelsorge sowie allen militärischen von posttraumatischen Belastungen notwendig. Es darf nicht zum Hassen und zivilen Partnern im BMVg. dargestellt. aufgerufen werden, Menschenachtung BrigGen Bergmann gab Informa- und gegenseitiger Respekt sind auch 50 Jahre Bundeswehr tionen über das „EINSATZWEITER VER- bei unterschiedlicher Auffassung die – eigene Tradition WEN DUNGSGESETZ“. Es diene dazu, Grundlagen einer friedlichen Diskus- Vortrag über „INNERE FÜHRUNG dass im Einsatz verwundete und/oder sion. Was bedeutet dies für uns? Nicht ImUND EINSATZ“ führte Brigade- schwerbeschädigte Soldaten weiter im mit der katholischen Keule durchs general Robert Bergmann, Stabsabtei- öffentlichen Dienst beschäftigt wer- Land ziehen, aber dem Fragenden, Su- lungsleiter Fü S I, aus, dass in den 50 den können. Dazu gehören auch Sta- chendem sagen, was die Wahrheit ist, Jahren Bundeswehr mittlerweile drei tusfragen und die allgemeine Alters- so wie es im Evangelium heißt (Pau- Generationen Soldaten eine eigene absicherung der Betroffenen. Dieses lusbrief). Die Menschwerdung Christi Tradition begründet hätten. Innere Gesetz befindet sich in der Ressortab- zeigt, dass Gott sich voll und ganz hin- Führung als Führungsaufgabe be- stimmung. Danach stellte Bergmann ter den Menschen stellt, was zu einer rühre alle Bereiche des Soldatseins, das Aktionsprogramm zur Steigerung neuen Sicht des Menschen führt. da sie den Soldaten als Menschen der interkulturellen Kompetenz vor. Egal, wie unterschiedlich wir sind, betreffe. Sie hat vier Hauptaufgaben, Dieses reise in Form einer Tagesver- immer leuchtet uns aus dem anderen indem sie den soldatischen Dienst le- anstaltung durch die Streitkräfte und das Antlitz Christi entgegen, somit sind gitimiere, die Streitkräfte in Staat und sehe als Zielgruppe den jungen Vor- wir von gleich zu gleich, keiner ist über AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 77 KIRCHE UNTER SOLDATEN dem anderen. Dabei darf Christsein den Gesetzen könne und dürfe nicht und dazu führe, dass der Aktienwert nicht reduziert werden auf „seid nett alles geregelt werden, also gebe es den Charakterwert übersteige. Es zueinander“, sondern beim Vertreten Freiräume. Gestaltung und Leben in laufe auf eine breiter werdende Kluft seines eigenen Glaubens tritt man dem diesen Freiräumen würden durch die zwischen Arm und Reich hinaus. anderen als Geschöpf Gottes entgegen, Erziehung vorgegeben bzw. werde da- Das soziale Gefüge der Gesellschaft ohne Vorurteile. Durch Jesus Christus, durch eine Richtschnur/Orientierung gerate aus den Fugen und führe dazu, der Mensch geworden ist, hat Gott die gegeben. Zurzeit erlebten wir, dass der dass der Markt die Gewinne steigere Menschen geliebt. Allein aus dieser Grundsatz der Beliebigkeit im Vorder- und der Staat für das Soziale verant- Tatsache heraus darf kein Missbrauch grund stehe, die Spaßgesellschaft sich wortlich gemacht werde. Bei all den geschehen, keine Folter stattfinden, verwirklichen wolle. Dies führe zum Folgen, die wir in den Nachrichten darf keiner unwürdig behandelt wer- Egomanen, aber nicht zum mündigen hören, müsse man sich fragen, ob der den, auch der Leichnam nicht. Bürger und sei somit keine Grundlage Kampf für eine gerechtere Welt nicht Jesus ist als Mensch ins Grab ge- für ein Gemeinwesen. Daraus resul- der bessere Weg im Kampf gegen legt worden, deshalb soll auch der tiere auch die Einstellung, dass nach die Wurzeln des Terrorismus sei als Leichnam nicht unwürdig behandelt dem Tod alles vorbei sei. Aus dieser ein präventiver Militäreinsatz. Es sei werden. Es gilt die Totenruhe, Toten- Grundeinstellung könne kein Gemein- nicht vermittelbar, dass die Gehälter messen werden gehalten. Der Verstor- wesen entstehen, welches sich um der Vorstände um 200% bis 300 % bene wird geehrt, nicht nur als Part- die Schwachen sorge und kümmere. stiegen, die dem einfachen Arbeiter ner oder Person, sondern wegen seines Es müsse deshalb eine Orientierung Maßhalten und Sparwillen predigen. Menschseins. Das unwürdige Gerede, erfolgen nach der Unterscheidung Dabei stehe doch im Grundgesetz, Ar- dass jeder ersetzbar sei, muss im christ- zwischen Gut und Böse. Diese Ori- tikel 14 ausdrücklich, dass Eigentum lichen Sinne heißen „jeder Mensch ist entierung sei für diejenigen Personen verpflichtet, an den Werten könne es einzig und unersetzbar“. Deshalb be- umso wichtiger, die die Gemeinschaft also nicht liegen. schäftigen wir uns mit Themen wie z.B. beeinflussten. Somit müsse der erste Die besondere Situation der Bun- der persönlichen Würde des Einzelnen Schluss lauten, dass es ohne Werte deswehr bringe es mit sich, dass ge- oder der Gehorsamsverweigerung aus nicht gehe! rade Soldaten mit Gewalt und deren Gewissensgründen. Das Ziel, dass der Werte seien Maßstäbe für di- Anwendung mehr befasst seien als andere gleichwürdig und gleichwertig verses Handeln; es gebe aber kei- normale Menschen. Die Veröffentli- gegenübersteht, das ist eine der Wahr- nen Katalog für solches Handeln. chung der Bilder aus Afghanistan sei heiten aus den Paulusbriefen, die wir Es gebe die Würde des Menschen, ein Beispiel für wachsende Ökologi- weiter tragen sollen und müssen. So Freiheit, Solidarität, Frieden und an- sierung. Beim verantwortungsbewuss- ist jeder Getaufte, Gefirmte beauftragt, dere. Vogel stellte fest, „die Werte ten Umgang mit den Bildern wären die Wahrheit weiter zu geben, keiner sind in unserer Verfassung festge- sie dem Ministerium zur Verfügung ist Zufall, jeder ist gottgewollt und halten, unser Grundgesetz ist eine gestellt worden, damit die Vorfälle gottähnlich. Werteordnung“.Diese Werte könne hätten aufgeklärt werden können. man aus der Bibel herleiten, aus den Stattdessen wurden sie veröffentlicht, Werte, Politik und Anstand zehn Geboten, aus Matthäus 25 etc. um die Auflage zu erhöhen.1 Donnerstag hielt Dr. Hans- Nach dieser Ansicht werde der Glau- Dr. Hans-Jochen Vogel schloss Am Jochen Vogel den Vortrag: be zum archimedischen Punkt der den Vortrag mit dem Bekenntnis, dass „POLITIK UND ANSTAND – WARUM WIR Werteordnung, er führe zur Toleranz. er aus seinem Glauben heraus sich OHNE WERTE NICHT LEBEN KÖNNEN.“ Nach dieser Herleitung der Werte stets bemüht habe, die für unsere Ge- Der Bundesminister a.D. führ- tsllte Dr. Vogel die Frage, ob es Ge- sellschaft unverzichtbaren Werte – die te aus, dass schon die Frage, ob wir fährdungen dieser Werte gebe. Dazu unser Land auch wieder nach oben Werte benötigen, eine Wertefrage sei, führte er aus, Pluralisierung und Glo- gebracht haben – als Richtschnur sei- denn damit suche man Orientierung, balisierung könnten genauso wie die nes Handelns auf jeder seiner Positi- die die Werte letztendlich geben. In Beschleunigung der Prozesse und onen im öffentlichen Leben sichtbar die wachsende Macht des Marktes werden zu lassen. die Werte gefährden. Die hohe Mo- Mit dem Vortrag von Bundesmi- bilität der arbeitenden Menschen nister a.D. Dr. Hans-Jochen Vogel begünstige die Entwurzelung des und einer lebhaften Aussprache da- Einzelnen, der aus seinem Familien- nach waren die Vorträge auf der Ge- verbund herausgerissen allein und samtkonferenz beendet. Am Freitag somit gefährdet sei. Eine umfassende wurde dann mit dem Reisesegen die Ökologisierung überlasse alles dem Gesamtkonferenz beendet. Markt, der aber „sozial blind“ sei 1 Anm. Verfasser: Gerade diese Zeitung Bundesminister a.D. Dr. Hans- hat ein paar Tage später laut beklagt, dass die Sicherheit unserer Soldaten Jochen Vogel im Gespräch mit gefährdet sei – durch das Fehlverhalten, LWD Lothar Bendel. nicht etwa durch die Veröffentlichung!

78 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 51.K GLEINEESAMTKONFERENZ MELDUNGEN

Vorstellung der neuen Militärseelsorger bei der Gesamtkonferenz in Freising Die neuen Militärseelsorger mit Militärgeneral- vikar Walter Wakenhut (3.v.l.), dem Personalchef im KMBA Militärdekan Carl Ursprung (2.v.l.) und dem Moderator des Priesterrates Militärdekan Thomas Stolz (4.v.r.); v.l.: Pastoralreferentin Angela Reusch (Lechfeld) und die Militärpfarrer Roman Johannsen, Martin Roth (Kauffbeuren), Stephan van Dongen (Wesel), Pater Jonathan Göllner (Hannover)

GEFUNDEN: Dauerausstellung im Würzburger Verlag verliert „kompass“ Katholischen Militärbischofsamt ie Zeitschrift der Katholischen as KMBA in Berlin zeigt eine Militärseelsorge „kompass“ Seit 2001 wird das Monatsmagazin Dauerausstellung über die Ge- Derscheint künftig nicht mehr in Würzburg gemacht. Herausgeber Dschichte der Militärseelsorge. im Würzburger Johann Wilhelm ist der Militärbischof. Die Redaktion Militärgeneralvikar Walter Waken- Naumann Verlag. Das bestätigte der der Zeitschrift mit einer Auflage von hut, sagte bei der Eröffnung am 28. Militärgeneralvikar am 26. Okto- 18.000 Exemplaren lag bisher bei November, der Rückblick mache die ber Freising. Das Blatt sei zu teuer Carl-Heinz Pierk, gleichzeitig einer guten Bedingungen der Militärseel- geworden. Es werde unter anderem der beiden Chefredakteure der drei sorge in der Bundeswehr deutlich. Konzept fortgeführt und solle besser Mal wöchentlich erscheinenden „ka- Mit Texttafeln und Vitrinen wird das ans Militärbischofsamt angebunden tholischen Zeitung für Politik, Gesell- kirchliche Engagement der „Kirche werden. Militärbischof Walter Mixa schaft und Kultur – Die Tagespost“, unter Soldaten“ seit 1848 dargestellt. nannte eine Zeitschrift für Soldaten und Werner Häußner, dem Geschäfts- In diesem Jahr feiert die katholische notwendig. Die Kosten dürften aber führer von „Echter Neue Medien“. Im Militärseelsorge ihr 50-jähriges Be- nicht vergessen werden. Die Umstel- Naumann-Verlag erscheint auch die stehen. lung soll 2007 erfolgen. „Tagespost“. (PS/KNA) Die meisten Exponate stammen von Militärseelsorgern, die während Kirchliche Statistik des Zweiten Weltkriegs und in Kriegs- ehr Eintritte und weniger Wahrheit bewahre, „dass insgesamt gefangenenlagern der Nachkriegs- Austritte verzeichnet die ka- gesehen die Zahlen sinken“. So sei monate im Einsatz waren. So sind die Mtholische Kirche in Deutsch- die Zahl der Taufen im Vergleichs- komplette Ausstattung eines Wehr- land. Vergangenes Jahr kehrten zeitraum um zwei Prozent auf 196.371 machtsgeistlichen, ein Kult-Tornister 11.210 Personen in die Kirche zu- zurückgegangen, die der Erstkommu- und eine Bord-Kulttasche mit litur- rück, was einem Plus von 24,5 Pro- nionen um 2,1 Prozent auf 258.031, gischen Geräten und Feldgesang- zent gegenüber 2004 entsprach. Wie die der Firmungen um 3,6 Prozent auf büchern zu sehen, zudem Bischofs- aus der „Kirchlichen Statistik 2005“ 203.575 und die der Trauungen um kreuz und -ring des umstrittenen hervorgeht, gab es im vorigen Jahr zu- 1,5 Prozent auf 49.900. (KNA) Feldbischofs Franz Josef Rarkowski dem 4.958 Neueintritte, 23,4 Prozent (1873-1950). Aus dem Kriegsgefan- mehr als 2004. Die Austritte gingen PERSONALIA: genenlager im französischen Chartres laut Statistik im Vergleichszeitraum arl Bernert (72), Domka- stammt eine handgemalte Krippe von um 11,5 Prozent von 101.252 auf pitular, bisher Hildesheimer 1946. Ein 20-minütiges Filmdoku- 89.565 zurück. Die Katholiken-Zahl KGeneralvikar, von 1978 bis ment schildert die Arbeit dort. belief sich bundesweit auf 25.905.908 1996 Diözesan-Caritasdirektor und Die Ausstellung ist für Besucher- Millionen; das entsprach 31,4 Prozent vor 1978 lange Jahre Standortpfarrer gruppen nach Voranmeldung im Mili- der Bevölkerung. Hildesheim und Geistlicher Beirat der tärbischofsamt zu besichtigen. Der DBK-Vorsitzende Kardinal GKS im Wehrbereich II (Niedersach- Eine ähnliche Schau war bis Karl Lehmann gab bei der Vorlage der sen und Bremen), hat für seine Ver- zum Umzug des KMBA vom Rhein Statistik zu bedenken, dass der seit ei- dienste um die Caritas den „Brottel- an die Spree im Jahre 2000 im Bon- nigen Jahren feststellbare erfreuliche ler“, die höchste Auszeichnung des ner Gästehaus des Militärbischofs zu Trend bei den Wiederaufnahmen und katholischen Wohlfahrtsverbands, sehen. (PS/KNA) Eintritten nicht vor der nüchternen erhalten. (KNA) AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 79 KIRCHE UNTER SOLDATEN Aus dem Leben der GKS Bericht des Bundesgeschäftsführers der GKS

nicht nur durch die Themenstellung gültigen Entscheidung des BV zum der Bundeskonferenz, sondern vor 01.10.2007 vorgesehen. allem durch die Behandlung in den c. Seminar „3. Lebensphase“ – GKS-Bereichen und Kreisen von Leiter dieser Seminare im Be- größter Bedeutung ist. Das Jahres- reich Süd wird ab Herbst 2007 Ober- thema müsste auch bei Familienwo- stabsfeldwebel Friedrich Mirbeth (StO chenenden und Familienwerkwochen Roth). der GKS umgesetzt werden. Die Be- fassung mit einem religiösen Thema, d. Internetredaktion/ Woche der Begegnung / wie jetzt vorgeschlagen, berühre den Webmaster 1.Bundeskonferenz der GKS Kernauftrag der GKS. Mit der Internetredaktion wurde Wie seit einer Reihe von Jahren als Nachfolger von Hauptmann Georg fand auch diesmal die Bundeskonfe- • Grundlagendokument Pauthner Oberstabsfeldwebel Hubert renz der GKS im Rahmen der „Woche Der BV befasste sich erneut und Berners beauftragt. der Begegnung“ (WdB) statt, diesmal ausführlich mit der Neufassung des vom 20.-23. Sept. 2007 im Heinrich Dokuments „Ziele und Wege.“ Er Informationsgespräch Pesch Haus in Ludwigshafen. Was schloss damit die inhaltlichen Vorga- 3.mit pax christi hier über die Woche und vor allem ben für die Neuformulierung ab, die Am 12. Oktober 2006 trafen sich die Bundeskonferenz zu berichten als Rahmen für die dazu eingesetzte Mitglieder des Bundesvorstands der ist, finden Sie in der Dokumentation Projektgruppe gelten. Bis Ende Febru- GKS und des Präsidiums der deut- der 46. Woche der Begegnung auf ar 2007 soll ein aus der Projektgrup- schen Sektion von pax christ in Bonn den Seiten 44 bis 75 in diesem AUF- pe gebildetes Redaktionsteam einen zu einem Informationsaustausch. Da- TRAG. Deshalb folgen hier nur noch Entwurf erstellen, der noch vor den bei wurden u.a. die folgenden Themen die dort nicht aufgeführten Informa- für das Frühjahr geplanten Bereichs- besprochen: tionen aus dem Bundesvorstand. konferenzen an die GKS-Bereiche verteilt werden soll. Die Meinungsbil- • Seminar Sitzung des Bundesvor- dung der Bereiche soll dann in der für „Friede braucht Fachleute“ 2.standes (BV) Mai/Juni 2007 geplanten Sitzung des Das in 2006 durchgeführte ge- Während der Bundeskonferenz BV zusammengeführt werden. Der meinsame Seminar1 wurde überein- trat der BV zu insgesamt 5 Sitzungen BV soll auf dieser Grundlage einen stimmend positiv gewertet. Das Thema zusammen. Neben einer Reihe orga- Entwurf fertigen, der dann von der sei sachgerecht und auf hohem Niveau nisatorischer Fragen wurden Überle- Bundeskonferenz 2007 verabschiedet bearbeitet worden. Gemeinsamkeiten gungen zum Jahresthema 2007 an- werden kann. und Differenzen seien jetzt klarer. gestellt, die in Bamberg begonnene Ein weiteres Seminar wurde nicht Diskussion über das Grundlagendo- • Personal grundsätzlich ausgeschlossen, je- kument „Ziele und Wege“ fortgeführt a. Redaktion AUFTRAG doch sah keine Seite einen aktuellen und wichtige Personalentscheidungen Für die mögliche Nachfolge in Bedarf. getroffen. seiner Funktion als Chefredakteur der Verbandszeitschrift AUFTRAG • Afghanistan • Jahresthema wird Oberstleutnant a.D. Paul Schulz Von Seiten der GKS wurde her- Nach ausführlicher Diskussion mit Oberstleutnant a.D.d.R. Bertram vorgehoben, dass das Militär nur wurde beschlossen, dem Vorsitzen- Bastian Gespräche über seine Ein- einen Teilbeitrag zum „state/nation den der ZV, mit dem das Thema der und Mitarbeit in die Redaktion des building“ leisten könne. Dazu sei nächsten Woche der Begegnung ab- AUFTRAG führen. Grundlage soll eine Gesamtstrategie und ausgewo- gestimmt werden soll, ein religiöses ein noch zu überarbeitendes und gene Kompetenzverteilung unter den Thema als gemeinsames Leitwort für vom Bundesvorstand zu billigendes Akteuren erforderlich. Auch in der die WdB vorzuschlagen. Im Kern soll Redaktionskonzept sein. Debatte des Deutschen Bundestages es dabei um das Gottesbild der Welt- sei ein Gesamtkonzept nicht deutlich religionen gehen. Das Jahresthema b. Bundesgeschäftsführer geworden. der GKS wird sich dann im gleichen Nachfolger des Bundesgeschäfts- thematischen Rahmen bewegen. führers Oberst a.D. Dr. Klaus Ach- Der Bundesvorsitzende betonte, mann soll Oberstleutnant Artur Ernst 1 Klaus Liebetanz, Friedensethisches Seminar von Justitia et Pax, pax christi dass die Umsetzung des jeweiligen werden. Die Übergabe der Geschäfte und GKS, in: AUFTRAG 262/Juni 2006, Jahresthemas innerhalb der GKS ist nach einer noch zu treffenden end- S. 8-17.

80 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 AUS STANDORTEN UND GKS

• Nukleare Bewaffnung • „Soldaten als Diener – Am 13. November 2006 ist eine pax christi führte das Thema mit des Friedens“ weitere Sitzung des Exekutivaus- dem Hinweis ein, sie habe einen An- pax christi unterstützt ausdrück- schusses (EA) der GKS, diesmal trag an die deutschen Bischöfe ge- lich die Aussagen der Bischöfe zur In- wieder in BONN, geplant. Neben stellt, sich grundsätzlich zu der Fra- neren Führung. Es wurde aber auch einer Nachbereitung der Woche ge zu äußern, ob Atomwaffen „noch“ deutlich, dass das Wort der Bischöfe der Begegnung, der Bundeskon- toleriert werden könnten. bei pax christi kaum Beachtung ge- ferenz und des Politikergesprächs Ein Vertreter des GKS-Sach- funden hat. wird eine Meinungsbildung zum aus schusses „Sicherheit und Frie- Weißbuch 2006 auf der Tagesord- den“, der sich mit diesem Thema • Nächstes Gespräch nung stehen.3 auseinandersetzt, erläuterte die der Vorstände am 18.10.2007 – Das Jahr 2007 bringt am 26. Ja- Gründe für die aktuelle weltwei- in Bonn nuar 2007 den traditionellen te Diskussion der Nuklearfrage. Jahresempfang des MGV für den Zwischen GKS und pax christi be- Vorstand der ZV und den Exeku- stand Einigkeit, dass Aufmerksamkeit 4. Ausblick tivausschuss der GKS. für das Problem wichtig sei. Die Frage, Abschließend noch ein Blick auf – Weitere Termine s. „Terminüber- ob Atomwaffen „noch“ toleriert wer- die Schwerpunkte der kommenden sicht“ S.116. den können, müsse behandelt werden. Wochen und Monate: (Klaus Achmann) Wichtig sei, die stagnierende nukle- – Am 9. November 2006 wird in der 3 Der EA hat nach dieser ersten Mei- are Abrüstung wieder zu beleben. Julius-Leber-Kaserne in BERLIN nungsbildung zum Weißbuch 2006 den ein weiteres Politikergespräch Bundesvorsitzenden gebeten, kurzfristig eine im Grundsatz zustimmende Erklä- • Weißbuch stattfinden, diesmal mit dem Bun- rung für die Öffentlichkeit abzugeben. 2 Da das Weißbuch zum Zeitpunkt desminister der Verteidigung. Dies erfolgte am 06.12.2006 (s.S. 8). des Treffens noch nicht veröffentlicht 2 Das Politikergespräch sowie die Diskus- Die SA „Sicherheit und Frieden“ sowie sion und Meinungsbildung in der GKS „Innere Führung“ sollen nach genaueren war, wurde auf eine Diskussion ver- über das Weißbuch 2006 sind in diesem Analysen ein Argumenationspapier für zichtet. AUFTRAG, S. 4-13 dokumentiert. den internen Gebrauch erarbeiten.

Seminar 2007 für Funktionsträger der GKS ereits mehrfach hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die für neue Kreis- und Bereichsvorsitzende, für Geschäftsführer und Ansprechpartner durchgeführten „Seminare für Funktionsträger der GKS“ eine Büberaus positive Resonanz gefunden haben. Alle Teilnehmer bewerteten diese Seminare als äußerst hilf- reich für ihre ehrenamtliche Arbeit in der GKS. Daher soll jetzt erneut eine Schulung für alle angeboten werden, die jetzt oder zukünftig in der GKS als Vorsitzende, Geschäftsführer oder in anderen Funktionen Verantwortung tragen. Ziel ist dabei, den Teilnehmern einerseits Informationen über die Katholische Militärseelsorge und die Laienmitarbeit in Räten und GKS zu geben, andererseits praktische Hinweise für die Arbeit („aus der Praxis – für die Praxis“) zu geben. Deshalb wird vom 30.11.-02.12.2007 in der Katholischen Akademie „Wolfsburg“ in Mülheim/Ruhr ein Seminar zur Einweisung für Inhaber und Anwärter von Leitungs- oder Geschäftsführungsfunktionen in der GKS angeboten. Das Seminar wird vom Bundesvorstand der GKS geleitet. Es beginnt am Freitag, den 30.11.07, um 17.00 Uhr (Ein- treffen ab 15.00 Uhr möglich) und endet am späten Sonntagvormittag mit einem gemeinsamen Gottesdienst. Schwerpunkte: - Zielsetzung und Auftrag der Militärseelsorge - Selbstverständnis der GKS - Organisation der GKS - Zusammenarbeit auf Landesebene - Arbeit des GKS-Kreises/-Bereichs (Haushalt, Abrechnungen, Veranstaltungen usw.) Programm und weitere Einzelheiten gehen den Teilnehmern zeitgerecht zu. Aus Planungsgründen ist eine frühzeitige Anmeldung – spätestens bis 30.08.2007 – erforderlich. Anmeldung bei der Bundesgeschaftsstelle der GKS Berlin, über die Vorsitzenden/Geschäftsführer der Bereiche, der Kreise oder die Ansprechpartner der GKS. Den Seminarteilnehmern entstehen keine Kosten. Bundesbahnfahrkarten werden den Teilnehmern auf Antrag zuge- stellt. Bei Pkw-Benutzung werden die Kosten einer Bahnfahrkarte 2. Klasse (Großkundenabonnement) erstattet.

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BEREICH KLMD GLÜCKSBURG/KIEL: dass hier ein Ansatz für Militärseelsorge gefunden wurde, Arbeitskonferenz berät über neuen Kreis der in Zukunft immer wichtiger werde. für Soldatinnen und junge Eltern In der Heiligen Messe, die der Leitende Militärdekan, Msgr. Rainer Schadt mit den Teilnehmern der AK feierte, ie 2. Arbeitskonferenz (AK) beim Kath. Leitenden erinnerte er an die Erzengel Michael, Gabriel und Raphael. Militärdekan Glücksburg/Kiel des Jahres 2006 Besonders im Hinblick auf die sechs Jugendlichen, die zur Dfand vom 29.09. bis 01.10. im Edith-Stein-Haus in Zeit auf die Firmung vorbereitet werden und das Bußsak- Parchim statt. Trotz langem Wochenende und Staus auf der rament empfangen hatten, wünschte er diesen die Gaben Autobahn trafen sich die Delegierten zu der Konferenz. der drei Erzengel: Die Themen, die von der AK behandelt wurden, – Michael, der das Reich Gottes gegen das Böse vertei- reichten über Termingestaltung für Veranstaltungen bis digt und auch uns beschützt, hin zur neuen Ordnung der Arbeitskonferenz. Besonderes – Gabriel, der die Botschaft an Maria überbringt und als Interesse weckte der Bericht der Militärseelsorgerin im Gottes Bote wichtig ist und Seelsorgebereich Bremerhaven, Pastoralreferentin Carola – Raphael, der Tobias auf seinem Weg durch die Wüste Lenz-Menke, die einen Kreis schwangerer Soldatinnen und begleitet und geleitet hat. junger Soldateneltern gründen möchte. Ziel soll die gegen- Zum Ende der Arbeitskonferenz wünschte der Dekan seitige Hilfe und Unterstützung sein. Außerdem sollen die allen eine gute Heimreise und alles Gute für den Rest des Probleme, die diese Gruppe von Bundeswehrangehörigen (verlängerten) Wochenendes. hat, ins Bewusstsein gerufen werden. Man war sich einig, (Text und Foto: Franz-Josef Hosse)

GKS-KREIS WILHELMSHAVEN: Junger, wachsender Kreis in WHV ie GKS WHV führte vom 8. bis erfahrenen Referentin aus Cuxhaven D10. September ein Familien- gelegt. wochenende in Cuxhaven im Haus Bei schönem Wetter und einem Stella Maris durch. Dazu hatten sich Haus in einer herrlich gelegenen 36 Teilnehmer angemeldet. Dies war Landschaft ging das Familienwochen- nach der Gründung des neuen GKS- ende wieder einmal viel zu schnell Kreises am Standort Wilhelmshaven vorüber. Alle Teilnehmer freuen sich im Jahr 2005 das zweite und auch jetzt schon auf das nächste gemein- diesmal wieder gelungene Wochen- same Wochenende der GKS-WHV im ende für Familien. Erfreulicherweise Mai 2007 in Bad Bederkesa. wächst die Mitgliederzahl des neuen Nach einer Beteiligung von knapp Kreises stetig an. 20 Interessenten im April diesen Jah- Für die Betreuung der Kinder und res lässt die gestiegene Teilnehmer- unsere Jugendlichen (16 an der Zahl) zahl hoffen, dass weitere katholische waren zwei engagierte Erzieherinnen Soldatenfamilien und Einzelpersonen mitgefahren, die an den beiden Tagen auf den GKS-Kreis WHV aufmerksam schöne, gemeinsame Erlebnisse ver- (gemacht) werden und ihr Interesse mitteln konnten. In unseren Kindern an der Arbeit der GKS entdecken. ruht unsere Zukunft, die es weiterhin Dies motiviert mich, als Vorsitzender zu fördern gilt. des Kreises weiter zu werben und zu Aus diesem Grund hatte ich die daran zu arbeiten, damit die GKS Themenwahl „STARKE ELTERN – STARKE auch in der norddeutschen Diaspora KINDER – Familie und Erziehung“ für wahrgenommen wird. die Erwachsenen in die Hände einer (Klaus Feineis)

82 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 AUS STANDORTEN UND GKS

GKS-KREIS AUGUSTDORF: Draisinen-Spaß von Rinteln bis ins Extertal er diesjährige Familientag des GKS- Kreises Augustdorf wurde am 10. Sep- Dtember unter der Leitung von Stabs- feldwebel Gerhard Pape mit dem Motto „DER NATUR AUF DER SPUR…“ durchgeführt. Von Niedersachsen nach Nord rhein-West- falen und zurück! Mitorganisator Herrn Man- fred Otte hatte alle Hände voll zutun, um die Fahrrad-Draisinen und Teilnehmer auf die Strecke zu bringen. Nach einer kurzen Einwei- sung ging es dann gegen 9 Uhr auf die 18 km lange Strecke mit einem Höhenunterschied von 250 m. Rast- und Wendemöglichkeiten entlang der Strecke laden zum kurzen Verwei- len ein. Die Fahrrad-Draisinen sind mit einer 7- Gang-Schaltung ausgestattet, wiegen 90 kg und bieten für zwei bis vier Personen Platz. Jeweils zwei können gleichzeitig in die Peda- len treten. Gegen Mittag erreichte die Gruppe das gesteckte Ziel, den Rastplatz Alverdissen. Nach einer ausgiebigen Pause, wo für das leib- liche Wohl gesorgt war, ging es dann am frühen Nachmittag auf die Rückfahrt. Bei einer Geschwindigkeit am Bahnhof in Rinteln. Am Ende waren sich alle Teilneh- von bis zu 14 km/h, konnte man ohne Anstrengung die mer einig, der Draisinen- Spaß war zwar anstrengend, aber Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke genießen. Nach alle haben einen unterhaltsamen Familientag erlebt. eineinhalb Stunden waren alle Fahrrad-Draisinen zurück (Gerhard Pape)

BEREICH NORDRHEIN-WESTFALEN:

Von Gipsmasken und starken Familien mer mit Kochecke und Nasszelle sowie ein gesondertes in verheißungsvoller, sonnig goldener Tag hieß die Kinderzimmer vor. Für das Seminar standen ein großer Teilnehmer der Familienwerkwoche im Theodor- Arbeitsraum und ein malerisches, reetgedecktes Fachwerk- ESchwartz-Haus der Arbeiterwohlfahrt in Travemün- gebäude zur Verfügung. (Walter Fröhler) de willkommen. Teilweise über 500 GKS-Familien aus NRW zum Kilometer hatten die Familien bis an Familienwochenede im Theodor- die Ostsee zurückgelegt. Sie freuten Schwartz-Haus der Arbeiter- sich alle auf die schönen Herbstta- wohlfahrt in Travemünde ge. an der Ostsee. (Foto: H. Berners) 15 Familien waren der Einla- dung von OTL Rüdiger Attermeier, Vorsitzender der GKS in NRW, ge- folgt. Die jähr liche Familienwerk- woche der GKS NRW findet stets großen Zuspruch; leider musste in diesem Jahr neun Familien abgesagt werden – zu wenig Unterkunft.

Reetdachhaus und Ostsee- strand Vom 8. bis 13. Oktober war das Seminarhaus und Ferienzentrum im Ortsteil Brodten das Zuhause der Se- minarteilnehmer. In einzel stehenden kleinen Häusern fand jede Familie ein einfaches und geräumiges Zim-

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 83 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Kaum eingetroffen ging es auf den für die Erwachsenen weitere gen sie die Kinder so in Bann, dass Ent deckungsreise. Nach viertelstün- Themen wie „WAS UNSERE KINDER selbst fast erwachsene Jugendliche digemFußmarsch standen Jung und STARK MACHT“ und „WAS UNSERE PART- mit von der Partie waren. Auch die Alt am Brodtener Steilufer und ge- NERSCHAFT STARK MACHT“ auf dem Pro- Anlage bot mit einem Spielhaus und nossen den Blick auf die Ostsee. gramm. Die Ergebnisse sorgten teil- einem großen Spielplatz viele Mög- Vom berühmten nordischen weise für regen Erfahrungsaustausch. lichkeiten. Lioba und Tina nutzten Schmud delwetter mit Nieselregen Durch häufige Abwesenheit der Väter das Spielhaus, um mit den Kindern und Dunst über der See war nichts zu müssen Soldatenkinder besonders Glasritzarbeiten und Gipsmasken sehen. Frischer Wind, blauer Himmel stark sein, stellten die Eltern fest. zu fertigen. Das weitläufige Gelände und Sonnenschein ließen die Strapa- „Die Ehefrauen sind gefordert, wenn wurde für eine Spieleralley genutzt, zen der Anreise schnell vergessen. Einsätze anstehen“ und „Männer neh- bei der die Kinder vielerlei Aufgaben men sich leichter ihren Freiraum“, lösen mußten. Anspruchsvolle Themen fasste Bettina Schade die Resultate Noch am ersten Abend wurden der Arbeitsgruppen zusammen. Predigt rundet die Familien mit dem Thema „WAS Die umfangreiche Theorie wurde Arbeitsergebnisse ab UNS STARK MACHT“ konfrontiert. Bet- mit einer Schifffahrt auf der Trave so- Für den geistlichen Beistand reis- tina Schade M.A. (Magister Artium), wie einer Tag- und einer Nachtwan- te Pastoralreferent Thomas Glöckel die Referentin, behandelte in den fol- derung aufgelockert. Auch ein Gesell- aus Rendsburg an, der mit den Fami- genden Tagen dieses Thema mit den schafts- und ein Bingoabend sorgten lien einen Wortgottesdienst gestaltete. Familien. für Kurzweil. „Geld alleine macht nicht glücklich“, Die Tage begannen nach dem so der Tenor seiner Predigt. Eine Fa- Frühstück mit einem Morgenlob und Kinderbetreuung bis milie, die zusammensteht und Halt die Runde stimmte sich mit Liedern in die Nacht gibt, gleicht so manchen materiellen und Gebeten auf den Tag ein. Bei Während der Seminartage waren Verzicht auf. der ersten Gruppenarbeit bat Bettina die Kinder zum großen Teil in der Ob- Zum Abschluss der Werkwoche Schade die Familien, auf das Thema, hut der Betreuerinnen, Lioba Saurbier kam der GKS-Vorstand aus NRW „W AS UNSERE FAMILIE STARK MACHT“, und Tina Pöpping. Beiden standen noch in eigener Sache zu Wort und Antworten zu finden. Aus dazu erar- fast rund um die Uhr für die Kinder verabschiedete schließlich eine gut beiteten Grundsteinen, die ein fami- zur Verfügung. Selbst an den langen erholte und fröhliche GKS-Schar in liäres Zusammenleben ermöglichen, Abenden beschäftigten sie sich mit Richtung Nordrhein-Westfalen. wurden symbolisch Häuser gebaut. den Kindern. Durch die richtige Wahl (Text: Walter Fröhler, In den folgenden Einheiten stan- der Spiele und der Ausgestaltung zo- Fotos: Hubert Berners(1), Walter Fröhler (2), Lioba Saurbier (1)

Bettina Schade im Gespräch Strandwanderung Gipsmasken für die Kleinsten mit den Kindern bei herrlichem Wetter mit Beruhigungsmitteln

GKS-KREIS KÖLN-WAHN: Grenzenlose Liebe – Grenzen setzen – aber wie? us dem Standort Köln und Um- LIEBE – GRENZEN SETZEN – ABER WIE?“ bei wurden in den Gruppen auch un- gebung kamen auf Einladung wurden alle angesprochen. Jeder terschiedliche Aspekte der Erziehung Ades Vorsitzenden des GKS- kennt den Führerschein für Fahr- betrachtet. Der Bogen spannte sich Kreises Köln-Wahn, Oberstleutnant zeuge, viele haben auch einen Füh- von „KONSEQUENTSEIN LEICHT GEMACHT“ Albert Hecht, 60 Personen in Len- rerschein für den Computer gemacht. über „GRENZEN DES KONSEQUENTSEINS“ nestadt-Burbecke zusammen. Für Keiner hat aber einen Führerschein bis zu „Stolpersteinen des konsequen- dieses Familienwochenende vom 1. für die Kindererziehung. Um dieses ten ERZIEHUNGSVERHALTENS“. bis 3. September 2006 konnte Hecht komplexe Thema mit der hohen Zahl Den Kindern wurden in dieser die Diplom-Pädagogin Waltraud Bau- der Beteiligten bewältigen zu können, Zeit statt schweren Themen eine al- er als Referentin gewinnen. teilte Waltraud Bauer die Erziehungs- tersgemäße Betreuung geboten. Dazu Mit dem Thema „GRENZENLOSE berechtigten in vier Gruppen auf. Da- hatten sich erneut Andrea und Ger-

84 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 AUS STANDORTEN UND GKS

hard Linden bereit erklärt. Sie sorgten mit viel Engagement für eine sinnvolle Beschäftigung der Kinder. Trotz seiner engen Zeitplanung übernahm Militärpfar- rer Gregor Ottersbach, Standortpfarrer Köln, den geistli- chen Beistand. In seiner Predigt zum Familiengottesdienst knüpfte er an das Thema an und machte den Prozess der Fremd- wie Selbsterziehung an der Formgebung eines un- behandelten Stückes Fichtenholz deutlich. Dies war für die Kinder besonders griffig, da es ih- nen aus dem Nachmittagsprogramm noch gut bekannt war. Denn am Samstagnachmittag zog die gesamte Gruppe zur Planwagenfahrt und Waldbauerngaudi in die Sauer länder Berge aus. Für die Kinder wie für die Erwachsenen stellten sich die Aufgaben Tannenzapfenzielwurf, Waldbauernstie- felweitwurf und Holzzuschnitt auf´s Gramm. Bei seinem Resümee stellte Hecht fest, dass das ge- meinsame Wochenende wieder eine „runde Sache“ war. Vor der Heimreise wurde noch die Möglichkeit angeboten, im nahe gelegenen Elspe die Karl-May-Spiele zu besuchen. (Text: GKS Köln-Wahn)

Viel Freude hatten die Wahner bei der „Waldbauerngau- di“ – man sieht‘s, der Jüngste arbeitet und viele geben sachkundige Ratschläge (Foto Gabi Bangemann)

GKS-KREIS KÖLN-WAHN: Petrus sorgte für gute Bedingungen ei angenehmen Temperaturen und trockenem Him- mel säumten annähernd eine Million Menschen am B8. Oktober 2006 den 10. Köln-Marathon. An den Zuschauern zog auch eine kleine Gruppe der GKS Köln-Wahn vorbei. Allerdings waren von den fünf gemeldeten Teilnehmern nur vier gestartet. Otto Reimann hatte wegen Krankheit leider absagen müssen. Der Vorsit- zende der GKS Köln-Wahn, Oberstleutnant Albert Hecht (r. im Bild), konnte in diesem Jahr die Zahl der teilneh- menden Läufer steigern und fand mit der Pax-Bank einen Sponsor für die erforderliche Laufkleidung. „Die Bedingungen waren nicht schlecht,“, so Hecht, „aber mit meiner Leistung von mehr als vier Stunden bin ich nicht zufrieden.“ Jedoch konnten Matthias Hasebrink und Manfred Reimer die anvisierte Zeit von vier Stunden erreichen oder, wie Peter Reichwein, um mehr als eine halbe Stunde deutlich unterbieten. Bereits Monate vorher begann für die Läufer das harte Training, um die 42,195 Kilometer lange Strecke des Jubi- läumsmarathon bewältigen zu können. „Als trainierter Läu- fer“, so Reichwein, „seien vier bis sechs Monate gezielte Vorbereitung erforderlich“. Peter Reichwein weiß, wovon er spricht, da dies bereits sein achter Köln-Marathon und sein insgesamt zehnter war. Auch im nächsten Jahr will Albert Hecht wieder eine Mannschaft der GKS Köln-Wahn mobilisieren und versu- chen, die Leistung zu steigern. (Text u. Foto: Walter Fröhler)

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 85 Kirche unter Soldaten

Bereich Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland: Nur zusammen kann es gehen Mitglieder des Seelsorgebezirksrates Mainz und der GKS lebten und praktizierten Glauben. Offen ließ er allerdings Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland tagten gemeinsam bewusst Fragen nach Versöhnung und Vergebung, einer im Kloster Maria Engelport ungewissen politischen Zukunft, den Möglichkeiten des wirtschaftlichen Aufbaus und der Bildung im Kosovo. ie Zusammenarbeit der Laiengremien in der Militär- Diese Ausführungen nutzte Oberstleutnant Warner zur seelsorge, den Mitarbeiterkreisen und Seelsorgebe- Einführung in die Thematik des Wochenendes. Durch die Dzirksräten mit den Gremien der GKS auf Kreis- und einsatzbedingten Abwesenheiten von Militärgeistlichen Bereichsebene war Thema eines Familienwochenendes der könnten sich sehr oft die Soldaten/-innen und deren Fa- Katholischen Militärseelsorge Mainz im Kloster Maria En- milien mit ihren Problemen nicht an den dann „vakanten“ gelport der Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria (OMI). Standorten an die Militärpfarrer wenden. Warner fragte, Es liegt im Flaumbachtal in der Nähe von Treis-Karden. wie die Laiengremien zur Militärseelsorge auf der einen Rund 20 aktive und ehemalige Soldaten und Solda- Seite und die GKS-Kreise auf der anderen Seite durch tinnen waren mit ihren Ehepartnern/innen zu der vom Ka- gemeinsame Arbeit Unterstützungen leisten könnten, um tholischen Militärpfarrer Mainz, Christian Preis, geleiteten diese Situationen zu meistern. Im Zusammenhang mit der Zusammenkunft erschienen. Er konnte sich dabei auf die Katholischen Militärseelsorge berichtete Oberstleutnant wertvolle und tatkräftige Unterstützung seines Pfarrhel- Günter Bohn, Vorsitzender des Seelsorgebezirksrates Mainz fers Alfred Adamiok und des Vorsitzenden des Bereiches und Moderator der Arbeitskonferenz des Katholischen Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland der Gemeinschaft Ka- Leitenden Militärdekans Koblenz, von seinem Einsatz bei tholischer Soldaten (GKS), Oberstleutnant Alfred Warner, ISAF in Kabul sowie seinen Verwendungen in den neuen verlassen. Nach der abendlichen Vorstellungsrunde und Bundesländern, was eine lebhafte Diskussion auslöste. einigen gemütlichen Stunden im Klosterkeller, einem Fazit der ausgiebigen Diskussion ist, dass die wert- morgendlichen geistlichen Impuls und einem ausgiebigen vollen Maßnahmen und Aktivitäten der Militärseelsorge Frühstück berichtete zunächst Militärpfarrer Christian in Zeiten der Vakanz vor allem durch das Engagement der Preis von seinem Einsatz beim 8. KFOR-Kontingent im Laiengremien unterstützt werden muss. Hier komme es vor Kosovo. allem auf die gute Zusammenarbeit von Mitarbeiterkreisen, Anhand einer Vielzahl von sehr aussagekräftigen foto- Seelsorgebezirksräten und GKS-Kreisen an: „Wir dürfen grafischen Momentaufnahmen ging er dabei auf Land und uns nicht auf die Geschichte berufen und dem nachtrau- Leute, die geschichtliche Entwicklung, die KFOR-Truppen, ern, was nach den zahlreichen Transformationsprozessen das kirchliche Leben im Einsatz bei der Truppe und vor in der Bundeswehr auch auf dem Gebiet der Militärseel- allem auch die Ereignisse und Folgen vom 17. März 2004 sorge einfach nicht mehr umsetzbar ist. Wir müssen nach ein, als im Kosovo die Kirchen brannten. Sehr eindrucks- vorne sehen, denn nur gemeinsam können wir es schaf- voll, offen und engagiert trug er seine Erfahrungen vor. fen, junge Soldaten/innen und deren Familien bei allen Unter anderem ging er auch auf scheinbare Gegensätze ein möglichen Gelegenheiten anzusprechen und zur aktiven – zum einen erzählte er von einer gemeinsamen Karnevals- Mitarbeit in der Militärseelsorge und der GKS zu animie- feier und zum anderen auch vom Tod eines Kameraden nur ren,“ resümierte Oberstleutnant Warner. Und dies könne eine Woche später. Sein Bericht stand aber immer im Zu- nur erreicht werden, wenn die derzeit in den Laiengre- sammenhang mit dem von ihm vor allem im Einsatz vorge- mien tätigen Soldaten/-innen sowie die Militärgeistlichen in der Gemeinschaft, in den Gottesdiensten und bei den vielfältigen anderen Veranstaltungen der Militärseelsorge dies beispielhaft vorleben, so Warner weiter. Anschließend feierte die Gruppe gemeinsam mit Militärpfarrer Preis in der Hauskapelle die Eucharistie. Am Sonntag wurde die Diskussion noch um einige As- pekte vertieft. Oberstleutnant Warner informierte von der Woche der Begegnung in Ludwigshafen, vor allem über neue Regularien, anstehende oder bereits vollzogene per- sonelle Veränderungen und anderes. Nach dem Gottes- dienstbesuch und dem Mittagessen traten die Teilnehmer um viele Erfahrungen reicher die Heimreise an. (Wilfried Puth)

Mitglieder des Seelsorgebezirkes Mainz und der GKS Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland trafen sich im Kloster Maria Engelport zu wichtigen gemeinsamen Beratungen.

86 AUFTRAG 264 • Dezember 2006 aus Standorten und GKS

GKS-Kreis Veitshöchheim vom 27.10. bis 29.10.2006: Ruhe uns Entspannung tun auch mal gut ernab von Hektik, Stress und atemloser Geschäftig- keit verbrachte der GKS-Kreis Veitshöchheim vom F27.10. bis 29.10.2006 im Christkönigshaus Stutt- gart (Hohenheim) sein Familienwochenende. Das Exer- zitienhaus der Diözese Rottenburg-Stuttgart liegt unweit der Landeshauptstadt gegenüber dem Schloss Hohenheim mit seinem berühmten exotischen und botanischen Garten. Rund 40 Teilnehmer nahmen an der Veranstaltung teil. Darunter vier Kinder, die von der Erzieherin Stephanie Hammer betreut wurden. Die Veranstaltung begann tra- ditionsgemäß mit dem Abendessen. Nach einer kurzen Begrüßung teilte uns der Vorsitzende Rafael Sikorski mit, dass das Seminarthema „Zukunft mit oder ohne Religion“ leider nicht bearbeitete werden könne, da der eingeplante Referent kurzfristig wegen Krankheit abgesagt hat. Den Die restliche Zeit des Vormittages bis zum Mittagessen weiteren Abend gestaltete das Ehepaar Scheller mit medi- nutzten die Teilnehmer zu einem ausgiebigen Spaziergang tativen Tänzen mit der Gruppe. Zum Ausklang des Abends im angrenzenden botanischen Garten. Den Nachmittag trafen wir uns noch in der Bierstube des Hauses. verbrachten die meisten in der naheliegenden Landes- Nach dem Morgenlob am Samstagvormittag fand die hauptstadt. Am Sonntag fand nach dem Frühstück der ab- Neuwahl der GKS-Kreis-Vorstandschaft statt. Die Vorsit- schließende Gottesdienst in der nebenan liegenden Sankt zenden Rafael Sikorski und seine Vertreter Karlheinz Hor- Antonius Kirche statt. Nach dem gemeinsamen Mittagessen nung wurden in ihren Ämtern bestätigt. traten alle Teilnehmer die Heimreise an. (Karlheinz Hornung)

Seelsorgebereich Veitshöchheim: „Ihr müsst die Kleinigkeiten loslassen“ Feierlicher Erntedank-Gottesdienst in der Balthasar-Neumann-Kaserne u einem heiter-besinnlichen Erntedank-Gottesdienst hatte der Militärpfarrer in Veitshöchheim Wolfgang ZBier eingeladen. Rund 300 Gläubige waren zu der schon traditionellen Feier in die Balthasar-Neumann- Kaserne gekommen und erlebten ein Novum: Erstmals zelebrierte Robert Borawski, Pfarrer der örtlichen Dop- pelgemeinde St. Vitus/Kuratie, gemeinsam mit dem Mili- tärpfarrer den Gottesdienst. Neben dem stellvertretenden Kommandeur der Divisi- on Luftbewegliche Operationen (DLO), Generalmajor Rein- Der Veitshöchheimer Militärpfarrer Wolfgang Bier (l.) und hard Wolski, und zahlreichen Angehörigen der Soldaten, der Pfarrer der Ortsgemeinde St. VitusKuratie die sich derzeit im Auslandseinsatz befinden, feierte auch Robert Borawski zelebrieren gemeinsam den traditionellen der Veitshöchheimer Bürgermeister Rainer Kinzkofer mit Erntedank-Gottesdienst in der Balthasar-Neumann-Kaserne seiner Frau den Gottesdienst mit. Den passenden Rahmen bot der vom Mitarbeiterkreis des katholischen Standort- am Ende hinkomme und muss nicht unbedingt jede Ern- pfarrers geschmückte Altar sowie die musikalische Gestal- te einheimsen“. Wichtig sei es vielmehr, an der eigenen tung durch das Heeresmusikkorps 12 unter der Leitung von Persönlichkeit zu arbeiten, um so anderen Menschen zum Stabsfeldwebel Bernd Sieg. Heil werden zu können. Militärpfarrer Wolfgang Bier appellierte an die Gläu- Im Anschluss an den Gottesdienst, dessen Kollekte den bigen, Kleinigkeiten loszulassen, die einen gefangen hal- landminengeschädigten Kindern im Kosovo zu gute kommt, ten. „Ihr müsst Gelassenheit gewinnen vor dem Herrn und gab es neben der auch schon traditionellen Fahrzeugseg- den Menschen“, betonte der Pfarrer. Mit Verweis auf den nung eine musikalische Zugabe des Heeresmusikkorps. Rennfahrer Michael Schumacher, der nach einem Motor- Zahlreiche Gottesdienstbesucher nutzten die Gelegenheit schaden ausscheiden musste und nur noch eine geringe zu Begegnung und Gespräch beim gemeinsamen Mittages- Chance auf den erneuten Weltmeistertitel wahren konnte, sen. Die Kleinen nahmen mit Begeisterung das herbstliche machte der Geistliche deutlich, dass Christen nicht bis Bastelangebot von Silvia Schüßler und Corinna Rüttiger zum Letzten kämpfen müssen, denn: „Ich weiß, wo ich an. (Katharina Demleitner)

AUFTRAG 264 • Dezember 2006 87 KIRCHE UNTER SOLDATEN

GKS-KREIS DORNSTADT/BEREICH BADEN WÜRTTEMBERG: 1956 bis 2006 - 50 Jahre Katholische Militärseelsorge! Ein Jubiläum, welches zu vielen Gelegenheiten gefeiert wird Gottedienst zum Weltfriedenstag stillen. – Ein festliches Abendessen beschloss diese her- uch am Standort Ulm konnten die Soldaten den vorragende Veranstaltung. Weltfriedenstag im Juni 2006 mit einem vom Diö- Azesanbischof Rottenburg-Stuttgart, Bischof Dr. Geb- GKS-Kreis Dornstadt ehrt hard Fürst, zelebrierten Pontifikalamt in der Wengenkirche Pfarrer Josef Kaupp feiern. Im Anschluss fand vor der Kirche ein Empfang statt, in Patroziniumsfest ist immer etwas Besonderes für bei dem der Seelsorgebezirksrat und Mitarbeiterkreis beim eine Kirchengemeinde! Ein Patroziniumsfest, bei Militärpfarrer sowie die GKS-Kreise des Standortes sich welchem ein Weihbischof den Festgottesdienst ze- E 1 vorstellten. lebriert und die neue Orgel des Gotteshauses weiht, krönt dieses Ereignis. Diesen so feierlichen Tag nutzte der GKS- Akademiegespräch Kreis Dornstadt, um der Kirchengemeinde Sankt Michael m 5. Oktober nahmen Mitglieder des GKS-Kreises zu den Wengen und insbesondere dem Pfarrer Msgr. Josef Dornstadt an einem Akademiegespräch in der Ka- Kaupp zu danken. Atholischen Akademie in Bayern teil. Eingeladen Seit vielen Jahren dürfen die Soldaten des Standortes hatte dazu der Katholische Leitende Militärdekan Mün- Ulm (zum Standort Ulm zählt auch die Rommelkaserne in chen, Militärdekan Reinhold Bartmann. Dornstadt) in der Wengenkirche ihre Standortgottesdienste Nach der Begrüßung der Gäste durch den Akademie- feiern. Und schon seit vielen Jahren pflegt der Pfarrer der direktor Dr. Florian Schuller folgten Ausführungen von Kirchengemeinde intensive und freundschaftliche Kon- Prof. Dr. Heinz Hürten (Lehrstuhl für Neuere und Neueste takte zu „seinen“ Soldaten. Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-In- Sei es beim 95. Deutschen Katholikentag im Jahre golstadt) und Prof. Dr. Alfred Hierold (Lehrstuhl für Kir- 2004, beim Dialog mit der Russisch-Orthodoxen Gemeinde chenrecht an der Universität Bamberg) zu den Themen der Heiligen Märtyrer Valentin und Pasikratus zu Ulm im „Geschichte der Katholischen Militärseelsorge“ und „die Jahre 2005, beim Weltfriedenstag im Juni 2006 oder beim Militärseelsorge im Spannungsfeld zwischen Kirche und Projekt Christophorus „Segnung eines Kanus“ am 9. Juli Staat“. 2006 gewesen (um nur einige Beispiele zu nennen). Msgr. Bei einer anschließenden Aussprache hatten die Be- Josef Kaupp war und ist immer für die Soldaten da, und sucher dann noch die Möglichkeit, durch direkte Fragen dies auch allzu oft außerhalb der „Rahmendienstzeiten“, an die Professoren bzw. Gastgeber ihren Wissensdurst zu wie die Zeiten frühmorgens, spätabends und an Sonn- und Feiertagen im militärischen Sprachgebrauch oftmals be- zeichnet werden. Für sein stets offenes Ohr und dem daraus resultie- renden guten Miteinander zwischen der Kirchengemeinde Sankt Michael zu den Wengen und den Soldaten, war es dem GKS-Kreis Dornstadt eine besonders große Freude, im Beisein von Weihbischof Dr. Johannes Kreidler, Dekan Matthias Hambücher, Dekan Ernst-Wilhelm Gohl, Pastoral- referent Toni Mader sowie der Kirchengemeinde und den versammelten Gästen, Msgr. Josef Kaupp als Anerkennung und in Würdigung seiner Verdienste um die GKS die Me- daille des Verbandes zu verleihen (Foto S. 89, o.r).

1 Die Chororgel der Wengenkirche (Opus 1093 – die im Bombenhagel 1944 zerstörte Orgel war Opus 93) wurde von Thomas Wohlleb aus Ulm in der Giengener Orgelmanufaktur über drei Jahren (1.500 Stunden) gebaut. Sie verfügt über 11 Register und 498 Pfeifen. Es handelt sich um eine massive, aber transportable Eichenholzkonstruktion. Dr. Wilhelm Knecht, Pastoralreferent Toni Mader, Ober- leutnant Stefan Nüßle, Dekan Matthias Hambücher (ka- tholischer Dekan von Ulm), Monsignore Kaupp (Vorgän- ger als Dekan von Dekan Hambücher) , Weihbischof Dr. Johannes Kreidler und der evangelische Dekan für Ulm, Ernst-Wilhelm Gohl.

88 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 AUS STANDORTEN UND GKS

Neuer GKS-Vorstand im Bereich Baden-Württemberg m ersten Novemberwochenende hatte der Katho- lische Leitende Militärdekan München/Signaringen, AMilitärdekan Reinhold Bartmann, die Delegierten der Seelsorgebezirksräte/Mitarbeiterkreise sowie die De- legierten der GKS nach Beilngries zur Arbeitskonferenz II/2006 auf das Schloss Hirschberg eingeladen. Bei der in diesem Rahmen stattfindenden Bereichskonferenz wähl- ten die Delegierten der GKS am Abend des 4. November einen neuen Vorstand für den GKS-Bereich Baden-Würt- temberg. Zum Vorsitzenden wählte die Versammlung Oberleut- nant Stefan Nüßle und zu seinen Stellvertretern Stabsfeld- webel a. D. Alfred Bergmann (1. Stellv.) sowie Hauptmann Jürgen Hendricks (2. Stellv.)

Kirchweih bei der Russisch-Orthodoxen Gemeinde it einer Führung durch das Gotteshaus und einem Gespräch über die Theologie und das Kirchen- Im Anschluss an den feierlichen Gottesdienst, in dem Mrecht der Orthodoxie hatte im Jahr 2005 ein öku- die neue Kirche „Zur Erscheinung der Hl. Jungfrau“ ge- menischer Kontakt der GKS in Dornstadt mit der Russisch- weiht wurde, konnte der Vorsitzende des GKS-Kreises ein Orthodoxen Gemeinde der Heiligen Märtyrer Valentin und Grußwort an die Versammelten Geistlichen und Gemein- Pasikratus in Ulm begonnen. Eine besondere Wertschät- demitglieder richten, in welchem er neben der Würdigung zung erfuhr der GKS-Kreis, als eine Abordnung am 1. No- des hervorragenden Verhältnisses der Russisch-Ortho- vember 2006 zur „kleinen Kircheneinweihung“2 in das doxen Kirchengemeinde zu dem GKS-Kreis Dornstadt neu erworbene Gotteshaus geladen war. auch auf Übereinstimmungen im Glaubensgut beider 2 Die eigentlich („große“) Weihe einer Kirche ist dem zuständi- Konfessionen hinwies. Dies wurde mit der Übergabe von gen Bischof vorbehalten. Diese ist in diesem Fall für 2007 gep- drei Kerzen des Verbandes an den Vorsteher der Gemein- lant. Bei der „kleinen“ Kirchweihe handelt es sich um eine Be- nedikation (Segnung) durch den Pfarrer, die Voraussetzung dafür de, Mönchspriester Maxim, und mit dem Psalmvers „Seht ist, dass in dem Kirchenraum regelmäßig Gottesdienste gefeiert doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander werden dürfen. in Eintracht wohnen“ bekräftigt. (Stefan Nüßle)

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 8989 KIRCHE UNTER SOLDATEN Der Pilgerwege werden mehr: Spanisch-deutsche Jakobuswallfahrt 2006 beginnt in Kantabrien

VON FRANZ THIELE UND NORBERT GLINKA as im 8. Jahrhundert auf wun- dersame Weise durch ein Ster- Geschichtliche Daten zu Santiago de Compostela Dnenwunder im Nordwesten 44: Martyrium des Apostels Jakobus in Jerusalem Spaniens entdeckte Grab des Apostels 711-718 Eroberung Spaniens durch die Araber Jakobus, der nach der Überlieferung 718: Beginn der Rückeroberung Spaniens, die bis 1492 dauern vor seinem Martyrium in Jerusalem in sollte, und in der Jakobus nach Auffindung seines Grabes in Spanien missionierte, löste eine Jahr- die Rolle des „Matamoros“ („Maurentöter“) gedrängt wird hunderte dauernde europaweite Pilger- um 785: Der Mönch Beato aus dem Kloster in Liébana preist Jakobus bewegung aus, die sich seit etwa ein- als „goldenes Haupt, Schützer und Patron Spaniens“ einhalb Jahrzehnten wieder erstaun- 800: Kaiserkrönung Karls des Großen in Rom, der auch in Santiago lich belebt hat. Auch die inzwischen gewesen sein soll.1 Der Kaiser stand über seine theologischen schon fast unüberschaubare neuere Berater in engem Kontakt mit Beato Literatur über den Jakobusweg – auch 804: Tod des Mönchs Beato in deutscher Sprache – ist ein deut- 813: Auffindung des Apostelgrabs in Santiago de Compostela liches Zeichen dafür, dass die Wall- 829: Wallfahrt des Königs Alfons II von Asturien und seines Hofes fahrt nach Santiago de Compostela nach Santiago wieder „interessant“ geworden ist, 899: Einweihung einer großen Kirche über dem Apostelgrab in An- um nicht den Begriff „Mode“ zu ver- wesenheit vieler christlicher Fürsten aus Nordwestspanien wenden. Die Europäische Union hat 951: Der Bischof von Le Puy, Frankreich, gilt als erster nachgewie- den Jakobsweg – „Camino de Santia- sener ausländischer Jakobspilger go“ – zu einer geschichtlichen Route Ende 9. Jhs.: Man kann von der Existenz eines im Wesentlichen festge- der europäischen Kultur und euro- legten „Jakobusweg“ ausgehen, der allerdings nicht mit dem päischen Einheit erklärt. Angesichts späteren „Camino francés“ identisch ist. der Vielzahl der Nationen aus aller 1 Dies ist aber historisch nicht haltbar. Auch die Santiago-Wallfahrt von William Welt, die heutzutage auf diesem Weg the Conqueror, des Siegers von Hastings 1066, ist wohl eher eine Legende. anzutreffen sind, kann seine völker-

verbindende Kraft nicht hoch genug eingeschätzt werden. Unter den Pilgergruppen, die z.B. bei der Pilgermesse am 8. Juli 2006 in der Kathedrale von Santiago de Compostela begrüßt wurden, sahen wir neben Pilgern aus Europa einschl. der baltischen Staa- ten auch Südamerikaner, Afri- kaner und sogar Israelis. Schon weit vor der Ent- deckung des Apostelgrabes in Santiago de Compostela wur- de Jakobus als Apostel Spani- ens und Patron des Landes ge- sehen und verehrt. Eines der

Die imposante Kathed- rale von Santiago de Compostela, die aus dieser Perspektive so wirkt, als sei sie eher aus dem Boden ge- wachsen als von Menschen- hand erbaut worden. (Foto: Franz Thiele)

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Generalmajor a.D. Francisco Castrillo Mazéres, inzwischen 82 Jahre alt, und Oberst a.D. Franz Thiele, die 1986/87 die Idee zu der deutsch-spanischen Soldatenwallfahrt nach Santiago de Compostela hatten. Die Wallfahrt fand in diesem Jahr zum 20. Male statt. Deutsche Teilnehmer in größerer Zahl waren zum achtzehnten Mal dabei. (Foto: Norbert Gremm

ältesten Schriftzeugnisse dafür findet telgrab in Santia- sich im Kloster „Santo Toribio“ in go de Compostela Liébana/Kantabrien, am malerischen her und umfasste Gebirgszug der „Picos de Europa“ vier Etappen im (bis über 2500 m hoch) gelegen, wo gebirgigen Kanta- 2006 ein Heiliges Jahr gefeiert wird. brien und im nörd- Dieses Kloster beherbergt die beiden lichen León. Dar- größten bekannten Partikel des Heili- an schlossen sich gen Kreuzes, die Bischof Toribius von drei weitere „klas- Astorga im 4. Jh. aus dem Heiligen sische“ Etappen Pilgerherberge. Überwiegend muss Land mitbrachte und die schließlich auf dem „Cami no“ zwischen Astorga, man allerdings noch ohne diese Hilfe – im Zuge der Flucht der Christen Ponferrada und Santiago an. auskommen. José Fernández Arenas, vor den Arabern in den gebirgigen Wie wir schon im vorigen Jahr der in München und Walberberg bei Norden – in Liébana einen sicheren auf dem ebenfalls „wiederentdeck- Bonn studiert hat und sich für den Platz fanden. Außerdem entstanden ten“ Weg zwischen Valladolid und „alten“ Camino de Santiago im Gebiet in diesem Kloster bedeutende hand- Sahagún feststellen konnten, sind der Küstengebirge engagiert, führ- schriftliche und mit kunstvollen Mi- etliche Gemeinden auch in Kanta- te uns auf zwei dieser Etappen und niaturen geschmückte Kommentare brien und im nördlichen León dabei, brachte uns viele historische und kul- zur Geheimen Offenbarung, die nach „ihren“ Jakobusweg herzurichten und turelle Hintergründe der spanischen einem „Beato“ genannten und theo- zu beschildern. Es gibt in der Ortschaft und europäischen Jakobusverehrung logisch sehr versierten Mönch später Cistierna sogar schon eine kleine nahe. als „Beatos de Liébana“ bekannt und berühmt wurden. Man geht davon aus, dass die frü- Weihe an den Apostel Jakobus hen Jakobuspilger des 8. und 9. Jhs., (vorgetragen durch Generalmajor a.D. Francisco Castrillo Mazéres als Spanien bis an den südlichen beim Pilgerhochamt in Santiago de Compostela am 8. Juli 2006) Rand der nordwestlichen Küsten- ir sind 90 Mitglieder des Ordens vom Jakobsweg, Deutsche und gebirge von den Arabern beherrscht WSpanier, und wir sind diesmal in Santo Torribio von Liébena aufge- wurde, ihren Weg nach Santiago de brochen, wo wir das dort seit 14 Jahrhunderten aufbewahrte Kreuzesholz Compostela durch eben diese Gebirgs- verehrt haben. züge nehmen mussten, in dem sie im Dies ist unsere zwanzigste internationale Wallfahrt; und unser Ziel Wesentlichen Flussläufen und den war es diesmal, eine Verbindung zwischen Liébana und Santiago herzu- alten Römerstraßen folgten, ehe sich stellen, da dort der Beato von Liébana erstmals die Größe des Apostels die Pilgerwege im Zuge der christli- Jakobus besungen hat, noch vor der Entdeckung seines Grabes, indem er chen Rückeroberung Spaniens mehr ihn „strahlendes und goldenes Haupt Spaniens“ nennt, und „mächtiger und mehr in die offenere und ebenere Verteidiger und Schutzpatron“. kastilische „Meseta“ verlagerten. Di- Wir danken dir, heiliger Apostel Jakobus, für deinen Schutz auf dieser ese ursprünglichen Wege im Gebirge Wallfahrt. Wir beten heute zu dir in diesen Anliegen: werden nun wiederentdeckt und für – Für den Heiligen Vater, der gerade auf dem Weg nach Spanien ist. die heutigen – noch nicht sehr zahl- – Für Europa, das vom Unglauben bedroht wird. reichen – Pilger erschlossen. Es wird – Für Deutschland und dieses unser Spanien, wo deine Hilfe nötig allerdings noch einige Zeit dauern, bis ist, für dieses Land, das unter deiner Anrufung entstanden ist. Möge es eine ausreichende „Pilgerinfrastruk- unter deinem Schutz weiter seinen Auftrag als Verteidiger des Glaubens tur“ aufgebaut sein wird. erfüllen. – Wir rufen dich an für unsere Familien, die unsere Rückkehr erwar- ie spanisch-deutsche Soldaten- ten. Dwall fahrt 2006 (30.06.-09.07.), – Für unseren Pilgerorden, damit er ein Beispiel der Liebe zu dir und für die deutschen Teilnehmer je ein unter den Menschen guten Willens sei. Tag mehr für An- und Abreise), stell- Und wenn wir nun wieder von hier aufbrechen, mit neuer Kraft, den te eine physische und spirituelle Pilgerstab in der Hand, die Muschel um den Hals, wandern wir weiter Verbindung zwischen Liébana und zwischen Staub und Sternen.“ seinem Heiligen Jahr und dem Apos-

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er Weg führte uns in diesem Jahr also zunächst, Dvon der kantabrischen Kleinstadt Potes ausgehend, wohin wir von Madrid per Bus anreisten, über das Kloster Santo Toribio in Liébana, Cistierna und Gra- deces nach San Miguel de la Escalada, teils entlang einer alten Römerstraße und dann auf der sogenannten „Straße der Klöster“ mit eindrucksvollen Anlagen, von denen aber aus Zeitgründen nur einige wenige besich- tigt werden konnten. Schließlich steht die Wallfahrt und ihr Ziel im Mittelpunkt! Per Bus ging es dann weiter nach Astorga, dem Ausgangspunkt der beiden Etappen nach Rabanal del Camino und von Rabanal nach Acebo, im Einzugsbe- reich von Ponferrada. Der steile Abstieg auf den letz- ten Kilometern ist immer eine kleine Herausforderung an die Trittsicherheit. Die Hitze dieses Tages trug ein Übriges dazu bei, dass dieser Tag manchem als die „Königsetappe“ dieser Wallfahrt in Erinnerung blei- ben wird, obgleich die Wege im kantabrischen Gebirge auch „nicht ohne waren“. Nach einer Übernachtung im Kloster Samos ging es dann auf die letzte Pilgeretappe dieses Jahres von Sarria nach Melide, von wo uns der Bus bis fast zum Monte del Gozo vor den Toren von Santiago brachte.

piritueller Höhepunkt war – neben der Verehrung Sder Kreuzreliquie in Santo Toribio – die außeror- dentlich eindrucksvolle Pilgermesse am Mittag des 8. Juli in der Kathedrale von Santiago. Der Zelebrant ver- stand es, trotz der wie immer übervollen Kathedrale ein herzliches und nahezu persönliches Klima zwischen sich und den zahlreichen Pilgergruppen und Einzel- pilgern zu schaffen. Das ist leider nicht in jedem Jahr so. Der berühmte „Botafumeiro“ war am Schluß der Messe mit seinem kühnen Flug durch das Querschiff zu bewundern. Die Pilger hatten überdies auch reichlich Gelegen- heit, die Kathedrale und das Apostelgrab zu besuchen und sich in die Warteschlange zur rituellen Umarmung der Apostelstatue über dem Hochaltar einzureihen. Auch andere Kirchen konnten besucht werden. Selbst- verständlich kamen auch „Shopping“ und „Sightsee- ing“ in dieser interessanten Stadt nicht zu kurz.

Mit den „Picos de Europa“ im Hintergrund sammeln sich die Pilger um ein Pilgerdenkmal, ehe sie zum Kloster Santo Toribio de Liébana abbiegen. (Foto: Karl-Heinz Klein) Pause an einem nebligen Morgen in den Bergen Kantabriens. (Foto: Karl-Heinz Klein) Gegensatz zu der weiten und oft kahlen Landschaft der kastilischen Hochebene führt der Pilgerweg in Galizien oft durch bewaldete Zonen und schattige Hohlwege, die sogenannten „corredoiros“. Bei Regen können sie sich schnell in Sturzbäche verwandeln. Daher sind an besonders gefährdeten Stellen Steinplatten verlegt, die die Nutzung des Weges auch unter diesen Umständen ermöglichen. (Foto: Franz Thiele)

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ie Wanderungen durch eindrucksvolle Land- Die Fußballweltmeisterschaft konnte natürlich nicht Dschaften, die immer wieder überraschende Blicke völlig ausgeklammert werden. So hatten interessierte Pil- in die menschenleeren oder nur von kleinen Dörfern ger Gelegenheit, die entscheidenden Spiele im Fernsehen aufgelockerten Weiten Spaniens boten, gaben jedem mitzuerleben. Pilger die Möglichkeit, die gewohnte Betriebsamkeit abzulegen, die Stille der Natur in sich hineinzulassen ie Gemeinschaft Katholischer Soldaten wird, wie wir und sein ganz persönliches spirituelles Wallfahrtser- Dnach der Rückkehr erfuhren, wegen der zunehmenden lebnis zu finden. Enge der Haushalte diese Wallfahrt in Zukunft nicht mehr Die Wallfahrt endete mit einer achtstündigen Bus- fördern können. Damit war die Wallfahrt 2006 die letzte fahrt von Santiago de Compostela nach Madrid. Die in der bisher gewohnten Organisationsform. Wir werden deutschen Pilger hatten vor dem abendlichen Rück- versuchen, die Wallfahrt unter den neuen Gegebenheiten flug noch die Gelegenheit, Madrid kennenzulernen in einer veränderten Form weiterzuführen. ❏ oder die in früheren Jahren gewonnenen Eindrücke zu vertiefen. Die Pilgergruppe war in diesem Jahr in unter- schiedlichsten Quartieren (Kasernen, Schulheim, Sporthallen, Klosterunterkunft und abschließend in der hotelmäßig ausgebauten Anlage auf dem „Monte del Gozo“ vor den Toren von Santiago) untergebracht. Die Pilgerinnen nächtigten einmal in der allerdings für ihre Zahl nicht ausgelegten Pilgerherberge von Cis- tierna. An drei Orten wurde nur jeweils eine Nacht kampiert. Alle Pilger hatten damit reichlich Gelegen- heit, ihr Organisationsgeschick beim Aus- und Ein- packen sowie bei der ständigen Kontrolle der eigenen Habseligkeiten unter Beweis zu stellen. Gelegentliche „Nachsuchen“ nach verlegten oder vergessenen Aus- rüstungsstücken (Handys, Fotoapparate, Rucksäcke, Stöcke usw.) blieben nicht aus.

Ein Tanz zum Abschied. (Foto: Karl-Heinz Klein)

Der BOTAFUMEIRO in der Kathedrale von Santiago de Compostela beim feierlichen Pilgerhochamt. Das riesige Inszenzgefäß (Weihrauchfass) wird von mehreren Männern an einem langen Seil über eine sinnreiche Konstruktion von Umlenkrollen und unter vollem Orgelklang durch das Querschiff der Kathe- drale geschwenkt. Immer wieder ein bewegendes

Schauspiel für die Pilger zum Ende der Wallfahrt.

ón do Plan Xacobeo, Xunta de Galicia) de Xunta Xacobeo, Plan do ón (Foto: Archivo fotográfico de la Sociedad Anónima de Xesti de Anónima Sociedad la de fotográfico Archivo (Foto:

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A.M.I. KONFERENZ 2006 IN NAIROBI, KENIA: Stärkung christlicher Werte in den Streitkräften weltweit

VON CHRISTOPH AUER

rstmals in einem afrikanischen Land fand die Jahrestagung einer großen Wiese, unter Zelten des Apostolat Militaire International (A.M.I) statt. Anfängliche und unter freiem Himmel, zusam- EBedenken wegen der weiten Anreise der europäischen Dele- men mit der gesamten Gemein- gationen wichen aber während der Veranstaltung der Begeisterung de. über das rege religiöse Leben in Kenia. Insgesamt bildete dieser Drei- klang eine gelungene spirituelle Ein- Beginn und Einstimmung – zunächst die Parkanlage selbst, stimmung für die ganze Konferenz in feierlicher Sonntagsgottes- die Bilder und Szenen aus dem und öffnete den Delegierten Herz Edienst war als gemeinsamer Alten und Neuen Testament in und Augen gegenüber der überaus Auftakt der A.M.I Konferenz 2006 in Bildern, Mosaiken und Plastiken freundlichen, aufgeschlossenen und der kenianischen Hauptstadt Nairobi beherbergt, deren Höhepunkt die hilfsbereiten Bevölkerung. vorgesehen. Deswegen erwartete der Darstellung der Auferstehung kenianische Militärbischof Alfred K. Jesu Christi bildet; Hochkarätige Teilnehmer an der Rotich die Ankunft der AMI-Dele- – dann die Eucharistiefeier in einer Konferenz gationen aus aller Welt bis Samstag- lebendigen Gemeinde mit mehre- ie thematische Arbeit der Kon- abend. ren hundert Gläubigen, die den Dferenz wurde durch den Leiter Das Pontifikalamt in den „Re- Gottesdienst aktiv durch Tanz, der kenianischen Delegation, den surrection Gardens“, den Auferste- Gesang und Gebet mitgestalten stellvertretenden Befehlshaber der hungsgärten war dann auch ein drei- und schließlich Landstreitkräfte Generalmajor J. P. faches Erlebnis: – das gemeinsame Mittagessen auf Opiyo, maßgeblich gestaltet. Au- ßerdem erfuhr sie durch die nahezu ständige Anwesenheit des Befehls- habers der kenianischen Landstreit- kräfte, Generalleutnant Aungustino Njoroge, die zeitweise Teilnahme des Generalstabschef der kenianischen Streitkräfte, General J M Kianga so- wie des päpstlichen Nuntius in Kenia, Erzbischof Alain Paul Lebeaupin eine deutliche Wertschätzung. Bearbeitet wurden unter dem Generalthema „DIE WELTWEITE STÄRKUNG CHRISTLICHER WERTE IN DEN STREITKRÄFTEN – STRENGTHENING CHRIS- TIAN VALUES WITHIN ARMED FORCES WORLD- WIDE“ die Themenfelder: – „Der christliche Soldat und seine Familie“, – „Der christliche Soldat in einer

➣ Pontifikalamt in den resurrection gardens (v.l.n.r.: Präsident des A.M.I., Oberst i.G. Reinhard Kloss; Vertei- digungsminister, Njenga Karume; Militärbischof Alfred Rotich, Kommandeur Landstreitkräfte, Generalleutnant Aungustino Njoroge)

➣ Im angeregten Gespräch: Chef des Generalstabes General J M Kianga, Oberst i.G. Kloss, Brigadegeneral Bako (Chief Chaplain Nigeria), Militärbischof A. Rotich.

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Generalsekretär des A.M.I., OTL Michael Jedlička, Präsident A.M.I, Oberst i.G. Kloss, Generalstabschef General J M Kianga, Kommandeur Landstreitkräfte GenLt Aungustino Njoroge, Geistlicher Beirat A.M.I. Msgr. Dr. Werner Freistetter

säkularisierten Welt“ und – „Der christliche Soldat und die Anforderungen an sein Führungsverhalten“. Jedes Themenfeld wurde durch ein Impulsreferat eingeleitet, danach in Arbeitsgruppen näher betrach- tet und die Ergebnisse in Thesen zusammengefasst. Ziel ist es, diese Thesen den je- weiligen nationalen Delegationen und dem Vormarsch sind und die Streit- Christ erinnert sich an die Wir- ihren entsendenden Verbänden zur kräfte mit ihren Anforderungen an kungsgeschichte des Glaubens, der Genehmigung vorzulegen und dann die Mobilität der Familien durch Ver- Berge versetzen kann und bereits in einer gemeinsamen Erklärung zu setzungen und an die Stabilität durch Berge versetzt hat, d.h. er schöpft verabschieden. monatelange Trennung während Aus- Hoffnung, Kraft und Mut aus landseinsätzen diesen Entwicklungen der Zusage göttlichen Beistands Das neue, 2005 gewählte Exeku- Vorschub leisten, steht die afrikani- und den guten Vorbildern der tivkomitee bestehend aus dem deut- sche Sicht der Dinge entgegen. Die Vergangenheit. Manche glauben, schen Präsidenten Oberst i.G. Rein- traditionelle, patriarchalische Fami- dass es sich beim Terrain von Ehe hard Kloss mit seinen beiden Stell- lie ist der Normalfall. Die Streitkräf- und Familie um ein „verlorenes vertretern, Oberstleutnant Christoph te bieten Wohnsiedlungen an oder in Land“ handelt, das früher oder Auer und Hauptfeldwebel Andreas den Kasernen bei jeder Versetzung die später aufgegeben werden muss. Koppers sowie dem österreichischen Möglichkeit des Umzuges. Wochen- Der Christusgläubige denkt nicht Generalsekretär Oberstleutnant Mi- end-Ehen sind die große Ausnahme. so. Für ihn sind Statistiken keine chael Jedlička und seinen beiden Man fühlt sich an die Ausführung von Naturgesetze! Er gibt nicht auf, Stellvertretern Vizeleutnant Leopold Erzbischof Josef Clemens erinnert, zumal in einem Bereich, der vom Ganster und Hauptwachtmeister Mar- der bei der AMI Konferenz 2005 in Herrn selbst geordnet und geseg- kus Stromberger konnte Delegationen Vilnius ausgeführt hatte1: net ist.“ aus elf Ländern willkommen heißen: „Der gläubige Christ weiß um die Gleichwohl wird nicht verkannt, Belgien, Deutschland, Großbritan- Verantwortlichkeit, die er im Sa- dass Untreue, zumeist bedingt durch nien, Kenia, Litauen, Nigeria, Nieder- krament der Ehe auf sich genom- die Trennungsphasen bei Einsätzen, lande, Österreich, Portugal, Schweiz, men hat. Er weiß, dass Ehe und und nachfolgend HIV/AIDS ein mas- und Slowenien hatten jeweils eine Familie keine „Spielplätze“ sind, sives Problem darstellen. Hier werden Delegation entsandt. die ich heute aus „Spaß“ betre- Ehevorbereitungskurse und gesund- te und morgen aus mangelndem heitliche Aufklärung als Gegenmaß- Ergebnisse der thematischen „Spaß“ wieder verlasse. Der Christ nahmen empfohlen. Arbeit weiß um die Würde des Partners, nhaltlich wurde, ohne dem ausste- mit dem er einen wechselseitigen DIE HERAUSFORDERUNGEN Ihenden Abstimmungsprozess in den Bund eingegangen ist; er weiß AN EINEN CHRISTLICHEN SOLDATEN IN jeweiligen nationalen Vereinigungen um die Bedeutung von Treue und EINER SÄKULARISIERTEN WELT: vorgreifen zu wollen, folgende Sach- Verlässlichkeit. Er erinnert sich • Feststellungen: verhalte herausgearbeitet: dankbar der Gaben, die er selbst – Die Säkularisierung hat Europa durch Treue und Verlässlichkeit voll ergriffen und droht mit der DER CHRISTLICHE SOLDAT empfangen hat. Er weiß um die Verbreitung und Erhöhung des UND SEINE FAMILIE Wichtigkeit der kleinsten Zelle wirt schaftlichen Wohlstandes Die europäische Wahrnehmung, der menschlichen Gesellschaft. Der auch auf Afrika überzugreifen. dass sich der traditionelle Familien- 1 Bericht über die AMI-Generalversamm- – In vielen insbesondere europä- verbund zunehmend auflöst, Schei- lung 2005 in Litauen in AUFTRAG Nr. ischen Ländern herrscht eine dungen zunehmen, Alleinerziehende, 260/Dez. 2005, S. 108 ff., mit dem Bei- Trennung zwischen Staat und gleichgeschlechtliche Lebensgemein- trag von Kurienbischof Josef Clemens: Kirche. „Der Hl. Stuhl zur Tätigkeit des AMI“, S. schaften und Patchwork-Familien auf 129 ff. – Das religiöse Leben in den ein-

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– Jedenfalls ist festzustellen, dass Grafiken aus eine Weiterbildung in spiritu- dem Vortrag der eller Sicht lebenslang notwendig NL-Delegation erscheint. Hier haben die Geist- zum A.M.I.-Kon- lichen, sei es bei der Homilie, ferenzthema im Lebenskundlichen Unterricht „DIE WELTWEITE oder bei Arbeitsgemeinschaften STÄRKUNG CHRIST- eine Schlüsselrolle inne. LICHER WERTE IN – Machtmissbrauch ist mit einer DEN STREITKRÄFTEN die Selbstreflexion fördernden – STRENGTHENING Erziehung und Ausbildung zu CHRISTIAN VALUES vorzubeugen bzw. durch konkrete WITHIN ARMED Hinweise an den entsprechenden FORCES WORLD- Vorgesetzten zu begegnen. WIDE“. – Ein fehlender Blick für das We- sentliche kann ggf. durch entspre- chende Fragestellungen korrigiert aktiv unterstützen – insbesondere werden. (Was willst und was wirst bei Auslandseinsätzen. du auf deinem Sterbebett als dei- – Christliche und insbesondere ka- ne wesentlichen Leistungen in tholische Organisationen stärken diesem Leben beschreiben?) und unterstützen. – Unzureichende Bildung, fehlen de Grundwerte und Glaubensinhal te DER CHRISTLICHE SOLDAT UND können nur zum Teil bei der Poli- DIE ANFORDERUNGEN AN SEIN tischen Bildung und dem Rechts- FÜHRUNGSVERHALTEN unterricht vermittelt werden. Um die vorgegebenen militä- Praktizierende Christen sind als rischen Ziele zu erreichen, muss Vorbilder und Beispiele unver- der militärische Führer seine Unter- zichtbar. zelnen Streitkräften stellt sich gebenen anleiten und zur willigen – Einem Defizit an geistlichem Le- von Land zu Land unterschiedlich Gefolgschaft führen. Dazu benötigt ben sollte durch eine gezielte Un- dar. er einen ausgewogenen Mix aus Be- terstützung der Militärgeistlichen – Unverkennbar ist der (bedauer- fehlsbefugnis, Charisma und fach- als Freund und Ratgeber für alle liche) Trend, dass Religionsfrei- licher Professionalität. Daher braucht Soldaten begegnet werden. heit immer weniger als Freiheit der militärische Führer neben seiner – Der übermäßigen Verweltlichung verstanden wird, seinen Glauben Amtsautorität weitere Qualitäten und ist mit der Verbreitung der Er- zu praktizieren, sondern als Schutz Eigenschaften wie: Aufrichtigkeit, kenntnis zu begegnen, dass die der Un- und Andersgläubigen vor Integrität, Mut, Weitblick, Verläss- wichtigsten Werte immateriell unerwünschten religiösen Sym- lichkeit, Begeisterungsfähigkeit und sind. bolen oder Handlungen. psychische Belastbarkeit. Natürlich – Dem häufigen Spagat zwischen – Die Anzahl der Katholiken bzw. benötigt er auch Fachkenntnisse und dem Er wartungsdruck der Um- Christen sind rückläufig; wir ge- entsprechende Fertigkeiten um sich welt und den eigenen Werten raten teilweise in die Rolle von Gehör und Gefolgschaft zu verschaf- und Überzeugungen muss man Minderheiten. fen. Ein von christlichen Werten ge- sich mit einem gewissen Pragma- – Durch den fortschreitenden Pries- leiteter Führer hat aber weitere Qua- tismus stellen. Christliche Werte termangel wird diese Entwicklung litäten: Er ist bescheiden, vertrauens- zu leben erfordert, wie es schon in verstärkt. würdig, lässt sich in seinen Entschei- der Bibel steht, die Weisheit einer – Viele Christen/Katholiken in dungen, insbesondere in einem Schlange und die Unschuld einer Europa sind dies nur auf dem Dilemma von seinem Glauben leiten Taube. Papier; die Anzahl der praktizie- und zeigt einen tiefen Respekt vor der Insgesamt ist jeder Mensch täg- renden Gläubigen ist davon nur unveräußerlichen Würde eines jeden lich mehrfach gefordert angesichts ein Bruchteil. Menschen. Darüber hinaus und vor vielschichtiger Problemstellungen zu allem ist er selbstlos. entscheiden, ob er den einfachen oder • Folgerungen: Die Werte und Tugenden eines den gerechten Lösungsweg einschlägt. AMI und seine Mitgliedsorgani- christlichen Führers leiten sich vom Ein christlicher Führer hat da keine sationen müssen daher: Leben und Beispiel Jesu Christi ab. Wahl. – Missionierend und evangelisie- Daraus ergeben sich Herausfor- Da eine paradiesische Welt ohne rend wirken durch ihr eigenes derungen, die im Folgenden zusam- Waffen und ohne Gewalt eine uner- persönliches Beispiel. men mit den möglichen Maßnahmen reichbare Utopie ist, sind wir über- – Die jeweiligen Militärseelsorger schlaglichtartig dargestellt werden. zeugt, dass die anzustrebende Reali-

96 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 AMI-JKIRCHEAHRESTAGUNG UNTER SOLDATEN 2006 tät die ist, dass die Machtmittel von Politikern und Soldaten kontrolliert und eingesetzt werden, die moralisch gefestigt sind und feste Werte haben; aus unserer Sicht natürlich wo immer möglich christliche Werte.

Kenia als Tourist erleben atürlich gab es auch einen Tag, Nder Gelegenheit gab, die bezau- bernde Schönheit des Landes kennen- zulernen. Abfahrt früh um sechs Uhr, Zwischenstation an zwei Gedenkstät- ten, zunächst bei einer Kirche, in der an italienische Gefallene erinnert wird. Der italienische Pater erklärt, dass im 2. Weltkrieg hier die Verbün- deten Deutschlands versuchten, den Engländern ihre Kolonie streitig zu machen. Nach einer Kranzniederle- gung geht es dann zum benachbarten britischen Soldatenfriedhof. Auch dort wird der Gefallenen durch Kranznie- derlegungen gedacht. Bible on the ground: Dann geht es weiter zu einem Die Bibel zum Anfassen, Bene diktinerkloster und seiner Bil- Begreifen und Verstehen: dungseinrichtung: „Bible on the Die Bergpredigt als Berg ground“ In einem großen Park sind gestaltet: „Selig sind die ...“ das Alte und das Neue Testament mit Augen, Ohren und Händen zu erfas- Das Markus Evangelium in sen und zu begreifen: Die Bücher Kurzfassung. sind als Steine mit Inschriften gestal- tet, herausragende Themen sind in eintreffen, erleben sie Für- die Landschaft modelliert. Die Berg- sorge und Gastfreundschaft predigt zum Beispiel als Hügel auf pur: Die Ordensschwestern dessen Gipfel die Tafel steht: „Selig lassen es sich nicht nehmen, sind die…“ und darum herum grup- das warme Abendessen aufzutragen. freundlichen Bevölkerung paarten piert die einzelnen Verheißungen wie, sich mit konstruktiver thematischer „... die Frieden stiften“, „... die Trau- Zusammenfassung Arbeit, erhebenden Eucharistiefei- ernden“. Es ist also kein Wunder, dass alle ern und dem Erleben einer vitalen Nach dem beeindruckenden Rund- Teilnehmer von dieser Jahreskonfe- Religiosität. gang schließt sich eine Eucharistie- renz begeistert waren: Die herzliche feier mit der Gemeinde an. Auch hier Gastfreund- reißt die lebendige Gestaltung mit schaft, die per- Tanz und Gesang mit und vermittelt fekte Organi- ein sehr intensives Gemeinschaftser- sation und das lebnis – Kommunion im eigentlichen faszinierende Sinn des Wortes. Land mit seiner Dann geht es weiter zum Mount Kenya Safari Club, ein Safari-Hotel und -park unmittelbar am Äquator. Feldapotheker Die üppige Flora, die exotische Fauna Ruth Nobis und und die herrliche Landschaft mit dem OTL Andreas schnee- und eisbedeckten Gipfel des Preuß (beide Mount Kenya entschädigen für die GE-Delegation) stundenlange Anfahrt über holprige am Äquator im Straßen und Pisten. Mount Kenya Und als die Delegationen kurz Safari Club nach ein Uhr morgens in der von den (Fotos: Ch. Auer) Schwestern geführten Bildungsstätte

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50 Jahre EAS und KAS – eine ökumenische Erfolgsgeschichte „Es ist gut und tut gut, Sie an unserer Seite zu wissen!“

Jubiläumsfeier im Fliegerhorst Köln-Wahn

ie Evangelische und die Katho- Soldaten in den Einsatzländern sowie lische Arbeitsgemeinschaft für das unermüdliche Engagement in der DSoldatenbetreuung e.V. (EAS u. Familienbetreuung hervor. KAS) feierten am 23. November im Ta- Militärgeneralvikar Wakenhut gungs- und Bibliotheksgebäude des Flie- unterstrich in seiner Ansprache die gerhorstes Köln-Wahn im Rahmen eines Leistungen der beiden Arbeitsgemein- Festaktes ihr gemeinsames 50-jähriges schaften: „50 Jahre EAS und KAS Bestehen. Nach einer kurzen Andacht sind eine Erfolgsgeschichte, weil beide durch Militärdekan Ulrich Brates, Evan- Organisationen nicht vor den großen gelischer Leitender Militärdekan Mainz, Veränderungen der Streitkräfte stehen und Militärdekan Rainer Schnettker, geblieben sind. Sie waren immer auf Katholischer Leitender Militärdekan der Höhe der Zeit und haben die Zei- Köln-Wahn, begrüßte der Vorsitzende chen der Zeit verstanden. EAS und KAS der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sol- ist es gelungen, sich immer wieder auf datenbetreuung (BAS), Staatssekretär neue Herausforderungen einzustellen. a.D. Klaus-Günther Biederbick, die zahl- Ich darf Sie bitten, schreiben Sie diese reichen Gäste. Erfolgsgeschichte, die vor 50 Jahren Der Bundesminister der Verteidi- mit einem Clubhaus in Andernach be- gung Dr. Franz Josef Jung lobte in seiner gonnen hat und heute in einer Oase in Festansprache das hohe Engagement der Kabul in Afghanistan und hoffentlich hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mit- auch bald in Mazar-e-Sharif angekom- arbeiter und sagte: „Soldatenbetreuung in men ist, zum Wohle der Soldatinnen und einem umfassenden Sinn ist eine wichtige, Soldaten der Bundeswehr und ihrer Fa- ich denke unverzichtbare Aufgabe. Sie um- milienangehörigen und nicht weniger fasst einfach mehr als das, was die Bun- der Militärseelsorge weiter!“ deswehr im Rahmen der dienstlichen Be- Vizeadmiral Kühn bekannte stell- treuung selbst leisten kann. EAS und KAS vertretend für die Nutznießer der Be- haben seit 50 Jahren einen wichtigen Bei- tre u ungsangebote, d.h. vor allem für trag auch zur Verankerung unserer Streit- die Soldaten und ihre Angehörigen: kräfte in der Gesellschaft geleistet.“ Die „Es ist gut und tut gut, Sie an unserer Folgerung des Ministers: „Wir arbeiten mit Seite zu wissen!“ Hochdruck an einem neuen Betreuungs- Für die musikalische Umrahmung konzept, um den neuen Herausforderungen des Festaktes sorgte das Bläserquintett an die Soldaten gerecht zu werden. Aber des Heeresmusikkorps 7 aus Düssel- wir sind auch in Zukunft auf die Unter- dorf. (Jörg Hilgert, KAS) stützung von EAS und KAS angewiesen.“ Die weiteren Festredner Reinhold Fotos v.o.n.u: Robbe, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundesminister der Verteidigung, Bundestages, Peter Krug, Evangelischer Dr. Franz-Josef Jung; Militärbischof, Prälat Walter Wakenhut, Der Wehrbeauftragte des Deutschen Katholischer Militärgeneralvikar und Vi- Bundestages, Reinhold Robbe; zeadmiral Wolfram Kühn, Stellvertreter Peter Krug, Evangelischer Militärbi- des Generalinspekteurs der Bundeswehr, schof; hoben in ihren Grußworten immer wie- Prälat Walter Wakenhut, der die hohe Flexibilität der Arbeitsge- Katholischer Militärgeneralvikar. meinschaften im Rahmen der deutschen (Fotos: Otto Winkelhag, KAS) Wiedervereinigung, bei der Betreuung der

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MILITÄRSEELSORGE IN DEN US-STREITKRÄFTEN: nisiert die Militärdiözese inzwischen verstärkt Glaubenskurse für jüngere Im US-Militär tun sich bisher unbekannte Soldaten. Wie das College-Programm „Nachfolge“ für Studenten bildet „Glaubens-Fronten“ auf das Programm „Katholiken suchen Christus“ jüngere Soldaten in Bibel- nnerhalb der US-Streitkräfte Zuspruch suchen, sind sie leicht an- und Sakramentenkunde aus, die als machen Insider bislang kaum sprechbar, erst recht, wenn Seelsorger „Peers“ (Gruppenführer) in der Trup- Ibemerkte „Fronten“ und regel- der eigenen Konfession fehlen. Als pe als Ansprechpartner dienen sollen. rechte „Glaubenskämpfe“ zwischen weiterer Vorteil für die evangelikalen Bisher wurden 100 „Peers“ geschult. den christlichen Kirchen um die reli- Militärgeistlichen erweist sich, dass Demnächst soll diese Ausbildung giöse Betreuung der Soldaten aus. Da sie meist im gleichen Alter wie die auch bei den in Deutschland statio- die katholische Kirche und die großen Soldaten stehen. . nierten US-Soldaten erfolgen. protestantischen Kirchen das Kontin- Die ersten „Peers“, als „SQ-Grup- gent ihrer Militärseelsorger – mangels „Peers“ als Ansprechpartner pen“ bekannt (SQ steht für „Spritual Bewerbern – nicht ausfüllen, stoßen In einer Analyse zur katholischen Question“ – Spirituelle Fragen), sind Freikirchen mit teilweise aggressiven Militärseelsorge führt Militär-Erzbi- seit gut einem Jahr im Einsatz. Mit ih- Methoden in die Lücke. schof Edwin F. O’Brien als Gründe ren religiösen und oft auch sehr per- Auf ungewöhnliche Weise haben für den Erfolg der Evangelikalen sönlichen Fragen wenden sich junge jüngst die Streitkräfte selbst nach ka- auch an, dass seiner Kirche traditi- Soldaten erfahrungsgemäß eher an die tholischen Geistlichen gesucht – un- onell Vorurteile wegen ihrer Papst- „Peers“ als an die doch meist älteren ter anderem mit zwei ganzseitigen treue und Morallehre entgegenge- Militärpfarrer. Im Irak, so Erzbischof Werbeanzeigen in der katholischen bracht würden. Leichtes Spiel habe O’Brien, fänden die SQ-Gruppen Monatszeitschrift „The Priest“ (Ok- die Konkurrenz aber auch, weil viele großen Zuspruch: „Unter den wenigen tober). Eine Annonce der Navy zeigte katholische GIs große Unkenntnis des guten Nachrichten (aus dem Irak) ist eine Informationstafel vor einer idyl- eigenen Glaubens hätten. Daher orga- das die beste!“ (KNA) lischen Neuengland-Kirche mit der Aufschrift: „Nächster Sonntagsgot- tesdienst auf dem US-Kriegsschiff PERSONALIA: Truman vor der Südküste Hawais“. Franz Kamphaus, seit 1982 Bischof von Limburg, tritt mit Errei- In der zweiten Anzeige suchte die Air chen der für Bischöfe geltenden Altersgrenze Anfang kommenden Jahres Force Seelsorger, allerdings mit der in den Ruhestand. Der Papst werde das Rücktrittsgesuch von Kamphaus für katholische Ohren fragwürdigen zu dessen 75. Geburtstag am 2. Februar 2007 annehmen, kündigte das Begründung: „Wir können unseren Bistum an. eigenen Nachwuchs nicht klonen.“ Derzeit fehlt an 18 Kasernen der Luft- Elisabeth Bußmann (56), Leiterin der Heimvolkshochschule waffe ein katholischer Militärpfarrer. „Gottfried Könzgen“ und des angegliederten Familienpädagogischen Katholische und protestantische Instituts der Katholischen Arbeitnehmerbewegung in Haltern, bleibt für Militärseelsorger sind, wie jüngst ei- weitere vier Jahre Präsidentin des Familienbundes der Katholiken. In ner Statistik zu entnehmen war, im das neue Amt einer zweiten Stellvertreterin wurde die frühere bayerische US-Militär unterrepräsentiert. Bei Familienministerin Barbara Stamm (61) gewählt. E. Bußmann ist seit den etablierten Kirchen fehlt es an 2002 Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Organisationen freiwilligen Bewerbern für diese Auf- Deutschlands (AGKOD), welche eine der Säulen des Zentralkomitees der gabe. Während 27 Prozent der GIs deutschen Katholiken (ZdK) ist. Die GKS ist Mitglied der AGKOD und Katholiken sind, stellen katholische entsendet über diese einen Delegierten in die Mitgliederversammlung Geistliche lediglich 7 Prozent der des ZdK: zz. Oberst a.D. Karl Jürgen Klein. Mitglieder im Korps der Militärseel- sorger; ähnlich der Anteil bei den Lu- Reinhard Führer leitet weiter Kriegsgräberfürsorge Berlin (KNA) theranern oder der Episkopalkirche Reinhard Führer (60), früherer Präsident des Berliner Abgeordneten- (Anglikaner). Demgegenüber sind hauses, bleibt Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgrä- evangelikale Geistliche etwa von den berfürsorge. In Berlin wurde der CDU-Politiker nach Angaben der Pfingstkirchen, den „Southern Bap- Organisation am 04.11. für weitere vier Jahre in dem Amt bestätigt. Der tists“ oder der Freikirche „Assembly Volksbund ist ein gemeinnütziger Verein mit nach eigenen Angaben rund of God“ überrepräsentiert und äußerst 200.000 Mitgliedern und mehr als einer Million Förderern. Im Auftrag aktiv – auch in der Ansprache katho- der Bundesregierung pflegt er die Gräber der deutschen Kriegstoten lischer und protestantischer Soldaten. beider Weltkriege. Arbeitsschwerpunkt sind derzeit die Nachfolge- Da diese wie viele ihrer Kameraden staaten der ehemaligen Sowjetunion. Insgesamt betreut der Volksbund vor allem unter den lebensbedroh- 827 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten. Zudem fördert er internationale lichen Verhältnissen bei militärischen Jugendbegegnungen. (PS/KNA) US-Interventionen nach Halt und

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 99 CHRISTLICHES ZEUGNIS Christenverfolgung heute AUFTRAG hat wiederholt über die Verfolgungen von Christen in der Gegenwart berichtet (so z.B. jüngst in den Heften Nr. 261/JMärz 2006, S. 77, und Nr. 263/September 2006, S. 31). Hier folgt ein Beitrag des Bonner Politikwissenschaftlers Dr. Andreas Püttmann, den die katholische Hilfsorga- nisation „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe Deutschland e.V.“ freundlicherweise für den Nachdruck zur Verfügung gestellt hat. In zehn Thesen fasst der Autor eindrucks- voll zusammen, warum es immer Christenverfolgung geben wird, was christliche Märtyrer von muslimischen Fanatikern unterschei- det und warum der Westen heute Christen mit Bekennermut braucht. Der Text basiert auf einem Vortrag, den der Verfasser beim diesjährigen Kongress „Freude am Glauben“ des Forums Deutscher Katholiken in Fulda gehalten hat. „Mein Glaube war nicht käuflich“ – Zehn Thesen zur Christenverfolgung

VON ANDREAS PÜTTMANN

Jesu Leben als Urbild von Matthäus (10,16ff) warnt Jesus die Welt, die heute in den Massenmedien 1.Verfolgung und Martyrium Seinen: „Seht, ich sende euch wie ein privilegiertes Sprachrohr finden, Verfolgung und Martyrium um Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt ihr applaudierten“. Anders gesagt: des Glaubens willen gehören von der euch vor den Menschen in acht! Sie eine Kirche, an der man sich nicht Geburtsstunde des Christentums an werden euch vor die Gerichte bringen mehr reibt, die in der säkularen Öf- zu seinen Grunddimensionen. Jesus und in ihren Synagogen auspeitschen. fentlichkeit nicht mehr aneckt, muss selbst war ein Verfolgter, und zwar Ihr werdet um meinetwillen vor Statt- sich fragen, was sie falsch gemacht seit frühester Kindheit, als Herodes‘ halter und Könige geführt, damit ihr hat. Das Idealbild des Bischofs ist Häscher Maria und Josef zur Flucht vor ihnen und den Heiden Zeugnis insofern nicht der populäre Bürger- nach Ägypten ins Exil trieben. In sei- ablegt“. Ähnlich heißt es bei Lukas meister-Typ, sondern der verpönte ner Heimat Nazareth provoziert der (21,12): „Man wird euch festnehmen Störenfried des bequemen Konsenses Gottessohn gefährliche Empörung: und euch verfolgen. Man wird euch und der moralischen Abstumpfung. „Sie sprangen auf und trieben Jesus um meines Namens willen den Ge- Ich brauche ja wohl keine Namen zu zur Stadt hinaus; sie brachten ihn richten der Synagogen übergeben, nennen. an den Abhang des Berges (...) und ins Gefängnis werfen und vor Könige wollten ihn hinabstürzen“ (Lk 4,29). und Statthalter bringen.“ So geschah Die theologische Dimen- Jesu unerschrockene, manchmal auch es. Petrus und die Apostel aber, vor 3.sion der Verfolgung anprangernde Reden rufen insbeson- den Hohen Rat zitiert, sprechen un- Jesus verspricht: „Selig seid ihr, dere beim religiösen Establishment erschrocken „die Grundformel der wenn ihr um meinetwillen beschimpft Widerspruch und Wut hervor und christlichen Freiheit des Individuums“ und verfolgt und auf alle mögliche schließlich - begünstigt durch Verrat aus: „Man muss Gott mehr gehorchen Weise verleumdet werdet. Freut euch in den eigenen Reihen - eine tödliche als den Menschen“ (Apg 5,29). und jubelt: Euer Lohn im Himmel Gegenreaktion: Die Hohenpriester Joaquín Alliende, geistlicher wird groß sein“ (Mt 5,11f). Denn: suchen und finden eine Möglichkeit, Leiter von „Kirche in Not“, erinnerte „Wer sich nun vor den Menschen zu „Jesus mit List in ihre Gewalt zu brin- jüngst daran, dass die Bedrängnis bi- mir bekennt, zu dem werde auch ich gen, um ihn zu töten“ (Mk 14,1). Je- blisch-historisch nicht als Ausnahme, mich vor meinem Vater im Himmel sus Christus ist gleichsam das Urbild sondern als Normalfall christlicher bekennen“ (Mt 10,32). Dort wird man des christlichen Märtyrers. Existenz zu betrachten ist: „Der Teu- die Blutzeugen zu jenen zählen, die fel existiert und kämpft unermüdlich nach der Offenbarung des Johannes Bedrängnis als Normalfall weiter gegen Christus und die Seinen. (7, 14-17) vor dem Thron Gottes ste- 2.christlicher Weltexistenz (...) Wenn die Kirche ihrem Bräuti- hen: „Es sind die, die aus der großen Im Johannesevangelium (15,20) gam Jesus treu bleibt, dann ist es Bedrängnis kommen. Sie haben ihre sagt Jesus seinen Jüngern voraus: nicht verwunderlich, dass sie verfolgt Gewänder gewaschen und im Blut des „Der Sklave ist nicht größer als sein wird. Überraschender und besorgnis- Lammes weiß gemacht. (...) Sie wer- Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, erregender wäre es, wenn sie nicht den keinen Hunger und keinen Durst werden sie auch euch verfolgen“. Bei verfolgt würde und die Mächtigen der mehr leiden, (...) und Gott wird alle

100 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 CHRISTENVERFOLGUNG

Tränen von ihren Augen abwischen“. in Fülle eröffnen. Und denjenigen, manifestieren, nämlich indem Chris- Im Einklang mit diesen Verhei- deren Glaube lau geworden ist, wer- ten ihrer Unterdrückung nicht wü- ßungen nannte Pater Werenfried van den die Verfolgten zur lebendigen Ka- tend, verbittert und zähneknirschend Straaten die verfolgten Christen „die techese „dafür, dass Christsein mehr widerstehen, sondern hoffnungsfroh, Elite der Kirche (...). Das Leiden der bedeutet, als auf Erden anständig zu maßvoll und vernünftig argumen- Märtyrer kommt allen zugute. Daher leben. Sie sagen uns mit ihrer Exis- tierend. Jesus ließ sich vom Knecht ist es eine hohe Auszeichnung, um tenz, dass der Glaube eine Sache auf des Hohenpriesters nicht einfach des Namens Jesu willen Schmach Leben und Tod ist“. schlagen, schlug aber auch nicht zu- zu leiden, mit dem leidenden Herrn Dennoch sucht der Christ nicht rück, sondern stellte seinen Peiniger verbunden zu sein und an seinem das Martyrium so wie es manche mus- zur Rede: „Wenn es nicht recht war, Erlösungswerk teilzunehmen“. Auch limischen Fanatiker heute blutrünstig was ich gesagt habe, dann weise es Jesus erlöste uns nicht durch Worte demonstrieren - und schon gar nicht nach; wenn es aber recht war, warum und Handlungen, sondern durch sein auf Kosten anderer. Der christli- schlägst du mich?“ (Joh, 18,23). Leiden, betonte Papst Benedikt XVI. che Märtyrer ist das Gegenteil des jüngst in einem Brief an einen schwer Selbstmordattentäters, der aus Hass Tugenden gläubigen kranken Bischof, der mutig jahr- tötet und stirbt und Unschuldige mit 5.Widerstehens unter zehntelanger Anfeindung trotzte, und in den Tod reißt. Das christliche Mar- Verfolgung fuhr fort: „Wenn der Herr Dich nun tyrium ist der Extremfall der Liebe. Schon in römischer Zeit warnten gleichsam mit auf den Ölberg nimmt, „Es gibt keine größere Liebe, als wenn Bischöfe die Gläubigen davor, sich dann sollst Du doch wissen, dass Du einer sein Leben für seine Freunde von vornherein und auf eigene Faust gerade so ganz tief von seiner Liebe hingibt“ (Joh 15,12-13). Paulus be- nach dem Martyrium zu drängen und umfangen bist und im Annehmen tont im Ersten Korintherbrief: „Wenn dafür den Willen Gottes in Anspruch Deiner Leiden ergänzen helfen darfst, ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, zu nehmen. Der menschlichen Schwä- was an den Leiden Christi noch fehlt“. hätte aber die Liebe nicht, nützte es che wegen wäre es unklug, und wegen Auch alle verfolgten Christen ergän- mir nichts“ (1 Kor 13,3). Ein christ- des Wertes jedes Menschenlebens un- zen – gemäß dem tiefgründigen Pau- liches Martyrium ist zunächst der moralisch, sich leichtfertig oder mut- luswort (Kol 1, 24) – in ihrem Leib, höchste Liebesbeweis gegenüber Gott, willig in eine existenzgefährdende Si- „was an den Leiden Christi noch man- kann aber auch aus Nächstenliebe tuation zu bringen. Die meisten Mär- gelt“. Und wo sie lebensbedrohliche erwachsen. Pater Maximilian Kolbe tyrer hatten durchaus eine gesunde Aggressionen erleiden, die Schiller sollte nicht Gott, der Kirche oder Angst vor einem Schicksal, dass die in den Satz goß: „Gewalt ist für den seinem Glauben abschwören. Er gab menschlichen Kräfte im Normalfall Schwachen jederzeit ein Riese“ (Don sein Leben freiwillig für einen Famili- übersteigt. Etliche fielen im letzten Carlos), da mag sie Jesu Wort stärken: envater, der erschossen werden sollte. Moment ab. Tugendethisch gespro- „Fürchtet Euch nicht vor denen, die Er hatte das Martyrium nicht gesucht, chen, bedarf die Tapferkeit im Zeug- den Leib töten, aber darüber hinaus war aber von Gott offensichtlich gut nisgeben daher der anderen Kardinal- nichts weiter zu tun vermögen“ (Lk genug darauf vorbereitet worden. Das tugenden Klugheit, Gerechtigkeit und 12,5). Martyrium ist kein reines Menschen- Mäßigung, um nicht in Tollkühnheit werk, sondern der Gnade Gottes zu- umzuschlagen. „Seid daher klug wie Christenverfolgung und zuschreiben: Im Philipperbrief (1,29) die Schlangen und arglos wie die Tau- 4.Nächstenliebe betont Paulus: „Denn euch wurde die ben!“, mahnt der Herr (Mt 10, 16). Christliches Widerstehen im Gnade zuteil, für Christus dazusein, Zu dieser Klugheit gehört auch Glauben bis hin zum Opfer des also nicht nur an ihn zu glauben, son- eine nüchterne Kalkulation der Kräf- Lebens stellt auch eine Form des dern auch seinetwegen zu leiden“. teverhältnisse und ein gewissenhaftes Dienstes am Nächsten und am Ge- Fast übermenschlich ist auch die Abwägen aller Folgen. In den christ- meinwohl dar: Es lenkt den Blick der Liebe, die Jesus den verfolgten Chris- lichen Lehren vom gerechtfertigten Mitmenschen auf die letzte Wahrheit ten im Verhältnis zu ihren Peinigern Widerstand gegen ungerechte Staats- und eine letzte Realität. Es ist ein predigt und vorlebt: „Ich aber sage gewalt werden strenge Bedingungen Zeichen der Absolutheit Gottes und euch: Liebt eure Feinde und betet an den Einsatz von Waffengewalt ge- damit eine notwendige Antwort auf für die, die euch verfolgen, damit ihr stellt: Neben dem sicheren Wissen den Relativismus. Die von der Kir- Söhne eures Vaters im Himmel wer- um eine schwerwiegende und andau- che mit Sorgfalt zusammengetragenen det“ (Mt, 5,44). So haben die Märty- ernde Verletzung von Grundrechten Akten der Märtyrer bilden - so der rer der Kirche im Sterben ihren Mör- (1.) sind dies die Ausschöpfung aller Weltkatechismus (Ziff. 2474) - „die dern verziehen. In Stephanus‘ Gebet: anderen Hilfsmittel (2.), die Vermei- mit Blut geschriebenen Archive der „Herr, rechne ihnen dies Sünde nicht dung noch schlimmerer Unordnung Wahrheit“. Schon Tertullian bezeich- an!“ (Apg 7,60) hallt Jesu Bitte auf als Folge (3.), die Aussicht auf Erfolg net das Martyrium als „den Samen für Golgatha wider: „Vater, vergib ihnen, (4.) und der Mangel an vernünftigen neue Christen“, durch den die stand- denn sie wissen nicht, was sie tun“ Alternativen (5.). Wo Christen heute haften Bekenner anderen den Weg zur (Lk 23,34). Die Feindesliebe soll sich unterdrückt werden, fehlt es einem Wahrheit und damit zu einem Leben aber schon weit vor dem Martyrium bewaffneten Widerstand fast immer

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 101 CHRISTLICHES ZEUGNIS

an der Aussicht auf Erfolg, da Verfol- mordet, Millionen andere drangsaliert mutigung, durch einen Bissen Brot, gung typischerweise in einer Minder- und diskriminiert. Die Landkarte der durch Öl und Wein in den klaffen- heitssituation droht, die militärische Unterdrückung und Verfolgung um- den Wunden ... diesen hohen Dienst Unterlegenheit einschließt. Der Re- fasst über 40 Staaten insbesondere der Liebe fortzusetzen ist eure Eh- gelfall christlicher Antwort auf Unter- Nordafrikas, des Orients und Südo- renschuld gegenüber der verfolgten drückung der Religionsfreiheit oder stasiens, darunter die aufstrebende Kirche, die Christus ist. All eure Ga- Verbrechen gegen die Menschlichkeit Weltmacht China und die größte De- ben für die verfolgten Brüder gelan- muss daher ein geistiger Widerstand mokratie der Welt, Indien. Seit dem gen mit unfehlbarer Sicherheit in die sein: Bekundung weltanschaulicher Zusammenbruch des kommunisti- Hände Jesu, der ausdrücklich erklärt Distanz, verweigerte Mitwirkung, Hil- schen Imperiums dominiert dabei hat: ,Was ihr den geringsten meiner fe für die Opfer, Gebet für Verfolgte eine andere Gefahr für die Freiheit Brüder getan habt, das habt ihr mir und Verfolger. Das Opfer des Lebens der Kirche und das Leben ihrer Gläu- getan‘“ . Die verfolgten Christen ha- bleibt demgegenüber nur Extremfall. bigen: Der islamische Fundamentalis- ben gleichsam doppelte Priorität: als Christen können dazu beitragen, mus, Integralismus und islamistische Notleidende und als Glaubensbrüder. Unrechts- und Verfolgungssituatio- Terrorismus. Paulus fordert im Galaterbrief (6,10): nen erst gar nicht entstehen zu las- Der Bonner Journalist Reinhard „Deshalb wollen wir, solange wir noch sen, indem sie, sofern oder solange Backes hat 2005 in seinem Buch: Zeit haben, allen Brüdern Gutes tun, es in einer Gesellschaft möglich ist, „Sie werden euch hassen - Christen- besonders aber denen, die mit uns im ihren Glauben missionarisch leben verfolgung heute“ einen sehr guten Glauben verbunden sind“. Ich erin- und Führungsaufgaben in verschie- Überblick über die Situation der nere mich dankbar daran, dass meine densten Bereichen des Gemeinwe- unterdrückten Kirchen unter dem Eltern schon uns Kinder Nachtgebete sens übernehmen, damit der Wider- Halbmond, unter Hammer und Sichel lehrten, in denen „die Menschen, die standsfall, in dem es Gott zu geben sowie im Spannungsfeld der Interes- um ihres Glaubens willen verfolgt gilt, was Gottes ist (vgl. Mt 22, 15-22), sen gegeben und dabei politische werden“, einen festen Platz hatten. gar nicht erst eintritt. Der Publizist und religiös-kulturelle Analysen mit Im Ersten Korintherbrief heißt Johannes Gross warnte einmal vor aufschlussreichen Einzelfallschilde- es: „Wenn darum ein Glied lei- einem „katakombensüchtigen Chris- rungen verbunden. Die ARD sendete det, leiden alle Glieder mit“ (1 Kor tentum“, welches aus dem Missstand vor wenigen Wochen einen erschüt- 12,26) - auch und gerade im Leib einer schrumpfenden Kirche das Ide- ternden Bericht über Christenver- Christi. Aber wie sieht die Realität al einer „kleinen, aber feinen“ Kon- folgungen in Palästina, Ägypten und aus? Die Solidarisierung mit den trastgesellschaft konstruiere, die den Indonesien, wobei alltägliche Ge- weltweit unter kommunistischer Dik- „Staat des Grundgesetzes als Angebot walterfahrungen, die kaum Schlagzei- tatur verfolgten Christen war in den und Aufgabe“ voreilig defätistisch len machen, im Vordergrund standen westlichen Wohlstandsgesellschaften nichtchristlichen Kräften überlasse. - von Grabschändungen über Steine- und Kirchen teilweise eigentümlich Bekenntnisfaulheit und Bekenntnis- werfereien bis hin zu Straßenkämp- lau. Anklagen gegen die Machtha- feigheit, Bekenntnisunwilligkeit und fen und Morden. Im Heiligen Land ber etwa in der Tschechoslowakei, Bekenntnisunfähigkeit führen lang- habe sich die Minderheitensituation Rumänien oder der DDR störten die fristig in eine Minderheitenposition, der Kirche unter dem feindseligen „Entspannungspolitik“. Fürbittgebet, in der die Glaubensfreiheit leichter Klima eines aggressiven Islamismus Hilfsaktionen, Demonstrationen oder in Gefahr gerät, zunächst faktisch ge- immer weiter verschärft; früher be- politische Initiativen wurden nur von sellschaftlich, später auch rechtlich. kannte sich hier jeder Fünfte, heute engagierten Minderheiten getragen. Je mehr Mitglieder mit Zivilcourage nur noch jeder Fünfzigste Bewohner Unter den Helfern für die Brüder die Kirche heute hat, desto weniger zum christlichen Glauben. hinter dem Eisernen Vorhang waren Helden wird sie morgen brauchen. konservative Christen stärker präsent Die Solidarität mit den als die so genannten fortschrittlichen Christenverfolgungen der 7.verfolgten Brüdern und bzw. liberalen Kräfte. Diese hofierten 6.Gegenwart Schwestern lieber marxistisch inspirierte Befrei- Ausgerechnet das 20. Jh., das „In allen Zeiten ihrer Geschichte ungstheologen, sogar wenn sie sich, mit dem Anspruch von Humanismus, hat die Kirche jene, die, für den Na- wie etwa in Nicaragua, zu Handlan- Menschenrechten und Demokratie men Christi‘ leiden, mit außerordent- gern linksautoritärer Regimes machen angetreten war, brachte ideologische licher Aufmerksamkeit, großer Sorge ließen. Die unter dem realen Marxis- Bewegungen hervor, welche die Glau- und besonderer Liebe umgeben“, be- mus leidenden Christen gleich hinter bensfreiheit teilweise bis vollständig tonte Papst Johannes Paul II. im Au- der Grenze konnten dagegen keine abschafften und die umfangreichsten gust 1983 in Lourdes. Biblische Vor- breite Aufmerksamkeit auf sich zie- Christenverfolgungen seit Neros und bilder bleiben die weinenden Frauen hen. Diese Geschichte ideologisch Diokletians Zeiten organisierten. Zig- von Jerusalem, Veronika, Simon von bedingten Versagens bedarf noch der tausende Geistliche und christliche Cyrene und Maria. Pater Werenfried historisch-moralischen Aufarbeitung. Laien verschwanden in Gulags und ermahnt uns: „Diesen Dienst des Aber auch in der Gegenwart lassen KZ‘s, wurden misshandelt und er- Mitleidens durch einen Blick der Er- emotionale Betroffenheit und Hilfe

102 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 Christenverfolgung

für die verfolgten Christen in weiten Christen als Verfolger. Nach der ihre Geistlichen in eigenen Institutio- Teilen unserer Kirche zu wünschen eigenen Leiderfahrung durch eine nen auszubilden; das Recht religiöser übrig. etwa 300 Jahre lange Bedrängnis im Gemeinschaften auf Gottesdienst in Das Hilfswerk Kirche in Römischen Imperium mit rund zehn respektierten Gebäuden; das Recht 8.Not Wellen grausamer Verfolgung - dem auf offenen Austausch religiöser Infor- Hauptakteur der Hilfe für ver- „Heldenzeitalter der Kirche“ - erla- mation und den Erwerb von Schriften; folgte Christen ist bis heute das 1947 gen Christen später der Versuchung, das Recht zu religiösen Zwecken durch Pater Werenfried van Straaten dort, wo sie die Macht hatten, selbst Medien einzurichten und zu anderen gegründete internationale katholische religiös unduldsam zu werden und Medien Zugang zu haben; das Recht Hilfswerk „Kirche in Not“ mit 17 Andersgläubige oder Glaubensab- sich ungehindert zu versammeln, ein- nationalen Sektionen und 600.000 weichler zu drangsalieren, zu ver- schließlich Pilgerfahrten im In- und Spendern, das in mehr als 130 Län- treiben oder umzubringen. Düstere Ausland; das Recht auf Gleichbe- dern der verfolgten, bedrängten oder Kapitel hierbei sind etwa die Koloni- handlung ohne Diskriminierung in armen Kirche hilft. Es verleiht der alisierung der „Neuen Welt“, die kon- wirtschaftlicher, gesellschaftlicher Not leidenden Kirche weltweit eine fessionellen Kriege des 16. und 17. oder kultureller Hinsicht; das Recht Stimme, wirbt um fürbittendes Gebet Jahrhunderts und der Antijudaismus, jeder religiösen Gemeinschaft, sich und sammelte insgesamt schon rund wobei sich politische, ökonomische nach eigenem Gutdünken zu organi- drei Milliarden sieren“. Euro für pastorale Projekte. Schon „Kirche in Not“ heißt nicht mehr „Ostpriesterhilfe“ Wach- die Tatsache, dass as katholische Hilfswerk „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“ verändert 10.sende das Werk 2005 Dseinen Namen. Der Zusatz „Ostpriesterhilfe“ entfällt, „um Missver- „Christiano- mit 74,4 Millionen ständnisse zu vermeiden“, wie die Organisation Anfang November in Mün- phobie“ im Euro Spendengel- chen mitteilte. Stattdessen firmiert „Kirche in Not“ künftig als „weltweites entchristlichten dern das zweit- Hilfswerk Päpstlichen Rechts“. Das Werk feiert im kommenden Jahr sein Abendland? höchste Ergebnis 60-jähriges Bestehen. Auch in den seiner Geschichte Der niederländische Prämonstratenserpater Werenfried van Straaten „freien“ Gesell- erreichte, zeigt, gründete „Kirche in Not“ 1947, um Heimatvertriebenen aus den deut- schaften des dass auch nach schen Ostgebieten zu helfen. Weil die Hilfsgüter meist über Priester weiter- Westens mit ihrer dem Zusammen- gereicht wurden, führte das Werk zunächst den Namen „Ostpriesterhilfe“. garantierten Reli- bruch des Ost- Die Organisation ist inzwischen in 140 Ländern aktiv und hilft nach eige- gionsfreiheit gibt blocks keine Mo- nen Angaben der katholischen Kirche überall dort, wo diese unterdrückt es subtile Formen tivationskrise der wird oder zu wenig Mittel für die Seelsorge hat. (KNA) des Kampfes ge- Spenderklientel gen Christen und und leider auch Kirche. Papst Jo- keine Aufgabenverminderung festzu- und religiöse Motive unentwirrbar hannes Paul II. forderte deshalb 1983 stellen war. In Deutschland bringen vermischten. Jedenfalls gaben Chris- in Lourdes, neben Tod, Gefängnis, rund 55.000 Spender jährlich etwa ten ein schlechtes Beispiel, welches Deportation und Verbannung „raffi- 12,5 Millionen für das Hilfswerk auf. die Glaubwürdigkeit der Kirche bis niertere Strafen“ nicht zu übersehen, 1999 empfahl „Kirche in Not“ heute belastet, obwohl sie sich, etwa etwa soziale Diskriminierung oder die Wiedereinführung des jährlichen durch die Schulderklärungen im Hei- subtile Freiheitseinschränkungen, „Gebetstages für die verfolgte Kirche“, ligen Jahr 2000, den Verbrechen im die „eine Art zivilen Todes“ bedeu- zu welchem die katholischen deut- Namen Jesu längst selbstkritisch ge- ten können; „auch ein materialis- schen Bischöfe bis zum Jahr 1994 stellt hat. tisches oder religiös gleichgültiges aufgerufen hatten. Aktuelle Berichte Heute tritt die Kirche überzeu- Klima, das alle geistigen Bestrebun- aus Indien, dem Sudan, Pakistan, gend für die Religionsfreiheit ein gen erstickt“, könne den Gläubigen China und vielen anderen Ländern und nimmt sie für sich in Anspruch. viel Mut abverlangen, „einen klaren hätten gezeigt, wie aktuell und wich- Auf einer Nachfolgekonferenz zur Blick zu bewahren, treu zu bleiben tig internationale Solidarität für die Schlussakte von Helsinki hat der und ihre Freiheit gut zu gebrauchen. bedrängten Christen weiterhin sei. Vatikan 1988 zehn Rechte genannt, Auch für sie muss man beten. Fürch- Dieser Initiative wurde bisher nicht die ein Staat respektieren und ver- tet euch - sagt Jesus - vor denen, die entsprochen. teidigen muss: Das Recht der Eltern, die Seele ins Verderben stürzen kön- ihren Kindern einen Glauben zu ver- nen (vgl. Mt 10,28)“. Der amerika- Christen als Verfolger – mitteln; die Respektierung religiöser nisch-jüdische Rechtsgelehrte Joseph 9.­und als Verteidiger der Überzeugungen im weltlichen Erzie- Weiler spricht angesichts der Verhin- Religionsfreiheit hungswesen; das Recht einer Person derung einer Anrufung Gottes im Größere Aufmerksamkeit als auf individuelle oder in Gruppen Entwurf für eine europäische Verfas- verfolgte Christen fanden in der Me- organisierte religiöse Erziehung; das sung und der gescheiterten Berufung dienöffentlichkeit jahrzehntelang Recht jeder religiösen Gemeinschaft, Fortsetzung auf S. 104 u.

AUFTRAG 264 • Dezember 2006 103 Christliches Zeugnis

Internationaler Kongress Renovabis 2006: „Lebensform Familie – Zukunftsfrage für Europa“

von Heinrich Dorndorf

ebensform Familie – Zu- Schick. Große Beachtung fand das für die Kirche, so der Kardinal, denn kunftsfrage für Europa“ Grußwort von Papst Benedikt XVI, hier finde die erste Unterweisung der „Llautete das Thema des dies- indem es u.a. heißt: „Die Familie ist Kinder im Glauben statt. Hilfe durch jährigen Internationalen Kongresses nach göttlichem Plan der bevorzugte Renovabis erfahren Kinder in Kalini- Renovabis in Freising auf dem Dom- Ort, an dem der Mensch lernt, Liebe grad, Nowosibirsk, die Familienzent- berg vom 31. August bis 2. September zu empfangen und zu schenken. Väter ren in Litauen, sowie Straßenkinder 2006, wenige Tage vor dem Besuch und Mütter, verbunden und gestärkt in der Ukraine und Rumänien. von Papst Benedikt XVI. Etwa 300 durch das Sakrament der Ehe, kön- In den sogenannten „Schlaglich- Teilnehmer aus 24 Ländern, vorwie- nen ihre Kinder am besten zu reifen tern“ nahmen Vertreter aus Litauen, gend aus Osteuropa, informierten, Persönlichkeiten erziehen und zur Russland und der Ukraine Stellung diskutierten zu o.a. Thema. verantwortlichen Wahrnehmung ihrer zu Problemen hinsichtlich Kinder In den verschiedenen Grußbot­ moralischen und sozialen Pflichten, und Familie in ihren Ländern. Die schaften von deutschen, ausländi­ sowie zu einer tragenden Gottesbezie- Familie habe dort zwar einen hohen schen Bischöfen, der Bundeskanzle- hung führen.“ Stellenwert, doch nähmen Eheschei- rin und einigen Ministerpräsidenten Nach der Begrüßung der Teilneh- dungen und Schwangerschaftsabbrü- der Bundesrepublik Deutschland zu mer durch den Hauptgeschäftführer che gerade nach der Wende immer diesem Kongress wurde immer wie- von Renovabis, Pater Dietger Demuth mehr zu. Viele Familien lebten quasi der die Familie als tragende Säule, CSsR, wurde der Kongress durch den ohne Väter, denn wenn kein Vater als Keimzelle der Kirche, des Staa- Berliner Erzbischof Georg Kardinal gemeldet sei, beziehe die Mutter ein tes und Europas bezeichnet. „Ohne Sterzinsky eröffnet. Er wies u.a. dar- höheres Kindergeld. Probleme gebe die Familie hat keine Gesellschaft Be- auf hin, dass die Familie das funda- es vor allem bei über 18-jährigen stand, was besonders bei den Themen mentale Glied des Staates sei und so- ehemaligen Heimkindern, denn sie Erziehung, Sozialisation, Rente und mit hänge das Wohl der Gesellschaft seien meistens nicht in der Lage Pflege deutlich wird“, so der Erzbi- vom Wohl der Familie ab. Eine be- Kinder zu erziehen, da sie selbst kein schof von Bamberg, Prof. Dr. Ludwig sondere Bedeutung habe die Familie echtes Familienleben erfahren haben. Da auch viele Väter in EU-Ländern arbeiten, ist der Zerfall der Familie Fortsetzung von Seite 103 vorgegeben . des italienischen Ministers Rocco Gewissensfrage, welche materiellen Buttiglione zum EU-Kommissar von Nachteile und sozialen Blessuren zu amilienpolitik in einer älter wer- einer wachsenden „Christophobie“ erleiden er bereit ist. Solche Opfer „Fdenden Gesellschaft“, war das in Europa. Wäre Buttiglione Jude könnten leichter fallen im Blick auf Thema eines Referates von NRW-Mi- gewesen, hätte ihm niemand jene in- das Vorbild der verfolgten Christen. nister Armin Laschet. Zwar wachsen quisitorischen Fragen gestellt, deren Ihr Widerstehen speist sich aus einer 80% der Kinder in Deutschland bei Beantwortung ihn angeblich für das geistlichen Kraft, die wir heute nötig ihren verheirateten Eltern auf, aber Amt disqualifizierte. Auch andere Be- brauchen. Ein prominenter Vertreter im Durchschnitt gebe es nur noch 1,3 obachter, etwa der große französische der vietnamesischen Märtyrerkirche Kinder pro Frau. Was ist also erfor- Politologe René Rémond, erkennen in mit einem langen persönlichen Lei- derlich, wenn immer weniger Kinder Europa eine antichristliche Tendenz. densweg, der im Jahr 2000 als erster geboren werden, wenn in ca 20 Jah- In Reaktion darauf wurde jüngst in Asiat im Vatikan die päpstlichen Ex- ren die Jüngeren nur auf Alte treffen? Wien ein „European Observatory on erzitien hielt, brachte seine Treue zu Jede 3.Frau und jeder 3.Mann sind Christianophobia and Intolerance“ Christus in einem Satz auf den Punkt, kinderlos, d.h. sie haben keine En- gegründet. den sich bequeme Konventionschris- kel! Familienpolitik sei der Schlüssel, Wo „Christen zunehmend aus ten hinter den Spiegel stecken kön- so der Minister. Hier bestehe Hand- dem öffentlichen Leben gedrängt“ nen: „Mein Glaube war nicht käuflich. lungsbedarf. Vereinbarkeit von Fami- und christliche Grundsätze, wie etwa Um keinen Preis konnte er abgelegt lie und Beruf müsse verbessert wer- das Recht auf Leben von Anfang an“ werden, und sei es auch der Preis den, nach seiner Ansicht z.B. durch zwar rechtlich garantiert, „de facto eines glücklichen Lebens“ (Kardinal Betreuungsplätze für Kinder unter aber außer Kraft gesetzt“ werden, Francois-Xavier Nguyen Van Thuan). drei Jahren, dazu Ganztagsbetreuung stellt sich für jeden Gläubigen die (http://www.kirche-in-not.de) in Kindergärten und Schulen. Doch

104 AUFTRAG 264 • Dezember 2006 KIRCHL. CHHRISTENVERFOLGUNGILFSWERK RENOVABIS

sollten Interessen der Eltern nicht außer Acht gelassen werden, die sich Am Rande des Kongresses selbst um Erziehung und Betreuung im Gespräch: Der Haupt- ihrer Kinder kümmern. geschäftsführer des Hilfswerks Renovabis, Pater n einem weiteren Vortrag re- Dietger Demuth CSsR (l.) Iferierte die Vorsitzende des und sein Vorgänger Ausschusses für die Rechte der P. Eugen Hillengass SJ Frau und die Gleichstellung der (Foto H. Dorndorf) Geschlechter des Europäischen Parlaments, Anna Zaborska, Vater. Ein Wandel voll- über das Thema: „Kann die zieht sich auch im Hin- traditionelle Familie Europa blick auf die Vaterrolle. retten“?, zum Teil auch aus der Familie hat dann eine Sicht ihres Heimatlandes der Slo- Zukunft, wenn die ver- wakei. Ihre Bestandsaufnahme, schiedenen Rollen immer – in den 25 EU-Mitgliedsstaaten le- wieder neu bedacht werden. ben in zwei Dritteln der Haushalte Allerdings, wenn Menschen keine keine Kinder, Zukunftsperspektive haben (Arbeits- – die Überalterung in Europa nimmt losigkeit), dann hat auch die Familie zu, Ein Höhepunkt der Veranstaltung keine Zukunft. – bis 2050 nimmt die Bevölkerung in war das Referat von Prof. Dr. Elisa- Europa von derzeit 725 Millionen beth Jünemann von der Kath. Fach- as Thema „Familie im Wandel“ auf 600 Millionen Einwohner ab, hochschule NRW, Abt. Paderborn. Daus der Sicht der Länder Li- – in Deutschland ist ein Drittel der „Familie im Wandel, neue Rollenbilder tauen, Polen, Tschechien, Slowakei, 1967 geborenen Frauen ohne Kin- in der Gesellschaft“. Sie behandelte Ungarn und Russland, wurde in ver- der, ähnlich die Situation in der das Thema unter drei Gesichtspunk- schiedenen Arbeitskreisen behandelt. Slowakei ten aus der Perspektive der katho- Wurden in Litauen bis zur Wende 7% endet in der Formel: wer keine Kinder lischen Soziallehre: der Kinder außerehelich geboren, so will, glaubt nicht an die Zukunft, hat Familie – was ist das?, was irritiert waren es danach 30%. Arbeitslosig- kein Vertrauen in sie, hat kein Vertrau- sie?, was stärkt sie? keit und Alkoholismus treiben viele en zu sich selbst. Schwerpunkt ihrer Ausführungen Kinder aus dem Elternhaus. So be- Ihre Lösung: Die Familie, die war natürlich die Vereinbarkeit von treut der deutsche Pfarrer Dr. Hans- tra di tio nelle Familie könne Europa Familie und Beruf, vor allem aus der Friedrich Fischer in seiner Gemein- retten, wenn man das Thema Fami- Sicht von Müttern. Medien und Illus- de in Vilnius ca. 400 Straßenkinder. lie zum zentralen Thema mache. Sie trierte zeigten uns Supermütter, die Eine große Hoffnung sind die von müsse in den Mittelpunkt von Poli- mit einer perfekten Organisation von der katholischen Seite angebotenen tik, Gesellschaft und Kultur gestellt Tagesmüttern, Hilfskräften, vom Baby Ehevorbereitungsseminare, in den werden. „Nirgendwo anders investiert zum Büro bzw. vom Computer in die Familienzentren, die sich hauptsäch- man besser als in eigene Kinder. Wenn Küche wechseln. Andere Mütter, die lich durch Spenden von Renovabis Europa das versteht ist noch nicht alles in der sogenannten Freizeit die Bügel- finanzieren. Wichtig wäre hier, dass verloren. Familie und Europa müssen wäsche erledigen, oder morgens früh Renovabis langfristig diese Zentren sich gegenseitig ergänzen“, meinte die in Eile die Pausenbrote für die Kinder unterstützt, es gäbe Sicherheit für die Europapolitikerin aus Slovenien. richten, kämen nicht vor. Irritationen Angestellten. der Familie fingen damit an, dass al- amilie im Umbruch“, war The- les zu jeder Zeit möglich ist, Arbeit n seinem Schlusswort zu diesem „Fma einer Abenddiskussion , an und Ruhe, Arbeitszeit und Freizeit. IKongress betonte Pater Demuth der u.a. Kardinal Sterzinsky teilnahm. Aber die gemeinsame Zeit schwinde, u.a. „dass in einer stabilen Partner- Wenn auch die Familie als die beste selbst der Sonntag sei in Gefahr. schaft zu leben und Kinder zu haben Form des Zusammenlebens, als trag- In einem abschließenden Podi- den allermeisten Menschen als ein bares Netz des Lebens gilt, so sei sie umsgespräch wurde die Frage gestellt: hohes, anzustrebendes Ideal gilt und doch von gegenläufigen Strömungen „Hat die Familie Zukunft?“ Zweifellos es doch immer weniger Menschen bestimmt. Es gebe eine Sehnsucht steckt die Familie in einer Krise. Wir glückt, dieses auch in die Realität nach einer zuverlässigen Partner- kennen die traditionelle Familie, die umzusetzen. ...“ schaft mit Kindern, aber es gibt nicht auch Großeltern und Verwandte mit den Mut zur Ehe auf ewig. Daher blie- einbezieht, so gibt es heute die ver- Anmerkung: Ausführliche Berichte ben viele Partnerschaften (Ehen) ohne schiedenen Formen wie z.B. von der und die Referate sind zu finden auf Kinder, weil man dem gegenwärtigen Großfamilie bis zur allein erziehen- der Website von Renovabis: Partner nicht traue. den Mutter, zum allein erziehenden < www.renovabis.de >. ❏

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 105 BLICK IN DIE GESCHICHTE

50 JAHRE BUNDESWEHR: Der sechste Bundespräsident und die Bundeswehr Dr. Richard Freiherr von Weizsäcker – ein glaubhafter Brückenbauer

VON DIETER KILIAN

Oberhofmarschall oberster Verwal- Beide Familien kannten sich, denn tungsbeamter am württembergischen sie waren Nachbarn und bewohnten Hofe. Ein Onkel aus der Familie der zwei sog. „Kavaliershäuschen“ auf Mutter Richard von Weizsäckers war der Solitude bei Stuttgart. 1912 wurde der Bildhauer Fritz von Graevenitz Korvettenkapitän von Weizsäcker ins (1892-1959). 1911 in das Grenadier- Marinekabinett in die Bendlerstraße Regiment „Königin Olga“ in Stutt- nach Berlin versetzt und diente unter gart eingetreten, musste er im Ersten dem Personalchef der Marine, Admi- ie Weizsäckers dienten ih- Weltkrieg wegen einer Augenverwun- ral Georg A. von Müller (1854-1940). rem Land in erster Linie als dung als Hauptmann aus der Armee Als der Erste Weltkrieg ausbrach, ließ Deine Familie von Predigern, ausscheiden. Er studierte danach er sich eilig zur Flotte5 versetzen und Juris ten, Diplomaten, Politikern und Bild-hauerei. Seine Bindung zum Mi- diente als Admiralstabsoffizier beim Wissenschaftlern. Doch unter den Vor- litär aber blieb: So schuf er für sein 2. des III. Linienschiffge- fahren väterlicher - und mütterlicher- Regiment 1923 das Löwendenkmal schwaders: „Denn jede Stunde spä- seits gab es auch eine militärische im Mittleren Schlossgarten in Stutt- teren Eintreffens an der Nordsee würde Tradition: Ur-Ur-Großvater Meibom gart. Richard von Weizsäcker saß als mich – ... – den Anschluss an die Flot- aus der mütterlichen Linie hatte als kleines Kind seinem Onkel Fritz Mo- te und damit vielleicht die Teilnahme hessischer Offizier auf Seiten Napo- dell, als dieser den „Faunbrunnen“ in an der zu erwartenden Seeschlacht leons auf dessen Feldzug 1812 in Stuttgart3 schuf. kosten können.“6 Russland gekämpft und den verlust- Ähnlich hatte bereits sein Vater reichen Übergang über die Beresi- ichards Vater, Ernst Heinrich Karl Hugo 1870 gedacht. Allerdings na er- und überlebt. Karl Hugo von Rvon Weizsäcker (1882-1951), ließ die erhoffte Seeschlacht lange Weizsäcker (1853-1926), der Groß- trat 1900 als Seekadett in die Kai- auf sich warten, denn die Admirali- vater väterlicherseits, war 1870 mit serliche Kriegsmarine ein, lernte auf tät wehrte sich gegen eine Entschei- siebzehn Jahren als Kriegsfreiwilliger dem Schulschiff „Charlotte“ das see- dungsschlacht, die Flottenchef von in den Deutsch-Französischen Krieg männische Handwerk und besuchte Ingenohl forderte. Im Mai 1916 nahm gezogen. bis 1902 die Offizierschule der Ma- von Weizsäcker an der Skagerrak- „Wir Württemberger wünschen rine in Kiel-Düsternbrook. Danach Schlacht teil. Später wechselte er als nichts sehnlicher, als endlich auch ein folgte eine dreijährige Seeverwen- Navigationsoffizier auf den Panzer- mal ins Feuer geführt zu werden,“ dung in ostasiatischen Gewässern auf kreuzer S.M.S. „Von der Tann“ 7 unter schrieb er seinen Eltern am 6. Novem- dem Großen Kreuzer „Hertha“ 4 u.a. Fregattenkapitän (später Vizeadmiral) ber 1870.1 Einen Monat danach wur- unter Kapitän zur See Friedrich von Konrad Mommsen (1871-1946) 8 und de in Champigny bei Paris verwundet, Ingenohl (1847-1933), dem späteren wurde mit dem Eisernen Kreuz beider verbrachte drei Monate im Lazarett Flottenchef. Prinz Adalbert Ferdinand Klassen ausgezeichnet. 1917 ging er und schied als Fähnrich aus der Ar- (1884-1948), der dritte Sohn Kaiser zurück in den Flottenstab und wur- mee. 1916 erhielt er – mittlerweile Wilhelms II., war dort ebenfalls ein- de 1918 für drei Monate als Verbin- zum Ministerpräsidenten in Stuttgart geschifft. 1905 kehrte von Weizsä- dungsoffizier der Marineleitung der aufgestiegen – von Wilhelm II. (1848- cker nach Kiel zurück und war dort Obersten Heeresleitung – zunächst 1921), dem letzten württembergischen bis 1912 stationiert, u.a. ab 1909 als im vorgeschobenen Hauptquartier im König, den erblichen Titel eines Frei- Erster Flaggleutnant beim Chef der nordfranzösischen Avesnes-sur-Helpe, herrn. Großvater mütterlicherseits war Kaiserlichen Flotte, Vizeadmiral Hen- später im belgischen Spa – zugeteilt, Generalleutnant Fritz Gustav Theodor ning von Holtzendorff (1853-1919). wo er sowohl Feldmarschall von Hin- von Graevenitz (1861-1922), der bis Kaiser Wilhelm II. wohnte mehrmals denburg als auch General Ludendorff 1919 als Generaladjutant von König im Jahr an Bord des Flaggschiffes kennenlernte. Wilhelm II. von Württemberg (1848- der Flotte. Im Jahre 1911 heiratete 1921) diente.2 Zur gleichen Zeit er Marianne von Graevenitz, eines ach der Novemberrevolution ar- war Alfred Graf Stauffenberg (1860- der fünf Kinder des Generalleutnants Nbeitete Ernst von Weizsäcker im 1936), der Vater von Claus Schenk Fritz von Graevenitz und seiner Frau Reichsmarineamt in der sog. „Frie- von Stauffenberg (1907-1944), als Marianne (geb. Klotz; 1867-1940). denskommission“. 1919 wurde er

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Marineattaché in Den Haag. Nach Stuhl entsandt: Papst Pius XII. (1876- 1916) und Heinrich (1917-1939) zur zwanzig Dienstjahren in der Mari- 1958) war zu dieser Zeit Oberhaupt Entbindung in die Heimat zurück: ne wechselte er ein Jahr später in der katholischen Kirche. Wirkungs- Auf dem Rheinfrachter „Kinderdyk“ den Auswärtigen Dienst, wo er je- voller als in Berlin konnte von Weiz- gelangte die Familie langsam, aber doch „wieder von der Pike anfangen säcker nun dort seine Vermittler- und unbeschadet durch das in Aufruhr musste.“ 1921 übernahm er in sei- auch Beschützerrolle ausüben: eine befindliche Ruhrgebiet in die schwä- ner ersten Auslandsverwendung das große Zahl von Juden wurden mit bische Heimat. Dort kam Richard, Konsulat in Basel. Von 1924 bis 1926 seiner Hilfe vor einer Deportation das vierte Kind, am 15. April 1920 diente er als Gesandtschaftsrat an der gerettet. Er selbst hatte erstmals im in Stuttgart zur Welt. Kindheit und Botschaft in Kopenhagen. Im Februar Herbst 1941 durch Admiral Canaris Jugend verbrachte er aufgrund des 1927 kehrte Ernst von Weizsäcker in von Massenmorden gehört.12 Nachdem Diplomatenberufes des Vaters in der die Zentrale nach Berlin zurück, wo Rom am 4. Juni 1944 von alliierten Schweiz, in Dänemark – dort wurde er das Sachgebiet Abrüstung leitete. Truppen kampflos eingenommen wur- er 1926 in Kopenhagen eingeschult Von 1928 bis 1931 war er Referats- de, blieb das Ehepaar von Weizsäcker – und ab 1927 in Berlin. Im Jahre leiter des Völkerbundreferates und im Vatikan und kehrte erst ein Jahr 1937 legte Richard am humanisti- zugleich Mitglied der Deutschen De- nach Kriegsende nach Deutschland schen Bismarck-Gymnasium die legation bei den Abrüstungsverhand- zurück – als Zeuge vor dem Nürn- Rei fe prüfung ab und studierte da- lungen des Völkerbundes in Genf. berger Kriegsverbrechertribunal war nach bis 1938 an den Universitäten 1931 folgte wieder ein Auslandspos- ihm freies Geleit zugesichert worden. Oxford und Grenoble Philosophie ten: für zwei Jahre wurde er Gesand- Weizsäcker sagte aus und wurde den- und Geschichte. Dann folgte er dem ter in Oslo.1933 wechselte er als Bot- noch im Sommer 1947 verhaftet: Er Rat seines älteren Bruders Heinrich schafter in die Schweiz. Im Mai 1937 habe, so lautete der Vorwurf, gegen Viktor und trat im Oktober 1938 als kehrte er erneut in die Zentrale nach die Grundsätze von Kriegsrecht und Rekrut in die Maschinengewehr-Kom Berlin zurück und übernahm die Poli- Humanität verstoßen. Sohn Richard panie des traditionsreichen Infan- tische Abteilung unter Außenminister – 28 Jahre alt – unterstützte seinen terieregiments 9 (IR 9) in Potsdam Konstantin von Neurath (1873-1956). Vater als Assistent der Verteidigung. ein, um seine Wehrdienstzeit abzu- Am 4. Februar 1938 war Joachim von 1949 wurde er zu sieben Jahren Ge- leisten, denn sonst wäre die Fortset- Ribbentrop (1893-1946) Außenminis- fängnis verurteilt, jedoch im Oktober zung seiner Studien in Deutschland ter geworden; er berief von Weizsä- 1950 aufgrund einer Amnestie aus der nicht möglich gewesen. Zuvor hatte cker im April 1938 zum Staatssekretär Haft entlassen. Ernst von Weizsäcker er noch eine sechsmonatige Pflicht- und damit zum höchsten Beamten des starb nur wenige Monate später, am ausbildung beim Reichsarbeitsdienst Auswärtigen Amtes.9 Dem Hitler-Re- 4. August 1951, in Lindau. am Werbellinsee bei Berlin ableisten gime gegenüber zunehmend kritisch müssen. Das Regiment14 war am 1. eingestellt, verwarf von Weizsäcker m Ende seiner Zeit als Marine- Januar 1921 mit drei Bataillonen zu – auch auf Drängen des mit ihm be- Aattaché an der Gesandtschaft in je vier Kompanien, einer (13.) Gra- freundeten Generalobersten Ludwig Den Haag reiste Vater Ernst Heinrich natwerfer- und einer (14.) Panzer- Beck (1880-1944; Chef des General- mit seiner Frau und den drei Kindern abwehrkompanie aufgestellt worden stabs des Heeres 1935-38) – jedoch Carl-Friedrich (* 1912)13, Adelheid (* und unterstand zunächst der 3. und einen Rücktritt.10 Er pflegte Kontakte ab 1935 im Zuge der Umfangserwei- aus alter Verbundenheit zu Admiral terung der Wehrmacht der 23. Infan- Wilhelm Canaris (1887-1945), dem teriedivision. Oberst Werner Freiherr Chef der Abwehr, aber auch zu Gene- von und zu Gilsa (1889-1945/Freitod), raloberst Franz Halder (1884-1972), der spätere General der Infanterie dem Nachfolger Becks als General- und Eichenlaubträger, war von Okto- stabschef. Besonders verbunden ber 1936 bis Februar 1941 der erste aber war er mit dem General der In- Regimentskommandeur der Brüder fanterie Hermann Geyer (1882-1946/ Weizsäcker. Ritterkreuzträger), dem gleichaltrigen „Freund seit Kindheitstagen“.11 er Zweite Weltkrieg unterbrach Ddie weitere Lebensplanung. Bru- ach Kriegsausbruch wollte sich der Heinrich Viktor von Weizsäcker Nvon Weizsäcker zur Marine zu- war bereits 1936 Soldat geworden. rückversetzen lassen, doch sein Er wollte Berufsoffizier werden und Gesuch wurde von Hitler abgelehnt. diente als Leutnant im IR 9 in Pots- Gleichzeitig sank sein Einfluss auf dam, in dem Oberleutnant Wolf Graf den außenpolitischen Kurs des Deut- Baudissin (1907-1993), der spätere schen Reiches; sein Verhältnis zu Au- Ernst Freiherr von Weizsäcker mit Generalleutnant der Bundeswehr, bis ßenminister Ribbentrop war gespannt. seiner Frau Marianne beim Verlas- 1938 Regimentsadjutant war. In die- Im Juni 1943 verließ er Berlin und sen der Haftanstalt Landsberg. sem Regiment diente eine Reihe von wurde als Botschafter an den Heiligen (Foto: DHM, Berlin) Offizieren, die später im Widerstand

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 107 BLICK IN DIE GESCHICHTE

gegen Hitler aktiv und am Attentat hielt, jemals trafen. „Kaum hatte der Kommandeur übernommen. Bei den 1944 beteiligt waren. Weizsäcker Krieg begonnen, hatte er schon mein schweren Winterkämpfen 1941/42 schreibt, dass kein anderer Truppen- Leben für immer geprägt; es war nie wurde der Verband fast vollständig teil so viele Beteiligte am Widerstand mehr dasselbe wie zuvor.“17 aufgerieben: Seine Kriegsstärke von als Opfer zu beklagen hatte wie sein Die Zäsur war tief: Danach habe 2.500 Mann war fast auf ein Zehntel Regiment. Im November 1937 – ein er seinen Vater, sagte Richard von – 7 Offiziere, 70 Unteroffiziere und Jahr vor Richard von Weizsäcker Weizsäcker später, „überhaupt nie 212 Mannschaften – geschrumpft.19 – hatte Axel Freiherr von dem Bus- mehr lachen gesehen. Er war tief Nach einem Rückzug über 200 km sche-Streithorst (1919-1993) als Fah- verstört.“18 bis nach Wjasma wurden die Reste nenjunker in der 1. Kompanie des IR für wenige Tage hinter die Front ver- 9 seine ersten Schritte als Soldat ge- nfang September überquerte das legt, aber danach erneut nach vorn macht. Richard von Weizsäcker und AIR 9 die Weichsel. Per Bahn ging geworfen. Erst Ende Juni 1942 wurde er wurden Freunde. Bussche plante es quer durch Ostpreußen nach Lych. das Regiment von der Ostfront abge- mit Wissen von Stauffenberg einen Von dort stieß das Regiment auf Bia- löst und per Bahn nach Westen zur Selbstmordanschlag auf Hitler: Am lystok vor. Nach dem Einmarsch der Neuaufstellung verlegt. Drei Monate 16. Dezember 1943 sollte der Führer Roten Armee übergab das Regiment zuvor, im März 1942, war von Weizsä- bei einer Vorführung von Winteruni- die Stadt und marschierte nach Stet- cker ins Oberkommando des Heeres formen anwesend sein. Major Bussche tin zurück, von wo es per Bahn in ins Lager Mauerwald bei Lötzen in hatte sich als „Modell“ einteilen las- den Raum St. Wendel im Saarland Ostpreußen als Ordonanzoffizier von sen und wollte sich mit zwei Handgra- zur Sicherung der Westgrenze verlegt Generalleutnant (später General der naten in der Tasche auf Hitler stürzen. wurde. Während des Westfeldzuges Infanterie) Gerhard Matzky (1894- Doch die Vorführung wurde abgesetzt, besuchte von Weizsäcker einen Lehr- 1983)20, dem Oberquartiermeisters weil der Güterwaggon mit den Uni- gang für Reserveoffiziere in Potsdam IV im Oberkommando des Heeres, formen kurz zuvor unter britischem und Landsberg an der Warthe. Im versetzt worden. Diesem unterstanden Bombenhagel ausgebrannt war.15 Bus- September kehrte er als Fähnrich zu u.a. die Abteilungen Fremde Heere sche überlebte – mit dem Ritterkreuz seinem Regiment zurück, das Ende Ost und West. Im Oberkommando des ausgezeichnet – den Krieg. Er arbei- Juli nach erfolgreichen Kämpfen an Heeres lernte von Weizsäcker als Of- tete 1950 kurzzeitig im „Amt Blank.“ der Westfront wieder nach Osten, in fizierkurier u.a. auch Generaloberst Bundespräsident von Weizsäcker hielt den Raum Wlozlawek (Leslau) ver- Franz Halder, den Generalstabschef die Grabrede auf seinen Freund, als legt worden war. Im Februar 1941 des Heeres von 1939 bis 1942 und dieser Ende Januar 1993 im schwä- hatte Oberst (später Generalleutnant) Oberst Claus Schenk Graf von Stauf- bischen Lehrensteinsfeld bei Heil- Adolf Raegener (1895-1983) das Re- fenberg (1907-1944) kennen.21 bronn mit militärischen Ehren zur giment übernommen und führte es bis „Er war allerdings zehn Jahre äl- letzten Ruhe geleitet wurde. Dezember 1941. Beim Angriff auf die ter als ich und mindestens zwei Sowjetunion stieß das Regiment im Dienstgrade höher und insofern as IR 9 verließ am 26. August Rahmen von Operationen der Heeres- mein Vorgesetzter. Dann gab es ei- D1939 seinen Standort und ver- gruppe Nord am 24. Juni 1941 über nen anderen, der eine große Rolle legte nach Mobilmachung an die den Fluss Narew vor. Einen Monat in unserem Regiment spielte, das deutsch-polnische Grenze. „Nicht später erhielt von Weizsäcker das EK war Fritz Schulenburg, Friedrich wie im August 1914 mit klingendem II (Eiserne Kreuz II. Klasse). Wenige Werner Graf von Schulenburg,22..., Spiel bei helllichtem Tag, sondern bei Tage danach durchschlug eine Kugel wie so manch anderer in der Ver- tiefer Dunkelheit und auf Umwegen seinen Unterarm. Es folgten vier Wo- zweiflung über die ganz späten zu einem Verladebahnhof ..., ohne Be- chen in einem Lazarett in Berlin. Im Jahre der Weimarer Republik sich völkerung am Straßenrand und ohne September 1941 kehrte Weizsäcker zunächst vom Nationalsozialismus Abschied.“16 zu seinem Regiment zurück. Dieses eher Positives als Böses erhoff- Am 1. September 1939 griff das kämpfte im Oktober in den Kessel- te und dann später zu einem der IR 9, zusammen mit den anderen bei- schlachten um Wjasma und Brjansk. entschlossensten und mutigsten den IR 67 und 68 im Rahmen der 23. Danach setzte das Regiment den Widerstandskämpfer geworden ist. Infanteriedivision unter Generalmajor Vormarsch auf Moskau fort, bis es im Er war ein älterer Reserveoffizier, Walter Graf von Brockdorff-Ahlefeldt November 35 km vor Moskau, „bei- ich war ein jüngerer Reserveoffi- (1887-1943) an. Einen Tag später be- nahe auf Sichtweite zur Hauptstadt“ zier, und da hat es viele Gespräche reits fiel Heinrich Viktor von Weizsä- und dem Moskauer U-Bahnhof „Ma- gegeben über die Notwendigkeit, cker an einem Bahndamm der Bahn- jakowskaja,“ dem Hauptquartier des etwas zu unternehmen.“23 station Klonowoin der Tucheler Heide, sowjetischen Generalstabs, im Schnee Durch seine eigenen vielfältigen nur wenige hundert Meter von seinem stecken blieb. Weihnachten 1941 persönlichen Beziehungen – weni- Bruder Richard entfernt – einer der verbrachte von Weizsäcker mit sei- ger durch die damals kriegsbedingt ersten Gefallenen im Zweiten Welt- ner Truppe im Raum Sacharino und seltenen Gespräche mit seinem Vater krieg auf deutscher Seite. Der Verlust Waldischino. Anfang Dezember hatte – wusste von Weizsäcker um Attentats- zählt zu den schlimmsten, die Richard Oberst (später Generalmajor) Kuno planungen: von Weizsäcker, der die Totenwache Dewitz (1897-1960) das Regiment als „Also, speziell mit dem 20. Juli

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war es so, dass ich drei oder vier seit Neuaufstellung in „26. Panzer- zug als Offizier an der Front durchge- Wochen vorher auf Heimaturlaub division“ umbenannte Großverband standen und dabei alle Facetten des war und in Potsdam bei meinem kämpfte unter Generalmajor Fried- Krieges erlebt. Ersatztruppenteil den schon ge- rich von Schellwitz (1893 -1978)27 „In meinem Truppenteil jedenfalls nannten Fritz Schulenburg traf, im Rahmen der Abwehrkämpfe und waren die allermeisten Soldaten der mir sagte, es werde jetzt bald Rückzugsoperationen der Ostfront zwar ohne Enthusiasmus, aber losgehen, das Datum könne er im Nordabschnitt. 1944 folgte die Si- von der Überzeugung geprägt, mir nicht sagen. Und er wolle cherung der baltischen Inseln Moon ihre Pflicht zu tun.“31 nur darauf aufmerksam machen, (Muhu) und Ösel (Saaremaa) in der Seine spätere glaubwürdige Mitt- wenn es käme, dann könnte eine Rigaer Bucht, die Verteidigungskämp- lerrolle als Brückenbauer sowohl im Anforderung an mich kommen, ich fe auf der Halbinsel Sworbe, sowie die Inneren als auch gegenüber den ehe- solle mit den Truppenteilen, mit Verlegung nach Ostpreußen zur Auf- maligen osteuropäischen Kriegsgeg- denen wir damals im Baltikum frischung. Am 10. Januar 1944 wurde nern ist zweifelsohne auch auf das zusammen waren, zur Verfügung Weizsäcker mit dem EK I (Eisernen Erleben langer Kriegsjahre an der stehen.“24 Kreuz I. Klasse) ausgezeichnet. Front begründet. Im Rückblick auf Weizsäcker war bereit, in diesem seine Zeit als Offizier der Wehrmacht Falle zu handeln. Doch als Frontoffi- m Zuge der Winterschlacht in Ost- sagte von Weizsäcker: „Wir waren da- zier – fern dem Ziel des Anschlages, Ipreußen wurde das Regiment bei mals als Soldaten keine besseren oder Hitler – waren seinen tatsächlichen Wartenburg eingeschlossen, konn- schlechteren als die Generation vor Möglichkeiten einer aktiven Mitwir- te aber den Brückenkopf bis April uns oder als die jungen Männer heu- kung bei Vorbereitung und Durch- halten. Die 26. Panzerdivision wur- te. Eines aber war klar: In der Wehr- führung gleich Null. Und so klingt de aufgerieben, und das Grenadier- macht wurde man ausgebildet, nicht es reichlich naiv, wenn Schröck, regiment 9 der 24. Panzerdivision um fremde Angriffe zu verhindern, einer der Biographen Weizsäckers, unterstellt. Als sein Regimentskom- sondern vor allem auch, um selber schreibt, dass dieser sich dem Wider- mandeur, Oberstleutnant Rudolf Kriege führen zu können.“32 stand „nicht anschließen wollte (oder Trittel (1913-1945),28 bei Allenstein Im Vorwort seiner Bildbiographie konnte)“.25 Allerdings hatte er noch schwer verwundet wurde, übernahm über Weizsäcker benutzt Autor Rudolf anfangs 1944 als Regimentsadjutant Hauptmann von Weizsäcker als Re- Schröck das Wort „Verstrickung“, weil den Marschbefehl für seinen Kame- gimentsadjutant das Kommando. Weizsäcker „Wehrmachts-Offizier raden und Freund von dem Bussche Durch einen – trotz heftiger Gegen und der Vater ein NS-Diplomat war“ ausgestellt, der mit Billigung von wehr der sowjetischen Kräfte – er- – geistige Sippenhaft reinsten Wassers. Stauffenberg ein weiteres Attentat folgreichen Gegenstoß gelang es ihm, Auch Weizsäcker habe „die klassische plante und dazu von der Ostfront ab- einen Fluchtweg über die See und deutsche Entschuldigungsformel ‚Ich kommandiert werden musste. 26 Die- das Frische Haff offen zu halten und habe von allem nichts gewusst‘ ge- se Reisepapiere mit der Unterschrift damit eine große Zahl von Soldaten braucht.33 – Das typische Vokabular Weizsäckers führten nach dem 20. zu retten. Der Kommandeur dieser eines besserwissenden Spätergebore- Juli 1944 zu einer Untersuchung ge- Division, Generalmajor Gustav-Adolf nen. Erstaunlicherweise wurde dieser gen ihn, die allerdings nicht in einem von Nostitz-Wallwitz (1898-1945), strenge Maßstab bei anderen – wie z.B. Verfahren mündete. schlug von Weizsäcker wegen die- Gustav Heinemann – nicht angelegt. ser Tat für das Kampfabzeichen der m Juni 1942 verlegte das Haupt- Ehrenblattspange und der damit ver- on 1945 bis 1949 setzte Richard Iquartier in die Nähe von Winniza in bundenen Nennung im Ehrenblatt Vvon Weizsäcker das Studium der der Ukraine. Im Oktober 1942 wurde des Deutschen Heeres vor. 29 Zu einer Rechtswissenschaften und Geschich- von Weizsäcker als stellvertretender förmlichen Verleihung an Weizsäcker te an der Universität Göttingen fort Regimentsadjutant wieder zu seinem kam es jedoch wegen der Kriegswir- und arbeitete danach von 1950 bis Verband versetzt, der zwischenzeitlich ren nicht mehr. Weizsäcker wurde 1966 in der Industrie. 1953 heiratete im dänischen Jütland im September erneut verwundet, und dies rettete er Marianne von Kretschmann. Aus 1942 als Grenadierregiment 9 neu ihn vor sowjetischer Kriegsgefan- der Ehe gingen vier Kinder hervor. aufgestellt worden war. Er erhielt genschaft. Anfang April 1945 wurde Von 1964 bis 1970 und von 1979 bis die „Ostmedaille“ (Medaille Win- er über Danzig nach Kopenhagen in 1981 war Weizsäcker der Präsident terschlacht im Osten 1941/42). Im ein Lazarett transportiert, von wo aus des Deutschen Evangelischen Kir- Februar 1943 wurde von Weizsäcker er in Genesungsurlaub zuerst nach chentages, außerdem von 1967 bis als Chef einer Maschinengewehr- Potsdam und von dort zum Bauern- 1984 Mitglied der Synode und des Kompanie wieder an die Ostfront hof seiner betagten Großmutter Pau- Rates der Evangelischen Kirche in kommandiert, diesmal in den Raum la und seiner zwischenzeitlich ver Deutschland. Im Jahre 1969 wurde er Leningrad. Im August 1943 – Weizsä- witweten Schwester Adelheid30 nach Mitglied des Deutschen Bundestages ckers Vater hatte zu dieser Zeit seine Lindau am Bodensee reiste. Wenige in der CDU-Fraktion34 und behielt Amtsgeschäfte als Botschafter beim Tage nach seiner Ankunft war der II. dieses Mandat bis zu seiner Wahl Heiligen Stuhl aufgenommen – wurde Weltkrieg zu Ende. Von Weizsäcker zum Regierenden Bürgermeister von er Regimentsadjutant des IR 9. Der hatte nahezu den gesamten Ostfeld- Berlin 1981.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 109 BLICK IN DIE GESCHICHTE

Bundespräsident von Weizsäcker im Gespräch mit den Oberbefehlsha- bern der belgischen, französischen und niederländischen Streitkräfte in Deutschland (nicht im Bild der ame- rikanische und britische OB), sowie Generalinspekteur Wellershoff und Oberst i.G. Drews im Jahre 1990 (Foto: Archiv Drews) zS Wulf Dieter Fischer (* 1940) wahr- genommen worden, der unter Bun- despräsident Carstens gedient hatte. Auch die folgenden drei Offiziere trugen den grauen Rock des Heeres: Oberst i.G. Sand folgte nach vier Jah- ren im März 1988 Oberst i.G. (spä- ter Generalleutnant) Rüdiger Drews (* 1942), der wiederum am 19. März 1990 von Oberst i.G. (später General- wurde er – als erster und sie müssten den Soldaten den guten major) Friedrich Freiherr von Senden 1984 bisher einziger Adeliger Sinn ihrer Dienstzeit nahe bringen, (* 1942) abgelöst wurde. Von Senden – zum sechsten Bundespräsidenten oder der Warnung vor Feindbildern. nahm den Dienstposten nur bis zum der Bundesrepublik Deutschland ge- Eindeutig stellte sich von Weizsäcker 31. März 1991 wahr.40 Im Mai 1991 wählt und trat das höchste Staatsamt auf die Seite der Bundeswehr, wenn folgte ihm der vierte Heeresoffizier, am 1. Juli an. Er besaß ein sicheres sie zum Gegenstand unsachlicher, Oberst i.G. (später Generalleutnant) Gespür für Würde und stilsicheres ehr verletzender Polemik wurde, so Kersten Lahl (* 1948), der den Bun- Auftreten. „Schon sein Äußeres ver- z.B. als der Autor Joseph von West- despräsidenten bis zum Ende der führt zu der Annahme, er habe in der phalen (*1945) im „Zeit“-Magazin Amtszeit begleitete. Auch Weizsäckers Villa Hammerschmidt das Licht der schrieb, „er zöge einen Sack Müll Pressesprecher von 1991 bis 1994, Welt erblickt“, bemerkte ein Politiker- einem Soldaten vor“38 Als im Dezem- Hans-Henning Horstmann (* 1945),41 kollege einmal.35 Niemand konnte ber 1987 die 14. Große Strafkammer hatte von 1964 bis 1966 als Soldat auf „eine Ehrenformation der Bundeswehr des Landgerichts Frankfurt den Arzt Zeit in der Panzeraufklärungstruppe so schneidig abschreiten wie Richard Peter Augst, der in einer Podiums- gedient und ist Hauptmann der Reser- von Weizsäcker es demonstrierte.“36 diskussion behauptet hatte, jeder ve. Weizsäcker referierte am 3. Juni Während seiner zehnjährigen Amts- Soldat sei „ein potentieller Mörder“ 1987 bei der 29. Kommandeurtagung zeit besuchte er die Bundeswehr re- vom Vorwurf der Volksverhetzung der Bundeswehr in Oldenburg – Ad- gelmäßig zweimal im Jahr und hielt freisprach, schrieb Weizsäcker dem miral Wellershoff (1933-2005) war mehrere Grundsatzreden zu Kernfra- Arzt einen Brief, der keinen Zweifel Generalinspekteur – über das Thema gen der Streitkräfte. Geschliffen, an Weizsäckers Haltung aufkommen „Dienen und Führen.“ intellektuell ausgefeilt und sprach- ließ. Er stellte darin fest, Augst habe „Dienen ist kein Kernbegriff un- gewaltig setzte er Akzente, wobei er mit seiner Äußerung die Grenze der serer Zeit. Das Wort klingt gera- eher auf kritischen Konsens denn auf Meinungsfreiheit überschritten.39 dezu altmodisch. ... Zwar funkti- weiche Kompromisse setzte. oniert die Demokratie gut. Aber sie Nach seiner Amtsübernahme stat- ährend der zehnjährigen Amts- trainiert uns besser dazu, unsere tete von Weizsäcker der Bundeswehr Wzeit von Weizsäcker wurde das Rechte wahrzunehmen als unsere am 4. Oktober 1984 seinen Antritts- Verteidigungsressort von vier Minis- Pflichten zu erkennen. ... Jeder- besuch ab. Am 12. November 1985 tern geführt: Wörner, Scholz, Stolten- mann sichert seine Ansprüche und würdigte er die Bundeswehr im Rah- berg und Rühe. An der Spitze der Besitzstände.“42 men des Festaktes zu ihrem dreißig- Bundeswehr standen drei Generalin- Differenziert äußerte er sich in jährigen Bestehen. In der Loyalität spekteure: Altenburg, Wellershoff dieser Rede auch zum Zivildienst; der Bundeswehr sah er einen verläss- und Naumann. zwar zollte er jenen Respekt, die den lichen Teil der Demokratie. Er teilte Erstmalig und nicht ganz zufällig Wehrdienst aus Gewissensgründen nicht die Befürchtungen, sie könne wurde im Oktober 1984 ein Soldat verweigerten, lehne es aber ab, ihm zu einem undemokratischen Element des Heeres zum Verbindungsoffizier einen höheren moralischen Stellen- im Staate werden; dies hätte sich als beim ehemaligen Infanterieoffizier wert zuzubilligen. „gänzlich unbegründet“ erwiesen.37 von Weizsäcker berufen: Oberst i.G. „Abwegig ... ist es, den Zivildienst Er sparte auch nicht mit berechtigten (später Brigadegeneral) Wolfgang als deutlicheres Zeichen des per- Mahnungen an die Armee, so z.B. an Sand (1937-2001); bis Ende August sönlichen Friedenswillen zu bewer- die Vorgesetzten, denen er auferlegte, war diese Aufgabe noch von Kapitän ten.“

110 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 50 JAHRE BUNDESWEHR

Ähnlich hatten dies auch die Antritts besuch Bundespräsidenten Scheel und Cars- beim Staatsober- tens formuliert; Johannes Rau hin- haupt: gegen sah – hier in enger Tradition Generalleutnant zu Gustav Heinemann – eher eine Helge Hansen, Gleichwertigkeit. In seiner Rede zum der neue Inspek- 40. Jahrestag der Unterzeichnung teur des Heeres, des Grund gesetzes am 24. Mai 1989 im April 1992 regte von Weizsäcker an, den Begriff (Foto: D. Kilian) „Recht auf Verweigerung des Kriegs- dienstes“ umzuändern in „Recht auf Streitkräfte und Verweigerung des Wehrdienstes,“ Gewerkschaften da der Soldat keinen Kriegsdienst, – „trotz grund- sondern Kriegsverhinderungsdienst verschiedener leiste. Die Vorstellung vom Wehr- Strukturen, inter- dienst als vorrangiger Bürgerpflicht essensbezogener fand auch ihren Ausdruck darin, in und zuweilen auch dem der älteste Sohn, Klaus Robert ideologischer Konflikte“ – Verständ- Weizsäcker – in Begleitung von Gene- Freiherr von Weizsäcker (* 1954), nis für einander und fruchtbare Be- ralinspekteur Dieter Wellershoff und seinen Wehrdienst bei der Luftwaffe ziehungen entwickelt hätten. Am 13. dem Inspekteur des Heeres, Gene- in Porz-Wahn und Holland ableistete. Oktober 1989 besuchte von Weizsä- ralleutnant Henning von Ondarza (* Es war der erste Sohn eines Bundes- cker die Hochschule der Bundeswehr 1933) – an der Beförderungszeremo- präsidenten, der bei der Bundeswehr in Neubiberg und sprach über das nie von Offizieranwärtern des Heeres diente. Auftragsverständnis des Soldaten in zum Leutnant an der Offizierschule einer Zeit der Entspannung. „Sicher- des Heeres (OSH) in Hannover teil nlässlich einer Sitzung des heit durch Verteidigung und Entspan- und überreichte – stellvertretend für AArbeits kreises „Wehrdienst und nung“ im Rahmen eines Symposiums die 700 angetretenen Soldaten – 40 Berufswelt“ besuchte von Weizsä- von 50 Wissenschaftlern aus 10 Län- Oberfähnrichen persönlich die Beför- cker – zusammen mit Generalin- dern, darunter auch aus der UdSSR.44 derungsurkunde. In seiner Ansprache, spek teur Admiral Dieter Wellershoff Ebenfalls 1989 stattete von Weizsä- in der von Weizsäcker die Bedeutung (1933-2005) – am 5. Juli 1989 den cker dem Jagdbombergeschwader 34 des Offizier- und Soldatenberufes in DGB-Bundesvorstand unter Leitung in Memmingen einen Besuch ab. einer Zeit des sicherheitspolitischen des DGB-Vorsitzenden Ernst Breit (* Umbruches in Europa beleuchtete, er- 1924)43 in Düsseldorf. In seinem Vor- on Weizsäcker empfing erstmalig innerte das Staatsoberhaupt an jenen trag betonte das Staatsoberhaupt, dass VAnfang 1990 gemeinsam die natio- Tag, als er – vor 50 Jahren – sein Of- nalen alliierten Oberbe- fizierpatent erhielt. Deutschland habe fehlshaber der amerika- damals anders ausgesehen: „Frieden nischen, belgischen, bri- in Freiheit war ein ferner Traum“. Er tischen, französischen wies auf die Schwierigkeit hin, in und niederländischen einer Zeit, die das Freisein von Bin- Truppen in Deutsch- dungen als höchstes Ziel betrachtet, land im Beisein des als Soldat zu dienen. „Dabei sind Generalinspekteurs der Freiheit und Bindungen gar keine Ge- Bundeswehr als obers- gensätze.“ Weizsäcker mahnte, dass tem deutschen Soldaten „Freiheit immer von neuem errungen“ – eine Regelung, welche sein muss. Er hob den Beitrag der die Nachfolger über- Bundeswehr beim Überwinden der tie- nahmen (Foto S. 8). Am fen Gräben des Zweiten Weltkrieges 28. Juni 1990 nahm von hervor. Zur Menschenführung sagte er, dass es von der „Phantasie und Bundespräsident von Hingabe“ der Vorgesetzten abhängt, Weizsäcker beim wie die Wehrpflichtigen ihren Dienst Staatsbesuch im Jemen in den Streitkräften erleben und ihn im Juni 1992. Neben damit auch als Multiplikatoren in die dem Bundespräsiden- Gesellschaft tragen. ten Staatspräsident Ali Abdallah Saleh; m 19. November 1990 besuchte er dahinter Oberst i.G. Adas I. Korps unter Generalleutnant Kersten Lahl. Jörn Söder (* 1934) im westfälischen (Foto: BPA) Münster. Im Dezember 1990 empfing

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 111 BLICK IN DIE GESCHICHTE er Generalinspekteur Admiral Weller- und Territorialkommandos Ost teil, so übernahm er z.B. den Vorsitz in der shoff zu einem Gedankenaustausch wo ihm zwei hohe Offiziere – einer von der rot-grünen Bundesregierung zum bevorstehenden Jahreswechsel. aus dem Westen und ein ehemaliger eingesetzten Kommission („Gemein- An der Übernahme der NVA durch die Kommandeur der NVA – ihre Sicht same Sicherheit und Zukunft der Bun- Bundeswehr – ein bisher einmaliges der Vereinigung der beiden Armeen deswehr”). Am 23. Mai 2000 legte die Ereignis in der internationalen Mili- vortrugen.46 Die Bundeswehr ehrte sog. „Weizsäcker-Kommission“ Ver- tärgeschichte – hat der Bundespräsi- den nach zehn Jahren scheidenden teidigungsminister Rudolf Scharping dent von Anfang an „große Anteilnah- Präsidenten 1994 - mit Minister Rühe den Abschlussbericht mit Vorschlägen me“ gezeigt.45 Hierzu ließ er sich am und Generalinspekteur Klaus Nau- zur Ausgestaltung der Streitkräfte vor. 8. Oktober 1990 und am 24. Januar 1991 durch den Befehlshaber des mann als Gastgebern – durch einem Sie empfahl, die Streitkräftestruktur Bundeswehrkomman dos Ost, Gene- Großen Zapfenstreich. Richard von an den wahrscheinlichsten Aufgaben ralleutnant Jörg Schön bohm (* 1937), Weizsäcker hat auch für die Bundes- der Krisenvorsorge und Krisenbe- vortragen und besuchte dessen Stab wehr ihr Ansehen in Deutschland und wältigung – zum Zwecke der Landes am 29. April 1991. Es war sein erster der Welt viel getan. – und Bündnisverteidigung und in der Besuch bei der Bundeswehr in den Erfüllung internationaler Verpflich- neuen Bundesländern. Dabei nahm uch nach seinem Ausscheiden tungen – auszurichten. Realisiert der Bundespräsident auch an einer Aaus dem Amt ließ er seine Verbin- wurden diese Vorschläge jedoch nur Tagung der Kommandeure des Korps- dung zur Bundeswehr nicht abreißen: zu einem geringen Teil.

Anmerkungen:

1 zit. in: Scholz, Günther, a.a.O. S. 369 12 Weizsäcker, Ernst von: Erinnerungen, S. 338. 2 Er war mehrere Jahre württemberg. Militär-Bevollmächtigter bei 13 Physiker und Philosoph. der Obersten Heeresleitung unter Feldmarschall von Hindenburg. 14 Im Zuge der geheimen Aufrüstung 1934 zunächst in „Infanterie- 3 gem. Frau Julia Müller, Graevenitz-Museum und Archiv Stuttgart: regiment Potsdam“ umbenannt, erhielt es ein Jahr später seine Der vormals in Stuttgart an der Ecke Büchsen-/Calwer Straße ste- alte Bezeichnung wieder. hende Brunnen wurde im Krieg zerstört. Fritz von Graevenitz fand 15 Anfang 1944 plante von dem Bussche ebenfalls mit Billigung von auf dem Soldatenfriedhof der Solitude seine letzte Ruhe. Stauffenbergs ein weiteres Attentat. 4 Indienststellung 1898 auf der Werft „Vulcan in Stettin (465 Mann 16 Weizsäcker, Richard von: Von Deutschland nach Europa, S. 34. Besatzung; Länge 105 m, Breite 17 m, Tiefgang, 6,3 m Wasser- verdrängung 5.660 t). Ab 1899 Einsatz im Ostasien-Geschwader 17 Weizsäcker, Richard von: Vier Zeiten, S. 79. in Tsingtau. Ende 1904 schied „Hertha” aus dem Geschwader 18 Interview mit der FAZ am 4. März 2005. Die Familie hatte bereits aus und verlegte nach Kiel zurück. Außerdiensstellung 1914, da- im I. Weltkrieg einen hohen Blutzoll zahlen müssen: Carl von nach Wohnschiff in Flensburg. 1920 wurde der Kreuzer in Audorf Weizsäcker, der Bruder von Richards Vater, fiel als Leutnant der abgewrackt. Reserve im Herbst 1914 in den Vogesen. Ernst Heinrich von 5 Seine Flottenchefs waren: Friedrich von Ingenohl, Hugo von Pohl Weizsäcker schreibt in seinen Erinnerungen (S. 29): „Den Tod (1855-1916) und (1863-1928). meines Bruders hat mein Vater nie überwunden; er blieb stets 6 Weizsäcker, Ernst von: Erinnerungen, S. 30 der Meinung, dass dieser Krieg hätte vermieden werden können.“ Richard, der Schwager seines Vaters, fiel als Artillerieoffizier, 7 Stapellauf 1909; über 900 Mann Besatzung; Juni 1919 Selbstver- und Karl, ein anderer Schwager, blieb mit seinem Torpedoboot senkung in Scapa Flow. auf See. 8 Flottenchef von 1924 bis1927; ein Sohn des Historikers und 19 Pflüger, Friedbert: Richard von Weizsäcker, S. 152. Literaturnobelpreisträgers von 1902 Theodor Mommsen (1817- 1903). 20 Nach dem Krieg wurde Matzky beauftragt, den Bundesgrenz- schutz (BGS) aufzubauen und wurde 1951 dessen erster Kom- 9 Ungewollte Begleiterscheinungen waren die Verleihung der Mit - mandeur. Im Jahre 1956 wechselte er zur Bundeswehr, übernahm glied schaft in der NSDAP und die Übertragung eines sog. höhe- 1957 als Generalleutnant das I. Korps in Münster und führte es ren „Ehrenranges“ der SS. als Kommandierender General bis 1960. 10 In einem Interview mit der FAZ am 04.03.2005 führte Richard von Weizsäcker dazu aus, bei einem Besuch habe Beck seinem 21 Hoffmann, Peter: Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Vater – „die beiden standen sich sehr nahe“ – gesagt, er habe Brüder, S. 239. den Auftrag bekommen, den Krieg vorzubereiten. Das aber könne 22 Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg (1902-1944); als Anhän- er nicht verantworten und werde daher den Dienst quittieren. ger und Mitglied der NSDAP anfangs Aufstieg in der NS-Beam- „Mein Vater dagegen solle dazu beitragen, dass es zu keinem tenhierarchie (u.a. stv. Polizeipräsident von Berlin). Später wurde Kriegsausbruch komme, und deswegen müsse mein Vater im Amt er zum erbitterten Gegner und schloss sich der Widerstandsbe- bleiben.“ Später wurde im Reichssicherheitshauptamt ein Papier wegung an. 1939 meldete er sich freiwillig zum Fronteinsatz im gefunden, in dem es hieß, von Weizsäcker müsse aus dem Amt Ersatzbataillon des IR 9. Im August 1944 wurde er in Berlin- entfernt und angeklagt werden (s.a: Weizsäcker, Ernst: Erinnerun- Plötzensee hingerichtet. gen, S. 173 f. 23 Interview mit der FAZ am 4. März 2005. 11 Die Schulfreunde fanden sich kurz vor Kriegsende gemeinsam 24 Ebenda im Großen Hauptquartier in Spa und gehörten danach 1919 der deutschen Friedenskommission an. Geyer war später Kommadeur 25 Schröck, Rudolf: Richard von Weizsäcker, S. 21. des II. Bataillons des InfRgt 13 in Ludwigsburg, in dem auch 26 Doch kurz vor Antritt der Reise – am 30. Januar 1944 – wurde Dr. Hans Speidel – er stieg in der Bundeswehr zum General auf Bussche schwer verwundet; ein Bein musste amputiert werden. – diente. 1939 führte Geyer das IX. Korps, dessen 1. Generastabs- Er heilte die Verwundung in einem Lazarett der SS in Hohenly- offizier Speidel wurde. Geyer schied 1946 freiwillig aus dem chen aus. Dies rettete ihn vor der Verfolgung nach dem 20. Juli Leben. 1944.

112 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 50 JAHRE BUNDESWEHR

27 Später unter den Kommandeuren General der Artillerie Horst von Moskau, der im Gespräch die These vom bevorstehenden Ausein- Mellenthin (1943), Generalleutnant Paul Gurran (1943), General- anderbrechen der Sowjetunion aufstellte, was von den meisten leutnant Walter Charles de Beaulieu (1944) und Generalleutnant Zuhörern, auch vom Bundespräsidenten, als unrealistisch ver- Hans Schirmer. worfen wurde (vgl.: Huber, Reiner K., Prof. Dr.-Ing., Fakultät für 28 Träger des Eichenlaubs zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes; er Informatik, in: „Hochschulkurier“, Universität der Bw München, starb im Mai 1945 im Lazarett. Nr. 15/2002 S. 21 ff.). 29 Scholz, Günther a.a.O. S. 389 f. Die Ehrenblattspange war am 30. 45 Schönbohm, Jörg: Zwei Armeen und ein Vaterland, S. 210. Januar 1944 für außergewöhnliche Tapferkeit gestiftet worden. 46 Schönbohm, Jörg: ebenda S. 211 ff.; die beiden Vortragenden Der Vorgeschlagene musste im Besitz der Eisernen Kreuze II. waren Oberstleutnant (NVA-Oberst) Reinhard Panian (letzter Kdr und I. Klasse sein. der 11. MotSchDiv in Halle) und Brigadegeneral von Hans-Peter 30 Ihr Ehemann (1938) Botho-Ernst Graf zu Eulenburg (1903-1944) von Kirchbach (Kdr HSBrig 41 in Eggesin; später Generalins- war als Offizier 1944 gefallen. pekteur der Bundeswehr). 31 Weizsäcker, Richard von: Von Deutschland nach Europa, S. 38. 32 Weizsäcker, Richard von: Rede am 5. Juli 1989 vor dem DGB- Vorstand in Düsseldorf beim „Arbeitskreis Wehrdienst und Be- Literatur: rufswelt“. 33 Schröck, Rudolf: Richard von Weizsäcker Eine Bildbiographie, S. 7. Hoffmann, Peter: Claus Schenk von Stauffenberg und seine Brüder; DVA 2004 34 1965 hatte er den Vorschlag des damaligen rheinland-pfälzischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Helmut Kohl, für einen Sitz im Bun- Krack, Bernhard W.: Staatsoberhaupt und Streitkräfte Die Position destag zu kandidieren, abgelehnt: Das Mandat ließe sich nicht der Bundespräsidenten zur Bundeswehr und zur Sicherheitspoli- mit seinem Amt als Präsident des Deutschen Evangelischen Kir- tik; Ergon Verlag, Würzburg 1990 chentages vereinbaren. Pflüger, Friedbert: Richard von Weizsäcker - Ein Porträt aus der 35 siehe: Winter, Ingelore M.: Unsere Bundespräsidenten, S. 198. Nähe; DVA 1990 36 Wiedemeyer, Wolfgang: Roman Herzog, Der erste gesamtdeutsche Scholz, Günther: Die Bundespräsidenten, Biographien eines Amtes; Präsident, S. 18. Hüthig Verlagsgemeinschaft Decker & Müller, Heidelberg 1990 37 Pflüger, Friedbert: Richard von Weizsäcker, S. 407. Schönbohm, Jörg: Zwei Armeen und ein Vaterland; Siedler Verlag, 38 Ebenda, S. 409. Berlin 1992 39 Ebenda, S. 410. Schröck, Rudolf: Richard von Weizsäcker – Eine Bildbiographie; Heyne Verlag, München 1992 40 Der Bundespräsident stimmte der Versetzung nach nur einem Jahr nur deshalb zu, da von Senden als erster Kommandeur die Weizsäcker, Ernst Heinrich Frhr. von: Erinnerungen; hrsg. Von neu aufzustellenden Heimatschutzbrigade 42 BRANDENBURG Richard von Weizsäcker; List Verlag, Augsburg 1950 (später PzBrig 42 BRANDENBURG) übernahm. Weizsäcker, Richard Frhr. von: Vier Zeiten – Erinnerungen; Siedler 41 u.a. von 2002 bis 2006 Botschafter in Österreich; seit September Verlag GmbH, Berlin 1997 2006 Botschafter beim Heiligen Stuhl. Weizsäcker, Richard Frhr. von: Von Deutschland nach Europa, Die 42 Weizsäcker, Richard von: Von Deutschland nach Europa, S. 126ff. bewegende Kraft der Geschichte; Siedler Verlag, Berlin 1991 43 Breit, von 1982 bis 1990 DGB-Vorsitzender, war von 1941 bis Wiedemeyer, Wolfgang: Roman Herzog Der erste gesamtdeutsche Prä- 1945 Soldat gewesen. sident; Verlag Bonn Aktuell 1994 44 Unter den Wissenschaftlern war auch der russische Prof. Andrei Winter, Ingelore M.: Unsere Bundespräsidenten – Neun Porträts; Piontkovsky der Direktor des „Center for Strategic Research“ in Droste Verlag, Düsseldorf 52004

PERSONALIA:

Oberst Josef Blotz wurde – wie „aktuell“ Zeitung arbeitete er als Journalist und Redakteur, dann ab 1962 für die Bundeswehr“ Nr. 47/27.11.2006 meldete – von im wissenschaftlichen Dienst der Bundeswehr, bis 1990 Bundesminister der Verteidigung Franz Josef Jung zum als Professor für Politikwissenschaft und Publizistik an Brigadegeneral befördert. BrigGen Blotz ist Komman- der Universität der Bundeswehr/Neubiberg. Paul Roth deur der PzGrenBrig 30 in Ellwangen. Seit 17. Dezem- hat insgesamt 20 Bücher veröffentlicht, davon sieben ber ist er als Führer des 13. dt. Kontingents der ISAF über Medien- und Religionspolitik in der Sowjetuni- in Mazar-e-Sharif und damit zum zweiten Mal in Af- on und im Danach-Russland, zuletzt „Glasnost und ghanistan im Einsatz. Josef Blotz ist Vorsitzender des Medienpolitik unter Gorbatschow“ (1990) und „Die Sachausschusses „Sicherheit und Frieden“ der GKS. religiöse Situation und Religionsgesetzgebung in der – Herzlichen Glückwunsch und Gottes Schutz und Se- UdSSR/GUS 1990/1991“ (1992). Zahlreichen Lesern gen für die Zeit im Einsatz. der Kirchenpresse wurde Paul Roth, der 1976 der GKP beitrat, als Verfasser religiöser Gedichte und Meditati- Professor Dr. Paul Roth ist am 4. September im onen bekannt. Alter von 81 Jahren in München gestorben. 1925 in Im AUFTRAG, Rubrik „Gesellschaft nah und Berlin geboren, lebte er von 1928 bis 1935 in Odes- fern“, hatte Prof. Paul Roth regelmäßig Beiträge über sa, wo sein Vater Konsul war. Nach dem Abitur 1942 die Gesellschaft und die Streitkräfte zunächst in der in Berlin wurde er 1943 Soldat. Von 1944 bis Ende Sowjetunion und später in Russland veröffentlicht. Der 1949 befand er sich in russischer Kriegsgefangenschaft. letzte Artikel „Glauben die Russen an Gott?“ erschien Danach kamen Studium und Promotion. Mehrere Jahre im AUFTRAG 263/Juni 2006, Seite 48. – RIP!

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 113 VERMISCHTES

KATHOLISCHE SOLDATEN IM ZdK: Pausengespräche

omentaufnahme aus dem Plenum der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in der Stadthalle von Bad Godesberg am 24./25. November 2006. Um den Tisch herum v.l.: Oberst Richard MSchmitt, bis September 2006 Vorsitzender der ZV, Johannes Schnettler, Vizepräsident der deutschen Sektion von pax christi, im Gespräch mit Oberst a.D. Karl-Jürgen Klein, Ehrenbundesvorsitzender der GKS, Generalleutnant Karlheinz Lather, Delegierter der ZV im ZdK, im Gespräch mit einer Verbandsvertreterin, v.r. StFw Ralf Eisenhardt, Vorsitzender der ZV. (Foto Thomas Pinzka)

Spendenaufruf ie Arbeit der GKS – gleich ob an der Basis, auf DBereichsebene oder im Bundesvorstand – kostet viel Geld. Die Aufwendungen für die notwen- digen Aktivitäten, einschließlich des AUFTRAG‘s, steigen mit der allg. Kostenentwicklung von Jahr zu Jahr,. Mehr Mittel stehen aber nicht zur Verfügung. Auch die GKS ist auf Spenden ihrer Mitglieder, Sympathiesanten und Nutznießer angewiesen. Zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit und um Spendenquittungen ausstellen zu können, musste ein GKS e.V. ge- gründet werden. Auf dessen Konto können Sie Spenden überweisen. Spendenquittungen weden ausge- stellt. ❏

114 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 VERMISCHTES

PERSONALIA GEFUNDEN IN: OBERBERGISCHE VOLKSZEITUNG NR. 278 VOM 30.11.2006

Autoren

Achmann, Dr. Klaus Hellersdorf, Joachim Liebetanz, Klaus Oberst a.D., Bundesgeschäftsführer Entwicklungshelfer, Kinshasa/Kongo. Major a.D., Verden/Aller; Berater der GKS, Vertreter der GKS in der für humanitäre Hilfe im Ausland; Hoppe, Prof. Dr. Thomas det. Kommission Justitia et Pax. Mitglied im GKS-Sachausschuss Helmut Schmidt Universität der Bun- „Sicherheit und Frieden“. Bastian, Betram deswehr Hamburg, Fachbereich Päd- Oberstleutnant a.D., Mitglied im agogik – Professur für kath. Theologie Weber, Peter GKS-Sachausschuss „Sicherheit und (Schwerpunkt: Sozialwissenschaften Stabsfeldwebel, Mitglied im Vorstand Frieden“, Mitglied der Redaktion und Sozialethik); Vorsitzender Arbeits- der ZV und Leiter der Arbeitsgruppe AUFTRAG. gruppe „Sicherheitspolitik“ der dt. „Soziales Engagement“. Bös, Werner Kommission Justitia et Pax. Oberst a.D., Mitglied im GKS-Sach- Jacob, Ludwig ausschuss „Sicherheit und Frieden“. Oberst a.D., freier Mitarbeiter am Insti- Foto-/Grafiknachweis: Glatz, Rainer tut für Theologie und Frieden, Hamburg; AMI/NL-Delg. (3), Archiv (3), Generalmajor, amtierender Befehls- Mitglied im GKS-Sachausschuss C. Auer (6), H. Berners(4), BMVg/ haber Einsatzführungskommando „Sicherheit und Frieden“. BPA/BTag (4), F. Brockmeier (12), Potsdam. Jermer, Helmut K. Dehmleitner (1), DHM (1), H. Dorndorf (1), K. Feineis (2), Heinemann, Dr. Winfried Oberstleutnant a.D., Mitglied der GKS- W. Fröhler (4), N. Gremm (1), Sachausschüsse „Innere Führung“ und Oberst, Referatsleiter im Militärhisto- F-J. Hosse (3) Kh. Hornung (1), „Sicherheit und Frieden“. rischen Forschungsamt der Bundes- Internet (4), D. Kilian (1), wehr Potsdam; Mitglied im Bundes- Kilian, Dieter K.H. Klein (2), KMBA/Beyel (10), vorstand und Pressesprecher der Oberst a.D., ehem. Militärattaché in Is- S. Nüßle (4), OVZ (1), G. Pape (1), GKS. lamabad/Pakistan und in Riyad/ T. Pinzka (1), PS (10), W. Puth (1), Saudi-Arabien. L. Saurbier (1), F. Thiele.

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 115 VERMISCHTES Termine • Termine • Termine

Termine 2007 Bereichskonferenzen/Arbeitskonferen- 10.01.07 Vorstandssitzung ZV in Berlin zen/Familienwochenenden 11.01.07 Int. Soldatengottesdienst in Köln KLMD Kiel/Glücksburg/GKS Nord/Küste 26.01.07 J-Empfang MGV für Vorst ZV u. EA 24.-26.03.07 AK/BK in Salem 27.01.07 Vorstandssitzungen ZV und EA Berlin 19.-21.10.07 AK/BK in Bünsdorf 01.02.07 Friedensgottedienst in Hildesheim KLMD Hannover/GKS NS-Bremen 22.-24.02.07 Tagung Justita et Pax, SA Mission- 16.-18.02.07 AK in Dassel Entwicklung-Frieden in Speyer 30.03.-01.04.07 BK in Worphausen 19.-23-03.07 Gesamtkonferenz der Pfarrhelfer 09.-11.11.07 AK in Duderstadt

30.-31.03.07 Tagung Justia et Pax in Bonn/Köln GKS Nordrhein-Westfalen 16.04.07 EA-Sitzung in Bonn 15.-17.06.07 BK in Kirchhundem-Rahrbach 22.-24.04.07 Vorstand ZV in Augsburg Leitershofen 30.09.-05.10.07 GKS-NRW: Familienwerkwoche in 25.04.07 Verwaltungsrat Kath. Soldatenseelsorge Kirchhundem-Rahrbach 25.-27.04.07 Haupttagung der GKMD in Fulda GKS Rhld-Pfalz/Hessen/Saarland 25.-28.05.07 BK in Hübingen 25.-29.04.07 I. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 07.-09.12.07 BK, Kloster Maria Engelport 04.-05.05.07 Vollversammlung ZdK 09.-15.05.07 49. Soldaten-Wallfahrt nach Lourdes KLMD München/Sigmaringen GKS Bayern u. Bad-Württembg 31.05.-03.06.07 BV-Sitzung mit Ehefrauen in Passau 20.-22.04.07 AK/BK in Untermarchtal 06.-10.06.07 II. Seminar 3. Lebensphase Cloppenburg 06.-08.07.07 AK/BK in Reimlingen 06.-10.06.07 31. Dt. Ev. Kirchentag in Köln 16.-18.11.07 AK in Wertach

22.-24.06.07 Vorstand ZV mit Ehepartnern in KLMD Erfurt/GKS Bereich Ost Augsburg-Leitershofen 27.07.-04.08.07 Jugendfreizeit in Österreich GKS-Sachausschüsse 30.08.07 Verwaltungsrat Kath. Soldatenseelsorge SA „Innere Führung“ im Albertinum, Bonn: 29.01., 19.03., 30.07., 17.09., 26.11. 20.08.07 EA-Sitzung in Bonn SA „Sicherheit und Frieden“ 15.-17.09.07 Vorkonferenz zur Woche der Begegnung im Albertinum, Bonn: 09.02., 05.05., 26.10. in Augsburg-Leitershofen in Berlin 29.06.-01.07.07 gem. mit „InFü“ 17.09.-22.09.07 Woche der Begegnung in Augsburg- Internationaler SA Leitershoven 18.10.07 Vorstandsgespräch GKS-pax christi, Bonn Vorschau 2008 22.-26.10.07 52. Gesamtkonferenz der kath. 16.-20.04.08 Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg Militärseelsorger in Bensberg 21.-27.05.08 50. Soldaten-Wallfahrt nach Lourdes 24.-28.10.07 Seminar 3. Lebensphase Nürnberg 21.-25.05.08 97. Dt. Katholikentag, Osnabrück 26.-27.10.07 Herbsttagung Justia et Pax in Berlin 15.-20.07.08 Weltjugendtag Sydney 10.11.07 Vorstandssitzung ZV in Berlin 20.-24.10.08 53. Gesamtkonferenz 22.-26.10.08 Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 16.11.07 EA-Sitzung in Fulda 21.-22.11.08 Vollversammlung ZdK 23.-24.11.07 Vollversammlung ZdK 29.11.07 Verwaltungsrat Kath. Soldatenseelsorge Vorschau 2009 30.11.-02.12.07 Seminar für Funktionsträger der GKS in 15.-19.05.09 51. Soldaten-Wallfahrt nach Lourdes der Wolfsburg in Mühlheim 20.-24.05.09 32. Dt. Ev. Kirchentag in Bremen Vorschau 2010 12.-16.05.10 2. Ökumenischer Kirchentag in München

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: AGKOD – Arbeitsgemeinschaft Katholischer Organisationen Deutschlands, AK KLMD – Ar- beitskonferenz beim Katholischen Leitenden Militärdekan in ..., AMI – Apostolat Militaire International, BK – Konferenz der GKS im Bereich ..., BuKonf – Bundeskonferenz, BV GKS – Bundesvorstand der GKS, EA – Exekutivausschuss, GKMD – Gemeinschaft der katholischen Männer Deutschlands, IS – Internationaler Sachausschuss, MGV – Militärgeneralvikar, SA InFü – Sachausschuss „Innere Führung“, SA S+F – Sachausschuss „Sicherheit und Frieden“, SA KI – Sachausschuss „Konzeption und Information“, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Begegnung, ZV – Zentrale Versammlung, VV ZdK – Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

116 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 VERMISCHTES

LANDMINEN-REPORT 2006: Mehr Minen geräumt als je zuvor

vergangenen Jahr wurden größere Gebiete seien es nun zwischen 15.000 und 20.000, sagte Imvon Minen geräumt als je zuvor. Dabei ent- Stan Brabant von „Handicap International“. Zu- spricht die Gesamtfläche von 740 Quadratkilometern dem seien mittlerweile 151 Staaten dem Abkommen fast der Größe der Stadt Berlin, wie aus dem am 13. zur Ächtung von Anti-Personen-Minen beigetreten. September 2006 in Brüssel und Genf vorgestellten Dagegen unterzeichneten nach wie vor 40 Staaten „Landminen-Monitor-Report 2006“ hervorgeht. Welt- das Abkommen nicht, darunter China und die USA. weit wurden demnach bei Räumprogrammen rund 470.000 Landminen zerstört. 78 Staaten in Gefahr Weltweit sind dem Minen-Report zufolge wei- Minenopfer terhin 78 Staaten von der Gefahr betroffen, die von Laut Studie ist die Zahl der durch Minen Getöteten Landminen und nicht explodierten Geschossen aus- und Verletzten im vergangenen Jahr dennoch gestiegen. geht. Zudem litten bis zu 500.000 Menschen unter So wurden 2005 offiziell rund 7.300 Fälle registriert, den Folgen eines Unfalls mit Landminen oder Blind- elf Prozent mehr als 2004. Die Gesamtzahl sei aufgrund gängern. Brabant beklagte, dass die internationalen der Dunkelziffer aber vermutlich doppelt so hoch. Jedes Ausgaben für Anti-Minen-Programme 2005 im Ver- fünfte Opfer sei ein Kind gewesen. Die Studie führte gleich zu 2004 um 18 Millionen auf etwa 295 Milli- den Anstieg der Opferzahlen auf bessere Möglichkeiten onen Euro zurückgegangen seien. Auch die EU habe der Erhebung sowie auf Konflikte in Ländern wie Bir- ihre Mittel gekürzt. Der Landminen-Monitor wird seit ma, Nepal, Indien und Pakistan zurück. 1998 von der „Internationalen Kampagne für das Ver- Zugleich sprachen die Anti-Rüstungsorganisa- bot von Landminen“ (ICBL) erstellt. Die ICBL ist ein tionen von bedeutenden Fortschritten im Kampf Zusammenschluss verschiedener Nichtregierungs- gegen Landminen. Während es Mitte der 90er Jah- organisationen, dem auch „Handicap International“ re schätzungsweise 26.000 Tote und Verletzte gab, angehört. (KNA)

BUCHBESPRECHUNG Menschenrechte Janne Haaland Matláry: „Veruntreute einheit für die Familie. Dieses Paradoxon die die Naturrechtstheorie sowie eine Analyse Menschenrechte. Droht eine Diktatur sieht Matláry als „symptomatisch für eine der Gegenwartsgesellschaft umfasst. Matláry des Relativismus?“ Sankt Ulrich Verlag, tiefere Krise in der europäischen Politik: die beschreibt die zentrale Bedeutung der Men- Augsburg 2006, geb., 208 Seiten Krise einer zunehmenden Irrationalität und schenrechte in der Politik des verstorbenen eines wachsenden Relativismus“. Ihr Buch ist Papstes Johannes Paul II. und zeigt, wohin „Die Menschen- Joseph Ratzingers – heute Papst Benedikt rechte sind jedem eine intellektuelle Kampfschrift von höchstem Niveau und mit einer Menge Sprengstoff für XVI. – Analyse des Relativismus und der De- Menschen ange- mokratie führt: zu einer klaren Wiedereinset- boren, sie sind die gesellschaftspolitische Diskussion – auch hierzulande – gefüllt. zung der Grundbegriffe der naturrechtlichen allgemeingültig Anthropologie, die sie zu Beginn des Buches und unveräußer- Matláry beschreibt den anthropologischen Ausgangspunkt der europäischen Politik mit als das eigentliche Defizit der europäischen lich“, heißt es in Demokratie diagnostiziert hat. der „Allgemeinen seinen unveränderlichen und übergesetz- lichen Prinzipien der menschlichen Natur, Matláry entlarvt in ihrer scharfsinnigen Erklärung der Analyse die „Diktatur des Relativismus“ als Menschenrechte“ die Mainstream-Protagonisten in so genann- ten liberalen Gesellschaften heute als ver- Triebfeder einer menschenverachtenden Poli- der Vereinten tik moralischer Beliebigkeiten, die als tolerant meinlich intolerant ablehnen. So gilt es als Nationen. Dass verkauft wird. Die Wissenschaftlerin tut dies nicht „politically correct“, die auf der Ehe westliche Politiker in engagierter und gut verständlicher Sprache und Lobbyisten gegründete Familie als Norm anzuerkennen und macht ihr Buch damit zu einer Orientie- keine 60 Jahre nach der Unterzeichnung dieser und gleichgeschlechtliche Partnerschaften bei rungshilfe und zu einem Manifest für alle, Resolution begonnen haben, die Menschen- der Definition von „Ehe“ und „Familie“ klar denen tragfähige Werte für das menschliche rechte als Basis für Demokratie und Rechts- auszuschließen. Anschaulich und fachkundig Miteinander wichtig sind. staatlichkeit aufzuweichen und auszuhöhlen, zeigt Matláry, wie politische Prozesse, die von Die Autorin: Janne Haaland Mátlary, ge- das weist die norwegische Professorin für In- Interessensgruppen beeinflusst werden, die boren 1957, ist Professorin für Internationale ternationale Politik Janne Haaland Matláry in Menschenrechte verändern. Damit verlieren Politik an der Universität Oslo. Die Mutter von ihrem neuen Buch nach. Das Vorwort schrieb die Menschenrechte, wie sie im Westen als vier Kindern war von 1997 bis 2000 Vizeau- der politische Altmeister Otto von Habsburg. Kriterium für die Beurteilung von Rechtsstaat- ßenministerin von Norwegen. Mit 25 Jahren Matláry zeigt, dass europäische Politiker lichkeit gelten, ihren Status als übergesetzlich konvertierte sie zur kath. Kirche und sah sich es paradoxerweise ablehnen, die Menschen- und allgemeingültig. Den Ausweg zeigt Matláry im säkularisierten Milieu ihres Heimatlandes rechte, für deren Einhaltung Europa und der mit der Rückkehr zur klassischen Tradition deshalb lange Zeit persönlichen Anfeindungen Westen international Vorreiter sind, zugleich des Rationalismus. Die „reichste und mo- ausgesetzt. Sie ist Mitglied der Päpstlichen inhaltlich objektiv festzulegen, zum Beispiel dernste Variante dieser Tradition“ findet sie Räte für die Familie und für Gerechtigkeit und die Ehe zwischen Mann und Frau als Grund- in der Soziallehre der katholischen Kirche, Frieden. (PS/Verlag)

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 117 VBUCHBESPRECHUNGENERMISCHTES

Reiseführer Christlicher Glaube Petra Altmann: „Atem holen im Kloster. Scott Hahn: „Geheimnis und Gefolg- Interpretation als Familiengründung überzu- Ein Reiseführer für Körper, Geist und schaft. Die Kraft der Sakramente“. leiten. Hahn deutet die Zugehörigkeit zu einer Seele“. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2006, Familie als Grundbedürfnis des Menschen und 2006, geb., 176 Seiten, zahlreiche farbi- geb., 192 Seiten. Grundstruktur der Gesellschaft, von der natür- ge Abbildungen. Das neue Werk des lichen Familie mit Vater, Mutter, Kind bis zu gesellschaftlichen Zusammenschlüssen, deren Prachtvolle amerikanischen Namen an familiäre Bindungen erinnern: etwa Architektur, Theologen und die Universität als „alma mater“ – als „nähren- geheimnis- Bestseller-Autors de Mutter“ der Hochschulabsolventen. volle Gärten, Scott Hahn bietet Temporeich und unterhaltsam bietet Stille und eine ungewohnte Hahn einen fundierten Durchgang durch die Spiritualität Perspektive auf die Bedeutungsgeschichte des Begriffs „Fami- – seit jeher Sakramente der lie“ im Christentum. Er zeigt, dass „Familie“ üben Klöster Kirche, die sich in zur Zeit Jesu einen weit größeren Verband als ganz be- den Begriffen von umschloss als heute – gemeint waren die er- sondere Orte Geheimnis und weiterte Familie, der Stamm, die ganze Sippe zwischen Gefolgschaft aus- – und schildert anhand zentraler Bibelstellen Himmel und faltet. Die Sakra- und Beispiele aus Liturgie und Glaubens- Erde große mente Christi als praxis, stets genauestens belegt, wie sich die Faszination Bundesschluss, Gemeinschaft der Christen bis heute im Bild aus. Die Treueversprechen und persönliche Lebensge- der Familie widerspiegelt. Hahn bleibt dabei Klosterspezia- meinschaft mit Gott. nicht an der Oberfläche, auch komplexere listin Petra Der Bibelkenner Hahn spürt in fesseln- theologische Sachverhalte bereitet er nach- Altmann stellt die schönsten Angebote von der Sprache der Frage nach, was ein Sakra- vollziehbar auf: In mehreren Kapiteln geht Klöstern in ganz Deutschland für körperliche ment überhaupt ist und was seine Wirkung er dem Wesen des Heiligen Geistes als dem und seelische Entspannung vor. Abt Odilo ausmacht. Auf knapp 200 Seiten legt er aus „ungeschaffenen Prinzip der Mutterschaft“ Lechner hat dazu das Vorwort geschrieben. der Bibel und der Tradition der Kirche dar, nach, dem weiblichen Charakter der Kirche Doch das informative Werk ist weit mehr wie Christen durch den Empfang von Taufe, als Braut Christi und der väterlichen Gestalt als ein Wellness-Ratgeber. Das reich be- Firmung oder Erstkommunion in ein ganz Gottes. Er zeigt, wie die menschliche Ehe und bilderte Buch lädt zum Schmökern ein, nicht direktes „Verwandtschaftsverhältnis“ mit Gott Familie durch körperliche, geistige und see- nur um das richtige Angebot für sich zu finden, treten und dadurch ihr Leben grundlegend lische Verbindung zum Abbild der göttlichen sondern es lässt mit hochwertigen Farbfotogra- verändern. Wie stets in seinen Werken geht Trinität werden. fien die Atmosphäre der vorgestellten Klöster Scott Hahn von seinen persönlichen Erfah- So führt der Autor den Leser von seiner lebendig werden. rungen aus und lässt den Leser an seinem eigenen Lebensgeschichte zu tieferen theolo- Die klösterlichen Angebote teilt Altmann eigenen Leben teilhaben. Verständlich und mitreißend stellt Scott Hahn dar, dass der gischen Reflexionen, um am Ende den Kreis zu in übersichtliche Schwerpunkte ein: „Le- schließen mit einer eingehenden Betrachtung benshilfe, Lebensorientierung“, „Meditation, Mensch der Gegenwart ebenso wie die großen Gestalten der Bibel eingeladen ist, durch die der Parallelen von Familienleben und dem Besinnung, Kontemplation“, „Meditation und Leben in der christlichen Gemeinschaft, jetzt Kreativangebote“, „Christliche Spiritualität“, Sakramente einen persönlichen Bund mit Gott einzugehen. wieder am Beispiel seiner eigenen Familie und „Stille Tage“, „Körper und Seele“, „Umwelt, ihres tief im christlichen Glauben verwurzelten Natur, Gartenkultur“. Jeder kann auswählen, Besondere Aufmerksamkeit schenkt der Autor dabei der christlichen Ehe, die wie Alltagslebens, aus dem er lebensnah und mit ob er ein Angebot „vor seiner Haustür“ wahr- großer Offenheit erzählt. nehmen oder eine weitere Reise antreten will. kein anderes Sakrament das Bündnis zwischen Christus und seiner Kirche versinnbildlicht. „Gottes Familie“ wird dadurch zum Lese- Auswahlkriterium der Autorin, die jedes Klos- stoff nicht nur für eingefleischte „Hahn-Fans“, ter selbst besucht hat, waren das besondere Auch in diesem Zusammenhang nimmt der Autor den Leser mit in seine persönliche Le- sondern für jeden Gläubigen, der sich mit Angebot für die Gäste und die Erfahrung der zentralen Begriffen des Glaubens und ihrer Ordensleute im Umgang mit Gästen. Denn im benswelt. Ein sehr amerikanisches Buch mit der Kraft und dem Bekennergeist einer jungen Wirkung bis ins alltägliche Leben auseinan- Gegensatz zu einem Hotel ist die Atmosphäre dersetzen will. im Kloster sehr persönlich, man plaudert bei Kirche, das auch von europäischen Christen mit Gewinn gelesen werden kann. (PS/Verlag) Der Autor: Scott Hahn (Jg. 1957), ist Pro- Tisch miteinander oder kommt bei den Ver- fessor für Theologie und Bibelwissenschaft an anstaltungen ins Gespräch. Hier muss sich der Franziskanischen Universität in Steuben- niemand einsam fühlen, aber auch, wer das Scott Hahn: GOTTES FAMILIE. Leben ville/Ohio. Der amerikanische Bestsellerautor Alleinsein sucht, ist willkommen. in der Liebe. Sankt Ulrich Verlag, Augs- und gefragte Redner konvertierte 1986 von den Die große Vielfalt – sowohl der unter- burg 2006, geb., 192 Seiten. Presbyterianern zur kath. Kirche. Er ist verhei- schiedlichen Angebote für Männer, Frauen, Von der Schöp- ratet und hat sechs Kinder. (PS/Verlag) Jugendliche und Familien als auch der ein- fungsgeschichte zelnen Klöster, die in Bildern und Texten zu über das Neue Lage, Geschichte und Besonderheiten vor- Testament bis „Die Psalmen ausgelegt von Johannes gestellt werden – macht das Buch zu einer zur alltäglichen Paul II. und Benedikt XVI. Das Abend- Entdeckungsreise durch die schönsten Klöster Glaubenspraxis gebet der Kirche“ Sankt Ulrich Verlag, Deutschlands, die von Wellness und Heilkun- war und ist „Fami- Augsburg 2006, de über Gastronomie und Kunst auch Möglich- lie“ ein zentraler geb., 353 Seiten. keiten zum „Kloster auf Zeit“ anbieten. Da ist Begriff des Chris- Jeden Mitt- garantiert für jeden etwas dabei! tentums. Welchen woch haben Papst Die Autorin Dr. Petra Altmann war nach Stellenwert Familie Johannes Paul II. dem Studium der Kommunikationswissen- für Christen hat, und sein Nachfolger schaften rund 20 Jahre in Buchverlagen tätig. zeigt Scott Hahn in Benedikt XVI. auf Heute arbeitet sie als freie Journalistin und allen Facetten in dem Petersplatz bei Buchautorin. Seit Jahren beschäftigt sie sich seinem Buch auf. der Generalaudienz mit Ordengeschichte sowie den Traditionen Hahn steigt mit den Erinnerungen an einen Psalm des und aktuellen Angeboten der Klöster. Regel- die Vorgeschichte seiner eigenen Ehe und Stundengebetes der mäßig verbringt sie selbst Tage im Kloster – als Familiengründung mit Kimberly in einer sehr Kirche erschlossen: stille Zeit oder im Rahmen von Seminaren und persönlichen Sprache ins Thema ein, um eine immer junge Exerzitien. (PS/Verlag) dann zur Schöpfungsgeschichte und ihrer geistliche Quelle für

118 AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 BUCHBESPRECHUNGENVERMISCHTES

alle, die aus dem tiefen Herzen der Kirche Teil Deutschland, Italien, die Niederlande, miert eine kürzlich erschienene Broschüre beten und schöpfen wollen. Die 150 Psalmen Spanien, Griechenland, Großbritannien und des weltweiten katholischen Hilfswerks Kirche mit ihrer Auslegung durch die beiden Päpste Irland. In einem dritten Teil behandelt das in Not. Sie gibt einen Überblick über die Ge- sind jetzt in ihrem vollständigen Wortlaut im Werk das Verhältnis von Politik und Religion in schichte der Entfremdung und Trennung und Sankt Ulrich Verlag erschienen. einigen neuen und potentiellen Mitgliedsstaa- stellt Struktur, Glaube, Liturgie und Frömmig- Die Psalmen des Volkes Israel sind das ten der EU. Dabei handelt es sich um Beiträge keit der orthodoxen Kirchen vor. zentrale Gebetbuch des Alten Bundes und der zu Polen, der Slowakischen Republik, Malta, Im Vorwort erinnert der Bischof von Augs- Kirche Jesu Christi. Die alten Texte sind von der Türkei, Bosnien-Herzegowina und der burg, Walter Mixa, an den Auftrag Christi, einzigartiger Kraft und inhaltlicher Schön- Ukraine. Der abschließende vierte Teil nimmt nach der Einheit aller Christen zu streben, heit. unter dem Titel „Religiöser Pluralismus und die nur aus einer Haltung des Respekts und Dem jeweiligen Bibeltext folgt in dem die Erweiterung und Integration der EU“ wie- im gemeinsamen Suchen nach den fundamen- hochwertig gestalteten Band die Auslegung der eine gesamteuropäische Perspektive ein. talen Gemeinsamkeiten in Liebe erwachsen durch den Papst. Die Gliederung richtet sich Der Sammelband besteht insgesamt aus könne. chronologisch nach den Wochentagen, und 23 Beiträgen, die Experten zu den einzelnen Die Begegnungen von Papst Benedikt jedes Kapitel ist genau datiert. Voraus gehen Bereichen verfasst haben. Es blieb daher auch in Istanbul mit dem Ökumenischen Patri- den einzelnen Auslegungen Einführungen von nicht aus, dass einige wenige der Beiträge archen Bartholomaios I., aber auch mit dem Papst Johannes Paul II. zur Bedeutung und zum in englischer Sprache geschrieben worden armenisch-orthodoxen Patriarchen Mesrob Aufbau der Vesper. Die wöchentliche Ausle- sind. Bei diesem Aufsatzband handelt es sich II. und dem syrisch-orthodoxen Metropoliten gung der Psalmen bei den Mittwochsaudienzen im Wesentlichen um ein wissenschaftliches Filoksenos sowie die gemeinsame Erklärung bildet eine wunderbare Klammer zwischen Werk, das jedoch durch seine einzelnen Län- vom 30. November hätten das Interesse der den Pontifikaten von Johannes Paul II. und derberichte einen sehr abwechslungsreichen Öffentlichkeit wieder auf die östlichen Kirchen Benedikt XVI. (PS/Verlag) Charakter hat. Die einzelnen Länderberichte gelenkt, schreibt der Autor der Broschüre. sind angenehm zu lesen, da man hier einen Er weist darauf hin, dass schon Papst historischen Abriss zu der Bedeutung der ein- Johannes Paul II. erklärt habe, dass es seiner zelnen Religionen und deren Stellung in den Ansicht nach im 21. Jh. keine wichtigere Politik und Religion einzelnen Nationen von der Vergangenheit bis Aufgabe für die katholische Kirche gebe, als Hartmut Behr/Mathias Hildebrandt in die supranationale Gegenwart erhält. Jeder der sich in den nächsten Jahren für die Versöhnung mit den orthodoxen Kir- (Hrsg.): „Politik und Religion in der chen zu arbeiten. Benedikt XVI. habe dieses Europäischen Unon“. VS Verlag für ernsthaft mit dem Thema „Politik und Religi- on in der Europäischen Union“ beschäftigen Anliegen gleich in seiner ersten Predigt nach Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, der Wahl zum Papst als besonders vordringlich geb., 500 Seiten. möchte, wird um dieses Werk nicht herumkom- men werden. (Frank Geldmacher) aufgegriffen und bestätigt. Das Thema Politik und Religion erfasst „Es gibt so viele Missverständnisse“, seit geraumer Zeit die Europäische Union und bedauert Pelster; aber auch wenn manche dies vornehmlich unter zwei Gesichtspunkten: theologischen Fragen noch offen seien, sei so haben wir auf der einen Seite die Europä- Orthodoxe Schwesterkirchen die Kirchenspaltung „nicht in erster Linie ische Union mit ihren Richtlinien, die das eine Frage der Lehre, sondern eine Frage der Verhältnis von Politik und Religion betreffen Berthold Pelster: „Die Liebe wieder her- Liebe“. Man könne aber nur jemanden lieben, und die für alle Mitglieder verbindlich sein stellen – Wiederentdeckung der ortho- den man kenne. sollen und auf der anderen Seite stehen dem doxen Kirchen als Schwesterkirchen“, Die Broschüre kann unentgeltlich die Frage von Politik und Religion im Allge- Hrsg. KIRCHE IN NOT; 86 Seiten. angefordert werden bei: KIRCHE IN NOT, meinen und die Beziehung von Kirche und Über die „Wiederentdeckung der ortho- Postfach 701027, 81310 München, Staat im Besonderen in ihren spezifischen mit- doxen Kirchen als Schwesterkirchen“ infor- Telefon: 089-7607055. (ZENIT) gliedsstaatlichen Ausprägungen gegenüber. So besteht zwischen diesen Gesichtspunkten ein Spannungsverhältnis, das durch die einzelnen Ethik für Soldaten Beiträge in diesem Sammelband eingefangen wird. So wird in diesem Werk besonders deut- Christian Weber: „Im Auftrag für Frei- Trotz dieser Einschränkung aus Verbands- lich, dass vor allem die Gegenüberstellung von heit und Frieden. Versuch einer Ethik sicht der GKS ist dieser „Versuch einer Ethik nationalen Traditionen und Europäisierung für für Soldaten der Bundeswehr. Miles-Ver- für Soldaten der Bundeswehr“ zu begrüßen, die neuen und potentiellen Mitgliedsstaaten lag, Berlin 2006; 123 Seiten. weil trotz der Stellung deutscher Soldaten als eine große Herausforderung darstellt, da sie Der Autor, emeritierter Professor für „Staatsbürger in Uniform“, denen glücklicher- nicht wie die alten Mitgliedsstaaten über jahr- Evangelische Theologie (1974 bis 1992 an der weise in der deutschen Nachkriegsgeschichte zehntelang mit der EU und ihren Richtlinien Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr eine Sonserstellung verwehrt wurde, nie eine wachsen konnten. in Hamburg), unternimmt den Versuch, eine breite Diskussion über die Ethik des Soldaten Der Sammelband ist die vierte Publikati- Ethik für Soldaten der Bundeswehr zu entwi- in der Öffentlichkeit geführt wurde. In ande- on des Arbeitskreises “Politik und Religion” ckeln. Mit diese Studie verbindet der Verfasser ren, befreundeten Armeen ist das anders. Dort der Deutschen Vereinigung für Politische Wis- – wie es im Vorwort heißt, „die Absicht, eine gibt es, wie Weber schreibt, eine Tradition der senschaft (DVPW). Der Arbeitskreis versteht Diskussion über Fragen anzuregen, die im „Military Ethics“. Sich daran anzuschließen sich selber als ein politikwissenschaftliches, Problemfeld ‚Soldat und Ethik‘ beheimatet und damit eine Lücke zu schließen ist die aber auch interdisziplinäres Arbeitsforum, das sind. Zugleich soll damit auch eine Leerstelle Absicht des Verfassers. sich stärker auf die Beziehung zwischen Politik in der geistigen Orientierung des Soldaten Wenn in dieser Studie auch die protes- und Religion fokussiert, um die Thematik so ausgefüllt werden.“ tantische Sicht vorherrscht, stellt sie doch für ein Stück weiter in der politikwissenschaft- Gerade diese Ausgabe der GKS-Zeit- die Mitglieder der GKS eine empfehlenswerte lichen Forschung zu etablieren. schrift AUFTRAG zeigt erneut, dass es im Anregung dar für die innerverbandliche Dis- Im Wesentlichen konzentriert sich der Bereich der Katholischen Militärseelsorge und kussion und darüber hinaus. GKS-Mitglieder Sammelband auf vier Themenfelder. So werden Laienarbeit in der GKS solche „Leerstellen“ können die Broschüre zu einem Sonderpreis im ersten Teil Europa und die Europa-Idee seit den Gründungstagen der Bundeswehr von 10 Euro, statt 12,80 Euro im Handel, im Spiegel der jüdischen, christlichen und nicht gibt. Allein seit 20 Jahren lädt die GKS erwerben. Bestellungen sind per Email unter islamischen Religion reflektiert und analy- gerade junge Vorgesetzte alle zwei Jahre ein, Angabe der GKS-Mitgliedschaft zu richten siert. Im zweiten Teil widmet sich der Band sich in Seminaren der hierarchiefreien Aka- an: . Bei Be- dem Verhältnis von Politik und Religion in demie „Oberst Helmut Korn“ mit ethischen stellungen von mindestens 10 Ex. gewährt ausgewählten alten Mitgliedsstaaten der Euro- Sinn- und Grenzfragen des Soldatenberufs der Verlag einen Sonderpreis von 8 Euro je päischen Union. Behandelt werden in diesem auseinanderzusetzen. Exemplar. (PS)

AUFTRAG 264 • DEZEMBER 2006 119 KOPFZEILE

Impressum AUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) und er- Das Kreuz der GKS scheint viermal jährlich. Das »Kreuz der GKS« ist das Symbol Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2, der Gemeinschaft Katholischer Soldaten. 10117 Berlin Vier Kreise als Symbol für die GKS-Kreise www.katholische-soldaten.de an der Basis formen in einem größeren Redaktion: verantwortl. Redakteur Paul Schulz Kreis, der wiederum die Gemeinschaft ver- (PS), Oberstleut nant a.D., Satz und Layout; sinnbildlicht, ein Kreuz, unter dem sich Klaus Brandt (bt), Oberstleutnant a.D., Redak- teur; Betram Bastian, Oberstleutnant a.D., katholische Soldaten versammeln. Redakteur, Helmut Fettweis (HF), Oberst a.D., Redakteur e.h. Zuschriften: Redaktion AUFTRAG c/o Paul Schulz, Postfach 27 06 21317 Lüneburg, Tel/Fax: 04131–220768, e-Mail: [email protected] Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Namensartikel werden allein vom Verfasser verantwortet. Nicht immer sind bei Nachdrucken die Inhaber von Rechten feststellbar oder erreichbar. In solchen Aus- Der Königsteiner Engel nahmefällen verpflichtet sich der Herausgeber, Der »siebte Engel mit der siebten Posaune« nach-träglich geltend gemachte rechtmäßige (Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoffnung, Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen der die uneingeschränkte Herrschaft Gottes zu vergüten. Druck: Köllen Druck & Verlag GmbH, ankündigt. Dieser apokalyptische Engel am Ernst-Robert-Curtius-Str. 14, 53117 Bonn. Haus der Begegnung in Königstein/Ts., dem Überweisungen und Spenden an: Grün dungsort des Königsteiner Offi zier kreises GKS e.V. Berlin, Pax Bank eG Köln, BLZ: 370 601 93, Konto-Nr.: 107495018. (KOK), ist heute noch das Tra di tionszeichen der GKS, das die katholische Laienarbeit in Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit der Militärseelsorge seit mehr als 40 Jahren Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe. Nach bestellung gegen begleitet. eine Schutzgebühr von EUR 5,- an den ausliefernden Köllen Verlag.

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