Hymni Inediti. Liturgische Hymnen Des Mittelalters
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4 I I I ANALECTA HYMNICA MEDII AEVI. Herausgegeben von Clemens Blume und Guido M. Dreves. XLII. SEQIIENTIAE INEDITAE. r Liturgische Prosen des Mittelalters. Achte Folge. —^pe^^ Leipzig. 0. K. R e i s 1 a n d. 1903. SEQUBNTIAE INEDITAE. Liturgische Prosen des >> Mittelalters aus andschriften und Friihdrucken. Aehte Folgre herausgegeben von Clemens Blume S. J. Leipzig, 0. R. R,e i s l a n (1. JUN - 8 1958 I b B Z 2 VOKWORT. Englischen Ursprunges waren vorwiegend jene Sequenzen, welcbe Bannister iin letzten Sequenzenhefte (Anal. Hyran. XLj publicierte, wahrend die Prosen des 39. Bandes eine Art von frauzosischem Prosar bildeten. Die vorliegende achte Folge der „Sequentiae Ineditae" zeigt demgegeniiber laut Provenienz der Quellen einen internationalen Charakter. Unser oberstes und praktisch einzig durchfuhrbares Einteilungsprinzip, die ver- schiedenen Dichtungen nach den liturgisch gebrauchlichen Gruppen DeTempore, DeBeata, DeSanctis, DeCommuniSS. zu ordnen, liefs sich namlich im vorliegenden Bande mit jenem nach der Provenienz nicht vereinigen. Fiir jene Interessenten, welche den an sich berechtigten Wunsch hegen, die Hymnen, Tropen , Sequenzen , Cantionen etc. nach ihrem Ursprunge uud ihren Quellen zusammengestellt zu sehen, sei nochmals betont, dafs nach Abschlufs unserer Publikationen durch eines der General- register diesem Wunsche reichlichst wird Rechnung getragen werden. Von den handschriftlichen Quellen scheinen einige wenige ein kurzes Geleitwort zu erheischen. 1. Raveniia besitzt auf seiner Bibliotheca Classensis im Cod. 360 (friiher 139. 5. S.) ein sehr reichhaltiges Sequentiar, das im Unterschiede von den liturgischen Sequentiarien, welche nur Sequenzen fiir den Gottesdienst in einer bestimmten Kirche oder Diocese enthalten, sich als das Produkt des Sammel- fleifses eines Sequenzenfreundes , somit als ein Privatsequentiar prasentiert. Wie u. a. um das Jahr 1462 mehrere Cistercienser zu Camp, 1507 Brander in St. Gallen, 1572 Lovel in Amiens, so sammelte nach Ausweis der Chiffren und Jahresangaben, welche gegen Schlufs unseres Codex den Initialen eingezeichnet sind, in den Jahren 1585 — 1587 ein gewisser Adam aus den ver- schiedensten Mefsbilchern eine grolse Anzahl von Sequenzen. Er ordnete dieselben nach den Tagen des Festkalenders , an- gefangen vom 1. Januar bis Enrte Dezember; auf verschiedene Feste der Heiligen, fiir welche er entweder keine entsprechende Sequenz vorfand oder die er durch zwei und mehr Sequenzen ausgezeichnet sehen wollte, dichtete er selbst eine Prosa. Eine ganze Reihe solcher Sequenzen nanilicb , die sich in keiner anderen Quelle nachweisen lassen, tragt ein ganz eigeutumliches, auffallendes Geprage der Diktion, wodurch unschwer und ohne jeden Zweifel dieselben als das Werk eines und desselben Verfassers erkannt werden. Dieser Verfasser aber ist allen An- zeichen nach der Schreiber des Codex, der sich durch die er- wahnte Chififre als Adam zu erkennen gibt. Denn gerade in den eigenartig stilisierten Sequenzen sind ofters vom Schreiber bedeutende Korrekturen vorgenomuien ; oder es ist gar ein Strich von oben bis unten durch manche Sequenz gezogen , am Rande der Vermerk .,Non valet" beigefugt, und dann eine Umarbeitung ini wir der kassierten Pi6ce, aber gleichen, auffallenden , sagen nur sofort abnormen Stile angehangt. Der ganze Codex mit seinen 477 Prosen, von gleicher Hand geschrieben, stellt sich somit als das Werk eines Sequenzensammlers und Sequenzen- dichters heraus; etwa 300 sind das Produkt seiner Muse, der Rest ist auderen Quellen entlehnt. Diese entlehnten Sequenzen nun finden sich vorwiegend in franzosischen Missalien, namentlich in jenen von Paris und Bayeux ; ein grofser Prozentsatz deckt sich mit den Prosen jenes Sequentiars von St. Victor (Cod. Parisin. 14 872), das L6on Gautier bei seiner ersten Ausgabe der Dichtungen Adams von St. Victor zu vertrauensvoll fiir die Feststellung echt Adamischer Sequenzen heranzog; iiberhaupt sind die Heiligen Frankreichs bevorzugt. All dieses lafst vermuten, dafs der Sammler und Dichter aus Frankreich gebiirtig ist. Es sind aber auch viele HeiligeNord- italiens durch Sequenzen ausgezeichnet , welche aus der Feder Adams stammen, und es fehlt darin nicht an Anspielungen auf — 7 — Ravenna uud seine Umgebuufr. Drangt nun schon das Vor- handensein des Codex in Ravenna zunachst zur Annahme, der- selbe sei auch dort geschriehen, wofern nicht bestimnite Anhalts- punkte auf eine andere Ursprungsstatte hinweisen, so gibt der er- wahnte Umstand dieser Annahnie einen festeren Halt. Ich glaube daher nicht fehlzugehen, wenn ich den Schreiber und Dichter Adam als einen Franzosen bezeichne, der in Ravenna bezw. Classe seinen Aufenthalt genommen, und wenn ich seine Prosensanimlung ein Sequentiarium Adami Gallo-Classensis nenne. Aus demselben habe ich vorliegendem Bande alle jene Ine- dita eingefugt, die nicht von Adam verfafst sind, soweit die- selben uicht schon aus anderen Quellen in den Analecta einen Platz gefunden haben. Unter ihnen beanspruchen zwei ein be- sonderes Interesse , namlich jene auf das Fest der Verklarung unseres Herren „In eadera specie" und diejenige auf den hl. Apollinaris „Laudemus Apollinarem". Von beiden war nach Gautier (II, p. 97 u. 112) bis jetzt nur der genannte Anfang bekannt, und nach der gleichen Quelle sollte Adani von St. Victor ihr Verfasser sein, eine Attribution, die Gautier spater mit Recht mindestens als zweifelhaft bezeichnet hat. Adam von Ravenna hat uns den Text bewahrt und dadurch zugleich die Moalichkeit geboten, die Attribution nicht nur als zweifelhaft, sondern als falsch zu erkennen. Die grofse Zahl der ubrigen Sequenzen, welche Adam von Ravenna selbst gedichtet hat, stelle ich einstweilen zuruek. Ich trug und trage noch Bedenken , dieselben zu publizieren. Der Ravennate Adam ist namlich das ausgepragteste Gegenteil von seinem beruhmten Namensvetter uud Landsmann, dem Victoriner Adam ; so glanzend und unubertroilen letzterer diclitete, so arm- selig und wohl auch unubertrofTen im entgegengesetzten Sinne erscheineu die poetischen Versuche des ersteren. Schlechte Ge- dichte dem Schicksale der Vergessenheit zu entreifsen, ist nun an sich wenig verlockend. Und doch, wenn es sich nicht um eine Blutenlese bandelt, sondern wenn es wie bei unseren Aualecta gilt, das verschuttete iMaterial fur eine Geschichte der Hymnodie moglichst vollstandig offen zu legen, darf der Wert oder Unwert einer Dichtung fur die Publikation nicht mafsgebend sein. Neben dem Lichte kann und darf der Schatten nicht fehlen; nicht — 8 - der Asthetiker, sondern der Literar- und Kulturhistoriker, fur den das Dustere nicht weniger Interesse hat als das Lichte, hat da an erster Stelle zu reden. Eigentlich ware dieses als etwas Selbst- verstandliches gar nicht hervor/uheben ; aber gewissen Kritikern scheint diese Einsicht nicht dammern zu wollen. Uberhaupt wurde es mit der Kenutnis der Hymnodie eigenartig bestellt sein, sollte dem subjektiven Ermessen und Geschmack des Ein- zelnen ilberlassen bleiben, was aus dem leider nur zu lange ver- deckten Hymnenschatze zu heben, was beiseite zu schieben und der Vergessenheit anheimzugeben sei. Manche Perle der Dichtung durfte da zum Schutt geworfen werden und verloren gehen. Hat doch z. B. Haur^au, dieser im iibrigen mit Recht gefeierte Gelehrte, iiber den sclidnen und tiefsinnigen Rhythmus des hl. Thomas vou Aquin „Adoro te devote" das frappierende Urteil gefallt: „Nous uous repr6seutous saint Thomas occupant ses loisirs k faire autre chose que ces ni6chantes rimes" (Notices et Extraits, IV. p. 184). Nicht viel besser klingt seine Ansicht iiber die liebliche Dichtung „Iesu dulcis memoria". Solche und manche ahnliche Urteile Haur^aus werden ihm als dem Gelehrten und Kritiker gern nachgeseheu; er liat eben da- durch nur bewiesen, dafs er nicht auch als Asthetiker zu feiern ist. Wer aber auf Haur6au als „kompetentea" Richter sich beruft, was in der Hymnodie als wertlos oder wertvoll aus- zuscheiden sei, der beweist dadurch, dafs er selbst auf diesera Gel)iete nicht kompetent ist. Nicht die Minderwertigkeit der Sequenzen Adams von Raveuna kann also Bedenken erregen, ob dieselbeu den „AnaIecta Hyiuuica" einzugliedern sind, sondern der Umstand, dafs Adam eiu Dichter des ausgehenden Ki. Jahrhunderts ist. Seine Dichtungen gehoren somit nicht zur Poesie des „Mittelalters", welche das Objekt unserer Publikationen ausmacht. Anderseits ist Adam von Ravenna durchaus kein Humanist; er schreibt unil reiiiit im Gegensatz zu den Humanisten ganz ini Stile der mittelalterlichen Dichter, versucht es wenigstens, ohne deren Vor- ziige im mindesten erreichen zu konnen. Somit steht er, wenn- gleich zeitlich schon davon getrennt, doch noch mit einem Fufse ini Reviere der mittelalterlichen Poesie, wie das ja bei mehreren Dichteru des 16. Jahrhunderts der Fall ist. Hatte er besser ge- — 9 — dichtet, so konnte ich mich eher geneigt zeigen, ihin aus dem genannten Grunde eiu gewisses Anrecht auf Aufnahme ein- zuraumen. Von Interesse fiir die Gedichte der Hymnodie bleibt er immerhin, und so behalte ich rair vor, gelegentlich eine Aus- w a h 1 von Proben seiner Sequenzen als Anhang eines spateren Sequenzenbandes mitzuteilen. 2. Ahnlicher Art wie die genannte Sequenzensammlung ist ein CoUectaneum religioser Hymnen Sequenzen und Can- , tionen, welches die Hofbibliothek zu Wien unter der Kr. 11857 besitzt. Es ist ebenfalls am Schlusse des Jahrhunderts und zwar von einem Bohmen geschrieben, welches aus den vielen darin gefeierten bohmischen Landesheiligen hervorgeht. Hier jedoch spricht nichts dafur, dals der Sammler zugleich auch Verfasser mancher