G.F. Händel: Brockes-Passion 2019
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Anna Karmasin • Anna-Lena Elbert, Sopran Andreas Pehl, Altus Max Kiener • Eric Price, Tenor Thomas Schütz • Florian Dengler, Bass Chor der Himmelfahrtskirche Barockorchester La Banda Leitung: Klaus Geitner BA 6 München Sendling Georg Friedrich Händel, deutsch-britischer Komponist nach dem Gemälde v. Thomas Hudson GEORG FRIEDRICH HÄNDEL 1685 – 1759 BROCKES-PASSION HWV 48 Maximilian Kiener, Tenor (Evangelist / Gläubige Seele) Thomas Schütz, Bariton (Jesus) Anna Karmasin, Sopran (Tochter Zion / Ancilla 1) Anna-Lena Elbert, Sopran (Gläubige Seele / Ancilla 3 / Maria) Andreas Pehl, Altus (Judas / Jakobus / Kriegsknecht / Gläubige Seele) Eric Price, Tenor (Petrus / Gläubige Seele) Florian Dengler, Bass (Pilatus / Caiphas / Gläubige Seele / Hauptmann) Ruth Kohl, Sopran (Johannes / Ancilla 2) Chor der Himmelfahrtskirche Barockorchester „La Banda“ auf historischen Instrumenten Violine I Pieter Affourtit – Susi Mattle – Dorothee Mühleisen Maria Eisenburger Violine II Andreas Pilger – Eva Röll – Elisabeth Einsiedler Susanne Zippe Viola Ulrike von Sybel-Erpf – Isabel Meuser Violoncello Michael Rupprecht – Franziska Brandis Violone Günter Holzhausen Oboe Alessandro Piqué – Susanne Grützmacher Fagotto Clemens Schlemmer – Leonhard Hauske Liuto Petra Burmann Cembalo e Organo Michael Eberth Leitung KMD Klaus Geitner Truhenorgel in historischer Stimmung „Valotti“ (a‘ = 415 HZ) der Firma Münchner Orgelbau Johannes Führer Musik an der Himmelfahrtskirche 1 WERKEINFÜHRUNG Barthold Heinrich Brockes’ Dichtung bessere berufliche Situation im vielfäl- „Der für die Sünde der Welt gemarterte tigen Musikleben Hamburgs. Immerhin und sterbende Jesus“ gehört zu den waren ihm die dortigen Verhältnisse einflussreichsten und bekanntesten vertraut, hatte er doch mehrere Jahre in Passionslibretti des frühen 18. Jahrhun- Hamburg gelebt, als Geiger und Cemba- derts. Denn Georg Friedrich Händel war list im Orchester des Theaters gespielt, keineswegs der Einzige, der den Text seine erste Oper Almira aufgeführt und des Dichters und späteren Hamburger wichtige Kontakte geknüpft. Auch die Ratsherrn Brockes vertonte. Bereits enge Freundschaft zu Mattheson und die kurz nach Erscheinen des Oratorien- Verbindung zu Keiser gehen auf diese librettos 1712 hatte sich der Direktor Zeit zurück. Hingegen kannten sich des Theaters am Gänsemarkt Reinhard Brockes und Händel bereits aus Halle. Keiser der Dichtung angenommen. 1716 Aufgrund der vielfältigen Beziehungen legte Georg Philipp Telemann für eine überrascht es wenig, dass Händel mit Frankfurter Passionsaufführung eine der Brockes-Passion sein einziges eigene Brockes-Passion vor; zwei Jahre deutschsprachiges Oratorium für Ham- später entschied sich der Hamburger burg schrieb. Domkantor Johann Mattheson eben- Das Werk knüpft an eine Entwicklung falls für den Text. Händels Vertonung, im Bereich der Passionsmusiken an, die am 3. April 1719 erstmals öffentlich die 1704 mit Keisers Vertonung des von im Refektorium des Hamburger Doms Christian Friedrich Hunold verfassten unter Matthesons Leitung erklang, steht Librettos „Der blutige und sterbende somit im Kontext einer ganzen Reihe von Jesus“ ebenfalls in Hamburg seinen Kompositionen, die auf Brockes’ Libretto Ausgang genommen hatte. Im Gegen- basieren; weitere Vertonungen – auch satz zum traditionellen Typus der soge- außerhalb Hamburgs – folgten. nannten oratorischen Passion wird der Händel schloss die Brockes-Passion biblische Bericht in Passionsoratorien wahrscheinlich 1716 in London ab. in Versform frei paraphrasiert. Im Stil Schon bald darauf schickte er das Werk, eines geistlichen Dramas werden in der für das es in England keine Verwendung Brockes-Passion außerdem neben den gab, nach Hamburg, wo es vielleicht im Personen des biblischen Berichts auch Haus von Brockes bereits ein erstes Tochter Zion und die Gläubigen Seelen Mal erklang. Obwohl äußerst produktiv, als weitere dramatische Personen der hatte Händel in den frühen Londoner Handlung eingeführt. Jahren, in denen das Passionsoratorium Trotz der Zielsetzung, durch die Drama- entstand, offenbar dennoch mit finanzi- tisierung des Passionsgeschehens einer ellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Mög- zeitgemäßen Frömmigkeit zu entspre- licherweise verband er deshalb mit der chen und die unmittelbare emotionale Brockes-Passion die Hoffnung auf eine Rührung und Erschütterung des Hörers 2 Musik an der Himmelfahrtskirche angesichts von Jesu Leiden und Sterben Nun griff er auf Händels Passionsora- zu erreichen, stieß das Passionsorato- torium zurück und kombinierte sieben rium bei der kirchlichen Obrigkeit über- Arien daraus mit der Markuspassion, wiegend auf Ablehnung. Unter anderem die dem einstigen Hamburger Dom- befürchtete sie das Abgleiten in eine kantor Friedrich Nicolaus Brauns zuge- „theatralische“ Kirchenmusik aufgrund schrieben wird. So erklangen bereits der Nähe der dramatischen Passions- Ausschnitte der Brockes-Passion Hän- darstellung zu modernen musikalischen dels als Pasticcio zwischen 1746 und Entwicklungen etwa des italienischen 1748 in einer Karfreitagsvesper der Oratoriums und der Oper. Die Möglich- Leipziger Thomas- oder Nikolaikirche. keit, Passionsoratorien in Gottesdienste Wie weit das Passionsoratorium damals der Passionszeit einzubinden, wie es verbreitet war, zeigt sich daran, dass in Hamburg mit Passionsmusiken seit Bach um 1746/47 begann, eine eigen- dem 17. Jahrhundert üblich geworden händige Kopie des Werks anzufertigen. war, bestand somit kaum. Lediglich im Zunächst blieb die Abschrift unvoll- Dom, der als exterritoriales Gebiet nicht ständig. Erst nach dem Sommer 1748 den kirchlichen und politischen Autori- stellte sie Bachs Mitarbeiter Johann täten der Hansestadt unterstand, sowie Nathanael Bammler fertig. zusätzlich zur traditionellen Passions- Ob Bach die Brockes-Passion Händels musik in Nebenkirchen konnten Passi- kopierte, weil er sie aufführen wollte, onsoratorien erklingen. Darüber hinaus oder ob die Abschrift mehr seiner waren in Hamburg und andernorts vor Sammlerleidenschaft entsprang, die allem Säle der Ort, an dem Werke dieser sich insbesondere in Bachs letzten Gattung konzertant gegeben wurden. Lebensjahren deutlich in seiner Noten- So fanden auch die Wiederauffüh- bibliothek niederschlug, bleibt unsicher. rungen von Händels Brockes-Passion Konnte Bach das Passionsoratorium in den 1720er-Jahren im Saal des Drill- überhaupt in den beiden Leipziger Hauses sowie erneut im Refektorium, Hauptkirchen aufführen? Seine eigenen einem Raum in einem Nebengebäude drei bekannten Passionen entsprechen der Domkirche, statt. Dort erklang das dem Typus der oratorischen Passion, der Werk ähnlich den Oratorien Händels sich wie in Hamburg auch in den Leip- in London im Rahmen eines Konzerts ziger Hauptkirchen offenbar etabliert gegen Eintritt. hatte. Hingegen scheint die politische Von Hamburg aus fand Händels Werk und kirchliche Obrigkeit in Leipzig in schnell weite Verbreitung. In Leipzig der Frage, Aufführungen von Passions- setzte sich Johann Sebastian Bach oratorien im Gottesdienst zuzulassen, spätestens in den 1740er-Jahren mit geteilter Meinung gewesen zu sein. In Händels Brockes-Passion auseinander, der Thomaskirche, deren Vorstand der nachdem Teile des Librettos von Bro- höfisch-absolutistischen Ratspartei an- ckes bereits zwei Jahrzehnte zuvor in die gehörte und modernen musikalischen Johannespassion eingeflossen waren. Strömungen offen begegnete, erklang Musik an der Himmelfahrtskirche 3 1734 mit Gottfried Heinrich Stölzels Die Abschrift von Händels Brockes- „Der Gläubigen Seele geistliche Be- Passion aus der Notenbibliothek Bachs, trachtungen ihres leidenden Jesu“ die die Grundlage der heutigen Auf- erstmals nachweislich ein Passions- führung bildet, unterscheidet sich von oratorium. Fünf Jahre später wurde anderen Kopien des Werks (Händels jedoch eine geplante Passionsmusik Autograph ist nicht mehr erhalten) vor verboten. Sie sollte turnusgemäß in St. allem dadurch, dass dem Eingangschor Nikolai stattfinden, wo eine konservative ein anderer Text unterlegt wurde. Ob Ratspartei unter anderem „theatrali- er bereits Teil von Bachs Vorlage war sche“ Einflüsse auf die Kirchenmusik oder ob er von einem Leipziger Dichter ablehnte. Da Bach 1739 möglicherweise im Vorfeld einer Aufführung erstellt eine Aufführung von Telemanns Bro- wurde, ist nicht mehr festzustellen. ckes-Passion vorbereitete, könnte das Der ursprüngliche Text von Brockes Verbot – wie Bach selbst mutmaßte – „Mich vom Stricke meiner Sünden zu textliche Gründe gehabt haben. Ob der entbinden ...“, wie er leicht abgeän- Vorstand der Nikolaikirche bis Ende der dert auch in Bachs Johannespassion 1740er-Jahre eine liberalere Haltung erscheint, wird nun durch auffordernde einnahm, ist nicht bekannt. Folglich Worte ersetzt, die den Prologcharakter muss auch offen bleiben, ob Bach – des Eröffnungschors unterstreichen. plante er überhaupt eine Aufführung – In Händels Vertonung des Brockes- nach der Fertigstellung der Abschrift die Texts erfährt ein breites Spektrum an Brockes-Passion Händels 1749 in der Sichtweisen und Gefühlen eine ebenso Nikolaikirche aufgeführt haben könnte vielfältige wie durchdachte Umsetzung. oder ob das Werk möglicherweise kurz Händel schöpft dabei die Mittel musi- vor Bachs Tod im Jahr darauf in der kalisch-dramatischer Möglichkeiten Thomaskirche erklang. Ebenso wäre voll aus. So kommen in furiosen Ariosi aber auch eine Aufführung in einem und Arien wie „Gift und Glut, Strahl und der Säle Leipzigs oder in der Neukirche Flut“, „Ich will versinken und vergehn“, denkbar. Seit längerem Ort neuer musi- „Erwäg, ergrimmte Natterbrut“