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Rundfunk und Geschichte

Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv

23. Jahrgang Nr. 2 I 3 - April I Juli 1997

Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? Beispiele aus der Technikgeschichte des Fernsehens

Einführung des Werbefernsehens in Bayern

G. Grosz und J. R. Becher im Rundfunk (Teil II)

Berliner Rundfunkversuchsstelle (1928 - 1935)

Kriegsgefangenenfrage im Berliner Rundfunk

Buch, Buchhandel und Rundfunk (1950 - 1960)

Rezensionen

Bibliographie

Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte

Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv

Zitierweise: RuG -ISSN 0175-4351 Redaktion: Ansgar Diller Edgar Lersch Redaktionsanschrift

Dr. Ansgar Diller, Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt am Main - , Bertramstraße 8, 60320 Frankfurt am Main, Tel. 069-15687212, 069-15687200 Dr. Edgar Lersch, Süddeutscher Rundfunk, Historisches Archiv, Neckarstraße 230, 70190 Stuttgart, Tel. 0711-9293233, Fax 0711-9292698 Redaktionsassistenz: Dr. Stefan Niessen Herstellung: Michael Friebel Redaktionsschluß: 3. Juli 1997 Inhalt

23. Jahrgang Nr 213- April/ Juli 1997

Aufsätze Herwig Walitsch Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? Versuch einer Mythenkritik am Beispiel der Geschichte der Fernsehtechnik 97 Bettina Hassalbring Einführung des Werbefernsehens in Bayern (1956) 111

Miszellen »Diese irrationalistische, teufelsgläubige Zeit« George Grosz und Johannes R Becher in der Berliner Funkstunde, Teil II (Jeanpaul Goergen) 119 Die Berliner Rundfunkversuchsstelle (1928- 1935) Zur Geschichte und Rezeption einer Institution aus der Frühzeit von Rundfunk und Tonfilm (Dietmar Schenk) 124 »Die Heimat ruft«. Die Heimkehr deutscher Kriegsgefangener aus der Sowjetunion im Programm des Berliner Rundfunks ( 1945 - 1950) (Jörg-Uwe Fischer) 127 Neues vom Schatzkästlein »Buch , Buchhandel und Rundfunk 1950- 1960« . Ein Tagungsbericht (Sabine Schiller-Lerg) 133 Klaus von Bismarck (1912- 1997) (Wolf Bierbach) 138 Reinhold Vöth ( 1930 - 1997) (Bettina Hasselbring) 139 David Berger (1915 - 1997) (Uif Scharlau) 143 Reinhard Schneider ( 1922 - 1997) 143 Kamerastile im aktuellen Kino . Ein Tagung in Marburg (Matthias Kraus) 144 »Bildstörung- Grenzphänomene des Dokumentarischen Films« Eine Tagung in Stuttgart (Edgar Lersch) 147 Fernsehen im Helldunkel Eindrücke von der Ausstellung »Der Traum vom Sehen« in Oberhausen (Oliver Zöllner) 149 Britisches Truppenfernsehen mit neuem Namen Kleiner Aufriß seiner Geschichte (Oliver Zöllner) 152 »Echo der Schweiz« Eine Rundfunkausstellung in Schwyz (Theo Mäusli) 154 Memory of the World Projekt der UNESCO zur Erhaltung des Weltdokumentenerbes 154 Molotow im Rundfunkam 22 . Juni 1941 Eine Ergänzung 155 94 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Rezensionen Horst J. P. Bergmeier I Rainer E. Lotz: Hitler's Airwaves (Ansgar Diller) 156 Konrad Dussel: Die Interessen der Allgemeinheit vertreten (Ansgar Diller) 156 Hans-Uirich Wagner: »Der gute Wille, etwas Neues zu schaffen« (Wolfram Wessels) 157 Jacques Semelin: La liberte au bout des ondes (Muriel Favre) 158 Gerald Diesener I Rainer Gries: Propaganda in Deutschland (Wolfgang Mühi-Benninghaus) 159 Siegtried J. Schmidt I Brigitte Spieß: Die Kommerzialisierung der Kommunikation (Rainer Gries) 160 Hermann Fünfgeld I Claudia Mast (Hrsg.): Massenkommunikation (Christian Filk) 162 Sabine Jungk (Hrsg.): Zwischen Skandal und Routine? (Chritian Filk) 162 Ursula E. Koch u.a. (Hrsg.): Hörfunk in Deutschland und Frankreich I La rad io en France et en Allemagne. (Muriel Favre) 163 Susanne Poliert: Film- und Fernseharchive in der Bundesrepublik Deutschland (Edgar Lersch) 164 Ralf Koch : »Medien mögen ·s weiß« : Rassismus im Nachrichtengeschäft (Chritian Filk) 166 Josef Häusler Spiegel der Neuen Musik: Donaueschingen (Ansgar Diller) 167 Nordrhein-Westfalen. Ein Land in seiner Geschichte 1946- 1996 Wolfram Köhler (Hrsg .) Nordrhein-Westfalen. Fünfzig Jahre später (Ansgar Diller) 168 Stefan Plaggenborg: Revolutionskultur (Carola Tischler) 168 Carola Tischler: Flucht in die Verfolgung (Ansgar Diller) 169 Michael Boiler Die Großfunkstation Nauen und ihre Bauten von Hermann Muthesius (Hrsg.): Nauen sendet Reinhard Klein-Arendt: »Kamina ruft Nauen!« (Ansgar Diller) 170 Chris Howland: Happy Days? (Oliver Zöllner) 171 Slovensky rozhlas (Hrsg .): Slovensky rozhlas. V jubilejnom roku 1996 (Ansgar Diller) 172

Bibliographie Online, und Digitalkultur. Zur jüngsten Diskussion um die Informationsgesellschaft (Christian Filk) 173 Zeitschriftenlese 73 (1.2. - 30 .4.1997) (Rudolf Lang) 181 Inhalt 95

Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte

28 . Jahrestagung des Studienkreises in 183 25 . Grünberger Doktoranden-Kolloqium 1997 184 »Fernsehpioniere in Österreich«. Tagung beim ORF in Wien 188 »Rezeptionsgeschichte nach 1945«. Eine Tagung im Südwestfunk 188

Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv Programmgeschichte des Rundfunks in der Weimarer Republik erschienen 189 CDs zu Stalin-Kult und Zeppelin 189 96 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Autoren der längeren Beiträge

Dr. Jörg-Uwe Fischer, Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt am Main I Berlin , Historisches Archiv, Rudower Chaussee 3, 12487 Berlin

Jeanpaul Goergen, Publizist, Großbeerenstraße 56 0 , 10965 Berlin

Bettina Hasselbring, Bayerischer Rundfunk, Historisches Archiv, Rundfunkplatz 1, 80300 München

Dr. Dietmar Schenk, Hochschule der Künste Berlin, Ernst-Reuter-Platz 10, 10587 Berlin

Dr. Sabine Schiller-Lerg, Schürbusch 115, 48163 Münster

Herwig Walitsch, Institut für Germanistik an der Universität Graz, Merangasse 78 , A-8010 Graz Herwig Walitsch

Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? Versuch einer Mythenkritik am Beispiel der Geschichte der Fernsehtechnik*

des freien Wettbewerbs zu sein . Insofern findet der freie Wettbewerb ausgezeichnete Bedingun­ Der Post-Kommunismus steht in seinem sieben­ gen für seine Selbstreproduktion vor. Die >Spie­ ten Jahr - und es scheint ein verflixtes zu sein. gei<-Redakteure Hans-Peter Martin und Harald Die wettbewerbsgemäß gefütterten Kühe drehen Schumann haben in ihrem erst kürzlich erschie­ durch, die Menschen, die ihr wettbewerbsbedingt nenen Buch »Die Globalisierungsfalle« die neue­ billiges Fleisch essen, auch. Nationale Traditi­ ren Tendenzen der internationalen Wirtschafts­ onsunternehmen, dem gesamteuropäischen entwicklung einer gründlichen und umfassenden Wettbewerb ausgesetzt, schließen reihenweise Kritik unterzogen. Sie sprechen vom Weg in die oder werden ins Ausland, das, wirtschaftlich ge­ »Ein-Fünftel-Gesellschaft«. Die österreichische sehen , längst keines mehr ist, verkauft. Gesamt­ Wirtschaftsjournalistin Lieselatte Palme hat die­ europäisch ziehen sich die Staaten ihren Bud­ sen Prozeß der erfolgreichen Selbstreproduktion getkonsolidierungsprogrammen entsprechend des freien Wettbewerbs vor einiger Zeit als aus dem wirtschaftlichen Wettbewerb zurück - »Killerkapitalismus« beschrieben und alle be­ prompt stagniert das Wachstum dieser wettbe­ kannten Argumente gegen diese Form des Wirt­ werbsorientierten Marktwirtschaft, die den Aus­ schattens - die auch Frau Palme zumindest öko• fall des Staates als Auftraggeber offensichtlich nomisch als »Erfolgsrezept« bezeichnet - zu­ nicht verkraftet Der Kostenfaktor menschliche sammengefaßt 1 Arbeitskraft gerät zu einem glasklar kalkulierba­ Es ist wohl in der Tat diese erfolgreiche ren Wettbewerbsnachteil, der konsequenterwei­ Selbstreproduktion des freien Wettbewerbs, die se systematisch reduziert wird , sei es über die am meisten zur Mythenbildung beigetragen hat. Senkung der Lohnnebenkosten - was immer Denn ein Mythos ist der freie Wettbewerb als Einnahmenverlust für den Staatshaushalt und Erfolgsrezept von jeher. Wir wollen hier nicht in damit die Verengung der sozialpolitischen Spiel­ die allgemeinen Warnungen vor dem uneinge­ räume bedeutet -. sei es durch das Ausweichen schränkten Kapitalismus einstimmen , wollen also auf billigere Arbeitsmärkte, was immer Arbeits­ nicht dort fortsetzen , wo Martin, Schumann und platzverlust im Lande bedeutet, sei es, wo dies Frau Palme aufgehört haben. Sondern wir wollen möglich ist, durch technische Automatisierung, das Prinzip des freien Wettbewerbs selbst dar­ was immer generellen Arbeitsplatzverlust bedeu­ aufhin befragen, ob es tatsächlich den Erfolg - tet Auf dem Mediensektor wird die europäische auch und gerade den ökonomischen Erfolg - ga­ Politik die wettbewerbsorientierten privaten Gei­ rantiert. Dazu werden wir uns zweier Fälle aus ster, die sie in den 80er Jahren enthusiastisch der Geschichte des Fernsehens, und zwar der gerufen hat, nicht mehr los und wünscht sie technischen Geschichte des Fernsehens bedie­ längst zum Teufel - freilich vergeblich, denn nen . längst ist sie von ihnen abhängig. Die Entwicklung des Fernsehens vor dem Die angelsächsische Wirtschaftspolitik der Zweiten Weltkrieg bildet eine wissenschaftsozio­ 80er Jahre hatte die weitestgehende Zurück• logische und damit auch wirtschaftliche Epo­ drängung jeglicher staatlicher Marktregulierung chenschwelle. Sie beginnt noch im Zeitalter der propagiert. Selbst die bloße Besteuerung einzel­ großen Einzelerfinderpersönlichkeiten am Ende ner Elemente des Wirtschaftsprozesses wurde des 19. Jahrhunderts, fast zeitgleich mit der und wird als Eingriff in das Marktprinzip begriffen Entwicklung des Films. Der Film wird noch in und bekämpft. Die Märkte sollten sich selbst dieser Epoche der großen Einzelerfinder vollen­ überlassen bleiben und sich selbst regulieren. det - von Größen wie Themas Alva Edison in Nach den Ereignissen von 1989 konnte sich die­ den USA, den Brüdern Lumiere in Frankreich, ses Prinzip anschicken, zum globalen Wirt­ Oskar Meeßter in Deutschland und anderen schaftssystem zu werden , wobei der Prozeß Edison, die Brüder Lumiere und Meeßter selbstverstärkend abläuft: Die Zurückdrängung gelten als die Haupterfinder des Films, weil sie des Staates ist ja gleichbedeutend mit der Ent­ die grundlegenden Patente der Filmtechnik be­ machtung der Politik gegenüber der Ökonomie. antragt und erhalten haben: Edison für die Film­ Dementsprechend aussichtslos scheinen alle kamera (den Kinetographen) und die Perforation politischen Entwürfe zur Bekämpfung der ein­ des Filmstreifens, die Brüder Lumiere für den gangs beschriebenen negativen Auswirkungen Filmprojektor und Meeßter für den intermittieren- 98 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) den Filmtransportmechanismus auf der Grund­ tastgerät auf einem Schirm. Nipkow, der sein lage des Malteserrades (»deutsche Schaltung«). Patent als 24jähriger Student der Technik ein­ Doch sie sind weder die ersten noch die einzigen reicht, baut selbst nie ein entsprechendes Gerät. Urheber der Idee des Films. Bereits 1864 bean­ Er wird Konstruktions- und Entwicklungsinge­ tragt der Franzose Duces du Hauren ein Patent nieur im Eisenbahnsignalbau und stirbt 1940 im für ein Filmaufnahmegerät, 1876 der Brite Alter von 80 Jahren in Berlin. Zu diesem Zeit­ Wordsworth Donisthorpe und 1886 der Franzose punkt ist bereits das elektronische Fernsehen in Augustin le Prince. Die Filmperforation wird vor seiner modernen Form verwirklicht Edison von dem Amerikaner William Friese­ Mit Nipkow beginnt nun der Abschnitt der Greene 1889 zum Patent angemeldet Die Film­ Fernsehgeschichte, in dem große Einzelerfinder projektion, von den Brüdern Lumiere 1895 erst­ -wie der Russe Saris Rosing, der Japaner Kenji­ mals öffentlich vorgeführt, ist ebenfalls nicht die ro Takayanagi, der Urvater der japanischen einzige. Es ist kaum bekannt, daß im gleichen Elektronikindustrie, der Deutsche Max Dieck­ Jahr und unabhängig von den Lumiere-Brüdern mann, der Franzose Edouard Belin und andere - auch Thomas Armat und Charles Francis Jen­ die ersten Versuche zur elektrischen Bildüber• kins in Washington, Woodville Latham in New tragung unternehmen. Es dauerte freilich bis York und Robert W. Paul in London öffentlich 1925/26, bis der junge Schotte Filme projiziert haben. in London die erste öffentliche Vorführung eines Das Fernsehen aber wird erst in einem neuen funktionierenden mechanischen Fernsehsy­ Zeitalter perfektioniert, das heißt funktionstüch• stems geben konnte. Baird bleibt für rund sieben tig in der Epoche der vielköpfigen Forscher­ Jahre der führende europäische Fernsehfor­ gruppen in hochgradig arbeitsteiligen und äu• scher, auf ihn werden wir später noch zurück• ßerst kapitalintensiven Großlabors. Genau in kommen. Die mechanische Ära des Fernsehens dieser Phase der Fernsehgeschichte - in den kann insofern als eine Geschichte produktiven späten 20er und frühen 30er Jahren - sind die Wettbewerbs gelten, als in ihr eine Gruppe von beiden Fälle angesiedelt, an denen wir unsere Forschern, über die ganze Weit verstreut, unter Mythenkritik entfalten wollen. Bevor wir im ein­ den mehr oder weniger gleichen Voraussetzun­ zelnen auf die konkreten Abläufe eingehen, wer­ gen miteinander konkurrieren. den wir den Hintergrund der Fernsehgeschichte Freilich ist die Sensation der ersten Vorfüh• dieser Zeit beleuchten - die Zusammenhänge, rungen relativ kurzlebig. Das mechanische Fern­ innerhalb derer sich die Vorgänge abgespielt sehen erweist sich bald als überaus beschränkte haben, und auch die technischen Fakten, soweit Technologie. An andere Aufnahmen als an sol­ sie zum Verständnis wichtig sind . che im Studio unter extremen Beleuchtungswer­ ten , also etwa an Außenaufnahmen bei Tages­ licht, ist nicht zu denken. II Erst im Jahre 1928, also am Ende der me­ chanischen Ära, kommt es zu den ersten De­ Mit den 20er Jahren geht die mechanische monstrationen von Außenaufnahmen mit me­ Fernsehära ihrem Ende entgegen. Das mecha­ chanischen Systemen: Am 10. Mai 1928 führen nische Fernsehen beginnt bereits 1884 mit dem die am Dach ihres Gebäudes Bilder berühmten Lochscheibenpatent des jungen Ber­ von Männern mit Tennisschlägern und ähnlichen liners Paul Nipkow. Bewegungen vor; dies dürfte überhaupt die erste Dieses Patent, das Deutsche Reichspatent Demonstration von Außenfernsehaufnahmen Nr. 30105, wird im allgemeinen als das Urpatent sein .2 Am 18. Juni 1928 folgt J. L. Baird mit ei­ des Fernsehens betrachtet Alle später entwik­ ner Vorführung von Außenaufnahmen am Dach kelten mechanischen Fernsehsysteme werden seines Labors in Lang Acre, England (die Zeug­ seinem Schema entsprechen. Das gilt auch für nisse über dieses Ereignis sind allerdings um­ Systeme mit anderen Abtastgeräten wie Spiegel­ stritten).3 Am 26. Juli 1928 macht Dr. Ernst trommel, Spiegelschraube usw. Auch ihnen liegt Alexanderson von Versuche mit die Nipkowsche Grundstruktur des mechani­ Außenaufnahmen; er zeigt Bilder von boxenden schen Fernsehens zugrunde - sequentielle Auf­ Mannern und von Fabrikanlagen mit rauchenden lösung eines Bildes in Zeilen in hinreichender Schloten. General Electric kann auch beanspru­ Geschwindigkeit zur Nutzung der Netzhautträg• chen, den allerersten Fernsehbericht von einem heit Konvertierung des Lichtwerts in ein Strom­ politischen Ereignis gebracht zu haben: Am 21. signal, Übertragung an den Empfänger, Rekon­ August 1928 hält der Gouverneur Al Smith eine vertierung des Stromsignals in Lichtwerte durch Rede, in der er seine Präsidentschaftskandidatur einen Lichtmodulator (ein Lichtventil) und Zu­ für die Demokraten bekannt gibt General sammensetzung des Bildes durch ein synchron Electric überträgt das Ereignis mit einem 24- zum Sender laufendes, gleich aufgebautes Ab- Zeilen-System4 Hier erweist sich auch erstmals Walitsch.· Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? 99 die fundamentale Bedeutung von Außenauf• der Radartechnik. Ein von Manfred von Ardenne nahmen für das Medium Fernsehen: Ohne Frei­ im Oktober 1929 zum Patent angemeldetes und lichttauglichkeit kann es kein Nachrichtenmedi­ ab 1931 von der E. Leyboldt Nachfolger AG um sein, bliebe also das eigentliche Potential vermarktetes Oszilloskop bildet die Grundlage dieses Mediums unausgeschöpft. »Live«-Bilder der frühen britischen Radarforschung. Und jeder (»direct vision images«) von außerhalb des Stu­ elektronische Bildschirm, gleich ob Fernseh­ dios bleiben auch in der elektronischen Ära das oder Computerschirm, ist ein weiterentwickeltes zentrale Forschungsdesiderat der Fernsehtech­ Oszilloskop. nik. Die ersten elektronischen Kameras des Iko­ Der Beitrag Campbell Swintons5 ist gewis­ noskop-Typs sind keineswegs tauglich für Au­ sermaßen seine Antrittsvorlesung, die er als ßenaufnahmen, weil ihre Bildwandlerelemente neuer Prasident der Röntgen Society halt. Daß zu unempfindlich sind. Erst aufwendige Entwick­ das Thema Fernsehen schon bei seiner Inaugu­ lungsarbeit löst in der zweiten Halfte der 30er ration eine bedeutende Rolle gespielt hat, geht Jahre dieses Problem. aus dem Bericht der London Times über seinen Die Empfanger sind kompliziert zu bedienen­ Amtsantritt hervor, der unter dem Titel »Entfern­ de Anlagen voller beweglicher Teile, die man tes elektrisches Sehen« veröffentlicht worden niemals einem Massenpublikum hatte anbieten ist. 6 Campbell Swinton beschaftigt sich freilich können. Die erreichten Auflösungen - Baird be­ schon langer mit dem Problem des Fernsehens. gann mit 12 Zeilen, am Ende der mechanischen Das alteste Zeugnis seines Interesses an der Ära werden bis zu 60zeilige Bilder ausgestrahlt - elektrischen Bildübertragung stammt aus dem erlauben nie wirklich detailgetreue Bilder, die Jahre 1908. Im Juni dieses Jahres erscheint in aufgrund der niedrigen Bildwiederholungsraten >Nature< ein Artikel Campbell Swintons? Hierbei auch noch recht stark flimmern. Diese Be­ handelt es sich um eine Reaktion auf einen Bei­ schrankungen machen deutlich, daß die me­ trag von Shelford Bidwell, der ebenfalls im Juni chanischen Systeme nicht die endgültige Lösung 1908 in >Nature< veröffentlicht worden ist. Bidwell des Fernsehproblems bilden können. Dies umso bespricht darin einige technische Konzepte der mehr, als bereits im Jahre 1912, also nur 15 elektrischen Bildübertragung, wie sie zu dieser Jahre nach der Einführung des Oszilloskops und Zeit recht zahlreich kursieren . Er außert sich nur sechs Jahre nach der Einführung der Elek­ sehr pessimistisch über ihre praktische Realisie­ tronenröhre als Sendeinstrument ein anderer rung und fordert so die prompte Antwort Camp­ Vorschlag gemacht wird, der in geradezu pro­ bell Swintons heraus, der in seinem Beitrag phetischer Weitsicht das moderne Fernsehen erstmals die Idee formuliert, Elektronenröhren vorwegnimmt: Alan Archibald Campbell Swinton , (Oszillatoren) zur Bildwiedergabe zu verwenden . der Vorsitzende der Londoner Röntgen-Society, Im Beitrag von 1911 schlagt Campbell Swinton beschreibt in einem Artikel in der Zeitschrift der dann vor, Elektronenröhren auch als Kameras Londoner Röntgen Society ein elektronisches zu verwenden . Dieser Gedanke ist prophetisch. Fernsehsystem, bei dem Elektronenröhren am Er verbreitet sich rasch unter der Forscherge­ Sender zur Bildabtastung (Kameraprinzip) und meinschaft. Vladimir Kosma Zworykin sollte es am Empfanger zur Bildreproduktion (Oszillo­ vorbehalten bleiben , ihn in die Tat umzusetzen. skopprinzip) eingesetzt werden sollten. Über noch frühere Überlegungen Campbell Im Jahr 1897 perfektioniert Ferdinand Braun Swintons zum elektronischen Fernsehen ist die als Oszilloskop genutzte Elektronenröhre. Es nichts bekannt. Sein Gedanke, das seit 1897 handelt sich dabei um eine Kaltkathodenröhre bekannte Braunsehe Oszilloskop, das zu dieser mit einem Glimmerschirm, der mit einem Mate­ Zeit zur Untersuchung elektrischer Wellenformen rial beschichtet ist, das beim Auftreffen der Elek­ genutzt wird, für die Wiedergabe von Bildsigna­ tronenstrahlung aufleuchtet. Der Strahl kann nur len zu verwenden, kann an Kreativitat und genia­ auf einer Ebene durch magnetische oder elek­ ler Weitsicht nicht überschatzt werden. trostatische Felder abgelenkt werden. Bei der Dies ist punktgenau das moderne Fernsehen von Braun selbst verwendeten Anordnung wird und Campbell Swinton damit seiner Zeit techno­ der Strahl durch ein Magnetfeld abgelenkt; das logisch um Jahrzehnte voraus. Hier nun liegt der Bild kann über einen rotierenden Spiegel be­ Ursprung der zweiten Fernsehara, die die Epo­ trachtet werden. Zunachst wird das Oszilloskop che der genialen Einzelerfinder beenden und die zum Studium elektrischer Wellenformen verwen­ Epoche der großen Entwicklungslabors einleitet. det, die mit seiner Hilfe optisch dargestellt wer­ Bereits 1923 ist Patent für eine elek­ den k"nnen . Das ist in manchen Bereichen noch tronische, freilich noch nicht funktionstüchtige heute der Verwendungszweck von Oszillosko­ Kamera beantragt - das berühmte Ikonoskop­ pen . wenn wir etwa an die Elektrokardiographie Patent von Vladimir Kosma Zworykin, einem oder an die Elektroenzephalographie denken. Schüler des Russen Boris Rosing, der in die Das Oszilloskop bildet aber auch die Grundlage Vereinigten Staaten emigriert war und dort für 100 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

den Elektro- und Elektronikkonzern Westing­ Farnsworth verbringt mehr Zeit damit, Geld­ house in der Entwicklungsabteilung arbeitet. Als geber für seine Arbeit zu finden , als für seine Ar­ das mechanische Fernsehen der genialen Ein­ beit selbst. Im Jahre 1931, am Tiefpunkt der De­ zelkämpfer seiner Hochblüte entgegengeht, be­ pression, ist er wieder einmal verzweifelt auf der ginnen sich bereits die Entwicklungsteams aus Suche nach Sponsoren und verhandelt mit der nicht minder genialen Ingenieuren in den großen Philadelphia Storage Battery Company (Philco), Konzernen zu formieren, die schließlich das dem größten amerikanischen Hersteller von elektronische Fernsehen verwirklichen sollten. Radiogeräten, über die Übernahme seines La­ 1929 wird der elektronische Empfänger, das Ki­ bors in San Francisco. Zur gleichen Zeit, in der neskop, patentiert, 1930/31 die erste funktion­ vorletzten Woche des Mai 1931, kommt David stüchtige Form des Ikonoskops, also der elek­ Sarnoff, der Präsident der RCA, zu Besuch in die tronischen Kamera. Und dies ist nun genau die Labors von Farnsworth in der Green Street in Phase, in der sich der erste Fall zuträgt, der den San Francisco, um sich ein Bild von den Lei­ Begriff des freien Wettbewerbs als Erfolgsrezept stungen Farnsworths zu machen, aber auch, um in Frage stellt. seine Arbeit möglicherweise aufzukaufen und damit in den Besitz einer funktionstüchtigen Ka­ meraröhre zu gelangen - Sarnoff weiß bestens 111 über die Probleme Bescheid, die sein eigener Chefingenieur Zworykin mit Kameraröhren zu Es ist eine historische Wahrheit, daß das dieser Zeit noch hat. Samoffs Besuch bei den elektronische Fernsehen von großen Entwick­ Farnsworth-Labors endet damit, daß sein Ange­ lungsteams und nicht von Einzelerfindern ver­ bot von 100 000 Dollar für die gesamte Arbeit wirklicht wird - allein an der Entwicklung der Ki­ von Farnsworth, einschließlich der weiteren neskop-Bildröhre sind an die 25 Forscher und Dienste Farnsworths für die RCA, ausgeschla­ Ingenieure aus allen möglichen technischen und gen wird. So verläßt Sarnoff die Farnsworth­ naturwissenschaftlichen Disziplinen beteiligt. Labors mit den Worten: »Hier gibt es ohnehin Doch das bedeutet nicht, daß sich nicht auch nichts, was wir brauchen werden.« Und Farns­ Einzelkämpfer an der Entwicklung des elektroni­ worth beginnt seine Zusammenarbeit mit der schen Fernsehens versucht hätten, ganz im Ge­ Philco. Von diesem Zeitpunkt an gewinnt die Ri­ genteil: Die Corporation of America, RCA, valität zwischen Farnsworth und der RCA enorm die die entscheidenden Patente schließlich bean­ an Härte und Intensität. tragt und erhalten hatte, muß Dutzende, ja Hun­ Ab Oktober 1931 verfügt die RCA mit dem derte Patente von Erfindern aufkaufen, die sich Ikonoskop von Zworykin selbst über eine funkti­ auf Entwicklungsetappen beziehen, aber den onstüchtige Kameraröhre, deren Funktionsweise endgültigen Erfolg nicht erreicht hatten. Unter im Gegensatz zu der der Farnsworthschen Bild­ diesen Einzelerfindern ist ein Mann, der als ein­ zerlegerröhre dem zukunftsweisenden Spei­ ziger außerhalb eines Großlabors eine funktion­ cherprinzip folgt. Von da an läßt die RCA keine stüchtige elektronische Kamera zustandebringt Gelegenheit aus, die Bildzerlegerröhre herunter­ hatte. Dieser Mann heißt Philo T. Farnsworth, zumachen. Besonders ihre geringe Empfindlich­ sein Gerät ist der Image Dissector, die Bildzerle­ keit bildet das Ziel der Angriffe von RCA. Um die gerröhre, die auf einem anderen technischen Dinge zurechtzurücken, muß klargestellt werden, Prinzip beruht als die endgültige Lösung, die daß die Bildzerlegerröhre niemals so unempfind­ Ikonoskop-Kamera, die in den RCA-Labors in lich war, wie die RCA behauptete, und daß um­ Camden, New Jersey, entwickelt worden war. gekehrt das Ikonoskop, besonders das frühe Farnsworths Kamera lebt in späteren Entwick­ Ikonoskop, keineswegs so empfindlich war, wie lungen fort, die die technischen Prinzipien seines von der RCA ausgestreut. Erst im April 1940, Geräts mit jenen des Ikonoskops kombinieren; nach der Lösung der Patentkonflikte zwischen dies ist das Image lconoscope oder Superiko­ Farnsworth und der RCA, kann sich Sarnoff da­ noskop, mit dem im übrigen auch das deutsche zu durchringen, seine wahre Sicht der Leistun­ und wenig später das österreichische Fernsehen gen Farnsworths preiszugeben. Bei einer Sit­ nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Betrieb auf­ zung des Senate lnterstate Commerce Commit­ nehmen. tee, in der es um die Festlegung von techni­ Farnsworth freilich bleibt von seiner Leistung schen Fernsehstandards geht (die RCA hatte wenig , nachdem RCA keine Gelegenheit ausge­ soeben versucht, durch den massenweisen Ver­ lassen hatte, die Unterlegenheit seines Systems kauf von Fernsehempfängern ihrer Bauart ihre gegenüber ihrer Ikonoskop-Kamera herauszu­ eigenen technischen Normen durchzudrücken), stellen Im Jahr 1939 erreicht er immerhin, daß sagt Sarnoff über seinen früheren Gegner RCA für die Verwendung seiner Patente laufend Farnsworth: »Er ist ein amerikanischer Erfinder, Gebühren zahlen muß. von dem ich glaube, daß er außer der RCA Walitsch · Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? 101 selbst mehr zum Fernsehen beigetragen hat als ihn des Rechts beraubt, seine eigenen Patente irgendjemand sonst in den Vereinigten Staaten. zu erwerben. Er hat Erfindungen von größter Bedeutung zu­ Dort: RCA, die Radio Cerparation of America, standegebracht.« Farnsworth ist immerhin der 1919 als erste Radiogesellschaft der Welt her­ erste Patentinhaber, dem die RCA laufend Ge­ vorgegangen aus einer Elefantenhochzeit zwi­ bühren zahlen muß.B Seine historische Bedeu­ schen dem Elektrokonzern General Electric und tung für die Entwicklung des Fernsehens wird der amerikanischen Telephongesellschaft AT& T außerhalb der amerikanischen Technikge­ Nur zwei Jahre spater, am 30. Juni 1921, stoßen schichtsschreibung freilich kaum gewürdigt. Das der Elektrokonzern Westinghouse und der Le­ gilt im übrigen auch für den Ungarn Kalomon Ti­ bensmittelgigant United Fruit Company zum hany, der bereits am 10. und 11 . Juni 1928 briti­ RCA-Konsortium. Damit bildet sich das weltweit sche, französische und amerikanische Patente größte Elektro- und Elektronikmonopol der Ge­ für vollstt:indige Fernsehsysteme beantragt hat. schichte. Die beteiligten Konzerne verfügen über Diese Patentanträge beinhalten die Konstruktion einen gigantischen Patentpool und schließen einer Kameraröhre nach dem Speicherprinzip - amerika- und weltweit nur Exklusivvertrt:ige. Die eine Vorwegnahme des Ikonoskops. Die briti­ weltweite Elektronikindustrie wird weitgehend schen und französischen Patente werden Tihany von jenem Trust kontrolliert, in dessen Entwick­ niemals ausgestellt. 1935 wird der amerikani­ lungslabors das elektronische Fernsehen ver­ sche Patentantrag geteilt - bestimmte Merkmale wirklicht wird. Der Ansicht, daß vor diesem Hin­ des Kamerapatents, die mit dem Ikonoskop­ tergrund nicht mehr von einem »freien Wettbe­ Patent Zworykins übereinstimmen, werden Ti­ werb« zwischen dem Monopol und seinen Kon­ hany 1939 zugesprochen und müssen von der kurrenten gesprochen werden kann, schließt RCA aufgekauft werden.9 Tihany gehört neben sich am 13. Mai 1930 auch das US-Justizmini­ Zworykin und Farnsworth ohne Zweifel zu den sterium an und leitet ein Anti-Trust-Verfahren wichtigsten Fernsehforschern und -entwicklern in gegen RCA und die an ihr beteiligten Konzerne der frühen elektronischen Ära. ein. Zweieinhalb Jahre spater, am 31. November 1932, wird das Monopol aufgelöst. Gerade Und damit sind wir schon bei den ökonomischen rechtzeitig sind in den Jahren von 1929 bis 1932 Aspekten dieses Vorgangs, denen wir im folgen­ alle relevanten Patente für das elektronische den unsere Aufmerksamkeit zuwenden wollen. Fernsehen, besonders aber für das Ikonoskop, Wer sind eigentlich die Gegner, die sich hier ge­ beantragt worden. genüberstanden? Hier: - ein Der Fall Farnsworth gegen RCA verdeutlicht junger, technikbegeisterter Enthusiast, der durch vor allem eines: Den Erfolg, das funktionstüchti• populärwissenschaftliche Magazine vom Fern­ ge elektronische Fernsehen geschaffen zu ha­ sehen gehört hat und davon träumt, es zu ver­ ben, erzielt RCA nicht in einer Situation tatsäch• wirklichen. Er hat versäumt, auch nur irgendeine lich freien Wettbewerbs, sondern in dem wett­ Ausbildung abzuschließen, dafür ist es ihm An­ bewerbsfreien Raum seines Monopols, das den fang 1927 gelungen, eine Gruppe von Financiers Entwicklungslabors in Camden den Status einer in San Francisco für seine Ideen zu begeistern. geschützten Werkstatte garantiert. Und selbst Im Mai 1928 verfügt er über seine erste funkti­ wenn wir geneigt wären , die Auseinanderset­ onstüchtige Kameraröhre. zung zwischen RCA und Farnsworth als ein Den Aufzeichnungen Farnsworths zufolge Stück freien Wettbewerbs anzusehen, so wäre werden die ersten »richtigen« Bilder aus der das Ergebnis alles andere als ein Erfolg zu nen­ Bildzerlegerröhre in der Woche vom 7. bis 13. nen. Das System der RCA ist technisch betrach­ Mai 1928 zustandegebracht Schon am 1. Mai tet namlich ebenso suboptimal wie dasjenige 1928 soll Farnsworth sein System zwei Vertre­ Farnsworths.11 Die Bedeutung des Ikonoskops tern von General Electric, Dr. James Cranston liegt keineswegs in seinem perfekten Funktionie­ und Dr. L. F. Fuller, privat vorgeführt haben - ren . Tatsachlich steckt es voller Mt:ingel und wieder einmal auf der Suche nach Geldge­ Fehler. Wichtig ist das Ikonoskop einzig und al­ bern .10 Schon die allerersten Financiers von lein deshalb, weil mit ihm bewiesen ist, daß ein Farnsworth beschließen sehr früh, das Fernseh­ System, das den von Campbell Swinton vorher­ projekt ihres jungen Proteges zum frühestmögli• gesagten technischen Prinzipien gehorcht, tat­ chen Zeitpunkt an einen der Elektrokonzerne zu sächlich funktionieren kann. Erst die Kombinati­ verkaufen, weil die zu erwartenden gigantischen on des Ikonoskops mit dem System Farnsworths Entwicklungskosten ihre Möglichkeiten überstei• aber, das schon erwähnte Superikonoskop, er­ gen würden . Das der Vorführung folgende An­ füllt die Ansprüche an ein praxistaugliches Fern­ gebot von General Electric, Farnsworth als In­ sehkamerasystem. genieur anzustellen. lehnt dieser ab - es hätte Das erste Patent für das Superikonoskop wird von Hans G. Lubszynski und Sidney Rodda 102 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) von der Londoner EMI am 12. Mai 1934 bean­ beschränkt einsetzbare Kameraröhre in der tragt. in Ame rika wird dieses Gerät als Kombina­ Hand hatte, wä re der Einführung eines großan­ tion des Farnsworthschen Image Dissectors gelegten kommerziellen Fernsehdienstes in den (Bildzerlegerröhre) und des Ikonoskops als USA nichts mehr im Wege gestanden. Doch da­ Image lconoscope bekannt. in England, wo das zu kommt es nicht. 1933 beschließt David von EMI entwickelte Ikonoskop Emitron heißt, Sarnoff, die langgehegten und bis ins einzelne erhält es den Namen Super Emitron. Am 11. No­ ausgearbeiteten Pläne zur Einführung eines öf• vember 1937 kommt eine bereits weiterentwik­ fentlichen Fernsehens vorläufig auszusetzen . Mit kelte Form des Super Emitron bei einer BBC­ welcher Begründung? Um die ebenfalls von RCA Live-Sendung erstmals zum Einsatz.12 Bis zu kontrollierte und bestens florierende Radioindu­ den 50er und 60er Jahren bleibt das Superiko­ strie nicht durch einen unberechenbaren Konkur­ noskop der wichtigste elektronische Kameratyp. renten - das Fernsehen - zu gefährden. Erst am Auch in der Orthikonröhre und ihren Nachfol­ 30. April 1939 wird der erste kommerzielle Fern­ gern, der Vidicon- und Plumbiconröhre, leben sehdienst in den USA eröffnet - mit über sechs­ bestimmte Eigenschaften der Bildzerlegerröhre jähriger Verspätung, die ausschließlich der Ver­ fort. meidung einer Konkurrenzsituation dient. Über• in einer Situation tatsächlich freien Wettbe­ flüssigerweise im übrigen, denn wie sich bald werbs hätte es folglich Farnsworth gelingen kön• herausstellt, beeinträchtigt der Fernsehdienst die nen , die RCA-Patente aufzukaufen . RCA aber Geschäfte der Radiohersteller in keiner Weise. kontrolliert auch nach der wirtschaftlichen Zer­ Es ist nicht ohne Witz , daß die Entscheidung schlagung des Trusts den gesamten in der Mo­ Samoffs gegen die Einführung eines funktions­ nopolzeit aufgebauten Patentpool und behält so tüchtigen kommerziellen Fernsehsystems in den den in der Monopolzeit geschaffenen Vorsprung USA genau mit der Phase des allgemeinen Be­ gegenüber allen Mitbewerbern. Einen Versuch kanntwerdens des Ikonoskops, also genau jenes Farnsworths, sein System durchzusetzen, hätte Instruments, das ein solches System erst er­ der Konzern mit mildem Lächeln zur Kenntnis möglichen würde, zusammenfällt. So gibt es nehmen können .13 Aufzeichnungen der Bell Labs, in denen das Iko­ Es ist selbst, der die Verhand­ noskop als die Grundlage künftiger Entwicklun­ lungen mit dem US-Justizministerium über die gen bezeichnet wird . Das Bekanntwerden der Auflösung des RCA-Kartells führt. Es gelingt Zworykinschen Fernsehkamera veranlaßt die ihm , ein für die RCA mehr als zufriedenstellen­ Bell Labs und mehrere andere Konzerne, Ent­ des Übereinkommen zu erreichen : Der Verein­ wicklungsarbeit in die Richtung elektronischer barung zufolge darf die RCA alles, was sie durch Kameraröhren nach dem Speicherprinzip aufzu­ die Vereinigung der an ihr beteiligten Konzerne nehmen . Gerade im Falle der Bell Labs, die am gewonnen hatte, behalten, während sie zugleich konservativsten an die Verlängerung der me­ die volle Freiheit gegenüber den früheren Teil­ chanischen Ära geglaubt und an ihr gearbeitet habern , General Electric und Westinghouse, haben, ist dies bemerkenswert. Erst im April gewinnt. Freilich bleibt der Einfluß von General 1930 haben sie ihr mechanisches 72zeiliges Electric in der RCA stark, sind doch die meisten Bildtelephonsystem, das »lkonophon« , präsen• führenden Mitarbeiter und Manager der RCA aus tiert.15 Nun stellen sie fest, daß es weit hinter diesem Konzern gekommen.14 Doch die RCA dem Stand der Entwicklung hinterherhinkt und kann von nun an alle Patente kontrollieren, die schwenken auf die elektronische Linie ein . Wäh• ihren jetzigen Konkurrenten ausgestellt worden rend also das Ikonoskop selbst die größten waren - ein Triumph für David Sarnoff. Skeptiker hinsichtlich des elektronischen, d. h. modernen Fernsehens überzeugt, sagt Sarnoff dessen Einführung ab. Bei dieser Entscheidung IV geben eben nicht die technischen Möglichkeiten, sondern die wirtschaftlichen Realitäten den Aus­ Nichts verdeutlicht das auch nach der Kartellauf­ schlag. ln der Radioindustrie stecken Milliarden­ lösung weiterbestehende Monopoldenken von investitionen, die sich erst einmal wirtschaftlich RCA eindringlicher als die weitere Entwicklung und fiskalisch rentieren müssen. Dahinter stehen im Anschluß an die Verwirklichung des Iko­ längerfristige Finanzplanungen, in denen ein so noskops. Daß der Wettbewerb nicht a priori und unberechenbarer Parameter wie ein neuer Kon­ immer schon eine nützliche Sache sei , muß kurrent auf dem Geräte-, besonders aber auf auch der RCA-Präsident David Sarnoff gewußt dem Reklamemarkt nicht berücksichtigt ist. So haben. Nachdem RCA nun mit dem Kineskop ist die Entscheidung nachvollziehbar, das Fern­ eine funktionstüchtige massenproduktionstaugli­ sehen - trotz seiner technischen Machbarkeil - che Empfängerröhre und mit dem Ikonoskop ei­ fürs erste auf Eis zu legen. Einen potentiellen ne funktionstüchtige, wenn auch zunächst nur Konkurrenten einfach mal auf Eis legen , weil er Walitsch. Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? 103 gerade nicht in den Kram paßt - das kann freilich tung , 1917/18 die Überlagerungsschaltung und nur der Monopolist. 1922 die Superhet-Schaltung zum Empfang und Der Verkauf von Radioempfängern in den zur Verstärkung sehr schwacher elektromagneti­ Vereinigten Staaten wird durch die Eröffnung scher Hochfrequenzwellen erfunden hatte. bean­ des kommerziellen Fernsehsystems in keiner tragt 1930 und erhält 1933 vier Patente für kom­ Weise beeinträchtigt. Vielmehr gestaltet sich der plexe Schaltungen zur Eliminierung von atmo­ Verkauf von Fernsehempfängern äußerst sphärischen Störungen bei der Radioübertra• schleppend und enttäuschend. Dem Vorbild der gung , d.h. für den rauschfreien RadioempfangH BBC in London folgend, deren Fernsehdienst Diese neue Schaltung sieht anstelle der Ampli­ drei Jahre zuvor eröffnet worden war, beginnt tudenmodulation einer Trägerwelle bei der RCAINBC deshalb mit der Ausstrahlung einer Schallübertragung die der Frequenz Reihe von »Special events«, um das Interesse der Trägerwelle auf einem breiten Frequenzband an dem neuen Medium anzuheizen. So wird am vor, wodurch natürliche atmosphärische Störun• 17. Mai 1939 das Baseballmatch Columbia ge­ gen nicht mehr in das Signal einbrechen können . gen Princeton live übertragen, vom 16. bis 22. Damit sind der rauschfreie Empfang von Radio­ Mai das Sechs-Tage-Motorradrennen und am 1. signalen und die Ausstrahlung von Schallinfor­ Juni der Boxkampf zwischen Baer und Nova. Bei mation in High-Fidelity-Qualität möglich. Dies ist all diesen Übertragungen kommt jeweils nur eine das moderne UKW- oder FM-Radio. Kamera zum Einsatz.16 Es ist also zunächst Im März 1934 ermöglicht Sarnoff Armstrong , nicht das Radio, das sich von dem neuen Me­ der inzwischen die junge Sekretärin des RCA­ dienkonkurrenten bedroht fühlen muß. Dafür be­ Chefs geheiratet hatte, die Verwendung des kommt ein anderes Medium sehr bald die Macht RCA-Experimentalfernsehsenders auf dem Em­ des Fernsehens zu spüren: das Kino. Bereits pire State Building für seine Versuche zum unmittelbar nach der Wiedereröffnung der ame­ UKW-Radio. Sarnoff, der soeben die Entschei­ rikanischen Fernsehdienste 1945 gerät die Spiel­ dung gegen die Einführung eines öffentlichen filmindustrie durch die Konkurrenz des Fernse­ Fernsehsystems gefällt hat, benötigt den Sender hens , das in den USA seit 1952/53 in Farbe für Fernsehzwecke vorläufig nicht mehr. Am 16. sendet, in eine schwere Krise. Aus dieser Krise Juni 1934 gelingt Armstrang die erste erfolgrei­ heraus entstehen in den Jahren von 1952 bis che Übertragung von UKW-Radiosignalen von 1957 die Kinobreitwandverfahren, von denen dem Sender am .18 Doch das Cinemascope-Verfahren zur wichtigsten ein Jahr später, im Frühjahr 1935, ersucht Waffe des Kinos gegen das Fernsehen wird . Sarnoff Armstrong , den Sender wieder zu räu• Dieses ist soeben im Begriff, mit dem PAL-plus­ men - die Vorbereitungen für den Londoner Standard mit einem Breitbild von 16:9 das bisher Fernsehdienst sind in vollem Gange, und Sarnoff nur im Kino mögliche Breitbild-Seherlebnis ins hat die Absicht, die Fernsehexperimente wieder Wohnzimmer zu holen. aufzunehmen, um die englischen Erfahrungen Ähnlich verfährt Sarnoff übrigens, das sei nur nachvollziehen und studieren zu können . Arm­ am Rande erwähnt, mit der Einführung des strangs Versuche sind höchst erfolgreich verlau­ UKW-. das technisch bereits 1934 per­ fen, so daß er versucht, Sarnoff davon zu über­ fektioniert ist. Erst 1940 wird es in den USA ein­ zeugen , das gesamte alte AM-Radio zugunsten geführt - unter dem Zwang eines Erlasses der seines neuen, besseren Systems aufzugeben . Federal Communications Commission vom 22. Doch der denkt nicht daran, die florierende und Mai 1940. Künstlich ist ein suboptimales System, trotz der Wirtschaftskrise sehr profitable Radio­ das alte AM-Radio, das heute noch auf Kurz­ industrie zu gefährden. So werden die UKW-Ra­ und Langweile ausgestrahlt wird , aufrechterhal­ dioexperimente Armstrangs am Empire State ten worden, indem man es der Konkurrenz mit Building-Sender im Oktober 1935 eingestellt. 19 dem besseren, und das heißt konsumenten­ Armstrang muß den Sender räumen . Aus den freundlicheren System entzieht. alten Freunden Sarnoff und Armstrang werden Der Kampf David Sarnoffs gegen die Einfüh• bald tödliche Feinde. Armstrang kämpft weiter rung des UKW- oder FM-Radios ist legendär, für sein System. und der Umstand , daß er mit dem Erfinder des Am 15. Januar 1940 beginnen die Anhörun• UKW-Radios, , einen gen der Federal Communications Commission seiner ältesten und besten Freunde bekämpft, (FCC) zur Einrichtung eines Komitees zur Fest­ macht diese Episode zu einer der »big stories« legung von Fernsehnormen. Armstrang nutzt in der technischen Geschichte der Medien , ver­ diese Hearings, um sich bitterlich über die Blok­ gleichbar etwa der Auseinandersetzung zwi­ kadeversuche der RCA gegen sein System zu schen T. A. Edison und W. K. L. Dicksan um die beschweren . Am 22. Mai 1940 verfügt die FCC Erfindung der Filmkamera. Armstrong , der vor die Einrichtung von 40 FM-Kanälen.20 Zu ihnen dem ersten Weltkrieg die Rückkopplungsschal- zählt auch der amerikanische Fernsehkanal 1. 104 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) der RCA!NBC im Stadtgebiet von ge­ das sogenannte Lichtpunktverfahren, bei dem hört. Damit hat Armstreng einen großartigen Tri­ die Beleuchtung nicht direkt auf die Szene ge­ umph erreicht. Die Frequenzmodulation von Si­ richtet ist, sondern durch die Abtastscheibe auf gnalen ist heute das bevorzugte System im ge­ die Szene fällt, was zu einer wesentlich höheren samten Bereich Hörfunk; bei der Übertragung Stromausbeute bei der Photozelle führt. 21 Mit des Fernsehtons gibt es kein anderes System. dem Lichtpunktverfahren ( »flying spot system«) Darüber hinaus beruhen der mobile Radioemp­ überträgt Baird zum erstenmal in der Geschichte fang, die Richtfunksysteme der Telephonie und Fernsehbilder mit Halbtönen, also nicht bloß die Satellitenkommunikation sowie auch die Auf­ Konturen. Erstmals können Fernsehbilder gese­ zeichnung von Fernsehsignalen auf Magnetband hen werden, die dem Betrachter eine Idee des auf der weiterentwickelten FM-Technik. Arm­ Originalobjekts vermitteln, wie eine im Juni 1926 strangs Bedeutung für die Entwicklung der veröffentlichte Photographie eines menschlichen Funksignaltechnik ist zu seinen Lebzeiten nur Gesichts auf dem mechanischen Schirm zeigt. teilweise anerkannt worden. Die vielen Kämpfe, Seine neue Methode schafft Baird für lange Zeit die er auszufechten hatte - Armstreng führte einen Vorsprung vor den anderen Fernsehfor­ zwischen 1912 und 1926 auch einen erbitterten schern. Nur die Bell Labs, die seit dem Juni 1925 Patentstreit gegen Lee Oe Forest über die ebenfalls über das Lichtpunktverfahren verfügen, Rechte an der Rückkopplungsschaltung, den er kann er nicht abschütteln. Baird entwickelt das verliert- bleiben nicht ohne Folgen. Sein Vermö• mechanische Fernsehen mit großer Phantasie gen wird vom Kampf für das FM-System aufge­ weiter; er ist der erste, der Fernsehfernübertra• zehrt. 1954 nimmt sich Edwin Howard Armstreng gungen (über das Telephonnetz, 1927ff. und 64jährig das Leben. drahtlos 1929ff.) durchführt, der das stereosko­ pische Fernsehen (1928ff.), das sequentielle Farbfernsehen (1928ff.) und die mechanische V Fernsehaufzeichnung (auf phonographischen Platten, 1927ff.) entwickelt - alles mit seinen Wir wollen nun zum zweiten Beispiel kommen. Lochscheiben und dem Lichtpunktverfahren. Auch hier ist RCA maßgeblich beteiligt, aller­ Doch wie die Bell Labs, die ihre Arbeit eben­ dings spielt die Geschichte in England. Die eng­ falls in der Hauptsache auf die Lichtpunktmetho­ lische Fernsehgeschichte nimmt eine etwas an­ de aufbauen, übersieht Baird die Entwicklungen dere Entwicklung als die US-amerikanische. Sie auf dem Gebiet des elektronischen Fernsehens. beginnt mit dem Pionier John Logie Baird, von Das ist freilich nicht weiter verwunderlich. Die dem bereits die Rede war. Baird gilt in den Jah­ »Geheimnisse von Camden« - das Kineskop­ ren 1925 bis etwa 1930 als König des mechani­ und das Ikonoskop-Projekt Zworykins bei der schen Fernsehens. Anders als Farnsworth zeigt RCA - werden strengstens gehütet. Nicht einmal er aber keinerlei Interesse am elektronischen nach der Perfektionierung des vollelektronischen Fernsehen, mit dem er erstmals im Oktober Fernsehsystems der RCA gelangt auch nur ein 1931 in den amerikanischen Labors von General Anhaltspunkt darüber an die Öffentlichkeit, wie Electric in Berührung gekommen ist. Dort hat er es funktioniert. Erst am 24. April 1936 wird das freilich nicht die Arbeit am Ikonoskop gesehen, Ikonoskop erstmals der Presse vorgeführt. Was die von der Forschergruppe um Vladimir K. Zwo­ Baird bei seiner USA-Reise an elektronischem rykin unter allerhöchster Geheimhaltung in Cam­ Gerät zu sehen bekommt, sind in erster Linie die den durchgeführt wird. So zeigt sich Baird nach rückständigen Versuchssysteme von General seinem Besuch ausgesprochen skeptisch, was Electric und den Bell Labs, die wie Baird selbst die Verwendung von Elektronenröhren für ein noch gänzlich von der mechanischen Lösung Fernsehsystem betrifft. Sein Desinteresse am überzeugt sind. So überrascht es nicht, daß elektronischen Fernsehen soll ihm in den kom­ Baird nach seinem Besuch meint, er sehe »keine menden fünf Jahren viel Kummer bereiten. Hoffnung für das Fernsehen mittels Elektronen­ Der Schotte John Logie Baird ( 1888 - 1946) röhren«, und sich auch höchst skeptisch über wendet sich Mitte 1923 dem Fernsehen zu, die neue (und für das elektronische Fernsehen nachdem er in mehreren anderen Unternehmun­ unabdingbare) Technik des Kurzwellenfunks äu• gen gescheitert ist. Er berichtet zum ersten Mal ßert. Ein Blick in die RCA-Labors in Camden, im Mai 1924 von seinen Fernsehexperimenten. New Jersey, hätte Bairds Ansicht zweifellos ge­ Er ist der erste, der - 40 Jahre nach Nipkows ändert, doch dieser Blick wird ihm nicht gewährt Patentantrag - mit einer Lochscheibe erfolgreich - dafür aber einigen Mitarbeitern jener Gesell­ Bilder überträgt. Diese Bilder zeigen zunächst schaft, die ihm in London bald den ersten Rang nur grobe Konturen eines Kreuzes, eines Buch­ in der Fernsehforschung streitig machen: der staben und der Hand Bairds. Am 20. Januar Electric and Music lndustries (EMI). 1926 beantragt Baird ein britisches Patent für Walitsch.· Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? 105

ln London ist im April des gleichen Jahres, Tedhams, Joseph Dwyer McGee, noch vor eini­ 1931 , eine neue Holding-Gesellschaft gegründet gen Jahren geleugnet worden Doch wir wissen worden, in der sich die H. M V. Gramophone heute, daß mindestens drei Engländer das Company und die Columbia Graphophone Com­ streng geheime Ikonoskop-Projekt von Zworykin pany Ltd ., zwei Konkurrenten in der Elektronik­ in den RCA-Entwicklungslabors in Camden per­ branche, unter dem Druck der zunehmenden sönlich besichtigt haben: A. W. Whitaker, For­ wirtschaftlichen Depression vereinigt. Der neue schungsdirektor der H. M. V. Gramophone Com­ Konzern heißt Electric and Music lndustries pany, W. D. Wright, Ingenieur bei der H. M. V. (EMI). Schon bei seiner Gründung beteiligt sich Gramophone Company und von März 1929 bis auch ein amerikanischer Konzern an ihm: die März 1930 persönlicher Mitarbeiter Zworykins Radio Corporation of America, die zuvor schon beim Kineskop-Projekt, und schließlich A. 0 . G. an einer der beiden Partnerunternehmen betei­ West, Mitarbeiter in der Forschungsabteilung der ligt gewesen war. RCA hält etwa 27 Prozent H. M. V. Gramophone Company. Alle drei Män• Anteile an der neuen Holding. Am 22. Mai 1934 ner arbeiten 1932 bzw. 1933 bereits für EMI. stößt die mächtige, über großes Know-how in Neben diesen drei, die das Ikonoskop-Projekt der Funktechnik verfügende Marconi direkt in Camden besichtigt haben, bekommen Telegraph Company Ltd. , zu EMI. Fortan heißt W. F. Tedham, I. Shoenberg, der Chef der Pa­ der Konzern Marconi-EMI. tentabteilung von EMI , sowie die Mitarbeiter der London wird bald zum Schauplatz einer erbit­ Patentabteilungen von EMI , Marconi und der H. terten Auseinandersetzung zwischen Baird und M. V. Gramophone Company die RCA-Fernseh­ EMI. Baird genießt in der Stadt große Populari­ patente zu sehen .22 EMis Behauptung, das tät. Er teilt mit Farnsworth das Schicksal, be­ Emitron - so der Name der von EMI entwickelten ständig neue Geldgeber auftreiben und bei der Kamera des Ikonoskop-Typs - sei ohne Mithilfe Stange halten zu müssen . Das mechanische von RCA entstanden, ist unhaltbar. Fernsehen , das er beherrscht und sogar bis zu Schon im August 1932 bauen Tedharn und Farbsystemen weiterentwickelt, wird freil ich nie­ sein Mitarbeiter McGee ein erstes Versuchsmo­ mals ein Geschäftsfeld größeren Finanzvolu­ dell einer lkonoskop-Kameraröhre. Ab 1933 wird mens. Dazu fehlt aus den schon genannten das Entwicklungsprogramm intensiviert, EMI Gründen ganz einfach ein Käuferpublikum rele­ wendet zu dieser Zeit allein für Forschung im Be­ vanter Größenordnung für Empfangsgeräte. Bei reich Fernsehen 100 000 Pfund pro Jahr auf. den neuen elektronischen Empfängern auf der Und ebenfalls im Jahr 1933 tritt die Auseinan­ Grundlage der Kineskop-Röhre von RCA hinge­ dersetzung zwischen EMI und Baird in ihre heiße gen verhält es sich völlig anders. Sie sind bereits Phase. Baird verfügt bis dahin über eine Exklu­ jene einfach und von technischen Laien bedien­ sivvereinbarung mit der englischen Postbehörde baren Geräte, die wir auch heute noch kennen . und der British Corporation über Im Frühling 1931 , unmittelbar nach der Grün• die Nutzung der BBC-Sendeanlagen im Alexan­ dung von EMI , schickt RCA einige Exemplare dra Palace und im Crystal Palace in London, mit ihrer neuen Kineskop-Empfangsröhre zu EMI denen er seit 1926 seine Experimente mit me­ nach London. chanischem Fernsehen durchführt. Anfang 1933 Dies ist der Beginn eines umfangreichen tritt EMI an die Postbehörde mit dem Vorschlag Entwicklungsprogramms von EMI, das zunächst heran, einen Fernsehdienst einzurichten - aller­ vor allem auf den bereits bestehenden RCA­ dings ohne jegliche Zusammenarbeit mit dem Patenten aufbaut, zu denen EMI durch interne alteingesessenen Baird - worüber der natürlich Abkommen uneingeschränkten Zugang hat. entsetzt ist. Noch im selben Jahr, am 19. November 1931, Die Postbehörde beantwortet EMis Vorschlag beantragt EMI sein erstes Fernsehpatent Dabei mit einer Einladung zu Vorführungen, damit die handelt es sich um eine verbesserte Kineskop­ beiden Systeme, das mechanische Bairds und Bildröhre, die ganz und gar auf RCA-Patenten das elektronische von EMI, verglichen werden beruht. Doch nicht nur Know-how über Empfän• können . Diese Vorführungen finden am 19. April gerröhren überquert den Atlantik. Der verant­ 1933 statt. Die Überlegenheit des elektronischen wortliche Ingenieur bei EMI für Photozellen und Systems ist schlagend. Sie bewirkt bei Baird ein Bildwandlerelemente, wie sie in elektronischen radikales Umdenken hinsichtlich seiner Einstel­ Kameras verwendet werden- William F. Tedharn lung zum Fernsehen mit Elektronenröhren. Dies - hat schon Anfang 1932 auch Zugang zu der äußert sich zunächst darin, daß Baird A. G. D. Entwicklungsarbeit, die in den RCA-Labors zu West als Leiter eines umfangreichen For­ einer revolutionären neuen Kameraröhre verrich­ schungsprogramms zu elektronischem Fernse­ tet wird zum Ikonoskop. Diese Tatsache wird hen anheuert - jenen West, der als Mitarbeiter von EMI - aus den unterschiedlichsten Gründen bei EMI einmal Zworykins Ikonoskop-Projekt in - oft bestritten und ist vom engsten Mitarbeiter den RCA-Labors in Camden persönlich besich- 106 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) tigt hat Die so eingeleitete Aufholjagd Bairds Baird kämpft mit Zähnen und Klauen und wird freilich vergeblich bleiben . EMI wird von versucht, seine - nun schon überdeutliche und RCA weiterhin über alle neuen Entwicklungen endgültig nicht mehr aufzuholende - technische auf dem laufenden gehalten. Im Frühjahr 1934 Unterlegenheit dadurch wettzumachen, daß er werden mit der EMI-Kameraröhre - dem »Emi­ seine große Popularität in die Bresche wirft. tron«, wie EMI seine Version des Ikonoskops Doch Ende 1935 verfügt EMI über das am wei­ nennt - die ersten Außenaufnahmen durchge­ testen entwickelte Fernsehsystem der Welt Sei­ führt - ein Meilenstein in der Geschichte des ne Standards werden 50 Jahre lang in Kraft blei­ Fernsehens. EMI ist nun dabei, sogar RCA ben. technisch hinter sich zu lassen. Etwa zur glei­ Die Normen des ersten Londoner Fernseh­ chen Zeit, am 31. März 1934, kündigt die BBC dienstes bestehen aus 405zeiliger Auflösung, die Vereinbarungen mit Baird über Fernsehex­ 2: 1-Zeilensprungverfahren und einer Bildfre­ perimente an ihren Sendeanlagen. Baird wirft quenz von 25 Bildern/sec sowie aus einigen an­ EMI öffentlich vor, nichts weiter als ein Toch­ deren Spezifikationen. Die Standards des engli­ terunternehmen von RCA zu sein . EMI weist das schen Dienstes entsprechen in jeder Hinsicht zurück und behauptet wörtlich, daß »jeder Teil den Ansprüchen eines modernen Fernsehsy­ des Systems, bis hinunter zur letzten Schraube« stems. Sie bleiben bis zum 2. Januar 1985 in im Lande produziert werde. Und zu dieser Zeit Kraft. Mit der Inbetriebnahme des zweiten briti­ ist das nicht einmal mehr gelogen, denn natürlich schen Fernsehsenders BBC 2 am 20 . April 1964 hatte EMI seine Entwicklungen auf der Grundla­ werden aber die kontinentaleuropäischen Fern­ ge der RCA-Patente inzwischen durch eigene sehnormen auch in Großbritannien eingeführt. Patente abgesichert. Was EMI darüber hinaus - Der Londoner Fernsehdienst, der erste der Welt und bis heute - behauptet, nämlich daß sein Sy­ mit Normen, die mit den heutigen vergleichbar stem nicht auf RCA-Patenten und RCA-Know­ sind , beginnt am 2. November 1936 mit der how aufbaue, ist freilich schlicht und ergreifend Technik von EMI. Dieser erste Londoner Fern­ falsch. sehdienst ist es, der die BBC zur ältesten Fern­ Zu dieser Zeit, Mitte 1934, ist bereits ein sehgesellschaft der Welt macht und ihr den Titel Komitee zur Einrichtung eines öffentlichen Fern­ »Mutter des Fernsehens« verleiht sehdienstes in England , das sogenannte Sels­ Wir finden im Fall Baird gegen EMI durchaus don-Komitee, gegründet; es setzt die ersten ähnliche Strukturen vor wie im Fall Farnsworth Schritte mit erneuten Vergleichen zwischen den gegen RCA. EMI hat in der entscheidenden Systemen Bairds und EMis. Es geht immerhin Phase - am Beginn und in den ersten Jahren um die Frage, wer die BBC mit technischer Ap­ seines Entwicklungsprogramms - Zugriff auf den paratur beliefern darf, und damit um ein Milliar­ gesamten Patentpool von RCA und ist so in der dengeschäft. Dieses Komitee wird am 16. Mai Lage, eine eigene Patentstruktur aufzubauen, 1934 auf Initiative der BBC und der britischen die es ihr ermöglicht, sich gegen Baird spielend Postdirektion gegründet, um die Streitigkeiten durchzusetzen. EMI legt stets größten Wert dar­ zwischen Baird und EMI endgültig beizulegen. auf, diese Zugriffsmöglichkeit zu verheimlichen , Das Komitee formiert sich unter der Leitung von seine Arbeit also als genuin britische Leistung Lord Selsdon, Sir William Mitcheli-Thomson, der auszugeben. Das Prädikat »Homemade« ist als direkter Berater des Postdirektors Sir Kings­ eben in diesen Tagen ein sehr wichtiges Attest, ley Wood fungiert. Am 7. Juni 1934 tritt es erst­ umso mehr, als der potentielle Käufer in diesem mals zusammen. Im Oktober desselben Jahres Fall - anders als in Amerika - eine nationale Re­ brechen vier Mitglieder in die USA auf, um sich gierung ist Doch der entscheidende Punkt ist: über den dortigen Stand der Dinge zu informie­ EMI kann in dieser Auseinandersetzung als Mo­ ren; im November reisen vier weitere Angehörige nopolist agieren. Baird ist in Wahrheit nie ein des Komitees zum gleichen Zweck nach ernstzunehmender Gegner für EMI - mit Be­ Deutschland, und am 14. Januar 1935 legt das stimmtheit ist er kein Konkurrent Umgekehrt Selsdon-Komitee seinen Abschlußbericht vor, aber wäre EMI für RCA nie wirklich ein gefährli• der freilich keine Entscheidung zugunsten eines cher Konkurrent gewesen, hätten die beiden der beiden Rivalen trifft, sondern empfiehlt, bei­ Gesellschaften miteinander in Wettbewerb ge­ den Gelegenheit zu geben, die nötige Gerät• standen, anstatt zu fusionieren. Konkurrenz schaft für einen Fernsehdienst zu liefern.23 hätte für die beiden Konzerne freilich in der Zeit Gleichzeitig empfiehlt der Bericht freilich auch , der Depression sehr schnell lebensbedrohlich daß die Auflösung nicht unter 240 Zeilen bei 24 sein können. Niemand konnte das besser wis­ Bildern/sec liegen sollte, und damit ist die Ent­ sen , als einer der amerikanischen Verwaltungs­ scheidung für das elektronische und gegen das räte der neuen Holding EMI : David Sarnoff. mechanische Fernsehen gefallen. Walitsch: Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? 107

VI duktionseinheiten, die nicht zum selben Konzern gehören, können vereinbaren , die Dienste der Was wir hier beobachten können, sind Relativie­ »repairmen« gemeinsam zu nutzen, wenn dies rungsprozesse der Marktdoktrin. Im neuen wis­ wirtschaftlich sinnvoller ist als die Unterhaltung senschaftssoziologischen Zeitalter der großen jeweils eigener »repair«-Mannschaften24 Immer Entwicklungslabors anstelle der großen Einzeler­ geht es hier um die Nutzung von Synergien , oh­ finder kommt es zu der Erkenntnis, daß be­ ne daß es zur Fusion von wirtschaftlichen Entitä• stimmte ökonomische Konstellationen mit dem ten und damit zur Monopolbildung kommt. Sol­ Marktprinzip inkompatibel sind. Dazu gehört der che reinen Entwicklungsunternehmen können gesamte Bereich Forschung und Entwicklung, dann auch in Kooperationen mit staatlichen For­ und wir sind anhand der beiden Beispiele Zeu­ schungseinrichtungen, beispielsweise Universi­ gen der ersten praktischen Manifestationen der täten , treten. ln jedem Fall aber bilden sie eine Ausschaltung von Wettbewerb genau in diesem wettbewerbsfreie Zone, die allein den ökonomi• neuen Sektor Hochtechnologie geworden. schen Erfolg aller Beteiligten sichern kann . Der freie Wettbewerb wird im Falle eines Produkts mit extrem hohen Entwicklungskosten durchaus nicht als Erfolgsrezept, sondern viel­ VII mehr als das Gegenteil davon betrachtet - als Hemmschuh auf dem Weg zum Erfolg. Daher Die bisherigen Betrachtungen und Schlußfolge• werden Strategien zur Wettbewerbsvermeidung rungen seien an dieser Stelle kurz zusammenge­ oder -umgehung entwickelt, zu denen auch die faßt, bevor wir von der Vergangenheit in die Ge­ Trust- oder Monopolbildung gehört, wie wir sie in genwart und zu einer möglichen Nutzanwendung den beiden Beispielen vorgefunden haben . Die unserer Beobachtungen kommen . Wir haben Bildung großer Konzernkonglomerate freilich gesehen, daß die Rede vom freien Wettbewerb birgt immer auch die Bedrohung, daß der freie als unbedingte Erfolgsgarantie in Tat und Sache Wettbewerb nicht nur faktisch, sondern auch ideologisch, ja geradezu doktrinär, von den hi­ prinzipiell abgeschafft wird . Deshalb hat die Poli­ storischen Tatsachen her aber keinesfalls zu tik in allen Staaten mit wettbewerbsorientierten rechtfertigen ist. Diese Einsicht deckt sich zwar Wirtschaftssystemen Anti-Trust-Gesetze ge­ mit der geläufigen Kritik am Kapitalismus, wie sie schaffen , die die Entstehung von Wirtschaftsmo­ üblicherweise von der politischen Linken und nopolen verhindern soll. Freilich kann eine natio­ zum Teil auch von der Rechten artikuliert wird . nale Regierung, wenn sie ein Interesse daran Doch das Bemerkenswerte ist: Die Relativierung hat, daß ein wichtiges Schlüsselpatent innerhalb der Marktdoktrin erfolgt historisch auf dem Markt ihrer Nationalökonomie zustande kommt, die Bil­ selbst, ihre Notwendigkeit wird von den Mitspie­ dung eines Monopols bis zu einem gewissen lern am Markt erkannt, und diese Relativierung Ausmaß dulden, das heißt, sie kann eine Zeit­ wird direkt in den Markt implementiert - über die lang beide Augen zudrücken, wie es wohl auch Strategie der Monopolbildung. Die klassische bei der Radio Cerparation of America jahrelang Wettbewerbssituation ist also keineswegs eo ip­ der Fall war, bis der US-Justiz der Kragen so schon ein Erfolgsrezept platzte und sie das Monopol auflöste. Die zweite Einsicht ist die Relativierung der Das Bemerkenswerte an den beiden be­ darwinistischen Regel vom Überleben des Be­ schriebenen Vorgängen ist die Beobachtung, wie sten in der Konkurrenz. Wie wir gesehen haben, die Marktdoktrin gleichsam von innen heraus kann die Konkurrenz immanenterweise die Ur­ relativiert, wenn nicht gar gänzlich in Frage ge­ sache für ihre eigene Ausschaltung sein ; der stellt und aufgelöst wird. Es gibt Sektoren im freie Wettbewerb führt in manchen Bereichen zu Wirtschaftsprozeß, in denen der freie Wettbe­ seiner eigenen Abschaffung, zur Monopolbildung werb der Feind des Erfolges ist. Heute weiß man und damit zur Möglichkeit, eben gerade nicht das, und man kann genau bestimmen, in wel­ Optimales, sondern Suboptimales überleben zu chen Bereichen es zutrifft. Und man hat heute zu lassen. Freilich lautet der Umkehrschluß nicht, intelligenteren Strategien der Wettbewerbsver­ man möge dann doch einfach die Monopole meidung gefunden als der eher plumpen der auflösen, und es werden sich die Standards Monopolbildung. So verfolgt man im Bereich schon verbessern. Diese Konsequenz müßte Forschung und Entwicklung heute vielfach die dann korrekterweise so lauten: Man löse die Strategie der Auslagerung dieser Aufgaben aus Monopole bzw. die modernen wettbewerbsfreien den konkurrierenden Konzernen in reine Ent­ Räume auf, und es würde gar keine hochtechno­ wicklungsunternehmen; diese vereinigen als logische Weiterentwicklung mehr möglich sein - Pool die Forschungsetats mehrerer Firmen, die da wir es eben beim Sektor Forschung und darüber hinaus wenig oder gar nicht miteinander Entwicklung mit einem »natürlichen Monopol« zu verbunden sein müssen . Zwei Firmen oder Pro- tun haben; alles andere als eine wettbewerbs- 108 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) blockierende oder zumindest wettbewerbsmil­ verstehen . Der Begriff des meritorischen Guts dernde Organisation dieses Wirtschaftsberei­ stammt von John Stuart Mill, der es bündig so ches wäre aufgrund der enormen Kosten öko• definiert: Die, die es am nötigsten brauchten, nomisch sinnlos. fragen es nicht nach. Wir sprechen also von dem, was etwa für öffentlich-rechtliche Rund­ funkanstalten als »Bildungsauftrag« festgelegt VIII ist Man mag nun darüber streiten, ob alles, was eine Medieninstitution an meritorischem Gut er­ Der freie Wettbewerb führt also nicht, wie es die bringt, vom Konsumenten tatsachlich nicht Marktdoktrin verheißt, immer schon zum besse­ nachgefragt wird. Dieser Ansicht scheinen jeden­ ren, ja besten Ergebnis. Freilich gibt es zahlrei­ falls die Programmdirektoren der privaten Medi­ che Sektoren im wirtschaftlichen Getriebe, in de­ en zu sein . Man mag auch darüber streiten, was nen freier Wettbewerb vorteilhaft und richtig ist ein gravierenderer Eingriff in die Konsumenten­ Das dürfte nach unserem Verständnis überall souveränität ist - die Verbreitung sogenannter dort der Fall sein, wo sich aus einer Situation Minderheitenprogramme mit hohem Bildungsan­ freien Wettbewerbs Vorteile für den Konsumen­ spruch oder die Verbreitung von anspruchslosen ten bzw. allgemeiner für den Endverbraucher er­ Massenprogrammen. Tatsache ist, daß ein nicht geben. Gerade in Österreich, dieser kleine Sei­ oder wenig nachgefragtes Gut nicht marktfähig tenblick sei den deutschen Lesern zugemutet, ist und daher zurückgezogen, aus dem Angebot herrscht traditionell ein überaus wettbewerbs­ genommen wird. feindlicher Geist im Wirtschaftsleben, und das Einen ahnliehen Effekt scheint es bei der bezeichnenderweise gerade unter den Wirt­ Wertschöpfung aus Medieninhalten zu geben: schaftstreibenden selbst Hier gelten noch gera­ Durch Informations- und Bildungsauftrag läßt dezu mittelalterliche Zunftregeln; Kammern und sich ein gesetzlich fixierter Mindeststandard im Verbande sorgen als Schutz- und Trutzbündnis• Programmniveau festlegen . Entspricht die Wert­ se für die geregelte - und eben nicht freie - Auf­ schatzung dieser Mindeststandards nicht mehr teilung der Märkte. So sorgt Ende 1996 ein Erlaß der tatsachlichen Nachfrage auf dem freien des Wirtschaftsministeriums für helle Aufregung Markt, so ist es für den Anbieter günstiger, diese unter den Rauchfangkehrern, der die Zahl der Standards zu unterschreiten. So setzt sich ge­ zugelassenen Betriebe in einem Gebiet mit be­ wissermaßen eine Abwärtsspirale in Bewegung , stimmter Bevölkerungszahl erhöht So werden die hochwertige Programme nach außen drängt kleine, aber höchst profitable Monopole gestürzt Die heute verfolgte Politik der einheitlichen Wäh• Solche Liberalisierungsschritte können freilich rung in Europa steht gleichfalls im Dienste der nur unter größten Anstrengungen erfolgen, weil Abschaffung von Wettbewerbsvorteilen, die sich bestehende wettbewerbsfreie Zonen von denen, aus der Abwertung von Einzelwährungen erge­ die davon profitieren, mit Zähnen und Klauen ben. So müßte auch eine verantwortungsvolle verteidigt werden . Medienpolitik mit welchen Mitteln auch immer Aber in manchen Bereichen, das haben die dafür sorgen, daß die Nichtverpflichtung von Pri­ beiden Beispiele deutlich gemacht, ist es nicht vatsendern auf Mindeststandards ihrer Pro­ der Wettbewerb, der zum Erfolg führt, sondern gramme als Wettbewerbsvorteil beseitigt wird . seine Ausschaltung. Diese Lehre, die wir anhand Was uns im Sektor der technischen Entwick­ der technischen Geschichte der Fernsehmedien lung als Argument der Kritik des Monopols ge­ herausgearbeitet haben, laßt sich in noch deutli­ dient hat - ihre Fähigkeit, Standards, auch sub­ cherer Form auch auf der Ebene der Medienin­ optimale Standards, durchzusetzen - schlagt hier halte aufsuchen: Die freie Wettbewerbssituation um in eine Begründung, für das Monopolprinzip bringt nicht nur nicht immer schon das bessere bzw. allgemeiner für eine Einschränkung des und beste Resultat hervor, sie kann sogar zum Wettbewerbs zu sprechen, sofern ein Medien­ schlechteren und schlechtesten führten. Wo an­ monopol höhere Programmstandards setzt und ders sollte uns das deutlich werden als im Pro­ einhalt als jene, die aus frei konkurrierenden grammbereich der Medien von heute? Konkur­ Medienprogrammen hervorgehen. Denn das renz führt im Programmbereich ebensowenig Gesamtniveau einer Medieninstitution haben wir zum besseren Ergebnis wie im Sektor der tech­ danach zu beurteilen, was und wieviel an meri­ nischen Entwicklung . Freilich liegt dem nicht die torischem Gut es erbringt Und die Überlegenheit immanent notwendige Ausschaltung des Wett­ der öffentlich-rechtlichen Sender in dieser Frage bewerbs durch Monopol- bzw. Kartellbildung zu­ darf als allgemein anerkannt gelten. Nun ist die grunde, sondern die Ausschaltung nicht wettbe­ Monopolzeit der Öffentlich-Rechtlichen natürlich werbsfähiger Leistungen der Medien. schon lange abgelaufen; sie stehen seit den Wir müssen hier den Begriff des meritori­ großen Privatisierungsoffensiven in Europa in schen Guts einführen um diesen Prozeß zu den 80er Jahren und seit den technischen Wei- Walitsch . Der freie Wettbewerb als Erfolgsgarantie? 109 terentwicklungen im Kabel- und Satellitenbereich strument zur Schwächung des tödlichen Wett­ in scharfer internationaler Konkurrenz mit Privat­ bewerbs im übrigen - warum binden wir nicht unternehmen. Ihr wirtschaftliches Überleben auch öffentlich-rechtliche Sender darin ein und entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen ih­ machen diese Subvention zugleich davon ab­ rem gesetzlichen Auftrag, hohe Informations­ hängig, was und wieviel ein Medium an meritori­ und Bildungsansprüche zu erfüllen, und dem schem Gut erbringt? Ein Beirat zur Presseförde• Wettbewerbsvorteil, den die Privatsender aus rung , der wie auch immer aus Experten - Wis­ der Freiheit von solchen Ansprüchen ziehen . senschaftlern, Pädagogen, Sozialforschern, Das meritorische Gut, das öffentlich-rechtliche Kulturschaffenden usw. - zusammengesetzt ist, Sender erbringen, wird zum Klotz an ihren Bei­ soll unabhängig darüber befinden, wieviel Anteil nen auf dem Weg zum ökonomischen Erfolg. Die am Inhalt eines Mediums aufklärerischen Wert Lösung dieses Problems kann nur in einem Ein­ hat, und davon soll die Höhe der Subvention ab­ griff in die gegenwärtige Situation bestehen, bei hängig sein. Wir haben zu den ökonomischen dem entweder der Wettbewerbsvorteil der Pri­ Aspekten des hochtechnologischen Forschungs­ vatsender - keine Gebundenheit an Mindest­ und Entwicklungssektors bereits angemerkt, daß standards - beseitigt wird, oder aber die Gebun­ man dort heute zu intelligenteren Formen der denheit an Mindeststandards als Wettbewerbs­ Wettbewerbsvermeidung als derjenigen des Mo­ nachteil in irgendeiner Form ausgeglichen wird . nopols gefunden hat Auch bei den öffentlich• Dazu ließe sich folgendes vorschlagen: Das rechtlichen Rundfunkanstalten wird man zu neu­ staatliche Finanzwesen kennt den Begriff der en Formen der Wettbewerbsvermeidung finden gemeinwirtschaftliehen Leistung, also der Wirt­ müssen, wenn sie das meritorische Gut, das sie schaftsleistung, die privatwirtschaftlich als nicht unverkennbar und wertvoll macht, weiterhin er­ sinnvoll, volkswirtschaftlich hingegen als höchst bringen können sollen. sinnvoll betrachtet und dementsprechend hono­ riert wird . Ein gutes Beispiel für eine solche ge­ meinwirtschaftliche Leistung bildet der Betrieb IX der Osterreich ischen Bundesbahnen in manchen Regionen , in denen sich eine Eisenbahnverbin­ Es war uns darum zu tun , den Mythos vom frei­ dung privatwirtschaftlich niemals rentabel betrei­ en Wettbewerb, den man nur unbegrenzt herr­ ben ließe, wiewohl sie volkswirtschaftlich erfor­ schen lassen müsse, um zum Erfolg zu gelan­ derlich und nützlich ist in einem solchen Fall gen , in Frage zu stellen. Der Markt selbst regu­ bitten die Bundesbahnen dann eben die öffentli• liert sich , das haben wir an den beiden Beispie­ chen Hände zur Kasse. Auch hier liegt in gewis­ len aus der Geschichte der Fernsehtechnik ge­ ser Weise die Erbringung eines meritorischen sehen , und das ließe sich wohl auch durch Fälle Guts vor, wenn auch nicht in der Form von Bil­ aus anderen Sektoren belegen , oft dadurch , daß dungsangeboten für den einzelnen, sondern in er den Wettbewerb ausschaltet Direkt von den der Form von Entwicklungshilfe für benachteilig­ Beteiligten im Markt implementierte wettbe­ te Reg ionen . werbsfreie Zonen entstehen schon sehr früh . Sie Freilich ist in diesem Fall das erbrachte meri­ verdanken sich der Erkenntnis, daß in bestimm­ torische Gut evaluiert, ist sein Wert in Zahlen ten wirtschaftlichen Bereichen wie eben etwa im ausgedrückt und wird es als Geldwert erstattet besonders kapitalintensiven Forschungs- und Nun: Was hindert uns denn, auch das meritori­ Entwicklungsbereich Wettbewerb ein fort­ sche Gut, das öffentlich-rechtliche Rundfunkan­ schrittshemmender Faktor sein kann . Gleichfalls stalten erbringen, zu evaluieren? Bildung muß in Frage steht auch die Regel, im uneinge­ sich doch heute, im Zeitalter des fortschreiten­ schränkten Wettbewerb könne und werde sich den Marktprinzips allenthalben evaluieren, muß immer Optimales durchsetzen. Wir haben einige ihren Wert in Zahlen ausdrücken lassen. Was Beispiele aus der Medientechnik genannt, an­ auf den Universitäten möglich ist, muß doch hand derer sich das Gegenteil davon beweisen auch bei öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern läßt Wie der Wettbewerb auf der Seite des kon­ möglich sein. Was hindert uns daran, ihnen die kurrierenden Betriebs zum Erfolgshemmnis wer­ weitere Erfüllung ihres Bildungsauftrags in den kann , so führt er auch auf der Seite des Geldwert zu honorieren? Auf dem Printsektor Konsumenten zum schlechteren Resultat, weil er geschieht das in Osterreich langst Manche Ta­ für diesen vorteilhafte, aber nicht konkurrenzfä• geszeitungen in Osterreich gibt es nur noch, weil hige Leistungen (meritorische Güter) ausschal­ es die Presseförderung gibt, und die wiederum tet Als Beispiel hierfür haben wir den Bereich gibt es nur dafür, damit es auch diese kleinen der Medieninhalte in der Konkurrenz betrachtet Blätter noch gibt - im Sinne demokratiefördern­ Hier kommt es beim Einsetzen des freien Wett­ der Meinungsvielfalt Wir haben doch also die bewerbs zum Verlust meritorischer Güter, deren Institution der Presseförderung - auch ein in- bildender und aufklärerischer Wert für den Kon - 110 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

sumenten von Vorteil ist. die aber in der freien 8 Abramson The History (wie Anm . 2) . S 167f Konkurrenz nicht weiter angeboten werden kön• 260. nen. Dies haben wir anhand der Situation der 9 Ebd., S.119. Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichen und 1 privaten Medien untersucht. Die Ungleichheit 0 Ebd ., S. 115. dieser gegebenen Wettbewerbssituation führt 11 Vgl. Anm . 7. uns zu Vorschlagen zur Bereinigung: Gleichstel­ 12 Abramson: The History (wie Anm. 2) , S. 206, 240. lung der beiden Seiten entweder durch die ge­ setzliche Auflage von Mindeststandards für die 13 R. Gilbert und D. Newberry verwenden in der Programme der Privatsender oder durch die fi­ Darstellung eines sehr ähnlichen Falles den Be­ nanzielle Abgeltung des meritorischen Guts, das griff des »Patentdickichts« (patent thicket), um die öffentlich-rechtliche Sender durch die weitere Blockadepolitik eines Monopolkonzerns gegen­ über potentiellen Konkurrenten zu beschreiben . Erfüllung ihres Informations- und Bildungsauf­ Hier geht es um ein Anti-Trust-Verfahren, das die trags erbringen. SCM Corporation Ende der 70er Jahre gegen die Die vorliegenden Betrachtungen legen nahe, Xerox Corporation angestrengt hat. Den Schaden daß das Prinzip des freien Wettbewerbs in sei­ von 500 Millionen Dollar, den SCM beklagt, führt nem heutigen Verstandnis überschatzt wird. Es die Firma darauf zurück, daß Xerox (neben ande­ mag in vielen Bereichen die richtige Grundlage ren wettbewerbsfeindlichen Maßnahmen) eine des Wirtschaftsbetriebs sein und bietet gegen­ Anhäufung von Patenten aufgebaut habe. zu de­ über einer staatlichen Planwirtschaft zahlreiche nen Innovationen gehörten, die weder von Xerox selbst genutzt noch anderen Firmen in Lizenz ge­ Vorteile. Aber seine Verabsolutierung scheint geben würden. Dies entspricht genau der Patent­ uns ebenso fehlerhaft wie das Dogma von der politik von RCA in den 30er Jahren. Dabei handelt Staatswirtschaft. Der freie Markt selbst, das ha­ es sich genau genommen bei diesem Vorgang um ben die Beispiele gezeigt, ist sich dessen starker ein Paradox. Denn möglich wird der Aufbau eines bewußt als die Politik, die den freien Markt be­ monopolistischen »Patentdickichts« nämlich nur fördert. Das Prinzip des freien Wettbewerbs zei­ auf der Grundlage des extrem liberalen Patentge­ tigt in seiner uneingeschrankten Implementie­ setzes der USA. ln zahlreichen Ländern gibt es rung negative Folgen sowohl auf der Versorger­ Bestimmungen im Patentgesetz, die den Halter seite (supply side) als auch auf der Verbrau­ eines Patents zwingen , dasselbe in Lizenz zu ge­ ben, wenn es ihm innerhalb einer bestimmten cherseite (demand side). Der wichtigste Schluß Frist nicht gelingt, die betreffende Innovation aus den vorliegenden Betrachtungen muß daher selbst auszuwerten. Weiters gibt es die Möglich• die Forderung nach einer Relativierung des keit einer Patenterneuerungsgebühr. die mit den Wettbewerbsprinzips und die Sakularisierung Jahren drastisch ansteigt - ebenfalls eine Maß• des Umgangs mit ihm sein - es sollte nicht an­ nahme, um den Aufbau von Patentmonopolen zu gebetet, sondern regelmaßig daraufhin überprüft verhindern . Solche Regulierungsmaßnahmen sind werden, ob es leistet, was es verspricht. dem Geist der US-Wirtschaftsgesetzgebung gänzlich fremd. So reguliert sich der freie Wirt­ schaftsprozeß selbst. indem er den Wettbewerb ausschaltet. Anmerkungen 14 Abramson: The History (wie Anm . 2), S. 191f. • Vortrag, gehalten auf der Jahrestagung des Stu­ 15 Ebd ., S. 149. dienkreises Rundfunk und Geschichte am 5. Ok­ tober 1996 in Wien. 16 Ebd. , S. 252. Lieselatte Palme: Angst vorm Kapital. ln: profil 33 17 Ebd., S. 157,204. (12. 8. 1996), S. 38-44. 18 Ebd ., S. 204, 205. 2 Albert Abramson: The History of , 1880 19 Ebd., S. 219f. to 1941. Jefferson, N. C.: McFarland 1987, S. 115. 20 Ebd ., S. 257, 261. 3 Abramson: The History (wie Anm. 2) , S. 121 . 21 Ebd., S. 84. Baird ist freilich nicht der erste. der auf diesen Einfall gekommen ist. Er ist zum ersten 4 Ebd ., S 121, 124. Mal in einem französischen Patentantrag von Ge­ 5 Alan Archibald Campbell Swinton: Presidential arges Rignoux vom 20.5.1908 dokumentiert. Address . ln : Journal of the Röntgen Society 8/30 22 Ebd , S. 190. (Jan. 1912). S. 1-13. 23 Ebd ., S. 207, 212ff. 6 Vgl. N. N .. Distant Electric Vision. ln : London Ti­ mes v. 15. Nov. 1911, S. 24b. 24 Vgl. Jean Tirole: The Theory of lndustrial Organi­ sation. Garnbridge (Mass.) . London 1988, S. 20. 7 D1stant Electric Vision ln : Nature 78/Nr. 2016 (18 . Junl1908), S. 151 . Bettina Hasselbring

Einführung des Werbefernsehens in Bayern (1956)

Am 3. November 1956 lief der erste Werbespot die Verfechter eines privatwirtschaftlich organi­ über die bayerischen Fernsehschirme: Liesl sierten Fernsehens erst einmal -für über 20 Jah­ Karlstadt und Beppo Brem warben für das re - eine Schlacht verloren. Waschmittel Persil der Firma Henkel. Hiermit strahlte der Bayerische Rundfunk (BR) als erster Die folgende Darstellung konzentriert sich auf Sender in der Bundesrepublik Fernsehwerbung die Phase der Einführung des Werbefernsehens aus. »Ein neuer Abschnitt in der Geschichte des und greift einzelne Aspekte dieses komplexen Deutschen Fernsehens hat begonnen«, melde­ Themas heraus. Erstmals wurde auch ein Blick ten die >fernseh-informationen< damals auf ihrer in die Akten des BR und der Bayerischen Rund­ Titelseite.1 Die Einführung des Werbefernsehens funkwerbung geworfen und der Rundfunkrats­ ging nicht auf eine gemeinsame Initiative der beschluß vom 4. Mai 1956 sowie die ersten Ge­ ARD zurück, sondern blieb jeder Landesrund­ sellschafter- und Aufsichtsratsprotokolle ausge­ funkanstalt vorbehalten. Der BR, allen voran wertet. dessen damaliger Verwaltungsdirektor Hans Spies, trieben die Einführung des Werbefernse­ hens seit 1954 vehement voran. Im Juni 1956 Literatur und Quellen war die Bayerische Werbefernsehen GmbH als Tochtergesellschaft des BR errichtet worden. Ab Die Geschichte der Fernsehwerbung im allge­ November lief täglich , außer sonntags, nach der meinen und der bayerischen im besonderen ist »Münchner Abendschau« und vor dem ARD­ bislang nicht geschrieben. Im vierten Band der Gemeinschaftsprogramm um 20.00 Uhr, das zu­ >Geschichte des Fernsehens in der Bundesre­ sätzliche Rahmenprogramm »Zwischen halb und publik Deutschland< ist der Fernsehwerbung le­ acht« mit Quizspielen , wie »Alles oder nichts« , diglich eine Skizze gewidmet. 3 Diese allerdings »Die ideale Frau«, Filmserien und Sportquer­ geht weder auf den BR näher ein noch stützt sie schnitten , zwischen denen die Werbespots ein­ sich auf die schriftlichen Quellen der Rundfunk­ gestreut wurden. Im Dezember 1956 übernahm anstalten. Dieses Manko zieht sich im übrigen der die bayerischen Werbe­ durch die gesamten fünf Bände der Fernsehge­ fernsehproduktionen . Die anderen Rundfunkan­ schichte. Die vielschichtigen Probleme themati­ stalten zogen bis April 1959 nach. sierend, welche bei einer Fernsehwerbege­ Die Einführung von Werbung im öffentlich• schichte auftauchen, wie schwieriger Quellenzu­ rechtlichen Fernsehen war Mitte der 50er Jahre gang, Materialfülle, Komplexität von Werbung. äußerst umstritten und hatte damals eine bun­ wird hier ein »systemorientiertes« Verfahren ge­ desweite Diskussion ausgelöst. An der Kontro­ wählt, das Werbung als »Indikator sozialen verse waren Politiker, Zeitungsverleger, Journa­ Wandels« untersucht 4 und die Werbestrategien listen und die Rundfunkanstalten selbst beteiligt. sowie Trends einzelner Jahrzehnte herausarbei­ Stärkster Kontrahent war der Bundesverband tet. Über die medienpolitischen Hintergründe Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Dieser oder über die Organisation der Fernsehwerbung klagte gegen den BR und die Bayerische Werbe­ 1956 erfährt man hingegen nichts. fernsehen GmbH, da Werbung im öffentlich• Eine knappe Darstellung der wichtigsten Zu­ rechtlichen Rundfunk ungesetzlich sei. Doch die sammenhänge findet sich im vierten Band der Gerichte entschieden nach mehreren Verhand­ von Hans Bausch herausgegebenen Buchreihe lungen 1957 zugunsten des Werbefernsehens >Rundfunk in Deutschland< .s ln der Diplomarbeit im Rundfunk.2 Die Debatte um die Einführung von Heiner Gremer wird die bayerische Rund­ des Werbefernsehens stand immer auch im Zu­ funkwerbung von ihren (Hörfunk-)Anfängen in sammenhang mit den Initiativen zur Einführung der Weimarer Republik bis zum Kooperations­ eines privaten Fernsehens, das sich ausschließ• vertrag mit Sachsen-Radio 1990 im Überblick lich aus Werbeeinnahmen finanzieren sollte. Der dargestellt.6 Der Fernsehwerbung ist nur ein 1956/57 eskalierende Konflikt zwischen Presse kurzes Kapitel gewidmet. Gremer hat sich vor und Rundfunk hatte Anfang der 50er Jahre be­ allem auf gedruckte Quellen der Bayerischen gonnen, führte zum kurzen Intermezzo der Rundfunkwerbung und der Dokumentationsstelle »Freies Fernsehen GmbH« (1958-1961) und en­ der ARD-Werbung in Frankfurt beschränkt. Das dete (zunächst einmal) im Fernsehurteil des Thema Werbefernsehen greifen auch Arbeiten Bundesverfassungsgerichts 1961 . Mit der Grün­ auf, die sich mit ersten privatwirtschaftliehen dung des Zweiten Deutschen Fernsehens hatten 112 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Fernsehprogrammen beschäftigen. So die Dis­ Der BR als »Schrittmacher« sertation von Helga Montag,? welche vor allem die Quellen von Heinrich G. Merke!, dem expo­ Der Bayerische Rundfunk habe »Schrittmacher­ nierten Gegner des öffentlich-rechtlichen Werbe­ dienste geleistet, deren Bedeutung auch der fernsehens, auswertet a Ebenso die Habilitati­ Skeptiker anerkennen« müsse, stellten die >fern­ onsschrift von Rüdiger Steinmetz über die »Frei­ seh-informationen< im November 1956 fest 17 es Fernsehen GmbH«.9 Bereits zwei Jahre vor der offiziellen Einführung Im November 1996 erschienen zum 40jähri• des Werbefernsehens in Bayern hatte der dama­ gen Jubiläum eine kurze Darstellung im >Haus lige Verwaltungsdirektor des BR, Hans Spies 18 der Geschichte magazin< und eine Chronik der in einem Brief an den Intendanten Rudolf von Ereignisse von 1954 bis 1957 in den >fernseh-in­ Scholtz, den Fernsehdirektor Giemens Münster formationen<.1o Umfassende Informationen bie­ und den Justitiar Ottheinz Leiling angeregt, über ten die - zumeist positiven - (Selbst-)Darstellun­ die rechtliche und finanzielle Ausgestaltung ei­ gen in den Broschüren der Bayerischen Rund­ nes künftigen Werbefernsehens nachzuden­ 11 funkwerbung (BRW), z.B. in der Sonderbeilage ken.19 Damals gab es einige Pioniere, wie den der BRW-Zeitschrift >Der Löwen Anteil< zum Werbeberater und -fachmann Norbert Hand­ 3D-jährigen Bestehen des Werbefernsehens werk, welcher Hans Spies nahelegte, »Sobald 1986.12 Hier erinnern sich vor allem Zeitzeugen als möglich, zusätzlich zur Werbung im Hörfunk an ihre damaligen Aufgabenschwerpunkte. Mehr auch die Fernsehwerbung einzuführen «20 Auch statistische Informationen über die Fernsehzu­ im Hause Henkel wurde die Einführung des schauerinnen liefert die Broschüre >Bayerisches Werbefernsehens sehnliehst erwartet Im März Werbefernsehen 1956-1966<.13 Sehr ergiebig im 1954 hatte sich der BR in einem Pachtvertrag Hinblick auf die Bewertung aktueller Ereignisse mit der Firma Persil GmbH über die »Vermietung ist die seit Mai 1956 erschienene Beilage der eines 120 qm großen Grundstücks auf dem 14 >fernseh-informationen<, deren erste Jahrgän• Wendelsteingipfel zur Errichtung von Senderan­ ge herangezogen wurden. lagen« dazu verpflichtet, »der Henkel-Gruppe Im Historischen Archiv des BR sind zahlrei­ bei der ersten Fernsehwerbesendung den Vor­ che Quellen zum Werbefernsehen seit 1956 rang einzuräumen«.21 Die Werkszeitung schrieb überliefert ln den Beständen der Intendanz, des damals: »Dem Verbraucher bei dem unüber• Rundfunk- und Verwaltungsrats, der Verwal­ sichtlich großen Angebot die Orientierung zu er­ tungs- und der Juristischen Direktion befinden leichtern und gleichzeitig aufklärend für richtige sich (aufgrund der diversen Zuständigkeiten und Verwendung und für das Erkennen neuer Vortei­ Beteiligungen von SR-Personen in der Tochter­ le der Erzeugnisse zu wirken, das sind Werbe­ gesellschaft) Gutachten und Korrespondenz ziele der Wirtschaft, die nirgends so ideal er­ über die juristischen Streitigkeiten mit den Verle­ reicht werden wie über das Fernsehen.«22 gern, Protokolle von Sitzungen der Gesellschaf­ ter und des Aufsichtsrats, Korrespondenz mit der ln Großbritannien hatte die Einführung eines Deutschen Bundespost und mit den anderen kommerziellen Fernsehens (inkl. Werbung) 1954 ARD-Rundfunkanstalten, Unterlagen über die zu einer beachtlichen Steigerung der Fernseh­ Fusion zur Bayerischen Rundfunkwerbung teilnehmerlnnen - und damit der Gebührenein• (BRW) 1972, Analysen zum Zuschauerverhal­ nahmen - geführt. Innerhalb von acht Monaten ten , Auszüge aus Infratest-Untersuchungen, Un­ meldeten eine Million neuer Zuschauer ihre Ge­ terlagen zur Programmplanung der Programm­ räte an - der größte Zuwachs für das britische kommission Werbefernsehen (ab 1973) u.v.a. Fernsehen seit 1946. Und neue Zuschauerinnen Die BRW in München gewährte Einblick in die und damit neue Einnahmequellen hatte auch der Protokolle. Andere Quellen aus der Anfangszeit BR nötig, vor allem für den Ausbau seines Fern­ sind hier nicht überliefert. Das Zeitungsarchiv sehprogramms. »Je mehr der Aufbau des Fern­ des BR bietet mehrere Mappen mit Artikeln zum sehens Geld verschlang, um so eher fanden die Werbefernsehen. Sie dokumentieren das zeitge­ Forderungen der Wirtschaft nach Fernsehwer­ nössische Pro und Kontra der Presse gegenüber bung offene Ohren in den Funkhäusern.«23 ln dem neuen Programmangebot sowie die weite­ einer öffentlichen Rundfunkratssitzung verkünde• ren Etappen in der Entwicklung, zum Beispiel die te Hans Spies dann am 22. April 1955: »Ein Erhöhung der täglichen Werbung von sechs auf Werbefernsehen, was bei etwa 30 000 Teilneh­ 1 inzwischen zwanzig Minuten. 5 Akten des BDZV mern in Aussicht genommen werden könnte, se­ in Sonn-Bad Godesberg16 und der anderen he er positiv, und zwar mit einem Sendeanteil, ARD-Rundfunkanstalten dürften von Interesse der die Teilnehmer nicht verärgere, sondern er­ sem . sie konnten aber im Rahmen dieser Dar­ heitere. «24 stellung nicht weiter berücksichtigt werden. Im Januar 1956 erläuterte Fernsehdirektor Giemens Münster während einer Pressekonfe- Hasse/bring. Einführung des Werbefernsehens in Bayern 113 renz auf dem Fernsehgelände München-Frei• die Rundfunkanstalten übernehmen , würde es in mann die Gründe des BR, mit der Einführung spätestens einem Jahr von Wirtschaftsgruppen , des Werbefernsehens im Verbund der Rund­ etwa der Markenartikelindustrie, betrieben und funkanstalten voranzugehen. Der Hauptgrund damit der Kontrolle der Rundfunkanstalten ent­ sei »defensiver Natur« . Die Entwicklung des zogen« .29 Von Cube argumentierte nach dem kommerziellen Fernsehens in den USA und in Prinzip, bei einer Entwicklung, die sowieso nicht England mit seinen Begleiterscheinungen und mehr aufzuhalten sei, sei es besser, diese selbst die Möglichkeit eines Übergreifens solcher Ent­ zu steuern als sie den potentiellen Gegnern zu wicklungen auf die Bundesrepublik hätten vor­ überlassen. 30 beugende Maßnahmen notwendig gemacht. Au­ An weiteren Aspekten wurden genannt und ßerdem könne ein gut gestaltetes Werbefernse­ diskutiert: hen mit einem attraktiven Unterhaltungspro­ - die Rechtsgrundlagen, d.h. die Vereinbarkeit gramm eine »nette Bereicherung des Gesamt­ von Werbung und öffentlich-rechtlicher Anstalt; programms« sein . Zudem könne man in Bayern - die Organisationsform des Werbefernsehens, die Lücke in der Fernsehversorgung zwischen der Plan einer Gesellschaft mit beschränkter 19.30 Uhr, dem Ende der Regionalsendung Haftung; »Münchner Abendschau«, und 20.00 Uhr, dem - die Verwendung der Gewinne für Kulturhilfe. Beginn des ARD-Gemeinschaftsprogramms, Der ursprüngliche Wortlaut wurde allerdings am schließen. Generell wolle der BR mit dem Wer­ Ende der Sitzung abgeändert in »Der auf den befernsehen kein Geschäft machen, sondern die BR entfallende Gewinn der Gesellschaft wird für Überschüsse kulturellen Zwecken zuführen25 Zwecke der Kulturhilfe verwendet, soweit nicht eine zweckgebundene Rücklage sich als not­ wendig erweist.« »Der schwarze Freitag«26 - die Inhalte und Länge der Werbespots sowie des Fernsehens? Fragen der Geschmacklichkeit. Einhellige Mei­ nung der Rundfunkräte war es, daß Werbefern­ Der Rundfunkrat des BR billigt sehen bei »richtigen Mitarbeitern« auch sehr ge­ die Einführung des Werbefernsehens schmackvoll sein könnte. - die Verteilung der Aufsichtsräte. Im Unter­ Die »kulturelle Förderung« anhand der durch schied zum Werbefunk wurde beim Werbefern­ das Werbefernsehen erwirtschafteten Gelder sehen zusätzlich ein Aufsichtsrat gebildet. Nach stand bei den Argumentationen im BR-Rund­ dem ursprünglichen Plan sollte der Aufsichtsrat funkrat an erster Stelle. »Der Rundfunkrat gibt folgende Sitzaufteilung haben: BR vier Sitze ; der Hoffnung Ausdruck, dadurch dem Kulturle­ Bundespost zwei; Verleger (Zeitschriften- und ben Bayerns - zusätzlich zu den Erträgnissen Zeitungsverleger) zwei ; zwei Sitze für die Wirt­ des Werbefunks - erhebliche Mittel zur Verfü• schaft (ein Vertreter der bayerischen Wirtschaft. gung stellen zu können .«27 Nachdem der Ver­ ein Vertreter der Markenartikelindustrie ). Das waltungsrat am 23 . April 1956 den von der Ver­ waren Zugeständnisse an die Post und die Ver­ waltungsdirektion eingebrachten Vorschlag für leger.31 eine Vorfinanzierung genehmigt und die bisheri­ - das Verhalten der Zeitungsverleger. gen Vorarbeiten und Verhandlungen gebilligt hatte, diskutierte der Rundfunkrat in seiner 144. Interessant an der Diskussion sind vor allem Sitzung am 4. Mai 1956 die Einführung des zwei Aspekte: Werbefernsehens und stimmte bei einer Ge­ genstimme und einer Enthaltung schließlich 1) Rundfunk als Kulturinstitut zu2B Unter Tagungsordnungspunkt 2 (Einführung Der Grundtenor im Rundfunkrat, Werbefernse­ des Werbefernsehens) erläuterten Walter von hen bzw. Fernsehen als Werbemittel sei nicht Cube (seit dem Tod von Rudolf von Scholtz' bis mehr aufzuhalten, weshalb die Einführung durch zum 30 . September 1956 kommissarischer In­ die Rundfunkanstalten das kleinere Übel sei, tendant), Hans Spies und Justitiar Ottheinz Lei­ weil es noch kontrolliert werden könne, ist ein ling den Rundfunkräten den Planungsstand zum typisches Beispiel für die Einstellung zum Bayerischen Werbefernsehen. Walter von Cube Rundfunk als Ku lturinstitut in den 50er Jahren. nannte als Hauptgrund für die Einführung des Verderbliche Einflüsse seien durch die Kontrolle Werbefernsehens, »die Programmeinheit im der Aufsichtsgremien noch am ehesten abzu­ deutschen Rundfunkwesen zu wahren . Das wehren . Die Diskussion spiegelt eine hohe Mei­ Werbefernsehen sei unvermeidbar - viele andere nung vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie­ Länder hätten es bereits eingeführt oder ständen der, wie sie beispielhaft in der Äußerung des vor dessen Einführung -, und würden es nicht Vertreters der Bayerischen Schauspielbühnen. 114 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Hans Meissner, zum Ausdruck kommt: »Durch lieh war auch die »Phalanx« der bayerischen die Oberaufsicht der Rundfunkanstalten bleibe Zeitungsverleger nicht. Während der Generaldi­ von vornherein ein Niedergang ausgeschal­ rektor des Süddeutschen Verlags, Hans Dürr• tet« .32 meier, mit dem BR sympathisierte. galt der Vor­ Als Hauptargumente führten Walter von Cube sitzende des Verbandes Bayerischer Zeitungs­ und Hans Spies die Erhaltung des Programms verleger, Heinrich G. Merke!, als exponierter an und daß verhindert werde, daß die Gewinne Gegner des Werbefernsehens im öffentlich• einer privaten Gruppe zugute kommen . Der auf rechtlichen Rundfunk.36 Am 11. Mai 1956 teilte den BR entfallende Gewinn solle der Kulturhilfe er Hans Spies mit, daß die Verleger wegen zufließen. Die Rundfunkanstalten wollen es kei­ schwerer grundsätzlicher Bedenken die angebo­ nen fremden, privaten Firmen überlassen, ihr tene Beteiligung am Aufsichtsrat der Werbefern­ Fernsehprogramm mit Werbung zu unterbre­ sehen GmbH ablehnten. Dabei seien die Vertre­ chen . Auch der Vorsitzende des Fernsehaus­ ter der bayerischen Verleger von ihren nord­ schusses, Pfarrer Gerhard Hildmann, berichtete, deutschen Kollegen überstimmt worden.37 daß sich das Gremium eingehend mit der Frage Hans Dürrmeier seinerseits bedauerte am 22. beschäftigt habe, »Ob durch das Werbefernse­ Mai in einem Brief an Spies die Beschlüsse der hen ein Niedergang in kultureller oder ge­ Delegiertenversammlung des BDZV. Deren Ent­ schmacklicher Hinsicht eintreten müsse«. scheidung mache eine Zusammenarbeit bayeri­ Für ein »höheres Kulturniveau« trat Walter scher Zeitungsverleger mit dem BR beim Werbe­ Becher ein . Der Fraktionsvorsitzende des GB/ fernsehen unmöglich. Er selbst habe bei der BHE , vom Bayerischen Landtag in den Rund­ Jahreshauptversammlung in Kiel mit Nachdruck funkrat entsandt, war kein Unbekannter. Sein auf eine Zusammenarbeit mit dem BR hingewie­ Name tauchte ab 1955 in den Protokollen des sen . Doch die Mehrzahl der Anwesenden »aus Rundfunkrats »häufiger auf als andere, wenn es dem Raum nördlich des Mains« seien gegen um Beschwerden gegen einzelne Sendungen diesen »bayerischen Plan« , allen voran die Ver­ oder Angehörige des Bayerischen Rundfunks treter des Springer-Verlags. Wie aus den Proto­ ging« _33 Becher sei vom »Hörer-Standpunkt kollen der Gesellschafterversammlungen her­ 1OO%ig gegen ein Werbefernsehen, weil es zum vorgeht, trat Dürrmeier Anfang 1957 in den Auf­ weiteren Niedergang des Fernsehens beitragen sichtsrat ein und fungierte nun als Vermittler. werde, denn keine noch so gute Art Werbefern­ Von Anfang an hatte er den Plan und den sehen könne dazu dienen, das Fernsehen zu Wunsch, beim Werbefernsehen mitzuwirken. Um verbessern.« Aus Bechers Äußerungen ist eine aber nicht den Eindruck einer »Brüskierung der Skepsis gegenüber der Organisation Rundfunk Prozeßgegner« , zu erwecken, sollte der Beitritt herauszulesen. Er forderte eine gesetzliche Re­ nicht mit der Zustellung der Klage der Zeitungs­ gelung durch den Bayerischen Landtag, »die der verleger zusammenfallen. Der BDZV hatte die Stützung des Kulturniveaus« diene. Becher Klage am 31 . Oktober 1956 eingereicht. mußte die Sitzung vor der Abstimmung verlas­ sen , bat aber Dr. Carljörg Lacherbauer zu Proto­ koll zu geben, daß er »grundsätzlich gegen Ein­ Die Organisation führung des Werbefernsehens sei« .34 des Werbefernsehens

2) Die Haltung der bayerischen Am 28. Juni 1956 erfolgte die Gründung der Zeitungsverleger: Merke! contra Dürrmeier »Bayerische Werbefernsehen GmbH« mit Sitz in ln der Sitzung legte Spies dar, daß einige Verle­ in der Königinstraße in München. Zu ersten Ge­ gergruppen Bayerns sich »erstaunlich aufge­ schäftsführern wurden Hans Spies und Erwin schlossen gezeigt« hätten, im Unterschied zu Wittmann bestellt. Wittmann erinnert sich: den norddeutschen Verlegern, denen er aller­ »Weil ich damals von den Kosten des Fernsehens dings unterstellte: »Man dürfe hier deutlich sa­ mehr als jeder andere verstand, wurde mir von Hans gen der Bundesverband der Verleger sei nicht Spies angeboten, die Vorbereitungen zur Einführung gegen das Werbefernsehen an sich, sondern nur des Werbefernsehens zu koordinieren und verbind­ dagegen, daß er das Geschäft nicht selbst ma­ lich in Aussicht gestellt, zum Geschäftsführer einer che« . ln der Tat lagen einige Landesverbände neu zu gründenden Werbegesellschaft bestellt zu (in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen) werden ( ... ) Mir verblieb die weniger angenehme Auf­ nicht ganz auf der medienpolitischen (d .h. einer gabe, die ersten Geschäftsbedingungen und - noch schlimmer - die erste Preisliste vorzulegen. Trotz das Werbefernsehen ablehnenden) Linie des meiner fundierten Kenntnisse der Fernsehkosten wa­ BDZV. Die Landesverbände wollten eher im Ein­ ren die Einführungspreise nicht kalkulierbar. So ver­ vernehmen mit den Landesrundfunkanstalten blieb mir nur der Ausweg über eine der bei Ge­ ihre Interessen wahren.35 Doch ganz so einheit- schäftseröffnungen üblichen zwei Möglichkeiten: Hasse/bring: Einführung des Werbefernsehens in Bayern 115

Entweder sehr billig oder sehr teuer anzubieten . Ich und bei den Zuschauern ausgezeichnet ankom­ entschied mich , wenn auch mit größtem Risiko ver­ me42 bunden , für die letztere.«38 Paragraph 2 der Satzung legte fest: Reaktionen auf die »Gegenstand der Gesellschaft ist die Werbung im Fernsehen, insbesondere die Beschaffung und Aus­ ersten Sendungen führung von Aufträgen für Werbesendungen im Fern­ sehen, sowie die Erteilung von Produktionsaufträgen Die Programmverantwortlichen verfolgten zu­ an Dritte und sämtliche Maßnahmen, die geeignet sammen mit geladenen Gasten und Kritikern am sind, die Unternehmungen der Gesellschaft zu för• 3. November 1956 die Premiere des bayeri­ dern.« schen Werbefernsehens im Münchner ParkhoteL Organe der Gesellschaft sind der/die Geschäfts• Zuallererst den Persii-Spot, dann die Werbung führer, der Aufsichtsrat und die Gesellschafter­ für Overstolz, Arwa, Riz, Borsalino, Oetker und versammlung.39 Auf der ersten gemeinsamen Blendax, eingeführt vom »Star« der Sendung, Sitzung der Gesellschafter und Aufsichtsrats­ dem Werbefernsehlöwe »Leo«, der den Aufstieg mitglieder40 wurde Landtagspräsident Hans des Bayerischen Werbefernsehens von Anfang Ehard zum Vorsitzenden der Gesellschafterver­ an mit begleitete.43 Die Reaktionen auf die er­ sammlung gewählt. sten Werbesendungen zeichneten sich durch Am 10. Juli 1956 nahm die Gesellschaft ihre große Skepsis aus. Selbst Geschaftsführer Er­ Geschaftstätigkeit auf. Walter von Cube hatte win Wittmann war wenig begeistert: Helmut Endler als Verkaufsleiter/Prokurist nach »Das Eröffnungsprogramm am 3. November 1956 München geholt, Fernsehdirektor Giemens war für uns Kaufleute eine bittere Enttäuschung. Wir Münster Kurt Hinzmann, den Fernsehbeauftra­ hatten darauf nach den internen Spielregeln keinen gen des SWF, als Programmchef. Hinzmann Einfluß und es sollte nach Münsters Vorstellungen sollte das dem Werbefernsehen zugeordnete auch für uns eine Überraschung werden . Das wurde »Rahmenprogramm« gestalten, das in dem am es auch , und was für eine' Wir erlebten mit unseren 1. Oktober 1956 in Kraft getretenen Vertrag zwi­ ersten Auftraggebern und solchen , die es werden sollten, die Übertragung in den Räumen des Münch• schen BR und Bayerischer Werbefernsehen ner Parkhotels. Es war ein bayerischer Schwank, GmbH festgelegt war: mehr noch- eine Weißwursttragödie.«44 »§ 1 Der Bayerische Rundfunk wird täglich, mit Aus­ Zu den exponierten Gegnern gehörten die Pro­ nahme der Sonntage und der gesetzlichen Feiertage, grammzeitschrift >Hör Zu< (Chefredakteur war über seine Fernsehsender in der Zeit von 19.25 Uhr damals Eduard Rhein), welche sich ausführlich bis 19.55 Uhr ein zusätzliches Programm mit Werbe­ 4 einschaltungen ausstrahlen. über die »Ätherpest Werbefernsehen« ausließ 5 § 2 Dieses Programm enthält grundsätzlich 6 Minuten und die Fernsehpublizisten Gerhard Eckert und reine Werbung und 19 [Minuten] Rahmenpro­ Kurt Wagenführ.46 Wagenführ, damals Chefre­ gramm .«41 dakteur der Monatsschrift >Fernsehen< und spä• ter der >fernseh-informationen<, bewertete die Für das »Rahmenprogramm« wurde ein neuer erste Werbewoche des Bayerischen Fernse­ Sendetyp geschaffen, »Die kleine Form« ge­ hens: Die Werbeberater hätten sich nicht viel nannt. Kurt Hinzmann erklarte: Mühe begeben, das Publikum »Sämtliche Sparten des ARD-Programms waren im Rahmenprogramm vorzufinden, hinzu kamen noch »mit überraschenden Einfällen zu gewinnen. Im Ge­ die Wettbewerbe, wie >Ideale Frau<, >Siebeng'schei­ genteil : sie griffen auf im Kino erprobte Kurzfilme zu­ ten< und andere, sowie Ratespiele, z.B. >Alles oder rück und verpaßten meines Erachtens eine einmalige Nichts< , >Sag die Wahrheit<, >Tick Tack Quiz<, Chance. Bis auf den Löwen, der für nichts warb als >Paßwort< , >Dotto<, um nur einige zu nennen . Fast für die Werbung ( ... ) Man hatte viele Monate für die alles mußte >live< gesendet werden, aus einem Mi­ Vorbereitung Zeit, und sie ist nicht genutzt wor­ den.«47 nistudio, das mit der Abendschau geteilt wurde und der Bühnenbildnerei häufig genug als Werktatt dien­ Wagenführ kritisierte das Überhandnehmen ei­ te.« nes kommerziellen Denkansatzes, bei dem die Wurde in einigen Gesellschafter- und Aufsichts­ »Zahl die Stunde regiert« , so wie ihn vor allem ratssitzungen Ende 1956 noch das Programm der kaufmannisch versierte Verwaltungsdirektor 4 kritisiert. so erkannte der Aufsichtsrat in seiner 7. Hans Spies vertrete. 8 ln der >Hör Zu< vom 25. Sitzung am 5. April 1957 bereits die Fortschritte November 1956 schrieb er: an . Hans Spies stellte fest. daß nach »Überwin• »Daß der Bayerische Rundfunk bisher das schlech­ dung der üblichen Kinderkrankheiten« das Pro­ teste Fernseh-Programm beigesteuert hat, ist allge­ gramm »Zwischen halb und acht« gelungen sei mein bekannt. Aber ein schlechtes Programm wird dadurch nicht besser, daß man es um eine halbe 116 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Stunde verlängert und diese dann mit Werbefilmen Zugzwang brachte. welcher in der Presse häufig spickt Ein solches Zersplittern führt nur zu einem als »bayerische Extratour« kritisiert wurde, be­ weiteren Absinken der Qualität Die ersten Tage ha­ stand vor dem Hintergrund der Angriffe seitens ben es schon erschreckend dargetan.« der Zeitungsverleger von Beginn an eine Soli­ Doch es gab durchaus auch positive Resonanz darität -zumindest in offiziellen Presseerklärun• auf die ersten Werbesendungen: Zum Beispiel gen nach außen hin. So beschloß die ARD auf schrieb Maximilian Wolf am 7. Dezember 1956 in ihrer Tagung am 12./13. September 1955 1n der >Abendzeitung< über »Die kleine Form« : München, daß ein etwaiges Werbefernsehen zu den Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rund­ »Dem deutschen Fernsehen hätte nichts Besseres funkanstalten gehöre und bildete eine Werbe­ passieren können als die Einführung des Werbefern­ sehens. Dadurch hat der Fernsehzuschauer eine fernseh-Kommission, welche sich mit den Fra­ ganz neue Form des Programms bekommen, ganz gen eines künftigen Werbefernsehens befassen abgesehen davon, daß er auch eine halbe Stunde sollte.52 Das Protokoll der zweiten Sitzung dieser länger zuschauen darf.« Kommission für Werbefernsehen am 9. Februar 1956, auf der Walter von Cube und Hans Spies Wolf listete im folgenden vier Vorteile des Wer­ den SR vertraten, faßt folgende Aspekte zu­ befernsehens auf, u.a. die stärkere Berücksichti• sammen: Die anderen Rundfunkanstalten seien gung des Publikumsgeschmacks, den die neuen über die Pläne des BR unterrichtet. Niemand sei Werbespots gut getroffen hätten. Gleich nach begeistert über die Tatsache des Werbefernse­ dem Start begann mit >Infratest< - auf eigene In­ hens. Da es sich aber als »Publikationsmittel der itiative - eine Begleitforschung, die bis zum Werbung« nicht verhindern lasse, sollen die Frühjahr 1957 lief, die Publikumsreaktionen. Rundfunkanstalten und nicht ein zweites Fern­ Wolfgang Ernst, Leiter von >Infratest<, berichtete sehprogramm die Gestaltung übernehmen. Es 30 Jahre später über den damaligen For­ sei wünschenswert, sich mit der Bundespost und schungsansatz und die Ergebnisse: ln der An­ den Verlegern zu arrangieren. Zudem bestehe fangsphase wurden täglich 100 bis 150 Fern­ »durchaus die Möglichkeit, daß Bayern sein be­ sehhaushalle ausgewählt und interviewt. Gefragt kanntes Projekt zunachst selbständig verwirk­ wurde nach den Einschaltquoten, der personen­ licht«.S3 bezogenen Sehbeteiligung, der Beurteilung des Am 24. Mai 1956 nahm die Hauptversamm­ Rahmenprogramms und nach den einzelnen lung der ARD die Empfehlung ihrer Werbekom­ Werbespots. Die Ergebnisse waren überra• mission an . Diese stellte u.a. fest, daß der BR schend positiv. Das Werbefernsehen fand von inzwischen durch seinen Rundfunkrat zur Ein­ Anfang an eine hohe Akzeptanz. Die Zuschauer führung des Werbefernsehens ermächtigt wor­ beschäftigten sich sehr intensiv mit Inhalt und den sei . Da außerdem einige andere Rundfunk­ Gestaltung der Werbespots. Auch das Rahmen­ anstalten ihre grundsätzliche Bereitwilligkeit er­ programm »Zwischen halb und acht« wurde zu­ klärt hätten, empfahl die Kommission , die Maß• meist zustimmend aufgenommen.49 nahmen zur Einführung des Werbefernsehens Auch eine weitere Befragung von >Infratest< zu koordinieren.« Als Koordinator wurde der im Oktober 1957 ergab, daß 88 Prozent mit dem Verwaltungsdirektor des SR , Hans Spies. be­ Programm des Werbefernsehens »zufrieden« stellt:54 oder »sehr zufrieden« waren.SO Die positive Re­ sonanz beim Publikum wurde sogar in Verbin­ »Praktisch bedeutet das zunächst, daß der Bayeri­ dung damit gebracht, daß der Rückgang der sche Rundfunk federführend für die Werbefernseh­ Verkaufszahlen von Fernsehgeräten im Sommer fragen der anderen Rundfunkanstalten wird . Es wer­ 1957 in Bayern nicht stattfinde, da hier durch das den Erfahrungen vermittelt werden, die der Bayen­ sche Rundfunk mit seiner Werbefernseh-Organisation Werbefernsehen ein zusätzliches, kurzweiliges und Gestaltung macht. und man wird sich gegenseitig Programm angeboten werde, wie Fernsehdirek­ in den grundsätzlichen Fragen abstimmen. München tor Clemens Münster in der Gesellschafterver­ ist damit zunächst die Zentralstelle für die Werbe­ sammlung der Bayerischen Werbefernsehen fernseh-Bestrebungen der Rundfunkanstalten gewor­ GmbH am 1. Juli 1957 nahelegte51 den.«55 Am 1. Dezember 1956 schlossen BR und die »Berliner Werbefunk GmbH« einen Vertrag, und Werbefernsehen - einen Monat nach dem Start in München , am 4 . Eine bayerische Extratour? Dezember 1956, übernahm der Sender Freies Berlin erstmals die Produktionen des bayeri­ Obwohl der Bayerische Rundfunk innerhalb der schen Werbefernsehens: die Quizsendung »Al­ ARD zunächst allein das Projekt Werbefernse­ les oder nichts« und die sieben Werbespots der hen vorantrieb bzw. die anderen Rundfunkan­ Premiere. Die Filmaufzeichnungen wurden per stalten durch vollendete Tatsachen in einen Luftfracht von München nach Berlin geschickt Hasse/bring. Einführung des Werbefernsehens in Bayern 117 und dort jeweils eine Woche später ausgestrahlt GmbH zur Bayerischen Rundfunkwerbung GmbH Der Rundfunkrat des SFB hatte der Einführung (=BRW) des Werbefernsehens auch deswegen zuge­ 12 Vgl. »Der Löwen Anteil«. Sonderbeilage »30 Jah­ stimmt, weil dadurch die Finanzierung eines Ber­ re Werbefernsehen im Bayerischen Rundfunk«. liner Regionalprogramms möglich werden sollte. Hrsg. von der BRW [München]1986. Bis April 1959 hatten alle Landesrundfunk­ 13 Vgl. Bayerisches Werbefernsehen 1956-1966. anstalten nach der Genehmigung durch ihre Auf­ Redaktion: Helmut Endler. München 1966. sichtsräte Werbung in ihre Regionalprogramme aufgenommen. Alle Rundfunkanstalten gründe• 14 Vgl. Beilage der fernseh-informationen: Werbe­ ten Tochtergesellschaften in Form von GmbHs, Fernsehen. Spezialdienst der fernseh-informatio­ nen ab Mai 1956. um die steuerpflichtigen Werbeeinnahmen von den nicht steuerpflichtigen Gebühreneinnahmen 15 BR-Zeitungsarchiv, Mappen R 35. 1960 wurden zu trennen. aus den sechs Minuten zwölf, seit 1966 sind es 20 Minuten täglich. Vgl. BRW-Marketing: Entwick­ lung des Werbefernsehens in Bayern, Januar 1990. Anmerkungen 16 Vgl. Volker Schulze: Im Interesse der Zeitung. Zur 1 fernseh-informationen Jg. 7 (1956), H. 29. Kommunikationspolitik des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Frankfurt am Main 2 Das Landgericht hatte am 12.3.1957 die Klage 1994, S. 253ff. der Firma Nürnberger Presse und des BDZV ge­ gen den BR , die Bayerische Werbefunk GmbH 17 Der Rubicon ist überschritten ... Das Werbefern­ und die Bayerische Werbefernsehen GmbH, das sehen ist nun Tatsache geworden. in : fernseh­ Werbefernsehen einzustellen, abgewiesen. Am informationen Jg. 7 (1956), H. 30, S. 648f. 24 .10.1957 bestätige das Oberlandesgericht Mün­ 18 Hans Spies (1911 -1975) war von 1952 bis 1971 chen in zweiter Instanz dieses Urteil und stellte Verwaltungsdirektor des BR . Nach seiner Amts­ klar, daß Werbung zum Aufgabenbereich der zeit war er noch Geschäftsführer der BRW. Rundfunkanstalten gehöre und rechtmäßig sei. 19 Vgl. »Der Löwen Anteil« (wie Anm. 12). 3 Vgl. Siegtried J. SchmidU Brigitte Spieß: Ge­ schichte der Fernsehwerbung in der Bundesre­ 20 Wittmann: in: »Der Löwen Anteil« (wie Anm. 12). publik Deutschland. Eine Skizze. in: Hans-Dieter Norbert Handwerk hatte 1947 die Insel-Film­ Erlinger und Hans-Friedrich Foltin (Hrsg.) : Ge­ Produktion, 1949 die Deutsche Funkwerbung und schichte des Fernsehens in der Bundesrepublik 1951 die Deutsche Filmtheater-Werbung gegrün• Deutschland. Band 4: Unterhaltung, Werbung und det. Zielgruppenprogramme. München 1994, S. 187- 21 Vertrag in SR-Akte TE/1198. 242 . 22 Hans Kratz: Zwei Geburtstage. in : »Der Löwen 4 Ebd ., S. 189. Anteil« (wie Anm . 12). 5 Vgl. Hans Bausch: Rundfunkpolitik nach 1945. 23 Bausch: Rundfunkpolitik (wie Anm. 5), S. 533. in Zweiter Teil. München 1980, S. 528-538. der Tat rentierte sich das Unternehmen Werbe­ 6 Vgl. Heiner Gremer: Die bayerische Rundfunk­ fernsehen : in zehn Jahren stieg der Umsatz auf werbung. Bamberg, Diplomarbeit 1991 . etwa 35 Millionen Mark. 7 Vgl. Helga Montag: Privater oder öffentlich­ 24 Protokoll des Rundfunkrats v. 22.4.1955. rechtlicher Rundfunk? Initiativen für einen privaten 25 Beilage Werbe-Fernsehen (1956) , Nr. 17. Rundfunk in Deutschland. Berlin 1978, S. 84-93. 26 Der Informationsdienst der evangelischen Kirche 8 Vgl. Heinrich G. Merke!: Anmerkungen zum >epd Kirche und Fernsehen< bezeichnete den 4.5. Rundfunkwesen I. Eine Auswahl aus 12 Jahren 1956 als »schwarzen Freitag« in der Fernsehge­ 1952-1964. Nürnberg 1965. schichte: »Ohne Zweifel ist das ein höchst bedeu­ 9 Vgl. Rüdiger Steinmetz: Freies Fernsehen. Das tungsvoller Beschluß; folgenschwer für die ge­ erste privat-kommerzielle Fernsehprogramm in samte Weiterentwicklung des Deutschen Fernse­ Deutschland. Konstanz 1996. hens. Denn jedermann ist sich klar darüber, daß dieser Beschluß einer ersten Bresche in die bis­ 10 Vgl. Bettina Burtscheidt: Eine Revolution in deut­ herigen Prinzipien des Deutschen Fernsehens schen Wohnzimmern - der Beginn des Werbefern­ gleichkommt« Diese Bewertung ist prototypisch ehens. in : Haus der Geschichte magazin Jg . 4 für die eindeutig ablehnende Position der evange­ (1996). S. 12f.; Bettina Hasselbring: Die Einfüh• lischen und katholischen Kirche. Vgl. Montag (wie rung der Fernsehwerbung in Bayern. Eine Chronik Anm . 7), S. 92. der Ereignisse 1954 bis 1957. in fernseh­ lnformationen Jg . 21 (1996). S 696-701 . 27 Protokoll des Rundfunkrats v. 4.5.1956. 11 Im Ma1 1972 fusionierte die Bayerische Werbe­ 28 Die Beilage »Werbe-Fernsehen« der >fernseh­ funk GmbH und die Bayerische Werbefernsehen informationen< bewertete den schnellen Beschluß 118 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

des Rundfunkrats in ihrer ersten Mai-Ausgabe: Waller von Cube, Pfarrer Hildmann, Vorsitzender »Wenn dieser bedeutungsvolle Beschluß so ein­ des Fernsehausschusses des Rundfunkrats, Ru­ hellig und glatt im Rundfunkrat durchging, dann dolf Eberhard, Vorsitzender des Haushaltsaus­ dürfte das auf drei Ursachen zurückzuführen sein: schusses des Rundfunkrats, Josef Kiefer, Mitglied 1. daß die Einbringung der Vorlage durch den des Verwaltungsrats, Ludwig Mellinger von der sehr zielbewußten Verwaltungsdirektor Hans Industrie- und Handelskammer, Carl Saebeler, Spies gut vorbereitet worden war, 2. daß die mit Generaldirektor der Firma Nestle. ihren eigenen Anliegen beschäftigten Rundfunkrä• 41 Original-Vertrag in SR-Akte GR/112. te ein >überraschend schnelles Verständnis< für eine Materie bekundeten, mit der sie sich gewiß 42 SR-Akte GR/112. vorher kaum ernsthaft beschäftigt hatten, und 3. daß die etwaigen Überschüsse des Werbefernse­ 43 Erfunden und gezeichnet hat das Maskottchen hens kulturellen Zwecken zufließen sollen .« der Maler Johannes Behler (besser bekannt mit seinem Kürzel JOB). 29 Der Markenverband hatte im Oktober 1955 in ei­ ner Denkschrift »Wirtschaft kann Fernsehwerbung 44 Wittmann: in: »Der Löwen Anteil« (wie Anm. 12). nicht entbehren« ein privates Werbefernsehen Die Fernsehwerbung der 50er Jahre wird insge­ gefordert. samt als wenig innovativ charakterisiert, da der Spielraum der Werbetreibenden bei Konzeption 30 Mit »potentielle Gegner« waren private Fernseh­ und Gestaltung noch klein gewesen sei, so anbieter, wie in Großbritannien und den USA, SchmidUSpies: Geschichte der Fernsehwerbung gemeint. Im August 1956 gründete sich die (wie Anm . 3), S. 197. »Studiengesellschaft für Funk- und Fernsehwer­ bung« zur Vorbereitung von Werbesendungen in 45 Helmut Endler. in: »Der Löwen Anteil« (wie Anm. einem zweiten, auf privatwirtschaftlicher Grundla­ 12). ge betriebenen und gestalteten Programm. Vor­ 46 Seide gehörten dem 1951 gegründeten »Arbeits­ sitzender wurde Heinrich G. Merke!. Mitglieder kreis für Rundfunkfragen« an, welcher eine Neu­ waren Vertreter der Wirtschaft, des BDZV, der ordnung des Rundfunkwesens forderte. Vgl. Werbung und der bekannte Fernsehpublizist Ger­ Steinmetz: Freies Fernsehen (wie Anm. 9), S. 92 . hart Ecker!. Vgl. Steinmetz: Freies Fernsehen (wie Anm. 9), S. 92 ff. 47 Kurt Wagenführ: München, den 3. November 1956. Zum Beginn des Bayerischen Werbefern­ 31 Die geplante Beteiligung der Post kam allerdings sehens. in: Fernsehen. Illustrierte Monatshefte für nicht zustande. Am 12.7.1956 teilte Bundespost­ Fernsehfreunde Jg . 4 (1956), H. 12, S. 681 . minister Siegtried Balke Waller von Cube mit, daß sich die aufgrund ihrer al­ 48 Ebd ., S. 684. leinigen technischen Zuständigkeit nicht an der 49 Vgl. Wolfgang Ernst. in: »Der Löwen Anteil« (wie Bayerischen Werbefernsehen GmbH , welche Anm. 12); vgl. auch die Infratest-Untersuchungen. Programmgestaltung wahrnehme, beteiligen kön• Ganz im Unterschied zum »epd Kirche und Fern­ ne. Vgl. SR-Akte GR/112. Spies hatte sich dahin­ sehen« v. 5.11.1956, welcher speziell die »sensa­ gehend geäußert, daß es begrüßenswert wäre, tionellen Wirkungen« und die »nervenstrapazie­ »wenn zwei große publizistische Institutionen, rende Methode« des Geldverdienans oder Funk und Verleger, sich zu einer echten Harmonie -verlierens im Quiz »Alles oder nichts« äußerst zusammenfinden.« bedenklich fand . 32 Protokoll des Rundfunkrats, 4.5.1956. 50 Brief Hans Spies an die Gesellschafter und Auf­ 33 Vgl. Ludwig Maaßen: Der Kampf um den Rund­ sichtsratsmitglieder der GmbH , 21.1.1958. SR­ funk in Bayern. Berlin 1979, S. 45. 1957 reichte Akte GR/112. Becher einen Gesetzentwurf zur Änderung des 51 Ebd. Rundfunkgesetzes ein . 52 Vgl. Beilage Werbe-Fernsehen (1956), Nr. 15. 34 Protokoll des Rundfunkrats, 4.5.1956. 53 SR-Akte GR/112. 35 Vgl. Bausch: Rundfunkpolitik (wie Anm. 5), S. 536 54 Vgl. Beilage Werbe-Fernsehen (1956), Nr. 15. 36 Merke! startete im Juni 1956 in den >Nürnberger Nachrichten< eine Pressekampagne gegen das 55 Beilage Werbe-Fernsehen (1956), Nr. 16. Werbefernsehen der Rundfunkanstalten. 37 Vgl. SR-Akte GR/112. 38 Wittmann: in: »Der Löwen Anteil« (wie Anm. 12). 39 Vgl. SR-Akte GR/112 und VJ/4878, darin ein Be- richt v. 16.5.1960 über die Werbegesellschaften als Vorlage für den Rundfunkrat 40 Gesellschafter waren Landtagspräsident Hans Ehard. Rundfunkratsvorsitzender Max Zillibiller, Justitiar Ottheinz Leiling: Aufsichtsratsmitglieder Miszellen

»Diese irrationalistische, dung der Überwachungsausschüsse erkl~ren teufelsgläubige Zeit« mag . Auch >Funk und Schall<, die in Frankfurt am Main erscheinende »einzige deutsche Rund­ George Grosz und Johannes R. Becher in funk- und Schallplattenkorrespondenz für die der Berliner Funkstunde am 10. Juni 1931 katholische Tagespresse« , hatte offenbar genau Teil II hingehört: Es lohnt sich, auch die anderen Kultursendun­ »Herr Gläser glaubt weder an das Gute weder an das gen der Funkstunde vom 10. Juni 1931 genauer Böse im Menschen - alles Unheil wird der gesell­ schaftlichen Ordnung - oder besser Unordnung zuge­ zu betrachten. Sie lassen sich zum einen auf schrieben, und es ist kein Wunder, wenn Gläser, der dem Hintergrund der peniblen parteipolitischen Autor des >Jahrgangs 1902< , sich zu den kommunisti­ Neutralit~t des Rundfunks, gepaart mit kaum schen Weltbeglückern bekennt.«22 verhüllten Zensureingriffen des Überwachungs• ausschusses lesen. Zum andern - Zufall oder Von 18.20 bis 18.40 Uhr war im Programm der Programmplanung - zieht sich das Verh~ltnis Funkstunde Intendant Hans Meißner aus Stettin des Individuums zur Gesellschaft als unausge­ mit dem »Notschrei eines Theaterleiters« zu sprochenes Leitmotiv durch das Abendpro­ vernehmen. Er knüpfte an »Radauszenen bei gramm jenes Tages. den Aufführungen der >Aff~re Dreyfuß< in Pari s Von 17.30 bis 18.00 Uhr wurde unter dem und beim Toscanini-Skandal in Bologna« an .23 Thema »Aktualit~t und Ewigkeitswert« ein Ge­ Die >Deutsche Tageszeitung< resümierte seinen spr~ch zwischen Erich Franzen und Ernst Gl~ser Standpunkt, der sich durchaus als Kommentar ausgestrahlt. Der >Deutschen Allgemeinen Zei­ auf das nachmitt~gliche Grosz-Westheim-Ge­ tung< zufolge gab es spräch lesen l~ßt: »Anlaß zu allerhand spitzfindigen Ästhetizismen und »Nach ihm hat die Krise der Theater in den immer dialektischen Purzelbäumen von Homer bis Kleis!. Es häufiger werdenden Übergriffen der Politik ihren war auch viel vom ideellen und materiellem Unterbau Grund , die den geistigen Eigenwert der Bühnen aus­ der Gesellschaft die Rede und von >formal mechani­ zulöschen drohe. Intendant Meißner verweist damit stischen Begriffen <. Wer konnte das alles verdauen? auf eine sehr bedeutsame Zeiterscheinung, die ja Ein bestimmtes Beispiel hätte hier mehr gesagt als nicht nur im Reich der Theater zu beobachten ist: tausend Analysen .«20 Politisierung der Kunst. Wenn aber der Redner ihre Berechtigung nicht besser zu bekämpfen weiß, als Aber allzu konkret durfte man ja nicht werden. mit dem Bemerken, daß es ja auch keine politische Glaubt man dem Beobachter der >Weit am Blinddarmoperation gebe, so ist das doch ein allzu Abend <, so wurden bei diesem Gespr~ch die billiges Argument, das der Sache nicht gerecht 4 unterschiedlichen Positionen durchaus deutlich: wird.«2 »Aggressiv wandte sich Gläser gegen den Mißbrauch Im Abendprogramm der Funkstunde folgte der Aktualität und besonders gegen Döblin, dessen schließlich von 20.30 bis 21 .45 Uhr die Urauffüh• Proletarier im >Aiexanderplatz< er ihre Originalität ab­ rung des auch nach Breslau, Leipzig und Kö• spricht. Franzen bekannte, daß es die innere Not des nigsberg übertragenen »Hörstücks« des »erfolg­ Menschen sei, die die ewige Sinngebung der Literatur reichen proletarischen Schriftstellers«,25 »revo­ bedeute. Demgegenüber stellt Gläser fest, daß auch lution~ren Dichters«26 und »kommunistischen die innere Not des Menschen Ausdruck seiner sozia­ Lyrikers«27 Johannes R. Becher »Die Tragödie len Bedrückung ist. Während Franzen starke Zweifel des William Fox« . Unter der Regie von Max Bing dagegen geltend macht, daß eine Neuordnung der Weit auch den Menschen verändere, bekennt sich sprachen Heinrich George, Hilde Körber, Paul Gläser eindeutig zur sozialen Revolution und für die Otto, Theodor Loos, Hermann Schaufuß, Gerd sozialistische Gesellschaft, die selbst am besten den Fricke, Max Bing, Paul Bildt, Heinrich Schroth, Beweis dafür erbringen werde, daß der Mensch durch Ludwig Andersen und Gerhard Bienert2B sowie die äußere Freiheit sich auch innerlich befreien wer­ Ettlinger.29 de.«21 Die in mehreren Programmzeitschriften ab­ Der Rundfunkhörer der Weimarer Republik muß gedruckte wortidentische Inhaltsangabe war of­ offenbar eine sensible Antenne für das Hören fenbar der Pressetext der Rundfunkgesellschaft: zwischen den Sätzen entwickelt haben . Denn wo »Die Tragödie des William Fox ist vor allem die Tra­ der eine nur »dialektische Purzelb~ume« ver­ gödie der Leute, die an William Fox geglaubt haben. nahm, konnte der andere durchaus ein Be­ Fox hat als erster die gesamten Ateliers seiner riesi­ kenntnis zur sozialen Revolution hören, was gen Filmorganisation auf den Tonfilm umgestellt. Er auch manche heute kurios anmutende Entschei- versuchte auf diese Weise den Tonfilm , an den da­ mals noch niemand glaubte, zu monopolisieren Da- 120 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

durch aber erregte er den Zorn der Börse von Dollar verloren ... Hunderttausende Unternehmun­ Wallstreet. Die Börse kündigte dem Konzern die gen .. . Kredite. Fox nimmt den Kampf auf, aber die Börse ist (Schrilles Klingeln . stärker. ln einer ungeheuren Schlacht am schwarzen Überschneidung 1:) Freitag , im Herbst des Jahres 1929, vollzieht sich, Millionen Menschen vor dem Bankrott, Millionäre: beginnend mit den Foxaktien, ein riesiger Kursab­ Bettler. bruch, der sämtliche Werte der Börse mit sich zieht. (Überschneidung II :) Fox ist erledigt, die Aktien seines Konzerns fallen an Millionäre, die gestern noch in einer Prunkvilla auf einem Tage um 100 Punkte. Mit ihm aber gingen Long lsland wohnten, zehn Luxusautos besaßen und hundertlausende kleine Leute zugrunde, die an Fox mit ihrer Yacht nach Miami fuhren , werden morgen und seine Ideen geglaubt hatten.«30 Bettler sein ... Redaktion New York Expreß: Das Manuskript dieses Hörspiels ist nicht erhal­ Hallo ... Hallo ... Mr. Myers ... nicht zu verstehen ... ten;31 auch wurde die Sendung weder ganz wo sind Sie? ... noch ausschnittsweise aufgezeichnet. Bekannt (Stimmen. Wie harte Schläge) waren bisher nur drei kurze Szenen, die die General Electric von 403 auf 67. >Weit am Abend< zur Uraufführung veröffentlich• General Motor von 97 auf 40. te .32 Übersehen wurde, daß die Filmzeitschrift U.S.A. Steel Trust von 367 auf 157. >Filmtechnik Filmkunst< eine andere aufschluß• Chrysler Automobile von 137 auf 27. reiche Szene aus »Die Tragödie des William (Explosionsartiges Gebrüll.) Myers (wie ein Ertrinkender): Fox« publizierte.33 Die Redaktion der Zeitschrift Wo sind Sie? .. . Hallo ... Hallo. Bleiben Sie noch, hatte der Veröffentlichung einen Kommentar Hunderttausende, die gestern noch wohlhabende vorangestellt: Geschäftsleute waren , werden morgen das Heer der »William Fox war noch vor einigen Jahren einer der Arbeitslosen vergrößern .. . unzählige Familien ver­ hervorragendsten Gestalten der amerikanischen nichtet... Kurse zusammengestürzt wie Kartenhäu• Filmindustrie. Der einstige kleine Kinobesitzer, der ser ... Der Schwarze Freitag - eine Weltkatastrophe ... zugleich als sein eigener Platzanweiser und Vorfüh• (Ich weiß nicht, ob mich jemand noch hört ... Wo bin rer wirkte, hatte in der Fox-Film-Corporation ein riesi­ ich nur? ... ) ges Unternehmen geschaffen, das bereits drauf und (Rasendes Klingeln. dran war, den größten Teil des amerikanischen Überschneidung 1:) Filmgewerbes zu verschlucken . Er war auch der er­ Im Börsensaal wie in einem Tollhaus. Menschen ste , der die geschäftlichen Möglichkeiten des Ton­ schreien wie Besessene. Jeden Augenblick Ohn­ films drüben erkannte und seinen gesamtem Betrieb mächtige hinausgetragen. Soeben wird ein Saal als auf den Tonfilm umstellte. Dabei geriet er in Fehde Ambulanzstation eingerichtet. .. Einige haben den mit den amerikanischen Elektrotrusts und den Ban­ Verstand verloren . Man muß sie fesseln ... ken, weil er das Geschäft auf eigene Faust machen Myers: wollte. Die Banken erklärten William Fox den Krieg . Weiter! Weiter! Vor den schwarzen Tafeln, auf Nach dem Hörspiel von Johannes R. Becher war der denen Kurse notiert werden, finden regelrechte Box­ berühmte Schwarze Freitagam 24. Oktober 1929 auf kämpfe statt. Jeden Augenblick einer niedergeschla­ der New Yorker Börse gewissermaßen die Entschei­ gen . Andere auf ihm herum. Trommelfeuer. Wie auf dungsschlacht zwischen den Banken und William Fox einem Schlachtfeld. Ich schaue auf die Uhr. Vielleicht - der noch dazu in den gleichen Tagen infolge eines geht die Weit unter .. . alles verkauft wie wahnsinnig ... schweren Autounfalls ohnmächtig dalag. Nach der Ein Verrückter: letzten Generalversammlung der Fox-Film-Corpora­ He, he da! Hören Sie mal! Sie da in ihrer Zelle' tion mußte Fox die Stätte seiner Arbeit verlassen. Die Liebe Fox-Aktie, sie scheinen mir immer noch im Fox-Film-Corporation besteht nach wie vor- aber oh­ Kurs zu sinken ... hup, ich steige, hub, ich sinke ... ne ihn .« Fallende Tendenz ... Kaputt gemacht hast Du mich , Luder ... Myers: Dokument II Ich werde bedroht... Ein Geisteskranker .. . »Mr. Myers (am Telefon): (Signal der Feuerwehr) (Während des Gesprächs hört man das Brausen Eben rückt die Feuerwehr an. Vielleicht brennt es. des Börsensaales klingen I abgerissene Rufe I Pa­ Weiß nicht, ob ich noch lebend herauskomme ... Das nikstimmen I ungeheure Bewegung) alles ist wie ein sterbendes Tier. Aus Millionen Men­ Hallo' Hallo! Hallo! Hallo! Hier Myers. New York. schen besteht dieses Tier. Millionen Aktien schreien. Expreß. 0, wie häßlich diese Weit stirbt! So melden Sie sich doch .. . Hören Sie nicht? .. . (Mehrere gleichzeitig) Hallo .. . Redaktion New York Expreß ... endlich ... es ist Seitengänge Polizei I Ungeheure Menschenmas­ ungeheuerlich .. . Verluste ... Mir schwindelt vor Zah­ sen vor Börsengebäude I Hunderte von berittenen len ... Wie bei einer Schlacht aus dem Weltkrieg ... Polizisten I Attacken I Machtlos I Maschinengewehre Naturkatastrophe... Wie das Erdbeben von San hinter den Säulen des Börseneinganges I Masse will Francisco... Hallo, Hallo .. Sind Sie noch dort? ... Börse stürmen I Bolschewistische Hetzer verhaftet 1 Größter Börsenkrach der Weltgeschichte ... Milliarden Wollen Masse weismachen , Kapitalismus sei schuld .. . Miszel/en 121

(Man hört den Hufschlag von Berittenen) Eine heisere Stimme Kommando: Fox-Aktien 54 .« Räumen ! Gehen Sie weiter! Straße fre i1 Machen Wenn dieser Ausschnitt aus »Die Tragödie des Sie den Eingang frei ! William Fox« auch ein gutes Beispiel für den Rufe: durch Gegenüberstellungen und Überblendun• Schande! Auf Frauen und Kinder! Nieder mit den gen erreichten Montagecharakter ist,3 4 so offen­ Vampiren von Wallstreet! Her mit unserem Geld! Wir bart er aber auch eine von der Kritik herausge­ verhungern! (Polizeipfeife) stellte Schwäche: ein Schwelgen in Geräuschen Kommando: wie in den allerersten Hörspielversuchen mit der Platz machen! Platz .. . »akustischen Kulisse« . Es ist sicherlich kein Rufe: Zufall, daß die Redaktion von >Filmtechnik Film­ Feuerwehr! Sie kommen mit Tränengas- Maschi­ kunst< dem Abdruck dieses Ausschnitts grund­ nengewehre .. . Sie schießen! ... Sollen sie ... Stehen­ sätzliche »Vorbemerkungen zur Theorie des bleiben ... Alles verloren... nichts mehr... Nieder ... Hörspiels« von Heinz Harald Trinius folgen ließ; Nieder ... die Redaktion leitete den Beitrag mit einer knap­ (Drängen und Stampfen der Massen. pen aber präzisen Begründung ein : Klirren von Fensterscheiben) Rufe: »Das Hörspiel lag genau gegenüber dem stummen Machen Maschinengewehre schußfertig ... Nur los Film und liegt jetzt in der Nachbarschaft des tönen• damit... nichts mehr zu verlieren ... Nieder ... den . Darum interessiert es uns.« (Schuß) Myers: Trinius vertritt die These, daß die Geräusche als Endlich wieder ... Hören Sie ... ja, noch am Leben ... »bewegende dramatische Motive« zur eigentli­ Soeben hat sich Mr. Smith von der Universalbank er­ chen Kunst des Hörspiels und zu einer »Drama­ schossen . Er hat 50 Mill. $verloren ... turgie der Akustik« führen .3 5 Bechers Hörspiel Radiomeldung : ist davon aber, nach den erhaltenen Szenen zu Achtung ! Achtung! Hier Radio New York. Seit urteilen , weit entfernt. heute früh werden 40 Selbstmorde gemeldet. Unru­ »Die Tragödie des William Fox« wurde trotz hen vor Börsengebäude dauern an. Miliz mit Panzer­ des Staraufgebots an Sprechern von der Kritik wagen wird eingesetzt. Bolschewistische Agitatoren verhaftet. fast durchweg als wenig gelungen beurteilt. Eini­ Achtung! Achtung! Hier Radio New York! Mr. ge Pressestimmen mögen die reservierte Auf­ Hoover, der Präsident der Vereinigten Staaten, nimmt nahme belegen: Stellung zu den Vorgängen an der Börse. »Wallstreet aus der Perspektive des kleinen Moritz Stimme Hoovers: gesehen.«36 Ruhe und Besonnenheit tut not. Die amerikani­ »Eine im Äußerlichen haftende langatmige Be­ sche Prosperity wird dieses nationale Unglück über• richterstattung über eine Börsenschlacht und die Tra­ dauern. Von einer allgemeinen Krise ist nicht die Re­ gödie eines Filmmagnaten, der die tendenziöse Ab­ de ... sicht, wenn sie auch nicht unmittelbar zum Ausdruck Es handelt sich um eine gesunde Reaktion auf die kam , doch anzumerken war.«37 durch Spekulation übermäßig hochgetriebenen Akti­ »Die Handlung konzentriert sich immer wieder auf enkurse .. die großen, durch die ewige Wiederholung abgespiel­ (Panisches Gebrüll) ten Börsenszenen. Sie unterscheiden sich im Rund­ Myers: funk durch nichts voneinander, ob es sich nun dabei Hallo ... Hallo ... Sind Sie noch dort? um Tonfilm, Petroleum oder Automobile handelt.«38 Redaktion des New York Expreß: »Becher hat sich die Sache sehr einfach ge­ Wie steht es mit Fox? Fox-Aktien? macht; jeder Person war der Leitsatz ihrer Weltan­ Myers: schauung in den Mund gelegt.«39 Erledigt wie alle anderen . Loew-Aktien, für die Fox »Gedruckte Sprachbänder rannen am Mikrophon 150 gezahlt hat, gefallen auf 53. Fox über 40 Mill. $ vorüber.«40 verloren... aber wahrscheinlich das Doppelte .. . Fox »Die Anklagen gegen Wallstreet klingen zwar erledigt ... Sie können schreiben - groß aufmachen -: sehr populär, aber schließlich war William Fox doch »Die Tragödie des William Fox« oder »Die Schlacht auch Zeit seines Lebens ein Anhänger des kapitali­ am Schwarzen Freitag!« ... stischen Systems.«41 (Gebrüll durch alle Telephone und Lautsprecher »Becher dachte vielleicht an ein Brecht-Stück für und gleichzeitig plötzliche Stille) die große Masse: Irrtum, mehr als das Theater spricht Mr. Briscoe (am Telephon): der Rundfunk zum einzelnen. So war das Ganze ein Hier Briscoe .. . Hallo, Mr. Fox ... Wie ... noch auf Flickwerk, längst überholt durch weit bessere Hörbe• Krücken ... Alles ... Wallstreet jagt uns vor sich her ... richte über das Schicksal großer Männer. Primitive nein , keine Hoffnung mehr ... Ich , was ich ... schließ• Schallplatten-lilustrationen nahmen jede Illusion. (. .. ) lich jeder sich selbst der Nächste.. Rette sich , wer Das Hörspiel ging unter.«42 kann ... ? Werde mit Blank und Dixon unterhandeln .. »Becher ist kein Dramatiker.«43 Was? Sie wollen weiterkämpfen? .. Good bye . Mr. »Der Versuch einer psychologischen Vertiefung Fox .. . verfehlte .« 44 (Neues Gebrüll) 122 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

»Die Besetzung war nicht sehr glücklich. Heinrich eher, flüchtiger Arbeit verunglückten Abends ange­ George fand zwar die ergreifendsten Töne, und doch nommen und Protest wegen Herabsetzung des Ton­ ist seine Stimme für die Verkörperung des William films erhoben .«50 Fox nicht recht geeignet. Die Sprecher neben ihm verzerrten sich oft zu Marionetten, und die an sich »Die Tragödie des William Fox« war tatsächlich dünne Diktion des Werkes bekam kein rechtes Le­ im Überwachungsausschuß behandelt worden. ben .«45 ln der Sitzung vom 27. Mai 1931 hatte Hans Flesch mitgeteilt, »daß am 10. Juni ein Hörspiel Nur die kommunistische Presse lobte Bechers von Becher >Tragödie des William Fox< geplant Stück: sei.«51 ln der darauffolgenden Sitzung vom 9. »Zweck seines Hörspiels ist ( ... ) die Enthüllung der Juni 1931 fand eine eingehende Erörterung der Struktur und Konkurrenzmethoden des kapitalisti­ »Frage der Aufführung« von Bechers Hörspiel schen Systems, das sich gerade in Amerika in seiner statt. »Im Ergebnis der Aussprache stellt der ganzen Scheußlichkeit und Schmutzigkeit zeigt. Die­ Ausschuß einmütig die Notwendigkeit fest, daß ser Beweis ist Becher dialektisch glänzend gelungen. aus dem Manuskript des Hörspiels die beson­ Auch künstlerisch zeigt Bechers Stück neue Wege ders aufreizenden Stellen zu entfernen sind «52 zur Weiterentwicklung des Hörspiels. Wie er in die Tragödie des Filmkönigs in kleinen, eingeblendeten So geschah es dann auch. Bildern die viel zwingendere und furchtbare Tragödie Die Sendung von Hans Winge - ein »in wei­ des kleinen , gläubigen Operaleurs Brown einschiebt, ten Filmkreisen unbekannter Herr«53 - über den ist von erschütternder Wirkung.«46 Werdegang des Tonfilms54 war also ins Pro­ gramm genommen worden, weil Bechers Hör• Und Klaus Neukrantz betonte die Bedeutung des spiel nur eine Stunde dauerte.ss Geht man von Themas für die Hörspielproduktion - die Ver­ der angesetzten Sendezeit von eineinviertel knüpfung der Aktualität mit dem Wesen des Stunden aus, so ist »Die Tragödie des William Funkischen -. verstieg sich dann aber dazu, Fox« um ungefähr 15 Minuten gekürzt worden. beim Regisseur die gleiche »marxistische Denk­ Gegen den kurzfristig eingesetzten Beitrag von methode« zu fordern, mit der das Manuskript Hans Winge protestierte übrigens nicht nur die geschrieben sei. Filmpresse, sondern auch - intern - die Klangfilm »Das fehlte der Inszenierung an den entscheidenden G.m.b.H., die sich bei der Funkstunde u.a. über Punkten . Wo Lichter hingehörten, war Dämpfung . eine angeblich geringschätzige Behandlung der Unwesentliches wurde dekoriert. Der Schluß ver­ deutschen Filmproduktion und einseitige Stel­ schwommen , bearbeitet. richtiger - zensuriert. Die lungnahme für den russischen Film beschwerte - Klassengegensätze nicht unterstrichen, sondern eine Kritik, die von Hans Flesch zurückgewiesen gemildert, oft gestrichen.«47 wurde.56 Es soll nicht versucht werden, Bechers verschol­ Der Programmtag der Berliner Funkstunde lenes Hörspiel zu rekonstruieren. Anhaltspunkte am 10. Juni 1931 : ein Tag wie viele andere Pro­ gibt es. wie eine Besprechung zeigt: grammtage im Rundfunk der Weimarer Republik. Jeanpaul Goergen, Berlin »Aus einer Fülle verwirrender Szenefetzen ragten drei Momente hervor: William Fox diktiert Reklame für den Tonfilm , William Fox spricht zu den Filmbesu­ 20 Mg .: Hörspiele und Vorträge (Rundfunk) . ln: Deut­ chern anläßlich seines Jubiläums, und schließlich sche Allgemeine Zeitung Nr. 266, 15.6.1931. William Fox verteidigt sich vor den Herren der Börse 21 Pt. : Gestern hörten wir: »Die Tragödie des William und spricht das Schlußwort zu einem an der Goldgier Fox« . ln: Die Weit am Abend Nr. 133, 11.6.1931 . der anderen gescheiterten Lebenswerk. Neben die­ sen drei Hauptszenen, die klar und scharf den bruta­ 22 Von den Sendern . ln : Funk und Schall Jg . 3 len Machtkampf des Großkapitals und der Trustidee (1931), H. 25, S. 5. gegen einen Außenseiter zeichnen, ist leider das 23 R.L.: Wir hörten gestern. ln: 8 Uhr-Abendblatt Nr. Spekulationsfieber, das an jenem 24. Oktober 1929, 133, 11 .6.1931 : »Aber auch in Deutschland gibt nicht nur Fox und viele andere Größen, sondern vor es Ohrfeigen gegen die Kunst, Versuche, das allem Hunderttausende, die ihre Spargroschen geop­ Theater von der Partei oder vom Stammtisch aus fert hatten, ins Elend stürzte, nur durch einige weh­ zu beeinflussen. Freiheit der Kunst ist nichts an­ leidige Momente gekennzeichnet. Daß gerade diese deres als Freiheit des Geistes und eine Forderung Szenen zerrissen und zerhackt sind , läßt vermuten, der Kultur, die nicht mißachtet werden darf.«. daß hier der Rotstift erhebliches Unheil angerichtet hat. Diese Vermutung bestätigt die Tatsache, daß in 24 Dr. Peter Wackernagel : Vorträge (Rundfunk­ letzter Stunde im Rahmen der zur Verfügung stehen­ Wochenschau). ln : Deutsche Tageszeitung Nr. den Zeit ein Vortrag von Hans Winge über die Ent­ 277, 14.6.1931 . wicklung des Tonfilms eingeschoben wurde 48 Hans 25 Arbeiter-Sender Jg . 4 (1931) , H. 23 , S. 1. Winge . der. wie er selbst erklärte, nur wenige Stun­ den Zeit zur Vorbereitung hatte.49 konnte daher nur 26 Ebd. , S. 20 . einen ganz flüchtigen Überblick geben . Inzwischen hat sich die Tonfilmindustrie dieses dank oberflächli- Miszellen 123

27 Arbeiterfunk-Verschau für Hörgemeinschaften . ln 42 v.d.D. Die Tragödie des William Fox . in Tempo Arbeiterfunk Jg. 6 (1931), H. 23 , S. 274 . - Die Nr. 134, 12 .6.1931 . >Rote Fahne< stellte Becher als »proletarischen 43 Das Ohr im Äther. in Die Sendung Jg . 8 (1931 ), Dichter« vor. ln: Rote Fahne Nr. 119, 7.6.1931 . H. 25, S. 478 . Nur in der >Mirag< wird im Kontext des Hörspiels die literarische Bedeutung von Johannes R. Be­ 44 Hanne H. Angel : Die Tragödie des William Fox. cher jenseits der parteipolitischen Orientierung ln : LichtBildBühne Nr. 139, 11 .6.1931 . vorgestellt. ln: Die Mirag Jg . 8 (1931) , H. 23, S. 4. 45 -men : Drei Opern und zwei Sendespiele. Rück• 28 Vom Sender zum Hörer. ln: Berliner Illustrierte blick auf die Rundfunkwoche. ln: Berliner Börsen• Nachtausgabe Nr. 132, 10.6.1931. Zeitung Nr. 271 , 14.6.1931 . 29 R.L.: Wir hörten gestern (wie Anm. 23). - Es lohnt 46 Pt.: Die Tragödie des William Fox. ln: Die Weit am durchaus, darauf hinzuweisen, daß die Funkstun­ Abend Nr. 133, 11 .6.1931 . de in der Selbstdarstellung »Die Programmgestal­ tung der Funk-Stunde A.G. in der Zeit vom 1. Ja­ 47 Kl. N-z. [d .i. Klaus Neukrantz]: »Die Tragödie des nuar bis 31. Dezember 1931. Auszug aus dem William Fox«. Zu dem Hörspiel von Johannes R. Bericht des Vorstandes an den Aufsichtsrat« aus Becher. ln: Arbeiter-Sender Jg. 4 (1931), H. 25, S. der großen Zahl der Vorträge wohl das Gespräch 6. Abgedruckt bei Christian Hörburger: Das Hör• zwischen George Grosz und Paul Westheim auf­ spiel der Weimarer Republik. Stuttgart 1975, S. zählt, in der Übersicht über die literarischen Sen­ 448ft. Die Aufforderung Neukrantz', Kritiken über despiele aber Bechers Hörspiel unter den Tisch das Hörspiel zur Veröffentlichung einzusenden , ist fallen läßt, S. 13 bzw. S. 17. wohl auf taube Ohren gestoßen - jedenfalls finden sich in den folgenden Ausgaben des Arbeiter­ 30 Einführungen zu Sendespielen. ln : Der Deutsche Senders keine derartigen Korrespondenzen. Sender Jg . 3 (1931), H. 23, S. 10. Auch in: Arbei­ terfunk Jg . 6 (1931) , H. 23, S. II . 48 Diese Sendung war auch nicht im Tagespro­ gramm, das in den Tageszeitungen veröffentlicht 31 Vgl. Johannes R. Becher: Gesammelte Werke . wurde, berücksichtigt. Bechers Hörspiel war von Band 8. Dramatische Dichtungen. Berlin [DDR] 20 .30 bis 21.45 Uhr angesetzt; anschließend und 1971 , S. 839. brachten die übertragenden Sender ihr jeweils ei­ genes Programm. 32 Eine Probe aus einem Hörspiel. Die Tragödie des William Fox oder die Schlacht am Schwarzen 49 Auch dies ist wieder ein Beleg , wie kurzfristig und Freitag. ln : Die Weit am Abend Nr. 130, 8.6.1931 . offenbar überstürzt Entscheidungen bei der Berli­ Nachdruck in : Becher: Gesammelte Werke (wie ner Funkstunde getroffen wurden . Anm . 31 ), S. 843-846. Dort sind auch einige Pres­ sestimmen sowie die Reaktion von Johannes R. 50 Funk-Kritik der Woche. ln : Ostdeutsche Illustrierte Becher auf eine Intervention der Fox-Film­ Funkwoche Jg. 8 (1931), H. 25, S. 3. Corporation abgedruckt. Weiterer Nachdruck: 51 Sitzung des Überwachungsausschusses am 27 Stefan Bodo Würffel (Hrsg .): Frühe sozialistische Mai 1931 . Bundesarchiv Berlin, R 55/1277. Hörspiele. Frankfurt am Main 1982, S. 117-120. 52 Sitzung des Überwachungsausschusses der 33 Johannes R. Becher: Die Schlacht am schwarzen Funkstunde am 9. Juni 1931. Ebd . Freitag. ln : Filmtechnik Filmkunst Jg . 7 (1931) , S. 7ff. 53 Die Tragödie des William Fox (wie Anm . 41) . 34 Eine anschauliche Schilderung der Arbeit am 54 R.L. : Wir hörten gestern. ln : 8 Uhr-Abendblatt (wie »gemixten Hörspiel« findet sich in der Mirag Jg . 8 Anm. 23) . (1931 ), H. 23, S. 1. 55 -men: Drei Opern und zwei Sendespiele. Rück• 35 Heinz Harald Trinius: Vorbemerkungen zur Theo­ blick auf die Rundfunkwoche (wie Anm. 45). rie des Hörspiels. ln: Filmtechnik Filmkunst Jg . 7 56 Vgl. Schreiben Hans Flesch an Klangfilm (11 .7. 1931), S. 9ff. G.m.b.H ., 17.6.1931 . Bundesarchiv Berlin , R 36 Mg .: Rundfunk. Hörspiele und Vorträge. ln: Deut­ 55/1272. sche Allgemeine Zeitung Nr. 266, 15.6.1931. 37 H. Bo .: Radiowelle der Woche. ln: Berliner Lokal­ Anzeiger Nr. 277, 14.6.1931 . 38 Sti .: [d .i. Felix Stiemer]: Zeitsatire im Rundfunk. ln : Berliner Börsen-Courier Nr. 280, 19.6.1931 . 39 Tes .: Rückschau. ln: Vossische Zeitung Nr. 268, 11 .6.1931 . 40 p.m. Die Tragödie des William Fox . ln : Das 12 Uhr Blatt Nr. 134, 11 .6.1931 . 4 1 Die Tragödie des William Fox . in Film-Kurier Nr. 134, 11 .6.1931 . 124 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Die Berliner Rundfunkversuchsstelle Schicksal bereits im April 1933, auch wenn sich (1928 -1935) die Phase der Abwicklung noch bis 1935 hinzog. Das Trautonium, Oskar Salas Instrument, Zur Geschichte und Rezeption war damals erst fünf Jahre alt Es erlebte sein einer Institution aus der Frühzeit Debüt im Juni 1930 mit Originalkompositionen von Rundfunk und Tonfilm Paul Hindemiths: »Des kleinen Elektromusikers Lieblinge« . Wie das Theremin ist das Trautonium Eine gewisse legendenhafte, mit Unbekanntheit nach seinem Erfinder benannt, dem an der im Detail verbundene Präsenz besitzt die Rund­ Rundfunkversuchsstelle tätigen Ingenieur und funkversuchsstelle der Berliner Musikhochschule Postrat a. D. Dr. Friedrich Trautwein. Die erste seit langem, vielleicht nicht in der breiten Öffent• öffentliche Vorführung fand während der Veran­ lichkeit, wohl aber in kulturgeschichtlich interes­ staltung »Neue Musik Berlin« , einer Fortführung sierten Kreisen und unter Kennern der der Donaueschinger und Baden-Badener Musik­ Frühgeschichte der elektronischen Musik. Die tage, im Konzertsaal der Hochschule für Musik Rundfunkversuchsstelle blieb in Erinnerung als statt. ein »Laboratorium für neue Töne«, 1 eine den Die Geschichte der Rundfunkversuchsstelle experimentellen Geist der Moderne verkörpern• läßt sich jedoch nicht auf die des Trautoniums de Institution. Es ist eine dem technischen Fort­ reduzieren. Zwar ist das elektrische Musikin­ schritt verschriebenen Institutionen im Berlin der strument das einzige Resultat experimenteller 20er Jahre, in der die »Elektro-Musik« erprobt Arbeit an der Versuchsstelle, das sich über die und eine neuartige Synthese von Musik und kurze Dauer der Institution hinaus kulturell halb­ Technik gesucht wurde. Daß die Rundfunkver­ wegs behaupten konnte. Der Aspekt langfristiger suchsstelle niemals ganz vergessen wurde, da­ Wirkung darf aber nicht als der vorrangige ange­ für sorgte schon Oskar Sala, der sich als Korn­ sehen werden , wenn die Rundfunkversuchsstel­ positionsschüler Paul Hindemiths an der Erfin­ le in den historischen Blick genommen wird. Von dung des »Trautoniums«, eines elektroakusti­ einer Institution, deren Legitimation und Arbeits­ schen Musikinstruments, von Anfang an beteilig­ weise so stark an eine Umbruchsituation - dieje­ te und der Erfindung von damals bis heute treu nige der Durchsetzung der neuen Medien Rund­ blieb. funk und Tonfilm- gebunden ist, darf nicht erwar­ tet werden, daß sie dem Maßstab der »Iangue Die »Radio-Versuchsstelle« - wie sie anfangs dun~e« standhält; sie ist vielmehr Ausdruck ei­ auch genannt wurde - verdient sowohl kunst- als nes geschichtlichen Augenblicks des Umschlags auch kommunikationsgeschichtliches Interesse; mit all seinen Irritationen und Erwartungen sowie bei ihrer Erforschung überschneiden sich die seinem Mangel an Erfahrung, aber auch seiner Aspekte beider Disziplinen. Sie ist einer der ori­ Entdeckerfreude. ginären und originellen Orte der musikalischen Was die thematische Bandbreite der Experi­ Avantgarde der Weimarer Republik, die in die mente angeht, so war die Rundfunkversuchsstel­ »Neue Zeit« ein der Sparte entsprechendes le nicht nur ein Studio für Elektro-Musik. Die im Äquivalent, die »Neue Musik«, einbrachte. Zu­ Dachgeschoß des Unterrichtsgebäudes der gleich ist sie eine Einrichtung , die der Evaluation Hochschule hergerichteten Räume beherbergten des neuen Mediums Rundfunk diente. Bereits die verschiedensten Versuchsanordnungen und 1926 wurde die angesehene Berliner Hochschu­ Experimente, die sich - das ist wohl der einzige le für Musik vom preußischen Kultusministerium gemeinsame Nenner - mit den neuen Reproduk­ beauftragt, ein Konzept für die zu gründende tions- und Distributionstechniken des Grammo­ Versuchseinrichtung zu entwickeln. Im Prozeß phons, des Rundfunks und des Tonfilms befaß• der Etablierung des Rundfunks ging es immer ten. Auch wird bei einer Fixierung auf das Trau­ auch um ästhetische Wertungen; Kulturträger zu tonium der Bezug zum Rundfunk als neuem sein , war eine der Funktionen, die das neue Medium der Massenkommunikation nicht ganz Massenmedium gegenüber älteren Institutionen verständlich. Er ist gegeben durch den umfas­ der Musikkultur, vor allem Oper und Konzert, senden kulturpolitischen Auftrag mit der techni­ legitimieren konnte. Die Rundfunkversuchsstelle schen auch die ästhetische Qualität der Rund­ sollte den dieser Frage gewidmeten Diskurs auf funksendungen zu verbessern. Es ging darum. den Boden empirisch-experimenteller Tatsachen »die künstlerischen Vorbedingungen der Rund­ stellen . Sie wurde 1928 eröffnet, aber nur ein funk-Übertragung( ...) einwandfrei« zu prüfen .2 Jahrfünft später, unmittelbar nach der national­ Das Gebäude der Musikhochschule in der sozialistischen Machtergreifung zur Abwicklung Charlottenburger Fasanenstraße war vor Eröff• bestimmt Eine Intervention von Joseph Goeb­ nung der Versuchsstelle von der Firma Siemens bels' Propagandaministerium besiegelte ihr & Halske >verkabelt< worden . Die neu eingebau­ ten Lautsprecher des Konzert- und Theatersaals Miszellen 125 waren über eine Schaltzentrale mit verschiede­ Quellenlage als wenig einladend dar: eine um­ nen anderen Örtlichkeiten des Gebäudes, vom fassende Rekonstruktion ihrer Geschichte Direktionszimmer bis zu Unterrichtsräumen, ver­ schien kaum mehr möglich zu sein . ln einer bunden3 Experimentiert wurde auf ganz unter­ Rundfunksendung des RIAS Berlin stellte Jean­ schiedlichen Gebieten: Es gab vielfältige akusti­ paul Geergen 1989 die Versuchsstelle vor, be­ sche Versuche, vom »Ferndirigieren« über Ver­ klagte aber die spärliche Überlieferung. An der suchsreihen mit einzelnen Musikinstrumenten Hochschule der Künste Berlin - der Nachfolge­ bis hin zur Auseinandersetzung mit Problemen institution der Hochschule für Musik - hatte er die der Raumakustik. Nach der Herstellung »musik­ Auskunft erhalten, daß kein Material über ihre pädagogischer Tonfilme« in Zusammenarbeit mit Geschichte mehr vorhanden sei.s Joachim der TOBIS für die Unterrichtsfächer Violine (mit Stange stützte sich 1989 in seiner Dissertation Carl Flesch), Violoncello (mit Hugo Becker), Ge­ über elektroakustische Medien in der Musik 7 in sang (mit Hermann Weißenborn), Oper (mit einer Skizze des institutionellen Umrisses der Franz Ludwig Hoerth) und Schauspiel (mit Leo­ Versuchsstelle auf Berichte der Rundfunkpresse pold Jessner) bemühte sich Georg Schüne• - eine für diesen Zweck unzulängliche, da in den mann, der Leiter der Rundfunkversuchsstelle Fakten wenig zuverlässige Quelle. Seit 1992 und stellvertretende Direktor der Musikhochschu­ sind aber zumindest die Verwaltungsdokumente le. um die Röntgenkinematographie; die Rund­ verfügbar. Im Zuge des Aufbaus eines Hoch­ funkversuchsstelle beanspruchte, den ersten schularchivs an der Hochschule der Künste8 Röntgentonfilm hergestellt zu haben . Mit eigenen sind die archivischen Unterlagen der Rundtunk­ »Farbe-Ton-Forschungen« knüpften die Mitar­ versuchsstelle aufgefunden und gesichert wor­ beiter an Versuche zu einer »Farblichtmusik« an den ; sie sind der wissenschaftlichen Forschung und bemühten sich um die maschinelle Umset­ nunmehr zugänglich und werden auch bereits zung von Musik in bewegte Bilder; diese Expe­ benutzt. Der Umfang beträgt etwa 2 000 Blatt. rimente berühren sich mit dem Gebiet des abso­ Es handelt sich um administratives Schrifttum, luten Films 4 Mit ihren - ab 1929 durchgeführten das im Büro der Rundfunkversuchsstelle ange­ - »Lehrgängen für Rundfunkrede und Rund­ fallen ist, umfaßt aber auch Gutachten, Denk­ funkmusik« entwickelte sich die Versuchsstelle schriften sowie - in einigen wenigen Fällen -Ver­ zu einer Rundfunkhochschule in statu nascendi , suchsprotokolle. die mit dem Plan eines eigenen Sendebetriebs Diese Dokumente werden ergänzt durch Ak­ auf Kurzwelle allerdings 1932 scheiterte. Die ten des preußischen Kultusministeriums, die im Übersicht über die Vielfalt der experimentellen Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Arbeit an der Rundfunkversuchsstelle zeigt, daß Berlin und im Bundesarchiv Berlin verwahrt wer­ eine Darstellung ihrer Geschichte, die alle diese den.9 Auch diese Quellen fanden zu Zeiten ihrer Aspekte berücksichtigt, unversehens in eine erschwerten Benutzbarkeit in den Zentralarchi­ Phänomenologie der kommunikationsgeschicht­ ven der DDR - zumindest in der musikwissen­ lichen Umbruchsituation der 20er Jahre mündet; schaftliehen Forschung - wenig Beachtung. Gut deren Auslotung muß die Geschichte der Kunst­ bekannt sind lediglich Paul Hindemiths zwischen musik, der Kulturpolitik und der kulturellen Men­ 1930 und 1935 entstandene Kompositionen für talitäten gleichermaßen angehen. das Trautonium, die Klaus Ebbeke im Hindemith­ Lange Zeit war das Trautonium das einzige, Jahrbuch 1982 sachkundig interpretiert hat.1 o was von der Rundfunkversuchsstelle öffentlich Neben den erwähnten kleinen Stücken handelt bemerkbar blieb. Seit den 30er Jahren hat Oskar es sich um ein Concertino für Trautonium und Sala das Trautonium instrumententechnisch wei­ Orchester von 1931 sowie ein lange Zeit ver­ terentwickelt und kompositorisch genutzt; er schollenes Rondo, das Oskar Sala 1985 auf­ spielt >sein< Instrument noch heute. Während der grund einer in den USA aufgetauchten Schel­ Berliner Festspiele 1995 zum Beispiel präsentier• lack-Platte rekonstruieren konnte.11 te der inzwischen 85jährige Komponist und Vir­ Die »Paui-Hindemith-Woche« der Berliner tuose das Trautonium wieder einmal in seiner Hochschule der Künste im November 1995 zum heutigen, in den klanglichen Möglichkeiten we­ 100. Geburtstag des Komponisten bot den Rah­ sentlich erweiterten Form. Ein Exemplar aus men, sich mit der Rundfunkversuchsstelle als dem Jahr 1933, der Serienfabrikation von Tele­ Stätte neusachlicher Einheit von Musik und funken entstammend und heute im Besitz des Technik zu befassen . Paul Hindemith, der von Berliner Musikinstrumenten-Museums, war 1995 1927 bis 1937 an der Berliner Musikhochschule in der großen Ausstellung »Berlin - Moskau« im als Professor für Komposition lehrte, hatte an der Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen. 5 experimentellen und musikpädagogischen Arbeit Trotz der Präsenz des Trautoniums blieb die der Versuchsstelle einen maßgeblichen Anteil. Geschichte der Rundfunkversuchsstelle aber Sowohl in der Ausstellung als auch in der Publi­ weitgehend im dunkeln Vor allem stellte sich die kation »Paul Hindemith in Berlin« wurde sie ge- 126 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

würdigt, 12 ebenso wie in zwei Beitragen im Hin­ 2 Erlaß des preußischen Kultusministeriums , 11 .6. demith-Jahrbuch, die auf die Vortragsveranstal­ 1926. Archiv der Hochschule der Künste Berlin: tung »Hindemiths Experimente mit technischen Bestand 1 b, Nr. 1, BI. 132. Mitteln« zurückgingen.13 3 Vgl. die Broschüre der Fa . Siemens & Halske AG: Einen weiteren Anlaß für eine Erinnerung an Die Funk-Versuchsstelle an der Staat!. akademi­ die Rundfunkversuchsstelle bot die 300-Jahrfeier schen Hochschule für Musik in Berlin . Berlin­ der Akademie der Künste und der Hochschule Siemensstadt o.J. [1928]. der Künste Berlin im Jahr 1996, gehörte doch die 4 Vgl. Birgit Hein/Wulf Herzogenrath (Hrsg.): Film Hochschule für Musik als »akademische Unter­ als Film. 1910 bis heute. Stuttgart o.J. [1977], S. richtsanstalt« noch bis 1931 zur Preußischen 74-79. Akademie der Künste. Im Rahmen der großen 5 Vgl. Berlin - Moskau, Moskau - Berlin, 1900 - kulturhistorischen Ausstellung »Die Kunst hat nie 1950. Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, Berlin, ein Mensch allein besessen« war als ein und im Staatlichen Puschkin-Museum in Moskau Schwerpunkt der Komplex »Technische Medien 1995/96. Katalog-Nr. 111/818 . an der Musikhochschule« ausgewählt worden.14 6 Vgl. Sendung (wie Anm. 1) . Die Rundfunkversuchsstelle wurde hier einer weiteren, auf den modernen Reproduktionstech­ 7 Joachim Stange: Die Bedeutung der elektroaku­ niken basierenden Institution, dem Berliner Pho­ stischen Medien für die Musik im 20. Jahrhundert nogramm-Archiv, gegenübergestellt. Diese welt­ Pfaffenweiler 1989, S. 85-101 . Christine Fischer­ berühmte, im Jahre 1900 begonnene Sammlung Defoy: Kunst - Macht - Politik. Die Nazifizierung der Kunst- und Musikhochschulen in Berlin . Berlin musikethnologischer Phonogramme aus nahezu 1987, S. 33-40 . . allen Regionen der Erde gehört seit 1924 zur Berliner Musikhochschule.15 Die Vielschichtigkeit 8 Vgl. Das neue Archiv der Hochschule der Künste . der künstlerischen und wissenschaftlichen Ver­ in: Der Archivar Jg . 48 (1995), Sp. 150ft. wendbarkeit der neuen Medien Grammophon, 9 Vgl. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kultur­ des Rundfunk und Film konnte so veranschau­ besitz Berlin (ehern. Zentrales Staatsarchiv der licht werden. Wiederum war das Trautonium ei­ DDR, Merseburg), Rep. 76, Ve, Sect. 1, Abt. VII , nes der Hauptexponate: es wurde ein ganz frü• 85b und 85c. Bundesarchiv Berlin (ehern. Zentra­ hes Instrument gezeigt, das die Rundfunkver­ les Staatsarchiv der DDR, Potsdam). Preuß. Min. suchsstelle schon 1931 dem Deutschen Muse­ f. Wissenschaft, Kunst u. Volksbildung , 3228/16. Hinweise darauf verdanke ich Ansgar Diller. um München übergeben hatte.16 Auch in der zum 75jahrigen Jubiläum der 10 Klaus Ebbeke: Paul Hindemith und das Trautoni­ Donaueschinger Musiktage erschienenen Publi­ um. in : Hindemith-Jahrbuch Jg. 11 (1982), S. 77- kation fand die Rundfunkversuchsstelle ihren 111 . PlatzH 1930 fand die für die Durchsetzung der 11 »Langsames Stück und Rondo« für Trautonium Neuen Musik in Deutschland so wichtige Veran­ (1935), in der Interpretation Oskar Salas auf der staltung als »Arbeitstagung« an der Rundtunk­ CD »Musik zwischen den Kriegen. Eine Berliner versuchsstelle statt. Dokumentation. II: Die Dreißiger Jahre«. Thorofon CTH 2044. Es gab in den letzten beiden Jahren genügend 12 Vgl. Franz Bullmann u.a. (Hrsg.): Paul Hindemith Gelegenheit, an die Rundfunkversuchsstelle in in Berlin. Essays und Dokumente. Mit einem Bei­ Ausstellungen, Vortragen und Buchbeitragen zu trag von Mathias Hansen. Berlin 1997. erinnern. Der Gesichtspunkt, daß es sich nicht 13 Vgl. Dietmar Schenk: Paul Hindemith und die nur um ein elektronisches Studio - ein Labor für Rundfunkversuchsstelle der Berliner Musikhoch­ »Elektro-Musik« - handelt, sondern um eine Ein­ schule. in: Hindemith-Jahrbuch Jg . 25 (1996), S. richtung zur Evaluation des Rundfunks unter 179-194. Martin Eiste: Hindemiths Versuche Kriterien der Kunst, spielte dabei eine große »grammophonplatteneigener Stücke« im Kontext Rolle . Die Unterscheidung zwischen Rundfunk einer Ideengeschichte der Mechanischen Musik. als Massenmedium und als »Material« der ln: Ebd., S. 195-221 . Kunstmusik hatte sich Ende der 20er/Anfang der 14 Vgl. »Die Kunst hat nie ein Mensch allein beses­ 30er Jahre noch kaum ausgeprägt. Kunst- und sen« . Eine Austeilung der Akademie der Künste kommunikationsgeschichtliche Aspekte sind - und der Hochschule der Künste. Berlin 1996, S. wie angedeutet - untrennbar miteinander ver­ 465-474. bunden . 15 Vgl. Susanne Ziegler: »Auf der Suche nach dem Dietmar Schenk, Berlin verlorenen Klang«. Zur Geschichte und Erschlie­ ßung der historischen Tondokumente des Berliner 1 Jean Paul Goergen in einer Sendung vom Phonogramm-Archivs. ln: Jahrbuch Preußischer 1910 1989. 19.35 Uhr, RIAS 1. Kulturbesitz Bd . 31 (1994), S. 153-167. Dies.: Die Walzensammlungen des ehemaligen Berliner Misze/len 127

Phonogramm-Archivs (Erste Bestandsaufnahme der sozialdemokratischen Zeitung »Das Volk« nach der Rückkehr der Sammlungen 1991). in: abgedruckter Vortrag unter dem Titel »Kriegsge­ Baessler-Archiv. N.F. 63 (1995), S. 1-34. fangenenpostr«2 gesendet, in dem die Hörer er­ 16 Katalog-Nr. V. 9/8. fuhren, daß nun auch die sowjetischen Besat­ zungsorgane den Briefwechsel der deutschen 17 Vgl. Josef Häusler: Spiegel der Neuen Musik: Kriegsgefangenen in der Sowjetunion mit ihren Donaueschingen. Chronik, Tendenzen, Werkbe­ sprechungen. Kassel 1996, insbes. S. 112-116. Angehörigen in Deutschland gestattet hatten . Vgl. die Besprechung in diesem Heft, S. 167. Gleichzeitig wurden ihnen die Regeln für eine reibungslose Abwicklung des Postverkehrs mit­ geteilt. Alles müsse geschehen, so der Appell, damit die in Deutschland eingehenden Sendun­ »Die Heimat ruft« gen die Empfänger erreichten, vor allem im In­ teresse der Kriegsgefangenen, für die eine Die Heimkehr deutscher Kriegsgefangener Rückantwort eine Quelle neuer Hoffnung und aus der Sowjetunion im Programm des Kraft bedeuten könne. Die erste Kriegsgefange­ Berliner Rundfunks (1945 - 1950) nenpost traf zum Weihnachtsfest 1945 über das Rote Kreuz aus Moskau in Berlin ein3 Listen mit Neben den vielen Problemen, welche die Nach­ Absender- und Empfängerangaben der einge­ kriegszeit überschatteten, stand die Frage nach gangenen Kriegsgefangenenpost wurden ab Au­ dem Schicksal der in Kriegsgefangenschaft ge­ gust 1946 in der »Täglichen Rundschau«. dem ratenen deutschen Soldaten und deren Heim­ offiziellen Organ der Sowjetischen Militäradmi• kehr bei den Daheimgebliebenen mit im Vorder­ nistration in Berlin, laufend veröffentlicht.4 grund. Rund elf Millionen Soldaten aus Hitlers Thematisiert wurde im Rundfunkprogramm Wehrmacht waren in alliierte Gefangenschaft ge­ auch die Integration der heimkehrenden Solda­ raten. Während Amerikaner, Briten und Franzo­ ten in die Gesellschaft und ihre Mithilfe beim sen praktisch alle Gefangenen bis 194 7 wieder Wiederaufbau. Weniger informativ als vielmehr entließen, kehrten aus der Sowjetunion die letz­ mahnend gehalten, waren hier die beiden Wort­ ten erst 1956 heim.1 beiträge »Kriegsgefangene kehren heim« 5 des Dem Thema der Heimkehr deutscher Kriegs­ KPD-Mitglieds und Auschwitz-überlebenden gefangener aus der Sowjetunion widmete sich in Bruno Baum vom 29. Oktober 1945 und »Wir der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) neben Heimkehrer«6 von Walter Brinkmann vom 12. der Presse insbesondere der von den Sowjets November 1945. Die Heimkehrer sollten beim kontrollierte Berliner Rundfunk. Im folgenden soll Anblick der zerstörten Städte nicht resignieren, dargelegt werden , wie Kriegsgefangenschaft und sondern sich aktiv am Aufbau beteiligen. Appel­ Heimkehr im Programm des Berliner Rundfunks liert wurde auch an die Angehörigen, alles zu in den ersten Nachkriegsjahren dargestellt und tun, damit sich die Heimkehrer wieder zuhause wie die Sendungen von den Radiohörern aufge­ fühlen könnten . nommen wurden, die ihre Hoffnungen, Wünsche Aus allen Teilen der Weit kehrten 1945/46 und Kritiken in Briefen an den Sender zum Aus­ täglich Tausende von deutschen Kriegsgefange­ druck brachten . nen in ihre Heimat zurück. Die ersten Transporte aus der Sowjetunion trafen im Juli 1946 im ehe­ maligen Quarantänelager Granenfelde bei Frankfurt/Oder ein, das als Durchgangslager Die Sendungen des Berliner Rundfunks be­ umgestaltet worden war und in dem sämtliche schränkten sich anfangs im wesentlichen auf die Transporte aus der Sowjetunion ankamen. Nach Ausstrahlung von Nachrichten, Bekanntmachun­ einer von den Sowjets in der Presse verbreiteten gen der Besatzungsmächte, lokalen Informatio­ Aufstellung, sollten bis Mitte Oktober 1946 ins­ nen für die Berliner Bevölkerung sowie musikali­ gesamt 120 000 Kriegsgefangene entlassen schen Darbietungen. Als erste Informationssen­ werden.? Diese in Granenfelde eintreffenden dung neben den Nachrichten wurde am 18. Mai Transporte standen bis 1949 im Mittelpunkt der 1945 die Viertelstunden-Reihe »Was wir wissen fast täglichen Berichterstattung von Presse und müssen« gestartet. Obwohl von den Verantwort­ Rundfunk.s lichen Informationen unter dem Gesichtspunkt Spezielle Grußsendungen wie »Kriegsgefan­ der Herrschaftsstabilisierung ausgewählt wur­ genen-Sonderdienst«, »Gruß aus der Gefan­ den, stand diese Reihe als Informationsquelle genschaft« oder »Grußübermittlung deutscher bei der Bevölkerung hoch im Kurs, gab sie doch Kriegsgefangener aus der UdSSR« wurden ins zur Bewältigung der vielen existentiellen und Programm aufgenommen. Auch der Moskauer Alltagsprobleme wichtige Hinweise. Am 25 Ok­ Rundfunk sendete regelmäßig Grüße von deut­ tober 1945 etwa wurde ein zwei Tage zuvor in schen Kriegsgefangenen an ihre Angehörigen in 128 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Deutschland. 9 Die Angehörigen der Berliner und zum 3. Oktober aus dem Sendeplan gestri­ Heimkehrer wiederum hatten Gelegenheit, über chen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch den Rundfunk den Lagerinsassen in Frank­ immer mehr als 500 000 deutsche Soldaten in furt/Oder einen Gruß zu senden.1 0 Im Juliheft sowjetischer Gefangenschaft 16 der Programmzeitschrift >Der Rundfunk<, die seit Berichte und Kommentare befaßten sich Februar 1946 als sowjetisch lizensierte Zeit­ auch immer wieder mit der NS-Propaganda über schrift in Berlin erschien, erhielten die Heimkeh­ die Behandlung der Kriegsgefangenen in der rer eine Art Leitfaden an die Hand, dem die nach Sowjetunion und deren Nachwirkung auf die Be­ der Entlassung erforderlichen Behördengänge völkerung. Die Angst vor der Roten Armee saß zu entnehmen waren.11 Für die Männer, die tief. Das lag zum einen daran, daß Deutsche in nicht wußten, wo sich ihre Angehörigen befan­ keinem Land so gewütet hatten wie in der So­ den, wurde im Durchgangslager ein besonderer wjetunion, und es lag an der NS-Propaganda: Suchdienst eingerichtet. Der Berliner Rundfunk das »Untermenschen«-Bild aus Wochenschau­ beteiligte sich daran mit der Bekanntgabe von en, Ausstellungen und Presse, all das hatte ge­ Namenslisten der Zurückgekehrten und der wirkt Hinzu kam, daß die Post deutscher Übermittlung von Adressen. ln allen größeren Kriegsgefangener aus dem Osten von Reichs­ Städten der SBZ fanden zwischen 1946 und propagandaminister Goebbels zum möglichen 1949 Heimkehrerversammlungen statt, bei de­ »Einfallstor für die bolschewistische Propaganda nen die Heimkehrer meist von Parteifunktionären in Deutschland« 17 erklärt worden war. »ln Zu­ der SED begrüßt wurden und Antworten auf die kunft,« so Goebbels Tagebucheintrag vom 17. sie bewegenden Fragen erhielten: Wo muß man Dezember 1942, »sollen zwar die in solchen sich melden, um Arbeit zu bekommen? Wo kann Karten enthaltenen Wünsche der Gefangenen man sich nach der ausgebombten und evakuier­ von Reichs wegen erfüllt werden, aber die Kar­ ten Familie erkundigen? Wer hilft, Wohnung zu ten selbst sollen nicht mehr den Angehörigen finden?12 Von der Teilnahme an einer solchen ausgeliefert werden.«18 Bis Kriegsende gab es Versammlung in Leipzig berichtete im nachhin­ daher auf diesem Wege nur eingeschränkte ein Günther Rücker, der nach seiner Kriegsge­ Kontakte mit den Angehörigen, entsprechend fangenschaft beim Mitteldeutschen Rundfunk in hoch war die Ungewissheit über deren Schick­ Leipzig arbeitete. »Einmal in der Woche«, so sal. Jedoch übermittelten der deutschsprachige Rücker, »zog man zum Hauptbahnhof und agi­ Dienst des Moskauer Rundfunks ab September tierte die Heimkehrer aus der Sowjetunion, nicht 1941 und der Sender Freies Deutschland des weiterzufahren in den Westen, sondern hierzu­ Nationalkomitees Freies Deutschland ab Juli bleiben. Arbeit gab's ja genug. Wohnungen wür• 1943 in besonderen Senderubriken wie »Heimat­ den gefunden, die Zukunft wäre hier daheim. Die dienst« , »Heimatpost« und »Kriegsgefangenen­ entlassenen Gefangenen ließen sich gern auf post« allabendlich Grüße von Kriegsgefangenen Gespräche ein, glaubten uns aber nur die Hälfte an die Angehörigen daheim. Die Grüße wurden und fuhren weiter in ihren Vieh-Waggons, Fried­ dabei zum Teil von Rundfunksprechern verle­ land entgegen.« 13 Offensichtlich hatten die sen , zum Teil von den Kriegsgefangenen selbst Heimkehrer die Tendenz der Funktionäre und auf Schallplatte gesprochen. Die Hörer waren in Reporter, die Entwicklung in der SBZ in rosigen diesen Sendungen zudem stets aufgefordert, die Farben zu zeichnen, die Verhältnisse im Westen jeweils angesprochene Familie über den Gruß hingegen zu verteufeln, rasch durchschaut. Ge­ aus sowjetischer Gefangenschaft zu benach­ fördert wurden ihre prowestlichen Überzeugun• richtigen .19 gen nicht zuletzt auch durch Informationen aus Rundfunksendungen über die Heimkehrer Briefen und Paketen sowie in Gesprächen mit waren mit der Versuch, den immer noch weit Gleichgesinnten.14 verbreiteten Gerüchten den Garaus zu machen. Unter dem Titel »Die Heimat ruft« wurde ab Die bevorstehende Entlassung von 120 000 November 1947 eine eigene Kriegsgefangenen­ Kriegsgefangenen galt als Bestätigung der hu­ sendung ins Programm des Berliner Rundfunks manen Politik der Sowjetregierung und wurde als aufgenommen.15 Die Sendung war in erster Li­ eindeutige Widerlegung der NS-Propaganda be­ nie gedacht als Gruß der Heimat an die Gefan­ sonders hervorgehoben.20 genen. Berichtet wurde über die Tätigkeiten der Ein Thema, bei dem Berichterstattung und Gefangenen innerhalb und außerhalb der Lager, Wirklichkeit oft weit auseinanderklafften, war der zudem sollten die Lagerinsassen mit den Vor­ gesundheitliche Zustand der Heimkehrer. »So­ gängen und der Entwicklung der Verhältnisse in weit sie sichtbar wurden,« verkündete das >Neue Deutschland bekanntgemacht werden. Gedacht Deutschland< am 27. Juli 1946 seinen Lesern , war sie zugleich aber auch als Hilfe für die be­ »Sahen die Heimkehrer vorzüglich aus. Sie stek­ reits Heimgekehrten. Am 24. September 1948 ken in guter Kleidung und in guten Schuhen, ha­ wurde die Sendung zum letztenmal ausgestrahlt ben braune, gesunde Gesichter und sind wohl- Miszellen 129 genährt( ... ) Sie haben es in der Sowjetunion gut an die Redaktion der Sendereihe »Der Hörer gehabt «2 1 Verschiedene Bewohner Frankfurts sagt seine Meinung« , daß sie vieles in der SBZ hätten zum Empfang von ihren Rationen Brot immer wieder in Erstaunen versetzen würde mitgebracht, um es den Gefangenen zu geben, »z.B. Ihre gestrige Sendung der Briefe aus russischer was jedoch von diesen, so ein Sonderberichter­ Kriegsgefangenschaft. Warum wird im Rundfunk so statter, wegen der guten Versorgung durch die etwas verlesen, wo sich doch in Berlin fast jeder Rote Armee »lachend« abgelehnt worden sei.22 selbst eine Vorstellung machen kann und weiß, wie Ganz anders gehalten war dagegen ein Rund­ unsere Männeraus Rußland heimkehrent Oie einlau­ funkbeitrag von Heinrich Grüber,23 seit 1945 fenden Transporte in Frankfurt/Oder geben doch bei­ Probst an der Marienkirche Berlin und Mitglied nahe täglich Kunde davon! Sollte man nun in Anbe­ der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in tracht dieses traurigen Elends nicht lieber auf derarti­ Berlin-Brandenburg, der am 20. Oktober 1946 ge Sendungen im Rundfunk verzichten? Oder fühlt sich der Berliner Rundfunk angewiesen darauf, so gesendet wurde und in dem sich der Geistliche etwas in seinen Sendeplan aufnehmen zu müssen?« mit der Not der entlassenen Kriegsgefangenen befaßte. Grüber appellierte darin an die Bevölke• Sendungen dieser Art sollten der Bevölkerung rung dazu beizutragen, daß den Heimkehrern nicht zu oft zugemutet werden, da dadurch un­ die langersehnte Heimat wieder zur wirklichen nötig bitterer Hohn im Volke entstehe.28 Heimat werde.24 Mit der Aufforderung, diesen Aus Leipzig meldete sich lda Jacob zu Wort. durch besondere Hilfsmaßnahmen eine neue Sie wohne in der Nähe des Hauptbahnhofes und Existenz zu sichern, wandten sich auch die Ver­ sehe sehr viele Gefangene zurückkommen. treter von SED, SPD, CDU sowie LDP an die »Aus allen Ländern kommen sie gesund und Bevölkerung25 sauber gekleidet und mit großem Gepäck an . Die überwiegend positive und sehr stereotyp Nur von Russland kommen sie so krank und gehaltene Berichterstattung, darunter vor allem elend wieder. «29 die ständige überschwengliche Hervorhebung Auf die Sendung »Deutsche Kriegsgefange­ des guten gesundheitlichen Zustandes der ne« schrieb eine Hörerin anonym an den Berli­ Heimkehrer und die hohen Entlassungszahlen, ner Rundfunk. Aus ihrem Haus seien in letzter ist leicht erklärlich, waren doch Presse und Zeit Heimkehrer aus Amerika, England, Frank­ Rundfunk die wichtigsten Instrumente der So­ reich , einer aus Rußland zurückgekommen. Mit wjets, die Berliner Bevölkerung wie die ihrer Be­ allen hätte sie sich unterhalten und Vergleiche satzungszone in ihrem Sinne zu beeinflussen. gezogen. Alle seien sie gut genährt, gut geklei­ Immerhin verzeichnete die SBZ am 1. Oktober det und mit Marschverpflegung zurückgekom­ 1945 bereits mehr als eine Million Rundfunkteil­ men. Nur der Heimkehrer aus Rußland sei ab­ nehmer, Ende 1945 waren es 1,3 Mio. und am gezehrt, krank und in Lumpen gewesen. 31 . Dezember 1946 mehr als zwei Millionen.26 »Hier wird uns immer soviel von Sozialismus gerade aus Rußland berichtet, wenn man aber die elenden II hungrigen Gestalten sieht, die von dort kommen , so kann man doch bald irre werden.« Im Gegensatz zu den in Presse und Rundfunk Sie wolle nichts gegen Rußland sagen, vielleicht verbreiteten propagandistischen Klischees sei der Haß dort auf die Deutschen doch größer, zeichnen Hörerbriefe ein ganz anderes Bild. Für schließlich hätten die Deutschen den Russen ja den Zeitraum vom 1. bis 30. Juni 1947 etwa, re­ auch viel Leid gebracht, »aber deshalb darf man gistrierte die bei der Intendanz des Berliner es nicht den einfachen Soldaten entgelten las­ Rundfunks angesiedelte Hörerpostabteilung den sen, denn er hat ja in den meisten Fällen keine Eingang von 141 Hörerbriefen zum Thema Schuld an den Greueln, die dort verübt wur­ Kriegsgefangene. Von den ausgewerteten 1 673 den. «30 Annemarie Haupt aus Berlin richtete an Briefen nahmen diese Zuschriften nach denen die Redaktion des Frauenfunks die Frage, wo zu Fragen der Ernährung (232 Briefe) und Ver­ denn eigentlich die Kriegsgefangenen geblieben sorgung (223 Briefe) zahlenmäßig den dritten seien, »die auf Aussagen von Heimkehrern im Rang ein27 Vor allem zwei Sendungen des Ber­ August 1945 auf Grund ihres guten Gesund­ liner Rundfunks seien genannt, die zum Teil ent­ heitszustandes zum Arbeitseinsatz von Deutsch­ rüstete Reaktionen hervorriefen. Es waren dies land nach Rußland abtransportiert wurden?« die Sendung »Kriegsgefangenen-Briefe aus der Bislang seien noch keine Lebenszeichen ge­ UdSSR« aus der Reihe »Der Hörer sagt seine kommen.31 Meinung« vom 8. Juni 1947 und im Frauenfunk Neben den Zuschriften, die sich auf den ln­ die Sendung »Deutsche Kriegsgefangene« vom halt bestimmter Sendungen bezogen, gingen 10. Juni 1947. beim Berliner Rundfunk auch zahlreiche Anfra­ Frau Anni Kallnig, die vorübergehend aus gen ein , in denen das Schicksal einzelner Per- Westfalen nach Berlin übergesiedelt war. schrieb 130 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) sonen im Mittelpunkt stand. So bemängelte Willy die ganze Großzügigkeit der westlichen Besatzungs­ Donath aus Seifhennersdorf bei den mit entlas­ mächte wirkt heilsamer, als der Zwang , der ja doch senenen Kriegsgefangenen geführten Interviews nicht demokratisch ist. Wenn ich manchmal Ihre Re­ das Fehlen von Fragen nach den Soldaten der porter und Ansager die Ostzone so verherrlichen und die Westzone so herunterziehen höre, meine ich , Stalingrad-Armee. Sein einziger Sohn galt seit 1938/39 in den Ohren zu haben . Auch damals wurde Januar 1943 bei Stalingrad als vermißt über andere als die eigenen Sachen immer ge­ »Ich habe schon verschiedene derartiger Fragespiele schimpft. ( .. .) Schimpfen Sie bitte nicht mehr auf durch den Rundfunk gehört, aber leider hat man noch Menschen, die wohl eine andere Politik oder Meinung nie eine Frage stellen hören, wo stecken nun die Sta­ als Sie haben, die aber wirklich menschlich sind, und lingradkämpfer, oder ist hier ein Stalingradkämpfer die Gefangenen freilassen .«33 dabei!« Auf Anfragen nach dem Verbleib und der Entlas­ Die Fragen, die im allgemeinen an die Heimkeh­ sung von Kriegsgefangenen antwortete in der rer gerichtet würden, seien manchmal sehr unin­ Sendereihe »Ein sowjetischer Offizier beantwor­ teressant. tet Fragen aus dem Hörerkreis« im Okto­ ber/November 1948 ein Major der Roten Armee »Wichtiger zu hören wäre für die Hörer gestellte Fra­ mit recht allgemein gehaltenen Bemerkungen. gen , die man sowieso über russische Kriegsgefange­ ne leider nicht erfahren kann, im Gegensatz zu direk­ Ohne genaue Zahlen und Termine zu nennen, ten Sendungen aus anderen Zonen über das Los und verbreitete er unter den Zuhörern die Hoffnung, Befinden deutscher Kriegsgefangener.«32 daß in absehbarer Zeit noch größere Gefange­ nentransporte als bisher in Deutschland eintref­ Obwohl in verschiedenen Kommentaren darauf fen würden. Einige zehntausend Soldaten und hingewiesen wurde, daß bei Stalingrad 90 000 Offiziere befanden sich bereits auf dem Heim­ Soldaten tatsächlich in russische Gefangen­ weg .34 Auf die Frage nach dem oftmals schaft geraten waren - was die Nationalsoziali­ schlechten gesundheitlichen Zustand der Ge­ sten totgeschwiegen hatten -, scheinen di~ An­ fangenen raumte der Offizier zwar ein , daß tat­ gehörigen über das weitere Schicksal der Uber­ sachlich einige Rückkehrer schlecht aussahen, lebenden in den Sendungen des Berliner Rund­ es sich dabei jedoch in erster Linie um Kranke funks nichts erfahren zu haben . handeln würde. Krank seien diese aber nicht Mit der Bitte um Gehör und Hilfe bei der Su­ deshalb, weil sie hatten hungern oder übermäßig che nach einem Bekannten wandte sich am 21 . schwere Arbeit leisten müssen. Krank geworden Juli 1947 auch Lilli Steup an den Berliner Rund­ seien sie vielmehr durch den Krieg und durch die funk. Sie selbst sei Jüdin, der es nach ihrer Ver­ Goebbelspropaganda. Von russischer Seite sei haftung durch die SS 1943 gelungen sei , aus alles unternommen worden , um diesen Men­ dem Sammellager Levetzowstraße in Berlin zu schen zu helfen.35 Sowohl die Frage als auch fliehen und in der Wohnung eines Bekannten die Antwort fielen indes der Zensur zum Opfer unterzuschlüpfen. Dieser Freund sei im Novem­ und gingen nicht über den Sender. ber 1944 wegen Ablehnung der NSDAP­ Die Briefe zeigen, daß die Bevölkerung ihre Parteimitgliedschaft zur Wehrmacht eingezogen eigenen Erfahrungen mit den Sowjets gemacht worden. Nach regelmäßigem Briefkontakt fehle hatte, die oft in krassem Gegensatz zu den in von ihm seit Ende Januar 1945 jegliche Spur, Presse und Rundfunk verbreiteten Stereotypen und nirgendwo hätte sie Auskunft über dessen vom Sowjetmenschen als Befreier, Freund und Schicksal erhalten können . Sie gehe aber davon Helfer der Deutschen standen. Die Bevölkerung aus, daß er in russische Kriegsgefangenschaft erfuhr nicht nur mittelbar durch die aus sowjeti­ geraten sei. Doch man höre nichts und bekom­ scher Gefangenschaft zurückgekehrten Soldaten me auch keine Post aus den Gefangenenlagern. von der Harte der Sieger. Unmittelbar nahm sie »Ich glaubte immer, ein Mensch, der politisch so sau­ wahr, daß mehr als 120 000 Deutsche durch die ber ist, wie mein guter Bekannter, der einem ~an­ Sowjets nach Kriegsende interniert, daß insge­ sehen das Leben gerettet hat und dazu 60 Jahre Jetzt samt einige hunderttausend Zivilisten in die So­ alt ist dass dieser Mensch von den Russen freige­ wjetunion deportiert wurden.36 Sie zeigen aber lasse~ werden wird . Ich kann schreiben , wohin ich auch ein gewisses Maß an Vertrauen und Hoff­ will . Ich bekomme keine Nachricht. Diese Ungewiss­ nung der Hörer in die Möglichkeiten des Berliner heit tötet so langsam. Und wenn ihm wirklich etwas Rundfunks sich der vorgebrachten Probleme an­ passiert ist, warum erfährt man das nicht.« zunehmen und Hilfe zu erwirken. Nur allzuoft Die Mehrzahl der Bevölkerung stehe hinter den mußten jedoch die akuten Probleme wie etwa Amerikanern , die ihre Gefangenen bereits freige­ die schlechten Lebensbedingungen, die deut­ lassen hätten . schen Ostgebiete, Reparationszahlungen und »Und ich glaube. schon dieses Moment mit den Ge­ eben auch die Kriegsgefangenenproblematik fangenen , das freiere Leben in den Westzonen und aufgrund der Eingriffe der sowjetischen Zensur Miszellen 131 und der Vorgaben durch die KPD/SED, zugun­ deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges in sten der Verdienste der Partei. der erreichten sowjetischer Hand befunden hatten. Alle ehema­ Fortschritte und dem Vorbild Sowjetunion fallen­ ligen deutschen Soldaten, die über das Jahr gelassen werden.3 7 1950 hinaus in der Sowjetunion ausharren mußten, waren nach Auffassung der sowjeti­ 111 schen Behörden keine Kriegsgefangenen, son­ dern »kriegsgefangene Kriegsverbrecher«. Eine Am 4. Mai 1950 verbreitete die sowjetische Auffassung, welche die offiziellen Stellen der Nachrichtenagentur TASS die Erklarung, wo­ DDR teilten. Erklärlich wird dadurch auch die nach die Repatriierung der Kriegsgefangenen Behauptung v. Schnitzlers, es gäbe in der So­ abgeschlossen sei und sich nur noch 9 717 wjetunion keine Gefangenen mehr. Deutsche, die wegen schwerer Kriegsverbre­ chen verurteilt worden seien, und etwa 3 815 IV Untersuchungshaftlinge sowie 14 transportunfa­ hige ehemalige deutsche Soldaten auf dem Trotz all der Einseitigkeit in der Behandlung der Territorium der Sowjetunion befanden.38 Aus Kriegsgefangenenfrage zugunsten der Sowjet­ diesem Anlaß sprach Kari-Eduard v. Schnitzler, union boten die Heimkehrer-Sendungen des 1950 Kommentator am Berliner Rundfunk und Berliner Rundfunks sowohl für die Daheimge­ am , einen Tag spater im bliebenen wie auch für die Heimkehrer selbst Berliner Rundfunk den »Kommentar des Ta­ nützliche Ratschläge und Hilfestellungen. Gro­ ges«39 Doppelt tragisch, so v. Schnitzler, sei die ßen Anklang in der Bevölkerung fanden insbe­ Trauer der vielen Eitern, Frauen und Kinder, die sondere die in speziellen Suchdiensten verlese­ jahrelang vergeblich auf die Rückkehr ihres nen Namenslisten sowie die Übermittlung von Vermißten gehofft hatten. Nicht nur, weil durch Grußbotschaften. Mit der Heimkehr verbundene die TASS-Meldung endgültig jede Hoffnung zu­ Probleme wie die Suche nach Wohnung und Ar­ nichte gemacht worden sei, sondern tragisch beit wurden angesprochen und dabei Wege auf­ auch deshalb, weil zweimal ein frevles Spiel mit gezeigt, um mit ihnen leichter fertig zu werden. ihnen getrieben worden sei. Zum einen hätten Als Informationsquelle waren solche Sendungen ihnen die Nationalsozialisten durch die Angabe für die Bevölkerung insbesondere in den ersten von lächerlichen Verlustzahlen eine trügerische Monaten nach Kriegsende von großem Interes­ Hoffnung gegeben. Zum andern aber »als die se. Westmächte und gewisse deutsche Politiker aus Die vom Berliner Rundfunk vermittelten Rat­ dem Kriegsgefangenenproblem politisches Kapi­ schläge und Hilfen wurden von der Bevölkerung tal zu schlagen begannen.« Nun aber gebe dankbar angenommen, wie die in vielen Zuschrif­ TASS die offizielle, wenn auch schmerzliche ten geäußerten Bitten um Hilfe zeigen. Auf die in Gewißheit. Zugleich sei es aber für jeden Deut­ der offiziellen Berichterstattung verbreiteten pro­ schen »ein Positivum, eine erfreuliche Bestati­ pagandistischen Klischees vom gut versorgten gung: Es gibt keine Kriegsgefangenen mehr in Heimkehrer reagierten viele Zuhörer meist mit der Sowjetunion, als bisher einziger Staat hat die scharf formulierter Kritik. ln den Hörerbriefen Sowjetunion ihre Kriegsgefangenen entlassen.« zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Unerwähnt blieb dabei, daß aus den westlichen dem eigenen Erleben der Heimkehr und den Gewahrsamsländern alle Kriegsgefangenen, wie Schilderungen in Presse und Rundfunk. auf der Moskauer Außenministerkonferenz von Schließlich bleibt noch festzuhalten, daß in den Siegermächten im April 1947 beschlossen, kaum einem der im Rundfunk verlesenen Kom­ bereits seit 1948 wieder zu Hause waren 4 0 Daß mentare und Beitrage der Hinweis darauf fehlte. die Rote Armee 2,3 Millionen Gefangene ge­ daß der rückkehrende Soldat ein lebender Be­ macht habe, sei, so v. Schnitzler, allgemein be­ weis für die Verlogenheit der NS-Propaganda kannt. Bekannt sei auch, daß die Sowjetunion sei , die Rote Armee hätte keine Gefangenen bis zum Frühjahr 1947 über eine Million bereits gemacht. Die große Zahl der Gefangenen, die in entlassen hätte sowie daß unter den damals in sowjetischen Lagern ums Leben gekommen war der Sowjetunion verbliebenen 1,3 Millionen Ge­ sowie die Heimkehr aus westlichen Gewahr­ fangenen 890 000 Deutsche gewesen seien. samsländern fand dagegen keine Erwähnung. Was v. Schnitzler jedoch nicht erwähnte oder Jörg-Uwe Fischer, Berlin auch einfach nicht wußte, war die Tatsache, daß die Rote Armee diese 2,3 Millionen Gefangenen 1 Vgl. die Zahlenangaben bei Erich Maschke: Die im Jahr 1945 gemacht hatte, in den Jahren von deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Welt­ 1941 bis 1944 aber zudem schon 955 000 Deut­ krieges . Eine Zusammenfassung. Sielefeld 1974, sche in sowjetische Kriegsgefangenschaft gera­ S. 233-237; ferner Albrecht Lehmann: Die Kriegs­ gefangenen. ln : Aus Politik und Zeitgeschichte. 8 ten waren , sich insgesamt also 3,2 Millionen 132 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

7-8 , Sonn 1995, S. 13-19; Kurt W. Böhme: Die 16 Vgl. Maschke: Oie deutschen Kriegsgefangenen deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer (wie Anm . 1), S. 191f. Hand. Eine Bilanz. Sielefeld 1966. 17 Joseph Goebbels Tagebücher 1924-1945. Hrsg. 2 Vgl. Deutsches Rundfunkarchiv, Standort Berlin v. Rolf Georg Reuth . Bd. 4: 1940 - 1942. Mün• (im folgenden DRA Berlin), Historisches Archiv, chen, Zürich 1992, S. 1849. Schriftgut Hörfunk: »Kriegsgefangenenpost!«, 18 Ebd., S. 1849. Sendemanuskript, 25.10.1945. 19 Vgl. Anton Ackermann : Oie Stimme des »Freien 3 Vgl. »Freudige Festnachricht für die Berliner«. in: Deutschland«. in: Erinnerungen sozialistischer Tägliche Rundschau Nr. 192, 24./25.12.1945. Rundfunkpioniere. Bd . 1, S. 205-213; Wladimir 4 Vgl. »Briefe deutscher Kriegsgefangener aus der Ostrogorski: 40 Jahre des deutschsprachigen UdSSR in der Täglichen Rundschau«. in: Tägli• Auslandsdienstes des Moskauer Rundfunks. in: che Rundschau Nr. 191, 18.8.1946. Beiträge zur Geschichte des Rundfunks Jg. 3 (1969), H. 4, S. 3-71, hier S. 54-55; ders.: Zur Ge­ 5 Vgl. DRA Berlin, Historisches Archiv, Schriftgut schichte der deutschsprachigen Sendungen aus Hörfunk: »Kriegsgefangene kehren heim«, Sen­ der Sowjetunion während des Krieges mit Hitler­ demanuskript, 29.10.1945. deutschland. in: Beiträge zur Geschichte des 6 Vgl. ebd. : »Wir Heimkehrer«, Sendemanuskript Rundfunks Jg. 4 (1970), H. 2, S. 61-89, hier S. 8.11 .1945. 80ft.; Joseph Wulf: Presse und Funk im Dritten Reich . Eine Dokumentation. Gütersloh 1964, S. 7 Vgl. »Kriegsgefangenentransport aus der SU im 367f. Das Abhören ausländischer Sender war Anrollen« . in : (im folgenden nicht ohne Risiko. Seit dem 1. September 1939 NO) Nr. 72, 18.7.1946. »Frankfurt bereit zum war für alle Deutschen das absichtliche Abhören Empfang unserer Kriegsgefangenen aus der SU« . verboten, Zuwiderhandlungen wurden mit Ge­ in : ND Nr. 73, 19. 7.1946. »Frankfurt/Oder in Er­ fängnis- oder Zuchthausstrafen bedroht. wartung« . in: NO Nr. 74, 20.7.1946. ORA Berlin, Historisches Archiv, Schriftgut Hörfunk: »Zweimal 20 Vgl. DRA Berlin, Historisches Archiv, Schriftgut Heimkehr« , Sendemanuskript vom 27.7 .1946; da­ Hörfunk: »Tageskommentar 34«, gesprochen von zu allgemein Albrecht Lehmann, Gefangenschaft Markus (Mischa) Wolf, Sendemanuskript und Heimkehr. Deutsche Kriegsgefangene in der 22 .7.1946. Sowjetunion. München 1986. 21 »Erste Heimkehrer in der >Piaza«<. in : ND Nr. 77. 8 Vgl. Beate lhme-Tuchel: Oie SED und die deut­ 24.7.1946. schen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion zwi­ 22 »Frankfurt grüßt die Kriegsgefangenen«. in: ND schen 1949 und 1955. in: Deutschland Archiv Jg. Nr. 76, 23.7.1946. 27 (1994), H. 5, S. 490-503, hier S. 490-495. 23 Heinrich Grüber (1891-1975), 1934-1945 Mitglied 9 Vgl. »Grußsendungen aus Moskau«. in: Der der Bekennenden Kirche; 1940-1943 Haft in den Rundfunk Jg. 1 (1946), H. 32, S. 12. KZ Sachsenhausen und Oachau; 1945 Bürger• 10 Vgl. »Frankfurt a.d.O. grüßt die Heimkehrer«. in : meister in Berlin-Kaulsdorf; Mitglied der Kirchen­ Tägliche Rundschau Nr. 168, 23.7.1946. »Glück• leitung von Berlin-Brandenburg, Bevollmächtigter nach jahrelangem Leid« . in : Tägliche Rundschau des Evangelischen Hilfswerks für die SBZ: 1949- Nr. 169, 24.7.1946. »Antwort an den Rundfunk«. 1958 Bevollmächtigter des Rats der EKD bei der in : ND Nr. 78, 25.7.1946. »Stimme der Heimkeh­ DDR-Regierung. rer«, Sendemanuskript 29.7.1946, abgedruckt in: 24 ORA Berlin, Historisches Archiv, Schriftgut Hör• Beiträge zur Geschichte des Rundfunks Jg. 10 funk: »Beitrag zur Heimkehrer-Aktion«, Sende­ (1976) , H. 2/3, S. 110-113; ferner Bildbeilage »Die manuskript, 20.10.1946. ersten sind da«. in: Der Rundfunk Jg. 1 (1946), H. 28 , o.Z. 25 Ebd. : »Aufrufe der Vertreter der vier antifaschisti­ schen Parteien Berlins zur Hilfsaktion für die 11 Vgl. »Stationen der Heimkehr«. in: Der Rundfunk, Heimkehrer«, Sendemanuskript 17.10.1946. Jg. 1 (1946), H. 24, S. 8f. 26 Vgl. Chronik des Deutschen Demokratischen 12 Anny Wölfe!: 30 Tage Probezeit bei täglicher Rundfunks 1945-1946. in: Beiträge zur Geschich­ Kündigung . Von der Stenotypistin im Jahre 1946 te des Rundfunks Jg. 5 (1971), H. 2, S. 81-98, zur Leiterin des Frauenfunk in Leipzig 1949. in: hier S. 86, 90, 98. Erinnerungen sozialistischer Rundfunkpioniere, Bd. 1. Berlin 1985, S. 127-132, hier S. 128f. 27 Vgl. DRA Berlin, Historisches Archiv, Schriftgut Hörfunk: Hörfunkbestand 1945 - 1952, Postaus­ 13 Günther Rücker: Anfänge in Leipzig . in: Heide wertung, 4. 7.1 94 7, BI. 1. Oie Originalzuschriften Riede! (Hrsg.): Mit uns zieht die neue Zeit ... 40 selbst sind nicht erhalten, sondern nur Abschrif­ Jahre DDR-Medien Berlin 1993. S. 43-47, hier S. ten, die von der Hörerpost-Abteilung erstellt und 47 . an die verantwortlichen Redakteure weitergeleitet 14 Vgl. Lehmann: Oie Kriegsgefangenen (wie Anm. wurden. 7) . S. 122 . 28 Ebd ., Querschnitt durch Hörerbriefe, S. 7. 15 Vgl. Der Rundfunk Jg . 2 (1947) , H. 42/43, S. 8. Miszellen 133

29 Ebd , S. 8. sinnvoll und mit welchem Gewinn unterschiedli­ 30 Ebd , S. 10. che historische Detailforschungen zusammen­ gebracht werden können . Allerdings wurden 31 Ebd ., S. 11 . auch die Grenzen einer solcher Kooperation 32 DRA Berlin, Historisches Archiv, Schriftgut Hör• deutlich. funk : Hörfunkbestand 1945-1952, Hörerpost-Ab• Ausgerichtet von den Historischen Kommis­ teilung, Zuschrift, 8.7.1947. sionen des Deutschen Buchhandels und der 33 Ebd ., Zuschrift, 21 .7.1947. ARD in Verbindung mit dem Deutschen Rund­ funkarchiv scheint diese Fachtagung eine Konti­ 34 Vgl. DRA Berlin, Historisches Archiv, Schriftgut nuitat zu entwickeln, die in den Gruß- und Hörfunk: »Aus der Sowjet-Union : Ein sowjetischer Schlußworten von Dr. Ulrich Ott (Deutsches Lite­ Offizier beantwortet Fragen aus dem Hörerkreis«, raturarchiv Marbach), Dietrich Schwarzkopf (Vor­ Sendemanuskripte, 4.10., 11 .10., 13.11.1948. sitzender der Historischen Kommission der 35 Vgl. ebd., Sendemanuskript, 4.1 0.1948. ARD) und Prof. Dr. Reinhard Wittmann (Stellver­ 36 Jan Foitzik: Befreier, Helfer, Unterdrücker. Die tretender Vorsitzender der Historischen Kommis­ Sowjetische Militäradministration im Gedächtnis sion des Börsenvereins) als Wunsch und Absicht der DDR-Bevölkerung. ln: Unsere Medien - Unse­ formuliert wurde und für die es auch reichlich re Republik (Teil2), Heft 1, o.O. [Mari] , 1992, S. gute Gründe gibt. Das Deutsche Literaturarchiv 13ft. Marbach/N . als geradezu kongenialer Tagungs­ 37 Vgl. Wolfgang Mühi-Benninghaus: Medienpoliti­ ort sollte dabei auch künftig eingebunden blei­ sche Probleme in Deutschland zwischen 1945 ben . Denn es ist die Literatur, die dieser Fachta­ und 1989. in : Riede! (Hrsg.) (wie Anm . 13), S. 9- gung die thematische Ausrichtung gibt. 20, hier S. 11. 38 Vgl. »Kriegsgefangenen-Rückführung beendet« . Dieses Jahr stand ihre Distribution und Vermitt­ in : Neue Zeit Nr. 105, 6.5.1950; »Rückführung der lung in den Medien im Mittelpunkt. Die Funktion deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetuni­ der Medien in Leben und Werk von Schriftstel­ on abgeschlossen«. in: Tägliche Rundschau Nr. lern und Dichtern bestimmte die Fragestellungen 105, 6.5.1950; »UdSSR entließ alle Kriegsgefan­ ebenso wie die sozialhistorischen Bedingungen genen«. in : ND Nr. 105, 6.5.1950; vgl. dazu auch einer neuangelegten Kulturlandschaft. Die Ent­ Ihrne-Tuehel (wie Anm. 8) , S. 493ft. wicklungen in Ost und West versprachen auch 39 DRA Berlin , Historisches Archiv, Schriftgut Hör• dieses Mal einen komparatistischen Ansatz, funk: Kommentar des Tages : »Kriegsgefangene aber die Vorträge zeigten, daß zunächst mit und Befreiungstag«, Sendemanuskript, 5.5.1950. Quellensichtung und Auswertung der Grundla­ 40 Vgl. Lehmann: Die Kriegsgefangenen (wie Anm . genforschung gedient werden muß. 7), S. 9. Offenbar mißtraute man bei der Anordnung der Vortrage einem vielleicht sinnstiftenden Ne­ beneinander der kulturpolitischen Situation in beiden Teilen Deutschlands. Unmittelbar gegen­ Neues vom Schatzkästlein übergestellt hatte die jeweilige Entwicklung des ost- und westdeutschen Buchmarktes oder »Buch, Buchhandel und Rundfunk Rundfunkprogramms zweifellos den Diskurs be­ 1950- 1960«. Ein Tagungsbericht fördert, aber die bewährte Blockbildung hat ihre eigene Ordnung: Vormittags Tendenzen der »Li­ Der Ruf nach interdisziplinarer Forschung wird teraturdistribution in der Bundesrepublik« und allenthalben vernommen, aber nur selten auch am Nachmittag »Buch und Rundfunk in der konsequent umgesetzt. Die Rundfunkforschung Deutschen Demokratischen Republik« . ist ein gutes Beispiel dafür, wie facherübergrei­ fend die Quellen befragt werden können und wie Dr. Monika Estermann, Börsenverein des Deut­ ein Forschungsgegenstand in größeren Zusam­ schen Buchhandels, eröffnete die Vortragsreihe. menhangen erst recht an Kontur gewinnt. Nicht Sie entdeckte für die Buchhandelsgeschichte, anders geht es der Buchwissenschaft, deren was für manchen Germanisten in anderem Zu­ traditionell gedämpfte Stimme im lauten Chor der sammenhang nicht ganz neu gewesen sein mag . Medienforschung viel zu schnell überhört wird , Der restaurative Charakter der 50er Jahre, der von der Archivwissenschaft ganz zu schweigen. trotz einer grundlegenden sozialen Umschich­ Die Fachtagung »Buch , Buchhandel und Rund­ tung vorherrschte, bestimmte auch die verlegeri­ funk «, die zum zweiten Mal im Deutschen Litera­ schen Aktivitäten . Buchgemeinschaften und turarchiv in Marbach/N. am 13. und 14. März Leihbibliotheken eröffnete dem Buchhandel noch 1997 stattfand und sich dieses Mal mit dem Zeit­ einmal Distributionswege. Sie waren aber nicht raum 1950 bis 1960 befaßte, zeigte erneut, wie weniger traditionellen Wertvorstellungen ver- 134 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) pflichtet und versuchten mit ihren verbreiteten Mischformen von Literatur und Musik, wie sie Titeln an die Erfolge der 20er und 30er Jahre seit dem Weimarer Rundfunk bekannt sind und anzuknüpfen. Der Dialog um eine geistige Er­ jedem Programmforscher eine klare kategoriale neuerung begann in den neugegründeten oder Einordnung abfordern. Unter Sendungstiteln wie wiederbelebten literarischen Zeitschriften, die in »Das Schatzkästlein« oder die »Stille Stunde« zahlreichen Verlagen erschienen. Die Zeitschrif­ verbargen sich jene kulturellen Unterhaltungs­ ten waren das Forum, auf dem sich die Intellek­ formen, die das Bekannte und Gesicherte mit tuellen artikulierten und um ihre Aufgabe in der dem Anspruch verbanden, traditionelle Werte neuen Gesellschaft rangen. Für die populäre Li­ aufrecht zu erhalten. Kultur blieb unpolitisch. teraturverbreitung dagegen wurde die Idee des Diese Sendeformen, die zwischen Kultur und Taschenbuchs aus den 30er Jahren jetzt reali­ Trivialität nach einem Unterhaltungsmuster siert. Rowohlt hatte als erster die Zeichen der suchten, verlangen eine eigene Bearbeitung und Zeit richtig gedeutet und auf den sozialen Wan­ werden möglicherweise für die Sozialkultur der del reagiert. Er brachte schnell ausländische Li­ 50er Jahre überraschende Erkenntnisse bereit­ teratur und Leseausgaben für den gebildeten halten. Die Frage, ob der Rundfunk für die Leser auf den Markt. Taschenbücher wurden Schriftsteller oder die Schriftsteller für den gesammelt, wenn auch nicht verschenkt. Mit Rundfunk von Bedeutung waren, ist mit einem dem Taschenbuch war es gelungen, dem Nach­ programmanalytischen Ansatz nicht zu beant­ holbedarf an lange unzugänglicher Literatur ge­ worten. Gerade für die hier behandelten zehn recht zu werden. Allein »die Exilliteratur lag in Jahre müssen kulturpolitische, biographische diesen Jahren wie ein eratischer Block in der und literatursoziologische Einflüsse berücksich• Kulturlandschaft«. Die Erwartungen Bermann­ tigt werden, wie umgekehrt Programmentwick­ Fischers, daß die Deutschen sich gerade auf lungen unter einem sich langsam ausdifferenzie­ diese Literatur stürzen würden , erfüllte sich renden Angebot. Der Vortrag von Lersch zeigte, nicht. Die sogenannte klassische Weltliteratur wie die Vorarbeit der bisherigen Rundfunkfor­ dagegen war nach dem Geschmack eines sich schung es ermöglicht, jetzt die Quellen gezielter neuorientierenden Bildungsbürgertums. Die befragen zu können, die Aussagen im Kontext Trennung von Literatur und Politik entsprach literaturwissenschaftlicher Forschung struktur­ dem kollektiven Verdrängungsprozeß. Dieser und systemanalytisch anzugehen. Der Steilen­ detaillierte und mit klaren Fakten operierende wert der Rundfunkarbeit eines Schriftstellers in Vortrag legte nahe, was auch für das Medium seinem Werk und die Bedeutung seiner Arbeit Rundfunk und sein Programm zu erwarten wäre. für eine Rundfunkanstalt und ihr Programm muß Der Historiker und Rundfunkforscher Dr. Ed­ in jeweils anderen Systemen gewertet und erst gar Lersch , Süddeutscher Rundfunk, formulierte dann mit einem eigenen theoretischen Ansatz an dieser Stelle, was »gemacht werden müßte« : zusammengeführt werden. Auf diese Notwen­ nämlich Untersuchungen zu Struktur- und Trans­ digkeit verwies der Vortrag von Lersch allemal, ferentwicklungen der einzelnen Medien - ein aber er ließ keinen Zweifel daran , wie schwierig Desiderat, das seit langem von Rundfunkhistori­ es ist, über die Grenzen der Disziplinen hinweg kern eingefordert wird . Seinen nachfolgenden zu arbeiten . Vortrag eröffnete Lersch mit jenen forschungslei­ tenden Fragen, die sich in der Annährung von Das Fehlen einer brauchbaren Theorie wurde Literatur und Rundfunk insgesamt, besonders also schon beim zweiten Vortrag deutlich. Kein aber für die Zeit der 50er Jahre aufdrängen. War Wunder also, daß auf der Suche danach im fol­ der Rundfunk wirklich ein Förderer moderner genden bei Pierre Bourdieu hereingeschaut wur­ Nachkriegsliteratur? Sind die immer wieder auf­ de, auch bei Luhmann oder bei Habermas, kein tauchenden Namen von Andersch, Schnabel, Wunder auch, daß sich nichts Griffiges fand . Heißenbüttel, Walser, Eich Ausnahmen unter Vertrauten die beiden ersten darauf, daß die den Schriftstellern? Sie nahmen im Rundfunk ku lturpolitische Situation der jungen Bundesre­ führende Positionen ein, entwickelten neue Sen­ publik in den 50er Jahren hinlänglich bekannt, defermen und brachten eine Spiritualiat in den vielleicht sogar bewußt erlebt worden sei, daß Äther, die zwar der litrarischen Gattungslehre mit die vielzitierten Namen noch ihren guten Klang dem Radio-Essay eine Ergänzung bescherte, hätten und so die ausgebreiteten Details einzu­ aber die Hörer nicht erreichte. Lersch benutzte ordnen waren , war für die DDR das alles nicht das Material aus den Archiven des Süddeut• selbstverständlich vorauszusetzen. Deshalb hielt schen Rundfunks, des Hessischen Rundfunks Prof. Dr. Ursula Heukenkamp, Humbold-Univer­ und des Nordwestdeutschen Rundfunks für sitat zu Berlin, ein Grundsatzreferat über »Die Stichprobenanalysen, um am Sende- und Pro­ DDR-Kultur zwischen Lenkung und freier Entfal­ grammschema die Gewichtung der Literatur ab­ tung« . Grundsätzliches braucht ein wenig mehr lesen zu können . Auch Lersch begegnete den Zeit, und die nahm sich die Referentin. Miszellen 135

Ihre These versuchte Machtstrukturen und ratur und Zensur, das alles gehört zu dem Ein­ deren Einfluß auf die Entstehung einer kulturel­ druck vom Leseland DDR dazu. 20 große Verla­ len Elite zu entzerren. Sie bemühte sich, Pro­ ge gab es in der frühen DDR, finanziert durch die zesse herauszuarbeiten, die unterhalb des ei­ Partei. Der Buchhandel und die Buchproduktion gentlichen Machtapparats vor sich gingen. Ein unterstand der Finanzbehörde und dem Amt für kultureller und publizistischer Pluralismus war Literatur. Dieses bürokratische und persönliche offenbar möglich, der in voller Absicht das Sy­ Verwirrspiel von Kompetenzen versuchte Lokatis stem stützte, aber nicht einer politischen Agitati­ nachzuvollziehen und ein wenig Ordnung in die on zuarbeitete. Der Kultur als Subsystem waren chaotischen Verflechtungen zu bringen. Lokatis' Freiräume vorbehalten, aber der Einfluß der Vortrag zeigte - trotz der selbstauferlegten Ver­ Partei und ihre Vorstellung von Kultur war den­ kürzung -, daß der Schlüssel bestimmter Ent­ noch stets gegenwärtig. »Auch wir hatten unser wicklungen und Entscheidungen in Organisation Schatzkästlein«, in dem das nationale Kulturer­ und Struktur der Behörden zu suchen ist. Die be, die traditionellen Werte und Inhalte bewahrt Mechanismen von Steuerung und Kontrolle wa­ wurden. Die Popularisierung und der volkspad­ ren in der Kulturpolitik vorgegeben, ihre Hand­ agogische Anspruch an die Literatur und Kultur habung allerdings differierte, nicht selten sogar setzten sich durch. Die Nomenklatur konnte auf in kontradiktorischer Beliebigkeit. jene Utopien vertrauen, die die Schriftsteller im Mit dem dritten Vortrag des DDR-Blocks ge­ Exil , wenn sie denn im richtigen waren , gepflegt riet der Zeitablauf des Programms ganzlieh aus hatten. ln diesen Freiräumen bildeten sich kultu­ dem Tritt. Dr. lngrid Pietrzynski, Deutsches relle Gruppen , das Berliner Ensemble um Rundfunkarchiv, Berlin , die -wie es sich gehört - Brecht, der Aufbau-Verlag, die Janka-Gruppe, für »Literaturdistribution und Rundfunk« 0-Ton­ während die Akademie und das PEN-Zentrum Beispiele mitgebracht hatte, mußte mit allen Ost sich zu Instrumenten der Kulturpolitik der technischen Schwierigkeiten kämpfen, die beim SED entwickelten. Die DDR als Bildungseinrich­ Abspielen auftreten können. Dem Programm der tung war das Grundkonzept und verlangte eine Literaturredaktion des Hörfunks der DDR sollte geistige Elite. Das Buch , der literarische Text nachgeforscht werden . Die methodische Schwie­ wurde dafür in seinem ästhetischen Wert ge­ rigkeit solcher Forschungsansätze ohne eine stärkt, die Medien, vornehmlich der Rundfunk, gültige Gesamtdarstellung wurde gleich zu Be­ blieben der Propaganda vorbehalten. Hier sah ginn offengelegt Dennoch ergab sich ein inter­ Heukenkamp im übrigen einen Grund dafür, essanter Überblick. Die Gemeinsamkeiten der warum Bert Brecht in der DDR nicht mehr für deutschen Nachkriegsprogramme in Ost und den Rundfunk gearbeitet hat. Der Schriftsteller West waren offenbar größer als vermutet. Der war gefordert, der Stückeschreiber wurde nicht agitatorische Eindruck des DDR-Rundfunks ent­ verstanden. Die feinen Unterschiede der rivalisi­ sprang zumindest nicht dem Literaturprogramm, serenden Gruppen und Personen in einem ver­ hier blieb er auf einige »Inseln« beschränkt. Die stärkten Aus- und Abgrenzungsprozeß zu Ausrichtung auf den Westen war unverkennbar, durchschauen und zu bewerten, ist offenbar im­ auf alles was im anderen Teil Deutschlands vor mer noch sehr schwer. Ein Bild, das durch Tie­ sich ging, wurde direkt Bezug genommen. Es fenschärfe überzeugte, bot Heukenkamp nicht, gab sogar Zielgruppenkonzepte, die außerhalb der Kontrast zwischen Lenkung und freier Entfal­ des Prinzips »Kultur dem Volke« entstanden . tung der DDR-Kultur in den 50er Jahren, blieb Der volkspädagogische Auftrag und Anspruch schwach ausgeleuchtet. Eine Interpretation der war allerdings bestimmend für das Literaturpro­ verwischten Linien vermißte man . Deutlich wur­ gramm. Ein Querschnitt durch die Sendestruku­ de jedenfalls, daß die Detailforschung hier noch tur der analysierten zehn Jahre zeigte, daß auch vieles zu leisten hat, um ein klares, verständli• in der DDR die Literatursendungen am späten ches und nachvollziehbares Bild entstehen zu Nachmittag und späten Abend von einem breiten lassen. Publikum ungehört blieben. Der Sonntag war Dr. Siegtried Lokatis, Foschungsschwerpunkt dann allerdings mit dem »Schatzkästlein«, mit Zeithistorische Studien Potsdam, leistete im An­ Kritik, Hörspiel und Musik sowie Dichtung als schluß daran einen Beitrag. »Literaturdistribution Sendeplatz kleinbürgerlicher Kulturbetulichkeit und Verlagswesen« war etwas großspurig als vorbehalten. Um 1955 kam die Literatur auf sie­ Thema angekündigt. Lokatis machte sinnvoller­ ben Stunden Sendezeit pro Woche, betreut von weise die Buchhandelsgeschichte der DDR zu einer Redaktion. Die sogenannten Westemigran­ seinem Schwerpunkt. Die 50er Jahre bezeichne­ ten , die zunächst im Rundfunk eine Betätigung te Lokatis als »Vorzeit« , die nicht typisch war für fanden, verschwanden mit den ersten Säube• die spätere DDR. Die Entwicklung bürokratischer rungen . Aus der neugegründeten Rundfunkschu­ Strukturen , um den staatlichen Einfluß auf die le drängte die junge Generation nach, die für Buchproduktion zu sichern, der Umgang mit Lite- dieses Medium präpariert war und im Apparat 136 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Karriere machte. Oie Sendeformen waren kon­ sich leider in dem Versuch, ein abstraktes Modell ventionell. Interessant und für künftige Text- und als theoretisches Äquivalent anzubieten. Programmanalysen eine besondere Quelle, war die vorgeschaltete »Argu«(mentation), die ent­ Wie gut eine klar gefaßte Fragestellung dem weder nur bei der Sendung verblieb oder in die Forschungsgegenstand tut, bewies Dr. Hans­ Ansage mit einging. Diese ideologische Freigabe Uirich Wagner, Deutsches Rundfunkarchiv, lieferte die Auslegung und schrieb die Wirkung Frankfurt am Main, der systematisch sein Thema vor. Auf besondere Aktivitäten und die damit »Das Medium wandelt sich, die Autoren bleiben. verbundenen Probleme wurde verwiesen, etwa Neubeginn und Kontinuität rundfunkerfahrener auf die Übersetzungsauftrage, die vom Rund­ Schriftsteller 1930 - 1960« in Angriff nahm. funk vergeben wurden, um ausländische Litera­ Wagner konnte hier Ergebnisse seiner Disserta­ tur hörbar zu machen, oder der Plan zu einer ei­ tion weiterführen. Die Wissenschaft interessiert genen Rundfunksendung der Akademie der sich zuerst für Diskontinuitäten, den Medien­ Künste. Auch hier gibt es noch viel Detailarbeit wandel also. Mit dem programmhistorischen Zu­ zu tun . Es ist zu hoffen, daß das Angebot an die griff auf die überlieferten Quellen gelang es Literaturwissenschaft, die Rundfunkarchive zu Wagner, nachzuweisen, daß der institutionelle nutzen, nicht ungehört blieb. Neubeginn von Kontinuitäten begleitet war, die beispielsweise an den publizistischen Strategien Der offenbar als Klammer gedachte Vortrag von der Schriftsteller festzumachen sind. Die 50er Dr. Horst Ohde, Universität Hamburg, der die Jahre sind vor allem so interessant, weil die NS­ »Agenten der Literaturvermittlung in der BRD der Programmideologie weiterwirkte und sich sogar 50er Jahre: Verflechtungen von Personen und der Pioniergeist des Weimarer Rundfunks noch Institutionen« thematisierte, mußte auf den erhalten hatte. Wagner zeigte am Beispiel Gün• nächsten Morgen verschoben werden. Das Be­ ter Eichs, daß die als Brotarbeit auszumachende mühen , mit einer Methodenkritik den Anschluß Tätigkeit eines Schriftstellers für den Rundfunk in an die Vorträge des Vortages doch noch herzu­ der literarischen Wertung den Grundsatzen des stellen , konnte zu der frühen Stunde kaum gelin­ Mediums folgen muß. Gerade Günter Eich ver­ gen. Zu recht monierte Ohde an den Vorträgen stand es, die Klaviatur der Rundfunkfunkdrama­ des ersten Tages die Tendenz zur Generalisie­ turgie zu spielen; er ist ein gutes Beispiel für je­ rung und forderte entschieden ein, das Material nen Typ Autor, der die Kontinuität des Mediums methodisch anzugehen, um es aussagefähig zu als Vermittlungsinstrument von Literatur nutzte. machen . Ohde selbst versuchte die Mikrostruk­ Untersuchungen wie diese, dienen der Pro­ tur als Abbild der Makrostruktur zu prüfen. Die grammgeschichte nicht weniger als der Litera­ Entpolitisierung des gesellschaftlichen Bewußt• turgeschichte und erleichtern in hervorragender seins war unschwer auch in der Literatur aus­ Weise interdisziplinäre Ansätze. zumachen. Die Autoren schrieben übereinander, die Kritik formierte sich als Forum literarischen »Das Hörspiel als Buch. Strategien zur Legitima­ Ausdrucks. Zwar wurde die Marginalisiserung tion und Förderung einer Funkform als Literatur« von Kultur beklagt, aber am elitären Anspruch machte deutlich, wieviel Mühe diese literarische auch im Westen festgehalten . Der Schriftsteller Gattung hatte, sich als eigenständige künstleri• fand als Manager - etwa in den Rundfunkmedien sche Form durchzusetzen und in der Kritik ge­ - nicht sein Selbstverständnis. Das »Radioticket« bührende Beachtung zu finden. Dr. Gunther Nik­ brachte nichts für den Anspruch einer geistigen kel vom Literaturarchiv Marbach nutzte die Elite. Um Prestige wurde in Zeitschriften gerun­ Quellen des Archivs, um diesen Spuren nachzu­ gen, die Anerkennung brauchte keine Außenwir• gehen. Das Literaturarchiv hat durch Ausstellun­ kung Hier fehlte eine Generation, und die stra­ gen zum Thema der Literatur in den 50er Jahren tegisch wichtigen Positionen der Literaturvermitt­ bereits wesentliche Beiträge geleistet, und so bot lung wurden von Kritikern besetzt, die sich be­ dieser spezielle Aspekt für die Tagungsthematik reits vor dem Krieg profiliert hatten. Als markan­ eine wichtige Ergänzung. Denn auch hier war tes Beispiel dafür, wie die Profilierungskampfe eine gewisse Kontinuität auszumachen. Ein einer jungen Generation ausgetragen wurden »Hörspielbuch«, wie es der Süddeutsche Rund­ und in Fraktionierung und Filz steckenblieben, funk 1950 initiierte, hatte es bereits zu NS-Zeiten führte Ohde die Gruppe 47 an . in der Geschlos­ gegeben. Die vom Hans-Bredow-lnstitut heraus­ senheit ihrer Clique wurde immerhin der Versuch gegebene Reihe »Hörwerke der Zeit« war der gemacht, Oppositionen zu entwickeln. Der inter­ andere Versuch, Hörspiele gedruckt als literari­ essante Aspekt dieses Themas, die Bedeutung sche Werke einem Repertoire zuzuführen. Den­ einer Verflechtung einzelner Personen in oder noch blieben diese Versuche ihrem Wesen nach mit Institutionen des Literaturbetriebes, verlor eher dokumentarisch. Das Interesse an diesen Hörspielbüchern war gering . Auch die Verlage Miszellen 137 taten sich schwer, Hörspielanthologien ihrer Au­ wenn etwa Abich seine Begegnung mit Themas toren zu veröffentlichen. Immerhin sind sie ein Mann schilderte oder Döpke lngeborg Bach­ Ausdruck für das erstarkende Selbstbewußtsein manns Tätigkeit als politische Karrespandentin in der Rundfunkanstalten, ihren Kulturauftrag ernst Rom vor dem staunenden Publikum ausbreitete zu nehmen und den Eigenanteil an literarischer Die Hoffnung, daß solches eingehen könnte in Produktion gebührend herauszustellen. Lebensberichte, endete dann aber doch in der ln diesem Sinn wagte Dr. Bernhard Fischer, Koketterie des Alters, die immer einen leicht bit­ ebenfalls vom Literaturarchiv Marbach, Anmer­ teren Nachgeschmack hat: »Wer liest das, wer kungen zum intermediaren Austausch in den will das, was soll das? Ich bin Pensionär.« 50er Jahren zwischen »Literatur - Rundfunk und Zeitschrift«. Daß der Rundfunk die Funktion der Auf der ersten Tagung 1994, die das Nach­ Zeitschrift übernehmen konnte und als Plattform kriegsjahr 1945-1949 betrachtete, waren die einer literarischen Öffentlichkeit nutzbar gemacht Ausführungen des Historikers Priv. Doz. Dr. Axel werden sollte, das ist eine nicht unwesentliche Schildt, Universitat Hamburg, als Einstieg in die Erfahrung dieser Zeit. Der Schriftsteller, der sich Thematik gedacht. Dieses Mal am Schluß pla­ in Gesprachen artikulieren konnte und authen­ ziert, schien der Vortrag zur Sozialkultur und tisch mit seiner Stimme hörbar wurde, erfuhr - Ideenlandschaft der 50er Jahre eine Art Fazit wie in diesem Medium längst nicht neu - eine liefern zu sollen. Die Anmerkungen zum For­ besondere Aufmerksamkeit. Diese Qualitat un­ schungsgegenstand, mit denen Schildt die vor­ terschätzten die Autoren nicht. Hinzu kam, daß aufgegangenen Vorträge in ein Gesamtkonzept die doppelte Verwertung von Texten in Rundfunk zusammenzubringen bemüht war, machten Je­ und Zeitschriften nicht allein ein finanzielles Zu­ doch deutlich, wieviel noch zu tun bleibt. Es wäre brot bedeutete, sondern auch einer popularen gewiß sinnvoll gewesen, das zeithistorische Ta­ Aufwertung diente. Einen interessanten Neben­ bleau vorab auszubreiten, um für die vielen wei­ aspekt dieses intermediären Austauschs machte ßen Stellen immerhin schon eine Grundierung zu Fischer in dem florierenden Manuskriptversand haben. Schildt forderte eine Komparatisik nicht der Rundfunkanstalten aus, der für die histori­ nur zwischen Ost- und Westdeutschland ein , sche Publikumsforschung von eigenem Interes­ sondern auch den westeuropäischen Vergleich . se wäre. Er kam der Sozialkultur in den spezifischen Die Dominanz der Schriftkultur behauptete Strukturen auf die Spur, die Ideenlandschaft sich auch auf dieser Tagung, obwohl das akusti­ wollte er nicht als einen Überbau, erst recht nicht sche Medium ein zentrales Thema war und als Zeitgeist definiert wissen, sondern hielt sich reichlich vorgelesen wurde. Immerhin Prof. Dr. an nachvollziehbare Ermittlungen zu personellen Heiner Boehncke skizzierte in seinem Vortrag Netzwerken und kulturellen Ideen. Das Tagungs­ »Text und Stimme. Zur Theorie gesprochener thema fest im Blick, belegte Schildt eine Un­ Dichtung im Rundfunk« ein Forschungsprojekt gleichzeitigkeit der gesellschaftlichen Zeitge­ des Hessischen Rundfunks und der Frankfurter schichte und der Mediengeschichte. Die deut­ Universität. Er ist mit seinen Studenten dabei, sche Tüchtigkeit, die für einen raschen Anstieg eine Rhetorik des Hörens zu entwickeln. Das der Prosperität nach dem Zusammenbruch Fehlen eines brauchbaren Vokabulars zur Quali­ sorgte, ließ für ein anspruchsvolles Abendpro­ fizierung akustischer Ästhetik wird allemal in Kri­ gramm keine aufmerksamen Hörer mehr zu. Der tiken deutlich. Die Theorie und Praxis der Stim­ Rückzug in die Privatheit, die Ausgestaltung der me und des Hörens nimmt auf, was in frühen privaten Sphare bezog zwar das Radio mit ein, Medientheorien - etwa bei Walter Benjamin - be­ aber es war die Trivialitat des Programms, Mu­ reits anklang. Im Zusammenhang mit akusti­ sik, allerdings kein Jazz, Hörspiele und Unterhal­ scher Literatur scheint dieses Projekt eine völlig tung, die das Medium zum Bestandteil des All­ neue Perspektive der Forschung zu eröffnen. tags und der Freizeit machte. Die Abwehr westli­ cher Sozialisierung, die Besinnung auf abend­ Boehncke erwies sich am Abend zuvor als her­ landische Traditionen und christliche Werte er­ vorragender Moderator des Zeitzeugenge­ möglichte die kulturelle Kontinuitat, wie sie im sprachs, zu dem Hans Abich (Jg. 1918) und Einzelfall zuvor dargestellt worden war. Die Mo­ Oswald Döpke (Jg. 1923) eingeladen waren . dernisierung begann in einem konservativen Das war nun ein ausgesprochen vergnügliches Klima. Es war allerdings nicht der Konservatis­ Team, das sich natürlich gegenseitig mit Anek­ mus der 20er Jahre, sondern ein konservatives doten übertraf, aber auch in persönlicher Ein­ Denken, das der abendländischen Elite verpflich­ schätzung und Kritik die historische Distanz zu tet war. Die in allen Vorträgen ausgemachten verkürzen verstand ln der Vielseitigkeit dieser Kontinuitäten werden noch genauer untersucht Medienbiographien wurde die Zeitgeschichte werden müssen. Die Verklammerung der Ge­ gestreift und die Kulturgeschichte lebendig , schichte der Öffentlichkeit mit der Bildungsge- 138 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

schichte im Medienensemble mag dann Auf­ Im pommerschen Jarchlin, östlich von Nau­ schluß geben über dieses Jahrzehnt, in dem das gard und nordöstlich von Stargard am 6. März Radio bestimmend war in der ldeenlandschaft. 1912 geboren, wuchs von Bismarck in einer so­ wohl preußisch wie liberal geprägten, christlich Es ging auf dieser Tagung vornehmlich um Dis­ orientierten Familie auf. Wie sein Vater wurde er tribution und weniger um Kommunikation. Im Landwirt, um einmal die elterlichen Güter Kniep­ Sinne Brechts darf dann aber bei der Suche hot und Jarchlin zu bewirtschaften. Während des nach einer Rahmentheorie auf die Kommunikati­ Zweiten Weltkrieges stand der hochdekorierte onsgeschichte verwiesen werden, und das nicht Reserveoffizier dem Kreis von Pfarrer Dietrich nur, wenn es um Rundfunk geht. Die For­ Bonhoeffer nahe, der noch kurz vor der Kapitu­ schungsfragen einzelner Disziplinen sind lation der deutschen Wehrmacht von den Nazis schwerlich zu koordinieren, wohl aber Themen, im KZ Flossenbürg ermordet wurde. ln seinen Methoden und Ergebnisse. Einer Theorie nähert Erinnerungen hat von Bismarck berichtet, er ha­ man sich - wie diese Tagung wieder trefflich be sich ab 1942 die Frage gestellt, ob er sich bewies - am besten mit praktischer Forschungs­ nicht dem Kreis der Offiziere des 20. Juli an­ arbeit. schließen solle, habe sich dann aber anders Sabine Schiller-Lerg, Münster entschieden, »Weil mir der Ausgang der Rebelli­ on im Nebel zu liegen schien«, und weil er sich Nachbemerkung den ihm untergebenen Soldaten verpflichtet ge­ fühlt habe. »Mit meiner Antwort muß ich leben, Daß bei den meisten Tagungen die Vorträge zu aber die Frage, die sich mir an dem damaligen lang , die Zeit zur Diskussion - wiewohl immer Scheideweg stellte, habe ich bis heute nicht als · eingeplant - zu kurz ist, soll nicht kritisiert wer­ überholt abgelegt. Sie blieb mir wie ein Schritt­ den Nur die Frage sei erlaubt, warum das gute macher, eingepflanzt von der Geschichte, und alte Thesenpapier so in Vergessenheit geraten hielt mein moralisches und politisches Gewissen ist. statt dessen immer häufiger ausgearbeitete, bis heute wach.«2 schon zum Abdruck vorbereitete Vorträge vorge­ Aus britischer Kriegsgefangenschaft entlas­ lesen werden? Warum führt der Umgang mit in­ sen , wurde von Bismarck zunächst Leiter des zwischen wirklich gebräuchlichen, technischen Kreisjugendamtes im ostwestfälischen Herford Mitteln , vom Mikrophon über den Projektor oder und baute den beispielhaften Jugendhof Vlotho die Bandmaschine immer noch zu Komplikatio­ auf, der überkonfessionell und überparteilich nen? Immerhin sorgt er zeitweise für entspan­ zum Mittelpunkt der Jugendarbeit in Nordwest­ nende Heiterkeit und erlöst die Hörerschaft deutschland wurde. Daran schloß sich die Lei­ kurzfristig aus dem Konzentrationsmarathon. tung des Sozialamtes der Evangelischen Kirche von Westfalen in Haus Villigst bei Schwerte an der Ruhr an. Hier kümmerte sich von Bismarck vor allem auch um die soziale Situation der Klaus von Bismarck (1912- 1997) Bergleute. 1953 wählte der Hauptausschuß des Nordwestdeutschen Rundfunks von Bismarck in Als er im Dezember 1960 vom Verwaltungsrat einer Kampfabstimmung in den Verwaltungsrat des Westdeutschen Rundfunks (WDR) auf Vor­ Diese Wahl gab im übrigen den letzten Anstoß, schlag der CDU zum Intendanten gewählt wur­ den Entwurf eines Landesrundfunkgesetzes für de . galt Klaus von Bismarck als Übergangsinten• Nordrhein-Westfalen vorzubereiten, das 1954 dant Der Urgroßneffe des Reichsgründers Otto zur Gründung des WDR führte. von Bismarck hat selbst einmal geschrieben, ihn Früh setzte von Bismarck sich für die Aus­ habe die Wahl überrascht, denn »Weder konnte söhnung mit dem Osten ein. So akzeptierte er ich mich , wie mein Vorgänger Hartmann, auf bereits auf dem Evangelischen Kirchentag - Erfahrungen in der Verwaltung berufen, noch dessen Präsidium er mehrere Jahre angehörte - hatte ich mir als Journalist einen Namen ge­ 1954 in Leipzig die Oder-Neiße-Grenze und 1 macht wie einige andere meiner Amtskollegen .« damit auch den Verlust der elterlichen Güter, die Von Bismarck bestimmte die Geschichte der nun in Polen lagen. Damit unterschied er sich größten Rundfunkanstalt dann jedoch 15 Jahre deutlich von seinem ein Jahr jüngeren Bruder bis 1975, länger als sein Vorgänger und alle sei­ Phillipp, der als Bundestagsabgeordneter der ne Nachfolger. Und er wurde ein starker Inten­ CDU ( 1969-1989) stets die Politik der Heimatver­ dant. wie der amtierende Chef des WDR, Fritz triebenenverbände vertreten hat. Mit seinem Pleitgen , am 23. Mai 1997 in einem Nachruf in Verzicht erntete Klaus von Bismarck damals den Hörfunk- und Fernsehprogrammen des wütende Proteste, blieb seinem Streben nach WDR formuliert hat. Von Bismarck war am 22. Aussöhnung aber auch später als Intendant treu . Mai an Herzversagen in Harnburg gestorben. Miszellen 139

ln seiner Amtszeit als WDR-Intendant wurden digt. Er leitete die Rundfunkanstalt m1t großer die Fernsehstudios in Warschau und Moskau Liberalität und Noblesse. Die Liberalität nach in­ eingerichtet und gleichzeitig die Regionalbe­ nen spiegelte auch eine erste Beteiligungsord­ richterstattung in Nordrhein-Westfalen intensi­ nung wieder, die 1973 erlassen wurde und die viert. ln der Zeit des Kalten Krieges war der Mitwirkungsmöglichkeiten der Belegschaft an WDR Vorreiter der Politik auf dem Wege zur Entscheidungsprozessen bis hin zur Personal­ Entspannung. Diese Öffnung nach Osten setzte auswahl verbesserte. Schwer getan hat sich von Bismarck spater als Prasident des Goethe­ Klaus von Bismarck allerdings mit einem Redak­ lnstituts von 1977 bis 1989 fort, als er oftmals teursstatut, das erst nach langen Verhandlungen gegen den Wunsch der Bundesregierungen un­ von ihm unterzeichnet wurde. Bei aller Liberalität ter Helmut Kohl die Türen nach Osten aufstieß sah von Bismarck auch die Gefahr, daß einzelne und Dependancen in Bukarest, Warschau und Redakteure den Rundfunk als ihr Eigentum an­ Krakau, Moskau, Belgrad und Zagreb sowie in sahen, obwohl sie doch nur treuhanderisch für Budapest, Sofia und Prag einrichtete. Dabei ging die Bevölkerung tatig seien. »Der Rundfunk ge­ es ihm nicht nur darum, die offizielle deutsche hört weder Parteien noch einzelnen, sondern der Kultur im Ausland zu repräsentieren, sondern Allgemeinheit«, lautete sein immer wiederholtes auch die kritische, die nichtkonforme, auch wenn Credo. Die »außere Rundfunkfreiheit«, also das das den Regierenden in Sonn, allen voran Hel­ Verbot jedweder Zensur, hatte für von Bismarck mut Kohl und Franz-Josef Strauß nicht ihr natürliches Pendant in der »inneren Rund­ schmeckte. ln der ihm eigenen Souveranitat hat funkfreiheit« , also der journalistischen Freiheit Klaus von Bismarck das ausgehalten und sich der Redakteure. Diese aber hatte für von Bis­ vor seine Mitarbeiter gestellt. marck ihre notwendigen Grenzen an den Geset­ Diese liberale Haltung war schon sein Mar­ zen , den Menschenrechten und den Rechten kenzeichen als WDR-Intendant gewesen . ln die­ des einzelnen. Rundfunk als gesellschaftliches sen Jahren wurde nicht nur das Dritte Fernseh­ Gut und als Integrationsfaktor der Gesellschaft, programm zu einem Vollprogramm ausgebaut, das war das Verstandnis des pommerschen sondern es wurden so kritische Sendungen wie Landmanns Klaus von Bismarck. »Monitor« im Fernsehen oder das »Kritische Ta­ Wolf Bierbach , Köln gebuch« im Hörfunk eingerichtet, aber auch die »Radiothek« , die spater allerdings nach einem 1 Klaus von Bismarck: Ein Rückblick auf zwölf Jah­ Verstoß gegen das WDR-Gesetz wieder gekippt re lntendantentätigkeit. in: Waller Först (Hrsg.): wurde. Ganz neue Radioformen wurden damals Aus Köln in die Welt. Köln!Berlin 1974, S. 578 . entwickelt, vor allem die Magazinsendungen, 2 Klaus von Bismarck: Aufbruch aus Pommern . Er­ aber auch »Funkhaus Wallrafplatz« und »Hallo innerungen und Perspektiven. München/Zürich ü-Wagen« mit Hörerbeteiligung und schließlich 1992, S. 157. die damals noch sogenannten »Gastarbeitersen­ dungen« . Der »Bericht aus Sonn« kam ebenso ins Programm wie der »Weltspiegel« im Deut­ schen Fernsehen. Reinhold Vöth (1930 - 1997) Die Studentenrevolte Ende der 60er Jahre forderte auch von Bismarck heraus. Obwohl er Im Februar war Reinhold Vöth noch zu Gast anderer Meinung war, hat er den kritischen Stu­ beim 15. Würzburger Radioabend des Bayeri­ denten die Studios des WDR zur Diskussion schen Rundfunks (BR), um den 20. Geburtstag geöffnet Und Ulrike Meinhof konnte - bevor sie des Regionalstudios Mainfranken, das während in den Untergrund abtauchte - ihr Hörspiel seiner Intendantenzeit 1977 gegründet worden »Bambule« in Köln produzieren. Als ein Redak­ war, zu feiern und in einer anekdotenreichen teur der flüchtigen Meinhof spater für eine Nacht Rede die letzten Jahre Revue passieren zu las­ Unterkunft gewahrte, kam es zu einem öffentli• sen . Daß dieser Auftritt in seiner Heimatstadt chen Eklat Von Bismarck widerstand aber der Würzburg einer seiner letzten öffentlichen sein Forderung, diesen Mitarbeiter fristlos zu entlas­ würde, konnte niemand ahnen. Unerwartet starb sen. Dieser wurde spater vom Vorwurf, einer der langjahrige Intendant des BR am 30. März staatsfeindlichen Organisation geholfen zu ha­ 1997, eine Woche nach seinem 67. Geburtstag ben , freigesprochen . in der Münchner Universitätsklinik. Todesursa­ Nicht nur die Vorfälle um Ulrike Meinhof che war Herzstillstand nach einem akuten Nie­ führten dazu, daß CDU-Gremienmitglieder wie renversagen . Heinrich Windelen und Josef-Hermann Dufhues Vöth gestaltete über vier Jahrzehnte das poli­ den WDR öffentlich »Rotfunk« schimpften . Der tische, kulturelle und soziale Leben Bayerns mit, parteilose von Bismarck hat sich gegen diese als CSU-Landtagsabgeordneter, als Mitglied der Vorwürfe gewandt und seine Mitarbeiter vertei- Staatsregierung, als Intendant des BR , als Sena- 140 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) tor und als Präsident des Bayerischen Roten als »Etikettenschwindel« , da es sich um konkur­ Kreuzes. 30 Jahre lang, fast die Hälfte seines rierende Systeme handele. Auch das Ziel, inhalt­ Lebens, war er dem BR verbunden. 18 Jahre liche Vielfalt durch innovative Programme zu lang, von 1972 bis 1990 - langer als jeder Vor­ schaffen, werde nicht erreicht. gänger - stand er als Intendant an der Spitze. Am 25 . März 1965 wählte der Rundfunkrat Seit 1960 war er Mitglied im Rundfunkrat davon den damals 35jährigen CSU-Landtagsabgeord­ sieben Jahre dessen Vorsitzender. »Die von neten Vöth zum neuen Vorsitzenden , nachdem Reinhold Vöth betriebenen Programmreformen sein Vorgänger Max Zillibiller aus gesundheitli­ und die Solidität seiner Finanzpolitik prägen den chen Gründen verzichtet hatte. Der neue Rund­ Bayerischen Rundfunk bis heute«, formulierte funkratsvorsitzende konnte allerdings erst im sein Nachfolger Prof. Albert Scharf in der Trau­ vierten Wahlgang nach einer Kampfabstimmung errede am 4. April. ermittelt werden . Vöth erhielt die einfache Mehr­ Reinhold Vöth, am 23. März 1930 in Würz• heit von 21 Stimmen, wahrend sein Gegenkan­ burg geboren, war Jurist. Von 1949 bis 1953 didat Ernst Müller-Meiningen mit 19 Stimmen studierte er in Würzburg Rechts- und Staatswis­ knapp unterlag. Die Wahl Vöths galt als ge­ senschaften. Seine Berufskarriere begann 1956 schickter Schachzug des CSU-Fraktionsvorsit­ in der bayerischen Staatsverwaltung, als Justitiar zenden Dr. Ludwig Huber. Der Wahlausgang in der Würzburger Wohnungsbaugenossen­ wurde als ein Erfolg der CSU gewertet. Der schaft. Es folgte ein Jahr als Assessor in der Münchner Merkur schrieb am 26 . März 1965: Versicherungskammer in München. Weitere Sta­ »Durch Vöth, dessen Wahl vor allem Kultus­ tionen ab 1960 waren das Versorgungsamt minister Huber, selbst Rundfunkrat, wünschte, Würzburg , das Landesversorgungsamt München behalt das mehr bürgerlich-konservative Lager und schließlich 1970 das Bayerische Staatsmi­ nach dem Verzicht des verdienten Max Zillibiller nisterium für Arbeit und Sozialordnung (als weiter die Führung im Rundfunkrat Indes ist zu Staatssekretär). Daneben betätigte er sich poli­ erwarten, daß Vöth, 35, agiler Franke und Jurist tisch , trat mit 20 Jahren in die CSU ein und wur­ aus Würzburg, von seiner Stellung energische­ de 1958 in seiner Heimatstadt Würzburg als ren Gebrauch machen dürfte als der bedächtige jüngster Abgeordneter - mit 28 Jahren - für die Allgau er Zillibiller. « CSU direkt in den Bayerischen Landtag gewählt. Als Christian Wallenreiter, seit 1960 Intendant Hier profilierte er sich von 1964 bis 1970 als des BR, sich im Jahr 1972 nicht mehr zur Wie­ Vorsitzender des Kulturpolitischen Ausschusses derwahl stellte, wählte der Rundfunkrat am 11 . und von 1968 bis 1970 als stellvertretender November 1971 seinen langjährigen Vorsitzen­ Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion. den zum neuen Intendanten. Reinhold Vöth, der ln seiner Eigenschaft als Landtagsabgeord­ einzige Kandidat, erhielt die klare Mehrheit (32 neter und Vorsitzender des Kulturpolitischen Ja-Stimmen, 3-Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen). Ausschusses konnte Vöth sich auch intensiv mit Bevor er seine erste Amtsperiode am 1. Oktober dem BR befassen. 1960 kam er in den Rund­ 1972 antrat, legte er alle politischen Ämter nie­ funkrat des BR, eher gegen seinen Willen, wie er der. Vöth war, wie sein Vorgänger Christian s1ch in einem Interview erinnerte: »Mehr durch Wallenreiter, ein Verfechter des öffentlich• Zufall bin ich dann zum Bayerischen Rundfunk. rechtlichen Rundfunksystems. Das Schlagwort Bei der Novaliierung des Rundfunkgesetzes im »Ein freier Rundfunk in einer freien Gesell­ Jahre 1959 mußte ich eigentlich gegen meinen schaft« hatte Christian Wallenreiter geprägt. Willen in einen von der CSU-Fraktion gebildeten Reinhold Vöth verfolgte die Linie weiter. Gleich Unterausschuß, weil der damalige Fraktions­ bei seiner Antrittsrede am 29. September 1972 vorsitzende Franz Heubl der Meinung war, es legte er sich und seine Mitarbeiter auf die Idee müsse ja wenigstens ein Jurist dabei sein und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fest: »Es nicht nur Rundfunkpolitiker.« geht hier bei dieser gemeinsamen Aufgabe dar­ Vöth, der bis dato noch »keine Ahnung von um, den Auftrag des Rundfunkgesetzes zu erfül• der Rundfunkmaterie« hatte, arbeitete sich ein, len und darüber hinaus den Bayerischen Rund­ vor allem in die Vorstellung eines staatsfreien funk als einen freien Funk in einer freien Gesell­ unabhängigen Rundfunks. Dieser »Einstieg« schaft zu erhalten. Dabei wird es für die Zukunft über die juristisch-politische Schiene prägte bis eine Aufgabe sein , den Freiheitsraum des Pro­ zum Ende sein Rundfunkverstandnis. Noch bei grammgestalters im Programm zu wahren und seiner Rede im Regionalstudio Mainfranken im im Institutionellen sorgsam abzusichern. Ande­ Februar 1997 sprach Vöth deutliche Worte über rerseits geht es auch darum, das Freiheitsrecht die private Medienszene und bekannte sich ve­ des Einzelnen auf Zugang und Zugriff zu Infor­ hement zum öffentlich-rechtlichen Rundfunksy­ mationen und Darbietungen aller Art zu gewahr­ stem , wie er es zeit seines Lebens getan hatte. leisten (. .. ) Der Bayerische Rundfunk ist kein Den Ausdruck »duales System« bezeichnete er Miszellen 141

Selbstzweck: er ist vielmehr eine freie Institution aus gesundheitlichen Gründen überraschend einer freien Gesellschaft.« sein Amt nieder. Seine Ärzte hatten ihm dazu ln der Politik hatte Vöth Karriere machen geraten . Allerdings bedeutete der Abschied vom wollen. 1968 bewarb er sich in seiner Heimat­ Rundfunk noch lange keinen Ruhestand. 1991 stadt Würzburg für die CSU als Oberbürgermei• trat er beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) mit ster, doch er bekam 326 Stimmen zuwenig. Ein viel Engagement das Amt des Präsidenten an . Grund mehr, das Amt des Rundfunkchefs in Diese Arbeit wurde für Reinhold Vöth zu seiner Bayern anzunehmen? ln der Sendung »Funk zweiten Lebensaufgabe. intern« antwortete Vöth im Oktober 1972 auf die in die Ära Vöth fiel ein ganz wesentlicher Frage, warum er für die eher schwierige Aufgabe Umbruch in der Medienlandschaft. Aus dem Mo­ eines Intendanten auf seine politische Karriere nopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wur­ verzichtet habe: »Es ist sicher richtig, daß die de eine Wettbewerbssituation durch die Etablie­ Aufgabe eines Intendanten in der heutigen Zeit rung privater Rundfunkanbieter. Nach dem schwierig ist Auf der anderen Seite meine ich, Volksentscheid von 1973 war privater Rundfunk daß diese Aufgabe einen Menschen erfüllen in Bayern unter öffentlich-rechtlicher Kontrolle kann und daß es wichtig ist, gerade auch im gesetzlich zugelassen. Mitte der 80er Jahre Sinne einer freiheitlichen Demokratie, sich hier wurden neue Rundfunkangebote in sogenannten zur Verfügung zur stellen.« »Kabelpilotprojekten« (in Ludwigshafen, Mün• Vöth übernahm den Intendantenposten in chen, Dortmund und Berlin) erstmals erprobt medienpolitisch turbulenter Zeit 1972 wollte die Seit 1985 lizensiert die Bayerische Landeszen­ CSU das Rundfunkgesetz novellieren und die trale für Neue Medien den Privatfunk in Bayern. Zahl der Rundfunkratsmitglieder erhöhen. Im Vöth war von Anfang an dagegen, wie er in sei­ Landtag drückte die CSU gegen die Stimme von nen Reden immer wieder betonte: »Ich bin ge­ Vöth - der auch später in vielen Situationen be­ gen kommerzielle Funk- und Fernsehanstalten. wies, daß ihm die Unabhängigkeit des SR wich­ Ich glaube, und das ist meine tiefste Überzeu• tiger war als seine politischen Freunde - das Ge­ gung, daß nur eine öffentlich-rechtliche Anstalt setz durch. Nach der Ablehnung durch den ein von Parteien, Haß und Gunst unverzerrtes Bayerischen Senat initiierten SPD und Gewerk­ und von wirtschaftlichen Interessen unmanipu­ schaften ein »Volksbegehren Rundfunkfreiheit«. liertes Programm bieten kann « Dennoch betei­ Im Juli 1973 wurde aufgrund eines Volksent­ ligte sich der SR am Münchner Kabelpilotprojekt, scheids die bayerische Verfassung um den Arti­ das von April 1984 bis Ende 1985 lief, wenn kel 111 a erweitert, der eine öffentlich-rechtliche auch in der für Vöth typischen »aufgeschlossen­ Trägerschaft für Hörfunk und Fernsehen festleg­ zurückhaltenden« Manier. te und bestimmte, daß Staatsregierung, Landtag SR-intern gehörten neben dem Ausbau des und Senat nicht mehr als ein Drittel der Rund­ Bayerischen Fernsehens zum Vollprogramm funkratsmitglieder stellen dürfen. (1978) die Einführung der vierten Hörfunkwelle Insgesamt fünf Mal hintereinander wurde »Bayern 4 Klassik« (1980) und die Erweiterung Vöth - in einer Pressemitteilung als »alter Hase des Regionalprogramms auf »6 x Bayern« (von des öffentlich-rechtlichen Rundfunks« bezeich­ 1973 bis 1979) zu den wichtigsten Veränderun• net - vom Rundfunkrat in seinem Amt bestätigt gen seiner Intendantenzeit Besonders am Her­ Bei den Wahlen 1971 und 1975 fand er breite zen lag dem Franken Vöth der Ausbau des Stu­ Zustimmung. 1980 geriet sein Chefsessel kurz dios Nürnberg zu einem Landesstudio Franken. ins Wanken, da im Vorfeld Kritik an seiner Bereits 197 4 wurde die Fernsehredaktion in Amtsführung aus den Reihen seiner eigenen Nürnberg gegründet Doch die Umbenennung in Partei laut geworden war, wobei Ministerpräsi• »Studio Franken« erfolgte erst im Mai 1990 - dent Franz-Josef Strauß und CSU-Generalse­ kurz nach Vöths Ausscheiden. Darüber hinaus kretär Edmund Stoiber zu Vöths Kritikern zähl• war seine Amtszeit geprägt von einem fünfjähri• ten . Umstritten war vor allem sein vehementes gen Ringen um eine neue Gebührenerhöhung, Eintreten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zum 1. Juli 1983 endlich durchgesetzt wurde. und den Ausbau des Bayerischen Fernsehens Vöth hatte zudem von Anfang 1980 bis Ende zum Vollprogramm im Januar 1978. Der Rund­ 1983 den ARD-Vorsitz inne. Abweichend von der funkrat hatte 1979 die Verabschiedung des ARD-Satzung, die eine einmalige Wiederwahl Haushalts verzögert und auf diesem Wege er­ vorsieht, wurde Vöth viermal mit der Geschäfts• hebliche Korrekturen am Programmkonzept er­ führung beaufragt Intendant Hans Bausch vom zwungen . Doch der »Eklat fand nicht statt«, wie Süddeutschen Rundfunk hatte zuletzt den Wahl­ die Süddeutsche Zeitung (SZ) damals schrieb, vorschlag bei der Hauptversammlung einge­ und Vöth blieb Intendant bracht, um eine verstärkte Kontinuität in der 1988 wählte der Rundfunkrat Vöth wiederum Leitung der ARD im Hinblick auf die damalige für vier Jahre. Doch zum 31 . März 1990 legte er medienpolitische Situation zu gewährleisten. 142 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Vöth wurde zu einer Instanz in der ARD. Viele gestellt. Zwar war die CSU unter »allen Konfek­ Jahre verantwortete er das wichtige Gebiet des tionsgrößen immer noch die passendste« , doch Finanzausgleichs zwischen den Rundfunkanstal­ bestand er darauf, »ein eigenwillig denkendes ten der ARD und führte die Verhandlungen um Parteimitglied« zu sein . Vöths eigene Überle• Sportübertragungsrechte. Und er hat in schwie­ gungen zur Rundfunkpolitik und vor allem seine rigen Zeiten »diesen ungeheuer komplizierten ablehnende Haltung gegenüber den privaten Haufen« zusammengehalten, so Karl Otto Sau r, Rundfunkanbietern brachten ihn weit vom offi­ der als Chef der SZ-Medienseite Reinhold Vöth ziellen CSU-Kurs ab. Aber mit seinem liberalen fast wahrend seiner gesamten Intendantenzeit Konservativismus eckte er auch bei Sozialde­ kritisch begleitete. mokraten und Liberalen an, nicht nur, wenn er Trotz des klaren Bekenntnisses zur ARD - eine Live-Sendung der »Münchner Lach- und auch hier nicht immer im Einklang mit der Baye­ Schießgesellschaft« wegen »mangelnder Quali­ rischen Staatsregierung, welche den BR lieber tat« absetzen ließ. außerhalb als innerhalb der ARD sah - war Vöth Bei der Personalbesetzung konnte Vöth seine immer auch Föderalist und nahm sich föderale Vorstellungen von leitenden Mitarbeitern nicht Freiheiten heraus: »Es muß möglich sein, es war immer durchsetzen und mußte sich, zum Bei­ in der Vergangenheit möglich, es muß auch in spiel 1987, den Vorschlagen des Rundfunkrats­ der Zukunft möglich sein, daß immer dann, wenn mitglieds Edmund Stoiber - wie sie in einem öf• eine Situation sich ergibt, wo der verantwortliche fentlich bekannt gewordenen Brief vorlagen - Programmdirektor oder Intendant glaubt, die beugen . Wenig glücklich verlief die Personal­ Verantwortung für eine Sendung eines anderen angelegenheit mit Franz Schönhuber. Vöth hatte Senders, die er aber ausstrahlt im Bayerischen den einst nach links tendierenden Journalisten Rundfunk, nicht tragen zu können, eine Verant­ selbst ins Haus geholt und ihn bis zum Vize­ wortung, die er ja kraft Gesetz tragt, daß er dann Chefredakteur aufsteigen lassen. Als der Skan­ diese Sendung absetzt.« Dreimal blendete sich dal um Schönhubers Buch »Ich war dabei« es­ der BR aus dem laufenden Gemeinschaftspro­ kalierte, kündigte Vöth ihm aber fristlos. Der gramm aus. Zum Beispiel 1982, als Reinhold Konflikt im Hause und in der Öffentlichkeit habe Vöth eine »Scheibenwischer«-Sendung zum das Ansehen des BR in der Öffentlichkeit schwer Thema Rhein-Main-Donau-Kanal beanstandete, geschadigt, hieß es in der Presseerklärung von noch bevor Beschwerden von außen vorlagen. 1982. Das Vertrauensverhaltnis sei »unheilbar« Seiner Meinung nach verletzte die Sendung die gebrochen. »Regeln einer sach- und formgerechten Darstel­ Generell aber fallen die Beurteilungen Rein­ lung und des publizistischen Anstandes« . hold Vöths als Intendant, ARD-Vorsitzender und Vöth vertrat seine Meinung ebenso vehement als Mensch bei Kollegen, Gegnern und Freun­ wie er sein Haus und seine Mitarbeiter/innen ge­ den überraschend positiv aus. Aus vielen Mosa­ gen Angriffe von außen verteidigte, was viele iksteinen läßt sich das Portrat einer vielschichti­ offene Briefe und Stellungnahmen im Archiv be­ gen Persönlichkeit zusammensetzen : streitbar, legen . Das Amt des Intendanten hat er einmal couragiert, parteilich, aber die Interessen ande­ folgendermaßen beschrieben : »Es besteht zur rer akzeptierend, geistreich, wußte immer Aus­ Hälfte aus Ärger, zu einem Sechstel aus Admi­ wege, nie verlegen, reagierte schnell, energisch, nistration , zu einem weiteren Sechstel aus politi­ offen und ehrlich, durchsetzungsstark, kompro­ scher Auseinandersetzung und schließlich zu mißbereit, pragmatisch, humorvoll, menschlich, einem Sechstel aus der eigentlichen Aufgabe, sehr sozial, sehr christlich, er haßte Unaufrich­ namlich das Programm anzuregen, zu gestalten tigkeit, Intrigen, Lügen , ein Mann der Integration und dafür verantwortlich zu sein.« Reinhold Vöth und des Ausgleichs, ein Konservativer, wie er war nie ein CSU-lntendant, schreibt die SZ in ih­ sein sollte, ein frankisches Temperament. rem Nachruf. Vöth opponierte oft gegen die ei­ Vöth genoß nicht nur bei den Mitarbeitern, gene Partei, legte sich im Rundfunkrat mit Ed­ sondern auch im Kollegen- und Politikerkreis ho­ mund Stoiber an . Doch den typischen Pro­ hes Ansehen . »Er ist ein Mann von außerge• gramm-Intendanten, wie beispielsweise sein wöhnlichem Format und seit Rudolf von Scholtz Kollege Hans Bausch vom SDR, verkörperte er der erste Intendant, der enge Beziehungen zu auch nicht. So war in der Presse zu lesen und seinem Haus und zu seinen Mitarbeitern hat«, von Kollegen zu hören, daß ihm detalliertes In­ urteilte ein langjahriger SR-Redakteur. Als Inten­ teresse für das Programm oder die Kraft und dant war er Ansprechpartner für alle, bei Fah­ Lust zu inhaltlichen Impulsen gefehlt habe. Er rern , Kameraleuten , Redakeur/innen gleicher­ selbst verstand sich eher als »Verwaltungsinten­ maßen beliebt. Ein Intendant, der gerne auch dant« Schwachen wurden ihm auch in der Per­ einmal (und öfter) zur Gitarre griff, Volkslieder sonalpolitik angekreidet. Dem CSU -Einfluß im sang und damit seine Liebe zur Volksmusik de­ Rundfunkrat habe er sich zu wenig entgegen- monstrierte. Ein gemütlicher und überzeugter Miszellen 143

Franke. Ein >>fränkisch Herz in Altbaiern« sei er. musikalischen Gattungen bestimmten ihren ln­ Obwohl er die meiste Zeit seines Lebens außer• halt David Berger gelang es dabei. seinen eige­ halb der fränkischen Grenzen verbracht habe - nen Qualitätsanspruch mit einem sicheren Ge­ Vöth wohnte im Oberbayerischen Murnau - sei er fühl für Publikumswirkung zu verbinden. Für An­ mit seinem Wesen immer Franke geblieben. regungen und Hinweise hatte er stets ein offenes Sein Nachfolger Prof. Albert Scharf setzt seit Ohr. »Music from « wurde von den 1990 das Lebenswerk Reinhold Vöths fort. ln ARD-Rundfunkanstalten unter Federführung des seiner Grabrede in Murnau am 4. April 1997 Süddeutschen Rundfunks (SDR) kostenlos mit faßte Scharf noch einmal zusammen, was sei­ Kopien versorgt und vom Auswärtigen Amt fi­ nen Vorgänger vor allem auszeichnete: »eine nanziell gefördert. David Bergers journalisti­ unverrückbare, unverbiegbare Haltung im schem und musikalischem Wissen verdankte Grundsätzlichen, ein untrügliches Gespür für das diese Sendereihe wesentliche Anregungen . Ihm Wesentliche, aber auch ein aus reicher mensch­ oblag dabei sowohl Auswahl und Zusammenstel­ licher und politischer Erfahrung gereiftes kluges lung der Werke als auch die Herstellung der von Wissen um die Kunst des Möglichen, um das ihm selbst gesprochenen Kommentare. Auch Gewicht des Details, zumal wenn es um das »Germany today«, eine weitere Rundfunksende­ Schicksal von Menschen ging , eine christliche reihe David Bergers. die in den USA vor allem Verantwortung für das Soziale und Humane in von den universitären Rundfunkstationen über• der Gesellschaft.« nommen wurde, war überaus erfolgreich. Bettina Hasselbring, München Der SDR wurde zum jährlich besuchten deut­ schen »Heimatsender« für David Berger. ln ihm besaß die Rundfunkanstalt einen kompetenten Gesprächspartner, der uns über die Kulturszene David Berg er ( 1915-1997) in den USA ständig auf dem laufenden hielt Ne­ ben seinen redaktionellen Aufgaben übernahm Der langjährige Vertreter des ARD-Hörfunks in er für den SDR bereitwillig auch eine Fülle von den Vereinigten Staaten, David Berger, ist am 2. Recherchewünschen in den USA (weltweite Februar 1997 im Alter von 81 Jahren in New Datenbanken für Archiv- und Rechercheaufga­ York gestorben. David Berger war gebürtiger ben waren noch nicht verfügbar, und das »world Berliner. Er emigrierte 1939 in die Vereinigten wide web« stand noch in den Sternen). Auch das Staaten und kehrte nach Beendigung des Krie­ Anknüpfen vielfältiger Kontakte innerhalb der ges in amerikanischer Uniform nach Deutsch­ USA übernahm er gern und mit Erfolg. land zurück, um im Auftrag des US-Außen• David Berger beeindruckte stets durch seinen ministeriums den Aufbau demokratisch organi­ weltoffenen und intellektuell anspruchsvollen, sierter Rundfunkstationen in der amerikanischen nachfragenden Arbeitsstil und zugleich durch Besatzungszone Deutschlands mitzugestalten. Hilfsbereitschaft und persönlichen Charme. Der ln späteren Jahren arbeitete Berger als Kom­ Rundfunk in Deutschland ist David Berger zu mentator des politischen und kulturellen Ge­ Dank verpflichtet schehens für die »Stimme Amerikas«. Sein Ziel Ulf Scharlau , Stuttgart war es dabei, dem amerikanischen Radiopubli­ kum der 50er und 60er Jahre das Bild des neuen demokratischen Deutschlands zu vermitteln. Seinem neuen Heimatland galt seine Botschaft, Reinhard Schneider ( 1922 - 1997) die amerikanischen Public Stations wurden sein Medium. Reinhard Schneider, Sprecher der Fachgruppe Der Vermittlung vor allem der europäischen Technik im Studienkreis Rundfunk und Ge­ Musik mit Hilfe der von ARD-Rundfunkanstalten schichte von 1985 bis 1987 und Mitglied des neu produzierten Aufnahmen diente die von Ber­ Vereins seit 1973, ist am 27. März 1997 in Mün• ger begründete und redaktionell mehr als 30 chen gestorben. Schneider war lange Jahre Jahre betreute Sendereihe »Music from Ger­ Leiter der Abteilung »Technische Information« in many« . Mit diesem Programm- von den Schwet­ der Technischen Direktion des Bayerischen zinger Festspielen bis zu den Tagen Neuer Mu­ Rundfunks. Geboren am 16. September 1922, sik aus Donaueschingen - erhielt Berger eine für begann er nach einem Studium der Physik seine amerikanische Verhältnisse erstaunlich hohe Rundfunktätigkeit noch bei Radio München ln Hörerresonanz. Über 70 amerikanische Rund­ den frühen 50er Jahren baute er dann die ge­ funkstationen übernahmen und verbreiteten nannte Abteilung auf, bei der sich nicht nur die nach und nach die (kostenfreien) Angebote die­ Hörer. sondern auch der Fachhandel und die ser Sendereihe. Selten aufgeführte Werke frühe• Fachpresse Ratschläge in allen rundfunktechni­ rer Epochen und Neuentdeckungen aus allen schen Fragen holen konnten Das war damals 144 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) bei der Einführung des UKW-Rundfunks und Verlauf der Tagung. daß die Sichtweisen von wenig später des Fernsehens ebenso wichtig Wissenschaftlern und Praktikern auf den Ge­ wie heute angesichts neuer technischer Entwick­ genstand Film in einigen Punkten inkompatibel lungen in Richtung Multimedia. Schon in den sind , daß aber zumindest die Praktiker mit einer 60er Jahren war er in (rundfunk-)technikge­ Perspektive konfrontiert wurden , die viele von schichtlichen Aktivitäten seines Hauses beim ihnen so nicht gekannt zu haben schienen und Deutschen Museum und beim Rundfunkmuseum die sie höchst interessiert zur Kenntnis nahmen . in Berlin involviert. Von 1980 bis 1985 war er mit Ein wesentlicher Dissens, der gelegentlich die dem Vorsitz der ARD/ZDF-Arbeitsgruppe »Ge­ Verständigung erschwerte, aber auch die Dis­ schichte der Rundfunktechnik« betraut, den er kussion anheizte, bestand in den unterschiedli­ mit seinem Eintritt in den Ruhestand am Jahres­ chen Auffassungen darüber, was in die Bilder beginn 1985 aufgab. Zahlreiche Publikationen zum Zeitpunkt ihrer technischen Realisation an vor allem in Zeitschriften und Fachkorrespon­ Bedeutung bewußt hineingelegt wurde und wel­ denzen stammen aus seiner Feder, größere che ästhetischen Potentiale andererseits tat­ Veröffentlichungen waren »Die Widerstand-Kon­ sächlich in ihnen verborgen sind. densator-Schaltung« ( 1953 und sechs weitere Auflagen), die »Sendertabelle« (1957 und zehn Wie bereits erwähnt: Für viele der Praktiker - das weitere Auflagen) sowie das Standardwerk zeigten sowohl die Diskussionen als auch zahl­ »UKW-Story« (1989). reiche angeregte Pausengespräche - stellte die EL Tagung eine echte Bereicherung dar. Die Aus­ führungen der Kameramänner (es waren aus­ schließlich Kameramänner, die referierten) wid­ meten sich - mit einer Ausnahme - weitgehend Kamerastile im aktuellen Kino dem technisch-praktischen Produktionsprozeß Eine Tagung in Marburg und den diesem vorausgehenden Überlegungen Benedict Neuenteis (»Bis ans Ende der Welt« [2 . »Der Mann am Objektiv ist das Herz der Fabrik«, Kamera], »Die fliegenden Kinder«, »Frau Bu schrieb Max Mack 1916 in einer ebenso ironi­ lacht« [Tatort]) sprach über die Verbindung von schen wie liebevollen Würdigung des Anteils der Beobachtung, Analyse und Intuition, die am Be­ Kameraarbeit am Produkt Film . Ein längeres Zi­ ginn der visuellen Interpretation einer Situation tat aus Macks Polemik zu Macht, Verantwortung stehen müßten. Stilbildung erfordere die Kennt­ und Manipulationsvermögen des Kameramanns nis vorhandener Stilelemente und die Reflexion diente Heinz-B. Heller in seiner Begrüßungsrede stilistischer Möglichkeiten; zudem betonte er, als Auftakt für den retrospektiv-historisierenden daß der Kameramann bereits bei der Aufnahme Blick auf einen Aspekt, der bei der wissenschaft­ weitere mögliche ästhetische Eingriffe und Pa­ lichen Aneignung des Films weitgehend ausge­ rameter - Montage, Dialog, Musik, Erzählper• schlossen und auch dem Zuschauer in der Re­ spektive etc. - mitberücksichtigen müsse. Zum gel verborgen bleibt Die Marburger Tagung des Schluß übte Neuenteis noch herbe Kritik an den Faches Medienwissenschaft der Philipps-Univer­ Forderungen der Privatsender nach einem ein­ sität Marburg, des Bundesverbandes Kamera heitlichen »Look«, die die kreative Arbeit der (BVK) und der Gesellschaft für Film- und Fern­ Kameraleute erheblich einschränkten. sehwissenschaft (GFF) am 8./9. März 1997 zu Robby Müllers Beitrag fiel - wohl aus Mangel Kamerastilen im aktuellen Kino sollte diesem eines Manuskripts - zugunsten eines Gesprächs Mißstand Abhilfe schaffen und das Bewußtsein mit dem Kameramann ganz aus. Jost Vacano auf seiten der Filmwissenschaft für die Schlüs• verglich in einem improvisierten Vortrag detail­ selposition der Kameraleute im filmischen Pro­ liert deutsche und US-amerikanische Produkti­ duktionsprozeß sensibilisieren. Und sie sollte onsbedingungen - vor allem unter technischen den in Scharen angereisten Kameraleuten, Re­ und ökonomischen Gesichtspunkten. Auch wenn gie-Assistenten und Beleuchtern eine Ahnung er seine Einschätzung, filmische Ästhetik sei davon vermitteln, wie die Medienwissenschaft zum allergrößten Teil das Resultat praktischer deren Produkte perspektiviert. Da mit Jost Va­ und finanzieller Prämissen, in der Abschlußdis• cano (»Das Boot«, »Die unendliche Geschich­ kussion relativierte, so ist doch offensichtlich, te« , »Total Recall«) und Robby Müller (»Aiice in daß eine solche Sichtweise für die analytische den Städten«, »Dead Man«, »Breaking the Wa­ Auseinandersetzung mit dem Gegenstand letzt­ ves«) zwei echte Stars der Kamera-Szene an­ lich unbrauchbar ist; denn Filmwissenschaft ori­ wesend waren , glich die Veranstaltung eher ei­ entiert sich nun mal in erster Linie am fertigen nem Festival der Kameraleute als einem wissen­ Produkt, hinter dem der Herstellungsprozeß - zu schaftlichen Symposium Auch zeigte sich im Recht oder Unrecht - verschwindet Andererseits sind die interessantesten Filme zugleich jene, Miszellen 145 die ihr Medium und dessen Darstellungskonven­ flexion und Gegenstand vieler Symposien und tionen selbst einem Reflexionsprozeß unterzie­ Publikationen vor allem zum Dokumentarfilm; es hen. Unter diesem Blickwinkel kann es als aus­ ist dem Referenten angesichts des zeitlichen gesprochener Glücksgriff gewertet werden, daß und thematischen Rahmens nachzusehen, daß »Breaking the Waves« (Lars von Trier) der Ta­ er sie nicht eigens problematisierte und meta­ gung als ästhetisches Gravitationsfeld diente phorisch als Gegenenpol zu Strategien der per­ (zwei der sieben Vorträge sowie das Gespräch fekten lllusionierung verstanden wissen wollte.) mit Robby Müller widmeten sich diesem Film, Zugleich führte Gööck eine Differenzierung der am Samstagabend auch in einem Marburger ein, die, wie ich finde, der wissenschaftlichen Kino aufgeführt wurde). und praktischen Seite zur beiderseitigen Ver­ Es erstaunt schon, daß Ansätze zu einer ständigung sehr nützlich sein kann ; gegen die Problematisierung des Bildbegriffs - am Beispiel Vokabel des >Stils< setzte er die wesentlich stär• eben von »Breaking the Waves« - ausgerechnet ker objektivierbare der >Methode<. Denn dem Stil von einem Praktiker, dem Kameramann und Ge­ haftet als unsichtbares Präfix immer das Attribut schäftsführer des BVK, Michael Gööck, geleistet des Individuellen, Originären und Originellen an , wurden. Die Erwähnung der Selbstverständlich• das man in der Regel dem Regisseur resp. Autor keit nämlich, daß Photographie und Film nicht zuzuschreiben gewohnt ist, und das zunächst Abbildung von »Wirklichkeit« sind, sondern mög• mit Recht: »Down by Law« trägt ebenso sehr die liche Perspektiven auf und Interpretationen von unverwechselbare Handschrift Jim Jarmuschs, bestimmten Aspekten der Realität offerieren, wie »Breaking the Waves« diejenige Lars von schien angesichts der - häufig technisch und Triers und »Aiice in den Städten« diejenige Wim emotional bestimmten - Diskussionen durchaus Wenders, auch wenn alle drei von Robby Müller angebracht; auch, daß der Film ein Zeichensy­ - mit drei verschiedenen Methoden - photogra­ stem ist, daß Bilder willkürlich und intentional phiert wurden. Andererseits ist der Kameramann sind und folglich nicht als Wiedergabe einer- wie alles andere als austauschbar, er ist, wie Vaca­ immer definierten - »Wirklichkeit« behandelt wer­ no mehrfach bekräftigte, der erste, der das Bild den können . ln Anlehnung an Kracauer, Barthes so zu Gesicht bekommt, wie es auf der Lein­ und Flusser entwarf Gööck eine fragmentarische wand erscheinen wird und insofern die primäre semiotische Skizze, die zweierlei zeigen sollte: qualitative Kontrollinstanz des Sichtbaren. zum einen die Präfiguration der Wahrnehmung Vieles über den arbeitsteiligen Prozeß wäh• durch die konventionalisierte Rezeption (und rend der Dreharbeiten war von den Kameraleu­ Darstellung) visueller Zeichen , zum anderen die ten zu erfahren, mit dem mageren Erkenntnis­ Determination des Bildermachens selbst durch gewinn , daß der Anteil der Kameraleuteam Film die den Bildapparaten eingeschriebenen techni­ nicht verallgemeinerbar ist und regional wie in­ schen Codes. Das Bild des Photographen oder dividuell stark differiert. Für die Medienwissen­ Kameramanns zeigt also eine sowohl technisch­ schaft stellen sich daher zwei Fragen: 1. Ist die­ apparativ als auch durch die subjektive Perspek­ ser schwer zu spezifizierende Anteil der Ka­ tive determinierte Sicht auf die Weit. Gegen die­ meraarbeit am fertigen Film eine relevante Ana­ sen manipulativen (und nicht selten eben ideo­ lysekategorie, und - daraus folgend - 2. Wie läßt logischen) Mechanismus wende sich »Breaking sich - unter Berücksichtigung der am fertigen the Waves«, indem der Film sich einer Methode Produkt schwer nachweisbaren Arbeitsteilung - des kalkulierten Zufalls bediene und das Kor­ der Moment der Belichtung (denn um nichts an­ rumpierungsniveau der Bilder etwa nach Art des deres handelt es sich ja) konzeptualisieren? Hollywood-Mainstreams gezielt unterschreite: Gegen die perfekte Illusion setze er »professio­ Diese spezifischen Fragestellungen rücken bei nellen Dilettantismus« (eine Vokabel aus dem einer Tagung, die sich den »Kamerastilen im Auditorium), indem er die Kontrollinstanz der aktuellen Kino« widmet, automatisch in den Fo­ Kamera teilweise außer Kraft setze (unkontrol­ kus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, und lierte, »verwackelte« Kamera, Unscharfen, »fal­ es ist interessant, ob und wie die Referenten in sche« Kadrage etc.). Da vieles in »Breaking the ihren Vorträgen hierauf reagierten . Karl Prümm, Waves« nur ein einziges Mal gedreht und der verantwortlich für Planung und Konzeption der Kameramann auf Anweisung des Regisseurs Veranstaltung, plädierte für eine Lektüre, die fil­ von den Proben ausdrücklich ausgeschlossen mische Bildwelten ins Zentrum der Analyse stellt, wurde , habe von Trier das Zufällige, nicht Ge­ ohne eine auf die Kameraarbeit gemünzte plante, Randständige integriert und das Spiel der »Politique des Auteurs« betreiben zu wollen . Schauspieler zu einer Intensität und Unmittel­ Das Konstruktive des Stilbegriffs sieht er - der barkeit gesteigert, die »Authentisches« auf­ potentiellen Gefahr der Beliebigkeit bewußt - in scheinen lasse. (Diese fragwürdige Kategorie ist seiner interdisziplinären Zugriffsmöglichkeit Ein fester Bestandteil medienwissenschaftlicher Re- Bild - auch ein Filmbild - entsteht nicht aus dem 146 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Nichts, sondern muß in seinem historischen phisehe Stilbegriff orientieren . Und we iterhin Kontext und vor dem Hintergrund eines tradier­ pladierte Grob für die Einstufung des Kamera­ ten visuellen Vokabulars gelesen werden (oder, manns eher als konstruktiven Mitarbeiter der wie Gilles Deleuze allgemeiner formulierte: »Es Regie denn als stilistischen Individualisten. Al­ gibt kein Kunstwerk, das nicht seine Fortsetzung lerdings unterstellte er dann gerade Blocks Ka­ oder seinen Ursprung in anderen Künsten hat«). meraführung doch wieder eine ganz eigenstän• Anhand einiger Filme des Kameramanns Eugen dige, interpretatorische Komponente. Schüfftan entwickelte Prümm dann vier Ebenen Klaus Kreimeier analysierte einige Sequen­ von dessen filmischer Stilbildung, die die Anver­ zen aus Romouald Karmarkars Film »Der Tot­ wandlung und Reflexion sowohl photographi­ macher« (Kamera: Fred Schuler): ein multiper­ scher als auch genuin filmischer Bildstrategien spektivisch erzähltes Kammerspiel, das durch erkennen lassen: die an Ruttmanns Stadt­ den ständigen Wechsel der Blickachsen inner­ Bildern orientierte Kadrage, die das Periphere, halb einer Konstellation von drei Protagonisten Zufällige betone, der dokumentarische Gestus (zu denen sich die Kamera als vierter gesellt) der Kamera, der sich in der Distanz zu den Pro­ unsere Wahrnehmung konfiguriert: Der authenti­ tagonisten äußere, das spezifische Interesse an sche Fall des Massenmörders Haarmann, des­ geometrisch durchgestalteten, quasi-photogra­ sen Verhandlung in den 20er Jahren sich inner­ phischen Bildtableaus und die expressive Kom­ halb einer festgefügten Hierarchie staatlicher position der Oberflache aus Licht und Schatten, Gerichtsbarkeit abspielte, wird im »Totmacher« die das Interesse an Stilisierung über jenes an medial derart aktualisiert, daß sich dem Zu­ »reinem« Abbild-Dokumentarismus stelle. An­ schauer der sichere Rückzug auf eindeutige schließend bezog Prümm diese destillierten Positionen konsequent verweigert. Stattdessen Stilmerkmale auf aktuelle Arbeiten Gernot Rolls, bezieht die Kamera den Zuschauer - mal als Be­ die sich in Bildausleuchtung , Kadrage und obachter, mal als Beobachteten und mal als Rauminszenierung an jenen Schüfftans orientier­ Beteiligten - in das Spiel der Blicke mit ein , ten . Während einige Kameraleute einwandten, macht ihn gleichermaßen zum Komplizen wie daß ihre Bildkompositionen instinktiv und asso­ zum Richter Haarmanns und beraubt ihn einer ziativ entstünden und eine Reflexion historischer wertenden Instanz. Häufig nimmt die Kamera die Mittel im Grunde die Ausnahme sei , zielte Rolle einer »Trabantin des Innenraums« Prümms Analyse - völlig zurecht - gerade auf die (Kreimeier) ein , umkreist die Figuren und hebt so Eigendynamik bildgebender Traditionen. Hatte die Differenz zwischen Richter und Täter ten­ Benedict Neuenteis aus der Sicht des Praktikers denziell auf. Insofern kontrastiert und interpretiert ganz ähnlich argumentiert, so zeigte sich Jost sie das der »historischen Wirklichkeit« entnom­ Vacano amüsiert über die vermeintlich wissen­ mene Material und zeigt, wie Menschen etwas schaftlich oktroyierten Inhalte und betonte statt­ sehen (können). dessen ein weiteres Mal die technisch-ökonomi­ Am offensichtlichsten trat die Divergenz zwi­ schen Determinanten bei der Bildtindung und schen Theorie und Praxis in Lars-Oiaf Beiers -realisation . Vortrag zu »Breaking the Waves« zutage. Nach Norbert Grabs Vortrag im Stil einer monu­ der obligatorischen Positionierung des Films im mentalen Filmkritik widmete sich dem CEuvre des Gesamtceuvre des Regisseurs beschrieb Beier - auf der Tagung ebenfalls anwesenden - Kame­ zunächst die Struktur des Films und verwies auf ramanns Axel Block. Schillernd und blumig refe­ die Funktion der stark elliptischen Erzählweise, rierte er Blocks bio-filmegraphische Vita , ange­ die in Verbindung mit Reißschwenks ein ganzes reichert mit raumgreifenden und nicht immer Set an unterschiedlichen Emotionen komprimiert einsichtigen Zitaten von Balazs über Bazin bis zur Darstellung bringe. Zur Verifizierung dieser hin zu Jean Marie Peters und attestierte der Ka­ These zeigte er eine Sequenz, die er »Deflora­ mera dieses »Fanatikers der Füße« die tionsszene« nannte und in der er alle in »Break­ »Kontrastierung alles Thesenhaften«, einen ing the Waves« auffälligen Kameraoptionen »breitströmenden Bilderfluß« (Grob) und ande­ vereint sah: Blick in die Kamera , Reißschwenk. res mehr. Grob wies hin auf die Funktion der indirekter Kamerablick durch Spiegelung, ver­ Kamera als wahrnehmungskonstituierende ln­ wackeltes Bild und Unscharfen; die Leiden­ stanz und schlug eine zwar pragmatische, je­ schaft, so Beier, lasse hier selbst der Kamera doch auch einengende Spezifizierung des Stil­ die Sinne schwinden. Abgesehen davon, daß die begriffs hinsichtlich der Filmgeschichte vor: Nicht Unscharfen dieser Szene - wie Robby Müller an der globalen, kulturgeschichtlichen Epo­ erläuterte - zufällig zustandekamen (oder, wie chenbildung . sondern an filmgeschichtlichen oben beschrieben: durch kalkulierten Zufall), (von Filmhistorikern und -kritikern abstrahierten) handelt es sich bei Beiers Deutung um eine Kategorien wie Neorealismus, Nouvelle Vague krasse Verwechslung zwischen Interpretation oder Free Cinema solle sich der kinematogra- und Analyse: Die Methode der Kamera . wie Miszellen 147

Gööck es nannte, macht- in Verbindung mit dem einräumte, daß eine allein am Bild orientierte Spiel von Emily Watson alias Bess McNeill - die Filmanalyse dem Gegenstand nicht gerecht Szene völlig offen für Interpretationen und - wie werden kann . Die Relevanz des Themas für d1e das Beispiel zeigt - (sexuelle) Projektionen: Filmwissenschaft steht und fällt mit der Frage. Wenn sich im Gesicht der Darstellerin irgend ei­ wie bedeutsam die während des Produktions­ ne emotionale Regung zeigt, dann distanzierte prozesses geleistete Arbeit der Kamera in dem Neugier und Verblüffung darüber, was gerade Moment ist, wenn es im Kino dunkel wird und geschehen ist. Die neue Qualität von »Breaking sich der Vorhang hebt. Und diese Frage wurde. the Waves« vermittelt sich durch die Differenz so finde ich, auf der- insgesamt anregenden und des Films zu jenen künstlichen Bilderweiten unterhaltsamen - Tagung nicht befriedigend be­ perfekter Fiktionen, die paradoxerweise »Reali­ antwortet. tät« simulieren. Der Film tut wirklich alles, um zu Matthias Kraus, Marburg zeigen, daß er ein Film ist. Eine Gratwanderung für den Zuschauer: Einerseits wollen wir eintau­ chen in die Fiktion des Plots, andererseits indi­ zieren die unermüdlich bewegte Kamera, die »Bildstörung - Grenzphänomene Unscharfen, die Reißschwenks ständig das Se­ des Dokumentarischen Films« lektive der filmischen Darstellung. Von Trier un­ Eine Tagung in Stuttgart terstreicht damit, daß es sich nur um eine Mög• lichkeit des Zeigens handelt, die anderes aus­ Es ist eine Binsenweisheit, daß trotz der Aura spart. Die Bilder wirken >unvollständig< , >unfertig< des mimetischen Realismus der Fotografie und und weisen so über ihre Ränder hinaus auf ein damit auch des Dokumentarfilms - hier vorläufig zu Erinnerndes, das vom Bild alleine nicht ein­ als Aufzeichnung nichtfiktionalen Geschehens geholt werden kann; in ihnen ist etwas nicht vor der Kamera definiert -, Fotos und Dokumen­ Sichtbares aufgehoben, das der Zuschauer tarfilme »Realität« nicht einfach abbilden. Ander­ gleichwohl imaginiert und das sich eben. als seits geht das Alltagsverständnis erst einmal da­ vermittelte authentische Erfahrung umschreiben von aus, und der auf die »Wahrheit« der Bilder ließe. Die zweite Bildebene, die den Film in Form angewiesene gesellschaftliche Verständigungs• tableauhafter, digital verfremdeter Landschaften prozeß verläßt sich auf diese Aura bzw. die jahr­ mit Kapitelüberschriften durchsetzt, kontrastiert zehntelang konventionalisierten Verfahren der die Handlung folglich auch nicht, wie Beier »Abbildung« von Wirklichkeit. ln letzter Zeit sind glaubt, sondern reiht sich strukturierend ein in gerade auch auf diesem scheinbar gesicherten ein Ensemble selbstreferentieller Strategien. Terrain des fotografischen bzw. filmischen Doku­ mentarismus erhebliche Verunsicherungen ein­ Fazit: Die Vorträge boten einige interessante getreten (stichwortartig seien erwähnt: die Pro­ Ansatzpunkte für Diskussionen. Doch die the­ bleme der Berichterstattung über den zwe1ten matische Einengung auf den Anteil des Kame­ Golfkrieg, der Fall Michael Born, die Diskussio­ ramanns am ästhetischen Prozeß stand solchen nen um die erheblich erweiterten Manipulati­ Diskussionen eher im Wege, als daß sie sie be­ onsmöglichkeiten bei digitalisierter Aufzeichnung fördert hätte. Immer wieder drängten sich kame­ und Speicherung bildlicher Darstellungen), die ratechnische Fragestellungen von seiten der der Frage nach der Wahrheit bzw. der Authen­ Praktiker oder praktisch interessierter Studenten tizität der Bilder neue Bedeutung geben. Dabei in den Vordergrund - was unter anderem auch ist kaum zu übersehen- und dies machte die Ta­ daran lag, daß sich die wissenschaftliche Seite gung über die Grenzphänomene des Dokumen­ bei den Diskussionen leider weitgehend zurück• tarischen auch deutlich -, daß die erwähnten hielt. Verunsicherungen durchaus mit den Einwänden Zwar wurden die Vertreter der Filmwissen­ in Zusammenhang stehen, die von Insidern schaft möglicherweise dafür sensibilisiert, den schon immer gegen eine unreflektierte Gat­ Aspekt der Kameraarbeit bei der Filmanalyse tungsdefinition des Dokumentarfilms und den stärker zu berücksichtigen - doch was heißt das Versuch einer Kanonisierung bestimmter Verfah­ letztendlich, wenn eine Konzeptualisierung be­ ren vorgebracht worden sind . reits an dem Versuch scheitert, diesen Aspekt Nun gibt es verschiedene Wege, die gängi• auf eine abstrakte Ebene zu heben? Alle theore­ gen Darstellungs- bzw. Abbildungs-. wie auch tisch angelegten Beiträge hätten durchaus auch Rezeptionskonventionen als solche SIChtbar und in einem anderen filmwissenschaftliehen Kontext auch für die Rezipienten erfahrbar zu machen, Sinn gemacht und dort vielleicht sogar einge­ sie zu unterlaufen bzw. Ansätze dazu bereits im hender erörtert werden können . Am ehesten auf Produkt quasi mitzuliefern, so daß es dem Publi­ die Spezifik des Themas zugespitzt war noch kum möglich wird, sich ihnen zu entziehen. ln der Beitrag von Karl Prümm, der aber ebenfalls 148 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) den Künsten wird der Schein des »Realen« selbst die Authentizität des Abgebildeten nicht durch Thematisierung , durch Offenlegung und einfach anzusehen ist Schon in einer der aller­ teilweise extreme Isolierung der gestalterischen ersten Produktionen der Filmgeschichte (einge­ Verfahren, durch Reduzierung auf experimentel­ spielt wurde die kurze Sequenz: »L'arroseur ar­ le Fingerübungen und bewußt provozierende rase« der Gebrüder Lumiere) ist nicht genau Grenzüberschreitung der etablierten Gattungs­ feststellbar, ob sie »wirkliche« oder »inszenier­ definition durchbrechen. ln der theoretischen, te« Realität wiedergeben. Insofern sei der Do­ der wissenschaftlichen Reflexion erweist es sich kumentarfilm ein »transitorisches« Phänomen, darüber hinaus häufig als ergiebig, sich mit der das immer wieder zwischen abgebildeter »Reali­ Geschichte eines »Mediums« (etwa dem Film, tät« und gestalteter Wirklichkeitsbearbeitung dem Hörfunk oder Fernsehen), einer Gattung durch die dem Film zu Gebote stehenden Mittel und ihren ästhetischen Gebrauchsformen aus­ sowie partiell inszenierter Handlung vor der Ka­ einanderzusetzen. Nicht nur, daß manche der in mera hin und her schwankt. Heller präzisierte der Gegenwart thematisierten Schwierigkeiten damit noch einmal den Problemhorizont für die der Gattungdefinition bereits früher erkannt und Intention der Tagung, dieses Phänomen mit Hilfe formuliert wurden. Die Probleme des Anfanges, der »Bildstörungen« bzw. Grenzphänomene das tastende Suchen nach medien- bzw. gat­ sichtbar zu machen. Wenn der Anspruch der tungsspezifischen Fixpunkten geben den Blick Wirklichkeitsabbildung dennoch nicht aufgege­ frei auf die häufig noch nicht fixierten gestalteri­ ben werde, dann müßten Verfahren der schen Verfahren, auf die später nicht mehr be­ »Authentifizierung« diesen Beitrag leisten . Heller wußten Anleihen bei den Vorgängermedien bzw. machte deutlich, daß durch quasi filmexterne »Nachbargattungen«, auf die Prozesse des Ein­ Angaben bzw. Verweise auf derartige Beglaubi­ schmelzans in und der Anpassung an neue Ge­ gungen vermittelt werden muß, welchen Grad gebenheiten. Ebenso gibt das Aufarbeiten spezi­ von Authentizität das Gezeigte erheben darf. fischer Veränderungen bei Umbrüchen und Jan Berg belegte dann in einem weit ausho­ Übergängen der Mediengeschichte, bei einem lenden Vortrag, wie schon in der schönen Litera­ abrupten wie einem schleichenden Wandel in tur und »dokumentarischer« Berichterstattung der Gattungsdefintion den Blick frei für durchaus seit den ältesten Zeugnissen aus der Antike zeitbedingte Festlegungen, ja Kanonisierungen. Strategien der Authentifizierung angewandt wur­ So standen letzten Endes alle Beiträge der den , etwa durch Charakterisierung der Zeugnis­ Tagung unter der Prämisse, welche neuen Er­ se, die gewählte Form der Darstellung, die Qua­ kenntnisse sich angesichts einer vom »direct ci­ lifizierung der Zeugen und Gewährsleute etwa nema« sich lösenden Gattungsdiskussion nun auch in der Weise, daß sie z. 8. viel zu naiv sei­ aus den Rand- und Grenzphänomenen für die en , um nicht die Wahrheit zu sagen . Praxis des Dokumentarfilms ergeben. Immerhin Eindrucksvoll an dem Vortrag von Werner spielt dieser vor allem in der Form des bei den Dütsch war, daß er in Ergänzung der Ausfüh• Machern weithin unbeliebten und ja auch viel­ rungen von Heller wiederum an drei verschiede­ fach unbeachteten »Nachrichtenfilms« eine emi­ nen Fassungen des ältesten Filmdokumentes nente Rolle im Produktionsalltag der Fernseh­ »La sortie d'usine« der Gebrüder Lumiere beleg­ sender. Der Organisator der Tagung und derzei­ te, inwiefern das einfache »Draufhalten« der tige wissenschaftliche Referent des Hauses des Kamera trotz der damals zweifellos gegebenen Dokumentarfilms, Rolf Säumer, skizzierte in sei­ Attraktion der »authentischen« fotografischen nem einleitenden Vortrag den umschriebenen Fixierung und ihrer Reproduzierbarkeit als nicht Problemhorizont in seinen wesentlichen Aspek­ ausreichend empfunden wurde. Mit der Verände• ten und wies auf das Dilemma hin: einerseits rung der Kameraeinstellung in der Weise, daß bedarf es für die kommunikative Alltagspraxis in nun ein Hund in die aus dem Fabriktor strömen• Herstellung und Rezeption halbwegs gesicherter de Menge hineinläuft und fast einen Fahrradfah­ Gattungsgrenzen, andererseits engen diese im­ rer umwirft, wird ein komisches Element in den mer wieder ein und ver-führen zu der erwähnten Ausschnitt integriert und bereits dem Bedürfnis voreiligen Sicherheit darüber, was wahr und au­ nach Narration entsprochen. Außerdem, das thentisch sei. machte eine dritte Fassung deutlich, bewirkt die Heinz 8. Heller vertiefte in einem ersten unterschiedliche Aufteilung der Raumsegmente Grundsatzreferat diese Überlegungen . Er be­ durch die unterschiedlichen Kamerastandorte, stand einerseits darauf, daß jenseits aller un­ daß vom reinen, authentischen Abbild, nicht vermeidbaren Wirklichkeitsverzerrungen durch mehr gesprochen werden kann . Und so ge­ das fotografische Aufzeichnungsverfahren der schieht es bis heute bei jedem »gestalteten« Anspruch an die Wahrheit der Bilder bestehen Dokumentarfilm. Denn der »Bilderstrom« einer bleibt Anhand von eingespielten Filmbeispielen fixierten oder nur wenige Einstellungen ermögli• belegte er jedoch andererseits, daß den Bildern chenden Überwachungskamera ist kein »Film« . Miszellen 149

Sofern Vergleichbares doch unternommen wird, metisch für den Außenstehenden und im Unver­ wie in Andy Warhols »Sieep« oder »Empire« , bindlichen verlor sich eine Runde mit den Doku­ können diese Werke eindeutig als experimentel­ mentarfilmfestivai-Leitern. Wenig Klarheit brach­ le »Bildstörungen« bezeichnet werden, die in te auch eine Schlußrunde, doch zeigte die im­ dieser Form kaum für den »AIItagsgebrauch« merhin die Schwierigkeiten auf, Grenzphäno• der Gattung geeignet scheinen. Sie können je­ mene, »Bildstörungen« , in die Alltagsgepraxis doch die Sehgewohnheiten verunsichern. Dies des Dokumentarfilms - den Nachrichtenfilm oder wurde in einem Vortrag der Experimentalfilmerin auch die Langformen der Gattung - zu integrie­ Birgit Hein anhand von weiteren Beispielen sol­ ren . Die Vertreter von Fernsehanstalten (ARTE, cher »dokumentarischer« Experimentalformen ZDF), die Dokumentarfilme an ein breiteres Pu ­ eindrücklich demonstriert. blikum distributieren, hatten sich mit einer enga­ Allerdings erschöpfte sich dann für den weni­ gierten Vertreterin - Brigitte Hein - des dokumen­ ger kundigen Beobachter die Tagung im weite­ tarischen Experimentalfilms auseinandersetzen . ren Verlauf vielfach darin, anhand immer neuer Dabei standen sich die Standpunkte einigerma­ Beispiele die These von der Vermischung von ßen unversöhnlich gegenüber. Hier der ein brei­ authentischer Realität und inszenierter Fiktion - tes Programmspektrum verantwortende Pro­ wenn auch zuweilen sehr eindrucksvoll - zu be­ grammanager (Klaus Wenger von ARTE). der legen. So wurde im Rückgriff auf die Geschichte einen engagierten Programmauftrag mit persön• des Dokumentarfilms gezeigt, daß die Konventi­ lichen Vorlieben für Formen des »direct cinema« on, am authentischen Ort authentisches, nicht identifizierte (da er die Tagung nicht miterlebt inszeniertes Geschehen aufzuzeichnen, für die hatte, war in seinen Äußerungen von den ange­ älteren Beispiele der Gattung nicht galt. Im sprochenen Verstörungen nichts zu spüren) . dort Schweizer Dokumentarfilm des Eisenstein-Ka­ die Experimetalfilmerin , die vom »Fernsehen« meramanns Edouard Tisse aus dem Jahr 1929 gar nichts mehr wissen will . Anknüpfend an die­ zur Abtreibungsfrage »Frauennot- Frauenglück« se unausgetragene Spannung müßten die Er­ sind zahlreiche inszenierte Passagen als Spiel­ gebnisse der Tagung gründlicher für die doku­ handlung oder »nachgestelltes« reales Handeln mentarfilmische Alltagspraxis ausgewertet wer­ eingeschoben. Dieser Film war aus historischer den . Perspektive eine interessante Ergänzung zu Edgar Lersch, Stuttgart dem auf den Dokumentarfilmfestivals stark um­ strittenen englisch-ukrainischen Film »Kennst Du kein Leid - verlieb Dich in mich« von 1996. Die tödlich endende Liebesaffäre zwischen einem Fernsehen im Helldunkel Massenmörder und einer Justizbeamtin wird so­ Eindrücke von der Ausstellung wohl in dokumentarischen Interviews wie in »Der Traum vom Sehen« in Oberhausen nachgestellten Gerichtsszenen erzählt. Auch in Stuttgart löste der Film Befremden und kontro­ Weihevoll diffus scheint das Licht durch die en­ verse Diskussionen aus. Am Beispiel von Alex­ gen Luftöffnungen 100 Meter hinab ins Schwarz ander Kluge verdeutlichte Werner Barg das in­ des Zylinders. Unwillkürlich meint man den Ge­ zwischen im Spielfilm häufiger anzutreffende ruch von Weihrauch zu verspüren, der vom tie­ Phänomen einer »Grenzüberschreitung«, wenn fen Grund des Oberhausener Gasometers auf­ in Spielhandlungen Splitter authentischen Mate­ zusteigen scheint. Wie in einer Kathedrale der rials integriert werden . Auf ein weiteres Phäno• Technik sind dort unten die Fetische der Unter­ men machte Ulrich Wegenast in seinem Vortrag haltungsgesellschaft versammelt. Während sich über »Found Footage« aufmerksam: »Klassi­ oben, auf der Aussichtsplattform, ein ganzlieh sches« dokumentarisches Material erhält in unmediatisierter Fernblick über das Ruhrgebiet künstlerisch gestalteten Verfremdungen (z. B. bietet, versucht man sich unten, auf dem Schei­ Überblendungen , in sich ablösendem und wie­ benboden des lndustriedenkmals, an einer Nah­ derholtem Vorwärts- und Rückwärtslauf) eine aufnahme des Leitmediums unserer Zeit: des ganz neue Dimension, durch die der Realitäts• Fernsehens. gehalt ins Wanken gerat. Man erinnerte sich : Auf einer Ausstellungsfläche von über 4 700 Manch älteres Beispiel aus der Dokumentar­ Quadratmetern, verteilt auf vier Ebenen, präsen• filmgeschichte enthielt durchaus Elemente dieser tiert die Projektentwicklungsgesellschaft Triad künstlerischen Bearbeitung des Bildmaterials. Berlin in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Leider war dann in einigen weiteren Vorträ• Technikmuseum Berlin mehr als 500 Objekte aus gen und Podiumsgesprächen nicht klar erkenn­ rund 100 Jahren Fernsehgeschichte. Die Aus­ bar, welche Schlußfolgerungen aus den vorge­ stellung richtet sich an alle interessierten Fern­ stellten »Bildstörungen« für den Dokumentarfilm sehzuschauer, will aber besonders Jugendlichen der Gegenwart zu ziehen sind . Weitgehend her- 150 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) den Zugang zu neuen Medien und zur Medien­ Die Statik und die hehre Ernsthaftigkeit der hi­ kunst erleichtern.1 storischen Exponate werden durchgängig - und dies ist ein wesentliches Merkmal der gesamten Schau - durch zahlreiche Kunstobjekte aufgelok­ kert - stellvertretend seien hier nur Künstler wie Am Anfang des »kulturhistorischen Spaziergan­ Edward Kienholz, Richard Serra und Nam June ges« im Gasometer empfängt den Besucher ein Paik genannt. Ihre Videoskulpturen und -installa­ Fernrohr Galileo Galileis, dessen Vision vom Griff tionen sind häufig erst auf den zweiten Blick als nach den Sternen, vom Fern-Sehen, der Ausstel­ Kunst im klassisch-musealen Sinne zu erkennen. lung vorangestellt ist. Auf den nächsten Metern Sie demonstrieren, wie stark das Medium Fernse­ wird der Versuch unternommen, die Vorläufer hen und seine Bilderweit bereits unsere Wahr­ des Traumes vom Sehen im 19. Jahrhundert nehmung geprägt haben und auch als Artefakte aufzuarbeiten. Der Einstieg ist psychoanalytisch: gewohnte Begleiterscheinungen geworden sind. Freuds »innerer Blick« der Traumdeutung trifft Vielleicht mögen das Vertraute des Mediums und den Titel der Ausstellung, dürfte aber für die seiner alltäglichen Produkte in diesem Kontext gar meisten Besucher zu akademisch daherkom­ Barrieren vieler Ausstellungsbesucher zur moder­ men, präsentiert er sich doch in puristischer nen Kunst abbauen helfen. Form - als Schrifttafeln. Anschaulicher ist da das gute Dutzend kinetischer Objekte, das mit sei­ II nen Sinnestäuschungen zum Spielen mit den eigenen Augen einlädt. Hörbilder von Themas Auf der zweiten Ebene, dem »Scheibenboden« Mann, Franz Kafka und anderen werden dem des Oberhausener Gasometers, wird teils chro­ Besucher in schallisolierten Kapseln präsentiert - nologisch, teils in Themenblöcken der Fernseh­ ein Rückgriff auf die »Camera-Eye«-Technik der geschichte des 20. Jahrhunderts nachgegangen Literatur. Doch wenn schon dieser Hinweis auf Ein erster Abschnitt versammelt Exponate zur die Literatur erfolgt, warum spart die Ausstellung Entwicklung des Fernsehens in den 30er und dann Querverweise auf die zwar unterschiedli­ 40er Jahren (»Wir senden Frohsinn . Fernsehen che, aber doch parallel verlaufene Geschichte vor 1945«). Dabei wird der Bogen geschlagen der Reihenphotographie und des Films aus? Si­ von den frühen Versuchssendungen über die cher, schnell kann sich Beliebigkeit einstellen, Übertragung der Olympischen Spiele 1936 bis doch ohne Bezüge wie diese wirkt die Auswahl zum Fernsehen im Zweiten Weltkrieg. Exponate der Objekte an dieser Stelle unvollständig und wie die erste elektronische Fernsehkamera (die willkürlich, bleibt der kulturhistorische Spazier­ Telefunken-»Fernsehkanone« von 1936), die gang ein recht kurzer Sprint - reichlich freie Flä• Dokumentation einer Olympia-Fernsehstube für che wäre im Untergeschoß des Gasometers den Gemeinschaftsempfang und die Darstellung noch vorhanden. der lnstrumentalisierung von Fernsehtechnik als Weitere auf dieser Ebene versammelten Ex­ Waffensystem (Versuche mit Kameras als Mittel ponate widmen sich der »Verkabelung der Welt« der Geschoßlenkung bei deutschen Kampfflug­ oder illustrieren die technische Grundlagenfor­ zeugen) verdeutlichen eindringlich die propa­ schung . Sehr stimmig auf riesigen Kabeltrommeln gandistischen und militärischen Verwertungsur­ angeordnet, finden sich Apparaturen vom Tele­ sprünge des Fernsehens in der nationalsoziali­ graphen bis zum zeitgenössischen Lichtwellenlei­ stischen Diktatur. Daß diese Präsentation ohne ter, die ein »Verschwinden der Ferne« bewirkten. eine Überdidaktisierung des Materials gelingt, ist Anhand von Karten und Bildmaterial läßt sich die um so erfreulicher. Entwicklung der weltumspannenden - in einem Mit der Zäsur des Kriegsendes beginnt der inzwischen fast verschütteten Sinne - »Kommuni­ für die meisten Besucher sicher vergnüglichste kationswege« von der Verlegung erster Seekabel Teil der Ausstellung. Diese selbst schlägt hier Mitte des 19. Jahhunderts (New York - London, den Bogen vom (im psychoanalytischen Sinne) 1857) bis in die Gegenwart verfolgen. Auch die »Unheimlichen« der militärisch-propagandisti• technischen Entwicklungen der zahlreichen Pio­ schen Nutzung zum »Heimlichen« - oder besser: niere des Fernsehens (etwa von John Logie Heimeligen - des Unterhaltungsfernsehens. Fünf Baird , Wladimir Zworykin oder dem unlängst ver­ Ensembles mit jeweils einem zeitgenössischen storbenen Manfred von Ardenne) werden mit Ori­ Fernsehgerät, einem typischen Wandausriß und ginalgeraten dokumentiert. Ein Höhepunkt dürfte exemplarischen Sendungen gehen dem Lebens­ die Rekonstruktion einer mechanischen Perso­ gefühl der jeweiligen Epoche nach. Vielfältige nenabtaster-Anlage von 1935 sein : Wer die le­ Themeninseln vertiefen unter anderem Formen gendäre Nipkow-Scheibe noch nie funktionsfähig der TV-Werbung im Wandel der Zeit, ge­ erlebt hat. kann hier sein eigenes Bewegtbild ab­ schlechtsspezifische Wahrnehmungsmuster tasten lassen . ( »Männerblicke/Frauenblicke« ), das Fernsehen Miszellen 151 der DDR (»Fernsehen nach Plan«), Zuschauer­ große elliptische Hohlkörper. die an Stahlseilen forschung (»Galerie der Quoten«), ökonomische von der Decke hängen, werden fortlaufend Bilder Verflechtungen der Sender, Talkshows, Rate­ projiziert, die sensorisch von den Bewegungen sendungen (hier ist besonders das »Robert­ der Besucher gesteuert werden : die »Mcluhan­ Lembke-Memorial« zu erwahnen), exemplari­ Maschine. Resonanz der Sinne«, eine Installation sche kontroverse Produktionen (etwa die US­ von Andreas Strecker und Joachim Schäfer. Mit Serie »Holocaust« samt Zuschauerkorrespon­ Mcluhans bekanntestem Diktum als Aufhänger, denz) oder die »Geburt der Privaten« (mit reich­ wonach das Medium die Botschaft sei, versu­ lich Eigenwerbung von Ausstellungs-Mitinitiator chen die beiden Künstler, ein »interaktives RTL - insofern war der weiter oben vermeintlich Wahrnehmungsfeld« zu kreieren, das die »Ver­ wahrgenommene Weihrauchgeruch nicht gar so netzung der Sinne erfahrbar« macht. Der Bezug fiktiv). ln einem kleinen Studio können sich Besu­ dieses Objekts zu Mcluhans analytischen Re­ cher als Moderator der »heute«-Nachrichten ver­ flexionen bleibt indes mehr als rätselhaft. Indem suchen, an anderer Stelle samtliehe in Deutsch­ die Installation ihr Sujet banalisiert und mystifi­ land empfangbare Programme gleichzeitig be­ ziert, ist sie mehr als enttauschend. Die umge­ staunen. Ein »Fernsehhimmel«, dessen einfach­ bende »Netzwerk-Manege« (mit zahlreichen effektvolle Bizarrerie eine beinahe psychedelische Terminals zur freien Nutzung durch die Besu­ Anmutung besitzt. Mutiert der »Traum vom Se­ cher) hatte statt dessen mehr Platz verdient. hen« zum Alptraum? Die Schau laßt jedem Besu­ cher genügend Raum, hierauf eigene Antworten III zu finden . Da paßt es gut, daß an mehreren Orten Alles in allem hält die Ausstellung im Gasometer überdimensionierte Sofas zum entspannten Ver­ Oberhausen die Balance zwischen historischer weilen und Gucken einladen. Und zu sehen gibt Aufarbeitung und - dem Medium angemessen - es dichtgedrängt eine wahre Piethora von Reliqui­ spielerischer Unterhaltung und ist insofern ge­ en und Höhepunkten (auch: Tiefpunkten) der TV­ lungen . Weniger befriedigend sind dagegen die Geschichte, die versuchen, das Transitorische meist recht sparsamen Erläuterungstafeln. Die des Mediums erlebbar, be-greifbar zu machen: Ausstellung spekuliert offensichtlich mehr auf Walter Sparbiers Postbotenuniform aus dem den schauenden als auf den lesenden Besucher »Großen Preis«, die legendäre Torwand aus dem - auch dies ganz im Sinne des elektronischen »Aktuellen Sportstudio«, die Wandlungen des Zeitalters, das die (ebenfalls von Mcluhan be­ »Tagesschau«-Designs von 1952 bis heute, die schriebene) »Gutenberg-Galaxis« bekanntlich besten Gags von Wigald Boning, Talkshoweklats, ablösen soll. Wer die alte Kulturtechnik des Le­ Text-, Ton- und Bilddokumente - beinahe mehr, sens noch nicht verlernt hat, dem sei das Begleit­ als man selbst in vier Stunden Verweilzeit verdau­ buch zur Ausstellung empfohlen - mit vielen Bil­ en kann . Den Besuchern wird nicht nur reichlich dern .2 Unterhaltendes angeboten, sondern auch Gele­ Was bleibt von dieser Ausstellung? Bietet sie genheit zur individuellen Schwerpunktsetzung ge­ Aufklärung, oder leistet sie der Verrätselung und geben . Damit spiegelt die Ausstellung selbst ein Mythisierung ihres Gegenstandes Vorschub? Stück moderner Fernsehwirklichkeit wider: Die Während die Vor- und Frühgeschichte des Me­ vielen Bruchstücke ergeben ein Ganzes, das diums bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges mehr ist als die Summe seiner Teile. Form und kompakt aufgearbeitet wird , verlagern sich die Inhalt der Schau stimmen demnach überein: Der Ausstellungsbereiche zur jüngeren TV-Ge­ Besucher wird animiert, museal zu »zappen«. schichte mit ihrer Überfülle an Exponaten und Was anderenorts als Mangel einer Ausstellung optischen Stimuli großenteils ins Fragmentari­ kritisierbar ware, ist hier folgerichtiges Prinzip. sche und Assoziative. Es dominiert die Oberflä• Fernsehen total, in der Nahsicht alle Sinne erfas­ che: ein schöner Schein der Nostalgie. Die Aus­ send. stellung reflektiert, wie das Fernsehen vor der Eine künstlerische Auseinandersetzung mit Gefahr steht. im Spiegel seiner Spiegel narcis­ dem zunehmend multisensorischen Charakter susgleich nur noch sich selber zu sehen. Kaum neuerer Medien schließt den Rundgang ab. Dem hinterfragt wird: Was heißt Fernsehen, was be­ kanadischen Medientheoretiker Marshall Mclu­ deutet es? Denn Fernsehen ist mehr als nur han, der in den 60er Jahren mit Thesen von der Technik, Programm und Ökonomie. Fernsehen Formung des menschlichen Sinneshaushaltes ist genauso individuelles und kollektives Han­ durch das relativ junge Medium Fernsehen deln, soziale Synthesis, ein Prozeß der Sinnstif­ enorme Popularität erlangte, ist als Überleitung tung - und damit stets Ausdruck der Verfassung in die Multimedia-Zukunft des Fernsehens in der einer Gesellschaft Solche Makroperspektiven dritten Ebene des Gasometers, der »Galerie«, mögen außerhalb der sich mit Medien beschäfti• ein eigener Ausstellungsteil gewidmet Auf vier genden Wissenschaften gegenwärtig möglicher- 152 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) weise nicht opportun oder sonderlich popular größtenteils in Großbritannien produziert und per sein , interessant ware es dennoch gewesen, sie Satellit nach Deutschland, Gibraltar, Zypern und in der Ausstellung naher berücksichtigt zu se­ den Falkland-lnseln überspielt, wo jeweils regio­ hen . nale Programmfenster eingefügt werden . Das Insofern ist der Oberhausener Gasometer als Sendezentrum für Deutschland ist in Herford an­ Prasentationsort symbolisch für die Herange­ gesiedelt ln den Stationierungsorten wird BFBS hensweise der Ausstellung: Das Fernsehen ver­ Television verschlüsselt über Sender mit gerin­ harrt dort im Clair-obscur der Erkenntnis. Die ger Reichweite ausgestrahlt Empfangsberech­ helle Oberflache der Relikte und Reliquien tigt sind laut NATO-Truppenstatut ausschließlich überstrahlt dunkle Leerstellen der Bedeutung, die Angehörigen der britischen Streitkrafte. die aufzufüllen eine solche Schau allerdings auch ungeeignet sein kann . Typisch Fernsehen: Ein eigenes Fernsehprogramm für die britischen Es kommt darauf an, was man auswahlt, was Streitkratte stand seit Ende der 50er Jahre auf man sieht. ln der Oberhausener Ausstellung der Wunschliste der Soldaten vor allem in (und im Alltag) kann und soll das durchaus Spaß Deutschland, dem größten Stationierungsgebiet machen . - schließlich hatte das Medium auch im Vereinig­ ln einem anderen Sinne ist der Gasometer ten Königreich langst die Wohnzimmer erobert. auch paradigmatisch für die gegenwartige Fern­ Zusatzlieh führte der Bürgerkrieg in Nordirland ab sehnostalgie: Das noch führende Massenkom­ 1969 dazu , daß in Deutschland stationierte briti­ munikationsmittel scheint bereits museumsreif sche Einheiten routinemaßig mehrmonatige Ein­ geworden zu sein . Eine Fernsehausstellung in satze in dem Krisengebiet absolvieren mußten, einem Industriedenkmal - bereits die Retrospek­ wahrend ihre Familien in den deutschen Garni­ tive eines Leitmediums der Vergangenheit? sonsorten zurückblieben und sich nicht nur sorg­ Oliver Zöllner, Baden-Baden ten , sondern auch langweilten .1 Den Ehefrauen stand wahrend der Iangeren Trennung von ihren 1 Vgl. RuG Jg . 23 (1997), H. 1, S. 47f. Siehe auch das Internet-Angebot . ten außer Zeitungen , Zeitschriften und den Trup­ penkinos seinerzeit nur ein BFBS-Hörfunkpro• 2 Vgl. Peter Paul Kubitz : Der Traum vom Sehen . gramm zur Verfügung. Diese Angebotspalette Zeitalter der Televisionen. Mitarbeit: Doris Erba­ entsprach nicht langer dem aus dem Mutterland cher. Hrsg. v. Peter Hoenisch und Triad Berlin. Amsterdam/ 1997, 239 Seiten. gewohnten Standard. Zwar hatte die Bundesrepublik Deutschland auf diplomatischer Ebene bereits um 1970 zu verstehen gegeben, daß sie keine Einwande ge­ Britisches Truppenfernsehen gen ein britisches Militarfernsehen auf ihrem Ho­ heitsgebiet geltend mache, doch der Mangel an mit neuem Namen Frequenzen, technische und juristische Proble­ Kleiner Aufriß seiner Geschichte me sowie die fehlende Finanzierung standen der Einführung bis Mitte der 70er Jahre im Wege2 Das auch in Deutschland zu empfangende briti­ Die zustandige Deutsche Bundespost war sche Truppenfernsehen »SSVC Television« ist nicht in der Lage, drei Hochleistungsfrequenzen am 1. Marz 1997 in »BFBS Television« umbe­ zur Verfügung zu stellen, die die wichtigsten briti­ nannt worden. Mit dieser Maßnahme will der schen Stationierungsgebiete in Deutschland ab­ Veranstalter »Services Sound and Vision Corpo­ gedeckt hatten. Da eine Programmdistribution per ration« (SSVC) (mit Sitz in Chalfont St Peter, Kabelanlagen aufgrund der Verstreutheil der briti­ England) erreichen, daß sein Fernsehangebot schen Truppen in Nordrhein-Westfalen, Nieder­ beim Publikum starker mit den etablierten Mar­ sachsen und Berlin nicht praktikabel war, mußte kenzeichen des Hauses, den Hörfunkprogram• sich der BFBS mit den von der Bundespost zu­ men BFBS 1 und BFBS 2, identifiziert wird . Die geteilten Niedrigleistungsfrequenzen für lokale Umbenennung geht auf die Umstrukturierungen Umsetzer zufriedengeben. Dies machte beim da­ innerhalb der SSVC-Firmengruppe zurück, die maligen Stand der Fernmeldetechnik den Aufbau ihre gewinnorientierten Geschaftsbereiche or­ einer Richtfunkverbindung vom Sendezentrum in ganisatorisch von der gemeinnützigen, vom briti­ London über Belgien nach Deutschland erfor­ schen Verteidigungsministerium subventionier­ derlich - ein außerst kostspieliges Unterfangen. 3 ten Veranstaltung des Militarrundfunks getrennt Mit den britischen und den deutschen Ver­ hat. wertungsgesellschatten stimmte der BFBS zur BFBS-TV trug bereits zwischen 1975, seinem Lösung von Urheberrechtsproblemen überein, die Sendestart. und 1983, nach der Gründung der britischen Truppen in Deutschland als eine Erwei­ SSVC. diesen Namen. Das Programm wird terung der britischen Zuschauerschaft zu betrach- Miszellen 153 ten, sofern sichergestellt sei, daß Zivilisten vom Vollversorgung der British Forces Germany mit Empfang ausgeschlossen blieben.4 BFBS-lV konnte 1981 erreicht werden. Die Ent­ Am 18. September 1975, 7.00 Uhr, wurde in wicklung der Satellitentechnik hat das ursprüngli• Celle die erste Sendung des BFBS-lV ausge­ che Richtfunknetz inzwischen obsolet werden las­ strahlt Die Moderatoren Hilary Osborn und sen . Stephen Withers verlasen die Eröffnungsansage: Seit dem Golfkrieg von 1991 beginnt BFBS Television seinen Sendetag am frühen Morgen Osborn : »Seven o'clock on September 18th, 1975. A historic moment for us at BFBS as we open up our first (ca. 5.00 Uhr), beendet ihn jedoch nach wie vor television service. BFBS has been broadcasting radio meist kurz nach Mitternacht Die Zahl der Eigen­ programmes to the British Forces all over the world for produktionen ist seit 1975 erhöht worden; als Pro­ over thirty years. But this is our very first television grammlieferanten sind außerdem Channel 4 und transmission . Each day I or Stephen Withers will be die Sky-Gruppe hinzugekommen. Die Satelliten­ here toteil you about our programmes.« technik ermöglicht nun problemlos auch Live­ Withers: »To begin with, we have to record them all Ausstrahlungen. Mit seinen populären Sendungen in London from the BBC or ITV and Iransport the tapes erreicht BFBS-lV beim militärischen Zielpublikum to Germany for Iransmission from our mobile control heute einen Bekanntheitsgrad von nahezu 100 room initially based at Celle. And it's at Celle that we have our first . But in the next two years or Prozent und ist mit täglichen durchschnittlichen so over a hundred are to be built - to bring our Spitzensehbeteiligungen um 60 Prozent Marktfüh• programmes to all main groups of British Forces and rer.9 dependents in Western Germany.«5 Die Einführung von BFBS Television war kein bloßes rundfunktechnisches Experiment, mit dem Celle war mit Bedacht ausgewählt worden: ln den eine Hörfunkanstalt ihr Programmangebot erwei­ »entertainment deserts of Northern Germany«6 tern wollte. Vielmehr steht das Militärfernsehen in gab es die wenigsten Zerstreuungsmöglichkeiten. genau definierten sozialen und militärischen Funk­ Das Sendegebiet erstreckte sich nur auf einen tionszusammenhängen. Wie auch der BFBS-Hör• Umkreis von wenigen hundert Metern und deckte funk soll BFBS-lV die Truppenangehörigen infor­ kaum mehr als das britische Kasernengelände mieren, unterhalten und - in weitaus geringerem ab.7 So war gewährleistet, daß deutsche Zaun­ Maße - bilden, zudem die Verbindung der Truppe gäste außen vor blieben. Sämtliche Sendungen zur Heimat aufrechterhalten und die Truppen­ waren in dieser Frühphase des britischen Trup­ moral (lies: Kampfmoral) fördern .1o BFBS-lV penfernsehens Bandaufzeichnungen, die über die verweist somit auf die spezifischen Funktionen Richtfunkleitung nach Deutschland überspielt des Militärrundfunks insgesamt wurden. Dazu gehörten nicht nur Filme, Serien Oliver Zöllner, Baden-Baden und Shows, sondern auch Ansagen und Nach­ richten. Die Ausstrahlungszeiten des BFBS-lV 1 Vgl. British Forces Germany. Seventh Report from begannen am Mittag und endeten meist gegen the Expenditure Committee etc. ln: Parliamentary Mitternacht Das Programmangebot bestand aus Papers. Session 22 Vol. XXIII - Reports etc. Vol. den erfolgreichsten Sendungen der Fernseh­ 18, No. 472. London 1975, S. XIV; Alan Grace This is the British Forces Network. The Story of kanäle BBC 1, BBC 2 und des Independent Tele­ Forces Broadcasting in Germany. Stroud 1996, S. vision (llV) 159ft. Wie sich herausstellte, hatte die Einführung des Fernsehens Auswirkungen auf das Sozialver­ 2 John Harrison: Television for the British Troops in halten des Celler Zielpublikums. Lehrer der briti­ . ln: Television. Journal of the Royal Television Society Vol. 20 (1980), March/April , S. schen Schulen fanden in Aufsatzen ihrer Schüler 25ff.; Oliver Zöllner: BFBS: »Freund in der Frem­ die Namen von Sendungen wieder, Soldaten de«. British Forces Broadcasting Service (Germa­ hatten bei Fahrten zum deutschen SehneiHmbiß ny) - der britische Militärrundfunk in Deutschland. um die Ecke tragbare Empfänger dabei, um Fuß• Göttingen 1996, S. 52ff. ballübertragungen zu sehen, die Militärärzte regi­ 3 Vgl. British Forces Germany (wie Anm . 1), S. 31f.; strierten einen signifikanten Rückgang trivialer Mel Lambert: British Forces Broadcasting Service. Konsultationen nach Dienstschluß und mußten ln: Broadcasting Systems and Operation Vol. 1 auch weniger verängstigte junge Mütter behan­ (1978), H. 4, S. 27-34, hier S. 28. deln. Zudem sollen innerhalb der Celler Garnison typische alkoholbedingte Delikte wie Schlägereien 4 Harrison (wie Anm . 2) , S. 25. und Autofahrten in trunkenem Zustand ebenfalls 5 Dokumentiert in: Richard Astbury/lan Woolf: For­ deutlich zurückgegangen sein.S ces Gold . 50 Years of Forces Broadcasting. Hör• Ab 1975 wurde von Celle aus die Kette der funkproduktion, auf Audiocassette vertrieben Umsetzer in südwestlicher Richtung erweitert, hin durch SSVC (1993) . zum Hauptquartier der britischen Streitkräfte in Mönchengladbach-Rheindahlen. Eine annähernde 154 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

6 Doreen Taylor: A Microphone and a Frequency. Daß der Rundfunk am Anfang der Entwick­ Forty Years of Forces Broadcasting. London lung zur heutigen Informationsgesellschaft steht, 1983, S. 195. macht die Ausstellung anhand von Texten, Fo­ 7 »Britisches Fernsehen in Celle zu empfangen«. ln: tos, Filmen, Objekten und Tönen deutlich Es Die Weit Jg. 30 (1975), Nr. 13, S. 14. wird aber auch darauf hingewiesen, daß Radio zwar ein wichtiges, aber eben nur eines der Me­ 8 Grace (wie Anm. 1), S. 167. dien war, die die Modernisierung ausgelöst und 9 Vgl. Zöllner (wie Anm. 2) , S. 250ft.; BFBS Au­ gestützt haben. Die anderen sind Film und dience Research. Brief, BFBS, Herford, 21 . 11 . Printmedien, ergänzt um rasante Entwicklungen 1996. auf den Gebieten Transport, Massenveranstal­ 10 Vgl. Zöllner (wie Anm. 2), S. 78ff. tungen , Werbung und Telefon. Auch das Fern­ sehen gehört dazu, das aber, von wenigen Aus­ nahmen abgesehen, ausgeblendet bleibt. Zeit­ lich endet die Ausstellung mit den späten 50er »Echo der Schweiz« Jahren, als das Fernsehen in der Schweiz zum Eine Rundfunkausstellung in Schwyz Massenmedium wurde und das Radio zwar nicht verdrängte, aber grundlegend veränderte. Da­ 75 Jahre nach den ersten Radiosendungen in mals begann allerdings auch ohne Fernsehen der Schweiz, in Lausanne, sind in diesem Land sich das Radio zu wandeln - die Transistortech­ zwei Rundfunkausstellungen zu sehen . Die eine, nik erlaubte eine Individualisierung des bis dah in unter dem Titel »Radio mon Amour« in Mon­ eher gemeinschaftlichen Empfangs, die Ultra­ treux, bietet vor allem einen Einblick in die Appa­ kurzwellentechnik ermöglichte die Regionalisie­ rateweit und Impressionen von der Rezeption rung des Programmangebots. Durch das Auf­ des Mediums. Ein Besuch lohnt sich schon we­ kommen der (regionalen) Privatradios schließlich gen des originellen Museums in einer prachtigen gingen die nationalen Bezugspunkte, die mit die­ Umgebung. Die andere ist derzeit und noch bis ser Ausstellung hervorgehoben werden sollen, zum 7. September 1997 im Forum der Schwei­ weiter zurück. zer Geschichte, einer Außenstelle des Schwei­ Da die Ausstellung auch zum Hören anregen zerischen Landesmuseums, in Schwyz zu se­ soll , stehen historische Tondokumente, die aus hen . den Archiven des Schweizer Rundfunks kurz vor Der Titel der Schwyzer Ausstellung »Echo dem Zerfall herausgeholt und auf moderne Tan­ der Schweiz - Radio macht Geschichte« ist nicht trager überspielt wurden und heute in der bloß ein Wortspiel, das mit einer der langlebig­ Schweizerischen Landesphonothek in Lugano sten Sendungen Europas getrieben wird . Das aufbewahrt werden , im Vordergrund . Eine kleine Rad io wird vielmehr vorgestellt als Spiegel, bzw. Auswahl an Tondokumenten ist zur Ausstellung Resonanzkörper, der etwas von der Schweizer auf einer CD publiziert worden. Geschichte wiederg ibt. Mit der Ausstellung soll Die Schwyzer Rundfunkausstellung wird ab gezeigt werden, daß der Rundfunk in den 30er 3. Oktober 1997 im Museum für Kommunikation Jahren in weiten Teilen der Schweiz zum Mas­ in Bern und ab Dezember 1997 in der Villa Sardi senmedium geworden ist und Beträchtliches in in Lugano zu sehen sein. den Köpfen und im Lebensstil verandert hat. Ge­ Theo Mäusli, Lugano rade den Bergregionen brachte das Radio uner­ hörte Neuigkeiten. Es war einer der Vorreiter der Modernisierung, damit auch Standardisierung des Gemeinschaftslebens, des Schulunterrichts, Memory of the World der Haushalte und der Mentalitaten. Vor allem Projekt der UNESCO zur Erhaltung trug das Radio zum schweizerischen Zusam­ des Weltdokumentenerbes mengehörigkeitsgefühl über die Sprachgrenzen hinweg bei . Darum ist die Ausstellung, von Aus­ Auf der Tagesordnung einer von der Deutschen nahmen wie Zitaten abgesehen , auch konse­ UNESCO-Kommission einberufenen Konferenz quent dreisprachig gestaltet. Auf Ratoromanisch, für Medienfachjournalisten und Experten zum wiewohl 1938 als vierte Landessprache aner­ Thema »Die UNESCO und die lnformationsge­ kannt, wurde in der Ausstellung verzichtet, ob­ sellschaft«, die am 4. und 5. Juni beim Hessi­ wohl sie für Teile der Bündner Bevölkerung eine schen Rundfunk in Frankfurt am Main stattfand, nicht zu unterschätzende Rolle spielte, außer• stand neben Problemen der weltweiten Me­ halb dieser Region aber im Radio kaum genutzt dienentwicklung sowie ethischen Fragen des ln­ wurde . formationszeitalters das UNESCO-Projekt »Me­ mory of the World« . Analog zu den UNESCO- Miszel/en 155

Programmen zum Schutz des Weltkultur- sowie Molotow im Rundfunkam 22 . Juni 1941 des -naturerbes widmet sich diese neueste In­ Eine Ergänzung itiative der Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Kultur, Wissenschaft und Bildung Die »erstmalig in deutscher Sprache« in »Rund ­ schriftlichen Dokumenten sowie der audiovisuel­ funk und Geschichte« Jg. 22 (1996), H. 1, S len Quellenüberlieferung. Die mehr als 180 Mit­ 48ff. abgedruckte Rundfunkrede zum Kriegsbe­ glieder der UNESCO sind aufgerufen, solche ginn war in Deutsch - allerdings in einem nicht Dokumente, aber auch schützenswerte Samm­ identischen Wortlaut - bereits wenige Wochen lungen zu benennen und, falls sie in die entspre­ nach Ende des Zweiten Weltkriegs publiziert chende UNESCO-Liste aufgenommen sind, da­ worden. Am 22 . Juni 1945, dem vierten Jahres­ für zu sorgen, deren Inhalte in digitalisierter tag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, Form auch weltweit zuganglich zu machen. wurde der Text dieser Rede um 19.30 Uhr im in Deutschland befaßt sich eine Arbeitsgrup­ Programm des Berliner Rundfunks in deutscher pe des Fachausschusses Kommunikation, In­ Sprache ausgestrahlt, wie das im Deutschen formationswissenschaft und Informatik mit der Rundfunkarchiv Berlin erhaltene Sendemanu­ Erarbeitung einer Vorschlagsliste, die die aus skript ausweist, verlesen von einem Rundfunk­ deutscher Perspektive relevanten Dokumente sprecher names Stamm, abgezeichnet von ei­ enthalten wird . Deren Vorsitzender, Dr. Joachim­ nem Kontrolloffizier Rosanow. Das Manuskript Felix Leonhard, Vorstand der Stiftung Deutsches verzeichnet auch die Quelle, das KPD-Organ Rundfunkarchiv Frankfurt am Main - Berlin, the­ »Deutsche Volkszeitung« Nr. 9/1945. Bei dieser matisierte in seinem Eröffnungsreferat anläßlich wahrscheinlich ersten deutschen Veröffentli­ der Frankfurter UNESCO-Konferenz mit etwa 50 chung handelt es sich um eine gekürzte Fas­ Teilnehmern die Schwierigkeiten, Auswahlkrite­ sung , in der Passagen aus dem in »Rundfunk rien für solche Dokumente zu finden, diese in und Geschichte« dokumentierten Entwurf und Zukunft zu sichern, verfügbar und öffentlich zu­ der Umformulierung entnommen wurden. Gleich­ ganglich zu halten. Er pladierte dafür, bei der zeitig ist diese Fassung der Rede vermutlich ei­ Auswahl pragmatisch vorzugehen ahnlieh einem ne Rohübersetzung. Ausstellungsmacher, dem bei einer begrenzten IP Ausstellungsflache nur eine paradigmatische Dokumentation seiner auszustellenden Objekte übrig bleibt. in der nachfolgenden Sektionssitzung wurde die Meinung vertreten, daß diesem UNESCO­ Programm eher eine propagandistische als eine reale Bedeutung zukomme, könnten doch so Ar­ chivare und Bibliothekare die Öffentlichkeit zu­ sätzlich für ihre vorwiegend konservatorischen Probleme sensibilisieren. Dennoch entstand spontan eine Liste mit rund einem Dutzend für eine internationale UNESCO-Übersicht relevan­ ten Dokumenten , die internationale Vertrage zur europäischen Geschichte beinhaltet: vom Ver­ trag zu Verdun 843 zur Teilung des Frankenrei­ ches bis zum Zwei-plus-Vier-Vertrag 1990 zur (Wieder)Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Die deutsche Arbeitsgruppe wird ihre Vor­ schlage bis Herbst 1997 prazisieren und der Deutschen UNESCO-Kommission zur Prüfung und möglichen Weiterleitung an die UNESCO übermitteln. AD Rezensionen

Horst J. P. Bergmeier I Rainer E. Lotz teraturverzeichnis eine Übersicht der überhaupt aus­ Hitler·s Airwaves. gewerteten Archivbestände. The Inside Story of Nazi Ansgar Diller, Frankfurt am Main and Propaganda Swing. New Haven I London: Yale University Press 1997, Vgl. Rainer Lotz u.a.: Discographie der deutschen 368 Seiten. Sprachaufnahmen. Sonn 1995. Rezension in : RuG Jg. 22 (1996) , H. 1, S. 90. »Hitlers Ätherwellen« befaßt sich keineswegs mit dem gesamten Spektrum der nationalsozialistischen (Auslands-)Rundfunkpropaganda, konzentriert sich Konrad Dussel viel mehr auf die reichsdeutschen Sendungen in eng­ Die Interessen der Allgemeinheit vertreten. lischer Sprache während des Zweiten Weltkriegs. Die Tätigkeit der Rundfunk- und Verwaltungsräte Aus diesem Grund ist das Buch auch in englischer von Südwestfunk und Süddeutschem Rundfunk Sprache erschienen, obwohl die beiden Autoren im 1949 bis 1969 (= Südwestfunk-Schriftenreihe: deutschen Sprachraum angesiedelt sind: Bergmeier Rundfunkgeschichte, Bd . 5) . als Chronist des Musiklebens während der Weimarer Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1995. 531 Republik, Lotz als (Mit-)Herausgeber der Deutschen Seiten. Nationaldiscographie.1 ln ihrer Studie befassen sich die beiden Autoren Nach 1945 wurden unter maßgeblichem Einfluß der zunächst knapp mit der Errichtung des Reichsmini­ alliierten Besatzungsmächte die Medien in Deutsch­ steriums für Volksaufklärung und Propaganda, von land wieder aufgebaut, durfte keine Zeitung ohne Li­ ihnen verkürzt als »Ministry of Propaganda« bezeich­ zenz erscheinen, standen die Rundfunkstationen zu­ net. sowie mit dem Rundfunk als Phänomen zur nächst gar ganz im Dienste der Besatzungspolitik. Durchsatzung außenpolitischer Ziele. Sodann wid­ Bei den Überlegungen, wie der Rundfunk in den men sich zwei ausführliche Kapitel der Kurzwellen­ westlichen Zonen künftig unter deutscher Verant­ propaganda nach Nordamerika bzw. den Sendungen wortung organisiert werden sollte, schied das schon über Mittelwelle nach Großbritannien. ln beiden Ab­ in der Weimarer Republik, erst recht in der Zeit des schnitten stehen die Protagonisten dieser Propagan­ Dritten Reiches in Verruf geratene Modell des da - US-Amerikaner bzw. Briten in deutschen Propa­ Staatsfunks aus, besaß aber auch die von den Verei­ gandadiensten - im Mittelpunkt. vor allem William 8. nigten Staaten her bekannte Organisation des Privat­ Joyce, besser bekannt unter seinem Pseudonym funks keine Chance. Am Vorbild der öffentlichen Bri­ Lord Haw Haw. Thematisiert werden außerdem die tish Broadcasting Corporation orientiert, entstanden unterschiedlichen Musikfarben der Rundfunkpro­ 1948/49 sechs voneinander unabhängige und mit gramme für das Reich und das Ausland während des Selbstverwaltungsbefugnissen ausgestattete öffent• Zweiten Weltkriegs - letzteres mit starken Anklängen lich-rechtliche Rundfunkanstalten. Damit sollte er­ an Swing und Jazz, vertreten durch die Gruppe Char­ reicht werden , daß das elektronische Medium weder lie and his Orchestra. Zum Schluß gehen die Autoren einer noch einzelnen Gruppen oder gar Personen noch knapp auf die Kontoverse zwischen Propagan­ ausgeliefert wird, sondern daß in ihm alle gesell­ daministerium und Auswärtigem Amt ein , die sich ge­ schaftlichen Kräfte zu Wort kommen. Über die Ge­ genseitig die Kompetenzen für die Auslandspropa­ bote der Staatsferne und Meinungsvielfalt sollten plu­ ganda streitig zu machen suchten, und beschreiben ralistisch zusammengesetzte Gremien wachen: die den Unterschied zwischen der sogenannten »schwar­ Rundfunk- und die Verwaltungsräte. zen« Propaganda, die Sender verbreiteten, die an­ Es ist schon erstaunlich, daß es zwar eine Unzahl geblich in Feindesland stationiert waren, und der juristischer Literatur gibt, die sich bisher mit der »weißen« Propaganda der offiziellen Rundfunkstatio­ rechtlichen Konstruktion der für die Rundfunkaufsicht nen . bestallten Gremien befaßt hat, aber bisher kaum je­ Angereichert durch mehrere Dutzend Fotos. etli­ mand deren tatsächlicher Arbeitsweise und Einfluß che Grafiken, eine annotierte Diskographie der in den auf den Rundfunk nachgegangen ist. Konrad Dussel Auslandsprogrammen gesendeten Lieder und ln­ gebührt deswegen das Verdienst, eine Pioniertat ge­ strumentalstücke, Transkripta der Propagandagedich­ leistet zu haben, wofür ihm die Akten der beiden un­ te sowie eine beigegebene CD mit 22 Aufnahmen vor tersuchten Rundfunkanstalten uneingeschränkt zur allem der Sendungen von Lord Haw Haw und von Verfügung standen. Und er kann mit frappierenden Charlie and his Orchestra bietet das Buch vor allem Ergebnissen aufwarten: Gremien, die in ihrer Zu­ einem interessierten angelsächsischen Publikum sammensetzung und in der Legitimation der dorthin viele ihm sicher bisher so nicht geläufige Zusammen­ Entsandten eher ständestaatliehen Kammern der er­ hänge und Einsichten in die Propagandastrategie des sten Hälfte des 19. Jahrhunderts ähneln, kamen ih­ deutschen Rundfunks während der Jahre des Dritten rem Auftrag, die Interessen der Allgemeinheit zu ver­ Reiches. Bei den Anmerkungen wäre es wünschens­ treten, das Wechselverhältnis zwischen Rundfunk wert gewesen. mehr über einzelne Dokumente zu und Gesellschaft zu kanalisieren, jedenfalls besser erfahren. auf die sich die Autoren stützen. als nur den nach als die - wegen der damals üblichen Wahl durch lapidaren Hinweis auf Archiv , Bestand und Aktenband die Länderparlamente - parteipoli tisch dominierten nachlesen zu können. Auch fehlt im Quellen- und Li- Aufsichtsorgane des Norddeutschen und des West- Rezensionen 157 deutschen Rundfunks. Da die gesetzlichen Grundla­ Nationalsozialismus ließen sich in Deutschland nur gen sich aber darüber ausschwiegen. wie diese Be­ schwer vereinen , schließlich gab es zum nationalso­ stimmung inhaltlich auszufüllen war, eröffnete sich zialistischen Staatsrundfunk keine Alternative . Zu ein breiter Gestaltungsspielraum. Entgegen der An­ recht legt Wagner daher einen Schwerpunkt seiner nahme, der Rundfunkrat sei vor allem seiner vom Arbeit auf die Kommunikatorgeschichte, wenn er die Gesetz übertragenen vornehmsten Aufgabe, der Be­ Biographien von Hörspielleitern, -dramaturgen und ratung des Intendanten in Programmfragen. nachge­ -regisseuren ebenso untersucht wie die der Autoren kommen , kann Dussel ganz andere Prioritäten fest­ und Bearbeiter. Auch bei der Betrachtung der Spiel­ stellen: Oie meiste Zeit verwandte er auf die Beratung pläne jener Jahre zieht er einen historisch umfassen­ von Personalia, an zweiter Stelle standen Fragen der deren »sozialfunktionalen« dem engeren literaturge­ Organisation, Technik sowie Finanzen und erst am schichtlichen Ansatz vor. Er untersucht sie nicht nach Schluß - weit abgeschlagen - Probleme des Pro­ literarischen Spitzenleistungen, sondern anknüpfend gramms. Besonders deutlich wird dies bei der Einfüh• an Uwe-Karsten Ketelsen nach ihrer Funktion »im rung des Fernsehens, das die Gremienmitglieder Kontext gesellschaftlicher Kommunikation« (S. 19). Anfang der 50er Jahre eher beiläufig zur Kenntnis untersucht also die Themengebiete, die bevorzugt nahmen, ohne zuvor Diskussionsbedarf über das behandelt oder ausgeklammert wurden und deren eventuelle Für und Wider des neuen Mediums anzu­ ideologische Hintergründe. Dazu hat er über 1 000 melden. Manuskripte und ca . 350 Tonträger ausgewertet. ln den trotz vieler Gemeinsamkeiten konstatierten Erstmals in der Hörspielhistoriographie versucht Abweichungen bei der Arbeit der untersuchten Wagner die Entwicklung in allen Teilen Nachkriegs­ Rundfunkgremien - bedingt durch abweichende Or­ deutschlands zu beschreiben, in der amerikanischen. ganisationsstrukturen der beiden Rundfunkanstalten britischen und französischen sowie der sowjetisch und unterschiedliche Temperamente der hauptsäch• besetzten Zone, was Querverweise und Vergleiche lichen Akteure - sieht Dussel einen der Vorzüge des erlaubt. Am Beginn eines jeden Kapitels steht ein föderalistischen öffentlich-rechtlichen Rundfunksy­ kurzer Überblick über die Rundfunkpolitik der jeweili­ stems, dem die vom Gesetz gebotene Binnenplurali­ gen Besatzungsmacht, ehe eine Darstellung des tät eine faktische Außenpluralität zur Seite stellte. Nir­ Hörspielprogramms des jeweiligen Senders folgt, die gendwo wurde dies deutlicher als bei den kontrover­ wiederum von einem Abriß der Personalentwicklung sen Diskussionen um einzelne Beiträge im bundes­ und biographischen Angaben zu den Mitarbeitern am weit ausgestrahlten (Ersten) Deutschen Fern­ Hörspielprogramm eingeleitet wird . Dabei werden sehprogramm der ARD-Rundfunkanstalten. durchaus charakteristische Unterschiede in der Per­ Ansgar Diller. Frankfurt am Main sonalpolitik der vier Siegermächte deutlich, die sich jedoch im Spielplan selbst weit weniger offensichtlich widerspiegeln, wie häufige Übernahmen von Produk­ Hans-Uirich Wagner tionen über Zonengrenzen hinweg belegen . Oie Ge­ »Der gute Wille, etwas Neues zu schaffen«. meinsamkeiten in der Personal- wie der Spielplan­ Das Hörspielprogramm in Deutschland entwicklung erlauben es Wagner schließlich. seine 1945 bis 1949 (= Veröffentlichungen des Ergebnisse in acht Thesen zusammenzufassen. Es Deutschen Rundfunkarchivs, Bd. 11 ). zeigt sich dabei, daß eine überraschend große Zahl Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 1997, von Hörspielmitarbeitern über ausgesprochene 400 Seiten. Rundfunkerfahrung aus der Zeit vor 1945 verfügten, die sie durchaus programmprägend einsetzten: Peter Oie Zeit war geprägt vom Mythos des Neubeginns, Huchel, Karl Block und Altred Braun im Berliner stilisiert durch persönliche Erinnerungen der Beteilig­ Rundfunk, Rudolf Rieth und Erich Paetzmann in ten, vor allem der des legendären Nordwestdeut­ Frankfurt am Main, Hans Sattler in Stuttgart, Harald schen Rundfunks: Axel Eggebrecht, Peter von Zahn Braun in München und Artur Georg Richter in Baden­ und Peter Bamm; 1 die Quellenlage schien schlecht, Baden . Sie sorgten nicht nur für eine personelle. weil bei den Rundfunkanstalten das historische Be­ sondern auch eine ästhetische Kontinuität im Hör• wußtsein unterentwickelt war und sich deren Archive, spiel nach 1945, der die jüngeren Mitarbeiter wenig soweit überhaupt vorhanden, in einem desolaten Zu­ entgegenzusetzen hatten. Darunter war eine nicht stand befanden. Der wissenschaftlichen Betrachtung geringe Zahl rundfunkunerfahrener junger Männer mit schließlich galten jene vier Jahre zwischen Kriegsen­ Theater-Ambitionen oder ersten Erfahrungen auf die­ de und Gründung der beiden deutschen Staaten sem Gebiet, wie Peter Kehm und Gerhard Prager in nebst höchst eigenständigen Rundfunklandschaften Stuttgart, Walter Ohm und Kurt Wilhelm in München. allenfalls als Vorgeschichte einer »Blütezeit« des Christian Boehme und Karl Peter Biltz in Baden­ Hörspiels in den 50er Jahren. Erst in jüngster Zeit hat Baden sowie publizistisch erfahrene Mitarbeiter wie sich hier einiges geändert, sowohl was die Quellenla­ Axel Eggebrecht, Peter von Zahn und Ernst Schna­ ge als auch das wissenschaftliche Interesse anbe­ bel, die allerdings ebenfalls über keine spezifischen langt Im Zentrum stehen dabei zumeist Fragen nach Rundfunkkenntnisse verfügten . Ihre Orientierung am Kontinuitäten und Diskontinuitäten, die Frage nach Hörspiel als einer akustischen Form des Dramas ließ der »Stunde Null« So auch bei Hans-Uirich Wagner. sie unbewußt an einem Hörspielbegriff anknüpfen, Je größer die Distanz zum Kriegsende 1945, de­ der bereits seit 1930 von Richard Kolb2 geprägt wor­ sto deutlicher treten Historikern und Literaturge­ den war und über das Dritte Reich hinweg seine Gül• schichtsschreibern die Kontinuitäten vor Augen. die tigkeit behielt bis in die 60er Jahre und der ausge­ häufig genug allein im Biographischen begründet la­ hend vom »Wort als zeugende Kraft«3 und dem gen Rundfunkerfahrung und gleichzeitige Ferne vom 158 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

»magischen Wort«4 die »innere Bühne«S zum Ort 4 Friedrich Hock Vom Hörspiel und seiner Drama­ des Hörspiels bestimmte. turgie. in : Radio Almanach Jg . 1 (1947), H. 18 . S. Der Versuch eines Neuanfangs, wie ihn die Sie­ 3 u. 22. germächte forderten, ließ sich wohl noch am ehesten 5 Erwin Wickert: Die innere Bühne. in : Akzente Jg. über die Rezeption von Werken der internationalen 1 (1954) , S. 505-514. Theaterliteratur verwirklichen; hier konnte der literari­ sche Nachholbedarf durchaus befriedigt werden. Al­ 6 Darunter eine des Hörspielautors Wallher Gott­ lerdings kam es den Dramaturgen und Regisseuren fried Klucke, der damit gleichzeitig seine Mitarbeit auch dabei eher auf die Vermittlung des dichteri­ als Autor anbot, zu der es aber augenscheinlich schen Wortes an, als auf aktuelle Bezüge. Diese nicht kam. Dieser Ordner befindet sich im Keller sollten junge Autoren liefern, die von allen Sendern der Hörspielabteilung des NDR. händeringend gesucht wurden. Jedoch zeigt sich hier das gleiche Bild wie bei den Dramaturgen und Regis­ seuren. Der Anteil der nach dem Ersten Weltkrieg Jacques Semelin geborenen Schriftsteller am Hörspielprogramm der La liberte au bout des ondes. ersten Nachkriegsjahre blieb äußerst gering, die älte• Du coup de Prague a Ia chute du mur de Berlin. ren nichtemigrierten, nichtnationalsozialistischen, Paris: Belfond 1997, 348 Seiten. aber rundfunkerfahrenen Autoren beherrschten das neu zu bestellende Feld des Original-Hörspiels: bei­ »Diese Regime( ... ) haben durch das Wort gelebt und spielsweise Hans Sattler, Christian Bock, Walter sind durch das Wort umgekommen.« Dieses dem Erich Schäfer, Georg von der Vring, Walter Bauer. Im Text vorangestellte Zitat aus Timothy Garton Ashs Dritten Reich emigrierte Schriftsteller schrieben so Buch 1 faßt das vorliegende Werk präzise zusammen. gut wie gar nicht für das Hörspiel, allenfalls ihre im Jacques Semelin, Historiker und Mitarbeiter der Abtei­ Exil entstandenen Werke wurden adaptiert. Die Mo­ lung »Laboratoire Communication et politique« des derne fand im Hörspiel ebensowenig statt, wie eine nationalen Forschungszentrums CNRS in Paris, geht sozialpolitisch fundierte Auseinandersetzung mit Ge­ es nämlich darum, die Beziehungen zwischen audio­ genwart und jüngster Vergangenheit. visuellen Medien und Widerstandsbewegungen in Hans-Uirich Wagners Befunde sind fundiert und den ehemals kommunistischen Ländern Osteuropas solide recherchiert. Beeindruckend die Materialfülle, von 1948, als die Tschecheslowakei zu einem sowje­ die der Autor präsentiert, einschließlich der Auffüh• tischen Satellitenstaat wurde, bis zum Fall der Berli­ rung sämtlicher Hörspielsendedaten, auch die der ner Mauer 1989 zu analysieren. Er will zeigen, wie nichtbehandelten Sender Radio Bremen, Deutsch­ Individuen, Gruppen, manchmal sogar die gesamte landsender und RIAS im Anhang. Nicht ganz einsich­ Bevölkerung dank der westlichen, aber auch der na­ tig ist allerdings, warum das Bremer Hörspielpro• tionalen Medien sich von ihrer Angst befreiten , wie gramm keiner detaillierten Analyse wert schien, einen wieder eine öffentliche Meinung entstand, die sich Sonderstatus wie Deutschlandsender und RIAS be­ dem Regime widersetzte, es zeitweise bedrohte und saß es nicht und hätte gerade durch seine Lage als schließlich zur Selbstauflösung brachte. amerikanische Enklave in der britischen Zone, in der Das Buch gliedert sich in drei große Komplexe. Im Nähe des Nordwestdeutschen Rundfunks, durchaus ersten Teil stellt Semelin die Akteure dies- und jen­ Interesse beanspruchen können. Am Gesamturteil seits des Eisernen Vorhangs dar. Bei den westlichen hätte das jedoch nichts geändert, ebensowenig wie Auslandssendern unterscheidet er zutreffend zwi­ der Hinweis, daß sich entgegen Wagners Annahme, schen den »Vertretungssendern« Voice of America. daß sich lediglich ein Brief zu Ernst Schnabels Hör• Radio France Internationale, BBC und Deutsche spiel »Der 29. Januar« erhalten habe (S . 249, Anm . Welle, die die im Ausland lebenden Mitbürger mit 107) , ein ganzer Ordner mit Originalzuschriften im dem Heimatland verbinden, aber auch die Interessen Norddeutschen Rundfunk befindet,6 der durchaus und Werte des Staates. den sie vertreten, bei einer Zweifel daran aufkommen lassen kann, daß Schnabel breiteren Hörerschaft verbreiten sollen - wobei noch die Hörerbriefe »wortgetreu« verwandte. klarer zu unterscheiden wäre zwischen den Sendern, Doch das sind Kleinigkeiten in einer Studie, die die Sprachrohr des sie finanzierenden Staates sind , als grundlegend gelten kann, was Rundfunk- wie und denjenigen, die auf ihre Unabhängigkeit achten -, Hörspielgeschichtsschreibung angeht. und den »Ersatzsendern« RIAS Berlin, Radio Free Wolfram Wessels, Mannheim Europe und Radio Liberty, deren Zweck es war, ein Alternativprogramm zur kommunistischen Propagan­ Vgl. Axel Eggebrecht Der halbe Weg . Zwi­ da anzubieten und potentielle Widerstandsbewegun­ schenbilanz einer Epoche. Reinbek 1981 ; ders.: gen zu fördern . Trotz dieses Statusunterschieds be­ Meine Umwege zum Rundfunk. NDR 17.9.1973. trieben beide Sendertypen durchgängig eine Medien­ Peter von Zahn: Stimme der ersten Stunde. Erin­ intervention im Osten. Für die Empfängerseite erläu• nerungen 1913-1951 . Stuttgart 1991 . Peter tert der Autor, wie die kommunistischen Regierungen Bamm : Eines Menschen Zeit. Zürich 1972. den Empfang der westlichen Sender erschwert ha­ ben, über welche Mitttel diese Sender verfügten, um 2 Vgl. Richard Kolb Das Horoskop des Hörspiels. Informationen über ihre gezwungenermaßen schwei­ Berlin 1932. genden Hörer zu erhalten und schließlich, was die 3 Richard Kolb Das Wort als zeugende Kraft im Hörer von ihnen erwarteten. Bis Stalins Tod galten Hörspiel. in Bayerische Radio-Zeitung Jg . 7 Voice of America, die BBC und Radio Free Europe - (1 930) Nr46. S 1, 3. wie auch RIAS Berlin - als die einzige freie lnformati- Rezensionen 159 onsquelle. Danach entwickelte sich in manchen Län• nen Rundfunks waren die Fürsprecher des sich im dern allmählich wieder eine öffentliche Meinung. ganzen Land entwickelnden Widerstands . ln Danzig Im zweiten und dritten Teil des Buches befaßt verzichteten die Streikenden sogar darauf. auf der sich Semelin vergleichend mit fünf Krisen, die die Straße zu demonstrieren, und bemächtigten sich Staaten des Warschauer Pakts erschütterten und bei stattdessen des werfteigenen Lautsprechersystems. denen die wiedererstandene interne Kommunikation um darüber ihren Forderungen Nachdruck zu verlei­ ein entscheidender Faktor war, nämlich dem Auf­ hen und die Verhandlungen mit der Werftleitung live stand vom 17. Juni 1953 in Berlin und Ostdeutsch­ zu übertragen. Schließlich versuchten die DDR­ land, dem Aufstand in Ungarn 1956, dem Prager Bürger, die 1989 das Land verlassen wollten, nicht Frühling bzw. dessen Niederschlagung 1968, dem einmal , zu demonstrieren, sondern sie flohen, wäh• Danziger Werftenstreik und der Gründung der Ge­ rend die bundesdeutschen Kameras direkt übertru• werkschaft Solidarnase in Polen 1980 sowie dem Fall gen. der Berliner Mauer 1989. Er untersucht zum einen, Insgesamt ist ein informatives Buch entstanden. welche Rolle die ausländischen Hörfunk- bzw. Fern­ das sich auf Gespräche mit Zeitzeugen und erst sehsender damals spielten, zum anderen, welche kürzlich zugänglich gewordene Quellen stützt und Bedeutung die audiovisuellen Medien im Widerstand­ nicht zuletzt wegen seiner klaren Sprache spannend sprozeß überhaupt hatten. zu lesen ist. Zwar ist in Deutschland eher als in Die drei ersten Krisen sind ohne aktive Beteili­ Frankreich bekannt, inwieweit die westdeutschen gung der westlichen Medien verlaufen: 1953 weigerte Rundfunkanstalten sowohl lang- als auch kurzfristig sich z. B. RIAS Berlin, die Streikenden an die Mikro­ zur Destabilisierung der DDR beigetragen haben; phone zu lassen. Besonders hervorzuheben ist die darüber hinaus wurde z. B. die Rolle von RIAS Berlin Analyse der Rolle von Radio Free Europe bei der un­ 1953 und von Radio Free Europe 1956 bereits in ei­ garischen Tragödie 1956: Gleich nach der militäri• nem 1977 erschienenen Buch3 skizziert. Meines schen Niederschlagung des Aufstands war Radio Wissens handelt es sich aber bei Semelins Werk um Free Europe vorgeworfen worden , zum Kampf gegen die erste länderübergreifende Darstellung der Rolle die sowjetischen Truppen aufgerufen und bei vielen der audiovisuellen Medien von den Volksaufständen Ungarn die Hoffnung geweckt zu haben, sie würden in den 50er Jahren bis zur Auflösung des Ostblocks von den westlichen Ländern Unterstützung erhalten; 1989. Eine baldige Übersetzung ins Deutsche ist also indem Semelin den Aufstand in den damaligen inter­ allen nichtfranzösischsprachigen Lesern dringend zu nationalen Kontext stellt, zeigt er aber, daß der Sen­ wünschen. der eigentlich nur die Widersprüche der Politik der Muriel Favre, Frankfurt am Main I Paris Vereinigten Staaten widergespiegelt hat, die in den Jahren zuvor immer wieder gegen den wachsenden Hier zitiert nach der deutschen Ausgabe: Timothy Einfluß der Sowjetunion auf Osteuropa protestiert Garton Ash: Ein Jahrhundert wird abgewählt. Aus hatten, ohne in Wirklichkeit intervenieren zu wollen . den Zentren Mitteleuropas 1980 - 1990. München Bei den beiden letzten Krisen haben die Westmedien 1990, S. 458f. eine bedeutende Rolle gespielt: Der Danziger Streik 2 Vgl. Jacques Semelin: Sans armes face Hitler. wurde u. a. dadurch erfolgreich, daß ausländische, a La resistance civile en Europe ( 1939-1943). Paris bei den Werften anwesende Journalisten ihn in ein 1989 und ders. (Hrsg.): Quand les dictatures se Weltereignis umgewandelt haben. Welche Wirkungen fissurent... Resistances civiles I'Est et au Sud . die westlichen Hörfunk- und Fernsehstationen mit ih­ a Paris 1995. ren hohen Einschaltquoten in der DDR hervorriefen und wie Hanns-Joachim Friedrichs am 9. November 3 Vgl. Willi A. Boelcke: Die Macht des Radios. 1989 in den Tagesthemen die Öffnung der DDR­ Weltpolitik und Auslandsrundfunk 1924 - 1976. Grenze verkündete und damit unzählige Berliner zur Frankfurt am Main 1977. Bornholmer Straße lockte, ist bekannt (dabei hat sich eine einzige Ungenauigkeit eingeschlichen, nämlich daß Karl Eduard von Schnitzler Karl von Schnitzler Gerald Diesener I RainerGries (Hrsg.) genannt wird). Propaganda in Deutschland. ln früheren Studien hat sich Semelin mit den zivi­ Zur Geschichte der politischen len Widerstandsbewegungen im von den Nationalso­ Massenbeeinflussung im 20. Jahrhundert. zialisten beherrschten Europa während des Zweiten Darmstadt Primus Verlag 1996, 288 Seiten. Weltkriegs und im kommunistischen Osteuropa nach dem Krieg befaßt.2 Das ermöglicht ihm nun, den An­ Erstaunlicherweise hat die wissenschaftliche Be­ teil des Rundfunks am Widerstand anschaulich zu schäftigung mit politischer Propaganda im Zeitalter machen und dadurch einen Teil der Geschichte der elektronischer Medien bisher wenig Aufmerksamkeit Staaten des Warschauer Pakts neu zu beleuchten. gefunden. Es ist deshalb der Deutschen Forschungs­ Nach Semelins Meinung wandelten sich die Metho­ gemeinschaft zu danken, daß sie den beiden Heraus­ den des Widerstands von unkentreliierten gewaltsa­ gebern des hier vorzustellenden Sammelbandes, men Krawallen in nicht-provokatorische, um Medien­ Gerald Diesener und Rainer Gries, die Möglichkeit nutzung zentrierte Aktionen: ln Ungarn waren die re­ einräumte, sich diesem Desiderat zuzuwenden . gionalen Freiheitssender nur eine Form des Wider­ 15 in- und ausländische Autoren beschäftigen stands unter vielen anderen wie Plakaten oder Stra­ sich einschließlich der Herausgeber mit 16 einzelnen ßenkämpfen ln der Tschecheslowakei fand der Aspekten der deutschen Propagandageschichte. Die Kampf weniger auf der Straße als im Äther statt; die Schwerpunkte liegen dabei in der politischen Mas­ Journalisten des nationalen, Dubcek treu gebliebe- senbeeinflussung während der nationalsozialisti- 160 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

sehen Diktatur sowie in der DDR. Eingeleitet wird die zumindest formal den Arbeitsalltag in den DDR­ Publikation mit einem Aufsatz, der sich mit der Ent­ Betrieben bestimmte. Von daher wäre es für das stehung der Propaganda im deutschen Liberalismus Verständnis der hier vorliegenden Ausführungen während des 19. Jahrhunderts befaßt. Im letzten Teil sinnvoll gewesen, die Rolle des Parteitages innerhalb werden Aspekte der Propaganda in der Bundesre­ der DDR-Geschichte genauer zu beschreiben und die publik dargestellt. Quellen intensiver heranzuziehen. Letzteres bezieht Traditionell wird das nationalsozialistische Herr­ sich etwa auf DDR-Dissertationen, die zu diesem schaftssystem mit einer weitgehend perfekten Propa­ Thema bereits existieren und - wenn auch unter ei­ ganda unter der Leitung von Goebbels gleichgesetzt. nem sehr beschränkten Blickwinkel - auch einige Bilder von Aufmärschen und Fackelzügen sowie das Hintergrundinformationen liefern, die beim Autor feh­ »product placement« des Hakenkreuzes waren nicht len. Dazu zählt nicht nur der verstärkte Aufbau der nur für die Zeitgenossen charakteristische ästheti• Grundlagenindustrie, sondern vor allem auch die sche Elemente des Dritten Reichs. auch heute be­ Kehrseite des Beschlusses, die Investitionen für die gegnen sie uns immer wieder in Filmen und Büchern Konsumgüterproduktion weitgehend zurückzufahren, über die Zeit nach 1933. Randall L. Blytwerk stellt der die beschriebene Kampagne wesentlich galt. ln­ dieses traditionelle Verständnis nicht in Frage, zeigt sofern wurde mit dem Aufruf zur besseren Qualität aber am Beispiel der nationalsozialistischen Ver­ der Erzeugnisse zum Teil auch versucht, über die sammlungspraxis vor 1933 die Schwierigkeiten der ideologische Einflußnahme den Mangel an finanziel­ nationalsozialistischen Parteiführung, die Propagan­ len Ressourcen auszugleichen. Eine Auswertung der damaschinerie aufzubauen. Er kommt zu dem Aktenbestände des FDGB und seiner Einzelgewerk­ Schluß, daß sich das Rednersystem nicht planmäßig schaften, die formal für die Durchführung der Produk­ entwickelte. sondern »eher das Ergebnis von prakti­ tionspropaganda zuständig waren, hätte sicher noch schen Problemlösungen« war, das trotz seiner Män• weitere Zusammenhänge zwischen der ökonomi• gel funktionierte. Die professionellen Strategien der schen Lage der DDR und dem Aufruf zum sozialisti­ visuellen Kommunikation deckt die Arbeit von Sabine schen Wettbewerb verdeutlicht. Zu fragen wäre etwa , Behrenbeck über Hitler als politischen Markenartikel ob die starke Reduzierung des Wohnungsbaus nach auf. Sie beschreibt in ihrem Beitrag die planmäßige dem V. Parteitag - die Baukapazitäten wurden vor Umsetzung einer der jeweiligen politischen Situation allem für industrielle Großprojekte benötigt - sich auf angepaßten Vermarktungsstrategie des Führers vor die Kampagne auswirkte oder nicht. und nach 1933. Von den unübersehbaren Schwächen im Detail Die Artikel zur Propaganda der DDR und die Ant­ abgesehen, regt das Buch durch die angeführten wort der Bundesrepublik spiegeln ein Stück deutsche Beispiele an , über die ideologische Beeinflussung im Nachkriegsgeschichte unter den Bedingungen des 20. Jahrhundert intensiver als bisher nachzudenken. Kalten Krieges. deren Qualität unterschiedlich ist. Insofern ist es ein wichtiger Beitrag für diese Facette Diesener beleuchtet in seinem Beitrag das fünfteilige der Geschichtswissenschaft. Fernsehepos >»Krupp und Krause<. Eine deutsche Wolfgang Mühi-Benninghaus. Berlin TV-Geschichte«, das Ende der 60er Jahre vom Deut­ schen Fernsehfunk mehrfach ausgestrahlt wurde. Nach einer insgesamt sehr ansprechenden Darstel­ Siegtried J. Schmidt I Brigitte Spieß lung unterschiedlicher Aspekte des Fernsehfilms ist Die Kommerzialisierung der Kommunikation. lediglich der Schluß etwas plakativ geraten. Dort wird Fernsehwerbung und sozialer Wandel1956-1989. dem Leser suggeriert, die Beziehungen des DDR­ Frankfurt am Main : Suhrkamp Taschenbuch Verlag Außenhandels zur Essener Firma Krupp habe die 1997, 381 Seiten . weitere Ausstrahlung des Films verhindert. Die ei­ gentlichen Gründe liegen jedoch tiefer. Fernsehepen Daß Werbung zugleich Abbild und Vorbild gesell­ dieser Art waren in den 60er Jahren mehrfach pro­ schaftlicher Phänomene und Prozesse sein könne. duziert worden - neben dem hier vorgestellte Film daß Werbung kollektives Lebensgefühl produziere beispielsweise »Wege übers Land« . Auf die Drehbü• und zugleich reproduziere, wie der Augsburger Psy­ cher dieser Filme hatte Ulbricht. der sich bereits mit chologe Hans A. Hartmann schrieb. dürfte nicht nur seiner mehrbändigen »Geschichte der deutschen Ar­ bei den Medienwissenschaftlern. sondern mittlerweile beiterbewegung« auch als »Historiker« profiliert hat­ auch in anderen sozial- und geisteswissenschaftli­ te, intensiv Einfluß genommen. Honecker aber bevor­ chen Disziplinen weithin akzeptiert sein. Wenn es al­ zugte eine andere Art der Geschichtsaufarbeitung so eine »Beziehung« zwischen »Werbung« und durch das DDR-Fernsehen. Insofern war die Kontakt­ »Gesellschaft« gab und gibt, die überdies durchaus aufnahme zu Krupp sicher nicht der einzige Grund, nicht als eine kommunikative Einbahnstraße zu be­ »Krupp und Krause« nicht zu wiederholen . schreiben ist, so könnte man flugs weiter formulieren. Eine etwas genauere Analyse hätte ich mir im kommt es nur noch darauf an. das Regelwerk dieser Beitrag von Rainer Gries >»Meine Hand für mein Pro­ Interaktionen aufzudecken, zu systematisieren und dukt< . Zur Produktionspropaganda in der DDR nach schließlich zu instrumentalisieren. Dies nicht nur. um dem V Parteitag des SED« gewünscht. Sicher ist es zu Aussagen über das »Teilsystem Werbung« im schwierig , in einem Aufsatz das Besondere von Pro­ Beziehungsgeflecht übergeordneter und gleichgeord­ duktionspropaganda nach dem V. Parteitag heraus­ neter Sozialsysteme gelangen zu können. sondern zuarbeiten . da diese in verschiedenen Formen im auch . um auf dem Umweg über das eine Aussagen Zeitraum zwischen der Rekordschicht von Adolf Hen­ über das andere »System« machen zu können. necke 1948 und dem Wettbewerbsaufruf zum nicht Wenn »Werbung« als »Spiegelbild« und »Resonanz­ mehr stattgefundenen XII. Parteitag der SED 1990 körper« fungiert. kann die Wissenschaft sich werbli- Rezensionen 161 ehe Äußerungen zu Nutze machen. Und das gilt nicht Themengeschichte der Werbung aufgreift und kom­ nur für die Gegenwart: auch für die Geschichtswis­ primiert, bildet regelmäßig den Übergang zu einem senschaft können Werbeproduktionen hervorragen­ abschließenden Beitrag, in welchem ausgewählte den Quellenwert gewinnen. Werbefilme dargestellt und kurz analysiert werden . Der Grundthese, »daß Werbung als erfolgsorien­ Leider sind es dann nur jeweils eine Handvoll Spot­ tierte ökonomische Unternehmung immer im gesell­ Beispiele, die ein ganzes Jahrzehnt repräsentieren schaftlichen Trend liegen muß, um die Aufmerksam­ sollen und die hier aufgrund eines gut nachvollzieh­ keit möglichst vieler Kunden zu treffen«, »daß Wer­ baren »Beobachtungsrasters« und Bewertungssche­ bung sehr rasch und genau gesellschaftliche Entwick­ mas in die Kategorien »Mainstream«, »Trendsetter« lungen aufgreifen und unter den Bedingungen verar­ und »Exoten« eingeordnet werden (S. 152ft.). Die beiten muß, die für ihre Ziele wichtig scheinen« , ist Auswahl der Beispiele basiert auf den Beständen des also voll und ganz zuzustimmen. Mit anderen Worten : Forschungsprojektes, während sich die Bewertung »Werbung ist notwendig eng eingebunden in den ge­ »auch auf das Urteil erfahrener Persönlichkeiten der sellschaftlichen Wandel und spielt eine wichtige Rolle Werbebranche« stützt (S . 1OSf .) - eine methodisch in bzw. für diesen Wandel, das heißt sie kann als nicht unproblematische Vorgehensweise. Faktor wie als Indikator gesellschaftlicher Entwick­ Die vorgestellten Ergebnisse zeitigen zumindest lungen« beobachtet werden (S . 32f.). Die Probleme hinsichtlich der gesellschaftlichen lmplikationen der freilich beginnen spätestens mit der Erarbeitung des Werbebotschaften keine Überraschungen, sondern methodischen Rüstzeuges, um valide Zugriffe auf das bestätigen Charakterisierungen, die bereits aus der Regelwerk, auf Strukturen und Produktionen der Analyse von Printwerbung destilliert worden waren Werbebranche zwischen Kommerz und Kommunika­ (S . 160): Die Werbespots der 50er Jahre, so die Au­ tion ermöglichen zu können . toren, transportierten das Normen- und Wertesystem Der hier anzuzeigende Band unternimmt den der Adenauer-Ära; »Politik, soziale Probleme und die ausgreifenden Versuch , zunächst zentrale Elemente Schattenseiten der primär auf ökonomische Erfolge des Sozialsystems Werbung (S . 35-52) herauszuar­ abgestellten Modernisierung der Gesellschaft wurden beiten , sodann das Für und Wider der von den Auto­ konsequent ausgeblendet« (S . 170). Die 60er Jahre ren gewählten großen Beobachtungsparadigmen bringen Bewegung in die Gesellschaft und die be­ »Moderne« versus »Postmoderne« zu diskutieren (S . kannten Symbolfiguren auf die Mattscheibe: schon 53-104), um schließlich die Entwicklung der Fern­ früh Frau Antje aus Holland (1961), Käpfn lglo und sehwerbung in der Bundesrepublik nachzuzeichnen Tante Tilly (1966) und die längst reanimierte Klemen­ (S 105-347). Überdies werden die sogenannte Krise tine von Ariel (1968) (S. 229) , nicht zu vergessen der Werbung in den 90er Jahren und die Zukunftsop­ natürlich die Nonnen im Afri-Cola-Rausch von Char­ tionen der Werbung thematisiert (S. 9-34 und S. 358- les Wilp (1969) (S . 222f.). Gleichwohl habe die soge­ 361) . Der Bogen ist also weit gespannt. Die Publikati­ nannte 68er Revolution in der Werbung nicht stattge­ on versteht sich als abschließender Bestandteil einer funden, denn die ausblendende Werbung zeichne Trilogie, welche die Arbeitsergebnisse des For­ eben »nur Fortschrittsgeschichten der Modernisie­ schungsprojektes »Der kommerzielle deutsche TV­ rung« auf (S . 234) . Bis 1970 war die Bundesrepubli k Werbespot als Indikator sozialen Wandels« präsen• zum zweitgrößten Werbemarkt der Weit avanciert: tiert.1 Das Projekt war von der Deutschen For­ »Lebensgefühl, Selbstinszenierung, emotionaler schungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des an der Mehrwert des Produkts: Das neue soziale Klima Universität-Gesamthochschule Siegen installierten schlug sich in den qualitativ verbesserten Spots der Sonderforschungsbereiches »Ästhetik, Pragmatik und 70er Jahre nieder, die auf Emotionalisierung ( ... ), Geschichte der Bildschirmmedien« mit dem Schwer­ prägnante Ideen und humorvolle bis maßlos übertrei­ punkt zur Geschichte des Fernsehens in der Bundes­ bende Geschichten setzten. Information und die republik Deutschland gefördert worden. Überzeugung der mündigen Verbraucher traten an Wenn man das mehr als 200 Seiten umfassende die Stelle von Belehrung und Überredung« (S . 281 ). Hauptkapitel des Werkes überblickt, das dem Leser ln den 80er Jahren werde in vielfältigen, fast unüber• die Entwicklung der Fernsehwerbung über nahezu schaubaren Formen die Entfaltung der »Multioptions­ vier Jahrzehnte bundesdeutscher Geschichte nahe­ gesellschaft mit extrem diversifizierten Konsumbe­ bringen möchte, scheint der Bogen des Bandes doch dürfnissen und wachsenden lndividualitätsansprü• nicht nur ausgedehnt, sondern geradezu überdehnt: chen« erzählt; neue Geschlechts- und Rollenbilder Dekadenweise wird der Leser in die allgemeine Ge­ seien zu besichtigen, ebenso wie die Doppeltendenz schichte, in die Geschichte des Fernsehens und in zur Europäisierung wie zur Regionalisierung (S . die Geschichte der Werbespots eingeführt. Für die 345f.). SOer, 60er, 70er und die 80er Jahre werden in jeweils Der Band vermittelt eine theoretisch fundierte, hilf­ eigenen , zusammenfassenden Kapiteln zunächst die reiche Gesamtschau und Gesamtanalyse der Ge­ zentralen Themen der Politik-, der Wirtschafts-, der schichte der Fernsehwerbung in Westdeutschland. Gesellschafts-. der Technik-, der Alltags- und der Es mag freilich paradox klingen , aber bei allem Kulturgeschichte referiert und aufgelistet. Daran Reichtum an Details hätte man sich mehr Details ge­ schließt sich die Darstellung der Technikgeschichte wünscht: Es ist nämlich ein langer Leseweg von der und der Programmgeschichte des Fernsehens an . Aufzählung so vieler Einzelheiten der allgemeinen Die »äußere« Werbegeschichte beschäftigt sich so­ Geschichte bis zur Geschichte der Fernsehwerbung; dann mit den spezifischen Bedingungen des Werbe­ mehr Beispiele hätten einem auch sinnlich nachvoll­ spots in der aktuell behandelten Dekade . Ein kleines ziehbaren Verständnis dieser Werbegattung gutge­ Kapitel , das die jeweiligen »Entwicklungstendenzen« tan . »Die Werbung« findet sich jedoch nicht im Zen­ auch der »inneren «. der Strategie- , Kampagnen- und trum, sondern am Schluß der jeweiligen Dekaden- 162 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Präsentationen wieder, vielfach mutet ihre Vorstel­ Gewährleistung öffentlicher Kommunikation unter lung und Erörterung geradezu wie hinzuaddiert an. veränderten Voraussetzungen. Hinsichtlich der Um­ Rainer Gries, Jena brüche in der Medienordnung des letzten Jahrzehnts formuliert Wolfgang Hoffmann-Riem einige Thesen Bislang sind u.a. erschienen: Siegtried J. Schmidtl zur Relevanz des Rundfunkrechts und des öffentlich• Brigitte Spieß (Hrsg .): Die Geburt der schönen rechtlichen Rundfunks im dualen Medienmarkt Er Bilder. Fernsehwerbung aus der Sicht der Kreati­ fordert eine bessere Abstimmung unterschiedlicher ven (Teil 1) . Opladen 1994. Dieselben (Hrsg.): Rechtsgebiete ein . Werbung, Medien und Kultur (Teil II) . Opladen Im Abschnitt »Medienpädagogik und -psycholo­ 1995. gie« integriert Christian Doelker Strukturierungsprinzi­ pien der Medienpädagogik in ein komplexes Lernsy­ stem, das primär auf eine Stärkung der Medienkom­ Hermann Fünfgeld I Claudia Mast (Hrsg.) petenz abzielt. Jo Groebel interpretiert die neuen Massenkommunikation. Medienangebote Internet, Multimedia sowie Virtual Ergebnisse und Perspektiven. Gerhard Maletzke Reality als erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten zum 75. Geburtstag. für Mediennutzer. Die singulären Medienofferten, in Opladen: Westdeutscher Verlag 1997, 375 Seiten. Technik und Funktion äußerst verschieden. faßt er in ein Schaubild »grundlegender Dimensionen künftiger Der Sammelband, herausgegeben von dem Intendan­ Kommunikation« zusammen. ten des Süddeutschen Rundfunks (SDR), Hermann Der letzte Teil beschäftigt sich mit Entwicklungen Fünfgeld, und der Leiterin des Lehrstuhls für Kom­ in der »Internationalen Kommunikation« . Reinhard munikationswissenschaft und Publizistik an der Uni­ Keune macht grundlegende Veränderungen im Me­ versität (Stuttgart-)Hohenheim, Claudia Mast, ist dem dienbereich von Entwicklungsländern in der letzten renomierten Psychologen und Kommunikationswis­ Dekade aus und gibt Denkanstöße, was Entwick­ senschaftler Gerhard Maletzke, der viele Jahre lang lungsländer bzw. (westliche) Industrieländer zur in Sachen Theorie und Praxis des Rundfunks tätig Schaffung demokratischer Kommunikationsstrukturen war (u .a. als Medienreferent beim SDR), zum 75. Ge­ beitragen können. Richard Dill tritt für ein verstärktes burtstag gewidmet. Die Beiträge reflektieren auf eine Engagement mit und durch Medien beim Zusam­ Reihe von wichtigen Gesichtspunkten des seit den menwachsen der Nationen ein. Ein Anhang mit An­ 60er Jahren von Maletzke im Iransdisziplinären Dis­ gaben zu Person und Werk Gehard Maletzkes be­ kurs wesentlich mitgeprägten Terminus' der »Mas­ schließt den Band. senkommunikation«. Aufs Ganze gesehen zeigt der Sammelband, daß Zunächst werden »Entwicklung und Stand der der Begriff der »Massenkommunikation« im Sinne Medien- und Kommunikationsforschung« geschildert. Maletzkes in seinen zahlreichen Reaktualisierungen Kurt Koszyk gibt einen historischen Überblick über und Adaptionen kaum an Bedeutung und Einfluß die Zeitungskunde bzw. -Wissenschaft in der Weima­ verloren hat. Das Konzept nimmt sich in der ge­ rer Republik. Er zeigt, mit welchen Schwierigkeiten schichtlichen wie auch in der sachlichen Betrachtung der Aufbau eines einheitlichen Faches von der ersten als wandlungs- und ergänzungsfähig aus, was etliche Errichtung eines Instituts bis hin zur lnstrumentalisie­ Beiträge aus den Bereichen der Kommunikationswis­ rung der Wissenschaft durch die Nationalsozialisten senschaft, der Medienwirkungsforschung sowie der verbunden war. Dem folgt eine Darstellung Hans Medienpsychologie unter Beweis stellen . Bohrmanns. der die Entwicklung der Kommunikati­ Die Beiträge befassen sich mit einem breiten onswissenschaft nach 1945 nachzeichnet. Ein Akzent Spektrum des Ansatzes; dabei richtet sich ihr Au­ liegt hierbei auf dem veränderten Verständnis des genmerk nicht nur auf theoretische und methodische. Faches seit Ende der 60er Jahre. sondern auch auf praktische und programmatische Im Kapitel »Kommunikationswissenschaftliche Aspekte. Somit erweist sich der Sammelband als eine Theorie und Forschungen zur Medienpraxis« stellen durchaus aufschlußreiche Bestandsaufnahme der Roland Burkart und Walter Hömberg einige wichtige Massenkommunikation am Ende der 90er Jahre als Anwendungen und Weiterentwicklungen des Maletz­ eines produktiven Prozesses sich ausdifferenzieren­ keschen »Feldschemas der Massenkommunikation« der Erklärungs- und Geltungsansprüche, an dem vor, das insbesondere Wechselbeziehungen des Gerhard Maletzke zweifelsohne großen Anteil hat. Kommunikationsprozesses betont. Im Kontext mit Christian Filk, Köln den entgrenzten Kommunikationsstrukturen der inter­ aktiven, digitalen sowie netzwerkgestützten Medien diskutiert Claudia Mast, ob und inwieweit Konzepte Sabine Jungk (Hrsg.) der Massen- durch die der Individualkommunikation Zwischen Skandal und Routine? ersetzt werden müssen. Michael Schenk analysiert Rechtsextremismus in Film und Fernsehen vorherrschende Wirkungsbegriffe in der Massen­ (= Rechtsradikalismus und Fernsehen, kommunikation . Als bedeutsame Indikatoren der Materialien 111) . »Medienwirkung« nennt er Selektivität, interpersonale Marburg: Schüren Presseverlag 1996, 224 Seiten . Kommunikation und Aktivität (lnvolvement). Ein weiterer Teil untersucht »Politik, Recht und Die Berichterstattung in den Medien - und somit auch Organisation im Medienbereich«. Otfried Jarren und die öffentliche Meinung - folgen überwiegend ober­ Patrick Donges identifizieren vordringliche Probleme flächlich der Ereignishaftigkeit rechstextremistischer der Medienpolitik an der Schwelle zur »Informations­ Gewalt und unterlassen häufig die hintergründige gesellschaft« und präsentieren erste Ansätze zur Aufklärung über deren Ursachen. Die Beiträge des Rezensionen 163

Sammelbandes, herausgegeben von der Germanistin und -fachleute festgestellt hatten, daß Forschung und Sabine Jungk (Adolf-Grimme-lnstitut, Mari) , befassen Lehre in beiden Ländern parallel , aber auch in Un­ sich mit diesem Thema. Der Band geht aus einem kenntnis der Medienweit des jeweiligen Nachbarn vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, verliefen . 1990 hatten Ursula E. Koch, Professorin für Forschung und Technologie geförderten Projekt zu Kommunikationswissenschaften an der Ludwig­ »Rechtsradikalismus und Fernsehen« des Adolf­ Maximilians-Universität in München, und Pierre Al­ Grimme-lnstituts hervor. bert, Medienhistoriker und ehemaliger Leiter des Pa­ Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen riser Institut fran~is de Presse, die Vortragstexte des Journalismus, Regie, Medienwissenschaft, -kritik und ersten deutsch-französischen Medienkolloquiums -pädagogik untersuchen und bewerten in übergrei• herausgebracht, das sich als eine allgemeine Einfüh• fenden Darstellungen bzw. in beispielhaften Studien rung in beide Medienlandschaften verstand, 1992 historische und aktuelle Film- und Fernsehproduktio­ diejenigen des zweiten, das den von den Massen­ nen , die Formen des Rechtsextremismus' problema­ medien beider Länder über das Nachbarland verbrei­ tisieren. Darüber hinaus werden wichtige Gesichts­ teten Klischees gewidmet war.1 Bei der vorliegenden punkte der Medienwirkungsforschung und -pädagogik Publikation, bei dem Detlef Schröter, Leiter des erläutert. Münchner Transferzentrums für Publizistik und Kom­ Die Beiträge gewähren aufschlußreiche Einblicke munikation, und Remy Rieffel, der derzeitige Leiter in die Konzeption, Produktion und Rezeption von des Institut franr;:ais de Presse, mitgewirkt haben , Film- und Fernsehbeiträgen. Sie beschränken sich handelt es sich um die Texte der Vorträge des dritten, nicht darauf, lediglich Trends und Tendenzen in den 1993 in München organisierten Kolloquiums zum journalistischen, dokumentarischen und fiktionalen Thema Hörfunk. Genres und Sujets medien- und gesellschaftskritisch Das zweisprachige Buch vereint 27 Beiträge von zu betrachten, sondern sie lassen zudem die Journa­ Wissenschaftlern und Radiofachleuten. Im ersten Teil listen und Regisseure einzelner Filme sowie Fern­ werden die historischen und gesellschaftlichen sehsendungen selbst zu Wort kommen. Somit wird Grundlagen des Mediums vorgestellt: Ursula E. Koch eine Sichtweise auf das Mediengeschehen, auf per­ und Pierre Albert bieten einen guten Überblick über sönliche Motivationen, Positionen sowie Interessen - die Geschichte des Rundfunks im jeweiligen Land auch hinsichtlich des Publikums - ermöglicht, die an­ von den Anfängen bis heute; die »gesellschaftliche sonsten eher verstellt ist. Die Autorinnen und Autoren Kontrolle des Radios« in Deutschland bzw. in Frank­ erschließen ein breites Spektrum der Film- und Fern­ reich sowie der Rechtsstatus der französischen sehwirklichkeit: angefangen von der Entwicklung des Rundfunkstationen werden von drei weiteren Refe­ Film- und Fernsehdokumentarismus in Ost- und renten (Wolf-Dieter Ring, Roland Faure, Emmanuel Westdeutschland über Dokumentationen. Reportagen Derieux) erörtert. Im zweiten Teil wird die Radiopraxis und tagesaktuelle Berichterstattung bis hin zu Fern­ thematisiert: Remy Rieftel zeichnet die jüngere Ent­ sehspielen , Talkshows und Sportsendungen. wicklung des französischen Radiojournalismus nach; Zu einer Einordnung in umfassendere Zusam­ drei Journalisten (Matthias Holtmann, Henryk menhänge tragen die Übersichtsbeiträge über die Jarczyk, lvan Leva'l) überlegen ihrerseits , welche Berichterstattung zum Rechstextremismus, zur Wir­ Journalisten der heutige Hörfunk braucht bzw. welche kungsforschung, zur Mediennutzung sowie zur prak­ Rolle er im allgemeinen spielen soll. Der dritte Teil gilt tischen und reflektierenden Medienpädagogik bei. den Trends im Programmalltag; neben allgemeinen Alles in allem bietet der Sammelband zahlreiche Hil­ Gedanken über die Entwicklungen in der ARD und festellungen bei der Auseinandersetzung mit dem beim französischen staatlichen Hörfunk (Ernst Em­ Thema Rechtsradikalismus in Film und Fernsehen rich , Claude Norek) werden in kurzen Portraits meh­ und eignet sich insbesondere für die Zwecke der po­ rere Sender vorgestellt: B 5 Aktuell (Wolfgang Aig­ litischen, journalistischen sowie medienpädagogi• ner) , OK-Radio (lngo Borsum) und Deutsche Welle schen Fort- und Weiterbildung. (Dieter Weirich) auf deutscher Radio Dreyeckland Christian Filk, Köln (Christian Laemmel) sowie die staatlichen Lokal- und Überseesender (Jean-Pierre Farkas, Yves Rambeau) auf französischer Seite. ln einem letzten, heteroge­ Ursula E. Koch u.a. (Hrsg.) nen und vom vorigen nicht sehr klar zu unterschei­ Hörfunk in Deutschland und Frankreich I denden Teil werden sowohl die heutigen Trends der La radio en France et en Allemagne. Radioforschung auf beiden Seiten des Rheins und Journalisten und Forscher im Gespräch I deren Ergebnisse hinsichtlich der Radionutzung von Un dialogue entre journalistes et chercheurs. Jugendlichen (Walter Klingler, Fabrice Carlier, Flo­ München: Verlag Reinhard Fischer 1996, 354 Seiten. rence Bazaugour-Chambon) als auch der lokale Hörfunk in Deutschland (Stefan Sutor), die zwei »Wie man hört - und wie Peter Voß es in seinem Rundfunk- bzw. Mediengesellschaften SOFfRAD und Grußwort ins Gedächtnis zurückruft - ( ...) ist das Ver­ CL T (Jean Charron, Herve Rony) und schließlich die hältnis zwischen Frankreich und Deutschland nicht Beziehungen zwischen Presseverlagen bzw. Nach­ ganz frei von Irritationen« (S . 25) . Deswegen sollte richtenagenturen und Hörfunk (Hermann-Dieter jedes Unternehmen gelobt werden, das darauf zielt, Schröder, Michel Mathien, Henri Pigeat) dargestellt. diese Irritationen zu verringern bzw. Mißverständnis• Das Ziel der Herausgeber war es. durch eine se zwischen beiden Ländern auszuräumen. Dies ge­ zweisprachige Dokumentation die Gemeinsamkeiten schieht durch deutsch-französische Medienkolloqui­ und Unterschiede zwischen Frankreich und Deutsch­ en . deren erstes 1989 stattfand, nachdem deutsche land im Hörfunk-, aber auch im kulturellen Bereich und französische Kommunikationswissenschaftler deutlich zu machen. Es ist leider nicht ganz erreicht 164 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

worden. Das Buch enthält nämlich zu ungleichge­ vorliegende Werk durch die Vielfalt der Beiträge zwar wichtige Beiträge: Interessant sind vor allem die wis­ ein gutes, aber eher impressionistisches Bild von senschaftlichen, die ein Thema systematisch unter­ beiden Hörfunklandschaften. Man vermißt über deren suchen (wie die von Ring, Rieftel und Schröder), so­ juristische, wirtschaftliche und soziologische Grund­ wie die meisten Einzeldarstellungen, die zahlreiche lagen einen einleitenden komparativen Überblick - Informationen über Entwicklung, Betrieb und Pro­ den Albert und Koch nur andeuten. Dem unkundigen gramm des jeweiligen Senders liefern. Nicht selten ist Leser wäre daher zunächst eine Einführung in die aber bei den von Fachleuten beigesteuerten Texten französische Medienlandschaft zu empfehlen.3 erst zu bedauern, daß es ihnen an (selbst-)kritischen dann läßt sich dieses Buch mit Gewinn lesen. Analysen mangelt. Faure beschränkt sich beispiels­ Muriel Favre, Frankfurt am Main I Paris weise darauf, die Tätigkeit der Medienaufsichtsbe­ hörde Conseil Superieur de I'Audiovisuel (CSA), der Vgl. Pierre Albert u. a. (Hrsg.): Allemagne- Fran­ er damals zugehört hat, im Hörfunkbereich zu be­ ce, deux paysages mediatiques I Frankreich - schreiben; viel anregender wären Überlegungen über Deutschland, Medien im Vergleich. Frankfurt am die Beziehungen zwischen dem CSA und der Regie­ Main 1990; Ursula E. Koch u. a. (Hrsg.): Deutsch­ rung am Beispiel des Hörfunks gewesen: Ist eine französische Medienbilder I Images mediatiques zentralistische Struktur der Rundfunkkontrolle we­ franco-allemandes. Journalisten und Forscher im sentlich stärker als eine föderalistische Struktur politi­ Gespräch I Un dialogue entre journalistes et cher­ schen Einflüssen ausgesetzt - wie Ring es behauptet cheurs. München 1992. (S . 84)? 2 Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzfor­ Aufmerksamkeit verdienen die Beiträge, in denen schung. die deutsche und die französische Situation vergli­ chen werden , nämlich Bazaugour-Chambons Unter­ 3 Wie z. B. die obengenannten Vortragstexte des suchung der Hörgewohnheiten der deutschen und ersten deutsch-französischen Medienkolloquiums französischen Jugendlichen - die ähnlich sind - und oder das Kapitel über das Rundfunksystem Frank­ Ronys Bericht über »die CL T und RTL aus französi• reichs im vom Hans-Bredow-lnstitut herausgege­ scher und deutscher Sicht«. Frappierend ist bei letz­ benen Internationalen Handbuch für Hörfunk und terem. daß die CL T jenseits des Rheins zwar seit Fernsehen. Jahrzehnten den meistgehörten, eher konservativen Sender RTL betreibt, dieseits aber erst seit Anfang der 90er Jahre z.B. mit RTL Berlin präsent ist. ln pa­ Susanne Poliert rallelen Darstellungen werden die Eigenheiten beider Film- und Fernseharchive. Systeme skizziert. Nicht nur die bekannte gegenteili­ Bewahrung und Erschließung audiovisueller ge Struktur des öffentlich-rechtlichen bzw. staatlichen Quellen in der Bundesrepublik Deutschland Hörfunks (Föderalismus gegen Zentralismus) wird (=Veröffentlichungen des Deutschen Rundfunk­ anschaulich gemacht, sondern auch die sehr unter­ archivs. Bd . 10). schiedlichen Beziehungen zwischen Presseverlagen Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 1996, und kommerziellem Hörfunk: ln Deutschland waren 473 Seiten. die Zeitungsverleger die treibende Kraft bei der Ein­ führung des kommerziellen Rundfunks und noch Susanne Poliert hat am inzwischen abgewickelten heute ist die Kapitalverflechtung in Bundesländern Lehrstuhl für Archivwissenschaft der Humboldt­ wie Sachsen-Anhalt oder Nordrhein-Westfalen be­ Universität die Archivierung der Überlieferung »be­ sonders stark. Im Gegensatz dazu hat die französi• wegter Bilder« - sie spricht aus vielerlei wohlerwoge­ sche regionale Tagespresse die Abschaffung des nen Gründen meist von »Moving Images« (MI) - im staatlichen Rundfunkmonopols bekämpft; ihr Ver­ Rahmen ihrer Dissertation umfassend beschrieben such, sich an lokalen Sendern zu beteiligen, nach­ und analysiert. Oie Arbeit enthält neben ausführlichen dem diese doch genehmigt wurden, ist außerdem zu Begriffsbestimmungen (Teil 2, S. 29ff.) die Vorstel­ einem Fiasko geworden. Weitere nationale Eigen­ lung öffentlicher Filmarchive als Endarchive (Teil 3, tümlichkeiten sind schließlich auf französischer Seite S. 63ff.). Oie Verfasserin behandelt dabei insbeson­ der Starkult um manche Rundfunkjournalisten, die dere die Einrichtungen des Kinemathekenverbundes neben ihrem Radioengagement auch in anderen der (alten) Bundesrepublik und das ehemalige Staat­ Medien als Autoren oder Kommentatoren auftreten, liche Filmarchiv der DDR (jetzt Bundesarchiv/Film­ und auf deutscher Seite die Verbreitung der Pop­ archiv). Sie beschreibt die Arbeitsabläufe und die Service-Programme, ob öffentlich-rechtlich oder pri­ Bestände der Fernseharchive der öffentlich-rechtli• vat. chen Rundfunkanstalten als Produktions- und Zwi­ Es fehlen dennoch einige wesentliche Hinweise schenarchive mit endarchivischer Kompetenz und und Erklärungen. die eine wirklich vergleichende bezieht dabei auch die Bestände des Fernsehens der Lektüre ermöglichen könnten : Daß Mediametrie. das ehemaligen DDR ein, die heute vom Deutschen Thema von Carliers langem Beitrag, das französische Rundfunkarchiv an seinem Berliner Standort betreut Pendant zur GfK2 ist oder daß der von Faure erwähn• werden (Teil 4, S. 133ff.). Anschließend werden die te und in Frankreich selbstverständliche Begriff der für die Erschließung der Überlieferung relevanten »Quotenregelung« in Deutschland undenkbar ist, bzw. wichtigsten »informationswissenschaftlichen hätte man erläutern müssen. Wünschenswert wäre Termini. Methoden und Regelwerke« (Teil 5, S. auch ein Beitrag über die Tätigkeit der 1963 ins Le­ 269ff.) vorgestellt, Ausführungen, die durch einen ben gerufenen deutsch-französischen Hörfunk• umfangreichen Anhang (Teil 7, S.351ff.) mit Regel- Kommission gewesen. Alles in allem vermittelt das Rezensionen 165 werken, Normen, Organigrammen und Erschlie­ anstalten zur Endarchivierung nach der UNESCO­ ßungsbeispielen illustriert und ergänzt werden . Ihre Empfehlung von 1981 keinen rechtsverbindlichen eigene Konzeption einer historisch-archivarischen Charakter hat. Sie birgt damit letzten Endes erhebli­ Erschließung, die mit Recht von einer programmbe­ che Risiken für eine dauerhafte Sicherung der nicht zogen-dokumentarischen zumindest partiell unter­ mehr programmrelevanten Überlieferung. Hier ver­ schieden werden muß, stellt die Verfasserin im Ab­ traut die Autorin allzu blauäugig der von manchen schnitt »Erschließung bewegt-bildlicher Aufzeichnun­ Archivaren der Rundfunkanstalten verbreiteten Rhe­ gen als Quelle« (Teil 6, S. 305ft.) vor. torik, daß alles im Lot sei. Eine dauerhafte Sicherung Die Verfahrens- und Darstellungsweise der Arbeit könnte z.B. durch rundfunkrechtliche Regelungen ist »induktiv-konkret« (S. 22) . Sie beschreibt ausführ• (Verpflichtung zur Archivierung) oder praktisch nicht lich die Entstehung und historische Entwicklung, den mehr rückholbare, sinnvolle Kooperationsverein­ heutigen organisatorischen Aufbau sowie die Ar­ barungen zwischen Rundfunkanstalten, Landesar­ beitsmethodiken von MI aufbewahrenden und er­ chivverwaltungen (denkbar wären z.B. gemeinsame schließenden Einrichtungen. Im Teil 4 hätten die Stiftungen) erreicht werden . Ausführungen wesentlich gestrafft und auf die sich Die Verfasserin versucht auch, eigene Maßstäbe letztlich wiederholenden Grundmuster reduziert wer­ für die Überlieferungssicherung bzw. die Erschlie­ den können . Die für eine ausführliche Behandlung ßung zu entwickeln. Danach sind »aus der Sicht ei­ des Themas erforderlichen film- und fernsehwissen­ ner Historikerin und Archivarin die historisch-archiva­ schaftlichen, geschichtswissenschaftliehen bzw. me­ rische Sicherung bewegt-bildlicher Aufzeichnungen diengeschichtlichen Zugänge sowie die archivfachli­ von einer gegenwartsorientierten bibliothekarischen chen , bibliothekarischen bzw. dokumetarischen Me­ oder dokumentarischen Nutzbarmachung abzugren­ thoden werden umfassend zusammengestellt. Glei­ zen« (S . 22). in der Tat müssen hinsichtlich der Über• ches gilt für die Besonderheiten der »Inhalte«, die lieferungsbildung (z.B bei der Kassation) und vor al­ wesentlich durch die technische Aufzeichnungsappa­ lem der Erschließung für nicht programmbezogene ratur für die Herstellung bewegter Bilder verursacht Zwecke andere Kriterien gewählt werden . Ohne daß sind . Die Verfasserin beschreibt die im Laufe der diese archivfachlichen Fragen hier in extenso behan­ Jahrzehnte entwickelten unterschiedlichen Genres delt werden können, sind dennoch einige Prämissen und die damit zusammenhängenden Rezeptionsfor­ der Verfasserin kritisch zu befragen. Dies betrifft ein­ men in Kino und Fernsehen. Angeschnitten werden mal die Frage der Provenienz. Poliert ist zuzustim­ auch die Probleme der materiellen Überlieferung, d.h. men , daß, anders als bei Schriftgutrecherchen, ein die schwierigen konservatorischen Fragen , die sich Auffinden auch ohne den unilinearen Zugriff über die von der dem Archivar und Historiker vertrauten Provenienz und innerhalb dieser über den Überliefe• schriftlichen Überlieferung (Akten, Bücher oder ande­ rungszusammenhang sinnvoll und häufig auch gar ren schriftlichen Aufzeichnungen) nun einmal erheb­ nicht anders möglich ist. Deshalb sind auf der Ebene lich unterscheiden. Zuzustimmen ist dabei der Fest­ der archivisch-dokumentarischen Nachweise MI stellung , daß die hohen Anforderungen an die Be­ durchaus sinnvoll als Einzeldokumente »beschreib­ treuer von Film- und Fernseharchiven offensichtlich bar« , doch nicht »zunächst auch aus sich selbst her­ dazu beitrugen , daß andere archivfachliche und do­ aus erklärbar- und interpretierbar« (S . 319) . Dazu kumentarische Problemstellungen zurücktreten muß immer der Produktionskontext und damit auch mußten und bisher nicht ausreichend behandelt wur­ der Provenienzzusammenhang (in einem weiten den . Verständnis) herangezogen werden. Die klassisch­ Vorsichtig bis zuweilen unkritisch sind die Urteile historische bzw. -archivische Sicht degradiert die der Verfasserin über die in Deutschland gefundenen Medienüberlieferung meist zur allenfalls illustrieren­ Lösungen zur dauerhaften Sicherung von MI im Ver­ den Ergänzungsdokumentation, weil es bis heute gleich zu den in anderen Ländern geltenden Rege­ nicht gelungen ist, ihren genuinen Quellenwert ge­ lungen. Härter ins Gericht geht sie mit der u.a. durch nauer zu bestimmen. Umgekehrt gewinnt man den den Kulturföderalismus und die Verschränkung mit Eindruck, daß die Verfasserin die mit dem »Produkt« kommerziellen Interessen erzwungenen starken Zer­ in engstem Zusammenhang stehende Kontext­ splitterung der Filmarchivierung in der (alten) Bundes­ überlieferung wie das produktionsbegleitende Schrift­ republik. Unkritisch steht sie dagegen der Situation in gut der die MI herstellenden Einrichtungen allenfalls den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - die als Ergänzungsdokumentation sehen möchte. Die Überlieferung der kommerziellen Fernsehveranstalter spezifischen Produktions- und Distributionsweisen wird von ihr nur gestreift - gegenüber. in der Tat er­ der Filmindustrie, die chaotischen Zeitläufte und die scheint gegenwärtig eine Alleinverantwortung der öf• von der Verfasserin selbst belegte Archivierungspra­ fentlichen Hände für die Rundfunküberlieferung - et­ xis trugen in den vergangenen 100 Jahren in allzu wa im Sinne einer Pflichtabgabe aller oder eines Teils vielen Fällen dazu bei, die Kontextüberlieferungen zu der Eigenproduktionen - angesichts der vor einigen zerstören. Die Folgen lassen sich in jeder seriösen Jahren kaum vorstellbaren Finanznöte von Bund und filmhistorischen Arbeit besichtigen, von der perma­ Ländern weniger praktikabel und sinnvoll denn je. nenten Klage der Autoren über fehlendes Schriftgut Koordination und Kooperation von Produktionsarchi­ einmal abgesehen. Es ist bedauerlich, daß die Not­ ven und Endarchiven. die die nicht mehr oder kaum wendigkeit einer umfassenderen historisch-archivi­ noch programmrelevante Überlieferung zu historisch­ schen Überlieferungsbildung etwa in den öffentlich• archivischen Zwecken sichern, dürften vermutlich die rechtlichen Rundfunkunternehmen, wo Produkt- und effizienteren . weil Synergieeffekte beinhaltenden Lö• Kontextüberlieferung noch vereint sind , nicht weiter sungen sein . Es muß jedoch immer wieder betont thematisiert wird. werden . daß die Selbstverpflichtung der Rundfunk- 166 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Interessant und ein Stück weiterführend . wenn berichten aus der eigenen Anschauung über Latenz . auch nicht ausgereift und damit in ihrem deskriptiven Subtilität und Performanz rassistischer Denk- . Ansatz verharrend . sind die Überlegungen für eine Sprach- sowie Darstellungsmuster. historisch-archivarische Erschließung. Zu Recht zeigt Zunächst gibt der Verfasser eine einführende sie die Grenzen der in den Archiven der Rundfunk­ Übersicht über Vorsatz, Entwicklung. Ausbreitung anstalten fast ausschließlich praktizierten Beschrei­ und Wirkung rassistisch intonierter. konnotierter und bung »anonymer Bildmotive« zum Zweck der Wieder­ motivierter Begriffe, wie »Zigeuner«, »Neger«, »Far­ verwertung auf. Der im historisch-archivischen Kon­ bige«, »Gastarbeiter« usw. Daraufhin porträtiert er text MI betreuende Archivar steht vor der jedoch noch einige in der Bundesrepublik Deutschland arbeitende weitgehend ungelösten Problematik, angesichts un­ Journalistinnen und Journalisten, die einen Teilaus­ klarer Nutzungsanforderungen eine sowohl objekti­ schnitt der hier lebenden immigrierten bzw. traditio­ vierende wie auch die gegebene Komplexität eines nellen Minderheiten repräsentieren . Nach Maßgabe MI-Dokuments erfassende Beschreibung vorzuneh­ ihres Werdegangs, ihrer Erfahrungen und Feststel­ men . und dies mit einem in jedem Fall geringeren lungen gewähren die befragten Moderatorinnen und Aufwand als in den Produktionsarchiven. Die Verfas­ Moderatoren, Redakteurinnen und Redakteure - Ay­ serio sieht die Lösung in einem indikativ-infor­ sim Alpman (WDR), Cherno Jobatey (ZDF), Judith mierenden Referat, das »die sach- und bildthemati­ Hart (>Allgemeine Jüdische Wochenzeitung<), Man­ schen Komponenten ( ... ) so umfassend« beschreibt, fred Ladus (>Serbske Nowiny<) und Bjarne Lonborg »daß auf eine Ansicht verzichtet werden kann .« (>Fiensborg Avis<) - bemerkenswerte Einsichten in (S.334f.). Wie dies im Zusammenhang mit dem oh­ den Problemkreis Medien, Minoritäten und Rassis­ nehin meist erheblichen Aufwand zur Erhebung for­ mus. ln einem eigenen Beitrag erläutert Romani Ro­ ma ler und technischer Daten . die zur effizienten Do­ se , Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und kumentenverwaltung angesichts der technischen Roma , von seiner Warte aus diskreditierende und bzw. materiellen Gegebenheiten und für eine eindeu­ diskriminierende Tendenzen in den Medien. tige ldentifzierung notwendig sind (S . 343). zu leisten Sodann erfolgt ein transkontinentaler Perspekti­ wäre . bleibt jedoch unerörtert. venwechsel: Ein Seitenblick auf die Diskussion der Edgar Lersch , Stuttgart letzten Jahre in den USA zeigt, so die Auffassung Kochs , daß Deutschland erst ganz am Anfang einer (offenen) Auseinandersetzung um Alltag , Medien und Ralf Koch Rassismus steht, weshalb vom Beispiel der Vereinig­ »Medien mögen's weiß«: Rassismus ten Staaten durchaus zu lernen sei . ln den weiteren im Nachrichtengeschäft Ausführungen geht es um die Lebensgeschichten. Erfahrungen von Journalisten in Deutschland Wahrnehmungen und Eindrücke von US-amerikani­ und den USA. schen Journalistinnen und Journalisten, namentlich München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1996, von : Dorothy Gilliam (>The Washington Post<) , Gilbert 277 Seiten . Baiion (>The Dallas Morning News<), Dinah Eng (>Gannett News ServiceUSA-Today<) und Tim Gia­ Formen des Rassismus - in einem weitgefaßten Sin­ go (>Indian Country Today<) . Diese Medienvertrete­ ne - sind überall dort anzutreffen, wo über Generatio­ rinnen und -Vertreter beschäftigen sich - als Angehö• nen hinweg stereotyp Minderheiten ob ihrer vorgebli­ rige der vier großen Minority Groups: als Schwarze, chen Andersheil und Fremdheit stigmatisiert werden. als US-Amerikaner hispanischer, asiatischer und in­ Die in Deutschland verbreiteten Rassismen sind im dianischer Herkunft - seit langem sehr genau mit Vergleich zu denen in Westeuropa und den USA auf­ Rassismus in und von Medien . grund des ethnischen und kulturellen Genozids unter Der Band »Medien mögen's weiß« ist in mehrerer der Diktatur der Nationalsozialisten als besondere Hinsicht von trauriger Aktualität: Koch dokumentiert in anzusehen. Auch im wiedervereinten Deutschland seinen Porträts, wieweit das Spektrum der Formen der 90er Jahre dürfen rassistische Gefahren als nicht des Rassismus im Alltag und in den Medien zu fas­ gering erachtet werden. Diesen Sachverhalt verdeut­ sen ist. Er vermag subtile Techniken wie die Verwen­ licht - einmal mehr - eine jüngst erschienene Veröf• dung von Kollektivsymbolik, von Vorurteils- und Ste­ fentlichung. reotypenbildung zur Stigmatisierung von Migranten, ln seiner narrativ gehaltenen, komparatistisch an­ Asylbewerbern und Andersdenkenden in der Bericht­ gelegten Studie »Medien mögen's weiß« untersucht erstattung der AV-Medien, in Leitartikeln und Doku­ der Hamburger Autor Ralf Koch den Rassismus im mentationen herauszustellen. Zudem tragen die Aus­ alltäglichen Medienbusiness, beispielhaft nachge­ sagen der interviewten Journalistinnen und Journali­ zeichnet anhand der Erfahrungen von Journalistinnen sten dazu bei, die sprachlichen Mittel der alltäglichen und Journalisten in Deutschland und den Vereinigten medialen Diskriminierung auszuwerten und in ent­ Staaten. Unter Rassismus versteht der Verfasser: sprechende Diskurskontexte zu verorten. »Denkmuster und Haltungen. durch die >Fremde< als Bei dem Versuch einer Einerdung der Rassismen genetisch und/oder kulturell als abweichend wahrge­ in größere Zusammenhänge zeigt sich, daß die gän• nommen werden . diese Abweichung als negativ an­ gigen Kriterien zur Abgrenzung der einzelnen rassi­ gesehen wird , wobei dies aus einer Position der stisch geprägten Diskurse wesentlich genauer zu Macht geschieht. die dazu befähigt, diese negative fassen sind. um zu zuverlässigeren Aussagen zu Einschätzung auch in Gestalt von ausgrenzenden Alltag, Medien und Rassismus kommen zu können . und diskriminierenden Handlungen zu artikulieren« Aber auch hier geben sich der Verfasser. seine Ge­ (S 253) Die von Koch vorgestellten Journalistinnen sprächspartnerinnen und -partner zu Recht keinen und Journalisten . selbst Angehörige von Minoritäten. falschen Illusionen hin: Es gibt, so trival es immer Rezensionen 167

wieder klingen mag. keine Patentrezepte zur Über• stattfand und bei der neben Experimenten mit windung und ZurückdrängunQ des Rassismus in All­ Schallplatten auch das Hörspiel eine Rolle spielte. tags- und Mediendiskursen. Immerhin werden einige vor den Augen der Beobachter unter den Kriterien , konstruktive Vorschläge unterbreitet, wie sich jeder in unter denen sie angetreten waren, das Rundfunkgen­ seinem eigenen Wahrnehmungs- und Lebenskontext re aber keine Gnade fand . Im »Schatten des Haken­ in Sachen Rassismus sensibilisieren und engagieren kreuzes« , so der Titel eines Buchkapitels. wird die kann. gerade - dies betont Koch - vor dem Hinter­ Donaueschinger Festivaltradition 1934 wieder aufge­ grund einer multikulturellen Gesellschaft. nommen und bis 1939 fortgesetzt - jedoch unter völlig Es bleibt mithin die - sehr bescheidene - Hoff­ anderen Vorzeichen, wie das erste Konzert geradezu nung, daß sich aus vielen kleinen Aktionen und Maß• programmatisch anklingen läßt: »Zwei Marschlieder nahmen eine vierte Gewalt gegen Rassismus und mit Instrumenten für die HJ« . Diskriminierung und für Toleranz und Solidarität for­ Mitte 1946 fand das erste Donaueschinger Nach­ miert. Die Beispiele Ralf Kochs zeigen, daß am Ende kriegswachenende mit zeitgenössischer Musik statt. nicht alle Mühe umsonst gewesen sein muß. Wenige Wochen zuvor war der Initiator der ersten Christian Filk, Köln Kammermusikaufführungen von 1921 , Heinrich Bur­ kard, als Chef der Musikabteilung beim Berliner Rundfunk eingestellt worden - zur Wochenendtagung Josef Häusler konnte er wegen Passierscheinschwierigkeiten je­ Spiegel der Neuen Musik: Donaueschingen. doch nicht kommen. 1948 wechselte Burkard als Chronik- Tendenzen- Werkbesprechungen . Musikchef zu Radio Stuttgart und empfahl 1950 kurz Kassel: Bärenreiter; Stuttgart/VVeimar: Metzler 1996, vor seinem Tod , Verbindung mit dem Südwestfunk 495 Seiten. aufzunehmen. Damit waren die Weichen für einen Neuanfang in Donaueschingen gestellt, und es be­ Nur etwas mehr als zwei Jahre jünger als die Donau­ gann eine intensive Zusammenarbeit vor allem mit eschinger Musiktage ist der Rundfunk. Wie eng die Heinrich Strobel, dem selbstbewußten Musikchef des Beziehungen in deren mehr als 70jähriger (gemeinsa­ Südwestfunks, dem Dirigenten Hans Rosbaud . dem mer) Geschichte waren, macht das opulente Werk Chef des seit 1948 im Aufbau befindlichen Sinfonie­ von Josef Häusler deutlich. An vielen Stellen seines orchesters des Südwestfunks, und nicht zuletzt mit mit großer Sachkenntnis geschriebenen Buches wird Intendant Friedrich Bischof, der seine beiden Mitar­ dies offenbar. 1921 als »Donaueschinger Kammer­ beiter großzügig gewähren ließ. Wie eng die Verbin­ musikaufführungen zur Förderung zeitgenössischer dung zum Südwestfunk waren und sind, unterstrei­ Tonkunst« gegründet und vom Hause Fürstenberg chen außerdem zwei Essays, einer von Joachim­ gefördert, engagierte sich schon Ende der 20er Jahre Ernst Berendt, dem langjährigen Leiter der Jazz­ der Rundfunk bei der Ausrichtung des Festivals. Zwar Redaktion dieser Rundfunkanstalt über »Jazz und nicht bei den ersten Kammermusikaufführungen von Donaueschingen 1954-1994. Versuch eines Rück­ 1921 bis 1926 in Donaueschingen selbst. aber bei blicks« , und einer von Hermann Naber, dem Hör­ deren Fortsetzung von 1927 bis 1929 in Baden­ spielchef, über »Musik als Hörspiel - Hörspiel als Baden , vor allem 1929, als die Reichs-Rundfunk-Ge­ Musik. Akustische Spielformen und der Kari-Sczuka­ sellschaft einen Wettbewerb zur »Originalkomposition Preis«. für den Rundfunk« ausgeschrieben hatte und dar­ Die Donaueschinger Festivals haben ohne Zwei­ aufhin das Hörspiel von Bert Brecht »Der Lind­ fel Musikgeschichte geschrieben. haben jungen Ta­ berghflug« mit der Vertonung von Paul Hindemith und lenten zu ersten Auftritten verholfen und Neuerungen Kurt Weill uraufgeführt wurde: einmal wurde das angestoßen oder bereits anderswo Erdachtem ein Stück per Kabel aus dem Studio übertragen, am Tag breiteres Publikum geboten. Das Buch stellt in chro­ danach eigens vor Publikum erneut aufgeführt. Das nologischer Abfolge einzelne Werke vor und doku­ ging auf eine Idee Brechts zurück, der glaubte, den mentiert in einer Übersicht außerdem alle aufgeführ• Hörer aktivieren zu können, indem er ihm einen be­ ten Stücke mit Komponisten und Interpreten von stimmten Part in der Aufführung zuwies: er sollte sich 1921 bis 1995. Wegen eines differenzierten Werk­ in Lindbergh versetzen und dessen Texte vor seinem und Personenregisters eignet es sich zudem als ein heimischen Radiogerät mitsprechen und -singen. vorzügliches Nachschlagewerk zur zeitgenössischen Häusler bilanziert: Angesichts der prekären finanziel­ Musik. Worauf der Autor allerdings nicht mehr einge­ len Situation, in der sich das Festival befand, »bedeu­ hen konnte, war die im Jubiläumsjahr 1996 vom tete es ein Gottesgeschenk, daß sich 1929 die Südwestfunk herausgegebene Ankündigung, ab 1998 Reichs-Rundfunk-Gesellschaft finanziell wie organi­ seinen finanziellen Beitrag um die Hälfte zu reduzie­ satorisch - der Südwestdeutsche Rundfunk Frankfurt ren . Andere Finanziers haben aber verhindern kön• gab technische Schützenhilfe und schickte sein Or­ nen, daß die Donaueschinger Musiktage künftig nur chester unter Hermann Scherehen nach Baden­ noch als Biennale weitergeführt werden . Baden - an dem Festival beteiligt. Doch die >Mittäter­ Ansgar Diller, Frankfurt am Main schaft< des Rundfunks, wiewohl unter großem Glok­ kenschlag eingeläutet, erstreckte sich nur auf dieses eine Jahr: möglicherweise als Folge der Weltwirt­ schaftskrise Ende 1929 wurde eine Fortsetzung ab­ gelehnt.« (S . 111) Einen indirekten Bezug zum Rundfunk hatte jedoch die Folgeveranstaltung 1930 in Berlin , die in den Räumen der Rundtunk­ Versuchsstelle der Staatlichen Hochschule für Musik 168 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Nordrhein-Westfalen. Nur neun Autoren befassen sich hingegen mit Ein Land in seiner Geschichte. ebenso vielen Themen in dem von Wolfram Köhler Aspekte und Konturen 1946 - 1996 herausgegebenen Sammelband . So werden die Par­ (= Veröffentlichungen der staatlichen Archive teien und das Parteiensystem, die wirtschaftliche und des Landes Nordrhein-Westfalen. soziale Entwicklung, die Landesverfassung und die Reihe C: Quellen und Forschungen, Bd. 36). Hochschulen nach dem Zweiten Weltkrieg vorgestellt. Münster: Aschendorf 1996, 623 Seiten. Der Herausgeber selbst steuert den Beitrag »Das Land und sein Sender. Die Medien als Handlungsfeld Wolfram Köhler (Hrsg.) der Politik« bei. Eingehend befaßt er sich mit den Nordrhein-Westfalen. Bestrebungen, eine eigene öffentlich-rechtliche Fünfzig Jahre später 1946- 1996 Rundfunkanstalt für Nordrhein-Westfalen zu gründen (= Düsseldorfer Schriften zur Neueren und mit der gleichzeitig aufgekommenen Diskussion Landesgeschichte und zur Geschichte über den Status des Rundfunks in einem demokrati­ Nordrhein-Westfalens, Bd . 46). schen Staat sowie mit den von den sonstigen Rege­ Essen: Klartext 1996, 140 Seiten. lungen anderer Bundesländer abweichenden äußerst komplizierten Bestimmungen über den Privatfunk. Zwei ganz und gar, allein vom Volumen aus betrach­ Zum Schluß verdeutlicht eine Statistik den enorm an­ tet, unterschiedliche Bücher sind anzuzeigen, die al­ gestiegenen Stellenwert der Medien für die Landes­ lerdings eines gemeinsam haben : Sie sind anläßlich politik: Der Landtag debattierte über sie in der Wahl­ des 50 . Jahrestages der Gründung des Bindestrich­ periode von 1970 bis 1975 neun Mal , in der Wahlpe­ Landes Nordrhein-Westfalen erschienen. Am 23. Au­ riode von 1980 bis 1985 31 Mal und schließlich in der gust 1946 gründete die britische Militärregierung Wahlperiode von 1990 bis 1995 64 Mal. Innerhalb durch die Verordnung Nr. 46 in ihrer Besatzungszone von 20 Jahren versiebenfachte sich damit der Dis­ Länder, darunter auch Nordrhein-Westfalen durch kussionsbadart über die Medien im Landesparlament. den Zusammenschluß der preußischen Provinz Ansgar Diller, Frankfurt am Main Westfalen mit den drei nördlichen Regierungsbezir­ ken Aachen , Düsseldorf und Köln der preußischen Vgl. Nordrhein-Westfalen. Landesgeschichte im Rheinprovinz ; hinzu kam 1947 noch das bisher selb­ Lexikon . Düsseldorf 1993. Vgl. die Rezension in ständige Land Lippe. Mitteilungen StRuG Jg. 20 (1994), H. 2/3, S. 161 . Das opulente Werk - die Hälfte seines Umfangs nehmen Faksimiles und Tabellen ein - der staatlichen Arch ive Nordrhein-Westfalens knüpft bewußt an das Stefan Plaggenborg 1993 erschienene Lexikon zur Landesgeschichte Revolutionskultur. an .1 in fünf Kapiteln für die Jahre 1946 bis 1948, Menschenbilder und kulturelle Praxis in 1948 bis 1958 , 1958 bis 1966, 1966 bis 1983 und seit Sowjetrußland zwischen Oktoberrevolution 1983 befassen sich mehrere Dutzend Autoren in weit und Stalinismus. über 100 Abschnitten mit allen Facetten der staatli­ Köln u.a .: Böhlau-Verlag 1996, 393 Seiten . chen Entwicklung, von Politik und Gesellschaft, der Wirtschaft, von Bildung und Erziehung, von Kunst Der Kulturdiskurs in der Sowjetunion der 20er Jahre und Kultur, wie in der Regel die Zwischenüberschrif• umfaßte diverse Bereiche und war bedeutend viel­ ten der Kapitel lauten, um die Themenpalette zusätz• schichtiger als bisher dargestellt. Dies ist ein Ergeb­ lich zu strukturieren. Der Darstellung der Medien wird nis der umfassenden Untersuchung von Stefan Plag­ dabei allerdings nur ein stiefmütterlicher Platz einge­ genborg, der in Jena den Lehrstuhl für osteuropäi• räumt. So befaßt sich Peter Dohms , Mitarbeiter des sche Geschichte innehat. Er beginnt mit einer har­ Hauptstaatsarchivs Düsseldorf, auf drei Seiten mit schen Kritik an der historischen Sozialwissenschaft. der Lizenzpresse und dem von der britischen Besat­ Ihr wirft der Autor vor, den Menschen in der Historio­ zungsmacht verfolgten Prinzip, eine parteipolitisch graphie über die Sowjetunion bisher weitgehend ver­ gebundene Richtungspresse ins Leben zu rufen , so­ nachlässigt zu haben. Mit seiner Arbeit möchte er die wie mit den langandauernden Querelen um die Bil­ wissenschaftliche Literatur um die anthropologische dung eines Landespresseausschusses, der 1948 die Dimension erweitern. Untersucht wird der Zugriff der Aufgaben der Lizensierung der Zeitungen übernahm. neuen Machthaber auf Geist und Körper des Men­ lngeborg Schnelling-Reinicke aus dem gleichen Ar­ schen im Jahrzehnt zwischen Revolution und Durch­ chiv geht auf zweieinhalb Seiten auf die im Vergleich satzung des Stalinismus. Plaggenborg hat dafür ein zum Sender in Hamburg verspäteten Programmbe­ überzeugendes Konzept gefunden. So unterteilt er ginn des Nordwestdeutschen Rundfunks in Köln ein, die Bemühungen, den neuen, den sozialistischen auf die seit 1946 virulent werdenden Bestrebungen, Menschen zu formen, in die Einflußnahme auf das für Nordrhein-Westfalen eine eigene Rundfunkanstalt Lesen (Presse/ Bücher) , das Hören (Rundfunk), das zu gründen. was dann 1954 mit der Gründung des Sehen (PiakaU Film) , das Erfahren (Exkursionen), Westdeutschen Rundfunks (WDR) Köln unter westfä­ das Erinnern (Museen und Monumente) sowie das lischer regionalpolitischer Begleitmusik gelang. Auf Erleben (Staatsfeste). An den Anfang seines Buches knapp zwei Seiten werden außerdem noch die Pres­ stellt er die Auffassungen über den Menschen und sekonzentration in den 60er und 70er Jahren, auf die Versuche, sie umzugestalten. Dafür wählte er die eineinhalb Seiten die »Neuen Medien« und auf weni­ Diskussion über die Arbeitskultur sowie Aspekte der gen Zeilen die Einführung des Privatfunks und das militärischen und der medizinischen Erziehungsidea­ neue WDR -Gesetz gestreift. le . in einem Abschlußteil werden Fragen der Religion - Religiosität und Areligiosität der Sowjetbürger sowie Rezensionen 169

der staatliche Atheismus - behandelt. Sein Blick auf es nun , der Sicht »von oben «, die Plaggenborg so alle diese Themenkreise ist jedoch der »von oben« . erschöpfend dargestellt hat. diejenige »von unten « Er untersucht nicht die Akzeptanz oder die Resultate gegenüberzustellen. Die veränderten Forschungs­ der Vorstellungen der neuen Eliten bei der Bevölke­ umstände sollten es möglich machen. rung , sondern die Vorstellungen der Eliten an sich. Carola Tischler, Berlin Einer möglichen Kritik an seinem Darstellungsteil beugt Plaggenborg in seiner Einleitung gleich vor. »So mögen an dieser Stelle endgültig die Historiker Carola Tischler und Historikerinnen aller Richtungen erschreckt sich Flucht in die Verfolgung. abwenden: die historischen Sozialwissenschaftler, Deutsche Emigranten im sowjetischen Exil - weil ich keine Theorie habe, mit der ich die Wirklich­ 1933 bis 1945 (= Arbeiten zur Geschichte keit beuge, die Alltagshistoriker, weil ich keine Mi­ Osteuropas, Bd. 3). krohistorie betreibe und »von unten« schreibe, die Münster: Lit Verlag 1996, 277 Seiten. ethnologisch geschulten Historiker und historischen Anthropologen, weil ich die »dichte Beschreibung« Im »Vaterland aller Werktätigen« , wie sich die So­ nicht genügend anwende, die Historisten, weil sie mit wjetunion selbst pries und wie sie sich von Sympa­ dem Buch nichts anfangen können« (S . 15). Und et­ thisanten in aller Weit gerne preisen ließ, hielten sich was später: »Statt dessen möchte sie [die Arbeit] in Mitte der 30er Jahre noch nicht einmal 5 000 Emi­ erster Linie Befunde herstellen, bevor es ans Theore­ granten aus Deutschland auf - größtenteils Mitglieder tisieren geht.« (S . 19) Tatsächlich lesen sich in erster der KPD. Das waren gerade einmal zweieinhalb Pro­ Linie die Kapitel mit großem Gewinn, in denen er zent (und wahrlich kein »beträchtlicher Teil der KPD­ neue oder wenig bekannte Befunde vorstellt. Dies ist Mitglieder«, S. 222) der mit rund 200 000 im Jahr beispielsweise bei dem von der Forschung weitge­ 1931 angegebenen Mitglieder der Partei, die bei den hend unbeachteten Rundfunk der Fall. Kommt in dem letzten Reichstagswahlen am 5. März 1933 mehr als Buch , wie Plaggenborg in der Einleitung verspricht. 4,8 Millionen Stimmen erhalten hatte. Weitere 2 000 Lenin - wie überhaupt der Marxismus-Leninismus - Parteimitglieder hielten sich einem internen Parteibe­ wenig vor. so macht das Kapitel über das Radio eine richt zufolge 1936 als Emigranten in westeuropäi• Ausnahme. Denn der Einfluß Lenins auf die Entwick­ schen Ländern auf. lung und Nutzung der Rundfunktechnik ist nicht zu Die Sowjetunion war damit nur eines der vielen übersehen. Seine gedanklichen Vorgaben und finan­ Zufluchtsländer für die vom nationalsozialistischen ziellen Hilfen förderten das neue Medium. Dennoch , Regime Verfolgten , deren Gesamtzahl mit 500 000 so das Resümee Plaggenborgs, gelang es dem So­ für die Jahre von 1933 bis 1945 angenommen wird , - wjetstaat nicht, den Rundfunk als ein wirksames Pro­ jedoch ein besonderes. Der überwiegenden Zahl der pagandamittel zu nutzen. Von einer flächendecken­ Emigranten , die aus dem Deutschen Reich in die den Versorgung konnte keine Rede sein , standen Sowjetunion wechselten , dürfte allerdings nicht be­ noch 1927 über 90 Prozent der Rundfunkgeräte in wußt gewesen sein, daß sie die eine Diktatur gegen den Städten. Die wenigen Geräte, die in den Dörfern eine andere eintauschten, obwohl die meisten von zu finden waren , sind in vielen Fällen nach kurzer ihnen unter dem von Stalin angeordneten Re­ Zeit nicht mehr einsatzfähig gewesen. Organisato­ pressionen mit willkürlichen und absurden An­ risch allerdings hatte sich die Partei zu diesem Zeit­ schuldigungen begründeten Verhaftungen und Er­ punkt den Zugriff auf den Rundfunk gesichert, auch schießungen von 1936 bis 1938 litten, aber auch in wenn dessen Einfluß letztlich aufgrund der techni­ den Jahren davor und danach von Verfolgungen nicht schen Rückständigkeit nicht genutzt werden konnte . sicher waren . Spannend zu lesen sind auch die Kapitel über die Carola Tischler geht in ihrem aus einer von der Praxis der Exkursionen, den Umgang mit der Ge­ Gesamthochschule Kassel angenommenen Disser­ schichte oder den Ablauf der Staatsfeste. So er­ tation hervorgegangenen Buch detailliert auf viele scheinen die Aussagen der »Exkursionstheoretiker« Einzelschicksale ein, stellt sie in den Zusammenhang zu dem Nutzen des Anschauungsunterrichtes durch der sowjetischen Innenpolitik und der sich verän• Exkursionen ausgesprochen fortschrittlich und zu­ dernden deutsch-sowjetischen Beziehungen, die gleich ideologisch unbelastet. Es ist interessant zu nicht ohne Einfluß auf die Position der KPD-Führung erfahren , daß es eine Tradition dieser Art der Erzie­ innerhalb der Kommunistischen Internationale und im hung bereits zur Zarenzeit gab und daß viele ihrer Verhältnis zur Kommunistischen Partei der Sowjet­ Vertreter sich auch im neuen Staat artikulieren konn­ union blieben . Ausgehend von den in den 20er Jah­ ten . Daß auch die Museumspolitik in den ersten Jah­ ren festgesetzten Prinzipien, Asyl denjenigen in der ren von den Bolschewiki kaum reglementiert bzw. Sowjetunion zu gewähren. die im revolutionären diktiert wurde, erstaunt. Dies gehört aber zu den vie­ Kampf in ihren Heimatländern straffällig geworden len aufschlußreichen Einzelbefunden, die uns der waren. sich damit aber um die Weltrevolution verdient Autor mit großer sprachlicher Gewandtheit, aber auch gemacht hatten, schildert die Autorin die bürokrati• mit einem leicht spöttischen Unterton präsentiert. Als schen Prozeduren, denen Emigranten unterworfen Resultat bietet uns Plaggenborg die Erkenntnis an , wurden. wenn sie die Grenze in das Exilland Sowjet­ daß die vielfältigen Anstrengungen der neuen Macht­ union überschreiten wollten . Den politischen Alltag haber, die Menschen umzuerziehen. nichts anderes bestimmten , so ist den weiteren Kapiteln zu entneh­ als die Bespiegelung eines auf sich selbst bezogenen men. bis 1941 Parteisäuberungen. Verhaftungen , Er­ Regimes gewesen sind . Aber auch in diesem Diskurs schießungen. Denunziationen, erzwungene oder über den Diskurs über den Menschen kommt der freiwillige Rückkehr in das nationalsozialistische konkrete Mensch nur am Rande vor. Lohnend wäre Deutschland. in den Jahren des deutsch-sowjeti- 170 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) sehen Krieges von 1941 bis 1945 kamen Deportatio­ Michael Bolle nen hinzu, bei denen die Emigranten kaum anders Die Großfunkstation Nauen und ihre Bauten behandelt wurden als die in der Sowjetunion gebore­ von Hermann Muthesius. nen Deutschen, die nun von der Krim oder der Wal­ Berlin: Verlag Willmuth Arenhövel1996, 64 Seiten . gadeutsehen Republik vertrieben oder für die Ar­ beitsarmee zwangseingezogen wurden, weil man ih­ Deutsche Telekom (Hrsg.) nen konterrevolutionäre Aktivitäten zugunsten Nauen sendet. Deutschlands unterstellte. Festschrift zur feierlichen Präsentation der Während der zwölf Jahre nationalsozialistischer Sendestelfe Nauen, 25. April 1997. Herrschaft in Deutschland verfolgte die Sowjetunion o.O. o.J. [1997], 48 Seiten. als primäres Ziel ureigenste Interessen, denen sich die Interessen der Emigration und diejenigen der Reinhard Klein-Arendt KPD -Führung unterzuordnen hatten. Nichts macht >>Kamina ruft Nauen!<<. dies deutlicher als die erzwungene Wende nach Ab­ Die Funkstelfen in den deutschen Kolonien schluß des Hitler-Stalin-Pakts im August 1939, nach 1904-1918. dem die Leitung der KPD nicht mehr die faschistische Köln : Wilhelm Herbst Verlag 1996, 342 Seiten. Diktatur in Deutschland als primär die kapitalistischen Staaten unter Führung Englands als Feind anzuse­ Die Stadt Nauen ebenso wie die Stadt KönigsWu• hen hatte. Die Position der kommunistischen Emigra­ sterhausen, beide in der Nähe Berlins gelegen, sind tion festigte sich erst ab Mitte 1943 - nach Gründung untrennbar mit der Entwicklung der (Rund)Funk­ des Nationalkomitees Freies Deutschland, um die technik verbunden. Zur Funkstation Nauen sind in Propaganda an der Front und Richtung Reich zu for­ kurzem Abstand mehrere Publikationen erschienen. cieren, und als erste Vorbereitungen begannen, Per­ die sich auf unterschiedliche Weise dem technikge­ sonal für die Verwaltung Nachkriegsdeutschlands zu schichtlichen Monument nähern: aus denkmaipflege­ rekrutieren . rischer Sicht, aus Gründen der Public Relation und Das Buch, das sich auf ein reichhaltiges Quel­ aus der Perspektive der praktischen Nutzanwendung lenmaterial in Moskauer und Berliner Archiven stützt, während eines kurzen Abschnitts der deutschen Ge­ streift neben den politischen auch kurz die kulturellen schichte. Arbeitsfelder, die Emigranten offenstanden. Sie wur­ Michael Bolle von der Berliner Hochschule der den beschäftigt beim Film und Theater, bei Zeitschrif­ Künste versucht, unterstützt durch rund 70 Fotos und ten und Verlagen, in Forschungseinrichtungen und Faksimiles, einem so gut wie unbekannten Werk des Schulen und nicht zuletzt - wie bekannt - beim Architekten Hermann Muthesius gerecht zu werden, Rundfunk: zunächst in der deutschsprachigen Re­ eben dem Senderhauptgebäude in Nauen, das ab daktion von Radio Moskau, später beim Deutschen 1916 errichtet und 1920 in Gegenwart von Reichs­ Volkssender und beim Sender des Nationalkomitees präsident Friedrich Ebert seiner Bestimmung überge• Freies Deutschland. ben wurde. Er vergleicht dieses Gebäude, ursprüng• Nicht so sehr die »große Politik« hat die Autorin lich von Telefunken errichtet, später von der Deut­ interessiert, sondern welche Auswirkungen diese schen übernommen, mit anderen von Politik auf die Lebensverhältnisse für einen Kreis von Muthesius und etwa zur gleichen Zeit von seinen Ar­ Personen hatte, der - mit dem Gesicht nach chitektenkollegen mit der charakteristischen Klin­ Deutschland - seinen Aufenthalt so kurz wie möglich keraußenverkleidung konzipierten Bauten im expres­ halten wollte. Voraussetzung für eine Rückkehr war sionistischen Stil bzw. demjenigen der Neuen Sach­ allerdings der Sturz Hitlers, der aber nicht in jedem lichkeit. Bolle geht dabei ebenso auf die Vorgänger• Fall dazu führte, daß Emigranten auch sofort zurück• bauten ein - eine Funkstation gab es in Nauen bereits kehren konnten . Viele von ihnen wurden auch noch 1906, einen Neubau 1911 -wie auf die Frühgeschich• nach dem 8. Mai 1945 in Gefängnissen und Arbeits­ te der Drahtlosen Telegraphie, mit der Muthesius bei lagern der Sowjetunion festgehalten . einem Englandaufenthalt als technischer Attache der Carola Tischlers Buch leistet einen wichtigen Bei­ deutschen Botschaft bei einem Vortrag von Gugliel­ trag zur Aufarbeitung der deutsch-sowjetischen Be­ mo Marconi noch vor der Jahrhundertwende Be­ ziehungen, zur Sowjetunion in der Zeit des Sta­ kanntschaft machte, sowie auf die weitere Geschichte linismus· sowie zur Emigration während der natio­ der Funkstation nach 1920. So wurden beispielswei­ nalsozialistischen Herrschaft in Deutschland. se für die Radioberichterstattung über die Olympi­ Ansgar Diller, Frankfurt am Main schen Spiele in Berlin 1936 bauliche Erweiterungen vorgenommen, von hier aus sendete ab 1959 der Auslandsdienst der DDR >>Radio Berlin International« und ab 1990, nach der deutschen Vereinigung, be­ trieb die Deutsche Telekom drei Kurzwellensender für die Deutsche Welle (DW). Der Text endet mit dem Hinweis: >>Die im Aufbau befindliche Neunutzung des Geländes und der Bauten durch die >Deutsche Tele­ kom< wird auch den Muthesius-Bau mit einbeziehen und ihm als zentrale Schaltstelle seine Referenz er­ weisen .« (S. 58) Den Beleg dafür liefert eine kleine zweisprachige - deutsch/englisch - Festschrift der Telekom, erschie­ nen am 25. April 1997 zur feierlichen Präsentation Rezensionen 171 der Sendesteile Nauen. Nach einem gerafften Über• selbst hin: Es handelt sich um »Erzählungen«, also blick über die Vorgeschichte und Geschichte der Sta­ möglicherweise eine Mischung aus Fiktion, Fakt und tion werden die neue in Nauen installierte Sender­ Erinnerung. Viele Personennamen, speziell bei den technik und das in die Zukunft weisende Antennen­ etwas deftigeren Geschichten, sind geändert worden . konzept beschrieben und in anschaulichen Fotos do­ Howland erzählt nicht sein ganzes Leben, sondern kumentiert. Zum Schluß kommt DW-Intendant Dieter beschränkt sich auf einige besonders markante (und Weirich in Form eines Interviews zu Wort, in dem er amüsante) Lebensphasen und Begebenheiten. die Stellung des Sendezentrums Nauen in der Kurz­ Von größerem rundfunkhistorischen Interesse wellenstrategie seiner Rundfunkanstalt hervorhebt. sind in diesem Zusammenhang die beiden Kapitel Weniger von Nauen als vielmehr von den Funk­ »British Forces Network« (S. 115-157) und »Nord­ stationen in den deutschen Kolonien in Afrika, China westdeutscher Rundfunk« (S. 183-200). Howland er­ und in der Südsee handelt das Buch von Reinhard zählt, wie er als junger Wehrpflichtiger 1948 mehr Klein-Arendt. Mit viel Liebe für Details, die er durch oder weniger durch Zufall dem britischen Soldaten­ die Auswertung der zeitgenössischen Presse und von sender BFN in Harnburg zugeteilt wurde.2 Hier erhielt Akten des Reichskolonial- sowie des Reichspostam­ er seine journalistische Grundausbildung, wurde Mu­ tes ermittelt hat, zeichnet er die Entwicklung der sikredakteur, Filmrezensent und Komoderater der le­ Kommunikation zwischen den Kolonien und dem gendären Sendungen »Family Favourites« und Mutterland sowie den Kolonien untereinander nach. »Breakfast Club«. Nicht ohne Selbstironie erinnert Zunächst auf die von den Engländern betriebenen sich der Autor an seine Nervosität vor und bei seiner unterseeischen Kabelverbindungen angewiesen, ersten Ansage, die sich im wesentlichen auf das emanzipierte sich das deutsche Kaiserreich von aus­ Verlesen der Uhrzeit beschränkte - und prompt schief ländischer Hilfe und baute unter militärstrategischen ging. Neben Anekdoten dieser Art bietet das Kapitel Aspekten die Funkverbindungen aus, die aber auch dem Leser Reminiszenzen an prägende Vorbilder für zivile Zwecke genutzt werden konnten . Manche und Kollegen , zumindest rudimentäre Beschreibun­ Anlage wurde erst kurz vor Beginn des Ersten Welt­ gen der technischen und personellen Ausstattung der kriegs fertiggestellt und kurz danach bei der Erobe­ Hamburger Musikhalle, des seinerzeitigen provisori­ rung der deutschen Kolonien durch Truppen der En­ schen Funkhauses, sowie einige Einblicke in die un­ tentemächte wieder außer Betrieb gesetzt. Für Klein­ konventionelle Arbeitsatmosphäre beim Militärrund• Arendt steht fest, daß die Funktechnik dieser Jahre funk . »Ich glaube nicht, daß es bei diesem Sender einen enormen Innovationsschub erlebte, ausgelöst auch nur einen normalen Menschen gab - mit Aus­ nicht zuletzt durch das Großmachtstreben Deutsch­ nahme der >normalen< Armeeangehörigen , die uns lands. nicht mochten, weil wir [BFN-Mitarbeiter] nicht dazu­ Ansgar Diller, Frankfurt am Main gehörten« (S. 119) . Recht plastisch und eindringlich gelingt Howland das Zeitkolorit Beschreibungen von Gängen durch das zerstörte Harnburg und der Le­ Chris Howland bensbedingungen der deutschen Zivilbevölkerung. Happy Days? Inmitten einer institutionellen Krise des BFN An­ Erzählungen . Mit einem Vorwort von Elke fang der 50er Jahre, die auf drastische Mittelkürzun• Heidenreich. Übersetzt von Franca Fritz und gen durch das Londoner Kriegsministerium zurück• Heinrich Koop . ging, stellte sich Howland, inzwischen demobilisierter Köln: Kiepenheuer & Witsch 1995, 255 Seiten . Zivilist, aus einer Laune heraus als Plattenaufleger beim NWDR vor. Zu seiner eigenen Überraschung »Ein Pferd galoppierte und wieherte. die Musik lief akzeptierte der verdutzte Produzent sein nach dama­ an , und eine eigenartige Stimme sagte: >Helle meinar ligen Standards außergewöhliches Konzept - schließ• Freundar. Das war mein Ferd Pegasus und ish bin lich galt es, an BFN verlorene deutsche Hörer zu­ der Scharl-blattern-tschockei mit viele Musik fur Sie, rückzugewinnen. Die erste Ausgabe der wöchentli• Sie und besonders Sie! Sitzen Sie bekwäm? Dann chen Sendung »Rhythmus der Welt« am 1. Septem­ fanger ish arnt<« (S . 189). 1952 war dies nicht nur die ber 1952 war ein Erfolg, sorgte aber auch teilweise für Eröffnungsmoderation einer neuen Hörfunksendung Verwirrung. Die im wahrsten Sinne des Wortes uner­ des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), son­ hörte Mischung aus Musik, Geräuscheffekten und einer dern auch der Beginn eines neuen Kapitels einer für hiesige Rezipienten völlig ungewohnt lockeren und manchmal wunderlichen Karriere mit Höhen und persönlich gehaltenen Moderation (wegen mangelnder Tiefen. Deutschkenntnisse von einem phonetischen Transkript John Christopher (Chris) Howland, geboren 1928 abgelesen) kann als ein Vorbote der Pop-Ära in in Lenden , in den 50er Jahren Deutschlands erster Deutschland bezeichnet werden.3 Howland be­ »Schallplattenjockei« (als ein »Diskjockey« noch zu schreibt die Reaktion eines Zeitzeugen: >»Das wird verwegen gewesen wäre) und bis heute vielen Hö• sich in Deutschland niemals durchsetzen<, sagte ei­ rern als radebrechender »Mister Pumpernickel« be­ ner. >ln England und Amerika ist das vielleicht in Ord­ kannt, legt mit seinen autobiographisch gefärbten nung , aber nicht hier. Was sollte das Pferd? Und »Happy Days?« kein rundfunkhistorisches Kompen­ warum die Witze und das Gelächter?<« (S. 190). Hier dium vor. Dennoch können einige Kapitel dieses Bu­ hat der Autor- und mit ihm Sender wie AFN und BFN , ches dem Rundfunkhistoriker durchaus als Quelle dessen Ziehkind er war - in der Tat Pionierarbeit ge­ dienen , zumal die Medienpersönlichkeit Howland in­ leistet: »Der deutsche Rundfunk befand sich auch zwischen Objekt der Forschung geworden ist.1 Auf 1952 noch in der Steinzeit« (S. 183). die kritisch zu betrachtende Authentizität der Darstel­ Seine weitere Karriere in Deutschland und (kurz­ lung weist der Autor durch den Untertitel des Buches fristig) Großbritannien - in Hörfunk, Fernsehen (unter 172 Rundfunk und Geschichte 23 (1997) anderem »Musik aus Studio B«, Norddeutscher verschwiegen? Im März 1991 wurden kommerzielle Rundfunk, 1961-1969), beim Film und als Sänger• Radiosender zugelassen , und im Juli des gleichen beschreibt Howland nur bruchstückhaft und nicht bis Jahres wurde der Rundfunk per Gesetz zur unab­ in die Gegenwart; das Buch versammelt eben nur lo­ hängigen Einrichtung erklärt. Nachdem im Oktober se verbundene »Erzählungen«. Howlands Mutterwitz 1996 der erste kommerzielle Fernsehsender zugelas­ und Ironie scheinen dabei auch in der deutschen sen wurde, was die Broschüre nicht mehr erwähnen Übersetzung auf. Der Wert eines solchen Bandes als konnte, hatte sich auch in diesem mittel-osteuro­ historische Quelle ist freilich arg limitiert, zumal ge­ päischen Land der duale Rundfunk auf der ganzen nauere Titel von Sendungen, Daten und ähnliches Linie durchgesetzt. größtenteils fehlen. Ansgar Diller, Frankfurt am Main Oliver Zöllner, Baden-Baden

Vgl. Wolfgang Becker: Zeitzeugen-Erinnerung. Der Beitrag der Medien zur Westorientierung der Bundesrepublik Deutschland in den 50er und 60er Jahren. Ein Forschungsprojekt an der Universität Osnabrück. ln: RuG Jg. 23 (1997), H. 1, S. 41-44, hier S. 42. 2 Siehe auch Alan Grace: This is the British Forces Network. The Story of Forces Broadcasting in Germany. Stroud 1996, S. 50 u. 87 . 3 Vgl. die Titelgeschichte »Heiß vom Plattenteller«. ln: Der Spiegel Jg. 6 (1952) , H. 51, S. 28ff.

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Am 2. Oktober 1926 ging die erste Rundfunkstation der Slowakei in Bratislawa auf Sendung. Aus Anlaß des 70 . Jahrestages des Sendebeginns wurde im Funkhaus von Bratislawa eine Ausstellung eröffnet und eine Festschrift publiziert, die zwar auch auf die Geschichte des Rundfunks eingeht, vor allem aber den derzeitigen Entwicklungsstand des Radios und des Fernsehens in einem erst seit Anfang 1993 selbständigen Land in Text und Bild dokumentieren will. Dank einer englischsprachigen Zusammenfas­ sung für den des Slowakischen Unkundigen lassen sich die Eckpunkte der slowakischen Rundfunkge­ schichte referieren : ln der Tschecheslowakei der Vorkriegszeit war er Teil der in Prag beheimateten Gesellschaft Radiojournal und von 1939 bis 1989 mit Ausnahme weniger Jahre Instrument diktatorischer Regime: zunächst des dem nationalsozialistischen Deutschland nahestehenden Prälaten und Regie­ rungschef Josef Tiso und später der Kommunisten . Dazwischen gab es immer wieder Lichtblicke: anläß­ tich des slowakischen Aufstandes von August bis Oktober 1944 mit den Sendungen des freien slowaki­ schen Radios, vom Juni 1945, nachdem die zerstör• ten Studios und Sender wieder hergestellt waren , bis Februar 1948, als die Kommunisten mit der Macht im Staat auch die Macht über den Rundfunk übernah­ men , und 1968, als sich auch der Rundfunk der Be­ strebungen zur Demokratisierung annahm, die sich auf Dauer aber erst ab November 1989 durch die »samtene Revolution« durchsetzen konnten, wenn auch nicht in Bratislawa, sondern vor allem in Prag - oder haben da etwa die westlichen Medien etwas Bibliographie

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28. Jahrestagung des 16.00 Uhr Technik Studienkreises in Potsdam Ort: ORB, Dianapark, Haus W, Zimmer 401 (18. -20. September 1997) Die Entwicklung des Stereo-Tonbandes als Aufzeichnungsmedium für den Die 28. Jahrestagung des Studienkreises Rund­ Hörfunk im Berliner Funkhaus an der funk und Geschichte, veranstaltet in Verbindung Masurenallee mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg Dipl.-lng. Wemer Hinz, Bergisch­ (ORB), findet vom 18. bis 20. September 1997 in Giadbach Potsdam statt. Sie befaßt sich mit deutschen Moderation: Dipl.-lng. Peter Pfirstinger, Medienstandorten in Geschichte und Gegen­ Bayerischer Rundfunk, München wart. Kaminabend Programm der Jahrestagung Ort: Filmmuseum Potsdam, Marstall, Schloßstraße Donnerstag 18. September 1997 19.00 Uhr Film- und Fernsehmuseen in Potsdam und Berlin: Fachgruppensitzungen - »Schnupperführung« durch das 14.00 Uhr Archive und Dokumentation Filmmuseum Ort: ORB, August-Bebei-Str. 26-53, Haus Dr. Bärbel Dalichow, Direktorin des 31 A, Konferenzraum Filmmuseums Potsdam AV-Überlieferung und - Kurzdarstellung und Diskussion Geschichtswissenschaft: Welchen Quellenwert haben Hörfunk- und Hans-Helmut Prinzler, Vorstand der Fernsehdokumente? Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin Prof. Dr. lrmgard Wilharm, Hannover Dr. Heide Riede!, Leiterin des Deutschen Rundfunkmuseums, Berlin Moderation: Dr. Edgar Lersch, Dr. Helmut Drück, Süddeutscher Rundfunk, Stuttgart Gründungsbeauftragter der Deutschen Mediathek, Berlin 16.00 Uhr Literatur Ort: ORB, August-Bebei-Str. 26-53, - Filmvorführung: »Das historische Konferenzraum Sendezentrum Potsdam« (Stummfilm, Begleitung mit Kinoorgel) Reinhold Viehoff und Mitglieder der Fachgruppe im Gespräch mit einem 20.45 Uhr Zusammensein im Cafe des Vertreter der Berliner Literaturszene Filmmuseums Moderation: Prof. Dr. Reinhold Viehoff, Universität Halle-Wittenberg Freitag 19. September 1997 16.00 Uhr Musik Ort: Kultursaal der Studio Babelsberg Ort: ORB, August-Bebei-Str. 26-53 GmbH (beim ORB-Gelände) Konferenzraum Sendezentrum 9.15 Uhr Die Stellung Berlins im System der Paul Hindemith und die deutschen Medienstandorte von der Rundfunkversuchsstelle in der Berliner Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Musikhochschule Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Dr. Dietmar Schenk, Berlin Dr. Detlev Briesen, Overath Von der Hauskapelle zur 10.00 Uhr Die Entwicklung der Standorte des Jazzformation. Aus der Frühgeschichte deutschen Rundfunks in seiner der Big-Band beim Frankfurter Gründungsphase: Wechselspiel Rundfunk zwischen zentraler Steuerung und Michael Stapper M.A., Würzburg kommunalen sowie regionalen Interessen Moderation: Dr. Wolfgang Sieber, Hessischer Rundfunk, Frankfurt am Dr. Ansgar Diller, Deutsches Main Rundfunkarchiv, Frankfurt am Main 184 Rundfunk und Geschichte 22 (1996)

- Kaffeepause - 11.00 Uhr Podiumsgespräch Belebt Konkurrenz das Geschäft? Der 11.00 Uhr Filmstandort Berlin: FrOhes Kino der Medienstandort Potsdam in der Produzenten Nachbarschaft zu Berlin Dr. Klaus Kreimeier, Pulheim Teilnehmer: 11 .30 Uhr Diskussion mit den Referenten Dr. Bussow Grabow, Deutsches Institut Moderation des Vormittags: Prof. Dr. fOr Urbanistik, Berlin Reinhold Viehoff, Universität Halle­ Dr. Hans Hege, Medienanstalt Berlin Wittenberg und Brandenburg, Berlin - Fallbeispiele Dipl. Vw. Adalbert Roloff, Repräsentant 12.00 Uhr »Medienplatz Harnburg zwischen von Bertelsmann/Ufa, Potsdam Kultur, Kommerz und Standortpolitik« Staatssekretär Erhard Thomas, Dipl. Soz. Hermann D. Schröder, Potsdam Hans-Bredow-lnstitut, Harnburg Moderation: Prof. Dr. Otfried Jarren, Hans-Bredow-lnstitut, Harnburg 13.00 Uhr Mittagessen 13.00 Uhr Ende der Tagung 14.30 Uhr »Zwischen Gestern und Morgen«. Medienstadt MOnehen 14.00 Uhr StudiofOhrung Babelsberg Dr. Michael Schaudig, MOnehen 15.00 Uhr » Buchstadt auf dem Daten-Highway«. Leipzig kommt wieder- als Medienstadt 25. Grünbarger Prof. Dr. ROdiger Steinmetz, Universität Doktoranden-Kolloquium 1997 Leipzig 15.30 Uhr Diskussion mit den Referenten Vom 6. bis 8. Juni 1997 fand das Doktoranden­ Kolloquium des Studienkreises Rundfunk und Moderation: Prof. Dr. Helmut Schanze, Universität GH Siegen Geschichte in Grünberg statt. Wahrend dieser Veranstaltung wurde einmal mehr unter Beweis - Kaffeepause - gestellt, daß rundfunkbezogene Forschung an den Hochschulen zum klassischen Gegen­ 16.30 Uhr Forschungsfenster standsbareich der Geistes- und Sozialwissen­ Die Entwicklung der Hörfunkwerbung in schaften gehört. Am 6. Juni diskutierten die Teil­ Deutschland von 1923 bis 1956 nehmer mit Michael Radtke (Touch Medien Company) über Medienkonzentration in Christian Maatje, MOnster Deutschland am Beispiel von Leo Kirch, wobei Werbefernsehen der DDR von 1959 bis der Autor des Bestsellers »Außer Kontrolle. Die 1976. Lebensstilmuster der 60er Jahre Medienmacht des Leo Kirch« (Bern/München: Sirnone Tippach-Schneider, Berlin Edition Hans Erpf 1994) sehr interessante Ein­ Moderation: Dr. Marianne Ravenstein, blicke in seine Art des investigativen Journalis­ Universität MOnster mus (»deep research«) gab. ln der Regel wird das Imperium des deutschen Medienmoguls Leo 18.00 Uhr Mitgliederversammlung mit Kirch auch für Insider völlig abgeschottet. Noch Vorstandswahlen nie wurde eine Bilanz veröffentlicht; seit Jahren gibt es keine Interviews. Das bestarkt die Mut­ maßungen über Kirch, über das Netzwerk seiner Samstag 20. September 1997 Macht. Radtke trug nicht zu Spekulationen bei, sondern informierte über Strategien Kirchs und Ort: Kultursaal der Studio Babelsberg GmbH (beim ORB-Gelände} Ober »Hintermanner« aus der Industrie und über Finanziers, die Kirch aushalten. 9.30 Uhr »Weiche« Faktoren und ihre Am 8. Juni stellte Melanie Thieltges (Universi­ Bedeutung fOr die Entwicklung von tat Münster) im Plenum ihr Promotionsvorhaben Medienstandorten zum Thema »Global Viilage oder Lokales Idyll? Dr. Busso Grabow, Deutsches Institut Zum Kommunikationsraum , von Rezipienten« fOr Urbanistik, Berlin vor, wahrend Sirnone Tippach-Schneider (Hoch­ - Kaffeepause - schule der Künste, Berlin) erste Forschungser­ gebnisse ihrer geplanten Dissertation zum The­ ma »Werbefernsehen der DDR von 1959 bis 1976. Lebensstilmuster der 60er Jahre« referier- Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte 185 te. Im Mittelpunkt des Doktoranden-Kolloquiums und Akten des Rundfunks der DDR für seine Ar­ standen die Arbeitsgruppen, in denen sowohl beit Ober das Feature auf. Ursprünglich von der wissenschaftliche Abschlußarbeiten zu unter­ Hörspielabteilung produziert, wird diese Funkgat­ schiedlichen rundfunkhistorischen Fragestellun­ tung ab Januar 1963 von einer eigenen Abtei­ gen als auch zur Programmgeschichte einer kri­ lung betreut, die bis zur Schließung des Funk­ tischen Überprüfung unterzogen wurden. Die hauses Berlin im Dezember 1991 eine eigene folgenden Berichte aus vier Arbeitsgruppen do­ Traditionslinie beibehalt. kumentieren Anspruch und Zielsetzung der Simone Tippach-Schneider (Hochschule der Nachwuchswissenschaftler. Künste, Berfin) verfolgt als einzige in der Gruppe MR ein Projekt, das sich ausschließlich auf das Fernsehen bezieht. Anhand von Werbefilmen Arbeitsgruppe DDR-Rundfunk und den darin vorgeführten Gebrauchsgegen­ standen will sie Lebensstilmuster der 60er Jahre Sieben Jahre nach dem Fall der Mauer ist das herausarbeiten. Dabei ist es ihr gelungen, zahl­ Interesse an der wissenschaftlichen Aufarbei­ reiche Filme zu sichern, die noch in keinem Ar­ tung der DDR-Geschichte größer denn je. Stu­ chiv erfaßt sind. dierende, die unter Honecker aufgewachsen Durch die enge thematische Verbindung zwi­ sind, wollen sich ihrer eigenen Vergangenheit schen den einzelnen Projekten verlief die Dis­ bemachtigen, die Kommilitonen aus dem Westen kussion in der Arbeitsgruppe besonders intensiv. ein Land entdecken, das ihnen zu Schulzeiten Statt allgemein gehaltener Ratschlagen kam es fremder war als Frankreich oder Spanien. Insge­ in vielen Fallen zu konkreten Fragen und Vor­ samt wurden in der Arbeitsgruppe fünf Promoti­ schlagen: Wie kommt man an bestimmte sowje­ ons- und ein Magistervorhaben vorgestellt. Sie tische Akten? Welche Aufgabenfelder fiel den alle profitieren von der Möglichkeit, Archivalien einzelnen DDR-Sendern in der Berichterstattung auszuwerten, die erst durch den Zusammen­ zu? Lassen sich direkte Auswirkungen des VI. bruch der DDR zuganglich geworden sind. Parteitages (auf ihm wurde das sogenannte Die Mehrheit der Projekte konzentriert sich »Neue Ökonomische System« verabschiedet) auf die Erforschung der Hörfunkgeschichte. Wie auf den Rundfunk nachweisen? Da die Mehrzahl gut sich die einzelnen Arbeiten erganzen, zeigt der Projekte noch in einem frOhen Stadium sich bei Petra Galle (Humboldt Universitat, Ber­ steckt, wird das Treffen in Grünberg vermutlich lin), die die Programmentwicklung des Berliner bei allen Teilnehmern konkrete Auswirkungen Rundfunks der des RIAS gegenüberstellt. Petra auf ihre Arbeit haben. Galle beschrMkt sich in ihrem Ost-West­ Patrick Conley, Berlin Vergleich auf den Zeitraum von 1945 bis 1949. Ihre Kommilitonin Maral Herbst (Humboldt Uni­ Arbeitsgruppe Organisationsgeschichte I versitat, Berlin) bearbeitet die Jahre von der Biographie Gründung der DDR bis zum Mauerbau 1961 . Sie wahlt den Sender Freies Berlin als Pendant zum Die Zahl der eigentlich rundfunkgeschichtlichen Berliner Rundfunk; zwei Sender mit dem Allein­ Arbeiten nimmt - bis auf das nach wie vor aktuel­ vertretungsanspruch in der Zeit des Kalten Krie­ le Thema »DDR« der Rundfunk-Zeitgeschichte - ges. mit jedem Kolloquium ab: auch das ein Zeichen Die anderen Projekte verzichten auf einen des Generationenwechsels im Studienkreis. Ost-West-Vergleich und beschranken sich auf Rechnet man die erste in der Arbeitsgruppe die DDR. Christoph Classen (Zentrum für Zeit­ besprochene Arbeit »Der Kinderkanal« wegen historische Forschung, Potsdam) stellt im Rah­ dessen Vorlauter (bei RTL2) und Vorbereitungs­ men eines DFG-Projekts Faschismus und Anti­ phase noch zur Programmgeschichte, dann hat faschismus im Spiegel der Radioberichterstat­ die Autorin dieser Diplomarbeit ein Thema direkt tung in der Ara Ulbricht dar. Die Selbstzuschrei­ im Übergang zur aktuellen Programmanalyse bung als erster antifaschistischer Staat auf deut­ gewahlt. Simone Kienzle (Universitat Eichstatt) schem Boden bezeichnet Christoph Classen als legte ein 6-Punkte-Expose mit einer Fülle von »GrOndungsmythos«, der für das Verstandnis Gesichtspunkten vor, deren Stoff für mehrere von Partei und Staat grundlegend ist. Für die Ara wissenschaftliche Arbeiten reichen würde. Bei Ulbricht hat er sich entscheiden, weil zu dieser aller Berechtigung einer Würdigung »des ersten Zeit das Radio noch die Funktion eines Leitme­ öffentlich-rechtlichen Spartenprogramms von diums inne hatte. Nicht unter einem themati­ ARD und ZDF« ist dessen »Entwicklung« noch schen, sondern unter einem gattungsspezifi­ zu sehr im Fluß, als daß man jetzt (ein halbes schen Gesichtspunkt arbeitet Patrick Conley Jahr nach Sendebeginn) schon zu endgültiger (Humboldt Universitat. Berlin) die im Deutschen Analyse und Wertung kommen könnte. Die Di­ Rundfunkarchiv Berlin erhaltenen Tonquellen plomandin wollte sich aber auf die Gegenvor- 186 Rundfunk und Geschichte 22 (1996) schläge der Berater (thematische Reduzierung, eine sprachlich-inhaltsanalytische Ausrichtung Beschränkung auf eine Literaturexpertise oder der Arbeit. Die biographische Komponente wird ein Vergleich mit den Kinderprogrammen der mit dem Grundthema »Bruch und Kontinuität« letzten Jahrzehnte) nicht einlassen und hielt be­ der Frage nachgehen, inwieweit ein bürgerlicher redt an ihrem Konzept und den Wünschen ihres Journalist aus dem Umkreis der »Konservativen betreuenden Professors fest. Revolution« als Chef der Rundfunkabteilung im Bis zu den Anfängen des Rundfunks in Propagandaministerium und regelmäßiger Kom­ Deutschland greift die zweite in der Arbeitsgrup­ mentator des Großdeutschen Rundfunks mit pe diskutierte Arbeit von Christian Maatje (Uni­ sich identisch bleiben konnte. versität Münster) zurück. Der Doktorand legte für Hans Rink, Mainz sein im Vorjahr erstmals vorgestelltes Dissertati­ onsprojekt »Die Entwicklung der Hörfunkwer• Arbeitsgruppe Programmforschung bung in Deutschland von 1923 bis 1956« jetzt einen sorgfältig durchdachten, gut gegliederten Um die mit sieben Teilnehmern diesjährig größte und auch äußerlich überzeugenden Arbeitsent­ Arbeitsgruppe zu organisieren, wurde eine Auf­ wurf vor. Er geht bei seinen Fragestellungen teilung in drei Untergruppen vorgenommen. Die partiell von der Systemtheorie aus. Mit der zen­ Magisterthemen der ersten Gruppe beschaftig­ tralen Forschungsthese »Ein neu eingeführtes ten sich im weitesten Sinne mit der Analyse von Massenmedium entwickelt sich zwangsläufig Nachrichten: Bernd Bischofs (Universitat Mün• kommerziell« will er die Rezipienten-Orientierung ster) plant, mit Hilfe einer Strukturanalyse Unter­ des Rundfunks in der Verbindung von Unterhal­ schiede zwischen öffentlich-rechtlichen und pri­ tung und Werbung, d.h. die Einflußnahme der vaten Nachrichtenmagazinen zu untersuchen, Wirtschaft, von Anfang an aufzeigen. ln der um seine Ergebnisse dann in Bezug zur Konver­ Parallelität von Beginn und Wiederbeginn (1923 genzhypothese zu setzen. Annette Krüger-Spitta und 1948) sei die Kommerzialisierung als imma­ (Universitat Münster) befaßt sich mit demselben nentes Prinzip der Rundfunkentwicklung nach­ Produktfeld, untersucht hier aber die Sprach­ weisbar. Zur Abstützung dieser - nach Meinung ebene im Hinblick auf die Verstandlichkeit unter­ der Berater - »gewagten These« ist die bisherige schiedlicher Sprachstile. Das Forschungsvorha­ Quellenbasis noch zu schmal; die beigebrachten ben von Volker Stephan (Universitat Münster) Beispiele (gerade auch für die Weimarer Zeit) zeichnet mittels einer Programmstrukturanalyse die Entwicklung des privaten Fernsehprogramms überzeugten noch nicht. Dies weiß auch der kri­ tische Forscher (»Hat Lerg alles komplett aufge­ VOX vom ursprünglich geplanten Informations­ arbeitet?«). Er will durch seine Wertung der zum Unterhaltungskanal nach. Die Arbeiten der zweiten Gruppe fanden ihre Gemeinsamkeit in Hörfunkwerbung als »kleines Rädchen« - aber die Entwicklung dann doch wesentlich mitbe­ der Auseinandersetzung mit Themen, die sich im weitesten Sinn mit Kindern beschaftigen: Annett stimmendes Phänomen - letztlich zu einem Neu­ verständnis der deutschen Rundfunkgeschichte Uebel (Universitat Leipzig) plant eine Untersu­ beitragen. chung zur Entwicklung des DDR-Abendgrußes Wolfgang Degenhardt M.A. (Universität GH »Das Sandmannchen« und Katja Chrupalla Siegen) stellt in seiner Dissertation »Zur Ge­ (Universitat Münster) nimmt eine Inhaltsanalyse schichte des europäischen Fernsehsystems« zur Darstellung von Kindern in Werbespots vor. dessen »Entstehung und Frühzeit« (1950-1970) Die Magisterthemen der dritten und letzten dar. Nach eigenem Verstandnis behandelt er Gruppe schließlich untersuchen beide Produkte sein Thema chronologisch-narrativ, als lnstituti­ öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Wolf­ ons- bzw. Rezeptionsgeschichte. Sie erweist die gang Gushurst {Universitat Heidelberg) analy­ Fahigkeit der UERIEBU zur pragmatischen Inte­ siert aus musikwissenschaftlicher Perspektive gration der national unterschiedlichen Entwick­ das Popmusikangebot von SWF 3 von 1975 bis 1995, wahrend Annette Spies {Universitat Mün• lung des Fernsehens in Europa. Eine starkere Strukturierung und etwas mehr Theorie - lautete ster) die Regionalisierung der Berichterstattung des WDR-Fernsehens betrachtet. die Empfehlung in der Arbeitsgruppe. Die Kom­ Bei der ausführlichen Prasentation und an­ plexitat einer internationalen Darstellung mit der schließenden Diskussion der doch sehr unter­ Vielzahl der Sprachen bei den an sich reichlich fließenden Quellen stellt das Hauptproblem dar. schiedlichen Themen wurden folgende Problem­ Das Dissertationsprojekt zum Thema »Hans bereiche herausgearbeitet: Die Operationalisie­ Fritzsche«, das Max G. Bonacker (Universitat rung von Fragestellungen in strukturierte, über• Hamburg) auf dem Kolloquium 1997 erneut vor­ prüfbare Hypothesen, die kommunikationswis­ stellte, schien zunachst eine klassische Biogra­ senschaftliche Einbindung der Themen sowie die phie zu werden. Doch Umfang und Bedeutung Anwendung und Durchführung der Methode. ln bezug auf den letztgenannten Punkt liegt eine der erhaltenen Text- und Tonquellen bedingten Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte 187

Schwierigkeit darin, aus dem gewahlten Unter­ werden soll. Die Anlage der Arbeit soll einen suchungsmaterial eine geeignete und begründ• Forschungszeitraum von 1969 bis 1990 umfas­ bare Stichprobe zu ziehen. Dabei sollte beachtet sen ist aber inhaltlich viel zu breit angelegt, da werden, daß Magisterarbeiten aufgrund ihres Mediennutzung, Medienausstattung, lnstitutio­ vergleichbar geringen Umfanges immer nur ex­ nengeschichte, politischer und sozioökonomi• emplarischen Charakter haben können. Außer• scher Hintergrund und die spezifische Jugend­ dem wurden Validitats- und Reliabilitatsprobleme kultur der DDR in die Fragestellung mit einflie­ thematisiert. ßen sollen. Der Quellenzugang konnte noch Annette Spies, Münster nichttoralle Medienbereiche geklart werden. ln der geplanten Dissertation von Melanie Arbeitsgruppe Rezeptionsforschung Thieltges (Universitat Münster) »Global Viilage oder lokales Idyll? Zum Kommunikationsraum Im Rahmen seiner Diplomarbeit »Gesuchte und von Rezipienten« sollen systematisch die empi­ erhaltene Gratifikationen von Fernsehzuschau­ rischen wie theoretischen Forschungsergebnisse ern mit Praferenz für öffentlich-rechtliche versus der Kommunikationsraumforschung in der Bun­ private Fernsehnachrichten« hat Dieter Ott desrepublik Deutschland mit Blick auf die Rezi­ (Universitat Saarbrücken) in einem Laborver­ pienten darstellt werden. Dies geschieht im such 38 Versuchspersonen (Schüler einer Ge­ Hauptteil durch eine Literaturexpertise, in der samtschule) je eine Nachrichtensendung von interdisziplinar vorgegangen und der Bogen von »RTL Aktuell« und der »Tagesschau« schauen der Nahraumkommunikation über regionale, na­ lassen. Seine hypothetische Vermutung war, tionale hin zu globalen Kommunikationsrauman daß sich die Erwartungen und gesuchten Gratifi­ gespannt wird. Den empirischen Teil bildet eine kationen bei Zuschauern der jeweiligen Nach­ bereits durchgeführte Fallstudie zu kommunika­ richtensendungen unterscheiden und auch ent­ tionsraumlieh gapragten Erwartungen von Lokal­ sprechend unterschiedlich von beiden Sendun­ radiohörern. Probleme gibt es mit der Gliederung gen befriedigt werden. (RTL = mehr Unterhal­ der Arbeit innerhalb der Literaturexpertise. Sol­ tungsanteil, Human lnterest-Schwerpunkte; Ta­ len die Forschungsergebnisse aus anderen Dis­ gesschau = seriöse Information, Distanz zum ziplinen getrennt von der Entwicklung in der Berichterstattungsgegenstand). Dazu wurden in Kommunikationswissenschaft behandelt wer­ einem Pre-Test Gratifikationen ermittelt und im den? Welche Strukturierung bietet sich an: Tren­ Laborversuch überprüft. Vor und nach dem Ver­ nung Theorie I Empirie, Mikro-/ Makrostudien such wurden die Probanden zu ihren Erwartun­ oder Chronologie der raumorientierten Kommu­ gen bzw. gesuchten und erhaltenen Gratifikatio­ nikationsforschung in der Bundesrepublik? Hier nen in bezug auf Nachrichtensendungen befragt. sind zwei maßgebliche Strukturachsen denkbar: Nach der Auswertung des Materials blieben die ln einem ersten Kapitel werden verwandte An­ erwarteten Ergebnisse aus, d.h. statistisch wa­ satze aus relevanten Disziplinen dargestellt. Im ren nur vier Sendungsvergleiche signifikant. zweiten Kapitel werden medienorientiert (Print, ln der Diskussion wurde deutlich, daß der Hörfunk, Fernsehen, Multimedia) die Ergebnisse Schwerpunkt der Arbeit, auch im Hinblick auf und Ansatze der Raumforschung zur Nahraum­ den Charakter als Fallstudie, nicht so sehr auf kommunikation, Regionalisierung, Kabelpilotpro­ die statistische Evaluierung, sondern auf die jekte bis hin zu global anwendbaren Raumkon­ Konzeption und die methodisch einwandfreie zepten diskutiert. Dabei besteht die Möglichkeit, Durchführung der Studie zu legen ist. Dies gilt auf dargestellten Ansatzen anderer Fachberei­ unter qualitativen Gesichtspunkten tor alle Fall­ che zu rekurrieren, um so beispielsweise bewer­ studien. Die Dokumentation des wissenschaftli­ ten zu können, welche Ansatze aus der Stadt­ chen Weges mit Problemstellung, Entwicklung soziologie für Nahraumforschung im Printbereich des Fragebogens, Aufstellen eines Kataloges der Publizistikwissenschaft wichtig sind. von relevanten Gratifikationen etc. steht im Vor­ ln der Magisterarbeit von Iris Huth (Universi­ dergrund, ein Datenproblem stellt sich so gar tat Münster) zum Thema »Domian. Das Eins nicht. Live Talk Radio. Eine qualitative Untersuchung Bei der geplanten Magisterarbeit von Enrico zur Motivation der Rezipienten« ist eine Unter­ Lübbe (Universitat Leipzig) zum Thema »Jugend suchung in Form einer Gruppendiskussion Ober und Medien in der DDR. Eine Untersuchung zur die Nutzungsmotivation von Hörern des Talkra­ Nutzung der tagesaktuellen Medien durch DDR­ dios Domian geplant. Probleme bereiten noch Jugendliche von 1968 bis 1990« ist der Entdek­ die Rekrutierung der Probanden (geplant war ein kungszusammenhang des Vorhabens das lük• Aufruf in der Sendung) sowie die methodische kenhafte Fundament einer Geschichte der DDR­ Konzeption der Gruppendiskussion. So ist un­ Jugendmedien, das mit Fokussierung auf ju­ klar, ob z.B. Ausschnitte der Sendung als Stimu­ gendliche Rezipienten ausgebessert und erganzt lus vorausgeschickt werden müssen und ob der 188 Rundfunk und Geschichte 22 (1996)

Leitfragebogen den Forschungsfragen ange­ »Fernsehpioniere in Österreich« messen ist. Da die Sendung Domian in Fernse­ Tagung beim ORF in Wien hen und Hörfunk zugleich übertragen wird, stellte sich auch die Frage, ob hier die unterschiedliche Unter dem Titel »Fernsehpioniere in Österreich« Nutzergruppen getrennt voneinander zu behan­ wird am 14./15. November 1997 eine Tagung delt sind. Zur Lösung des Rekrutierungspro­ der Osterreich-Gruppe des Studienkreises blems empfahlen die Berater eine persönliche Rundfunk und Geschichte im ORF-Zentrum, Ansprache von Versuchspersonen an ausge­ 1136 Wien, Würzburggasse 30, stattfinden. wählten Orten, z. B. Mensa, Schule, Institut, um Mitarbeiter der ersten Stunde werden im Mit­ den erheblichen Organisationsaufwand gering zu telpunkt der Tagung stehen, die sich mit Fragen halten. So könnten auch vorab getrennte Grup­ der Programmgeschichte sowie Organisations­ pen von Fernsehzuschauern, Radiohörern bzw. strukturen beschäftigen wird. Als Augenzeugen »Gemischtnutzern« gebildet und mögliche Ver­ dieser »Pionie~ahre« ab 1954 werden u.a. Wolf zerrungen verringert werden. Zur Überprüfung Neuber, Walter Davy und Paul Angerer, die sich ihrer inhaltlichen Konzeption wurde Iris Huth ein spater in vielerlei Funktionen im Rundfunk und Gespräch mit Experten vom Südwestfunk vermit­ im Fernsehen zu Publikumslieblingen entwickelt telt, wo auch die Gelegenheit besteht, eine haben, erwartet. Gruppendiskussion live mitzuerleben. Eingeladen sind auch Examenskandidaten, ln ihrer Diplomarbeit »Medien und Behinder­ die sich mit Fernsehgeschichte in Osterreich be­ te. Bestandsaufnahme und Analyse der Medien­ schäftigen. Ziel der Tagung i.st nicht nur ein Dia­ angebote für und der Mediennutzung von Men­ log zwischen Zeitzeugen und Rundfunkhistori­ schen mit Behinderung« möchte Tanja Nagel kern, sondern auch die Erstellung eines For­ (Universität Eichstatt) untersuchen, welche schungsplans für Österreich, der versucht, Pro­ Chancen und Möglichkeiten Behinderte in der gramm- und Organisationsgeschichte zu ko~r­ Bundesrepublik haben, sich am Kommunikati­ dinieren. Die wissenschaftliche Kompetenz brm­ onsprozeß zu beteiligen. Dabei soll beschrieben gen das Institut für Publizistik Wien - Wolfgang werden, welche Medien speziell für Behinderte Duchkowitsch, Fritz Hausjell- und das Institut für existieren, wie sie in Rundfunkraten und Gremi­ Publizistik Salzburg - Thomas Steinmaurer - ein. en vertreten sind, wer Behindertenprogramme Auskünfte erteilt das ORF-Sekretariat: Tel. 01 anbietet und deren Bestandteile selektiert, wel­ - 87878 2380. che Medien Behinderte selbst wollen, ob Behin­ derte an der rechtlichen und politischen Diskus­ sion beteiligt sind und wie die Kommunikatoren »Rezeptionsgeschichte nach 1945« ihr Publikum sehen. Dazu hat Tanja Nagel 300 Fragebögen an Hörfunk- und Fernsehanbieter in Eine Tagung im Südwestfunk Bayern, sowie an bundesweite Clubs und Ver­ bande, die Medien für Behinderte publizieren, Die Abteilung Medienforschung des Südwest• verschickt. Als Problem bei dieser Konzeption funks veranstaltet in Kooperation mit dem Stu­ wurde die zu breite Anlage des Forschungsrah­ dienkreis Rundfunk und Geschichte, der Stiftung mens bewertet. Die Untersuchung muß sich auf Lesen, dem Deutschen Rundfunkarchiv und der einen Aspekt des Verhältnisses »Menschen mit Historischen Kommission der ARD am 24. und Behinderung und Medien« beschranken. Im 25. Oktober 1997 beim Südwestfunk in Baden­ Rahmen einer Diplomarbeit und im Hinblick auf Baden eine Fachtagung zur »Rezeptionsge­ den zu erwartenden Rücklauf der Fragebögen ist schichte nach 1945«. Die Tagung will Wissen­ es deshalb sinnvoll, die Anbieterseite der Medien schaftler zusammenbringen, die sich mit den »Veränderungen von Medienrezeption« befas­ deskriptiv anzugehen. Hier wurden zwei Lö• sen, und ihnen ein Forum für die Vorstellung von sungsmöglichkeiten diskutiert: 1. Spezielle S~n­ dungen für Menschen mit Behinderungen 1m Forschungsarbeiten bieten. Berücksichtigt wer­ Fernsehen. Eine Bestandsaufnahme 1997. 2. Je den sollen alle Medien - Hörfunk, Fernsehen, nach Rücklauf eine Beschreibung ausgewählter, Film, Zeitung, Zeitschrift und Buch. Erganzt wird das breit angelegte Programm, das in Fachvor­ aussagekräftiger Institutionen und deren Ange­ bote für behinderte Rezipienten, Mitbestim­ tragen und Podiumsdiskussionen präsentiert wird durch eine Abendveranstaltung zum The­ mungsmöglichkeiten etc. auf der Basis der aus­ ma Rolle der Literatur und der Schriftsteller führlichen Fragebogenergebnisse. ~Die Metanie Thieltges, Münster im Wandel seit 1945«. Tagungsunterlagen können beim Südwest• funk, Unternehmensplanung/ Medienforschung, Hans-Bredow-Str., 76522 Baden-Baden, ange­ fordert werden. Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv

Programmgeschichte des Rundfunks in ln ihren zeitgeschichtlichen Kontext gestellt, der Weimarer Republik erschienen laßt die Frühgeschichte des ersten elektroni­ schen Massenmediums exemplarisch erkennen, Im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv} Mün• wie sich ein neues Medium in eine formal demo­ chen sind, herausgegeben von Joachim-Felix kratische Gesellschaft integrierte. Es wird deut­ Leonhard, die Ergebnisse jahrelanger For­ lich, wie sich Politik und Gesellschaft des Rund­ schungsarbeiten der Stiftung Deutsches Rund­ funks bemächtigten, er aber durchaus auch funkarchiv (DRA) Frankfurt am Main - Berlin, selbständig gesellschaftlich relevante Themen Standort Frankfurt am Main, in zwei Banden er­ und Entwicklungen aufgriff, auf seine Weise ei­ schienen: die »Programmgeschichte des Hör• nem breiten Publikum vermittelte und damit zu funks in der Weimarer Republik«. Auf nahezu einem Faktor des gesellschaftlichen und politi­ 1 300 Seiten, illustriert durch zahlreiche Fotos, schen Lebens wurde. Faksimiles, Tabellen und Grafiken, haben fünf Mitarbeiter des DRA sich eines bislang - im Ver­ Joachim-Felix-Leonhard (Hrsg.): Programmge­ gleich zur Organisations- und politischen Ge­ schichte des Hörfunks in der Weimarer Republik. schichte - kaum wahrgenommenen Forschungs­ 2 Bde. München: Deutscher Taschenbuch Ver­ gegenstandes angenommen. Die zweibändige lag 1997, 1 298 Seiten. ISBN: 3-423-04702-X. Darstellung ergänzt somit den schon 1980 in der DRA dtv-Reihe »Rundfunk in Deutschland« erschie­ nenen und von Winfried B. Lerg geschriebenen Band »Rundfunkpolitik in der Weimarer Repu­ blik« um die programmrelevante Seite. CDs zu Stalin-Kult und Zeppelin ln den beiden Banden entsteht erstmals ein für die wichtigsten Programmbereiche Zeitge­ Das Deutsche Rundfunkarchiv hat in Zusam­ schehen, Musik und Literatur, zu denen ein ein­ menarbeit mit dem Deutschen Historischen Mu­ leitender umfangreicher Überblick über die or­ seum in Berlin zwei neue CDs innerhalb der Se­ ganisatorischen Komponenten des Programms rie »Stimmen des 20. Jahrhunderts« herausge­ hinführt, umfassendes Panorama der Frühge• geben. Anlaßlieh der von Mai bis August 1997 zu schichte des Rundfunks in Deutschland von sehenden Ausstellung »Aufbau West - Aufbau 1923 bis 1933. Dabei wird deutlich, daß das bis­ Ost. Die Planstädte Wolfsburg und Eisenhütten• herige Bild des Weimarer Rundfunks - geprägt stadt in der Nachkriegszeit« im Berliner Zeug­ von einer relativ genauen Kenntnis der Rundfun­ haus erschien die CD »Stalinallee - Stalinstadt«. kordnung und bestenfalls fragmentarischen In­ Neun Tondokumente des Rundfunks der DDR formationen über das Programm - in manchem aus den Jahren von 1951 bis 1955 vermitteln unzutreffend, vor allem aber unvollständig ist. noch einmal akustisch den Aufbau einer »sozia­ Obwohl politisch und finanziell von staatlichen listischen Stadt« bzw. einer »sozialistischen Instanzen beherrscht, haben sich die neun re­ Straße«, beginnend mit dem Anblasen des er­ gionalen Sendegesellschaften und die überre• sten Hochofens des Eisenhüttenkombinats Ost gionale Deutsche Welle erheblich mehr Freirau­ (1951), der »Taufrede« von Walter Ulbricht me zu verschaffen vermocht als bisher ange­ (1953) - mit der die Geschichte von Stalinstadt nommen. So ist beispielsweise der konkrete Ein­ offiziell beginnt -, dem Richtfest an der Weber­ fluß von Intendanten und leitenden Mitarbeitern wiese bis zum Einzug in die neuen Wohnungen bei weitem größer gewesen als der von Überwa• und Gesprächen mit den Mietern (1953) bzw. chungsgremien und zentraler Reichs-Rundfunk­ der Sendung zum zweijährigen Bestehen von Gesellschaft. Es konnte eine regional stark diffe­ Stalinstadt (1955), die als Folge der Entstalinisie­ renzierte Rundfunklandschaft entstehen, in der rung seit 1961 Eisenhüttenstadt heißt. Zwi­ sich einzelne Sendegesellschaften mit ganz un­ schendurch sind zwei Tonaufnahmen zu hören terschiedlichen Programmen profilierten, die die sich mit dem Tod Stalins beschäftigen: di~ Hamburger Norddeutsche Rundfunk AG etwa Reportage von der eindrucksvollen Beerdigungs­ als Vorreiterin im Aktuellen, die Frankfurter Süd• zeremonie auf dem Roten Platz in Moskau sowie westdeutsche Rundfunk AG als Hort der musi­ ein Ausschnitt vom Staatsakt der DDR-Führung kalischen Moderne und die Schlesische Funk­ in der Berliner Staatsoper (1953). stunde in Breslau im rundfunkgenuinen Hörspiel. Die zweite CD »Der Zeppelin in Deutschland 1900 bis 1937«, bei der das Zeppelin-Museum in 190 Rundfunk und Geschichte 23 (1997)

Friedrichshafen zusatzlieh Mitherausgeber ist, erinnert an die wechselvolle Geschichte des Zeppelins in Deutschland. Die CD dokumentiert den Start des ersten Luftschiffs (1900), die Dan­ kesrade »an das deutsche Volk« von Graf Zep­ pelin (1908), die Schilderungen der Atlantiküber• querung von Eckener (1924) und die aufsehen­ erregende Arktisfahrt der LZ 127 ( 1931) sowie die berühmte Reportage vom Lakehurst-Unglück (1937). Nicht unerwähnt bleibt auch die Funktion des Zeppelins als Propagandainstrument der Nationalsozialisten, so bei der Deutschlandfahrt der beiden Zeppeline »Hindenburg« und »Graf Zeppelin« anlaßlieh der sogenannten Reichs­ tagswahl (1936). Die CDs, diebeideein illustriertes Begleitheft enthalten, sind beim Deutschen Historischen Museum bzw. beim Deutschen Rundfunkarchiv für je DM 9,95 zu erwerben. WR