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film streifen (Drehbuch) und Pearse Moore (Produktion), die in- nerhalb von sechs Tagen im April 1996 und mit ei- WAS FÜR EINE ERLEICHTERUNG: nem Budget von nur 45.000 Pfund ihren Film in und um Derry an beiden Seiten des Flusses Foyle und auf dem Fluss selbst gedreht hatten. Der bekannte Dance, Lexie, Dance nordirische Schauspieler B.J. Hogg, der im gleichen Jahr in Stephen Burkes ‘81’ den protestantischen Familienvater Kenneth Campbell verkörperte, spielte Lexie Hamilton, den verwitweten Vater und Arbei- ter in einem am Fluss liegenden Elektrizitätswerk; „Nein, bitte, nicht noch mehr Gewalt“ stöhnte eine schenk bekommen. Von ihrem Schlafzimmer aus er- die Schülerin aus Holywood/ Co. Down, Kimberley Workshop-Teilnehmerin, die bis dahin die filmische öffnete sie das Feuer auf den gegenüberliegenden Mc Conkey, seine Riverdance-verrückte, kleine Reflexion der irischen Troubles des frühen 20. Jahr- Schulhof; sie tötete zwei Menschen und verletzte Tochter, Laura. Ihr Haus befindet sich auf dem E- hunderts tapfer ausgehalten hatte. Ihre Bemerkung sechs weitere. Während einer kurzen Feuerpause ge- Werk gegenüberliegenden Flussufer. galt meiner Ankündigung, wir würden uns später währte sie dem Lokalradiosender ein Telefoninter- auch noch mit den Troubles des späten 20. Jahr- view, in dem sie ihre Nicht-Erklärung abgab, nichts Bekanntlich trennt der Fluss Foyle die hauptsäch- hunderts befassen müssen. sei los, sie möge einfach keine Montage. lich katholische Westseite Derrys einschließlich der mit einer Stadtmauer umringten Altstadt von der Wir hatten uns Sequenzen aus Neil Jordans Michael hauptsächlich protestantischen Ostseite – die Aus- Collins (1996) und Ken Loachs The Wind that Shakes VERHÖRT, VERKANNT, VEREIN- nahme auf der westlichen, der Altstadtseite, bildet the Barley (2006) angeschaut. Es sind bekanntlich die protestantische Fountains-Enklave. Pearse Darstellungen der Zeiten 1916-1922 bzw. 1920-1923 NAHMT – WAS FÜR EIN THEMA: Moore spricht vom Fluss im Film als Metapher für in Farbe, die, wenigstens für junge Augen, sehr viel das Leben, das weiterfließt. Genauso wichtig, wenn einprägsamer wirken als die schwarz-weiß-Wo- IRISCHE „REBELLEN“-SONGS AUF nicht noch wichtiger, ist die Idee des Flusses als chenschau-Filmchen der damaligen Zeit selbst. Als etwas Verbindendem zwischen der protestanti- nächstes auf meinem Programm standen YouTube- YOUTUBE! schen Familie und der als fremd empfundenen ‘ka- Visualisierungen von Songs, die mit den Troubles der tholischen’ Kultur. Zeit 1916-1923 zu tun hatten: wir entdeckten sehr Mit Dominic Behans meines Erachtens reichlich viel glorifizierte Gewalt und noch mehr „fuzzy histo- konfusem Song „The Patriot Game“ waren wir mit Der Film wird mit einer Szene im E-Werk eröffnet. ry“ – Ken Loachs IRA-Helden schlachten die ver- dem Thema IRA, Tod, Gewalt, den Troubles des spä- Lexie hat die Nachtschicht hinter sich gebracht, meintlichen Mörder von Neil Jordans Patrioten aus teren 20. Jahrhunderts und dem berühmt-berüch- zieht seine Schutzschuhe aus und seine Gummistie- dem GPO ab. Unsinn, aber sehr eindrucksvoll prä- tigten Nord-Irland-Konflikt konfrontiert. Musste ich fel an. In dem Moment klingelt auf der andern Seite sentierter Unsinn! Drei Songs der Gebrüder Behan so schrecklich klaustrophobisch wirkende Filme wie des Flusses der Wecker seiner kleinen Tochter und – „My Laughing Boy“ zu Ehren Michael Collins von Paul Greengrass’ Bloody Sunday (2002) oder Steve sie schlüpft in ihre lustigen Pantöffelchen hinein. Brendan, „Come Out, Ye Black and Tans“ und „The McQueens Hunger (2008) den Studierenden antun? Während er mit seinem Motorboot nach Hause über Patriot Game“ von Dominic platzten fast den Rah- Bitte nicht gleich missverstehen. Wir wollten auch den Foyle fährt schaut sie sich das Frühstückspro- men des Workshops, denn sie benötigten unendlich keine reine Feel-good-Filme sondern Filme, die eine gramm im Fernsehen an. Als er ins Haus kommt, viel Kontextualisierung. gewisse Hoffnung auf eine neue Normalität erken- hüpft sie, noch im Nachthemd und Pantoffeln, im nen lassen. Takt zu Riverdance. Die Show hat es ihr, wie sehr Übrigens, kennen Sie Michael Behrendts Buch „I vielen kleinen Mädchen auf dieser Welt, angetan: Don’t Like Mondays: Die 66 größten Songmissver- Wir versuchten es mit drei Kurzfilmen aus den sie will Riverdancerin werden. Dies eröffnet sie ih- ständnisse“ (2017) – „Verhört, verkannt, verein- Neunzigerjahren, die ich besonders schätze: Ste- rem etwas erschrockenen und nach der Nacht- nahmt“. Das einzig Irische am Buch ist der Titelsong phen Burkes mehrfach prämierter After ‘68 (1994) schicht erschöpften Vater: Nein, sie tanzen nicht, von Bob Geldorf und den Boomtown Rats, ein Song, und 81 (1997) mit ihrem persönlichen sogar witzi- ist seine Antwort; sie könnten es versuchen und der anscheinend gerne als Ausdruck des Montag- gen Aproach sowie Tim Loanes für einen Oscar no- Mama hätte es ihr erlaubt, ihre Antwort. Blues’ missverstanden wird. „I don’t like Mondays“ minierter Dance Lexie Dance (1996). ist tatsächlich die (Nicht-) Erklärung einer kaliforni- Während Laura in die Schule geht, legt sich Lexie schen Mörderin zu ihrer Tat: die sechzehnjährige Dance Lexie Dance (1996) ist die Arbeit dreier hin. Schlafen kann er aber nicht. Die Begeisterung Brenda Ann Spencer hatte zu Weihnachten 1978 von damals noch junger Männer, die es inzwischen weit seiner Tochter für das ‘südirische’ Tanzspektakel ihrem Vater ein halbautomatisches Gewehr als Ge- gebracht haben, Tim Loane (Regie), Dave Duggan lässt ihm als fürsorglichem Vater, noch trauerndem 40 irland journal XXIX, 4.18 film streifen Witwer und Protestanten keine Ruhe. Weder Radio Kleid muss her! Sich noch einmal in die Löwenhöh- tion in die Altstadt zum irischen Danceshop begeg- Foyle noch sein Stephen Ring-Roman kann ihn ab- le wagen möchte er sich deswegen nicht; ein Tanz- net war, elegante, der Trägerin angepasste, River- lenken. Unausgeschlafen wie er ist, fährt er wider- kleid aus zweiter Hand tut’s auch, auch wenn diese dance-gemäße Outfits samt Diadem. Lexie ist es um über den Foyle und begibt sich mutig in eine zweite Hand einem katholischen Arbeitskollegen offensichtlich nicht ganz wohl inmitten der zuschau- Höhle des irisch/ katholischen Löwen, einen mit gehört und das Kleid genau so diskret verpackt wie enden Familienangehörigen: er tut aber alles, um Tanzkleidern vollgestopften Laden mitten in der Alt- der Videofilm anonym in braunem Packpapier Lexie seine Tochter zu ermutigen, als sie an der Reihe ist. stadt. Was man nicht alles für seine kleine Tochter im Umkleideraum unauffällig überreicht wird. Das Am Ende ihrer Darbietung spendet er ihr wild Ap- tut! Er überreicht ihr seine diskret verpackte Beute, Kleid in grellstem, irischem Grün mit Silbersticke- plaus und pfeift ihr zu. Lexi und Laura treten jetzt einen Teach-Yourself-Irish Dance-Videofilm. reien ist nicht zeit-, mode-, d.h. Riverdance-gemäß ihren Heimweg über den Foyle an. Mitten im Fluss kurz sondern hängt der kleinen Laura bis unterhalb erkennt Laura endgültig, dass sie – ihre Mutter ist Klein-Laura übt fleißig und bekehrt auch ihre Schul- der Knie. Ihr geduldiger Vater muss sich auch noch gemeint – nie wieder nach Hause zurückkommen klasse – unter ihrer Anleitung tanzt sie in einer Ri- mit Stecknadeln im Mundwinkel als Änderungsnä- wird. An ihrem Ufer angelangt reichen Vater und verdance-ähnlichen Formation auf dem Pausenhof. her betätigen. Tochter einander die Hand und nach einigem Zö- Als Lexie sieht, wie viel Lebensfreude seine mutter- gern tanzen sie halb, halb hüpfen sie Hand in Hand lose Tochter durch den irischen Tanz gewonnen hat, Endlich ist der große Tag da, Lexie stürzt sich in Gala, das Ufer entlang. Nach der gemeinsam durchge- weist er auf den bevorstehenden irischen Tanzwett- Jacke, weißes Hemd und Krawatte, Laura in das standenen Expedition in die Fremde haben Vater und bewerb, auf das ‚feis‘ hin, das in einem Monat aus- besagte grüne Tanzkleid, weiße Socken und – ihre Tochter neu zueinander gefunden. gerechnet in der ehemaligen Hochburg protestan- Variante – genauso grell rote Haarschleife. In ge- tischer Macht, der Guildhall veranstaltet wird. Ein genseitiger Ehrerbietung besteigen sie ihr festlich An keiner Stelle dieses Filmes fallen Reizworte wie mit rot-weiß-blauen Wimpeln ausge- Katholik oder Protestant, Nationalist oder Unionist schmücktes Motorboot und fahren mit vol- oder deren lokale Variante; in einem Land wie Nord- ler Geschwindigkeit Richtung Derrys Alt- irland brauchen sie nicht ausgesprochen zu wer- stadt und Guildhall. den. Wie mutig Lexie Hamilton aus Liebe zu seiner Angekommen in der Guildhall wird Klein- Tochter und wie mutig Tim Loane und seine Kolle- Laura wie alle anderen Wettbewerbsteil- gen in ihrem märchenhaften kleinen Film aus dem nehmerinnen nach ihrem Namen und dem- Derry der Jahrtausendwende gewesen waren, wur- jenigen ihrer Mutter gefragt. Zum ersten Mal de in Filmfestspielen international erkannt. im Film wird – in der direkten, naiven Ant- wort des Kindes: ‘Meine Mutter ist tot’ – der Der Film wurde in der Kategorie ‘Kurzer Realfilm’ Tod von Lauras Mutter ausgesprochen. für einen Oscar nominiert und das Team inklusive ‘Lexie’ und ‘Laura’ jettete zur Preisverleihung nach Lexie springt sofort ein und mit Stolz gibt er Kalifornien. seinen offensichtlich protestantischen Na- men, Lexie Hamilton, als Ersatz für den Na- In der langen Oscarnacht vom 23.-24. März 1998 men seiner verstorbenen Frau. Der große, wurde u.a. auch am großen Schirm des Orchard- mit Holz paneelierte Saal der Guildhall, der Kinos in Derry