03.09.2018

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 03.09.2018

Geschäftszahl W139 2174093-1

Spruch W139 2174093-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. , vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, Nikolsdorfergasse 7-11/Top 15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben undXXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXXdamit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In seiner Erstbefragung am 31.12.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei im Iran geboren worden und habe dort mit seiner Familie in XXXX gelebt. Seine Familie (Eltern, eine Schwester, vier Brüder) befinde sich nach wie vor im Iran. Zum Fluchtgrund führte er aus, seine Familie habe Afghanistan noch vor seiner Geburt wegen des Krieges verlassen. Im Iran habe er keine Rechte gehabt, da er afghanischer Staatsbürger sei. Er habe keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen und illegal im Iran gelebt. Die Kontrollen der iranischen Polizei seien zuletzt schärfer geworden. Viele seiner Freunde und Bekannten seien nach Afghanistan abgeschoben worden und es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis man den Beschwerdeführer auch abgeschoben hätte. Er habe niemanden in Afghanistan und kenne auch das Land nicht. Er habe Angst, dort von den Taliban oder vom IS getötet zu werden. Deshalb habe er keinesfalls zurückgewollt und beschlossen, nach Europa zu fliehen.

3. In der Folge führte die belangte Behörde beim Beschwerdeführer ein Altersfeststellungsverfahren durch, da dieser sein Geburtsjahr bei der Erstbefragung mit XXXX angegeben hatte. In einem medizinischen www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Sachverständigengutachten vom 26.05.2016 wurde festgestellt, dass das höchstmögliche Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt (XXXX) mit 17,5 Jahren anzunehmen sei. Das daraus errechnete "fiktive" Geburtsdatum laute XXXX. Damit habe er sich zum Zeitpunkt der Asylantragstellung nicht eindeutig jenseits seines vollendeten 18. Lebensjahres befunden und eine Minderjährigkeit könne für diesen Zeitpunkt nicht mit dem erforderlichen Beweismaß ausgeschlossen werden.

4. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 13.09.2017 gab der Beschwerdeführer an, er habe im Iran zeitweise auch in XXXX gelebt. Zunächst habe er im Iran eine Aufenthaltsbewilligungskarte gehabt, die immer in XXXX verlängert worden sei. Mit dieser Bewilligung habe er XXXX nicht verlassen dürfen, er habe jedoch trotzdem in XXXX gelebt. Dort sei er von der Polizei erwischt worden und seine Aufenthaltskarte sei vernichtet worden, weshalb er zuletzt illegal im Iran gewesen sei. Im Iran habe er Angst gehabt, zu einer Teilnahme am Krieg in Syrien gezwungen zu werden oder nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Aus diesen Gründen habe er den Iran verlassen. Er sei nie in Afghanistan gewesen. Er habe nur gehört, dass Hazara dort umgebracht würden und es werde gesagt, dass die Hazara nicht zu Afghanistan gehören würden, sondern Fremde wären. Der Beschwerdeführer könne sich nicht vorstellen, nach Afghanistan zu gehen. Er beherrsche die Sprache nicht so gut und würde nicht als Afghane akzeptiert werden. In die Provinz Ghazni, wo seine Familie ursprünglich herkomme, könne er nicht gehen, da auf dem Weg die Taliban seien und es bestehe die Gefahr, dass die Taliban ihn aufgrund seines Äußeren und seiner Sprache erkennen und töten würden.

Der Beschwerdeführer legte eine Stellungnahme vom 07.09.2017 von Pater Mag. XXXX, Dompfarrer in XXXX, der den Beschwerdeführer bei der Einvernahme als Vertrauensperson begleitete, vor, wonach der Beschwerdeführer im XXXX in die Dompfarre gekommen sei mit dem Wunsch, sich auf die Taufe vorbereiten zu dürfen. Von da an habe der Beschwerdeführer an den wöchentlichen Vorbereitungsstunden und an der Sonntagsmesse regelmäßig teilgenommen und sich sehr interessiert gezeigt. Er sei auch oft zur Gebetsstunde am Dienstag gekommen und er beteilige sich intensiv in den Katechumenatsstunden. Da die Taufvorbereitung ein Jahr in Anspruch nehme, sei die Taufe des Beschwerdeführers fürXXXXgeplant.

Weiters legte der Beschwerdeführer Bestätigungen über den Besuch des Pflichtschulabschlusslehrgangs, Kursteilnahmebestätigungen und Empfehlungsschreiben vor.

5. Mit Schreiben vom 28.09.2017 nahm der Beschwerdeführer Stellung zu den ihm ausgehändigten Länderfeststellungen zu Afghanistan. Der Beschwerdeführer sei Konvertit und er sei innerlich überzeugt, dass er Christ sein wolle und dies offen leben wolle. Bei der Einvernahme vor dem BFA habe Pater Mag. XXXX den Beschwerdeführer als Vertrauensperson begleitet, ein weiteres Indiz, dass der Beschwerdeführer zur katholischen Kirche eine enge Beziehung habe. Als Konvertit bestehe in Afghanistan asylrelevante Verfolgungsgefahr.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde sowohl den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch jenen auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde führte begründend im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers, er befürchte in Afghanistan eine Gefahr aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, sei sehr allgemein und vage gehalten und er habe diesbezüglich keine konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung geltend gemacht. Außerdem komme es in Afghanistan den Länderberichten zufolge zu keiner zielgerichteten Verfolgung von Hazara. Auf die vom Beschwerdeführer geschilderten Probleme im Iran sei nicht näher einzugehen, da es sich dabei nicht um den Herkunftsstaat handle. Der Beschwerdeführer habe zwar ein Schreiben der Dompfarre vorgelegt, in der Einvernahme allerdings nichts darüber erwähnt, einen Taufkurs zu besuchen. Auch nach mehrmaliger Nachfrage nach dem Fluchtgrund oder den Rückkehrbefürchtungen habe der Beschwerdeführer nicht sein Interesse am christlichen Glauben oder an einer Konversion erwähnt. Daher sei davon auszugehen, dass es sich um eine Scheinkonversion handle, da es ansonsten nicht nachvollziehbar erscheine, warum man eine solche Tatsache in einer Einvernahme unerwähnt lassen sollte. Insgesamt liege daher kein asylrelevanter Sachverhalt vor. Weiters sei der Beschwerdeführer jung, gesund, mobil und arbeitsfähig und es sei davon auszugehen, dass er im Fall einer Verbringung nach Afghanistan seinen Lebensunterhalt sichern könnte. Zudem könnte er Rückkehrhilfe oder die Unterstützung von NGOs in Anspruch nehmen. Die www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Rückkehrentscheidung wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK begründet.

7. Mit Schreiben vom 12.10.2017 erhob der Beschwerdeführer - fristgerecht - Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid. Er beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Ausweisung für dauerhaft unzulässig zu erklären, in eventu die Zurückverweisung. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Situation der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan sei schwierig und der Beschwerdeführer hebe sich auch durch seine Sprache und sein Verhalten ab. Er habe sein ganzes Leben im Iran verbracht und spreche Farsi. Insgesamt liege eine asylrechtlich relevante Verfolgung vor. Im Fall einer Verbringung nach Afghanistan laufe der Beschwerdeführer Gefahr, in eine aussichtslose Situation zu geraten und es sei zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

8. Mit Schreiben vom 14.11.2017 legte der Beschwerdeführer psychiatrische Befunde vor (datiert mit 06.10.2017 und 07.10.2017, Diagnose: Verdacht auf Posttraumatische Belastungsstörung).

9. Mit Schreiben vom 27.06.2018 übermittelte der Beschwerdeführer seinen Taufschein, ausgestellt von der Diözese XXXX, Pfarre XXXX, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am XXXX getauft wurde. Beigelegt wurde eine Stellungnahme von Pater Mag. XXXX vom 27.06.2018, wonach der Beschwerdeführer auch nach seiner Taufe an den Sonntagsmessen und der anschließenden Katechesestunde regelmäßig teilnehme.

10. Mit Schreiben vom 05.07.2018 wurde eine Beschwerdeergänzung übermittelt. Darin wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich taufen lassen und sei nunmehr Christ. Die Lage für Christen in Afghanistan sei weder sicher noch stabil und beim Beschwerdeführer liege aufgrund seines Abfalls vom Islam und seiner christlichen Überzeugung und Lebensweise wohlbegründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung vor. Zudem habe der Beschwerdeführer westliche Werte verinnerlicht und sei nicht gewillt, sich den Normen und Werten der Taliban zu unterwerfen, weshalb eine Verfolgungsgefahr aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung aufgrund des Vorwurfes der Apostasie bestehe. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei schlecht und der Beschwerdeführer verfüge dort über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte, weshalb zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei. Der Beschwerdeführer sei bereits gut in Österreich integriert.

Beigelegt wurde ein Zeugnis über die bestandene Pflichtschulabschluss-Prüfung.

11. Am 20.07.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt, bei welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde. An der Verhandlung nahm ein Vertreter der belangten Behörde teil. In Ergänzung der bereits vorgelegten Unterlagen wurden eine Teilnahmebestätigung für einen Werte- und Orientierungskurs, eine Bestätigung der XXXX über die ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Dolmetsch für die XXXX sowie ein Empfehlungsschreiben vorgelegt.

Im Rahmen der Befragung bestätigte der Beschwerdeführer zunächst die bisherigen Angaben zu seiner Person und bekräftigte, bei den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben. Bei den bisherigen Einvernahmen habe er einige Probleme mit den Dolmetschern gehabt, da er besser Farsi als spreche. Er habe gesagt, dass er sie verstehe, aber da er psychische Probleme gehabt habe und damals keine Tabletten genommen habe, sei er nicht so vorbereitet gewesen und habe sich nicht ausreichend ausdrücken können. Die Niederschriften seien ihm rückübersetzt worden.

Weiters gab der Beschwerdeführer (BF) entscheidungswesentlich Folgendes an (RI = erkennende Richterin, RV = Rechtsvertreter, BFA = Vertreter der belangten Behörde, D = Dolmetscherin):

"[...]

Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen Lebensumständen:

[...]

BFA: In welcher Sprache haben Sie sich mit Ihren Eltern unterhalten? In welchem Alter wurden Sie sozialisiert?

BF: Ich habe mich immer mit meinen Eltern auf Farsi unterhalten, sie auch mit mir.

www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

BFA: Sie sagten, dass Ihre Eltern 1-2 Jahre nach Ihrer Geburt in den Iran gekommen sind. Es ist völlig unplausibel, dass sie nur Farsi sprechen und Ihnen Farsi beibringen, wenn Sie erst kurz im Iran sind. Können Sie das bitte aufklären?

BF: Es ist so, dass, wenn man in ein fremdes Land geht und die notwendigen Papiere dort erhält, es hilfreich ist, wenn man sich auch den Sitten anpasst und die dortige Sprache spricht. Es hilft sehr, wenn man sich bei den zuständigen Ämtern nicht auf Dari, sondern auf Farsi unterhält. Wenn Sie selbst z.B. zehn Jahre im Iran leben würden, was für eine Sprache würden Sie dann sprechen? Es ist nicht wichtig, ob Sie antworten oder nicht, aber denken Sie darüber nach.

BFA: Sie haben vorhin gesagt, dass Sie bei der Befragung beim BFA Ihre Tabletten nicht genommen haben. Sie wollen andeuten, dass Sie nicht ganz einvernahmefähig gewesen sind. Wie erklären Sie sich Ihre Angaben, dass Sie nicht in ärztlicher Behandlung stehen und auch keine Medikamente nehmen?

BF: Das ist richtig, aber danach habe ich einen negativen Bescheid erhalten und mein Zustand wurde schlimmer und deshalb bin ich dann zum Arzt gegangen und danach habe ich diese Tabletten genommen und seitdem ich die Tabletten nehme, ist es ein neuer Zustand für mich. Ich fühle mich viel besser dadurch. Ich hatte die Protokolle in Kopie mit und ich habe diese danach nochmals gelesen und festgestellt, dass es nicht die Antworten waren, die ich hätte jetzt auch geben können. Wenn ich die Tabletten nicht nehme, habe ich ein Gleichgültigkeitsgefühl. Nichts ist wichtig dann. Ich bin nicht klar in meinen Gedanken.

RI: Ist heute für Sie die Einvernahme aber möglich?

BF: Ich glaube ja.

R an RV: Habe ich Unterlagen von der Behandlung im Akt?

RV: legt vor: Einzelbefund der psychiatrischen Behandlung.

BFA: Wenn Sie behaupten, dass Sie nach der Einvernahme erst bemerkt hätten, dass etwas falsch herübergekommen ist: Warum haben Sie das nicht im Zuge Ihrer Beschwerde gerügt?

BF: Welche Beschwerde meinen Sie?

BFA: Man hat ein Rechtsmittel, wenn man einen Bescheid bekämpft und da steht kein Wort drinnen.

BF: Sehen Sie das Datum, wann diese datiert worden sind?

BFA: Meinen Sie die Beschwerde?

BF: Meinen Sie, ich hätte die Arztbestätigung in der Beschwerde erwähnen sollen?

BFA: Allfällige Unzulänglichkeiten auf Grund der Einvernahme: Warum wurden diese nicht in der Beschwerde ergänzt?

BF: Was ist das für eine Frage? Was soll ich antworten?

BFA: In welcher Sprache wurde die Befragung bzw. Einvernahme vor dem BFA vorgenommen?

BF: Sie meinen das in XXXX?

BFA: Ja.

BF: Ich habe versucht, mich auf Dari auszudrücken.

BFA: Warum?

BF: Weil der Dolmetscher ein Hazara war und wenn jemand sich auf Dari mit dir unterhält, dann versucht man sich auch so auszudrücken. Dari habe ich auch mit dem Dolmetscher gesprochen. www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

BFA: Sie haben heute angegeben, am XXXX geboren worden zu sein. Bei der Asylantragstellung haben Sie angegeben, dass Sie XXXX geboren wurden. Warum wissen Sie jetzt, wann Sie geboren wurden?

BF: Wie viele Monate sind diese zwei Jahre auseinander?

RI: Woher nehmen Sie dieses Geburtsdatum?

BF: Das hat mir der Arzt gesagt, XXXX.

RI: Kann es sein, dass bei der Einvernahme die Sprache unrichtig eingetragen wurde?

BFA: Nein, das kann nicht sein. Das steht auch am Datenblatt.

RV: War der Dolmetscher Iraner oder Afghane?

BFV: Ich glaube, es ist ein Hazara gewesen.

BF: Ich weiß, dass mein Dolmetscher optisch sicherlich ein Hazara war.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie haben bereits vor der Einvernahme beim BFA Unterlagen vorgelegt, dass Sie seit XXXX die Sonntagsmesse und Vorbereitungsstunden besucht hätten; bei der Einvernahme haben sie auch ausgesagt, dass Sie Freunde aus der Kirche kennen, sie haben aber sonst nicht erwähnt, dass Sie sich intensiver mit dem christlichen Glauben beschäftigen würden. Nach Bescheiderlassung haben Sie dann Ihr Taufzeugnis vorgelegt. Hierzu habe ich noch einige Fragen.

RI: Können Sie sagen: Weshalb haben Sie während der Einvernahme durch das BFA nicht erwähnt, dass Sie sich für das Christentum interessieren und einen Taufvorbereitungskurs besuchen?

BF: Ich habe all das gesagt. Genau all das, was Sie jetzt gesagt haben, dass ich in der Kirche Freunde habe und was Sie auch gesagt haben. Ich möchte wissen, woher wissen Sie, was Sie gerade gesagt haben? Ich habe nämlich genau das gesagt. Ich weiß aber nicht, warum sie das dort nicht geschrieben haben. Denn ich habe auch damals gesagt, dass ich Freunde dort habe, ich habe in der Verhandlung eine Bestätigung vorgelegt, ich kann sie auch heute zeigen mit Datum. Pater XXXX saß hinter mir während der Befragung.

RI: Welche Bestätigung meinen Sie, welche haben Sie vorgelegt?

BF: Ich meine das Schreiben von Pater XXXX vom 07.09.2017. Auf dem Schreiben steht auch, dass Pater XXXX mich begleitet hat zur Einvernahme beim BFA.

RI: Sie wurden scheinbar auch nach Ihrer Religion gefragt und es wurde Schiit/Moslem vermerkt. Haben Sie da etwas von Ihrem Interesse an einem anderen Glauben gesagt?

BF: Ich habe es damals so gesagt: Ich werde nach Absprache mit Pater XXXX voraussichtlich XXXX getauft. Pater XXXX sagte zu der "Richterin", falls ich demnächst sterben sollte, werde ich nach dem christlichen Glauben hier begraben werden. Der Dolmetscher sagte zu mir: "Da du noch nicht getauft worden bist, schreiben wir schiitischer Moslem". Ich war deshalb auch sehr verärgert damals und ich wollte das Schreiben nicht unterschreiben. Aber ich war psychisch sehr unter Druck, als würde mich jemand zwingen.

RI: Haben Sie Ihren ehemaligen Glauben praktiziert, sind Sie in die Moschee gegangen, haben Sie gebetet, haben Sie gefastet?

BF: Als ich noch im Iran war, ja, aber mein Vater hat mich dazu gezwungen. Er sagte mir, "falls du das nicht tust, schmeiße ich dich von zu Hause hinaus". Ja. Das habe ich dann gemacht.

RI: Können Sie mir jetzt ausführlich schildern, wann und warum Sie begonnen haben, sich mit dem christlichen Glauben auseinander zu setzen, sich darüber zu informieren? www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

BF: Auf meiner Reise bis in die Türkei war alles wie vorher. Aber als ich nach Griechenland kam und die Christen sah, die unverschleierten Frauen, oder die Männer dort, die nicht wie die üblichen Moslems so lange Bärte haben (BF zeigt dies). Ich habe dadurch eine neue Welt mit neuen Menschen gesehen. Sie waren alle glücklich. Sie halfen mir sehr. Grundsätzlich waren alle sehr lieb zu mir. Als ich noch im Iran war, war es nicht üblich, dass man sich so gegenseitig hilft. Sie behandelten einen nicht wie einen Mensch und auch wenn man es dir ansieht, dass du Hilfe brauchst, wird dir nicht geholfen. Man kann sagen, es herrscht eine Art Hass zwischen den Moslems. Aber in Griechenland habe ich bemerkt, dass die Menschen sich gegenseitig behilflich sind und sehr zufrieden sind. Ich wurde neugierig und fragte mich, wieso diese Menschen sich so benehmen. Als ich später von der Insel nach XXXX ging, und in XXXX habe ich ein Buch bekommen. Das war die Bibel. Er sagte mir, wenn du Hilfe brauchst, sage es uns. Ich war ja in XXXXnicht alleine. Er lud uns auch ein in die Kirche dort.

RI: Wer hat Ihnen die Bibel gegeben, von wem reden Sie?

BF: Es gibt einen XXXX-Park in XXXX. Dort hat er die Bibel verteilt. Ich wollte gerne in die Kirche gehen, aber ich war nicht dort. Ich war nicht allein, sondern mit drei anderen Burschen. Sie waren auch Moslems. Ich wollte nicht alleine hingehen, denn ich wusste, dass es den drei Anderen nicht recht sei. Ich war alleine unterwegs auf meiner Reise. Deswegen war ich gezwungen, mich mit den anderen drei zusammen aufzuhalten. Vielleicht wäre etwas Schlimmes passiert, wenn ich damals alleine in die Kirche gegangen wäre, ohne sie.

RI: Was meinen Sie damit?

BF: Für sie macht es hier keinen Unterschied, ob Moslem oder Christ. Aber für die Iraner oder die Leute, die dort wohnen, ist das ein Unterschied. Das heißen sie dort nicht gut, wenn jemand in die Kirche geht. Deshalb bin ich nicht alleine in die Kirche gegangen. Ich hatte Angst vor den Konsequenzen. Sie haben die Bücher nicht genommen, aber ich schon. Als wir später dann nach Österreich kamen, wurde ich mit meiner Mentorin, die heute dabei ist, bekannt. Ich habe meine Mentorin kennengelernt. Als ich mit ihr immer wieder unterwegs war, um Deutsch zu lernen, hatte ich diesbezüglich einige Fragen an sie. Ich fragte sie immer wieder über das Christentum. Ich konnte damals nicht so gut Deutsch, aber sie wusste genau, wovon ich spreche. Danach bin ich von dort woanders hingebracht worden. Ich bin von XXXX nach XXXX gebracht worden. Sogar in XXXX haben die Burschen die Bibel bei mir gesehen. Sie haben mich auch immer diesbezüglich beleidigt, aber es war mir nicht wichtig, was sie sagen. Ich habe das Buch noch bei mir. Das ist ein sehr gutes Buch. Nachdem ich nach XXXX gekommen bin, konnte ich besser Deutsch sprechen und die richtigen Fragen an meine Mentorin stellen. Sie sagte, wir können gemeinsam in die Kirche gehen und du kannst deine Fragen dem Pfarrer dort stellen. Dort habe ich mich mit Pater XXXX unterhalten und er sagte mir, es gibt hier Kurse. Es gibt hier sowohl Iraner, als auch Afghanen und du kannst an diesen Kursen teilnehmen. Ab Februar habe ich diese Kurse begonnen. Diese Kurse fanden sonntags statt. Dienstag nachmittags fanden die Gebetsstunden statt. Sonntags hat Pater XXXXuns unterrichtet. Je mehr ich an diesen Kursen teilnahm, desto größer wurde mein Interesse. Das Schöne ist, dass in dem Glauben kein Zwang herrscht. Es gibt überhaupt keinen Zwang, sondern Freiheit, da herrscht Zufriedenheit, Gnade und Liebe. Für mich war das sehr interessant zu beobachten, dass die Christen einem Moslem selbstverständlich helfen. Dass sie sich gegenseitig helfen, war noch für mich verständlich, aber einem andersgläubigen Moslem zu helfen, war sehr interessant für mich. Wenn ein Christ in ein moslemisches Land kommt, versucht man, ihm etwas Böses zu tun. Aber die Christen versuchen trotzdem, etwas Gutes zurückzugeben. Sie möchten immer helfen und auch sogar ihren Feinden Gutes tun. Obwohl du mit ihnen verfeindet bist, haben sie dich gern. Das habe ich im Christentum gelernt. Ich möchte noch hinzufügen, dass man seine Feinde lieben soll.

RI: Erzählen Sie mir bitte von Ihrer Taufvorbereitung, wer hat Sie auf die Taufe vorbereitet?

BF: Pater XXXX hat diesen Taufvorbereitungskurs abgehalten. Ich habe die Kurse von Pater XXXX besucht. Aber Pater XXXX hat mir Fragen gestellt. Zur Vorbereitung der Taufe bin ich zu Pater XXXXgegangen. Er hat eine höhere Stellung, einen kirchlichen Rang und er hat mir geholfen. Nachdem ich getauft wurde, bin ich in die Gruppe von Pater XXXX gekommen.

RI: Sie besuchen jetzt auch noch Kurse in der Kirche?

BF: Ja. Ich besuche sowohl die Kurse, als auch gehe ich in die Kirche.

RI: Um welche Kirche handelt es sich?

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BF: XXXX. Das ist der Dom in XXXX.

RI: Sie wissen sicher, wann Sie getauft wurden und welchen Namen Sie bekommen haben?

BF: Ja. XXXX lautet mein Taufname. Am XXXX, wurde ich Samstag abends getauft.

RI: Was bedeutet es für Sie, nun Christ zu sein, ein christliches Leben zu führen? Wie äußert sich das in Ihrem täglichen Leben?

BF: Meine Pflicht als Christ ist, den anderen zu helfen, zu lieben. Ich gehe in die Kirche. Wenn ich mich nicht wohlfühle gehe ich in die Kirche und ich werde dort beruhigt. Ich bekomme dort eine Zufriedenheit und ich fühle mich dadurch auch wohl.

RI: Wie äußert sich das in Ihrem Handeln?

BF: Meine Verhaltensweise, zum Beispiel ich war früher sehr überheblich und war neidisch oder gierig oder wie soll ich sagen? So wie die Sündigen halt. Ich habe viele Fehler gemacht, aber danach, das, was ich gelernt habe, war, dass man nicht überheblich sein sollte oder zum Beispiel die Gier, was Essen betrifft. Nicht zu viel haben wollen. Alles soll ein normales Maß haben, nicht zu viel und nicht zu wenig. Ich bin zufrieden und beneide andere Personen nicht mehr wie früher, warum er mehr hat als ich. Das alles fühle ich nicht mehr, oder Hass. Das fühle ich nicht mehr. Auch was Vergeben betrifft. Zufriedenheit, all das. Aber ich weiß, dass ich noch einiges brauche.

RI: Was meinen Sie damit?

BF: Ich bin in dem, was ich gesagt habe, nicht vollkommen, bin zwar gut dabei, aber noch bin ich nicht das, was sein sollte. Ich möchte noch viel mehr von den Anderen lernen. Auch von Jesus Christus.

RI: Beschäftigen Sie sich auch über den Kirchenbesuch hinaus und die Kurse, die Sie besuchen, aktiv mit dieser Religion? Engagieren Sie sich etwa in der Pfarrgemeinde? Wenn ja, schildern Sie mir das bitte ein wenig!

BF: Wenn manchmal Festivitäten bei uns stattfinden, helfe ich mit, die Tische und Sessel hinzustellen, wann auch immer sie meine Hilfe benötigen, bin ich da. Oder nach den Festen, die Sachen wieder aufzuräumen oder zu putzen.

RI: Sie haben Festivitäten erwähnt. Feiern Sie die christlichen Feiertage? Wie feiern Sie diese? Welches Fest wurde zuletzt gefeiert?

BF: Es gibt immer wieder Feste, kleine und größere Feste. Die kleinen Feste haben auch Namen, aber die größeren Feste weiß ich.

RI: Wissen Sie, was das letzte christliche Fest war?

BF: Es gibt immer wieder kleinere Feste. Das letzte größere Fest war Pfingsten.

RI: Fronleichnam kennen Sie auch?

BF: Ich habe Sie nicht verstanden, was Sie meinen.

D wiederholt die Frage.

BF: Ich sagte ja, ich nehme teil an diesen Festen. Aber auf Deutsch ist es für mich schwer. Ich habe seit XXXXdiese Kurse, sodass ich nicht alle deutschen Namen auswendig kann.

RI: Haben Sie in Österreich auch noch andere Freunde, die zum Christentum konvertiert sind?

BF: Ja. Es sind einige. Ca. sieben, acht, sind es. Einige von ihnen leben auch in XXXX. Einige von ihnen leben auch in XXXX. Es sind nicht nur Afghanen, es sind auch Iraner, Iraner sind viel mehr.

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RI: Wie sieht es aus mit dem Kontakt zu Afghanen oder Iranern, die keine Christen sind?

BF: Es sind keine festen Freundschaften, aber doch sehen wir uns täglich und begrüßen uns. Meine Mitbewohner sind Moslems.

RI: Wissen diese Afghanen oder Iraner, dass Sie zum Christentum konvertiert sind?

BF: Ja.

RI: Wie haben diese Mitbewohner und Bekannten reagiert?

BF: Ich habe es ihnen nicht gesagt, aber auf Grund meines Benehmens wissen sie, dass ich Christ geworden bin. Für manche ist es nicht so wichtig, aber manche von ihnen grüßen mich nicht einmal, als würden sie mich nicht sehen wollen.

RI: Haben Sie Ihre Familie davon informiert, dass Sie getauft wurden?

BF: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich war mir sicher, es kommt dabei nichts Gutes heraus. Wenn ich ihnen das erzähle, dann werde ich keinen Kontakt mehr mit ihnen haben. Sie werden mich verstoßen. Einer meiner Freunde hat seiner Mutter erzählt, dass er konvertiert ist und die Eltern haben keinen Kontakt mehr zu ihm. Wenn ich es ihnen erzähle, dann ist unsere Beziehung zu Ende.

Rl: Würden Sie Ihren jetzigen Glauben auch nicht mehr ablegen, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich war in Wirklichkeit nie ein Moslem. Als ich noch im Iran war, wusste ich gar nicht, dass es auch eine andere Religion gibt und lebte so wie die anderen und dachte, das ist der richtige Weg als Moslem. Seit ich hierhergekommen bin, bin ich ein neuer Mensch. Ich habe mich innerlich verändert. Wenn ich nach Afghanistan zurückkehre, gehen die anderen alle in die Moschee. Wenn ich dort nicht in die Moschee gehe, wissen alle davon. Es steht zwar nirgendwo geschrieben, dass ich Christ bin, aber innerlich und auf Grund meines Verhaltens, werden sie merken, dass ich kein Moslem bin. Sie werden nicht sofort merken, dass ich Christ bin, aber nach einiger Zeit werden sie feststellen, dass ich Christ bin und was dann mit mir passiert, weiß ich nicht. Ich habe darüber gelesen, dass, wenn jemand konvertiert, wird er zum Tode verurteilt. Es gibt unterschiedliche Entscheidungen darüber, einer wird gesteinigt, der Andere, weiß ich nicht. Es gibt verschiedene Arten.

RI: Schließen Sie eine Rückkehr zum Islam aus?

BF: Ich habe hier die Zufriedenheit gefunden. Ich möchte das sagen: Ich bin als Moslem geboren, aber ich kann selbst entscheiden, was für eine Religion mir Zufriedenheit gibt und was mir guttut. Es heißt nicht, weil ich als Moslem geboren wurde, dass ich auch als Moslem sterben muss.

RI: Schließen Sie eine Rückkehr zum Islam aus?

BF: Ich würde nicht zum Islam zurückkehren. Niemals.

RI: Könnten Sie Ihren jetzigen Glauben in Afghanistan geheim halten?

BF: In dem Heim, wo ich wohne, sind alle Moslems, richtig? Viele von ihnen grüßen mich nicht mehr. Hier haben sie zwar keine Macht, selbst sind sie auf Hilfe angewiesen, aber in ihrem eigenen Land können sie alles tun. Ich habe dort außerdem niemanden, der mich unterstützen würde. Das geht nicht, dass ich meinen Glauben geheim halte. Weder meine Kleidung, noch meine Optik zeigt, dass ich Christ bin, aber auf Grund meines Verhaltens und was ich sage, werden sie herausfinden, dass ich kein Moslem bin, sondern Christ bin. In Afghanistan herrschen keine Gesetze und sie haben unter einander kein Erbarmen, geschweige denn gegen einen Christen.

RI: In welcher Sprache haben Sie die Bibel in XXXX bekommen?

BF: Auf Farsi. Ich habe sie jetzt dabei.

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RI: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft hier in Österreich vor, wenn Sie in Österreich bleiben könnten? Was sind Ihre Pläne?

BF: Ich möchte mich weiterbilden. Derzeit darf ich nicht. Ich habe bis jetzt meinen Hauptschulabschluss gemacht. Ich möchte in dem Bereich als Arzt oder im Pflegebereich arbeiten. Ich möchte anderen helfen. In diesem Bereich möchte ich mich weiterbilden. Wenn es möglich wäre, würde ich gerne auf die Universität gehen. Wenn ich studieren darf, dann möchte ich gerne Zahnmedizin studieren.

RI: Möchten Sie von sich aus noch etwas Ergänzendes sagen? Möchten Sie im Hinblick auf die Bindung zu Österreich noch etwas Ergänzendes ausführen?

BF: Ich möchte mich bedanken für die Hilfe, die ich bekommen habe in Österreich, dass sie mich unterstützt haben. So etwas gibt es im Iran nicht. Ich bin sehr glücklich darüber, überall die Hilfe, die ich hier bekommen habe und dass ich hier leben kann. Ich muss mich unter Kontrolle halten jetzt. Die Chancen, die mir gegeben wurden, dass ich zur Schule gehen konnte. Ich hatte im Iran diese Möglichkeiten nicht. Ergänzen möchte ich noch, dass ich in Afghanistan niemanden habe und die Kultur nicht kenne.

RI gibt Gelegenheit zu Fragen und Anmerkungen.

RV: Diese Taufvorbereitungskurse dauern noch an?

BF: Ja. Sie sind noch.

RV: In welchem Ausmaß und wie oft gehen Sie dorthin?

BF: Sie finden jede Woche sonntags nach der Messe um 12:00 Uhr statt. Es kommt darauf an, manchmal auch um 01:00 Uhr, aber jede Woche. Manchmal finden die Kurse aus welchem Grund auch immer nicht statt, selten aber doch.

RV: Sie gehen jeden Sonntag in die Kirche?

BF: Ja. Sonntags und dienstags in die Gebetsstunde.

RV: Pater XXXX ist der Priester in der Domkirche?

BF: Manchmal ist es Pater XXXX und manchmal Pater XXXX.

BFA: Warum ist für Sie die Religion überhaupt wichtig? Könnten Sie letztlich ohne Religion leben?

BF: Ich bin mit Religion groß geworden. Mein Vater hat mich immer unter Druck zu etwas gezwungen. Er hat mich manchmal geschlagen und gezwungen, zu beten oder zu fasten. Wenn ich nicht gehorcht habe, dann hat er mich geschlagen, das war für mich normal. Dadurch fühlte ich mich psychisch sehr schlecht. Als ich Moslem war, war ich die ganze Zeit hoffnungslos. Ich habe in dieser Religion die Hoffnung gefunden und die Zufriedenheit und die Vergebung. Ein hoffnungsloser Mensch neigt sogar dazu, sein Leben zu beenden. Als ich konvertiert bin, habe ich mehr Hoffnung am Leben gefühlt wie je zuvor. Ich hatte viel mehr schlechte Erinnerungen früher, aber ich habe Hoffnung, dass ich mit dieser Religion ein verändertes, besseres Leben habe.

BFA: Was verstehen Sie unter Vergebung?

BF: Ich gebe Ihnen ein Beispiel über diesen Wasserkrug vor mir. In dieser Religion gibt es keinen Egoismus. Wenn Sie zum Beispiel durstig sind und ich fühle mich verpflichtet, dass ich auch den anderen Wasser gebe und das teile, oder ein anderes Beispiel: Wenn ich sehe, dass jemand einen Fehler macht, muss ich ihm vergeben.

BFA: Sie haben vorher gesagt, dass Christen sogar die Feinde gerne haben. Habe ich das richtig verstanden?

BF: Richtig. Jesus sagt, liebt eure Feinde.

BFA: Angenommen, jemand würde Ihre Mutter ermorden, würden Sie auch diesen Mörder lieben?

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RI lässt die Frage nicht zu.

BFA: Warum wird Pfingsten gefeiert?

BF: Der Heilige Geist erscheint in zwölf Jüngern und ermutigt sie, dass sie den Mut haben, über Jesus Christus mit den anderen Menschen zu reden.

BFA: Sie haben den Taufnamen XXXX.

BF: XXXX war einer von den Personen, die einige Teile der Bibel geschrieben haben. Mir hat das gut gefallen, weil er ein Arzt war. Ich wollte schon immer ein Arzt sein und weil ich das auch sehr gerne sein wollte, wollte ich seinen Namen haben.

BFA: Was wird von Ihnen seitens dieser Religionsgemeinschaft, der Sie angehören, konkret erwartet?

BF: Ich habe Sie nicht verstanden.

BFA: was sollen Sie der Religionsgemeinschaft geben? Gibt es etwas, was von Ihnen erwartet wird?

BF: Vielleicht erwarten sie nichts von mir. Ich fühle mich verpflichtet und fühle mich als Schuldner und ich möchte den anderen helfen. Wenn mehr, dann sogar mehr. Ich bin ihnen mein Leben schuldig. Sie sind wie meine Mutter für mich (gemeint: diese Religion, das Christentum) oder die XXXX, die mir sehr geholfen hat.

BFA: Haben Sie sich nicht gewundert, dass Sie beim BFA nicht zum Christentum gefragt worden sind?

BF: Ich habe ja gesagt, dass mir gesagt wurde, dass ich noch nicht getauft wurde und man daher Moslem schreibt. Da ich mich psychisch nicht wohlfühlte, ich habe mich dazu sogar geäußert und es wurde nicht protokolliert. Ich fühlte mich unter Druck und ich habe dann unterschrieben.

BFA: Verweis auf AS 12 des erstinstanzlichen Bescheides. Sie wurden gefragt, ob Sie alles gesagt haben. Sie haben gesagt, Sie haben alles erwähnt.

BF: Das stimmt. Ich habe alles erwähnt. Ich sagte ja, ich war unter psychischem Druck. Ich habe damals keine Tabletten genommen und ich fühlte mich psychisch nicht wohl.

BFA: Wie erklären Sie sich, dass Sie dann schildern konnten, wenn Sie die geschilderten Probleme nicht hätten, was Sie dann erwartet. Sie sagten, dass Sie Probleme bekommen würden, weil Sie Hazara sind.

BF: Habe ich nur das gesagt?

BFA: Nur das.

BF: Ich habe auch gesagt, dass ich niemand anderen dort habe.

BFA: Ich meinte konkret auf die Frage.

BF: Wenn ich die Tabletten nicht nehme, habe ich ein Gleichgültigkeitsgefühl und keine Konzentration.

BFA: Haben Sie über die bevorstehende Einvernahme in XXXX mit jemandem gesprochen?

BF: Ich hatte niemanden, mit dem ich reden konnte.

BFA: Warum haben Sie dann Pater XXXXmitgenommen, wenn Sie offensichtlich mit niemandem darüber gesprochen haben?

BF: Als ich die Ladung für das Interview bekommen habe, habe ich Pater XXXX gesagt, dass ich die Ladung bekomme und er sagte, ich begleite dich dorthin und er hat mich dann dorthin begleitet.

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BFA: Über den Ablauf der Einvernahme, was dort geschieht, haben Sie nicht gesprochen?

BF: Was meinen Sie?

BFA: Man erkundigt sich, wenn man nicht weiß, was einen erwartet.

BF: Er sagte mir, dass ich über das Christentum befragt werde und er sagte mir, dass er an mich glaube und ich glaube auch daran, dass du Christ werden willst und das reicht für das Interview.

BFA: Das BFA hat keine Einwände gegen eine allfällige Entscheidung, auf Grund derer die Rückkehrentscheidung für unzulässig erklärt wird, da der BF sehr gut integriert ist."

Pater Mag. XXXX, geb.XXXX, Dompfarrer in XXXX, wurde als Zeuge einvernommen und gab Folgendes an (Z = Zeuge):

"RI: Können Sie mir bitte näher erzählen, wie Sie mit Herrn XXXX in Kontakt gekommen sind und wie Ihr Kontakt bis zum heutigen Tag verlaufen ist. Haben Sie auch heute noch Kontakt zu ihm, betätigt er sich aktiv in der Pfarrgemeinde?

Z: Seine Mentorin, Frau XXXX, ist mit ihm im XXXX in den Dom nach XXXX gekommen. Er wurde mir vorgestellt. Er hat ihr gegenüber den Wunsch geäußert, mehr über den christlichen Glauben zu erfahren. Ich habe ihn dann eingeladen, in die wöchentlich stattfindende Katechese am Sonntag nach dem Gottesdienst zu kommen. Von da an ist er ziemlich regelmäßig, wöchentlich, zu diesen Katechesen gekommen. Das ist eine Art Glaubensstunde im Hinblick auf die Taufvorbereitung. Er war regelmäßig da. Er hat sich aufmerksam und interessiert gezeigt. Von seinem Wesen her ist er sehr schüchtern, er war ein paar Mal bei mir, dass ich beten soll, weil es ihm psychisch nicht sehr gut geht. Das hat ihm gut getan. Die Taufvorbereitung war bei ihm sehr lange, etwas länger als 1 Jahr. Heuer XXXXhat die Taufe stattgefunden. Ich habe ihn geprüft über die Inhalte des Glaubens. Ich war über sein Wissen, seine Frömmigkeit und seine innere Haltung sehr zufrieden. Er ist einmal zu mir gekommen, als wir über die Sakramente gesprochen haben. Er fragte, ob es eine Sünde sei, wenn er die Heilige Kommunion empfangen will. Er sagt, immer wenn ich das nehme, dann geht es mir besser. Daraufhin habe ich gesagt: "In Gottes Namen, wenn dir das so viel bringt, dann wird Gott nichts dagegen haben". Er hat ein sehr schwieriges Verhältnis zu seinem Vater, weil er sehr viel Gewalt erlebt hat. Er hat mich einmal gefragt, weil auch sein Bruder ein ziemlicher Hardcore-Muslim zu sein scheint, wie er diesen Hass losbekommt. Er weiß, als Christ soll er verzeihen. Wir haben länger geredet und gebetet. Es ging ihm dann besser. Für mich war dadurch klar, dass er verstanden hat, dass es um das Verzeihen geht, als wesentlichen Aspekt des Christentums. Wir machen diese Glaubensstunden weiter nach der Messe und er kommt weiterhin in die Messe und in die Glaubensstunden und er hilft auch in der Pfarre gern. Ich habe relativ viele, etwa 50 in den letzten Jahren, getauft. Für mich ist sein Christsein sehr authentisch und sehr ehrlich. Das kann ich von meinem Gefühl sagen. Er ist auch ein sehr liebenswürdiger und sozialer Mensch. Ich sehe ihn auch losgelöst von einer Messe in der Kirche beten.

RI: Hatten Sie jemals den Eindruck, der BF würde sich nicht ernsthaft mit dem Christentum beschäftigen bzw. der BF habe den Glaubenswechsel nicht aus innerer Überzeugung vollzogen? Hatten Sie das Gefühl, der BF habe daran gezweifelt, letzten Endes diesen bedeutenden Schritt zu machen?

Z: Nein. Ich hatte diesen Eindruck nie.

RI: Sie waren auch bei der Einvernahme vor dem BFA und haben den BF begleitet?

Z: Ja.

RI: In diesem Zusammenhang wurde er auch nach seiner Religion gefragt?

Z: Wahrscheinlich schon. Damals bei dieser Einvernahme war ich verwundert, weil er damals nichts über seine Konversion gesagt hat. Er war in einem psychischen Ausnahmezustand, er war sehr eingeschüchtert. Sein Dolmetscher war ein Afghane. Er hatte Angst. Ich habe mich dann auch nicht eingemischt. Ich habe ihn danach gefragt, warum hast du nicht über deine Konversionsabsichten geredet. Er hat gesagt, dass er so eine Sperre hatte. Was bei ihm insofern glaubwürdig ist, weil er solche psychischen Probleme öfter hat und schwer darüber reden kann. Er sagte auch oft in Gesprächen, jetzt kann ich nicht darüber reden, vielleicht geht es morgen.

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RI: Können Sie sich erinnern, dass Sie bei der Einvernahme des BF vor dem BFA gesagt haben, dass der BF ein christliches Begräbnis bekäme, wenn er jetzt sterben würde?

Z: Ja. Das habe ich vermutlich so gesagt. Es ist allein vom Kirchenrecht so, dass ein Katechumene (Taufbewerber), sollte dieser noch vor der Taufe versterben, ein christliches Begräbnis erhält.

RI gibt Gelegenheit Fragen an den Zeugen zu richten:

RV: Keine Fragen.

BFA: Hat der BF einen förmlichen Katechumenats-Kurs absolviert?

Z: Ja. Selbstverständlich. Seit 2015 machen wir das in der Dompfarre.

BFA: Wissen Sie, wann der BF das erste Mal mit dem Christentum in Berührung gekommen ist?

Z: Ich weiß jetzt nicht, ob er sich schon im Iran interessiert hat. In Österreich hat er sich sehr intensiv damit auseinandergesetzt.

BFA: Haben Sie mit dem BF vor der Einvernahme darüber gesprochen, was dort geschieht?

Z: Ja. Sicher.

BFA: Wenn Sie merken, dass etwas schiefläuft, warum haben Sie sich nicht zu Wort gemeldet?

Z: Sie wissen genau, dass mir immer gesagt wird, ich möge den Mund halten. Deswegen habe ich mich dort nicht gemeldet. Ich wollte nicht provozieren.

BFA: Welche Position hat die katholische Kirche zur Notlüge?

Z: Grundsätzlich soll man nicht lügen nach den zehn Geboten. Nach den Gesetzen des geringeren Übels ist es moral-theologisch erlaubt, wenn ich ein größeres Übel dadurch verhindern kann. Ich nenne ein Beispiel: Wenn ein Angehöriger verfolgt und gesucht wird, so kann ich die Verfolger zum Beispiel im Hinblick auf den Fluchtweg auf eine falsche Spur führen.

Ich würde hier nicht lügen.

BFA: Sie haben vorher erwähnt, dass der BF psychisch beeinträchtigt war. Seit wann wissen Sie das?

Z: Das weiß ich schon ziemlich von Beginn an. Das hat mir seine Betreuerin und auch er selbst gesagt.

BFA: Ob und bei wem stand er in Behandlung?

Z: Er war einmal im Krankenhaus, aber ich weiß nicht, von wem er behandelt wurde.

BFA: Wissen Sie, ob der BF irgendwelche Medikamente einnimmt?

Z: Ja. Seit dem Zeitpunkt, als er im Krankenhaus war, nehme ich an, das war nach dem negativen Bescheid, nehme ich an, aber ich weiß es nicht genau."

Weiters wurde XXXX, geb. XXXX, als Zeugin einvernommen und gab Folgendes an (Z = Zeugin):

"RI: Können Sie mir bitte näher erzählen, wie Sie mit Herrn XXXX in Kontakt gekommen sind und wie Ihr Kontakt bis zum heutigen Tag verlaufen ist. Haben Sie auch heute noch Kontakt zu ihm, betätigt er sich aktiv in der Pfarrgemeinde?

Z: Ich habe ihn vor drei Jahren kennengelernt. Ich habe in der XXXX-Zeitung ein Inserat vom Samariter-Bund gelesen, wonach Mentoren für mj. unbegleitete Flüchtlinge gesucht wurden. Ich habe angerufen, ich habe www.ris.bka.gv.at Seite 12 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Kontakt mit der Heimleitung in XXXX aufgenommen. Ich habe einen Termin vereinbart. Dort habe ich ihn kennengelernt.

RI: Seitdem haben Sie einen kontinuierlichen Kontakt?

Z: Ja. Einmal mindestens in der Woche.

RI: Können Sie sich erinnern, wie es dazu gekommen ist, dass er sich mit dem christlichen Glauben näher befasst hat? Sind Sie eingebunden gewesen?

Z: Ja. Er hat mir erzählt, dass er, als er in Griechenland auf seinem Fluchtweg angekommen ist, Christen getroffen hat. Er hat warme Bekleidung, Schlafsäcke und Essen bekommen. Sie haben ihm geholfen. Sie waren so erschöpft und überhaupt er. Es wurde ihm angeboten, zu einem Heim zu fahren. Dann hat er mir erzählt, dass sie im XXXX-Park in XXXX von Christen die Bibel bekommen haben.

RI: Wie ist es zum ersten Kirchenbesuch gekommen.

Z: Er hat mir erzählt, dass er in XXXX bereits in der Kirche war. Dann wollten wir in XXXX auch die Kirche besuchen, diese war zugesperrt. Dann kam der BF nach XXXX. Er hat mich irrsinnig oft über das Christentum und nach Jesus gefragt, wie alt war Jesus, was hat er gemacht? Dann hat er mir immer wieder sein Telefon gezeigt, dass er immer wieder etwas über das Leben von Jesus gelesen hat. Wir haben über den Islam und das Christentum gesprochen. In der Adventzeit in XXXX hat er mich noch mehr gefragt, weil er die Krippen und Adventskränze gesehen hat. Er hat auch immer wieder von der Bibel gesprochen, die er in XXXX bekommen hat. Dann waren wir in der Domkirche in XXXX in der Heiligen Messe. Nach der Messe habe ich Pater XXXX kontaktiert, den ich schon von der XXXX kannte. Dann habe ich mich und XXXX vorgestellt und habe XXXXin seine Hände gegeben, mit der Bitte, dass er ihn auch unterstützt, weil er in der Kirche so eine Ruhe gefunden hat.

RI: Wie beurteilen Sie seine Entwicklung und Integration in Österreich?

Z: In XXXX habe ich ein schüchternes Kind gesehen. Er war sehr nervös. Auf Grund seiner Schüchternheit und Traumatisierung habe ich seine Betreuung übernommen und bin schon damals öfters nach XXXX gefahren, obwohl das für mich eine sehr lange Strecke ist. Er hat sich wirklich so positiv verändert. Er will studieren und lernen. Er will sich integrieren. Er ist für alles offen und tolerant. Ich habe das nur hoffen können. Ich möchte noch erwähnen, dass er mich vor der Taufvorbereitung gefragt hat, dass er Christ werden will. Ich habe darauf geantwortet, dass es allein seine Entscheidung ist.

RI gibt Gelegenheit Fragen an den Zeugen zu richten:

RV: Reden Sie mit dem BF Deutsch?

Z: Ja. Wir haben gemeinsam für die Schule gelernt, die österreichische Geschichte. Er hat schon den Hauptschulabschluss. Er hat private Deutschkurse am XXXX gemacht. Wir wollten Arbeit suchen. Er möchte ab September in die Berufsschule gehen, Lehre mit Matura. Er möchte Zahntechniker oder Zahnarzt werden.

BFA: Keine Fragen."

Das erkennende Gericht brachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in das Verfahren ein (aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018) und verwies auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zur Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa.

12. Die belangte Behörde übermittelte eine mit 23.07.2018 datierte Stellungnahme. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in mehreren Punkten sein Vorbringen gesteigert und die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sei massiv gemindert. So habe er etwa in der Einvernahme vor dem BFA nichts von seiner Konversion erwähnt, obwohl er dazu Gelegenheit gehabt hätte. Dem Beschwerdeführer sei es im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht gelungen, einen Glaubenswechsel aus innerer Überzeugung darzulegen. Er habe sich in seinen Ausführungen stets nur auf rein humanistische Aspekte berufen und diese fälschlich als christliche Ideologie eingestuft. Er verwechsle den europäischen Kulturkreis und die europäischen gesellschaftlichen Werte mit Religion. Weiters verwechsle er www.ris.bka.gv.at Seite 13 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018 rein psychohygienische Funktionen und den Bedarf nach Selbstreflexion mit religiösen Inhalten. Ungeachtet dessen drohe jedenfalls keine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan aufgrund seines vermeintlichen Interesses am Christentum. Dem Beschwerdeführer sei es zumutbar, sich zu seiner Konversion nicht öffentlich zu äußern bzw diese zu leugnen, zumal eine solche Leugnung im Sinne einer "Notlüge" auch in der katholischen Theologie schuldfrei erfolgen könne. Es sei möglich, nichtislamische Religionen im Privaten zu praktizieren. Besonders aber sei es dem Beschwerdeführer zumutbar, anzugeben, niemals vom Islam abgefallen zu sein und seit seiner Geburt Christ gewesen zu sein. Er habe auch von seiner Familie keine Konsequenzen zu befürchten, da diese von seiner Konversion nichts wüssten. Schließlich sei es dem Beschwerdeführer möglich, sich etwa in , Mazar oder Herat anzusiedeln.

13. Mit Datum vom 08.08.2018 übermittelte der Beschwerdeführer seinerseits eine Stellungnahme. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine mangelnde Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sei keinesfalls anzunehmen und bei seiner Konversion handle es sich nicht um ein spätes, gesteigertes Vorbringen, sondern dies sei noch vor Abschluss des Beweisverfahrens geltend gemacht worden. Entgegen der Ansicht der Behörde sei jedenfalls ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung gegeben. Dass sich der Beschwerdeführer auf humanistische Aspekte berufen habe, sei zwar richtig, bei Werten wie Nächstenliebe, Gnade und Vergebung handle es sich jedoch um Grundpfeiler der christlichen Ideologie und ein Widerspruch sei somit nicht erkennbar. Insgesamt entstehe der Eindruck, dass die Behörde Widersprüche konstruiere und alles Mögliche versuche, um die innere Überzeugung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Konversion in Zweifel zu ziehen. Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan aufgrund seiner Konversion sehr wohl einer asylrelevanten Verfolgung aus religiösen Gründen ausgesetzt.

14. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom XXXX - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Aufgrund des Asylantrags vom 30.12.2015, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch die belangte Behörde, der Beschwerde vom 12.10.2017 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Vor seiner Konversion zum Christentum bekannte sich der Beschwerdeführer zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer spricht aufgrund seines Aufenthaltes mit seiner Familie im Iran sehr gut Farsi, weiters spricht er ein wenig Dari sowie Deutsch und etwas Englisch.

Die Familie des Beschwerdeführers stammt ursprünglich aus der Provinz Ghazni, XXXX, Dorf XXXX, hat Afghanistan jedoch bereits vor der Geburt des Beschwerdeführers verlassen. Der Beschwerdeführer wurde in XXXX, Iran geboren und hat dort auch mit seiner Familie gelebt. Er hat sich noch nie in Afghanistan aufgehalten. Die Familie des Beschwerdeführers (Eltern, eine Schwester, drei Brüder) befindet sich nach wie vor im Iran. Er hat zu seinen Familienangehörigen unregelmäßig Kontakt. Ein weiterer Bruder befindet sich in Indonesien. Der Beschwerdeführer ist ledig.

Der Beschwerdeführer ist erstmals auf seiner Flucht in Griechenland mit dem Christentum in Berührung gekommen. Er hat sich mit der Zeit mehr und mehr für diese Religion interessiert. In XXXX hat er eine auf Farsi geschriebene Bibel bekommen. Der Beschwerdeführer wollte bereits in Griechenland in die Kirche gehen, hat dies jedoch aus Angst vor Konsequenzen nicht gemacht, da er damals mit drei muslimischen Burschen unterwegs war. In Österreich kümmert sich seit mehreren Jahren eine Mentorin, Frau XXXX, um den Beschwerdeführer. Sie treffen einander mindestens einmal pro Woche. Der Beschwereführer hat ihr immer wieder sehr viele Fragen betreffend das Christentum gestellt und großes Interesse gezeigt, sodass seine Mentorin ihn schließlich im XXXXzur Messe in die Domkirche in XXXX begleitet und mit Pater Mag. XXXX, Dompfarrer in XXXX, bekannt gemacht hat. Der Beschwerdeführer hat den Wunsch geäußert, mehr über den christlichen Glauben erfahren zu wollen und sich taufen lassen zu wollen, weshalb ihn der genannte Pfarrer zur wöchentlichen Katechese eingeladen hat. Von da an hat der Beschwerdeführer wöchentlich die Messe und die www.ris.bka.gv.at Seite 14 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Katechese besucht und etwas mehr als ein Jahr eine Taufvorbereitung absolviert. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer getauft. Auch nach seiner Taufe besucht der Beschwerdeführer nach wie vor sonntags die Messe und danach den Glaubensunterricht und dienstags die Gebetsstunde. Er betet auch außerhalb der Messe in der Kirche und feiert die christlichen Feste. Weiters hilft er in der Pfarre mit, etwa bei Festen. Der Beschwerdeführer betätigt sich ehrenamtlich als Dolmetsch für dieXXXX. In Österreich hat der Beschwerdeführer mehrere Freunde, die ebenfalls zum Christentum konvertiert sind. Seine Mitbewohner in der Unterkunft sind Muslime und diese wissen auch von seiner Konversion, weshalb ihn manche von ihnen nicht mehr grüßen. Der Beschwerdeführer hat seiner Familie nicht von seiner Taufe erzählt, da er sich sicher ist, dass ihn seine Familie deshalb verstoßen würde. Sein Vater ist sehr religiös und sehr streng.

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer aus freier persönlicher Überzeugung vom islamischen Glauben zum Christentum konvertiert ist und dass dieser Schritt von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen ist. Es ist - auch im hypothetischen Fall einer Verbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan - nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben ablegen oder verleugnen würde und auch nicht, dass er auf religiöse Betätigung verzichten würde.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Gründe, nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.2.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018; Auszüge)

1. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden: www.ris.bka.gv.at Seite 15 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

www.ris.bka.gv.at Seite 16 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in : Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl APN 30.4.2018a).

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* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster: Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl Tolonews www.ris.bka.gv.at Seite 18 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl TG 20.5.2018) .

* Selbstmordanschlag während -Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

* In der Provinz wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl NZZ 22.4.2018).

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e- Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen

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(UNAMA 2.2018) www.ris.bka.gv.at Seite 19 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA 2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht- ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

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Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium- Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF- Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018). www.ris.bka.gv.at Seite 21 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US- amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, www.ris.bka.gv.at Seite 22 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP- Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani- Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

Drogenanbau

In den Jahren 2016 - 2017 haben sich die Flächen zum Mohnanbau für Opium um 63% vergrößert und kommen nun auf 328.000 Hektar; insgesamt verstärkte sich die Opiumproduktion um 87% und damit auf 9.000 metrische Tonnen - die größte Menge in der afghanischen Geschichte. Die stärkste Expansion der Mohnanbauflächen war in der Provinz Helmand zu verzeichnen, die als Zentrum der Opiumproduktion erachtet wird: eine Fläche von 144.000 Hektar ist dort dem Mohnanbau gewidmet. Der Mohnanbau hat sich landesweit verstärkt, auch in nördlichen Provinzen, wie zB und Jawzjan (UNODC 11.2017).

Unterstützt von ihren internationalen Partnern führt die afghanische Regierung weiterhin Operationen zur Drogenbekämpfung durch. Im gesamten Jahr 2017 wurden von afghanischen Exekutivbehörden 445 solcher Einsätze durchgeführt. Beschlagnahmt wurden dabei: 391kg Heroin, 31kg Morphium, 8.141kg Opium, 2 kg Methamphitamine, 38.547 kg Haschisch, 1.256 kg fester Vorläuferchemikalien, 1.437 flüssige Vorläuferchemikalien und 1.590 Tabletten synthetischer Drogen (MDMA - 3,4- methylenedioxymethamphetamine); diese Beschlagnahmungen führten zu 531 Verhaftungen. Die beschlagnahmte Menge an Opiaten ist die höchste registrierte Menge seit dem Jahr 2012. Auch hat sich der Preis

www.ris.bka.gv.at Seite 23 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018 für Opium erheblich reduziert (-41%), was mit einer großen Ernte in Verbindung gebracht wird; reduziert hat sich auch der Heroinpreis (-7%) (UNGASC 27.2.2018).

Im letztem Quartal 2017 wurden 750 Hektar Mohnanbauflächen in den Provinzen Nangarhar, Kandahar, Badakhshan, Balkh, Kunar, Kapisa, Laghman, Ghor, Herat, Badghis, Nimroz, Takhar, und Kabul vernichtet. Der UN zufolge wurden in den letzten drei Jahren in den nördlichen Regionen keine Mohnanbauflächen vernichtet, außer in den Provinzen Sar-e Pul und Balkh im Jahr 2017 - wo insgesamt 25 Hektar zerstört wurden. Ebenso wurden im Jahr 2017 im Süden des Landes keine Mohnanbauflächen zerstört; die Ausnahme bildet Kandahar - dort wurden 48 Hektar zerstört (SIGAR 30.1.2018).

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1.1. Sicherheitslage in Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

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Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die www.ris.bka.gv.at Seite 31 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

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1.2. Sicherheitslage in Ghazni

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi (UN-OCHA 4.2014; vgl Pajhwok o.D.a). Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 4.2017). Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (Pajhwok o. D.a).

Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari (Pajhwok o.D.a; vgl UN OCHA 4.2014, GI o.D.). Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (Khaama Press 2.7.2017; vgl HoA 15.3.2016).

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Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist (UNODC 11.2017).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vgl SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018).

Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018).

Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (UNGASC 27.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

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Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Ghazni

Miliärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt (Tolonews 17.3.2018; vgl Xinhua 27.1.2018, ZNI 3.3.2018, Tolonews 5.2.2018, Tolonews 24.3.2018, MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017; MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Pajhwok 13.3.2018; vgl MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017, MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden (Khaama Press 1.2.2018; vgl Pajhwok 12.3.2018).

Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (AJ 11.6.2018; vgl AJ 21.5.2018, VoA 22.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni

Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (VoA 10.1.2018). Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein (Pajhwok 1.7.2017).

Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei (VoA 10.1.2018). Für den Zeitraum 1.1.-15.7.2017 wurden IS- bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (ACLED 23.2.2018). www.ris.bka.gv.at Seite 35 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Quellen:

- AJ - Al Jazeera (11.6.2018): Afghanistan: At least twelve killed in Kabul suicide blast, https://www.aljazeera.com/news/2018/06/afghanistan-dozen-killed-kabul-suicide-blast-180611102329495.html, Zugriff 12.6.2018

- AJ - Al Jazeera (21.5.2018): Afghanistan: Policemen killed in deadly Taliban attacks in Ghazni, https://www.aljazeera.com/news/2018/05/afghanistan-policemen-killed-deadly-taliban-attacks-ghazni- 180522085446606.html, Zugriff 23.5.2018

- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (23.2.2018): Islamic State in Afghanistan, https://www.acleddata.com/2018/02/23/islamic-state-in-afghanistan/ Zugriff 26.3.2018

- CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (4.2017): Estimated Population of Afghanistan 2017-2018, http://cso.gov.af/Content/files/%D8%AA%D8%AE%D9%85%DB%8C%D9%86%20%D9%86%D9%81%D9% 88%D8%B3/Final%20Population%201396.pdf, Zugriff 4.5.2018

- Dawn (26.5.2017): Taliban attack on Afghan base kills at least 15 soldiers, https://www.dawn.com/news/1335568, Zugriff 19.3.2018

- HoA - Heart of Asia (15.3.2016): Concerns about Ghazni's security, and the responsibility of government, http://www.heartofasia.af/index.php/editorial/item/885-concerns-about-ghazni-s-security- and-the-responsibility-of-government, Zugriff 9.2.2017

- GI - Ghazni Info (o.D.): Ghazni, http://www.ghazni.info/gazni-local-authorities.html, Zugriff 28.3.2018

- Khaama Press (1.2.2018): Drone strike on Taliban gathering leaves 26 dead in Ghazni, https://www.khaama.com/drone-strike-on-taliban-gathering-leaves-26-dead-in-ghazni-04398/, Zugriff 19.3.2018

- Khaama Press (2.7.2017): Ghazni Police Chief General Amarkhel resigns, https://www.khaama.com/ghazni-police-chief-general-amarkhel-resigns-03057/, 19.3.2018

- IWPR Institute for the Study of War & Peace (15.1.2018): Afghan Local Police Accused of Extortion, https://iwpr.net/global-voices/afghan-local-police-accused-extortion, Zugriff 27.3.2018

- MF - Mena FN (25.3.2018): Afghanistan- Nearly 50 terrorists killed in anti-terror drills, http://menafn.com/1096651678/Afghanistan-Nearly-50-terrorists-killed-in-antiterror-drills, Zugriff 27.3.2018

- MF - Mena FN (18.3.2018): Afghanistan- 530 militants dead in military raids, http://menafn.com/1096611914/Afghanistan-530-militants-dead-in-military-raids, Zugriff 27.3.2018

- MF - Mena FN (8.3.2018): Afghanistan- 54 insurgents killed in military raids, http://www.menafn.com/1096559710/Afghanistan-54-insurgents-killed-in-military-raids, Zugriff 27.3.2018

- Pajhwok (13.3.2018): 29 Taliban killed in Helmand, Ghazni operations, https://www.pajhwok.com/en/2018/03/13/29-taliban-killed-helmand-ghazni-operations, Zugriff 27.3.2018

- Pajhwok (12.3.2018): 53 Taliban claimed killed, 28 wounded nationwide, https://www.pajhwok.com/en/2018/03/12/53-taliban-claimed-killed-28-wounded-nationwide, Zugriff 27.3.2018

- Pajhwok (o.D.a): Background Profile of Ghazni, http://elections.pajhwok.com/en/content/background- profile-ghazni, Zugriff 19.3.2018

- SD - The Siasat Daily (1.2.2018): 26 militants killed in Afghanistan, https://www.siasat.com/news/26-militants-killed-afghanistan-1310426/, Zugriff 27.3.2018

- Tolonews (24.3.2018): Afghan Forces Conduct 22 Operations Against Terrorists, www.ris.bka.gv.at Seite 36 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018 https://www.tolonews.com/index.php/afghanistan/afghan-forces-conduct-22-operations-against-terrorists, Zugriff 27.3.2018

- Tolonews (17.3.2018): Security Leaders Under Fire Over Spike In Casualty Toll, https://www.tolonews.com/afghanistan/security-leaders-under-fire-over%C2%A0spike-casualty-toll, Zugriff 27.3.2018

- Tolonews (5.2.2018): 25 Taliban Insurgents Killed in Ghazni Operation, https://www.tolonews.com/afghanistan/25-taliban-insurgents-killed-ghazni-operation, Zugriff 27.3.2018

- Tolonews (5.12.2017): Senior al-Qaeda Member Killed In Joint Military Operation, https://www.tolonews.com/index.php/afghanistan/senior-al-qaeda-member-killed-joint-military-operations, Zugriff 27.3.2018

- UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (2.2018): Afghanistan: Protection of Civilians in Armed Conflict - Annual Report 2017, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/15_february_2018_-_afghanistan_civilian_casualties_in_2017_- _un_report_english_0.pdf, Zugriff 1.3.2018

- UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (27.2.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security http://undocs.org/S/2018/165, Zugriff 15.3.2017

- UN OCHA (4.2014): Ghazni Province District Atlas, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/Ghazni.pdf, Zugriff 28.3.2018

- UNODC - United Nations Office on Drugs and Crime (11.2017): Afghanistan Opium Survey 2017, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Afghan_opium_survey_2017_cult_prod_web.pdf, Zugriff 16.3.2018

- VoA - Voice of America (10.1.2018): IS Leaflets Threaten Residents in Restive Afghan Province, https://www.voanews.com/a/islamic-state-afghanistan-ghazni/4202900.html, Zugriff 19.3.2018

- VoA - Voice of America (22.10.2017): Dozens of Militants Dead as Taliban Rival Groups Clash in Afghanistan, https://www.voanews.com/a/afghanistan-taliban-violence/4081462.html, Zugriff 27.3.2018

- Xinhua (18.3.2018): 5 policemen killed in fresh attack in Afghanistan, http://www.xinhuanet.com/english/2018-03/18/c_137047721.htm, Zugriff 19.3.2018

- Xinhua (20.2.2018): 28 militants killed as gov't forces continue operations in Afghanistan, http://www.xinhuanet.com/english/2018-02/20/c_136987462.htm, Zugriff 19.3.2018

- Xinhua (27.1.2018): Afghan forces launch operation to trace militants in eastern province, http://www.xinhuanet.com/english/2018-01/27/c_136929166_2.htm, Zugriff 27.3.2018

- ZNI - Zee News India (3.3.2018): Afghan forces kill 28 insurgents: Ministry of Defence, http://zeenews.india.com/world/afghan-forces-kill-28-insurgents-ministry-of-defence-2086096.html, Zugriff 27.3.2018

2. Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

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Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht- Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017). www.ris.bka.gv.at Seite 38 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434081/4598_1528111899_auswaertiges- amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-stand-mai- 2018-31-05-2018.pdf, Zugriff 6.6.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Afghanistan Country Report, https://www.bti- project.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/AFG/, Zugriff 6.4.2018

- MoJ - Ministry of Justice (15.5.2017): Strafgesetz: http://moj.gov.af/content/files/OfficialGazette/01201/OG_01260.pdf, Zugriff 12.2.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (2017): The World Factbook - Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 12.2.2018

- CRS - Congressional Research Service (13.12.2017): Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 12.2.2018

- FH - Freedom House (11.4.2018): Freedom in the World 2018 - Afghanistan https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/afghanistan, Zugriff 25.5.2018

- HO U.K. - Home Office United Kingdom (2.2017): Country Policy and Information Note Afghanistan: Hindus and Sikhs, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/590778/AFG_- _Sikhs_and_Hindus_-_CPIN_-_v3_1__February_2017_.pdf, Zugriff 3.4.2018

- USCIRF - U.S. Commission on International Religious Freedom (2017): 2017 Annual Report: Afghanistan Chapter, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/Afghanistan.2017.pdf, Zugriff 12.2.2018

- USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/irf/2016/sca/268924.htm, Zugriff 3.4.2018

- USDOS - U.S. Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/irf/religiousfreedom/index.htm?year=2015&dlid=256299, Zugriff 6.6.2018

2.1. Christentum und Konversionen zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen www.ris.bka.gv.at Seite 39 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich- maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434081/4598_1528111899_auswaertiges- amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-stand-mai- 2018-31-05-2018.pdf, Zugriff 6.6.2018

- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1253781/4598_1478857553_3-deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebu ngsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik- afghanistan-19-10-2016.pdf, Zugriff 3.4.2018

- AIK - Ambasciata d'Italia Kabul (o.D.): La Cappella, https://ambkabul.esteri.it/ambasciata_kabul/it/ambasciata/la_sede/la-chiesa.html, Zugriff 10.4.2018

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- Vertrauliche Quelle - Vertreter der katholischen Mission in Afghanistan mit Sitz in Kabul (8.11.2017): Informationen zur katholischen Mission in Afghanistan. Antwortschreiben, liegt bei der Staatendokumentation auf

1.2.2. Auszug aus einer ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan zur Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa vom 01.06.2017, a- 10159:

"Nach Angaben des US-Nachrichtendiensts Central Intelligence Agency (CIA) seien 99,7 Prozent der Bevölkerung Afghanistans Muslime. Der Anteil der Sunniten liege bei 84,7 bis 89,7 Prozent, während jener der Schiiten bei 10 bis 15 Prozent liege. Nichtmuslimische Gruppen würden 0,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen (CIA, Stand 1. Mai 2017). Laut US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) würden zu den nichtmuslimischen Gruppen vor allem Hindus, Sikhs, Bahá'í und Christen zählen. Bezüglich Zahl der christlichen Gemeinden im Land würden keine verlässlichen Schätzungen vorliegen (USDOS, 10. August 2016, Section 1). Nach Angaben des niederländischen Außenministeriums handle es sich dabei wahrscheinlich um einige Dutzend Personen (BZ, 15. November 2016, S. 65). Laut Angaben der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD), eines evangelikalen Netzwerks verschiedener Kirchen und Gemeinschaften in Deutschland, gehe ‚[e]ine optimistische Schätzung [...] davon aus, dass es mehrere Tausend einheimische Christen' im Land gebe (EAD, 9. Juni 2015). Die staatliche United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt unter Berufung auf Berichte afghanischer Flüchtlinge in Europa, dass unter anderem die Zahl der Christen in Afghanistan seit dem Wiedererstarken der Taliban im Jahr 2015 vermutlich erheblich zurückgegangen sei (USCIRF, 26. April 2017).

1) Vom Islam abgefallene Personen (Apostaten)

www.ris.bka.gv.at Seite 41 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass Apostasie (Arabisch: ridda) in der klassischen Scharia als ‚Weggehen' vom Islam verstanden werde und ein Apostat (Arabisch: murtadd) ein Muslim sei, der den Islam verleugne. Apostasie müsse nicht unbedingt bedeuten, dass sich der Apostat einer neuen Glaubensrichtung anschließe:

[...]

Artikel 2 der Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan vom Jänner 2004 legt die ‚heilige Religion des Islam' als Religion Afghanistans fest. Angehörige anderer Glaubensrichtungen steht es frei, innerhalb der Grenzen des Gesetzes ihren Glauben und ihre religiösen Rituale auszuüben. Gemäß Artikel 3 der Verfassung darf kein Gesetz in Widerspruch zu den Lehren und Vorschriften des Islam stehen. Laut Artikel 7 ist Afghanistan indes verpflichtet, die Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, zwischenstaatlicher Vereinbarungen, internationaler Vertragswerke, deren Vertragsstaat Afghanistan ist, sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte einzuhalten. Artikel 130 der Verfassung schreibt vor, dass die Gerichte bei der Beurteilung von Fällen die Bestimmungen der Verfassung und anderer Gesetze zu berücksichtigen haben. Wenn es jedoch zu einem Fall keine Bestimmungen in der Verfassung oder anderen Gesetzen gibt, so haben die Gerichte entsprechend der (sunnitischen) hanafitischen Rechtssprechungstradition innerhalb der Grenzen der Verfassung auf eine Art und Weise zu entscheiden, welche am besten geeignet ist, Gerechtigkeit zu gewährleisten:

[...]

Bezugnehmend auf den soeben zitierten Artikel 130 der afghanischen Verfassung schreibt Landinfo im August 2014, dass dieser Artikel hinsichtlich Apostasie und Blasphemie relevant sei, da Apostasie und Blasphemie weder in der Verfassung noch in anderen Gesetzen behandelt würden. (Landinfo, 26. August 2014, S. 2). Im afghanischen Strafgesetzbuch existiere keine Definition von Apostasie (Landinfo, 4. September 2013, S. 10; USDOS, 10. August 2016, Section 2). Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt, dass das Strafgesetzbuch den Gerichten ermögliche, Fälle, die weder im Strafgesetz noch in der Verfassung explizit erfasst seien, darunter Blasphemie, Apostasie und Konversion, gemäß dem Scharia-Recht der Hanafi-Rechtsschule und den sogenannten ‚hudud'-Gesetzen, die Vergehen gegen Gott umfassen würden, zu entscheiden (USCIRF, 26. April 2017). Die Scharia zähle Apostasie zu den sogenannten ‚hudud'-Vergehen (USDOS, 10. August 2016, Section 2) und sehe für Apostasie wie auch für Blasphemie die Todesstrafe vor (Landinfo, 26. August 2014, S. 2).

Die United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF), eine staatliche Einrichtung der USA zur Beobachtung der Situation hinsichtlich der Meinungs- Gewissens- und Glaubensfreiheit im Ausland, schreibt in ihrem Jahresbericht vom April 2017, dass staatlich sanktionierte religiöse Führer sowie das Justizsystem dazu ermächtigt seien, islamische Prinzipien und das Scharia-Recht (gemäß Hanafi-Rechtslehre) auszulegen. Dies führe zuweilen zu willkürlichen und missbräuchlichen Auslegungen und zur Verhängung schwerer Strafen, darunter der Todesstrafe (USCIRF, 26. April 2017).

Die Internationale Humanistische und Ethische Union (International Humanist and Ethical Union, IHEU), ein Zusammenschluss von über 100 nichtreligiösen humanistischen und säkularen Organisationen in mehr als 40 Ländern, bemerkt in ihrem im November 2016 veröffentlichten ‚Freedom of Thought Report 2016', dass sich die Gerichte bei ihren Entscheidungen weiterhin auf Auslegungen des islamischen Rechts nach der Hanafi- Rechtslehre stützen würden. Das Office of Fatwa and Accounts innerhalb des Obersten Gerichtshofs Afghanistans würde die Hanafi-Rechtsprechung auslegen, wenn ein Richter Hilfe dabei benötige, zu verstehen, wie die Rechtsprechung umzusetzen sei:

[...]

Thomas Ruttig, Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützige Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, die Analysen zu politischen Themen in Afghanistan und der umliegenden Region erstellt, bemerkte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) Folgendes bezüglich der Rechtspraxis:

‚Zwar gibt es drei parallele Rechtssysteme (staatliches Recht, traditionelles Recht und islamisches Recht/Scharia), doch letztendlich ziehen sich viele Richter, wenn die Lage irgendwie politisch heikel wird, auf das zurück, was sie selber als Scharia ansehen, statt sich etwa auf die Verfassung zu berufen. Die Scharia ist nicht gänzlich kodifiziert, obwohl verschiedenste Rechtskommentare etc. existieren, und zudem gibt es zahlreiche Widersprüche in den Lehrmeinungen.' (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

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Michael Daxner, Sozialwissenschaftler, der das Teilprojekt C9 ‚Sicherheit und Entwicklung in Nordost- Afghanistan' des Sonderforschungsbereichs 700 der Freien Universität Berlin leitet, bemerkte beim selben Expertengespräch vom Mai bezüglich der Auslegung des islamischen Rechts und islamischer Prinzipien:

‚Sehr oft stammen die liberalsten Auslegungen von Personen, die etwa an einer Einrichtung wie der Al-Azhar in Kairo studiert haben und daher mit den Rechtskommentaren vertraut sind. Man kann sich indes kaum vorstellen, wie wenig theologisch und religionswissenschaftlich versiert die Geistlichen auf den unteren Ebenen sind. Wenn ein Rechtsgelehrter anwesend ist, der etwa von der Al-Azhar kommt, kann er die Sache auch ein Stück weit zugunsten des Beschuldigten drehen, denn je mehr glaubwürdige Kommentare dem Scharia-Text zugefügt werden, desto besser sieht es für die Betroffenen aus.' (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) geht in seinen im April 2016 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender wie folgt auf die strafrechtlichen Konsequenzen von Apostasie bzw Konversion vom Islam ein:

‚Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tod bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten ‚ungeheuerlichen Straftaten', die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi- Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen.

Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist.' (UNHCR, 19. April 2016, S. 61)

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem im August 2016 veröffentlichten Länderbericht zur internationalen Religionsfreiheit (Berichtsjahr 2015), dass laut Hanafi- Rechtlehre Männer bei Apostasie mit Enthauptung und Frauen mit lebenslanger Haft zu bestrafen seien, sofern die Betroffenen keine Reue zeigen würden. Richter könnten zudem geringere Strafen verhängen, wenn Zweifel am Vorliegen von Apostasie bestünden. Laut der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte würde der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion Apostasie darstellen. In diesem Fall habe die betroffene Person drei Tage Zeit, um die Konversion zu widerrufen. Widerruft sie nicht, so habe sie die für Apostasie vorgesehene Strafe zu erhalten. Die genannten Entscheidungsempfehlungen würden in Bezug auf Personen gelten, die geistig gesund und vom Alter her ‚reif' seien. Dieses Alter werde im Zivilrecht mit 18 Jahren (bei Männern) bzw 16 Jahren (bei Frauen) festgelegt. Gemäß islamischem Recht erreiche eine Person dieses Alter, sobald sie Anzeichen von Pubertät zeige:

[...]

Auch der Bericht von Landinfo vom September 2013 behandelt unter Berufung auf verschiedene Quellen die rechtlichen Folgen von Apostasie. Das Strafrecht sehe gemäß Scharia die Todesstrafe für erwachsene zurechnungsfähige Männer vor, die den Islam freiwillig verlassen hätten. Diese Rechtsauffassung gelte sowohl für die schiitisch-dschafaritische als auch für die (in Afghanistan dominierende) sunnitisch-hanafitische Rechtsschule. Nach einer Einschätzung in einer Entscheidung des britischen Asylum and Immigration Tribunal aus dem Jahr 2008 sei das Justizwesen in Afghanistan mehrheitlich mit islamischen Richtern besetzt, die den Doktrinen der hanafitischen bzw dschafaritischen Rechtssprechung folgen würden, welche die Hinrichtung von muslimischen Konvertiten empfehlen würden. Die Strafen für Frauen im Falle von Apostasie seien indes weniger schwer: sie würden ‚gefangen gehalten'. Die sunnitischhanafitische Rechtslehre sehe dabei eine mildere Bestrafung vor als die schiitischdschafaritische. Während letztere vorsehe, dass (weibliche) Apostatinnen täglich jeweils zu den Gebetszeiten ausgepeitscht würden, sehe die hanafitische Lehre vor, dass sie jeden dritten Tag geschlagen würden, um sie zu zur Rückkehr zum Islam zu bewegen. Neben Frauen seien auch Kinder, androgyne Personen und nichtgebürtige Muslime im Fall von Apostasie von der Todesstrafe ausgenommen. Bezüglich der Anwendung der Scharia und der strafrechtlichen Konsequenzen für Apostasie liege kein Erfahrungsmaterial speziell zu Afghanistan vor. Zugleich sei Landinfo der Auffassung, es gebe Grund zur Annahme, dass etwaige gerichtliche Entscheidungen in diesem Bereich unterschiedlich ausgefallen seien, jedoch den soeben beschriebenen Richtlinien entsprechen würden, wobei die Variationen eventuell weniger ausgeprägt sein könnten. Dies gelte auch für die zivilrechtlichen Folgen von Apostasie. Wie Landinfo bemerkt, könne in Afghanistan gemäß Verfassung und religiösen Rechtsmeinungen die Todesstrafe verhängt werden, wenn ein Fall von Konversion vor Gericht komme. Dies gelte sowohl für das staatliche als auch für das traditionelle Rechtssystem:

[...] www.ris.bka.gv.at Seite 43 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Dem USDOS zufolge seien aus dem Berichtsjahr 2015 keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Apostasie bekannt (USDOS, 10. August 2016, Section 2).

UNHCR schreibt in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender Folgendes über zivilrechtliche und gesellschaftliche Folgen einer (vermeintlichen) Apostasie bzw Konversion:

‚Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren.

Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können Berichten zufolge selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. [...]

Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).' (UNHCR, 19. April 2016, S. 61-62)

Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, eine andere sei als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen sei mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen seien:

[...]

Die IHEU bemerkt in ihrem Bericht vom November 2016, dass nur sehr wenige Fälle von ‚Ungläubigen' bzw Apostaten verzeichnet würden, was wahrscheinlich jedoch bedeute, dass viele Konvertiten und Andersgläubige zu viel Angst davor hätten, ihren Glauben öffentlich kundzutun. Der Übertritt vom Islam werde selbst von vielen Personen, die sich allgemein zu demokratischen Werten bekennen würden, als Tabu angesehen. (IHEU, 1. November 2016)

Laut einem Artikel von BBC News vom Jänner 2014 stelle Konversion bzw Apostasie in Afghanistan nach islamischem Recht eine Straftat dar, die mit der Todesstrafe bedroht sei. In manchen Fällen würden die Leute jedoch die Sache selbst in die Hand nehmen und einen Apostaten zu Tode prügeln, ohne dass die Angelegenheit vor Gericht gelange:

[...]

Weiters bemerkt BBC News, dass für gebürtige Muslime ein Leben in der afghanischen Gesellschaft eventuell möglich sei, ohne dass sie den Islam praktizieren würden oder sogar dann, wenn sie ‚Apostaten' bzw ‚Konvertiten' würden. Solche Personen seien in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren würden. Gefährlich werde es dann, wenn öffentlich bekannt werde, dass ein Muslim aufgehört habe, an die Prinzipien des Islam zu glauben. Es gebe kein Mitleid mit Muslimen, die ‚Verrat an ihrem Glauben' geübt hätten, indem sie zu einer anderen Religion konvertiert seien oder aufgehört hätten, an den einen Gott und an den Propheten Mohammed zu glauben. In den meisten Fällen werde ein Apostat von seiner Familie verstoßen:

[...]

2) Christliche KonvertitInnen

Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) bemerkte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016), dass Christen als religiöse Gruppe in der afghanischen Verfassung ‚(wohl bewusst) nicht genannt' würden, während Sikhs und Hindus in der Verfassung genannt würden und die gleichen Rechte hinsichtlich der Religionsausübung zuerkannt bekämen wie Muslime schiitischer Konfession. Da es jedoch niemanden gebe, der in der Lage sei, die Verfassung umzusetzen, könne ‚die Verfassung einen Christen www.ris.bka.gv.at Seite 44 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018 wohl auch dann nicht schützen, wenn die Verfassung die Religionsausübung von Christen garantieren würde und sich ein Christ auf die Verfassung berufen könnte'. (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

UNHCR bemerkt in seinen im April 2016 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, dass nichtmuslimische religiöse Minderheiten, darunter Christen, ‚weiterhin im geltenden Recht diskriminiert' würden. Die sunnitische Hanafi-Rechtssprechung gelte für ‚alle afghanischen Bürger, unabhängig von ihrer Religion'. Die ‚einzige Ausnahme' würden ‚Personenstandsachen [bilden], bei denen alle Parteien Schiiten sind', in diesem Fall würde ‚das schiitische Recht für Personenstandsachen angewendet'. Für andere religiöse Gruppen gebe es ‚kein eigenes Recht'. Wie UNHCR weiter ausführt, würden unabhängig davon ‚nicht-muslimische Minderheiten Berichten zufolge weiterhin gesellschaftliche Schikanierung und in manchen Fällen Gewalt' erfahren. So würden Mitglieder religiöser Minderheiten wie etwa der Christen ‚aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung' es vermeiden, ‚sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln'. (UNHCR, 19. April 2016, S. 57-58)

Ähnlich schreibt das US-Außenministerium (USDOS) in seinem im August 2016 veröffentlichten Jahresbericht zur Religionsfreiheit (Berichtsjahr: 2015) unter Berufung auf Vertreter von Minderheitenreligionen, dass die afghanischen Gerichte Nichtmuslimen nicht dieselben Rechte wie Muslimen zugestehen würden und Nichtmuslime häufig der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung unterworfen würden (USDOS, 10. August 2016, Section 2).

Ruttig geht im Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) wie folgt auf die Lage von christlichen Konvertiten ein:

‚Die Gleichberechtigung gilt nicht für die zunehmende Zahl von Christen, bei denen es sich ausschließlich um Konvertiten (oft durch evangelikale Gruppen; aber auch bewusste Abwendungen vom Islam unter Gebildeten) und nicht um autochthone Gruppen handelt.

Als ehemalige Muslime gelten sie als Abtrünnige, worauf nach der Scharia (siehe Rechtssysteme) die Todesstrafe stehen kann. Ihre Zahl ist nicht bekannt. Es gibt heute eine ganze Reihe von Afghanen, die zum Christentum übergetreten sind. Sie tun alle sehr wohl daran, ihren Glaubensübertritt nicht (weitestgehend nicht einmal gegenüber der eigenen Familie) bekanntzugeben. Es handelt sich zum Teil um Angehörige stark unterprivilegierter Gruppen (Straßenkinder, sehr arme Familien), die über humanitäre Ausreichungen konvertiert worden sind und ich habe auch Leute von denen getroffen, die oft nur geringe Kenntnisse über das Christentum haben. Aber es gibt auch sehr bewusste Entscheidungen unter gebildeten Afghanen, die sich bewusst vom Islam abwenden und Christen werden. Mir sind persönlich Fälle von drei oder vier Leuten bekannt (aber es gibt natürlich viel mehr!), deren Konversion bekannt geworden ist, die dann aus Afghanistan gerettet und ausgeflogen werden mussten. Konversion ist einfach nicht vorgesehen, deswegen stehen diese Christen unter starkem Verfolgungsdruck.' (ACCORD, Juni 2016, S. 8-9)

‚Afghanen, die einer Konversion beschuldigt werden, stehen völlig im Regen. Es gibt niemanden, der ihnen helfen kann. Falls die Sache vor ein staatliches Gericht kommt (was unwahrscheinlich ist), dann sehen sich die Richter ideologisch derart gezwungen, nach der Scharia zu urteilen, dass der Fall nur schlecht für den Betroffenen ausgehen kann.' (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

Wie UNHCR bemerkt, dürften Nichtmuslime ‚Berichten zufolge nur dann untereinander heiraten, wenn sie sich nicht öffentlich zu ihren nicht-islamischen Überzeugungen bekennen' würden (UNHCR, 19. April 2016, S. 58).

[...]

UNHCR schreibt Folgendes über gesellschaftliche Haltungen gegenüber Christen sowie über das Vorgehen der Taliban gegen (vermeintlich) christliche ausländische Hilfsorganisationen:

‚Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist Berichten zufolge weiterhin offen feindlich. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. In Afghanistan existieren keine öffentlichen Kirchen mehr und Christen beten allein oder in kleinen Versammlungen in Privathäusern. Im Jahr 2013 riefen vier Parlamentsmitglieder Berichten zufolge zur Hinrichtung von Personen auf, die zum Christentum konvertiert sind. Die Taliban haben Berichten zufolge ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien.' (UNHCR, 19. April 2016, S. 58-59)

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Die staatliche United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt im April 2017, dass nichtmuslimische religiöse Gemeinschaften weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung, Schikanierung und mitunter auch Gewalt betroffen seien. Es würden unter anderem Berichte über Schikanen gegen vom Islam konvertierte Personen vorliegen. Mitglieder nichtmuslimischer Gemeinschaften hätten berichtet, dass allgemein vorherrschende Unsicherheit und Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten sie dazu bewegt hätten, das Land zu verlassen:

[...]

Das USDOS bemerkt, dass Christen aus Angst vor staatlichen Repressalien weiterhin Situationen aus dem Weg gehen würden, die geeignet wären, bei der Regierung den Eindruck zu erwecken, sie würden versuchen, ihre Religion zu verbreiten. Weiters hätten Christen angegeben, dass die öffentliche Meinung gegenüber christlichen Konvertiten und der Idee der christlichen Missionierung feindselig sei. Mitglieder der kleinen christlichen Gemeinde, von denen viele im Ausland zum Christentum konvertiert seien, würden aus Angst vor Diskriminierung oder Verfolgung weiterhin alleine oder in kleinen Gruppen in Privathäusern Gottesdienst halten. Es gebe weiterhin keine öffentlichen christlichen Kirchen in Afghanistan. Für nichtafghanische Staatsangehörige unterschiedlicher Glaubensrichtungen gebe es Gebetsstätten innerhalb von Militäreinrichtungen der Koalitionstruppen sowie in Botschaften in Kabul:

[...]

Laut Angaben der USCIRF befinde sich die einzige bekannte christliche Kirche im Land auf dem Gelände der italienischen Botschaft (USCIRF, 26. April 2017).

Der Deutschlandfunk, ein öffentlich-rechtlicher Radiosender mit Sitz in Köln, zitiert im Februar 2017 den deutschen reformierten Theologen und Religionswissenschaftler Thomas Schirrmacher mit folgender Aussage, die sich auf Übertritte afghanischer Asylwerber zum Christentum bezieht:

‚Für viele Muslime ist die Sache hoch gefährlich, weil im Islam eine Strafe auf Apostasie und Blasphemie steht. Und sie können dann so oder so nicht mehr in ihre Länder zurück. Im Regelfall wird aber auch die Familie sie verstoßen. In Afghanistan gibt es - ja man kann schon sagen - ein Kampf auf Leben und Tod zwischen dem offiziellen Islam und allen abweichenden Formen und der zweitgrößten Religion im Land, dem Christentum.' (Deutschlandfunk, 13. Februar 2017)

Die Evangelische Allianz in Deutschland (EAD) beschreibt die Lage von Christen wie folgt: ‚Gemeinden leben fast ausschließlich als Untergrundkirche, und es gab nur eine leichte Verbesserung seit dem Sturz der Taliban. Gläubige aus dem Ausland, die stark zugenommen haben, können nur sehr vorsichtig ihren Glauben bezeugen. Die Zahl der afghanischen Gläubigen wächst, ebenso die Mittel, die zur Verfügung stehen, um ihnen zu helfen. [...] Werden spirituellen Aktivitäten unter den Gläubigen entdeckt, wird auf dem muslimischem Hintergrund in den Medien intensiv darüber berichtet und versichert, hart durchzugreifen bis hin zur Todesstrafe. (EAD, 9. Juni 2015)

Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass sich die religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Beschränkungen, denen Christen in Afghanistan unterworfen seien, nicht anders gestalten würden als für andere Gruppen mit Meinungen, Weltansichten, politischen Überzeugungen und Glaubensvorstellungen, die als Abfall vom Islam wahrgenommen werden könnten. Ebenso wie Personen mit säkularen Ansichten, Atheisten und nichtgläubige Afghanen müssten auch Christen ständige Selbstzensur üben und könnten sich wegen drohender Angriffe nicht zu ihrem Verhältnis zum bzw ihrer Sicht auf den Islam äußern. Angehörige solcher Gruppen seien gezwungen, sich konform mit dem Islam, d.h. so zu verhalten, als wären sie Muslime. Nach außen hin müssten alle Afghanen die religiösen Erwartungen ihrer lokalen Gemeinschaft hinsichtlich religiösen Verhaltensweisen, Gebeten etc. erfüllen. Laut Angaben unter anderem der norwegischen Kulturberatungsfirma Hansen Cultural Coaching (HCC) gebe es viele Afghanen (nicht nur christliche Konvertiten), die lokale religiöse Sitten befolgen und an religiösen Ritualen teilnehmen, ohne dass diese Handlungen ihre tatsächlichen inneren Glaubensvorstellungen und Überzeugungen widerspiegeln würden:

[...]

Die US-Tageszeitung New York Times (NYT) berichtet in einem älteren Artikel vom Juni 2014, dass es aus offizieller Sicht keine afghanischen Christen gebe. Die wenigen Afghanen, die das Christentum praktizieren würden, würden dies aus Angst vor Verfolgung im Privaten tun und eine der wenigen Untergrundkirchen besuchen, von denen man annehme, dass sie im Land existieren würden. Ausländische Christen würden Kapellen in Botschaftseinrichtungen besuchen, doch diese seien für Afghanen praktisch unzugänglich. Im www.ris.bka.gv.at Seite 46 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018 vergangenen Jahrzehnt seien nur wenige Fälle von Konversion öffentlich bekannt geworden. In der Regel sei die Regierung dann rasch und lautlos vorgegangen: Die Betroffenen seien dazu aufgefordert worden, ihren Glaubensübertritt zu widerrufen, und wenn sie sich geweigert hätten, seien sie aus dem Landes vertrieben worden, in der Regel nach Indien:

[...]

Die NYT berichtet weiters über den Fall eines in Deutschland zum Christentum konvertierten Afghanen ("Josef"), der danach nach Italien abgeschoben und von dort mangels Perspektiven nach Pakistan gegangen sei, um dort bei seiner Frau und deren Familie zu leben. Als die Brüder seiner Frau von seinem Glaubensübertritt erfahren hätten, hätten sie ihn verprügelt, gefesselt, in ein Zimmer gesperrt und mit dem Tod gedroht. Josefs Vater sei dazwischen gegangen und habe erklärt, er wolle zuerst seine Familie (Josefs Onkeln) um Rat fragen, wie vorzugehen sei. Inzwischen sei Josef die Flucht gelungen und er sei nach Kabul gegangen. Dort halte ihn ein Jugendfreund in einem kleinen Kellerraum eines leerstehenden Hauses versteckt und versorge ihn einmal wöchentlich mit Nahrung. Kürzlich sei ein Schwager Josefs aus Pakistan in Kabul eingetroffen, um den Konvertiten ausfindig zu machen und zu töten. Der Schwager habe zudem angekündigt, auch Josefs dreijährigen Sohn in Pakistan zu töten, da dieser der "Bastard" eines nichtmuslimischen Vaters sei. Wie die NYT bemerkt, könne Josef nicht mit der Hilfe der Polizei rechnen, zumal Konvertiten berichtet hätten, dass sie in Gewahrsam geschlagen und sexuell missbraucht worden seien:

[...]

Die International Humanist and Ethical Union (IHEU) schreibt, dass im Jahr 2006 ein Afghane namens Abdul Rahman, der vom Islam zum Christentum konvertiert sei, strafrechtlich angeklagt worden sei. Der Richter habe gedroht, Rahman zum Tode zu verurteilen, sollte er nicht wieder zum Islam zurückkehren. Schließlich habe der damalige Staatspräsident Karsai auf internationalen Druck hin den Obersten Gerichtshof ersucht, die Anklage zurückzuziehen. Die Anklagepunkte seien dann aufgrund mangelhafter Beweislage und offensichtlicher psychischer Labilität Rahmans fallengelassen worden, und dieser habe kurz darauf das Land verlassen (IHEU, 1. November 2016, siehe hierzu auch BBC News, 14. Jänner 2014)."

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und vor der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in die vorgelegten Urkunden und sonstigen Unterlagen sowie in die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderberichte.

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen basieren auf den angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, welche ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten und denen seitens der Verfahrensparteien nicht substantiiert entgegengetreten wurde, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zu Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

Den Ausführungen der Behörde in ihrer Stellungnahme vom 23.07.2018 (S. 10), dass die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 "kein Beweisthema" darstelle, ist nicht zu folgen. Die weiteren Ausführungen, dass die Staatendokumentation des BFA "im Gegensatz zu ACCORD" zur Objektivität verpflichtet sei - was bedeuten würde, dass ACCORD- Anfragebeantwortungen als nicht objektiv zu betrachten wären - sind schlichtweg haltlos. Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt nicht an, dass die Staatendokumentation des BFA zur Objektivität verpflichtet ist. Es weist jedoch nachdrücklich darauf hin, dass es sich bei ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) um eine Abteilung des Österreichischen Roten Kreuzes handelt und dass die Abteilung ACCORD unter anderem die Herkunftsländerinformationsplattform www.ecoi.net (European Country of Origin Information Network) betreibt, wobei das BFA auf seiner Website www.staatendokumentation.at selbst auf eine Kooperation mit dem Roten Kreuz/ACCORD hinweist. Auf www.ris.bka.gv.at Seite 47 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018 www.ecoi.net (Über ecoi.net - Wer wir sind) findet sich die Information: "ACCORD recherchiert neutral und unparteilich Fragen zu den Herkunftsländern von Schutzsuchenden für alle an österreichischen Asylverfahren beteiligten Parteien und andere Vertragspartner."

2.2. Zu den Feststellungen zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Identität, Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit, Herkunft, Sprachkenntnissen, Familienverhältnissen und zur früheren Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers basieren auf dessen glaubwürdigen schriftlichen und mündlichen Angaben. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen aufkommen lässt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen betreffend die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum beruhen auf den Ausführungen des Beschwerdeführers während des Verfahrens und im Besonderen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie auf den vom Beschwerdeführer dazu vorgelegten Schriftsätzen, insbesondere auf der Taufurkunde, und weiters auf der Zeugenaussage und den schriftlichen Angaben von Pater Mag. XXXX, Dompfarrer in XXXX, und schließlich auch auf der Zeugenaussage der Mentorin des Beschwerdeführers, Frau XXXX.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführer einen sehr aufrichtigen und glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Er hat die an ihn gerichteten Fragen ausführlich, ohne zu zögern und frei von Widersprüchen beantwortet. Für die erkennende Richterin entstand das Bild eines besonnenen und wissbegierigen jungen Mannes, der sich bewusst zum christlichen Glauben hingewendet und in dieser Religion für sich auch Sinnstiftung und Zufriedenheit gefunden hat, und der auch nach seiner Taufe weiter lernen und seinen Glauben vertiefen möchte. Der Beschwerdeführer hat eindrucksvoll die positiven Veränderungen geschildert, welche seine Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben und seine Konversion zum Christentum in ihm ausgelöst haben. Zu keinem Zeitpunkt drängte sich der Gedanke auf, dass beim Beschwerdeführer etwa eine Scheinkonversion vorliegen könnte. Vielmehr hat auch der einvernommene Zeuge bekräftigt: "Für mich ist sein Christsein sehr authentisch und sehr ehrlich." (S. 21 des Verhandlungsprotokolls vom 20.07.2018, im Folgenden: "Protokoll"). Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Glaubenswechsel und zu seiner nach wie vor andauernden Beschäftigung mit dem Christentum und der aktiven Ausübung seines Glaubens, namentlich dem fortgeführten Besuch des Glaubensunterrichts einerseits und der regelmäßigen Teilnahme an der Heiligen Messe und der Gebetsstunde andererseits, wurden im Übrigen von den beiden Zeugen vollinhaltlich bestätigt. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Zeugin besteht kein Zweifel.

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (S. 80) und insbesondere in der Stellungnahme vom 23.07.2018 (S. 3) ausführt, der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme am 13.09.2017 seine Konversion zum Christentum nicht erwähnt, obwohl mehrmals nach dem Fluchtgrund nachgefragt worden sei und der Beschwerdeführer ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, alle Gründe vorzubringen, ist diesbezüglich Folgendes auszuführen und entgegen zu halten: In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerdeführer befragt, ob er anlässlich der Frage der Behörde nach seiner Religion etwas von seinem Interesse am christlichen Glauben gesagt habe. Dazu hat er angegeben, er habe damals gesagt, dass er voraussichtlich XXXX getauft würde, und daraufhin habe der Dolmetscher zu ihm gesagt: "Da du noch nicht getauft worden bist, schreiben wir schiitischer Moslem". Der Beschwerdeführer sei deshalb auch verärgert gewesen und habe die Niederschrift der Einvernahme nicht unterschreiben wollen. Er sei aber psychisch unter Druck gestanden und habe dann trotzdem unterschrieben (S. 11 und 19 des Protokolls). Diese Ausführungen des Beschwerdeführers sind glaubwürdig, stehen diese doch auch in Einklang mit den Aussagen des Zeugen. Es ist nachvollziehbar und verständlich, dass sich der Beschwerdeführer nach der Aussage des Dolmetschers nicht mehr von sich aus näher zu seinem Glauben äußerte. Im Übrigen steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass sich der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt in einer schlechten psychischen Verfassung befand. Dies hat er mehrfach angegeben und wurde in der Verhandlung auch vom einvernommenen Zeugen bestätigt (S. 23 des Protokolls). Die von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 23.07.2018 (S. 3) erwähnte Aussage des Beschwerdeführers in der Verhandlung "Ich hatte bei den vorigen Befragungen beim BFA nicht meine Tabletten genommen." (S. 5 des Protokolls) kann nach Ansicht des erkennenden Gerichtes nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Beschwerdeführer damals bereits Tabletten verordnet bekommen hatte und sie nur nicht genommen hatte. Vielmehr hat er in der Verhandlung später erläutert, nach der Zustellung des negativen Bescheides habe sich sein Zustand verschlimmert, weshalb er zum Arzt gegangen sei und Tabletten verschrieben bekommen habe (S. 9 des Protokolls). Insofern kann daraus kein Widerspruch und auch keine Steigerung des Vorbringens abgeleitet werden. Dass der bei der Einvernahme des Beschwerdeführers anwesende Pater Mag. XXXX in der Einvernahme nichts zur Konversion des www.ris.bka.gv.at Seite 48 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Beschwerdeführers angemerkt hat (wozu er im Übrigen auch gar nicht verpflichtet gewesen wäre), hat dieser in der Verhandlung folgendermaßen begründet: "Sie wissen genau, dass mir immer gesagt wird, ich möge den Mund halten. Deswegen habe ich mich dort nicht gemeldet. Ich wollte nicht provozieren." (S. 22 des Protokolls). Aus den genannten Gründen ist also verständlich, dass die Konversion des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde nicht näher zur Sprache kam. Zudem wird angemerkt, dass der Beschwerdeführer seine Konversion in der Einvernahme nicht etwa gar nicht erwähnt hat, sondern er hat - zusätzlich zu seinem Hinweis, dass er voraussichtlich XXXX getauft würde - die Stellungnahme des Paters vom 07.09.2017 vorgelegt, woraus klar hervorgeht, dass sich der Beschwerdeführer schon damals intensiv mit dem christlichen Glauben befasste und dass bereits das Datum der Taufe geplant war. In diesem Zusammenhang ist § 18 Abs 1 AsylG 2005 zu erwähnen, der die behördliche Ermittlungspflicht des AVG für das Asylverfahren konkretisiert. Zwar obliegt es dem Antragsteller, von sich aus entscheidungsrelevante Tatsachen vorzubringen, die Asylbehörden haben jedoch darauf hinzuwirken, dass solche Angaben vervollständigt werden (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 18 AsylG 2005 K2 und K4). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Vorbringen einer in Österreich erfolgten Konversion zum Christentum um einen Nachfluchtgrund gemäß § 3 Abs 2 AsylG 2005 handelt und dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme einer Scheinkonversion bzw die Verneinung einer inneren Glaubensüberzeugung nicht auf den Gesichtspunkt eines im Verfahrensablauf späten (zB erst in der Beschwerdeergänzung erstatteten) Vorbringens des Glaubensaspektes gestützt werden kann. Es kommt auf die Beurteilung der nunmehr bestehenden Glaubensüberzeugung an (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675).

In ihrer Stellungnahme vom 23.07.2018 (S. 3 ff) vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dem Beschwerdeführer sei es eben nicht gelungen, eine solche innere Glaubensüberzeugung darzulegen, und zwar maßgeblich aus dem Grund, er habe sich stets nur auf rein humanistische Aspekte berufen und diese fälschlich als christliche Ideologie eingestuft. Für das Bundesverwaltungsgericht ist demgegenüber jedoch nicht ersichtlich, warum man dem Beschwerdeführer eine ernsthafte Konversion zum christlichen Glauben absprechen sollte, mit der Begründung, er hätte lediglich Werte und Haltungen vertreten, die dem Humanismus entstammen. Die belangte Behörde zitiert mehrere in der mündlichen Verhandlung getätigte Aussagen des Beschwerdeführers und leitet insgesamt daraus ab, er habe keine inneren Beweggründe im Hinblick auf die Hinwendung zur religiösen Ideologie des Christentums schlüssig aufzeigen können. So verwechsle er den europäischen Kulturkreis und die europäischen gesellschaftlichen Werte mit Religion (S. 4 der Stellungnahme), wenn er sage: "Das Schöne ist, dass in dem Glauben kein Zwang herrscht. Es gibt überhaupt keinen Zwang, sondern Freiheit, da herrscht Zufriedenheit, Gnade und Liebe. Für mich war das sehr interessant zu beobachten, dass die Christen einem Moslem selbstverständlich helfen. [...] Sie möchten immer helfen und auch sogar ihren Feinden Gutes tun. Obwohl du mit ihnen verfeindet bist, haben sie dich gern. Das habe ich im Christentum gelernt. Ich möchte noch hinzufügen, dass man seine Feinde lieben soll." (S. 13 des Protokolls). Der Beschwerdeführer weist in seiner Stellungnahme vom 08.08.2018 (S. 4) zutreffend darauf hin, dass gerade die Passage, dass "man seine Feinde lieben soll", dem Christentum entstamme. Weiters vermeint die Behörde, wenn der Beschwerdeführer es als seine Aufgabe als Christ sehe, "den anderen zu helfen, zu lieben" (S. 13 des Protokolls), so sei auch hier kein dogmatischer Zusammenhang mit einer besonderen Spiritualität oder Frömmigkeit erkennbar, sondern der Beschwerdeführer reflektiere wiederum auf rein humanistische Ideale (S. 4 der Stellungnahme). Damit verkennt die belangte Behörde jedoch die Grundwerte des christlichen Glaubens. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, wenn er in seiner Stellungnahme vom 08.08.2018 (S. 4) diesbezüglich ausführt, dass es sich bei Werten wie Nächstenliebe, Gnade und Vergebung um Grundpfeiler der christlichen Ideologie handle und dass das Hervorheben dieser Werte sohin keinen Widerspruch zur christlichen Ideologie darstelle. Auch Papst Franziskus hat etwa kürzlich zu mehr Vergebung und Nächstenliebe aufgerufen (Predigt am 21.06.2018 zum Abschluss seiner Reise nach Genf). Vor allem die Nächstenliebe ist für den Beschwerdeführer von großer Bedeutung und darin hat er seinen besonderen Inhalt des Glaubens gefunden. So möchte er etwa einen helfenden Beruf ergreifen (vgl S. 16 des Protokolls) und hat auch seinen Taufnamen (XXXX) deshalb gewählt, weil der Namenspatron der Überlieferung zufolge ein Arzt war (S. 18 des Protokolls). Die vom Beschwerdeführer mehrfach angesprochenen Werte mögen zwar teilweise dem Humanismus zugehörig sein, stehen aber gerade nicht im Widerspruch zum Christentum, zumal es auch Strömungen gibt, die einen "christlichen Humanismus" postulieren.

Die Behörde führt weiter in ihrer Stellungnahme (S. 5) aus, wenn der Beschwerdeführer sage, er hätte mit dieser Religion die Hoffnung gefunden, die Hoffnung auf ein "verändertes, besseres Leben" (S. 18 des Protokolls), so beziehe sich dies ausschließlich auf seine Lebensführung und Zukunft, definitiv aber nicht auf die spirituelle Hoffnung wie etwa die Erlösung durch den Glauben an Gott selbst. Zudem verwechsle der Beschwerdeführer rein psychohygienische Funktionen und den Bedarf nach Selbstreflexion mit religiösen Inhalten, wenn er sage: "Wenn ich mich nicht wohlfühle gehe ich in die Kirche und ich werde dort beruhigt. Ich bekomme dort eine Zufriedenheit und ich fühle mich dadurch auch wohl." (S. 13 des Protokolls). Für das Bundesverwaltungsgericht erschließt sich nicht, warum dies zeigen sollte, dass die Konversion des Beschwerdeführers nicht aus innerlicher Überzeugung erfolgt wäre. Vielmehr deutet dies auf eine tiefgreifende Religiosität des Beschwerdeführers und auf die wichtige Funktion hin, die sein Glaube für ihn hat. Dementsprechend weist der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 08.08.2018 (S. 4) auch darauf hin, er bestreite nicht, dass die Praktizierung des www.ris.bka.gv.at Seite 49 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Glaubens, wie etwa in Form des Betens, auch eine "psychohygienische Funktion" habe könne, was jedoch nichts daran ändere, dass es sich dabei um den Vollzug und das Ausleben des christlichen Glaubens handle.

Die belangte Behörde bemängelt in ihrer Stellungnahme (S. 5) die Nichtzulassung einer Frage des Vertreters der Behörde an den Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, nämlich der Frage "Angenommen, jemand würde Ihre Mutter ermorden, würden Sie auch diesen Mörder lieben?" (S. 18 des Protokolls). Diese Frage hätte der Behörde zufolge dazu dienen sollen, die Unterschiede (u.a. zwischen Christentum und Humanismus, Anm.) hervorzuarbeiten, etwa im Hinblick auf das Verständnis des Beschwerdeführers von bedingungsloser christlicher Nächstenliebe. Dazu ist auszuführen, dass der Verhandlungsleiter gemäß dem das Fragerecht in der mündlichen Verhandlung regelnden § 46 Abs 2 VwGVG Fragen, die nicht der Aufklärung des Sachverhaltes dienen, zurückweisen kann. Im vorliegenden Fall diente diese Frage nicht der Aufklärung des Sachverhaltes, da für das Bundesverwaltungsgericht zu diesem Zeitpunkt der maßgebliche Sachverhalt in Bezug auf die Konversion des Beschwerdeführers aus innerer Überzeugung bereits geklärt war, weshalb die Frage schon deshalb zurückzuweisen war. Die Möglichkeit der Zurückweisung unerheblicher Beweisanträge wird auch in der Rechtsprechung zu Art 6 EMRK als zulässig angesehen (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 1213 Pkt. 1., mit Hinweisen auf Rechtsprechung des EGMR und des VwGH). Darüber hinaus wird angemerkt, dass der von Art 6 EMRK umfasste Grundsatz der Waffengleichheit, auf welchen die Behörde in ihrer Stellungnahme im Endeffekt anspielt, nicht nur darauf abzielt, ein Fragerecht einzuräumen, sondern auch umgekehrt zu garantieren, dass durch gestellte Fragen nicht das Recht der Partei auf persönliche Integrität beeinträchtigt wird. Unter diesem Aspekt dient die Möglichkeit der Zurückweisung einzelner Fragen durch das Gericht auch der Garantie der Waffengleichheit im Sinne des Art 6 EMRK. Die betreffende Frage an den Beschwerdeführer war manipulierend und für die erkennende Richterin entstand der Eindruck, dass die Frage in diesem Stadium der Frageführung lediglich zur Verunsicherung des Beschwerdeführers dienen sollte.

Aus den genannten Gründen gelangt das Bundesverwaltungsgericht daher entgegen der Auffassung der Behörde zu der Annahme, dass sich der Beschwerdeführer aus freien Stücken bereits seit Längerem mit dem Christentum befasst und dass seine Konversion vom Islam zum christlichen Glauben ernsthaft und aus innerer Überzeugung geschehen ist. Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich angegeben, dass er seinen jetzigen Glauben nicht mehr ablegen würde, selbst in dem hypothetischen Fall einer Verbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan, und weiter, dass er seinen Glauben in Afghanistan auch nicht geheim halten könnte (S. 15 und 16 des Protokolls).

Für das Bundesverwaltungsgericht steht damit insgesamt unzweifelhaft fest, dass die Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum ernsthaft, nachhaltig und nach außen hin erkennbar erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG).

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

www.ris.bka.gv.at Seite 50 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1. Zu A)

3.1.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist.).

Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß § 3 Abs 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art 1 Abs 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; 16.02.2000, 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

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Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Die Verfolgungsgefahr muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können neue - während des Aufenthaltes in Österreich eingetretene - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet (sogenannte "Nachfluchtgründe"), grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Diese sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme einer "wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0923).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende, konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; 21.09.2000, 98/20/0557).

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Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum entscheidend, ob der vom Islam zum Christentum Übergetretene bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; 19.12.2001, 2000/20/0369; 17.10.2002, 2000/20/0102; 30.06.2005, 2003/20/0544; 14.11.2007, 2004/20/0485; 11.11.2009, 2008/23/0721).

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C-71/11 und C-99/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Dass der Antragsteller die Gefahr einer Verfolgung möglicherweise dadurch vermeiden kann, dass er auf die betreffende religiöse Betätigung und folglich auf den Schutz, den ihm die Richtlinie mit der Anerkennung als Flüchtling garantieren soll, verzichtet, ist grundsätzlich irrelevant. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling ist dem Antragsteller demnach nicht zuzumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (VfGH 12.06.2013, U 2087/2012-17).

Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist auch zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (ua VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0426; VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0117 mwN; in diesem Sinne auch VfGH 12.12.2013, U 2272/2012). Mangelndes religiöses Grundwissen kann für das Vorliegen einer Scheinkonversion sprechen, ist aber alleine nicht ausreichend (VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215; 14.11.2007, 2004/20/0485).

Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben leben zu wollen, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion - allenfalls sogar mit der Todesstrafe - belegt zu werden (VwGH 24.10.2001; 99/20/0550; 19.12.2001, 2000/20/0369; 17.10.2002; 2000/20/0102; 30.06.2005, 2003/20/0544).

3.1.2. Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit innerer christlicher Überzeugung, die er nicht verleugnen, sondern offen ausüben will, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Konvertiten haben in Afghanistan mit sozialer Ausgrenzung und Gewalt (insbesondere) durch Familien- und Gemeinschaftsangehörige und durch die Taliban sowie mit strafrechtlicher Verfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen, wenn ihr Abfall vom Islam und ihre Hinwendung zum Christentum bekannt werden.

Die belangte Behörde vertritt in ihrer Stellungnahme vom 23.07.2018 (S. 6) die Auffassung, es sei dem Beschwerdeführer durchaus zuzumuten, über seine Konversion gegenüber Fremden (in Afghanistan) keine Äußerungen zu treffen.

Bei Personen, die nur zum Schein konvertiert sind, ohne dass dies den Behörden des Heimatstaates bislang zur Kenntnis gekommen ist, wird in der Regel davon auszugehen sein, dass ihnen eine Geheimhaltung ihrer (Schein-) Konversion zumutbar ist und somit eine Verfolgung aus diesem Grund ausgeschlossen werden kann. Hingegen wird es für einen Antragsteller mit echter religiöser Überzeugung (wie dem Beschwerdeführer) nicht zumutbar sein, von ihm zu verlangen seinen Glauben geheim zu halten und nicht nach dessen Grundsätzen zu leben, insbesondere wenn er seine Glaubensüberzeugung auch in Österreich öffentlich lebt (vgl AsylGH 20.04.2010, E3 408.796-1/2009, Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den VfGH 30.11.2010, U 1101/10-12; vgl auch BVwG 07.07.2015, W136 1433173-1/13E). www.ris.bka.gv.at Seite 53 von 55 Bundesverwaltungsgericht 03.09.2018

Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist grundsätzlich irrelevant, dass ein Antragsteller eine Verfolgungsgefahr dadurch vermeiden könnte, dass er auf eine religiöse Betätigung verzichtet.

Die belangte Behörde vermeint in ihrer Stellungnahme vom 23.07.2018 (S. 11), es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, anzugeben, niemals vom Islam abgefallen und seit seiner Geburt Christ gewesen zu sein (etwa mit der Begründung, dass seine Eltern bereits nach der Ausreise in den Iran zum Christentum übergetreten seien), zumal sich aus den Aussagen des als Zeugen einvernommenen Paters ergebe, dass eine "Notlüge" auch für gläubige Christen möglich wäre. Das Bundesverwaltungsgericht ist jedoch der Ansicht, dass der Beschwerdeführer nicht zu einer Lüge, auch nicht zu einer Notlüge, verhalten werden kann und dass ihm dies nicht zumutbar ist. Im staatlichen Asylverfahren werden Asylwerber stets dazu angehalten, die Wahrheit anzugeben und es ist als unvereinbar mit den Grundsätzen des Asylrechts anzusehen, eine Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten davon abhängig zu machen, dass der Asylwerber in seinem Herkunftsstaat lügen könnte, um die Herstellung eines Zusammenhanges mit einem Konventionsgrund zu vermeiden.

Mit dem Hinweis der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 23.07.2018 (S. 7) auf das Urteil des EGMR vom 19.12.2017, Zl. 60342/16, A. gg. die Schweiz, ist im vorliegenden Fall nichts zu gewinnen. Der EGMR hielt in dieser Entscheidung fest, dass eine Konversion nur bei Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zu Verfolgung im Iran führt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass diese Entscheidung, die sich auf den Iran bezieht, nicht auf die Situation in Afghanistan übertragbar ist. Aus den oben getroffenen Feststellungen zu Afghanistan ergibt sich nicht, dass Konvertiten in Afghanistan ausschließlich dann der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sind, wenn sie etwa aktiv als Missionare tätig sind oder sich sonst als Konvertit in der Öffentlichkeit exponieren. Vielmehr haben - wie bereits ausgeführt - Konvertiten in Afghanistan bereits mit Verfolgung zu rechnen, wenn ihre Konversion zum Christentum bekannt wird.

Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, zumal er nach seinen Angaben in Österreich in seiner Unterkunft Mitbewohner hat, die Muslime sind und auch von seiner Konversion wissen. Manche von ihnen grüßen ihn deshalb nicht mehr. Es ist mithin auch nicht völlig auszuschließen, dass die Familie des Beschwerdeführers von seiner Konversion erfahren könnte, selbst wenn er seiner Familie nicht von seiner Taufe erzählt hat. Abgesehen davon kann dem Beschwerdeführer im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung auch nicht zugesonnen werden, seinen Übertritt zum Christentum dauerhaft zu verleugnen. Wie bereits unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum nur zum Schein erfolgt wäre, im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer konnte glaubwürdig darlegen, dass er aus einer inneren Überzeugung heraus - und nicht nur zum Schein - zum christlichen Glauben konvertiert ist, was auch durch die Zeugen klar bestätigt wurde.

In den oben angeführten Berichten und Analysen über Afghanistan herrscht insgesamt einhellig die Auffassung, dass die Konversion eines afghanischen Muslims (gleich welcher Ausrichtung) zum Christentum oder zu einer anderen nichtislamischen Konfession für diesen zu begründeter Angst vor Verfolgung führt.

Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers.

Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht (VwGH 03.12.1997, 96/01/0947, 28.01.1998, 95/01/0615, u.a.m). Auch kann er sich aus den genannten Gründen keinen (ausreichenden) Schutz von Seiten der staatlichen Behörden erwarten (zur Frage des ausreichenden staatlichen Schutzes vor Verfolgung von nichtstaatlicher bzw privater Seite s. für viele VwGH 10.03.1993, 92/01/1090, 14.05.2002, 2001/01/140 bis 143; s.a. VwGH 04.05.2000, 99/20/0177, u.a.).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung aufgrund seiner religiösen Überzeugung außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

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Das Vorliegen eines der in Art 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ist nicht hervorgekommen.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen; dies ist gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Angesichts dieser Umstände war auf die vom Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren zusätzlich erstatteten Fluchtgründe nicht mehr weiter einzugehen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 30.12.2015, somit nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs 1 Z 15 und 3 Abs 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden. Dementsprechend kommt dem Beschwerdeführer eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl die unter Punkt 3.1. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2018:W139.2174093.1.00

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