SWR2 Musikstunde
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SWR2 Musikstunde „Barockoper im Brennpunkt“ (3) Von Sabine Weber Sendung: 05. Juni 2019 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: 2019 SWR2 können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de, auf Mobilgeräten in der SWR2 App, oder als Podcast nachhören: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die neue SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. 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Und sehen nach, wie die Habsburger auf diese Einflüsse reagiert und was sie daraus gemacht haben. Musik 3.1 Antonio Cesti Ouvertüre zu Orontea Instrumentalensemble, René Jacobs LTG Programmübernahme WDR Länge: 4‘17 Die Ouvertüre zu Orontea von Antonio Cesti. Richtig! Von einem Italiener! Und klingt auch noch sehr nach frühbarocken Ritornellen. Und nach einem bunten Renaissance-Ensemble. Diese Oper über die fiktive heiratsunwillige ägyptische Königin Orontea wird 1656 in Innsbruck uraufgeführt. Dort, wo sich die Habsburger 1629/30 ihr erstes Theaterhaus gebaut haben und heute das Tiroler Landestheater steht. Das Genre Oper wird in der damaligen österreichischen Machtzentrale längst aufmerksam registriert. In Innsbruck residiert Erzherzog Ferdinand Karl. Und die absoluten Fürsten, Erzbischöfe, Könige und Kaiser brauchen repräsentative Musik. „Den Mittelpunkt höfischer Repräsentation im Barock bildet die Oper!“, so Friedrich Blume, ein Musikwissenschaftler, der den sozialgeschichtlichen Rahmen der Oper im habsburgischen Herrschaftsbereich auf den Punkt bringt. Und dass der Kaiserhof in Wien Kunst aus Italien importiert, ist nicht verwunderlich. Italien ist nicht weit weg! Viele italienische Opernmetropole gehören damals zum habsburgischen Herrschaftsbereich. Antonio, eigentlich Pietro Cesti ist ein Zeitgenosse Francesco Cavallis, der in unserer ersten Folge am Montag vorgestellt wurde. Cesti soll sogar bei einer Aufführung einer Cavalli-Oper mitgesungen haben. Das hat ihm allerdings einen Verweis eingetragen. Denn Cesti ist Franziskanermönch. Die Franziskaner folgen eigentlich besonders strenge Lebensregeln. Und Cesti ist bei Giacomo Carissimi in Rom in die musikalische Lehre gegangen, DEM Komponisten für Kirchenmusik der Gegenreformation. Aber geistliche Musik hat ja auch etwas Theatrales. Sie soll die Gläubigen ohne Worte rühren und überzeugen. Cesti sieht keinen Widerspruch zwischen Ordensgelübde, Opernsänger und Opernkomponist. Seine Orontea gilt im 17. Jahrhundert als einer der großen Hits. Und nachdem er zum Intendante delle musiche theatrale am Wiener Hof aufgestiegen ist, sorgt er für die aufwendigste und prunkvollste Aufführung, die jemals stattgefunden hat. Das hat er sich in Frankreich abgeguckt, wo ein Sonnenkönig sich gerade als Zentralgestirn der musikalischen Welt inszenieren lässt. Die Habsburger machen‘s nach! Vorneweg Herrscherlobhudelei! Die Arie über den österreichischen Ruhm aus dem Prolog dieser Superlativ-Oper, in der alle Reiche allegorisch auftreten: Spanien, Italien, das Königreich Ungarn, Sardinien, Böhmen … sogar America! Musik 3.2 Antonio Cesti Sinfonia und Arie de la Gloria Austriaca aus Il pomo d‘oro Francesca Aspromonte, Il pomo d‘oro, Enrico Onofri LTG Penta Tone PTC 5186646 Länge: 6‘12 Im Prolog bejubelt: österreichischer Ruhm. Das war die Aria de la Gloria Autriaca mit Francesca Aspromonte begleitet vom Ensemble Il Pomo d‘oro unter Enrico Onofri. Dieses italienische Ensemble hat sich wohl nach dieser Oper benannt. Il pomo d‘oro von Antonio Cesti. Pomo d‘oro bedeutet nicht Tomate, sondern goldener Apfel. Es geht darin um den Schönheitsstreit dreier Göttinnen, die mit einem goldenen Apfel gekürt werden. Quellen sprechen von 3000 Statisten, Hunderten von Pferden und über 200 Balletttänzern, neben fast 40 Opernrollen, die an den zwei Tagen in Wien zu erleben waren. Eigentlich ist das Werk zur Hochzeit Leopolds I mit der spanischen Infantin Margarita Teresa geplant gewesen. Das aufwendige Unternehmen ist aber erst zwei Jahre später fertig und findet dann eben 1668 zum Geburtstag der Kaiserin statt. Das Spektakel hat 8 Stunden gedauert. Einschließlich Pferdeballetten, für die Heinrich Schmelzer komponiert hat. Wie sich so ein Pferdeballett anhört? Hören Sie selbst! Musik 3.3 Heinrich Schmelzer Pferdeballett in C-dur Trompeten Consort Friedemann Immer, Salzburger Barockensemble MDG L3369 Länge: 4‘36 Das Pferdeballett in C-dur von Heinrich Schmelzer mit Courante, Follia und Sarabande im Pferdeschritt gespielt vom Trompeten Consort Friedemann Immer und dem Salzburger Barockensemble. Da könnte man sich jetzt die weißen Lipizzaner-Hengste der Wiener Hofreitschule vorstellen, für die Kaiser Karl VI den schönsten Reitsaal der Welt in die Hofburg bauen ließ. Heinrich Schmelzer hat diese Rossballettmusik am Habsburgischen Hof aber weit früher beigesteuert. Zur Aufführung einer Festoper, bei der auch schon Pferde getanzt haben. Zu Il pomo d‘oro von Antonio Cesti hat übrigens auch Kaiser Leopold I höchstpersönlich einige Arien beigesteuert. Für die folgende ist man aber sicher wieder in das Theater zurückgekehrt, das Leopolds Hofarchitekt Ludovico Ottavio Burnacini eigens für diesen Anlass gebaut hat. Musik 3.4 Leopold I A quanto è vero Elizabeth Dobbin, Sopran, Romina Lischka, Viola da gmaba, Le jardin secret COR 16074 Länge: 4’03 A quanto è vero von Kaiser Leopold I als Einlegelied zu Festoper Il pomo d’oro von Antonio Cestis komponiert. Mit Elizabeth Dobbins begleitet von Le jardin secret. In dieser Arie hat Venus gesungen, die aus dem Schönheitswettbewerb um den goldenen Apfel – il pomo d’oro – siegreich hervorgeht und Amor befiehlt, Paris zu unterstützen, damit er Helena gewinnt... Eine obligate Viola da gamba ist in Wien nicht ungewöhnlich gewesen, wie der Musikwissenschaftler Marc Strümper in einer Studie über dieses Instrument am Kaiserhof festgestellt hat. Die Habsburger Kaiser waren musikalisch. Leopold I gilt als der musikalischste Kaiser der Barockzeit. An die 230 Werke soll er komponiert haben. Und er hat sich von seiner musikalischen Mission so durchdrungen gefühlt, dass er in ungehörig persönlicher Weise mit den Komponisten an seinem Hof Umgang gepflegt hat! In der 2. Hälfte 17. Jahrhunderts ist ihm der Coup gelungen, den berühmten Antonio Cesti für den Wiener Hof zu gewinnen! „Nicht Italien, sondern Wien ist schon von langen Zeiten der Sammelplatz der vollkommensten Virtuosen gewesen, und man muß gestehen, daß zu Käyer Leopolds Zeiten alles das, was Italien in der music Vollkommenes hatte, ausgesucht und nach Wien gebracht ward… kommentiert der Wienbesucher Eucharius Gottlob Rinck. Der komponierende Kaiser hat seine Musikkapelle von 50 auf 76 Musiker erweitert. Sein Sohn Karl VI setzt noch eins drauf: er erhöht auf 107 Musiker! Da sind Opern Programm. Und der Bühnenarchitekt Giuseppe Galli-Bibiena sorgt für großen Bühnenzauber, unter anderem mit sensationellen Flugmaschinen. Francesco Galli-Bibiena, Bruder des vorher genannten, hat sogar einen prachtvollen Komödiensaal errichten dürfen. Der ist das Nervenzentrum der repräsentativen Prachtentfaltung. In dieser Wiener Opernschaltzentrale tritt Karl VI sogar als Dirigent von Opernveranstaltungen auf! Sein erklärter Lieblingskomponist kommt wieder aus Italien: Antonio Caldara. Musik 3.5 Antonio Caldara Non temer vassallo indegno Philippe Jaroussky, Concerto Köln, Emmanuelle Haïm LTG VIRGIN CLASSICS50999 648810 2 7 Länge: 3’29 Unverkennbar die Stimme von Philippe Jaroussky, hier begleitet von Concerto Köln unter Emmanuelle Haïm, die vom Cembalo aus geleitet hat. Die Arie des Temistocle Non temer vassallo indegno – ist ein Wutausbruch des Titelhelden, der einen verräterischen Vasallen in die Schranken verweist. Die Oper Temistocle ist eine der vielen, die Antonio Caldara für Wien komponiert hat. Wo Caldara geboren ist, weiß man übrigens nicht. Man vermutet in Venedig, weil er in Quellen zu seiner ersten Oper ein „Veneziano“ genannt wird. In Mantua und in Rom hat er gearbeitet, bevor er 1717 am Wiener Hof von Karl VI als Komponisten-star regelrecht hofiert wird. 1733 darf er als erster ein frisch fertig gestelltes