Evangelische Dreieinigkeitskirchengemeinde - und Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Rudow (Hrsg.) Die Philipp-Melanchthon-Kapelle in Berlin‑Rudow und ihre Glocken von Beate Rossié

Gefördert durch die Evangelische Kirche Berlin--schlesische Oberlausitz Inhalt

Geleitwort 3

Vorwort 4

Vorwort der Kirchengemeinden 5

1 Kirchengemeinde und Pfarrer in Berlin-Rudow Vorgeschichte 6 Siedlungstätigkeit in der Zeit der Weimarer Republik 6 Die Kirchengemeinde Rudow in der Zeit des Nationalsozialismus 8 Pfarrer Karl Gerhard Klinge 9 Gemeindeschwester Margarete Stirnatis und die Kirchenfahne 10 Bauliche und personelle Planungen für die Evangelische Kirchengemeinde Rudow 10 Andere kirchliche Initiativen im Rudower Siedlungsgebiet 12

2 Die Philipp-Melanchthon-Kapelle in Berlin-Rudow Baugeschichte 14 Erscheinungsbild und Nutzung 19 Vergleichsbeispiel Martin-Luther-Gemeindeheim in Berlin-Buckow 19

3 Die Glocken Die Glocken der Philipp-Melanchthon-Kapelle in Berlin-Rudow 22 Die Glocken der evangelischen Kirchen Rudows im Zweiten Weltkrieg 23 NS-Symbolik auf Kirchenglocken 25 Zu Möglichkeiten des Umgangs mit Titel: NS-belasteten Glocken 27 Entwurf von Paul Poser »zur Errichtung eines Evangelischen Gemeindeheimes« in Berlin-Rudow, Fußnoten 30 Dezember 1934 (Ausschnitt) ELAB Literatur und Quellen 34 Geleitwort

Glocken rufen zum Gebet, morgens, mittags und abends. der Verstrickung der Kirche in das Unrecht. Die mit Nazi- Ihr Klang ist der Gemeinde lieb und vertraut. Am Sonn- symbolik versehene Glocke wird an ihrem neuen Stand- tagmorgen ist ihr Läuten schon Teil des Gottesdienstes. ort, gerade weil sie nicht mehr läutet, – pädagogisch So ist eine Glocke mehr als ein tönender Kulturgegen- sachgerecht begleitet – zu einer aussagekräftigen Zeugin stand. Sie hat Anteil an der christlichen Verkündigung. In dafür, was geschieht, wenn die Kirche sich dem Zeitgeist der Philipp-Melanchthon-Kapelle im Orchideenweg Berlin- unterwirft statt auf das Evangelium zu hören, wenn sie Rudow läutete sehr lange eine Glocke mit Hakenkreuz diktatorische Herrscher oder Ideologien statt ihren eige- und Reichsadler. Noch über 75 Jahre nach Ende des Nazi­ nen Herrn anbetet. Mit dem Erinnern der historischen regimes war sie zu hören, symbolisch und aus Überzeu­ Tatsachen und dem Bekennen der Schuld unserer Kirche gung verschmolzen mit der nationalsozialistischen Ideo- wird Umkehr möglich. Über den Dreischritt – erinnern, logie als damals herrschender Lebenswirklichkeit vieler lernen, handeln – will die kirchliche Erinnerungskultur für Christinnen und Christen. Heute stehen wir fassungslos unser Leben Orientierung geben. Die Glocke wird also zu vor der Glocke mit den Symbolen, die für Diktatur, Völker­ einem Lernort, kann heutige Betrachter und Betrachterin- mord und Krieg stehen. Und wir wissen zugleich: Dieses nen dazu mahnen, sich gegen Nationalismus und autori- Erbe kann nicht und darf nicht, weil es schwer und täre Bewegungen zu engagieren. schmerzhaft ist, umgangen, verdrängt oder verschwiegen Die Einordnung der Gemeinde in die Zeit des National- werden. sozialismus und des Kirchenkampfes umfasst die dama- Die Kirchenleitung und der wissenschaftliche Beirat lige Lebenswirklichkeit der Gemeinde und ihrer Mitarbei- Erinnerungskultur der Evangelischen Kirche Berlin-Bran- tenden, den Kapellen-Neubau am Orchideenweg und die denburg-schlesische Oberlausitz haben deshalb zu Recht Umstände der Entstehung der Glocke. Dass dies historisch als erste Maßnahme das Stilllegen der Glocke empfohlen. so detailliert erforscht und zeitlos interessant zu lesen Des Weiteren, so der Beirat, sei ein angemessener Um- ist, verdanken wir der engagierten Arbeit der Kunsthisto­ gang, die Glocke aus dem Kirchturm abzunehmen und an rikerin Beate Rossié, deren Dokumentation ich nicht nur einem nahgelegenen Ort auszustellen und zu kommen- den Gemeindegliedern wärmstens zum Studium emp- tieren. So wird der Bruch mit der Vergangenheit sichtbar fehle. Auch daraus können wir alle für heute und für die gemacht, die Kontinuität aufgebrochen. Der Gebrauch Zukunft lernen. wird beendet, dem Missbrauch gewehrt: Die Glocke wird in einen neuen pädagogischen Kontext gestellt. Diese Lö- sung ist der Evangelischen Dreieinigkeitskirchengemeinde Buckow und der Evangelischen Kirchengemeinde Rudow nach intensiver, gründlicher Reflexion der eigenen Ge- schichte mit Hilfe des Museum Neukölln gelungen. Dafür bin ich allen Beteiligten ausdrücklich dankbar. In Zukunft wird es darauf ankommen, dass die Erinne- rung an den Nationalsozialismus ihren Weg auch ohne Zeitzeugen vom kommunikativen in unser kulturelles Bischof Dr. Christian Stäblein Gedächtnis schafft. Umso wichtiger werden Orte und Evangelische Kirche Gegenstände, die die Geschichte »erzählen«, auch die Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

3 Vorwort

Wie konnte es dazu kommen, dass eine Glocke mit natio­ Recherche und kluger Interpretation herausfand, ist in nalsozialistischen Symbolen im Kirchturm der Philipp- diesem Heft zusammengefasst. Sie analysierte Architektur Melanchthon-Kapelle in Berlin-Rudow jeden Sonntag zum und Baugeschichte der Philipp-Melanchthon-Kapelle so- Gottesdienst rief? Begleitet von der EKBO haben sich die wie von deren Glocken und ihre historischen Hintergrün- Evangelische Dreieinigkeitskirchengemeinde Buckow und de. Auch werden in diesem Zusammenhang Pfarrer Paul die Evangelische Kirchengemeinde Rudow auf einen lan- Zorn und die Gemeindeschwester Margarete Stirnatis gen und schwierigen Weg begeben, um ihre Geschichte noch einmal gewürdigt, die in der Nazizeit im christlich- in der Nazizeit zu ergründen. Vom ersten Anruf beim da- sozialen Engagement gegen das braune Gedankengut mals amtierenden Gemeindepfarrer kurz vor dem ersten zu wirken versucht hatten, aber von den sogenannten Advent 2017 mit der verstörenden Mitteilung, dass er eine »Deutschen Christen« aus der Gemeinde herausgemobbt mit Nazisymbolik belastete Glocke in seinem Kirchturm wurden. Dieser belastenden Vergangenheit müssen wir habe und dass diese ab sofort nicht mehr läuten dürfe, uns heute stellen, ohne etwas zu beschönigen. Trotzdem bis zum Druck dieser Dokumentation im Juni 2021 war das kann die Gemeinde beim Rückblick auf ihre Geschichte ein oft schmerzhafter, aber doch lohnender Prozess. nun dank der detaillierten Forschung auch auf diese In diesem Sinne war und ist die Auseinandersetzung glaubwürdigen Christen verweisen, an die es ebenfalls zu mit dem braunen Erbe der Gemeinde ein gelungener Akt erinnern gilt. Mit der Schenkung an das Museum Neu- evangelischer Erinnerungsarbeit: In einer von den Ge- kölln hat die Geschichte der mit Nazisymbolen besudel­ meindekirchenräten gebildeten Arbeitsgruppe setzten ten Glocke ein gutes Ende gefunden. Dazu verhilft die sich die Gemeinden zum Beispiel mit der Frage ausein- Aufstellung der Glocke im Speicher des Museums, dessen ander, wer von dieser Glocke gewusst hatte, und warum Direktor Dr. Udo Gößwald ein hilfreicher Kooperations- dieses Wissen verschwiegen oder verdrängt wurde. Man partner im Prozess der Aufarbeitung war. Hier kann die kam zu dem Schluss, dass die Glocke zwar abgenommen, Glocke zukünftig von Interessierten nach Voranmeldung aber erhalten werden sollte, damit auch zukünftige Gene­ unter pädagogischer Begleitung besichtigt werden. ra­tio­nen davon lernen können, wie weit die Verquickung der Kirche mit nationalsozialistischen Ideologien gehen konnte. Gleichzeitig wollte die Dreieinigkeitskirchenge- meinde sie nicht auf ihrem Gelände behalten, um keinen Anziehungspunkt für neue Nazis zu schaffen. Auch sollte die fehlende Glocke nicht ersetzt werden, die Gemeinde will sich künftig mit der einen verbliebenen Glocke be- gnügen, um bewusst eine Leerstelle als stummes Zeugnis und Mahnung zu belassen. Schnell wurde auch klar, dass die Gemeinde überfor- Pfarrerin Marion Gardei dert war, selbst ihre Geschichte in der Nazizeit und die Beauftragte der EKBO für jüdisches Leben und ihrer Glocke fachgerecht zu erforschen. Deshalb beschloss für den Kampf gegen Antisemitismus (Antisemitismus­ sie, dies in die professionellen Hände der auf dem Gebiet beauftragte) und Beauftragte für Erinnerungskultur des Kirchenbaus in der NS-Zeit profilierten Kunsthisto- rikerin Beate Rossié zu legen. Was diese in sorgfältiger

4 Vorwort der Kirchengemeinden

An dieser Stelle bedanken sich zunächst die Ältesten und Deutlich wird aber auch, wie dicht die Vergangenheit Pfarrer*innen der Evangelischen Kirchengemeinde Rudow unserer Gegenwart kommt. bei der Evangelischen Kirchengemeinde Dreieinigkeit. »Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und Dafür, dass sie sich als ehemalige Filialgemeinde der Ru- mein Leben ist wie nichts vor dir. Ach, wie gar nichts sind dower Kirchgemeinde seit 2017 die Zeit für die Recherche alle Menschen, die doch so sicher leben!« (Psalm 39, 6) und Auf­arbeitung der Geschichte ihrer Glocke mit Nazi­ Trotz Wiederaufbau nach dem Krieg, trotz anderer Zeiten: symbolik genommen hat. Sie hat sich den erschrecken- Wir leben nur »vermeintlich sicher« hier. Nicht zuletzt den und fast 100 Jahre zurückliegenden Geschehnissen des­wegen, weil die menschenverachtende, rassistische der hier im Süden gelegenen Kirchenlandschaft rechte Geisteshaltung bis zum heutigen Tag den Süden gestellt. Neuköllns beschädigt und bedroht. Indem Nazi­parolen Ein Dankeschön für die Unterstützung und Vermitt- an Häuserwände und Mauern gesprüht, Banner des lungsarbeit während des mehrjährigen Prozesses gebührt Kirchenkreises gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassis­mus natürlich auch Pfarrerin Marion Gardei, die im Auftrag und Antisemitismus zerstört, indem Steine auf Buchladen­ der EKBO als Beauftragte für Erinnerungskultur diesen schaufenster geworfen und Pkws in Brand gesetzt wer­- Prozess sachgerecht und sensibel begleitete. Wir sind den. Die Auseinandersetzung mit der Ideologie des Natio­ dankbar, dass die Glocke zukünftig im Geschichtsspeicher nalsozialismus und seinen Auswirkungen auf unsere des Museum Neukölln einen guten, didaktisch überzeu- Gegenwart ist nicht abgeschlossen, auch deshalb war es genden und sicheren Platz findet. Vielen Dank deshalb uns als Kirchengemeinden ein großes Anliegen, sich mit auch an Dr. Udo Gößwald. der Geschichte der Glocke mit dem nationalsozialistischen Die Kunsthistorikerin Beate Rossié hat die Aufgabe Symbol auseinanderzusetzen. Die inhaltliche Aufarbei- übernommen, der Geschichte der Glocke und ihren »Ur- tung dieser verstörenden Zeit, das Aufräumen mit der sprüngen«, den Zeitgeschehnissen, nachzugehen und Geschichte dieser Gemeinde, auf deren Geist und Geld sie in einen übergemeindlichen Kontext zu bringen. Dies die Naziglocke rekurriert, muss weiter betrieben werden. erwies sich für alle Beteiligten als ein Glücksgriff. Gut, dass diese Dokumentation Licht auf die Geschich- Dank ihrer Recherchen wurde ein profunder Einblick te wirft. Dies kann uns in unseren Gemeinden dazu ver- in den damaligen Alltag – der Rudower Kirchengemeinde helfen, achtsam und wachsam für die politischen Entwick­- wie auch der Philipp-Melanchthon-Kapelle – gewonnen, lungen unserer Tage zu sein. notwendig und beunruhigend zugleich. Die Ergebnisse verschaffen schmerzliche Klarheit über jahrzehntelang Für die Gemeinden verdrängte Zusammenhänge. Beim Lesen der Dokumentation wird deutlich, dass die Pfarrerin Nora Rämer Glocke, so verstörend und inakzeptabel sie ist, sichtbar Evangelische Dreieinigkeitskirchengemeinde macht, welche Auswirkungen und Beeinflussung die men- Berlin-Buckow schenverachtende Ideologie des Nationalsozialismus auch auf kirchliches Handeln hatte. Dem unterlagen auch die Pfarrerin Beate Dirschauer damaligen Pfarrpersonen und Gemeindekirchenräte der Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Rudow Kirchengemeinde Rudow.

5 Kirchengemeinde und 1 Pfarrer in Berlin-Rudow Die Philipp-Melanchthon-Kapelle in Berlin-Rudow wurde Vorgeschichte im Jahr 1935, also in der Zeit des Nationalsozialismus er­- Um sich dieser Frage zu nähern, ist ein kurzer Blick auf die richtet. Eine ihrer beiden Glocken ist mit einem NS-Symbol Entwicklung sinnvoll, die die Rudower Kirchengemeinde versehen. 2017 setzte in der Evangelischen Dreieinigkeits­ und ihr Umfeld in den Jahrzehnten bis zur nationalsozia‑ kirchengemeinde Berlin-Buckow, zu der die Kapelle seit listischen Machtübernahme im Jahr 1933 nahmen. Im 1969 gehört, ein Prozess der Auseinandersetzung mit 19. Jahrhundert war die Rudower Kirchengemeinde be- der Glocke und ihrer Symbolik ein. Eine Arbeitsgruppe tont konservativ und kaisertreu eingestellt. Diese Prä- »Glocke« wurde gebildet, die sich mit dem zukünftigen gung war charakteristisch für den Protestantismus in der Umgang mit diesem Relikt befasste. Im August 2019 gab Zeit des deutschen Kaiserreichs. Der Kaiser selbst hatte die Kirchengemeinde die vorliegende Dokumentation kirchenleitende Funktion und fungierte als Oberhaupt der über die Philipp-Melanchthon-Kapelle und ihre Glocke in Evangelischen Landeskirche in Preußen. Das kirchliche Le- Auftrag. Erste Ergebnisse wurden anlässlich des Buß- und ben im Dorf Rudow wurde von wohlhabenden Großbau- Bettag-Gottesdienstes im November 2019 in einer provi- ern getragen und bestimmt. Sie stellten die Mitglieder sorischen Ausstellung vor Ort präsentiert. Die Dokumen- des Gemeindekirchenrats. Pfarrer Karl Gottfried Joachim tation widmet sich der Entstehungsgeschichte von Bau- Schlicht, der von 1895 bis 1927 die Pfarrstelle in Rudow werk und Glocke, skizziert die historischen Hintergründe innehatte und ab 1901 außerdem als Superintendent des und stellt die beteiligten Akteure und Institutionen vor. Kirchenkreises Kölln-Land II amtierte, vertrat ebenfalls Welche Faktoren und Umstände machten es möglich, eine deutsch-nationale und obrigkeitshörige Haltung. dass die mit einem NS-Symbol versehene Glocke in den Vehement wandte er sich gegen die in der zweiten Hälfte Turm der Rudower Kapelle gelangte? 1 des 19. Jahrhunderts entstandene Sozialdemokratie und ihre angeblich »religions- und autoritätsfeindlichen Be- strebungen«2. Damit folgte er der Linie Kaiser Wilhelms II. und seiner Frau Auguste Viktoria, die gegen die erstar- kende Arbeiterbewegung vorgehen wollten. Der Aus- und Umbau der Rudower Dorfkirche 1909/10 entsprach eben- falls den Vorstellungen des Kaiserpaars. Diese betrachte- ten den Kirchenbau als wirksames Mittel im Kampf gegen die Sozialdemokratie. Der verlorene Erste Weltkrieg und das Ende der Monarchie führten zu einer weitreichenden Krise innerhalb des Protestantismus in Deutschland. Auch in Rudow haderten Pfarrer und Gemeindekirchenrat mit der 1918 ausgerufenen Republik.

Siedlungstätigkeit in der Zeit der Weimarer Republik Ein weiterer Umbruch zur Zeit der Weimarer Republik betraf die Bevölkerungs- und Stadtentwicklung in Ber- lin. Im April 1920 wurde die bisherige Stadtgemeinde Berlin mit sieben Stadtgemeinden, 59 Landgemeinden

6 und 27 Gutsbezirken zu Groß-Berlin zusammengeschlos- 1 Historischer Stadtplan, 1906 sen. Auch Neukölln wurde mit Rudow und Buckow Ausschnitt mit markiertem Gebiet zu veräußernder nach Berlin ein­gemeindet. Wie in den meisten neuen Ländereien in Rudow Berliner Außen­bezirken setzte auch in Rudow eine rege ® Pharus-Plan Siedlungstätig­keit ein. 1921 wurde der »Siedlerverein Neu-Rudow« gegründet. Die »Terrain-Gesellschaft am Teltow-Canal Rudow-Johannist­ hal Aktiengesellschaft« parzellierte und verkaufte Grundstücke des ehemaligen Guts Rudow. Auch einige Rudower Großbauern veräußer- ten Ländereien. Die Bevölkerung wuchs rasant. Hatte Rudow 1904 noch 1.700 Einwohner, waren es 1933 bereits rund 12.000.3 Die zuvor überwiegend ländliche Einwoh-

7 nerschaft wurde hetero­gener. Die soziale Ungleichheit nalsozialistischen Machtübernahme – gegründet. Die nahm zu. Während manche Bauern durch Verpachtung »Glaubensbewegung Deutsche Christen« erstrebte die oder Verkauf ihrer Ländereien zu Wohlstand gelangten, Verbindung von Christentum und Nationalsozialismus, stammten die meisten der neu Zugezogenen aus den die Schaffung einer nach dem »Führerprinzip« geordne- ärmsten Bevölkerungsschichten. Viele von ihnen waren ten evangelischen »Reichskirche« und die Durchsetzung durch die Weltwirtschaftskrise 1929 in Not geraten. Ab des »Arierparagraphen« im Bereich der Kirche. Zunächst 1932 entstanden unter anderem die Siedlung »An der erhielt sie massenhaften Zulauf. Als der Berliner DC-»Gau- Bahnhofstraße« und die auch als »Kinderreichensiedlung« Obmann« Reinhold Krause auf einer im November 1933 bezeichnete Siedlung »Am Waldesrand« für arme Groß- stattfindenden Großkundgebung im Berliner Sportpalast familien. Zahlreiche Menschen lebten außerdem – teils in unter anderem die »Befreiung vom Alten Testament« provisorischen Bauten unter armseligen Bedingungen – forderte, folgten Austritte und schließlich die Spaltung in Laubenkolonien. So entstand ebenfalls 1932 die Kolonie der Gruppierung. Aller­dings blieb sie bis zum Ende des »Ewige Heimat« des »Erwerbslosengartenvereins«. Hier Nationalsozialismus bestehen. Als Gegenbewegung zu konnten Arbeitslose ein Grundstück pachten, auf denen den »Deutschen Christen« wurde im September 1933 der sie einfachste Schuppen oder kleine Lauben errichteten. Pfarrernotbund gegründet, aus dem 1934 die Bekennen- Von der Stadt Berlin erhielten sie dafür ein Darlehen von de Kirche (BK) hervorging. Ein Auslöser hierfür war die 100 Reichsmark.4 Einführung des »Arierparagraphen« durch die preußische Viele alteingesessene Rudower hegten großen Arg- Landeskirche. Die BK-Anhänger traten für die Unabhän- wohn gegenüber den Neuankömmlingen. Die meisten gigkeit der christlichen Lehre ein. Auch sie bildeten jedoch Mitglieder des Rudower Gemeindekirchenrats teilten die- keine grundsätzliche politische Opposition zum National- ses Misstrauen. In der Kirchengemeinde galten Siedlun- sozialismus. In beiden Konfessionen leisteten nur einige gen wie die Kolonie »Ewige Heimat« als »Elendsgebiete«5 wenige aufgrund ihres christlichen Glaubens Widerstand und deren Bewohner als kirchenfern. Eine Ausnahme bil- gegen das NS-Regime. dete der nach dem Ausscheiden Pfarrer Schlichts seit 1928 Auch in der Kirchengemeinde Rudow traten die »Deut- hier amtierende Pfarrer Paul Zorn. Er nahm sich der neuen schen Christen« bereits bei den Kirchenwahlen 1932 in Siedler an, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit oder Erscheinung. Zwar erzielte die hier bislang stärkste Liste politischen Einstellung. Entscheidend war für ihn »nur der deutsch-national gesinnten Alteingesessenen unter die Not, nicht das religiöse Bekenntnis oder die politische dem Kantor und ehemaligen Rektor Louis Christel immer Gesinnung«6. Mit einem »Erwerbslosendienst«, Kleider- noch die große Mehrheit. Aber die »Deutschen Christen« und Lebensmittelsammlungen, einer Bedürftigen-Küche, wurden schon zweitstärkste Kraft.7 Von da an arbeiteten der »Frauenhilfe« und der Forderung nach einer gerech- die nationalsozialistischen und die national-konservativen ten Kirchensteuer setzte er sich für die Belange der Siedler Gemeindevertreter eng zusammen. Ihr erstes gemeinsa- und Arbeitslosen ein. mes Ziel war es, Pfarrer Zorn aus der Kirchengemeinde zu drängen, wobei sie auch vor Schikanen und Androhung Die Kirchengemeinde Rudow in der Zeit des von Gewalt nicht zurückschreckten. Insbesondere sein Nationalsozialismus Eintreten für eine gerechtere Kirchensteuer und sein In der NS-Zeit war die Situation in der Rudower Kirchen­ sozia­les Engagement für die bedürftigen Siedler waren gemeinde von Aggressionen und heftigen Auseinander­ ihnen ein Dorn im Auge. In einem Schreiben an das Kon­ setzungen geprägt. Die nationalsozialistischen »Deut- sistorium behaupteten zahlreiche Gemeindeglieder, es schen Christen« (DC) hatten hier eine starke Stellung. sei »ein erspriessliches Wirken des Herrn Pfarrer Zorn in Diese reichsweite Kirchenpartei innerhalb des Protestan- unserer Kirchengemeinde nicht vorhanden«.8 Sie for­der­- tismus wurde 1932 – also schon ein Jahr vor der natio- ten dessen Versetzung aus Rudow. Anlässlich der natio­

8 nal­sozialistischen­ Machtübernahme hissten Mitglieder Klinge und die DC-Gemeindegruppe ihren Austritt aus der des Gemeindekirchenrats im März 1933 an der Dorfkirche »Glaubensbewegung Deutsche Christen«. Dieser Schritt die Kirchenfahne, um ihre Zustimmung zum NS-Regime erfolge, gerade weil sie Nationalsozialisten seien. Pfarrer kundzutun. Der Kirchenälteste Christel erklärte in pathe- Klinge betonte in einem Schreiben an den Reichsleiter der tischen Worten, man habe auf diese Weise den »Anbruch »Deutschen Christen«, er identifiziere sich »voll und ganz« einer neuen Zeit«, dieses »gewaltige Geschehen« ange- mit dem Ziel der »Deutschen Christen«, »die Kirche mit messen begehen wollen.9 Als Pfarrer Zorn gegen diese nationalsozialistischem Geist zu durchtränken«. Allerdings »Weihefeier« protestierte, wurde ihm vom Kirchenältes- sei »von seiten der Glaubensbewegung nur wenig gesche- ten »Rachsucht« unterstellt. hen […], wirklich brauchbare Vorkämpfer dieser Gedanken Bei den erneuten Kirchenwahlen im Juli 1933 liefen die in die Front zu bringen«.17 Keinesfalls aber gehe er nun meisten der ehemals deutsch-nationalen Gemeindever- zur »Opposition«. Damit meinte er wohl die Bekennende treter zu den »Deutschen Christen« über.10 Diese domi- Kirche. »Das verbietet mir meine Eigenschaft als National- nierten den Rudower Gemeindekirchenrat nun vollständig sozialist.«18 und konnten das Gemeindeleben in ihrem Sinn gestalten. Zunächst bestand zwischen Pfarrer Klinge und dem Der durch die Auseinandersetzungen entkräftete Pfarrer Rudower Gemeindekirchenrat ein gutes Verhältnis. Bald Zorn wurde jetzt endgültig aus der Kirchengemeinde ver- aber überwarfen sich auch der neue Pfarrer und die Ge- trieben. Ein SA-Mitglied unter den Gemeindevertretern meindevertreter. Zum einen kam es unter Pfarrer Klinges hatte ihm zuvor sogar »Schutzhaft« angedroht.11 Anschlie- Amtsführung zu erheblichen finanziellen Unregelmäßig- ßend agierten in der Gemeinde zwischenzeitlich verschie- keiten. Auch persönlich war er hoch verschuldet. Bereits dene, den »Deutschen Christen« angehörende Pfarrer. 1932 hatte das Konsistorium auf Klinges Verschuldung So führte der Berliner DC-»Gau-Obmann« Friedrich hingewiesen, die auf eine »leichtsinnige Wirtschaftsfüh- Tausch im August 1933 eine Massentrauung von 104 Paa- rung« zurückzuführen sei.19 Im Januar 1936 reichte der ren in der Rudower Dorfkirche durch. Die Zeitung der Rudower Gemeindekirchenrat Beschwerde gegen Pfarrer »Deutschen Christen«, »Evangelium im Dritten Reich«, Klinge ein. Er habe seinen »Verwaltungsdienst in gröbster berichtete, das nationalsozialistische Ritual habe unter Weise vernachlässigt«. Auch sei »sein Privatleben nicht »Vorantritt der Fahnen, unter Glockengeläut und […] Mit- vorbildlich«.20 Schließlich berief das Konsistorium im Juni wirkung des Bläserchors der Deutschen Christen« statt- 1936 einen früheren Steglitzer Bürgermeister namens gefunden.12 Wentzel als Finanz-Bevollmächtigten an die Gemeinde. Doch die »Schaffung geordneter Verhältnisse in der Pfarrer Karl Gerhard Klinge kirch­lichen Verwaltung in Berlin-Rudow«21 gestaltete sich Das Klima in der Kirchengemeinde blieb weiterhin von angesichts der weiteren Anhäufung von Schulden durch Hass erfüllt. Im Januar 1934 kam Karl Gerhard Klinge als den Pfarrer schwierig. neuer Pfarrer nach Rudow. Er war Mitglied der NSDAP, Pfarrer, Gemeindekirchenrat und Bevollmächtigter der SA, der »NS-Volkswohlfahrt« (NSV) und der »Deut- lagen im Streit miteinander. Der Bevollmächtigte Wentzel schen Christen«.13 Als Offiziersanwärter nahm er regel­ bat das Konsistorium um die Versetzung Pfarrer Klinges. mäßig an militärischen Übungen teil.14 Bei Andachten Dessen Verhalten führe »fortgesetzt zu Differenzen und trug er gelegentlich Uniform und Säbel.15 Außerdem unliebsamen Auseinandersetzungen«, sodass die »gesam- war er wohl Antisemit. So bewarb er sich 1932 auf eine te kirchliche Arbeit« darunter leide.22 1937 wandten sich Auslands-Pfarrstelle mit der Begründung, sein beson- Gemeindeglieder sogar an das Reichskirchenministerium deres Interesse gelte der »Auseinandersetzung mit dem mit der Bitte um »Sofortige Abberufung des Herrn Pfarrer Christentum gegenüber gegnerisch eingestellten Welt- Klinge«.23 Trotz alledem konnte Klinge sein Pfarramt in Ru- anschauungen«.16 Im September 1934 erklärten Pfarrer dow behalten. Im Zweiten Weltkrieg wurde er eingezogen

9 und war zeitweise beim »Einsatzstab Reichsleiter Rosen- Gemeindeschwester und Kirchendienerin fühlten sich von berg« tätig.24 Diese Organisation war in den von Deutsch- Klinge bedroht und baten um Schutz. Margarete Stirnatis land besetzten Gebieten mit der Sammlung von Material wies darauf hin, dass sie »schon wiederholt derartige Auf- zur Bekämpfung der »weltanschaulichen Gegner« des tritte auch in anderen Angelegenheiten mit Pfarrer Klinge Nationalsozialismus und dem Raub von Kulturgütern aus hatte, und daß letzterer immer in recht schroffer und aus- jüdischem Besitz befasst. 1944 kam Klinge an der Ost- fallender Form mit mir Auseinandersetzungen gesucht front ums Leben.25 hat«. 30 Dieser schreckte auch vor Denunziationen gegen die ansonsten allseits beliebte Gemeindeschwester nicht Gemeindeschwester Margarete Stirnatis und die zurück. Dabei wusste er um die Gefahren, die sich daraus Kirchenfahne für sie ergaben. Gegenüber dem Superintendenten beton- Folgender Vorfall veranschaulicht die damalige Situation te er, er sei entschlossen, »jeden Versuch der Sabotage in der Rudower Kirchengemeinde. Er zeigt auch das Aus­ des nationalsozialistischen Staates oder der Nichtachtung maß und die Auswirkungen des Fanatismus im Alltag seiner Symbole entschieden zu verhindern« und forderte, der Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus und gegen Margarete Stirnatis »Schritte zu veranlassen«.31 zugleich den Mut Einzelner, ein Zeichen gegen diese Be- Heimtückisch wies er auch darauf hin, dass sie möglicher- drohung zu setzen. Anlässlich des Reformationstages weise aus einer Familie jüdischen Glaubens stamme. Für 1937 hisste die an der Philipp-Melanchthon-Kapelle tätige ihn als »Nationalsozialist und Parteigenosse« sei es un- Gemeindeschwester Margarete Stirnatis hier nach vor­- vereinbar, »mit einer Schwester zusammenzuarbeiten, die heriger Rücksprache mit der vorgesetzten Stelle die jüdischer Herkunft ist«.32 Das Diakonissinnenmutterhaus Kirchenfahne und – gemäß Anweisung – auch die Haken- des Paul-Gerhardt-Stifts, das die Gemeinde­schwester kreuzfahne. Kurz darauf befahl Pfarrer Klinge in Abwe- entsandt hatte, zog sie daraufhin zu ihrer Sicherheit aus senheit der Gemeindeschwester der Kirchendienerin, die der Gemeinde ab.33 Kirchenfahne herunterzunehmen. Er schrie sie an: »Ich dulde keinen Hochverrat in meiner Gemeinde.«26 Nach Bauliche und personelle Planungen für die Evangelische ihrer Rückkehr vom Gottesdienst im Berliner Dom zog Kirchengemeinde Rudow Margarete Stirnatis die Kirchenfahne wieder hoch. Das In Anbetracht der nach Meinung einiger Kirchenvertreter Zeigen der Kirchenfahne an kirchlichen Gebäuden anläss- angeblich »grauenhaften Unkirchlichkeit in Berlin-Rudow«34 lich christlicher Feiertage war laut Erlass vom Oktober nahm man verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung 1935 erlaubt.27 So hatte auch die Gemeindeschwester auf der kirchlichen Versorgung in den Blick. Zusätzlich zur ihrem Heimweg vom Gottesdienst »in Berlin an verschie­ historischen Dorfkirche wurde 1935 die Philipp-Melanch- de­nen Kirchen und darunter auch am Dom, allein die thon-Kapelle errichtet, die im folgenden Kapitel ausführ- Kirchenfahne gesehen«.28 Das abermalige Aufziehen der lich thematisiert wird. Außerdem wurde ein Raum in der Kirchenfahne erforderte großen Mut von Margarete Schule an der damaligen Buckower Chaussee (ab 1939 Stirnatis, denn sie wusste um die verblendete ideologi- Wildmeisterdamm) zeitweilig für Gottesdienste herge- sche Haltung Pfarrer Klinges. Der Pfarrer erläuterte seinen richtet. In der Auflistung der Amtshandlungen innerhalb Hass auf die Kirchenfahne, die auf die Zeit der Weimarer der Kirchengemeinde aus dem Jahr 1937 heißt es, es sei Republik zurückging, in einer ideologisch-propagandisti­ »1935 sonntäglich an drei Stellen Gottesdienst gehalten schen Deutung gegenüber dem Kirchenministerium: worden. Gegenwärtig wird ebenfalls an drei Stellen Die »Wiedereinführung der sogenannten Kirchenfahne« Gottes­dienst gehalten, und zwar, a. alte Dorfkirche bedeute »eine Gleichsetzung der Hakenkreuzfahne mit b. Schule an der Buckower-Chaussee c. Philipp-Melanch- der schwarz-rot-goldenen Fahne und somit eine Kränkung thon-Kapelle«.35 des Symbols des Dritten Reiches«.29

10 2 Gemeindeschwester Margarete Stirnatis und Kurzzeitig war auch die Erweiterung der Dorfkirche ge- ein Siedlungsmissionar mit einer Kindergruppe vor plant. Im Jahr 1934 teilte Pfarrer Klinge dem Konsistorium der Philipp-Melanchthon-Kapelle, o.J. (um 1937) mit, ein Ausbau der Dorfkirche sei dringend erforderlich. Friedhelm Gutknecht, Spurensuche, Berlin/Kiel 2010 Während der Gottesdienste herrsche hier »ein lebensge- fährliches Gedränge«.36 Daraufhin veranlasste der Leiter des Kirchlichen Bauamts, Curt Steinberg, eine Prüfung des Falls. 1937 erklärte der Bevollmächtigte der Gemeinde gegenüber dem Konsistorium, das Umbau-Projekt werde nicht weiter verfolgt. Die Begründung lautete: »Für den alten Ortsteil Rudow und die in nächster Nähe belegenen Siedlungsviertel reicht die alte Ortskirche in ihrem jetzi- gen Zustande räumlich zunächst vollkommen aus.«37 Für

11 das nördliche Siedlungsgebiet hingegen stehe nun die dorfer Chaussee und Schönefelderstraße und im Westen Philipp-Melanchthon-Kapelle zur Verfügung. an der Straße nach Groß-Ziethen«.41 Im Mai 1939 erwarb Darüber hinaus bemühte man sich weiterhin um die man zwei Parzellen am »Geflügelsteig in Berlin-Rudow Verbesserung der kirchlichen Versorgung. 1937 erging ein zur Errichtung eines Gemeindeheims«42, dessen Bau je- Hilferuf des kurzzeitig in der Rudower Kirchengemeinde doch nicht mehr begonnen wurde. wirkenden Geistlichen Ernst Moering an das Konsisto- rium: »Es geht um den Ortsteil von Rudow jenseits des Andere kirchliche Initiativen im Rudower Kanals. […] Es ist allgemein bekannt, dass es sich hier um Siedlungsgebiet ein besonderes Elendsgebiet handelt.« Der »Bau einer Seit 1932 kümmerte sich im Rudower Siedlungsgebiet Kapelle samt Schwesternstation« sei dringend vonnöten. auch die Berliner Siedlungsmission um die ihrer Meinung »Die Sanierung des jenseitigen Rudow ist in möglichs- nach »zum größten Teil der Kirche entfremdeten Massen«.43 ter Beschleunigung in Angriff zu nehmen: für die rund Sie entsandte Siedlungsmissionare, die im Johanneum 4000 Menschen ist bislang von der Kirche nichts, nichts, in Wuppertal-Barmen ausgebildet worden waren. Die nichts geschehen.«38 Im März 1938 erhielt die Kirchen- Siedlungsmissionare betrieben ein in einer Holzbaracke gemeinde Rudow mit Walter Thöldtau einen zweiten untergebrachtes Missionsheim in der Zittauer Straße. Ein Pfarrer. Er war ebenso wie Pfarrer Klinge Anhänger des weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit bestand in Hausbe­ Nationalsozialismus. Die Gesamtgemeinde wurde nun in suchen. Erschütternd waren die Begegnungen der Missio­ zwei Pfarrbezirke aufgeteilt. Das Fazit einer diesbezügli- nare mit den teils in größter Armut lebenden Siedlungs­- chen Sitzung unter Vorsitz des Superintendenten laute- bewohnern.44 Außerdem durften sie zunächst auch in der te: »Pfarrbezirk I wird von Herrn Pfarrer Lic. Klinge und Philipp-Melanchthon-Kapelle Gottesdienste, insbeson- Pfarrbezirk II wird von Herrn Pfarrer Thöldtau geleitet. dere für Kinder, abhalten. Nach Einführung der zweiten Pfarrbezirk I umfaßt: Altes Dorf, Neuköllner Straße (Mit- Pfarrstelle 1938 beanspruchte die Kirchengemeinde Rudow te), Stubenrauchstraße bis zur Gemeindegrenze im Osten, die Kapelle jedoch für sich allein. Nach Pfarrer Thöldtaus östliche Gemeinde­grenze, südliche Gemeindegrenze bis Ansicht war es unerlässlich, dass die Gemeinde in der Waltersdorfer Chaussee (), altes Dorf. Pfarrbezirk II Kapelle »und in dem räumlich dazugehörenden Gebiete umfaßt das Siedlungsgebiet westlich und nördlich des die Arbeit allein und nur mit eigenen Kräften tut«. Er Pfarrbezirks bis zu den Gemeindegrenzen. Aus dem Pfarr- argumentierte, Arbeitsgebiet der Siedlungsmission müsse bezirk II wird der nördlich Stubenrauchstraße – Neuköllner immer »das sogenannte kirchliche Niemandsland sein, Straße – Buckower Chaussee liegende Teil dem ständigen zum Beispiel das Gebiet jenseits des Teltow-Kanals, das Hilfsgeistlichen als Seelsorgebezirk zugeteilt, mit Ausnah- von Rudow abgetrennt werden soll«.45 Ein weiterer Grund me des Philipp Melanchthon-Gemeindeheimes, das dem für die Aufkündigung der Zusammenarbeit war, dass das Pfarrer des Bezirkes II untersteht.«39 Pfarrer Thöldtau war Johanneum sich 1934 gegen die »Deutschen Christen« ge- also von nun an für die neue Philipp-Melanchthon-Kapelle wandt hatte. Die Siedlungsmissionare wurden wohl auch zuständig. deshalb von Pfarrer Klinge mit Beleidigungen bedacht.46 Außerdem wurde die Errichtung mindestens einer Im April 1938 erfolgte die »ausdrückliche Anweisung« der weiteren »Predigtstätte« angestrebt. So betonte man in kirchlichen Behörden, »Missionare und andere Beauftrag- der genannten Sitzung auch die »Notwendigkeit baldigst te der Stadtmission und anderer Vereinigungen in dem in dem westlichen Teile der Siedlungsgebiete einen neuen Philipp Melanchthon-Heim nicht zuzulassen«.47 Stützpunkt in Form eines Gemeindeheimes mit Schwes- Darüber hinaus waren im Siedlungsgebiet verschiede- ternstation und Kindergarten zu errichten«.40 Pfarrer ne Glaubensgemeinschaften aktiv. Pfarrer Klinge be­trach- Thöldtau schlug hierfür folgende Standorte innerhalb tete diese als Konkurrenz. Er zählte »Neu-Apostolische seines Pfarrbezirks vor: Im »Südwesten zwischen Walters- Gemeinde, Ernste Bibelforscher, Adventisten« und »Pfingst­-

12 gemeinde« auf.48 Der Zuspruch gegenüber diesen Grup- pierungen wäre seiner Meinung nach »niemals möglich gewesen, wenn Rudow rechtzeitig mit kirchlichen Räu- men versehen worden wäre«.49 Die katholische Kirchen- gemeinde hielt ihre Gottesdienste in der St. Josephs-Ka- pelle ab, die 1884 in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Alt-Rudow) erbaut worden war.

3 Der damalige zweite Ortsgeistliche, Vikar Oberhof, vermutlich am Tag der Einweihung vor der Kapelle, o. J. (1935) Friedhelm Gutknecht, Spurensuche, Berlin/Kiel 2010

13 Die Philipp‑Melanchthon‑ der Bedingung, »dass der Verband Grossberliner Kirchen- gemeinden die Summe für den Kauf, die Anliegerbeiträge, 2 Kapelle in Berlin-Rudow sonstige Kosten des Rechtsgeschäftes, die Kosten für die Errichtung und Unterhaltung des Gebäudes und des Baugeschichte Grundstückes übernimmt«.54 Der Preis für das Grundstück Die Errichtung der Philipp-Melanchthon-Kapelle im Jahr in der Neuen Straße (1938 in Orchideenweg umbenannt) 1935 war die wichtigste Maßnahme, um die kirchliche betrug 1.650 Reichsmark.55 Der Verband der evangelischen Erschließung der Rudower Siedlungen voranzutreiben Kirchengemeinden war eine damalige Dachorganisation und der vermeintlichen Konkurrenz durch andere Reli­ der Berliner Kirchengemeindeverbände. Er stand unter gionsgemeinschaften zu begegnen. Die Kapelle entstand Aufsicht des Evangelischen Oberkirchenrats. Sein Haupt- inmitten des Siedlungsgebiets im Blumenviertel, »dessen ziel war die Bekämpfung der angeblichen »kirchlichen Wege ihre Namen nach Blumen und Kräutern haben«. Im Entfremdung« der Bevölkerung in der Metropole Berlin. Neuköllner Tageblatt hieß es: »Man hat oft von der ame- Der Verband der evangelischen Kirchengemeinden er- rikanisch anmutenden Entwicklung Neuköllns geredet; baute in der NS-Zeit mehrere vergleichbare – damals als was man in den letzten 15 Jahren in Rudow erlebt hat, Gemeindeheime bezeichnete – Sakralbauten in Berlin. Er stellt aber wohl alles bisher Dagewesene in den Schatten. finanzierte den Bau der Gemeindeheime, die in seinem Die Bevölkerungszahl ist in dieser Zeit tatsächlich um Besitz verblieben, und trug die Kosten für die jeweils dort das Fünfzehnfache gestiegen und hat das dritte Zehn- tätigen Gemeindeschwestern oder »Siedlungspfleger«. tausend wohl nahezu erreicht. Die kirchliche Versorgung Die Finanzierung erfolgte durch eine »Ausgleichsabgabe« war natürlich hier vor kaum zu bewältigende Aufgaben wohlhabender Berliner Kirchengemeinden, die dort häufig gestellt.«50 Das »dauernde Wachstum der Siedlungen« auf wenig Begeisterung stieß. Die Verantwortung für die machte der Kirchengemeinde zu schaffen. Die alte Dorf­- Gemeindearbeit und die Ausstattung der kirchlichen Ge- kirche lag weit vom Siedlungsgebiet entfernt. 1934 bat bäude lag bei den jeweiligen Kirchengemeinden.56 Auch der Gemeindekirchenrat das Evangelische Konsistorium die Philipp-Melanchthon-Kapelle entstand als ein solches um finanzielle Unterstützung beim Kauf zweier Grund- Gemeindeheim. stücke zur Errichtung neuer Kirchengebäude: »Das Be- Den Auftrag für den Entwurf der Philipp-Melanch- dürfnis für diese Erwerbungen liegt klar. Unsere Kirche thon-Kapelle erhielt Paul Poser. Der in ansässige fasst lediglich 250 Personen (Die Gemeinde zählt augen- Architekt war ab 1907 für die Berliner Terrain-Centrale blicklich 18tausend Seelen und ist in stetigem Wachsen tätig, die den Ausbau der Gartenstadt Frohnau betrieb. begriffen) […] Ausserdem liegen die in Frage kommenden In den 1920er- und 1930er-Jahren lieferte Poser Entwürfe Siedlungen X – 1 Stunde z. T. sogar 1 V Stunden von der für zahlreiche Villen in Frohnau und . Außerdem Kirche selbst entfernt.«51 Die Gemeindevertreter schlugen entstanden nach seinen Plänen Kirchenbauten in Berlin für neue kirchliche Gebäude verschiedene Grundstücke und Brandenburg. Darunter waren die Kapelle des Wald- vor, die sie auf einem Stadtplan von Rudow markierten. friedhofs in Birkenwerder (1925) und die Friedhofskapelle Darunter war das Grundstück der späteren Philipp-Me­ in Glienicke/Nordbahn (1929). Außer Paul Poser hatten lanch­thon-Kapelle.52 weitere Architekten Entwürfe für den geplanten Sakral- Bauherr der Kapelle wurde schließlich der »Verband bau im Rudower Siedlungsgebiet eingereicht. Es handelte der evangelischen Kirchengemeinden in der Hauptstadt sich um Peter Jürgensen, einen der beiden Erbauer des Berlin«. Im April 1935 kaufte die Kirchengemeinde die Schöneberger Rathauses57, Heinrich Straumer, der unter »Parzelle 248 in Block 56, Katasterbezeichnung Gemar- anderem den Entwurf für den Berliner Funkturm lieferte, kung Rudow-Gut […] von der Terraingesellschaft am und Winfried Wendland, Reichsreferent für Bildende Teltow-Canal, Rudow- A. G. zu Berlin«53, unter Kunst der »Deutschen Christen« und Architekt einiger da-

14 4 Der nicht umgesetzte Entwurf von Peter Jürgensen maliger Kirchenbauten.58 Ihre Entwürfe, die auf­wendigere »Gemeindesaal für die Gemeinde Rudow«, Bauten vorsahen, wurden wohl aus Kosten­gründen nicht Längs‑Ansicht, August 1934 umgesetzt. So waren beispielsweise für den Kirchenbau Das Wortfragment am oberen Bildrand bezieht sich auf Heinrich Straumers Kosten in Höhe von 133.000 Reichs- die nebenstehende Grundriss-Zeichnung und verweist mark veranschlagt.59 auf »Heizung u. Kohlen«. Die bauliche Ausführung der Philipp-Melanchthon- ELAB Kapelle übernahm das Rudower Bauunternehmen Werner. Die Abnahme des Rohbaus im August 1935 war von den Auseinandersetzungen in der Kirchengemeinde über- schattet. Der Gemeindekirchenrat erschien nicht zu dem Termin, da Pfarrer Klinge ihn nicht davon in Kenntnis gesetzt hatte. Gegenüber Superintendent Schulze er- weckte Klinge den Anschein, die Gemeindevertreter seien aus »Interessenlosigkeit« ferngeblieben.60 Mitte Oktober luden Pfarrer Klinge und der Verband der evangelischen Kirchengemeinden zur »Einweihung des aus Mitteln der Ausgleichsabgabe im Bistum Berlin errichteten Ev. Ge-

15 5 Entwurf von Paul Poser »zur Errichtung eines meindeheims ›Philipp Melanchthon‹« ein.61 Die Einwei- Evangelischen Gemeindeheimes« in Berlin-Rudow, hung fand am 27. Oktober 1935 statt. An der Einweihungs- Dezember 1934 feier nahmen »zahlreiche Gäste und Vertreter staatlicher, ELAB städtischer und kirchlicher Behörden« teil.62 Pfarrer Klinge hielt die Festpredigt. Der Berliner Propst Otto Eckert, ebenfalls ein fanatischer Nationalsozialist, sprach das ideologisch geprägte Grußwort. Darin betonte er, »daß es ein Zeichen der Zeit sei, wenn die evangelische Kirche darauf verzichte, mit großen monumentalen Bauten hervorzutreten. Sie wolle schlicht und unauffällig dem Staate als dem Vollstrecker von Gottes Willen dienen«.63 In seiner anschließenden Weiherede forderte er dann auf »zur Dankbarkeit gegen den Staat, der Gelegenheit und Möglichkeit gebe, solche Gotteshäuser zu bauen«.64 Im November er­folgte die kirchenaufsichtliche Geneh- migung der Philipp-Melanchthon-Kapelle.65 Bereits kurz nach Fertigstellung wurden »Ergänzungsarbeiten am Ge- meindeheim in Berlin-Rudow« in den Blick genommen.66 1937 wurde der Bau dementsprechend »auf Grund der inzwischen gesammelten Erfahrungen« von Paul Poser durch einen rückwärtigen Anbau vergrößert. Die Kosten betrugen einschließlich der Erweiterung insgesamt 34.000 Reichsmark. Das Gemeindeheim verblieb im Besitz des Verbandes der evangelischen Kirchengemeinden. Sein »Betrieb« wurde der Kirchengemeinde Rudow übertragen.67

16 6 Die Philipp- Melanchthon-Kapelle nach der Fertig stellung, o. J. (um 1935) EZA

17 7 Der Innenraum der Philipp-Melanchthon-Kapelle, 2020 Ralf Schneider

18 Erscheinungsbild und Nutzung eines Vorstandsmitglieds der »Terrain-Gesellschaft am Die Philipp-Melanchthon-Kapelle ist ein schlichter, auf Teltow-Canal Rudow-Johannisthal Aktiengesellschaft«, ein­fache Grundformen reduzierter Putzbau. Zugleich die die Ländereien des ehemaligen Guts Rudow gekauft weist sie mit ihren ehemals mit Klappläden versehenen und parzelliert hatte. Auf einer dieser Parzellen war die Sprossenfenstern und dem leicht abgeschrägten Sattel- Philipp-Melanchthon-Kapelle errichtet worden. Altargerät dach Anklänge an den »Heimatschutzstil« auf. Dieser Bau- und Leuchter wurden 1937 gespendet. stil ging auf den 1904 gegründeten »Bund Heimatschutz« In der Kapelle hielten die Geistlichen der Gemeinde zurück und beinhaltete die Anknüpfung an »bodenständi- und, wie erwähnt, zunächst auch Missionare der Berliner ge« Bauformen, die Verwendung natürlicher Materialien Siedlungsmission Gottesdienste und Bibelstunden ab. sowie den Einsatz handwerklicher Bautechniken. Er war Außerdem betrieb die erwähnte Gemeindeschwester in der NS-Zeit im Kirchenbau verbreitet. Die nicht umge- »Gemeindepflege«. Die Gemeindeschwestern wurden im setzten Entwürfe der Architekten Heinrich Straumer und Diakonissinnenmutterhaus Paul-Gerhardt-Stift zu Ber- Peter Jürgensen für den Rudower Sakralneubau wiesen lin nach Ordnung der »Kaiserswerther Mutterhäuser«70 mit den steilen Satteldächern und niedlichen Dachreitern ausgebildet und von dort in als bedürftig angesehene eine stärkere Prägung durch den »Heimatschutzstil« auf. Kirchengemeinden entsandt. Zunächst war dies Marga- Der Architekt Paul Poser wiederum hatte ursprünglich für rete Stirnatis. Auf sie folgte Elisabeth Linke. Sie betreuten das Kirchenschiff rundbogige Fenster geplant, die dem unter anderem eine Kindergruppe sowie einen Frauen- Bau einen eher weihevollen Charakter verliehen hätten.68 und Mütterkreis. Ansonsten entsprach sein Entwurf dem schließlich reali- sierten Bau. Durch den mit einem Kreuz bekrönten Turm Vergleichsbeispiel Martin-Luther-Gemeindeheim war er als Sakralbau deutlich erkennbar. Das Neuköllner in Berlin-Buckow Tageblatt schrieb anlässlich der Einweihung über das Ru- An dieser Stelle soll als Vergleichsbeispiel das Martin- dower Gemeindeheim: »Es ist massiv gebaut und außen Luther-Gemeindeheim im Neuköllner Ortsteil Buckow in grauem Kiesrauhputz gehalten. Der kleine, nur 9 Meter herangezogen werden. Bei dem Bauwerk handelt es sich hohe Turm mit dem Kreuz kennzeichnet es inmitten der um einen parallelen Fall. Es entstand nahezu zeitgleich, Siedlungshäuser.« Über das Innere hieß es: »Der Gottes- und zwar in unmittelbarer Nähe zur Rudower Philipp- dienstraum hat etwa 250 Sitzplätze und ist in gelblichem, Melanchthon-Kapelle in der benachbarten Kirchenge- naturfarbenem Kiesrauhputz gehalten. Ein schlichter meinde Buckow. Die Architektur der beiden Kleinkirchen Altar, durch einen Vorhang von dem Saale zu trennen, ist ähnlich. Auch die Umstände und der Verlauf der Ent­ schließt ihn ab. Der Bau enthält eine kleine Wohnung für stehung weisen Parallelen auf. So war auch in Buckow eine Gemeindeschwester, die ab 1. November hier mit eine rege Siedlungstätigkeit zu verzeichnen. dem Sonderauftrag der Betreuung des Laubengebiets Das Martin-Luther-Gemeindeheim war das erste vom stationiert sein wird.«69 Verband erbaute Gemeindeheim. Anfang Oktober erging Die Ausstattung war insgesamt äußerst einfach. Der die Einladung zur »Einweihung des vom Verband der Verband der evangelischen Kirchengemeinden stiftete ein evan­gelischen Kirchen­gemeinden im Bistum Berlin errich­ von dem Bildhauer Hans Preiss geschaffenes hölzernes te­ten ersten Gemeindeheimes in Berlin-Buckow-Ost, Relief des Namenspatrons. Es zeigt den Reformator mit Rudower Str. 120«.71 Die Einweihung fand am 13. Oktober herben Gesichtszügen, hervortretenden Stirnadern und 1935 statt. Der Entwurf stammte auch in diesem Fall vom wulstiger Augenbrauenpartie in der Art heroisierender Architekten Paul Poser. Das Gemeindeheim beinhaltete Darstellungen von Kämpfern und Agitatoren, wie sie in einen vierzehn Meter langen und neun Meter breiten, der propagandistischen NS-Kunst verbreitet waren (Foto 234 Plätze fassenden Kirchenraum, ein »Versammlungs- Seite 28). Die Taufschale wiederum war ein Geschenk zimmer« und eine Wohnung für einen Diakon oder eine

19 8 »Zeichnung zur Errichtung eines Evangelischen Gemeindeschwester.72 1938 erfolgte eine Erweiterung. Ins- Gemeindeheimes mit Diakonwohnung in Berlin-Buckow gesamt betrugen die Kosten für den Bau 54.000 Reichs- Ost« von Paul Poser, o. J. (um 1934) mark. ELAB Das Erscheinungsbild des Martin-Luther-Gemeinde- heims war demjenigen der Philipp-Melanchthon-Kapelle vergleichbar. Es handelte sich um einen schlichten, funk­ tio­nalen Putzbau, der durch einen neun Meter hohen Turm als Sakralbau gekennzeichnet war. Satteldächer und teils mit Klappläden versehene Sprossenfenster ver­mit­ tel­ten wiederum eine gewisse »Bodenständigkeit« im Sinne des »Heimatschutzstils«. Entsprechend betonte das damalige Vorstandsmitglied des Verbands der evange- lischen Kirchengemeinden, Pfarrer Curt Kuhl, bei der Einweihung, »so solle das Gemeindeheim für die Seele ergänzen, was äußerlich die Heimatsehnsucht stille, solle Mittelpunkt des Lebens der Siedlung sein, wie einst für so viele Berliner ihr Heimatkirchlein der Mittelpunkt ihres Lebens und Sinnens gewesen sei.«73 (Pfarrer Kuhl war NSDAP- und DC-Mitglied.) Im Inneren wies dieses Ge- meindeheim ebenfalls sowohl sachlich-schlichte Merkma- le als auch »bodenständige« Charakteristika, etwa eine Balkendecke, auf. Der Verband der evangelischen Kirchen- gemeinden schenkte der Kirchengemeinde ein von dem Bildhauer Hans Preiss geschaffenes hölzernes Relief des Namenspatrons des Gemeindeheims, wie es auch die Ru­ dower Gemeinde für ihren Neubau erhalten hatte.

20 Nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 1950er-Jahren, reichte das Martin-Luther-Gemeindeheim für die stark anwach- sende Kirchengemeinde Buckow nicht mehr aus. Außer- dem wurde das Gebäude nun als »bedrückend und primitiv« empfunden.74 Man strebte den Bau eines neuen Gotteshauses an. So wurde in den Jahren 1969 bis 1971 in unmittelbarer Nähe nach dem Entwurf des Architekten Reinhold Barwich die Dreieinigkeitskirche – ein moderner Zentralbau mit drei markanten Spitzen – errichtet. Das Martin-Luther-Gemeindeheim existiert nicht mehr. Das 9 Das ehemalige Martin-Luther-Gemeindeheim Relief Martin Luthers befindet sich heute in der Philipp- in Berlin-Buckow nach der Fertigstellung, o. J. (um 1935) Melanchthon-Kapelle. EZA

21 Die Glocken handelt sich um das NS-Hoheitszeichen, das den national­ sozialistischen Staat repräsentierte. Diese Glocke ist auf den Ton »es« gestimmt. Sie wiegt 120 Kilogramm und 3 78 hat einen Durchmesser von 600 Millimetern. Sie wurde Die Glocken der Philipp-Melanchthon-Kapelle von der Glockengießerei Franz Schilling Söhne im Thürin- in Berlin‑Rudow gischen Apolda gegossen, wie auch ein Emblem auf der Die Philipp-Melanchthon-Kapelle in Berlin-Rudow erhielt Glocke besagt.79 vor ihrer Einweihung zwei Glocken. Eine trug die Inschrift: Wer waren die Stifter der Glocken? Das Neuköllner Ta- »Glauben heißt nichts anderes als Vertrauen auf Gottes geblatt schrieb anlässlich der Einweihung der Kapelle, die Barmherzigkeit. Phil.-Melanchthon 1497 – 1560«.75 Sie war Glocke »mit NS-Hoheitszeichen« gehe auf »eine Stiftung auf den Ton »c« gestimmt, hatte einen Durchmesser von der Bauunternehmer« zurück. Zur Finanzierung der Phi- 710 Millimetern76 und wog 209 Kilogramm77. Die zweite lipp Melanchthon gewidmeten Glocke wiederum habe Glocke trägt die Inschrift: »Als zweites Gemeindeheim »das Evangelische Konsistorium der Mark Brandenburg« erbaut im Jahre 1935 durch den Gemeinschaftswillen des einen Beitrag geleistet.80 Kurz vor der Einweihung hat- Evangelischen Berlins.« Damit wies man darauf hin, dass te der Verband der evangelischen Kirchengemeinden die Kapelle der zweite vom Verband der evangelischen das Konsistorium gebeten, die Kosten für eine Glocke in Kirchengemeinden errichtete Berliner Sakralbau war. Höhe von 440 Reichsmark zu übernehmen. Die Bitte war Unterhalb des Schriftzugs ist ein Reichsadler zu sehen, mit dem Hinweis versehen, die Bewilligung der Summe der einen Kranz mit Hakenkreuz in seinen Krallen hält. Es könnte auch als Bestätigung dafür angesehen werden,

10 Die Glocke mit NS-Symbol in der Philipp-Melanchthon-Kapelle Berlin-Rudow, 2019 Ralf Schneider

22 »dass die Kirchenbehörde sich zu der in den Lauben- und in Apolda.84 Die dritte Glocke der Dorfkirche war im Jahr Siedlungsgebieten begonnenen neuen kirchlichen Arbeit 1732 von Johann Friedrich Thielen in Berlin gegossen bekennt.«81 Angesichts der Tatsache, dass man mit der worden. Sie ist mit reicher Ornamentik und dem Schrift- Inschrift auf der mit dem NS-Symbol versehenen Glocke zug »danket dem herren prediget seinen nahmen thut auf das »Evangelische Berlin«, also auf den Verband der kund unter den völckern sein thun« geschmückt. Eine evangelischen Kirchengemeinden, Bezug nahm, wären weitere Inschrift verweist auf die damalige Regentschaft auch kirchliche Stellen als Stifter der entsprechenden Friedrich Wilhelms I.85 Glocke denkbar gewesen. Sogleich begann ein Ringen um den Erhalt dieser Es ist nicht völlig auszuschließen, dass hier eine Ver- altehrwürdigen Glocke der Rudower Dorfkirche. Unmittel- wechslung durch den Autor des Neuköllner Tageblatts bar nach Erhalt von Frage- und Meldebogen betonte die vorlag, der in seinem Artikel auch fälschlicherweise von Kirchengemeinde in einem Schreiben an den Superinten- einem Kreuz auf der Glocke mit dem NS-Hoheitszeichen denten, man wolle sich dafür einsetzen, »dass die Glocke berichtete. Beide Glocken des Rudower Philipp-Melanch- erhalten bleibt«.86 Als gegen Ende des Jahres 1941 der thon-Gemeindeheims waren fortan im Besitz des Ver- Zeitpunkt für die Ablieferung der Glocken näher rückte, bands der evangelischen Kirchengemeinden.82 richtete die Kirchengemeinde ein inständiges Gesuch an den Provinzialkonservator von Berlin, der für die Beurtei- Die Glocken der evangelischen Kirchen Rudows im lung der historischen Bedeutung der Glocken zuständig Zweiten Weltkrieg war: »Wir bitten dringend uns die Glocke von 1732 zu Während des Zweiten Weltkriegs erließ Reichsluftfahrt­ belassen.«87 Schließlich kam jedoch im Februar 1942 von minister Hermann Göring als »Beauftragter für den Vier­ Seiten des Konsistoriums die Mitteilung, dass »jeder jahresplan« im März 1940 eine Anordnung zur »Erfassung Kirchengemeinde nur die kleinste Glocke« bleiben dürfe. von Nichteisenmetallen«, die die Ablieferung bronzener Deshalb seien in der Dorfkirche Rudow »alle drei Glo- Glocken als »Metallreserve« für Kriegszwecke vorsah.83 cken« abzunehmen. In der Philipp-Melanchthon-Kapelle Dieser Anordnung fiel auch eine große Zahl von Kirchen- dürfe »nur die Glocke von 120 kg Gewicht« verbleiben.88 glocken in Deutschland zum Opfer. Alle Kirchengemein- Im nächsten Monat meldete die Kirchengemeinde dem den durften nur jeweils eine Glocke behalten. Ausnah- Superintendenten Vollzug: »Es sind 4 Glocken abgelie- men wurden bei historisch bedeutsamen Exemplaren fert.«89 Darunter war die kunsthistorisch bedeutsame gemacht. Auch die Kirchengemeinde Rudow war von der Thielen-Glocke. Die Entscheidung fiel also für den Erhalt Maßnahme betroffen. Zunächst musste sie einen an die der kleinsten – mit einem NS-Symbol versehenen Glocke – Kirchengemeinden gesandten »Fragebogen betreffend und nicht für den Erhalt der historisch wertvollen Glocke. die in den kirchlichen Gebäuden vorhandenen Bronze- So überstand einzig die NS-belastete Glocke den Zweiten glocken« und einen »Meldebogen für Bronzeglocken Weltkrieg unbeschadet und in situ. der Kirchen« ausfüllen, in denen sie die drei Glocken der Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahmen die Dorfkirche und die zwei Glocken der Philipp-Melanch- Ereignisse für die Kirchengemeinde in einer Hinsicht eine thon-Kapelle aufführte. In der Dorfkirche befanden sich unverhoffte, glückliche Wendung. Im September 1949 damals zwei Glocken, die die Kirchengemeinde 1928 als erhielt sie die Nachricht, dass im Hamburger Sammel­- Ersatz für zwei schon im Ersten Weltkrieg abgelieferte lager für die abtransportierten Glocken, dem sogenann- Glocken angeschafft hatte. Sie trugen die Inschriften »Ein ten Glockenfriedhof, die historisch wertvolle Glocke von Opfer des Krieges ward sie, die vor mir ertönte. Nur Frie- 1732 wiedergefunden wurde. »Zu unserer großen Freude« den verkünden möcht’ stets mein Geläute!« und »Nahet konnte Pfarrer Thöldtau der mit der Erfassung der Glo- euch zu Gott, so nahet er sich zu euch. Jakobus 4,8.« und cken auf dem Hamburger »Glockenfriedhof« befassten stammten von der Glockengießerei Franz Schilling Söhne Kunsthistorikerin Sigrid Thurm bestätigen, »daß die von

23 11 Kinder mit der ab­ge­nommenen Glocke vor der Philipp- Melanchthon- Kapelle, o. J. (1942) ELAB

24 Ihnen genannte Glocke der evangelischen Kirchengemein- de Berlin-Rudow gehört«.90 Nur der Klöppel fehlte. Die Glocke wurde auf­grund der schweren Kriegsschäden an der Dorfkirche zunächst in einem provisorischen Glocken- stuhl vor der Kirche untergebracht. Im Dezember 1949 lud die Kirchengemeinde zur »Wiedereinweihung der heim­ gekehrten Glocke«.91 Nach der Instandsetzung der Dorf- kirche wurde die Glocke 1951 wieder im Turm aufgehängt. Die Philipp-Melanchthon-Kapelle erhielt 1960 als Ersatz für die im Zweiten Weltkrieg ab­gegebene Glocke eine neue, auf den Ton »c« gestimmte Glocke. Sie trägt den Schriftzug »Lasset euch versöhnen mit Gott 2. Korinther 3 Vers 20« sowie die Jahreszahl 1960.

NS-Symbolik auf Kirchenglocken Die Glocke der Philipp-Melanchthon-Kapelle war nicht die einzige aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen­de, mit NS-Symbolik versehene Glocke. Auch weitere Kirchen in Berlin und in vielen Regionen Deutschlands wurden zwischen 1933 und 1945 mit solchen Glocken aus­ge­stattet. So erhielt auch das oben genannte Martin-Luther- Gemeindeheim in Berlin-Buckow eine Glocke mit Haken- kreuz. Das Neuköllner Tageblatt schrieb anlässlich der Ein- weihung: Der Turm trage die beiden Glocken, »die auf h und d gestimmt sind; die kleinere ist eine Stiftung der an dem Bau beteiligten Meister. Die große Glocke trägt die Inschrift: ›Als erstes Gemeindeheim erbaut im Jahre 1935 durch den Gemeinschaftswillen des evangelischen Ber- lins.‹ Die kleine Glocke zeigt Kreuz und Hakenkreuz und trägt den Namen des Reformators Martin Luther und sein Wort: ›Meinen lieben Deutschen bin ich geboren, ihnen will ich dienen.‹«92 Nicht nur das NS-Symbol bildete also eine Parallele; eine der Glocken des Buckower Gemeinde- heims trug ebenfalls eine auf die Tätigkeit des Verbandes der evangelischen Kirchengemeinden bezogene Inschrift, die mit derjenigen der Glocke der Philipp-Melanchthon- 12 Die 1732 von Johann Friedrich Thielen gegossene, Kapelle nahezu identisch war. Allerdings befindet sich in von 1942 bis 1949 zum Einschmelzen für Kriegszwecke Rudow der entsprechende Schriftzug auf der kleineren auf dem Hamburger »Glockenfriedhof« gelagerte Glocke Glocke des Geläuts. Außerdem ist das NS-Symbol im der Dorfkirche Rudow Fall der Rudower Glocke dem Verweis auf den »Gemein- Klaus-Dieter Wille, Die Glocken von Berlin (West), Berlin 1987 schaftswillen« zugeordnet. Ob das Neuköllner Tageblatt den Sachverhalt korrekt wiedergegeben hat oder ob es

25 möglicherweise auch in diesem Beitrag zu Unkorrekt- Ein weiteres Beispiel einer mit NS-Symbolik versehenen heiten – etwa in Bezug auf die Stifter der Glocken – kam, Kirchenglocke in Berlin fand sich in der Wichernkirche lässt sich an dieser Stelle nicht klären. Die an das Konsis- in . Die kleine Fachwerk-Kirche wurde 1897 in torium gerichtete Bitte des Verbands der evangelischen - erbaut, 1908 nach Siemens- Kirchengemeinden hinsichtlich einer »Glockenspende stadt versetzt und schließlich 1932 im Spandauer Ortsteil für die evangelischen Gemeindeheime ›Martin Luther‹ in aufgebaut. 1934 erhielt sie eine Glocke mit Buckow-Ost und ›Philipp Melanchthon‹ in Rudow« erging einem Hakenkreuz, der Aufschrift »Spandau 1934« und zugleich für beide Gemeindeheime.93 Es ist unklar, ob eine dem Schriftzug »Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt der beschriebenen Glocken des Martin-Luther-Gemeinde­ überwunden hat«. 1933 hatte man bereits eine Eiche vor heims den Zweiten Weltkrieg überstanden. Wenn ja, dem Sakralbau zur »Adolf-Hitler-Eiche« erklärt. Die Kir- wurde sie acht Jahre nach Kriegsende ausgewechselt. Im chengemeinde war in der NS-Zeit zwischen »Deutschen September 1953 wies ein Glocken-Sachverständiger die Christen« und Bekennender Kirche gespalten. DC-Pfarrer Kirchengemeinde auf eine Beschädigung an einer der Johannes Rehse und die DC-Gemeindegruppe schikanier- Glocken hin.94 Die Kirchengemeinde gab daraufhin bei ten den deutsch-nationalen BK-Pfarrer Hermann Bunke.96 der in Berlin-Neukölln ansässigen Firma Eisenwerk Franz Auch an anderen – sichtbaren – Stellen ihrer Kirchen Weeren zwei gusseiserne Glocken in Auftrag. Die zwei brachten manche Kirchengemeinden Hakenkreuze an. »alten Glocken« des Martin-Luther-Gemeindeheims So wurde beispielsweise in der 1935 fertiggestellten nahm die Neuköllner Firma in Zahlung. Sie gingen so in Martin-Luthe­r-Gedächtniskirche in Berlin- deren Eigentum über.95 der Triumphbogen am Altarraum mit Hakenkreuz, NS-

13 Geläut der Philipp- Melanchthon-Kapelle im früheren Zustand, 2019 Links im Bild die Glocke von 1935; rechts die Glocke von 1960 Ralf Schneider

26 Hoheits­zeichen und dem Zeichen der »NS-Volkswohl- Symbole und Inschriften. So wurde beispielsweise im fahrt« (NSV) versehen. Auch ein Portrait Hitlers war im November 2018 die Glocke der evangelischen Kirche im Vorraum der Kirche in die Wand eingelassen. Die NS- niedersächsischen Schweringen entwidmet, nachdem Symbole und das Hitlerbildnis wurden nach dem Ende zuvor Unbekannte das Hakenkreuz mit einem Winkel- des Zweiten Weltkriegs entfernt. Erhalten blieben da- schleifer von der Glocke entfernt hatten. Die mit dem gegen Darstellungen von Soldaten und SA-Männern, Schriftzug »Ins Dritte Reich hineingeboren / hat man mich die heute noch an Triumphbogen, Taufe und Kanzel der für das Wort erkoren« versehene Glocke im pfälzischen Kirche zu sehen sind.97 Mehlingen und die mit dem NS-Hoheitszeichen und einer auf Hitler bezogenen Aufschrift geschmückte Glocke der Zu Möglichkeiten des Umgangs mit NS-belasteten Wendelinuskapelle im pfälzischen Essingen wurden 2019 Glocken entfernt und an das Historische Museum der Pfalz Speyer Kirchenglocken erfüllen eine besondere liturgische Aufga- gegeben. Auch die Glocke der Spandauer Wichernkirche be. Der Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwe- wurde 2017 abgenommen und im Februar 2019 dem Stadt­- sen betonte im Jahr 2008 die »zentrale Bedeutung« von geschichtlichen Museum Spandau als Dauerleihgabe Glocken in Bezug auf den Gottesdienst: »Ihre einladende übergeben. Funktion kann sich auf das Ganze der gottesdienstlichen Andernorts entschloss man sich, die Glocken trotz Versammlung beziehen oder auf einzelne Vorgänge des ihrer ideologischen Belastung zu behalten. So entschied gottesdienstlichen Geschehens […]. Die Kirche weiht bei­spiels­weise im Fall der oben genannten Glocke in der Glocken zum liturgischen Gebrauch. Ihr Läuten gehört evangelischen Jakobskirche in Herxheim die politische Ge- zum gottesdienstlichen Leben der Kirche. Sie rufen zum meinde als ihre Besitzerin, die Glocke im Turm der Kirche Gottesdienst und zum Gebet.«98 zu belassen. An der Fassade der Jakobskirche sind darüber Indem Kirchengemeinden und kirchliche Behörden hinaus in der NS-Zeit dort eingeritzte Hakenkreuze zu se- in der Zeit des Nationalsozialismus Kirchenglocken mit hen. Seit 2019 weist eine Informationstafel vor der Kirche NS-Symbolen und -Inschriften markierten, luden sie die auf den Sachverhalt hin. Die Glocke soll nun als Mahnung Glocken mit ideologischer Bedeutung auf. Die Kennzeich- verstanden und nicht mehr zu kirchlichen Zwecken geläu- nung der Glocken mit einem Hakenkreuz war mit der Ab- tet werden. sicht verbunden, zugleich auch dessen Botschaft mithilfe Wie gesehen, gibt es also verschiedene Vorgehens- des Geläuts in die Welt zu tragen. Die Wiedergabe des weisen im Umgang mit NS-belasteten Glocken: Manche Hakenkreuzes bedeutete die Zustimmung zu einer men- werden an ihrem Platz belassen, wobei sie entweder schenverachtenden Ideologie, die zum Zweiten Weltkrieg weitergenutzt oder stillgelegt be­ziehungsweise von den und zur Verfolgung und Ermordung von Millionen von inkriminierten Symbolen und In­schriften befreit werden. Menschen führte. Andere Glocken werden abgehängt und teils an eine ge- Im Jahr 2017 entbrannte deutschlandweit eine öffent­ eignete museale Einrichtung übergeben. liche Debatte über den Umgang mit sogenannten »Nazi- Im Umgang mit Glocken, die NS-Symbolik aufweisen, Glocken«. Auslöser waren Berichte über die Glocke der sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Es gilt, evangelischen Jakobskirche im rheinland-pfälzischen gemeindlichen, gesamtkirchlichen, gesellschaftlichen Herxheim, die ein Hakenkreuz und die Aufschrift »Alles und denkmalpflegerischen Anforderungen und Bedürf- fuer’s Vaterland – Adolf Hitler.« trägt. Daraufhin wurden nissen gerecht zu werden. Belässt man die Glocke im viele weitere Fälle solcher noch am originalen Standort Turm und läutet sie weiter, so hält man an einem NS- befindlicher Glocken bekannt. Die Vorgehensweisen der belasteten Objekt fest, das von der auf ihm angebrachten Gemeinden waren unterschiedlich. Einige der Glocken ideologi­schen Botschaft nicht zu trennen ist. Man setzt wurden abgenommen, bei manchen entfernte man ihre in gewisser Wei­se den in der Zeit des Nationalsozialis-

27 mus implementierten Mechanismus fort. Der Einbezug einer solchen Glocke in Liturgie und Alltag einer heutigen Kirchengemeinde erscheint unvorstellbar. Die Erhaltung der Glocke selbst ist sowohl aus denkmalpflegerischen Gründen als auch aufgrund ihrer Eigenschaft als Zeit- zeugnis empfehlenswert. Vieles spricht dafür, das Objekt an einem auf Geschichtsvermittlung spezialisierten Ort aufzubewahren und zu präsentieren. Außerdem könnte seine Präsenta­tion mit einer Kommentierung verbunden werden, die über Entstehungsgeschichte und Hintergrün- de informiert. Auch am Ursprungsort der Glocke erscheint solch eine historische Kommentierung sinnvoll, um vor Ort Kenntnisse über die Geschichte von Glocke, Kirche und Gemeinde in der NS-Zeit zu vermitteln. Eine histori- sche Kommentierung könnte die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus anhand des Mikrokos- mos der eigenen Kirchengemeinde ermöglichen und so zu­gleich zur Sensibilisierung für heutige gesellschaftspoli- tische Entwicklungen beitragen.

Die Evangelische Dreieinigkeitskirchengemeinde Berlin- Buckow hat sich zu folgender Vorgehensweise im Um- gang mit ihrer mit dem NS-Hoheitszeichen versehenen Glocke entschieden. Im August 2019 gab sie die vorliegen- de Dokumentation über die Philipp-Melanchthon-Kapelle und ihre Glocke in Auftrag, deren erste Arbeitsergeb- nisse im November 2019 auf Ausstellungstafeln vor Ort präsentiert wurden. Im September 2020 beschloss der Gemeinde­kirchenrat die Übergabe der Glocke an das Mu- 14 Das von Hans Preiss geschaffene Relief mit dem seum Neukölln. Anfang Juni 2021 wird die NS-belastete Portrait Philipp Melanchthons, 2020 Glocke aus dem Turm der Philipp-Melanchthon-Kapelle Ralf Schneider entfernt und an das Museum übergeben, wo sie im Ge- schichtsspeicher – einem Ort der Geschichtsvermittlung – aufgestellt wird. Zu diesem Anlass erscheint auch diese Dokumentation.

28 15 Die Philipp-Melanchthon-Kapelle, 2020 Ralf Schneider

29 Fußnoten

1 Die Geschichte der Kirchengemeinde selbst wurde bereits 14 Vergleiche Einträge in: ELAB Depositum Provenienz in folgenden Chroniken behandelt: Silvia Diekmann, Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/361 Mitten im Dorfe. Chronik der Evangelischen Kirchenge- Auseinandersetzungen Deutsche Christen. meinde Berlin-Rudow von den Anfängen bis 1945, Berlin 15 Laut Aussage einer Zeitzeugin, in: GKR der Ev. Kirchen- 1992; Gemeindekirchenrat der Evangel ischen Kirchen- gemeinde Berlin-Rudow 2004, S. 74 f. gemeinde Rudow, Kirche in Rudow. Mitten im Leben. 16 Gerhard Klinge, Lebenslauf, in: EZA 5/4281 Bewerbung Eine evangelische Kirchengemeinde in Berlin – Gebäude, um Pfarrstellen in deutschen evangelischen Auslands- Gemeinde und Glaube in heutiger Zeit, Berlin 2004; Fried- gemeinden (Buchstabe K) helm Gutknecht, Spurensuche. Kapelle in Rudow. Mitten 17 Pfarrer Klinge an DC-Reichsleiter Christian Kinder, in: im Blumenviertel, Chronik zum 75-jährigen Jubiläum der ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchen- Philipp-Melanchthon-Kapelle, Berlin/Kiel 2010 kreis Neukölln 1 10 18/361 Auseinandersetzungen Deut- 2 Vergleiche Diekmann 1992, S. 83 sche Christen 3 Bruno Galle (Hrsg. Bürgerinitiative »Rettet Rudows 18 Ebenda Felder«), Rudow. 2 Chroniken, Berlin 1984, S. 19 ff. 19 Ev. Konsistorium an Ev. Oberkirchenrat, 23.4.1932, in: 4 Hubertus Vetter, 625 Jahre Rudow. 1373 – 1998 einst & EZA 5/4281 Bewerbung um Pfarrstellen in deutschen heute, Berlin 1998, S. 88 ff. evangel ischen Auslandsgemeinden (Buchstabe K) 5 Ev. Kirchengemeinde Rudow an Pfarrer Eberhard Röhricht 20 Gemeindekirchenrat der Kirchengemeinde Rudow an Berlin-, 21.12.1938, in: ELAB Depositum Provenienz Provinzialausschuss der Ev. Kirche, 12.1.1936, in: ELAB Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/349 14/6663 Geistliche und Kirchenbauten in Berlin-Rudow Soziale Arbeit Siedlungsmission 1934 – 1942 1933 – 1938 6 Paul Zorn an Superintendentur Kölln-Land II, 26.4.1933, 21 Bevollmächtigter der Kirchengemeinde Rudow, Wentzel, in: ELAB 14/6663 Geistliche und Kirchenbauten in Berlin- an Ev. Konsistorium, 12.11.1937, in: ELAB Deposi tum Prove- Rudow 1933 – 1938 nienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/332 7 Vergleiche Kirchenwahl 1932, in: ELAB Depositum Prove- 22 Ebenda nienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/32 23 Aus der Kirchengemeinde Rudow an das Reichskirchen- Wahlakten ministerium, 28.4.1937, in: ELAB 14/6663 Geistliche und 8 Gemeindeglieder der Kirchengemeinde Rudow an Kirchenbauten in Berlin-Rudow 1933 – 1938 Ev. Konsisto rium 27.2.1933, in: ELAB 14/6663 Geistliche 24 Pfarrer Thöldtau an Ev. Konsistorium, März 1941, ELAB und Kirchenbauten in Berlin-Rudow 1933 – 1938 Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis 9 Superintendentur an Ev. Konsistorium, 12.6.1933, Anhang Neukölln 1 10 18/361 Auseinandersetzungen Deutsche Schreiben von Louis Christel, in: ELAB 14/6663 Geistliche Christen und Kirchenbauten in Berlin-Rudow 1933 – 1938 25 Rgt. Gr. Gefechtsstand Göring an Maria Klinge, 10.8.1944, 10 Vergleiche Kirchenwahl 1933 Liste »Deutschen Christen«, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im 20.7.1933, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/361 Auseinandersetzungen im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/32 Wahlakten Deutsche Christen 11 Laut Konsistorialrat Fahland, 18.7.1933, in: ELAB 14/6663 26 Kirchendienerin Berta Hochschild in der Verhandlung Geistliche und Kirchenbauten in Berlin-Rudow 1933 – 1938 im Kirchenbüro Berlin-Rudow, 1.11.1937, in: ELAB 14/6681 12 »Evangelium im Dritten Reich« für Groß-Berlin, Sonntag, Das Gemeindeheim in Berlin-Rudow 1935 – 1940 10.9.1933, Jg. 2, Nr. 37 27 Erlass 4.10.1935 laut Bevollmächtigtem der Kirchen- 13 Vergleiche Pfarrer Klinge an DC-Reichsleiter Christian gemeinde Rudow, Wentzel, 13.10.1937, in: ELAB Depositum Kinder, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/361 Auseinandersetzun- 1 10 18/242 Beflaggung 1937 gen Deutsche Christen

30 28 Margarete Stirnatis in der Verhandlung im Kirchenbüro 41 Pfarrer Töldtau an Finanzbevollmächtigten der Kirchen- Berlin-Rudow, 1.11.1937, in: ELAB 14/6681 Das Gemeinde- gemeinde Rudow, 10.6.1938, in: ELAB 14/6681 Das heim in Berlin-Rudow 1935 – 1940 Gemeindeheim in Berlin-Rudow 1935 – 1940 29 Pfarrer Klinge an Reichskirchenministerium, 6.12.1937, in: 42 5.5.1939, in: ELAB 14/6681 Das Gemeindeheim in Berlin- ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchen- Rudow 1935 – 1940; hier entstand erst in den 1970er- kreis Neukölln 1 10 18/242 Beflaggung 1937 Jahren ein modernes Gemeindezentrum 30 Margarete Stirnatis in der Verhandlung im Kirchenbüro 43 Berliner Siedlungsmission an Ev. Kirchengemeinde, Berlin-Rudow, 1.11.1937, in: ELAB 14/6681 Das Gemeinde- 20.2.1937, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow heim in Berlin-Rudow 1935 – 1940 im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/349 Soziale Arbeit 31 Pfarrer Klinge an Superintendent Schulze, 9.11.1937, Siedlungsmission 1934 – 1942 in: ELAB 14/6681 Das Gemeindeheim in Berlin-Rudow 44 Vergleiche Gutknecht 2010, S. 26 f. 1935 – 1940 45 Pfarrer Thöldtau an Präses Zimmermann, 23.4.1938, in: 32 Pfarrer Klinge an Verband der evangelischen Kirchen- ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchen- gemeinden, 23.11.1937, in: ELAB Depositum Provenienz kreis Neukölln 1 10 18/369 Siedlungsmission Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/242 46 Vergleiche Pfarrer Klinge, Bericht über die Tätigkeit der Beflaggung 1937 Siedlungsmission in Berlin-Rudow, Anhang an Schreiben 33 Zu den Verträgen der Gemeindeschwestern in Rudow Pfarrer Klinge an den Verband der evangelischen Kirchen- siehe: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im gemeinden, 11.12.1937, in: ELAB Depositum Provenienz Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/350 Gemeindeschwestern Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/369 und Inventarbeschaffung 1934 – 1947 Siedlungsmission 34 Ev. Pfarramt Rudow, Aufzeichnung über Amtshandlun- 47 Verband der evangelischen Kirchengemeinden an Pfarrer gen, 23.7.1937, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Thöldtau, 7.4.1938, in: ELAB Depositum Provenienz Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/245 Pfarramt Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/369 und Pfarrer 1936 – 1938 Siedlungsmission; Unterstreichung im Original 35 Ev. Pfarramt Rudow, Aufzeichnung über Amtshand- 48 Pfarrer Klinge an Bischof , 1.2.1934, in: ELAB 14/6682 lungen, 23.7.1937, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Berlin-Rudow 1892 – 1938 Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/245 Pfarramt 49 Pfarrer Klinge an Ev. Konsistorium, 29.1.1935, in: ELAB und Pfarrer 1936 – 1938 14/6682 Berlin-Rudow 1892 – 1938 36 Pfarrer Klinge an Ev. Konsistorium, 28.2.1934, in: 14/6673 50 »Berlins zweites Evangelisches Gemeindeheim«, in: Kirchenbauten zu Rudow 1928 – 1943 Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 254, 29.10.1935 37 Bevollmächtigter der Kirchengemeinde Rudow, Wentzel, 51 Gemeindekirchenrat Berlin-Rudow an Ev. Konsistorium, an Ev. Konsistorium, 28.4.1937, in: ELAB Depositum 14.3.1934, in: ELAB 14/6679 Pfarrländereien Berlin-Rudow Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1928 – 1944 1 10 18/306 Bau der Kirche 1934 – 1939 52 Ebenda 38 Ernst Moering an Ev. Konsistorium durch Superinten- 53 Ev. Konsistorium an Gemeindekirchenrat in Berlin-Rudow, denten, 8.7.1937, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. 15.4.1935, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/245 Pfarramt und Dreieinigkeit (Neukölln) 1 10 04/4/213 Pfarrer 1936 – 1938; Unterstreichungen im Original 54 Auszug aus dem Protokollbuch, 25.3.1935, in: ELAB Depo- 39 Sitzungsbericht, anwesend Superintendent Schulze, situm Provenienz Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) Pfarrer Klinge, Pfarrer Thöldtau, Pastor Huwe und Vikarin 1 10 04/4/213 Feike, 30.3.1938, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. 55 Verband der evangelischen Kirchengemeinden an Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/245 Pfarramt Ev. Konsistorium, 3.4.1935, in: ELAB 14/6676 Berlin-Rudow und Pfarrer 1936 – 1938 1935 – 1940 40 Ebenda; Unterstreichung im Original

31 56 Zum Verband der evangelischen Kirchengemeinden und ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchen- den vom Verband finanzierten Bauten siehe die Disser­ kreis Neukölln 1 10 18/350 Gemeindeschwestern und tation von Beate Rossié, die unter dem Titel »Kirchenbau Inventarbeschaffung 1934 – 1947 in Berlin 1933 – 1945. Architektur – Kunst – Umgestaltung« 71 Pfarrer Kuhl (Verband der evangelischen Kirchen­ voraussichtlich im September 2021 erscheint gemeinden), Pfarrer Schönfeld, 4.10.1935, in: 14/6747 Das 57 Vergleiche Peter Jürgensen, Gemeindesaal für die Gemeindeheim in Berlin-Buckow 1935 – 1942 Gemein­de Rudow, 20.8.1934, in: ELAB Depositum Prove­ 72 Vergleiche »Berlins erstes Gemeindeheim in Buckow-Ost«, nienz Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) 1 10 04/4/213 in: Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 242, 15.10.1935 58 Vergleiche Entwürfe, Anhang Schreiben Winfried Wend- 73 Curt Kuhl, zitiert nach: »Berlins erstes Gemeindeheim in land an Pfarrer Klinge, 1.9.1934, in: ELAB Depositum Buckow-Ost«, in: Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 242, Prove­nienz Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) 1 10 04/4/213 15.10.1935 59 Vergleiche Heinrich Straumer an Pfarrer Klinge, 5.5.1934, 74 ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Dreieinigkeit in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) 1 10 04/4/109 (Neukölln) 1 10 04/4/213 75 Philipp-Melanchthon-Gemeindeheim Glockenspruch, 60 Vergleiche Gemeindekirchenrat an Provinzialausschuss in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im der Ev. Kirche, 12.1.1936, in: ELAB 14/6663 Geistliche und Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken Kirchenbauten in Berlin-Rudow 1933 – 1938 1927 – 1949 61 Pfarrer Klinge, Pfarrer Kuhl (Verband der evangelischen 76 Vergleiche Kirchengemeinde Rudow an Provinzial­ Kirchengemeinden), 18.10.1935, in: 14/6681 Das Gemeinde- konservator Walter Peschke, 22.12.1941, in: ELAB Deposi- heim in Berlin-Rudow 1935 – 1940 tum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 62 »Berlins zweites Evangelisches Gemeindeheim«, in: 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken 1927 – 1949 Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 254, 29.10.1935 77 Vergleiche Reichsstelle für Metalle, Empfangsbescheini- 63 Ebenda gung, 31.3.1942, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. 64 Ebenda Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/304 Kirche: 65 Vergleiche Finanzabteilung beim Ev. Konsistorium an Turm-Glocken 1927 – 1949 Finanzabteilung beim Ev. Oberkirchenrat, 16.11.1935, in: 78 Vergleiche Kirchengemeinde Rudow an Provinzial­ ELAB 14/6676 Berlin-Rudow 1935 – 1940 konservator Walter Peschke, 22.12.1941, in: ELAB Depo­si­ 66 Verband der evangelischen Kirchengemeinden an tum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln Ev. Konsisto­rium, 5.10.1936, in: 14/6681 Das Gemeinde- 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken 1927 – 1949 heim in Berlin-Rudow 1935 – 1940 79 Nach Angaben von Rena Erfurth, Leiterin des Apoldaer 67 Kirchengemeinde Rudow an Finanzabteilung beim Glockenmuseums, gingen die meisten Unterlagen der Ev. Konsistorium, 25.11.1936, in: ELAB 14/6681 Das Glockengießerei Schilling im Zuge ihrer Verstaat­lichung Gemeinde­heim in Berlin-Rudow 1935 – 1940 1972 in der DDR-Zeit verloren. So seien hier auch keine 68 Vergleiche Zeichnung zur Errichtung eines Evange­lischen Akten über die Glocken der Philipp-Me­lanch­thon-Kapelle Gemeindeheimes, Berlin-Rudow, Neue Straße Ecke in Berlin-Rudow erhalten. (Telefonat mit Rena Erfurth im Arnika­weg, P. Poser, Ansichten, Schnitte, Grundriss, Januar 2020) Lage­plan, o. J., in: 14/6747 Das Gemeindeheim in Berlin- 80 »Berlins zweites Evangelisches Gemeindeheim«, in: Buckow 1935 – 1942 und ELAB 104/1138 und P. Poser an Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 254, 29.10.1935 Klinge, 5.12.1934, Plan im Anhang, in: ELAB Depositum 81 Verband der evangelischen Kirchengemeinden an Provenienz Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) 1 10 04/4/213 Ev. Konsisto­rium, 19.10.1935, in: 14/6747 Das Gemeinde- 69 »Berlins zweites Evangelisches Gemeindeheim«, in: heim in Berlin-Buckow 1935 – 1942 Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 254, 29.10.1935 82 Vergleiche Ev. Kirchengemeinde Rudow an Superinten­ 70 Vertrag zwischen Gemeindekirchenrat Berlin-Rudow und dentur Kölln-Land II, 8.4.1940, in: ELAB Deposi­tum Diakonissinnenmutterhaus Paul Gerhardt, 25.8.1939, in:

32 Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln Jahre erarbeitete sie den mehrbändigen »Deutschen 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken 1927 – 1949 Glockenatlas«. 83 Der Beauftragte für den Vierjahresplan Generalfeldmar- 91 Pfarrer Heß, Pfarrer Thöldtau, Einladung zur Wiederein- schall Göring, Anordnung zur Durchführung des Vier- weihung, 21.12.1949, ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. jahresplans über die Erfassung von Nichteisen­metallen, Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/304 Kirche: 15.3.1940, in: Reichsgesetzblatt, Jg. 1940, Teil I, S. 510; Turm‑Glocken 1927 – 1949 Göring steuerte in dieser Funktion die kriegswirtschaft­ 92 »Berlins erstes Gemeindeheim in Buckow-Ost«, in: lichen Maßnahmen des Regimes Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 242, 15.10.1935 84 Kirchengemeinde Berlin-Rudow, »Fragebogen betreffend 93 Vergleiche Verband der evangelischen Kirchengemein- die in den kirchlichen Gebäuden vorhandenen Bronze- den an Ev. Konsistorium, 19.10.1935, in: ELAB 14/6747 Das glocken« und »Meldebogen für Bronzeglocken der Gemeindeheim in Berlin-Buckow 1935 – 1942 Kirchen«, Anhang an Schreiben der Ev. Kirchengemein- 94 Werner Schmidt-Wismar, Sachverständiger für das de Rudow an Superintendentur Kölln-Land II, 8.4.1940, Glockenwesen an Kirchengemeinde Berlin-Buckow-Ost, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im 16.9.1953, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Drei­ Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken einigkeit (Neukölln) 1 10 04/4/114 Martin-Luther-Heim 1927 – 1949 95 Eisenwerk Franz Weeren an Kirchengemeinde Berlin- 85 Vergleiche Klaus-Dieter Wille, Die Glocken von Berlin Buckow-Ost, 30.11.1953, in: ELAB Depositum Provenienz (West). Geschichte und Inventar, in: Senator für Stadtent- Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) 1 10 04/4/114 Martin- wicklung und Umweltschutz (Hrsg.), Die Bauwerke und Luther-Heim; das Eisenwerk Franz Weeren existierte bis Kunstdenkmäler von Berlin, Beiheft 16, Berlin 1987, S. 201 f. zum Jahr 1983 86 Ev. Kirchengemeinde Rudow an Superintendentur Kölln- 96 Zur Geschichte der Wicherngemeinde und ihrer Glocke Land II, 8.4.1940, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. in der NS-Zeit siehe: Gemeindekirchenrat der Ev. Kir­chen­ Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/304 Kirche: gemeinde Wichern-Radeland (Hrsg.), Lukas Menzel, Turm‑Glocken 1927 – 1949 Jürgen Elmen, »Der Kirchenkampf geht nirgends so ge­ 87 Kirchengemeinde Rudow an Provinzialkonservator Walter hässig zu wie in Hakenfelde.« Die Wichern­gemeinde in Peschke, 22.12.1941, in: ELAB Depositum Provenienz Berlin-Spandau zur Zeit der nationalsozia­listischen Dikta­ Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/304 tur 1933 – 1945 und ihre Glocke von 1934, Norder­stedt Kirche: Turm-Glocken 1927 – 1949; Unterstreichung im 2020; zu den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen Original in dieser Gemeinde vergleiche außerdem Hans-Rainer 88 Pfarrer Thöldtau, Aktennotiz, 25.2.1942, in: ELAB Depo­si­ Sandvoß, »Es wird gebeten, die Gottesdienste zu über- tum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Neukölln wachen …«. Religionsgemeinschaften in Berlin zwischen 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken 1927 – 1949 Anpassung, Selbstbehauptung und Widerstand von 1933 89 Ev. Kirchengemeinde Rudow an Superintendentur, bis 1945, Berlin 2014, S. 93 ff. 7.3.1942, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow 97 Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen – im Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken Ökumenischer Ausschuss der Evangelischen Kirche in 1927 – 1949 Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofs­konferenz 90 Ev. Kirchengemeinde Rudow an Sigrid Thurm, 5.9.1949, (DBK), Zum Lobe seines Namens. Liturgie und Glocken, in: ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kevelaer 2008, S. 14 ff. Kirchenkreis Neukölln 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken 98 Vergleiche unter anderem Stefanie Endlich, Monica 1927 – 1949; Sigrid Thurm arbeitete zusammen mit ande­ Geyler-von Bernus, Beate Rossié (Hrsg.), Christenkreuz ren Kunsthistorikern während des Zweiten Weltkriegs und Hakenkreuz. Kirchenbau und sakrale Kunst im Natio- und nach Kriegsende an der wissenschaftlichen Erfassung nalsozialismus, Berlin 2008 der in Hamburg lagernden Glocken. Ab Ende der 1950er-

33 Literatur und Quellen

Literatur Klaus-Dieter Wille, Die Glocken von Berlin (West). Geschichte Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen – und Inventar, in: Senator für Stadtentwicklung und Um- Ökumenischer Ausschuss der Evangelischen Kirche in weltschutz (Hrsg.), Die Bauwerke und Kunstdenkmäler Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz von Berlin, Beiheft 16, Berlin 1987 (DBK), Zum Lobe seines Namens. Liturgie und Glocken, Kevelaer 2008 Archivalien Der Beauftragte für den Vierjahresplan Generalfeldmarschall Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin (ELAB) Göring, Anordnung zur Durchführung des Vierjahresplans ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis über die Erfassung von Nichteisen­metallen, 15.3.1940, Neukölln 1 10 18/32 Wahlakten in: Reichsgesetzblatt, Jg. 1940, Teil I, S. 510 ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Silvia Diekmann, Mitten im Dorfe. Chronik der Evangelischen Neukölln 1 10 18/242 Beflaggung 1937 Kirchengemeinde Berlin-Rudow von den Anfänge bis ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis 1945, Berlin 1992 Neukölln 1 10 18/245 Pfarramt und Pfarrer 1936 – 1938 Stefanie Endlich, Monica Geyler-von Bernus, Beate Rossié ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis (Hrsg.), Christenkreuz und Hakenkreuz. Kirchenbau und Neukölln 1 10 18/304 Kirche: Turm-Glocken 1927 – 1949 sakrale Kunst im Nationalsozialismus, Berlin 2008 ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Bruno Galle (Hrsg. Bürgerinitiative »Rettet Rudows Felder«), Neukölln 1 10 18/306 Bau der Kirche 1934 – 1939 Rudow. 2 Chroniken, Berlin 1984 ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Gemeindekirchenrat der Evangelischen Kirchengemeinde Neukölln 1 10 18/332 Rudow, Kirche in Rudow. Mitten im Leben. Eine evange- ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis lische Kirchengemeinde in Berlin – Gebäude, Gemeinde Neukölln 1 10 18/349 Soziale Arbeit Siedlungs­mission und Glaube in heutiger Zeit, Berlin 2004 1934 – 1942 Gemeindekirchenrat der Ev. Kirchengemeinde Wichern- ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis Radeland (Hrsg.), Lukas Menzel, Jürgen Elmen, »Der Neukölln 1 10 18/350 Gemeindeschwestern und Inventar- Kirchenkampf geht nirgends so gehässig zu wie in Haken- beschaffung 1934 – 1947 felde.« Die Wicherngemeinde in Berlin-Spandau zur Zeit ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchen­kreis der nationalsozialistischen Diktatur 1933 – 1945 und ihre Neukölln 1 10 18/361 Auseinandersetzungen Deutsche Glocke von 1934, Norderstedt 2020 Christen Friedhelm Gutknecht, Spurensuche. Kapelle in Rudow. Mitten ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Rudow im Kirchenkreis im Blumenviertel, Chronik zum 75-jährigen Jubiläum der Neukölln 1 10 18/369 Siedlungsmission Philipp-Melanchthon-Kapelle, Berlin/Kiel 2010 ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 242, 15.10.1935, »Berlins 1 10 04/4/109 erstes Gemeindeheim in Buckow-Ost« ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) Neuköllner Tageblatt, 44. Jg., Nr. 254, 29.10.1935 »Berlins 1 10 04/4/114 Martin-Luther-Heim zweites Evangelisches Gemeindeheim« ELAB Depositum Provenienz Ev. KGM. Dreieinigkeit (Neukölln) Beate Rossié, Kirchenbau in Berlin 1933 – 1945. Architek­tur – 1 10 04/4/213 Kunst – Umgestaltung, Dissertation an der Technischen ELAB 14/6663 Geistliche und Kirchenbauten in Berlin-Rudow Universität Berlin, 2019/2020 1933 – 1938 Hans-Rainer Sandvoß, »Es wird gebeten, die Gottesdienste ELAB 14/6673 Kirchenbauten zu Rudow 1928 – 1943 zu überwachen …«. Religionsgemeinschaften in Berlin ELAB 14/6676 Berlin-Rudow 1935 – 1940 zwischen Anpassung, Selbstbehauptung und Widerstand ELAB 14/6679 Pfarrländereien Berlin-Rudow 1928 – 1944 von 1933 bis 1945, Berlin 2014 ELAB 14/6681 Das Gemeindeheim in Berlin-Rudow Hubertus Vetter, 625 Jahre Rudow. 1373 – 1998 einst & heute, 1935 – 1940 Berlin 1998 ELAB 14/6682 Berlin-Rudow 1892 – 1938

34 ELAB 14/6747 Das Gemeindeheim in Berlin-Buckow 1935 – 1942 Evangelisches Zentralarchiv Berlin (EZA) EZA 5/4281 Bewerbung um Pfarrstellen in deutschen evange­ lischen Auslandsgemeinden (Buchstabe K)

16 Fotografische Bestandsaufnahme des Geläuts der Philipp-Melanchthon-Kapelle durch die Kirchengemeinde, Oktober 2019 Im Bild Gemeindemitglied Ralf Schneider Karin Singha-Gnauck (zum Zeitpunkt der Aufnahme Pfarrerin an der Dreieinigkeitskirchengemeinde Berlin-Buckow)

35 Impressum

Herausgeber Evangelische Dreieinigkeitskirchengemeinde Berlin-Buckow und Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Rudow Initiative Arbeitsgemeinschaft »Glocke« der Evangelischen Dreieinigkeitskirchengemeinde Berlin-Buckow und der Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Rudow Grundkonzept und Redaktion Beate Rossié Recherche, Texte, Bildauswahl Beate Rossié Layout Sabine Klopfleisch, Berlin Druck Pinguin Druck, Berlin

Gefördert durch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Unser Dank gilt Beate Rossié für die fundierte Dokumentation, Pfarrerin Marion Gardei für die Begleitung des Aufarbeitungsprozesses in den beiden Kirchengemeinden und Bischof Dr. Christian Stäblein für die finanzielle Unterstützung dieser Dokumentation.

Wir danken allen Rechteinhabern für die Freigabe des Bildmaterials.

Rechte bei den Autoren. Alle Rechte vorbehalten.

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Schutzgebühr: 3,00 €