SWR2 Musikpassagen
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE __________________________________________________________________________ SWR2 Musikpassagen Geburtshelfer am Mischpult Das westdeutsche Produzentengenie Conny Plank Von Bernd Gürtler Sendung: Sonntag, 3. Januar 2016, 23.03 Uhr Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2016 _____________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. _____________________________________________________________________ Service: Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Musikpassagen sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 _____________________________________________________________________ Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Und heute, ein Geburtshelfer am Mischpult. Das westdeutsche Produzentengenie Conny Plank steht auf dem Programm dieser Stunde. Es gibt Interviews und Musik. Als erstes ein Song der Eurythmics, viel Spaß beim Zuhören wünscht Bernd Gürtler. (4) EURYTHMICS: Le Sinestre (2:44) CD/11 1987 ist Conny Plank im Alter von siebenundvierzig Jahren an einer Krebserkrankung gestorben. Sohn Stephan Plank ist über die Jahre in die Rolle eines Nachlassverwalters hineingewachsen. (7) O-Ton: (deutsch) (0:32) (01) Als mein Vater gestorben ist, war ich dreizehn Jahre alt. Da war es Papa, der tot war. Je länger ich dann in der Musikbranche gearbeitet habe, das heißt, ich habe das Studio meines Vaters weitergeführt, mit meiner Mutter zusammen; je mehr ich mich in der Musikbranche bewegt habe, ist mir aufgefallen, wie sehr ich über meinen Vater definiert werde. Ich komme irgendwohin, werde vorgestellt und als nächstes heißt es, oh Gott, du bist der Sohn von Conny Plank, toll, super. Da drüber ist das dann entstanden. Der Versuchung, es sich im Windschatten des Vaters bequem zu machen, widersteht Stephan Plank. Er studiert Wirtschaftspolitik und sucht sich eigene Betätigungsfelder. (10) O-Ton: (deutsch) (0:13) (02) Ich habe mit vierzehn mein erstes Computerspiel gemacht, mit Lucas Arts zusammen, habe danach mit Filmproduktionen weitergearbeitet und Regieassistenz gemacht. Und jetzt mache ich meinen ersten eigenen großen Film. Aufs Musikgeschäft will er sich nur so weit einlassen, dass keine direkte Konkurrenzsituation mit seinem alten Herrn entsteht. (12) O-Ton: (deutsch) (0:13) (03) Naja, sagen wir so, ich selber habe nie Musik gemacht, nie Musik produziert, weil schon ein gewaltiger Respekt vor dem Lorbeer des Vaters da ist. Mit dem sich anzulegen, ist nicht mein Ziel gewesen. Erst vor kurzem im Tonbandarchiv des Vaters entdeckt, ein Hinweis, der ein etwas anderes Licht auf ein Gesamtwerk wirft, das neben den Eurythmics unter anderem die Gruppe Neu! und das Soloschaffen von Neu!-Gründer Michael Rother umfasst. Michael Rothers Solodebüt „Flammende Herzen“ wird von Conny Plank produziert. (17) 2 MICHAEL ROTHER: Feuerland (7:06) CD/04 Jahrelang wird es als Familienanekdote kolportiert, dass Conny Plank auch eine Produktion mit Jazzkoryphäe Duke Ellington absolviert hat. Stephan Plank fand im Nachlass ein Tonband als Beleg, und mit einem Mal ergab alles einen Sinn. (21) O-Ton: (deutsch) (0:23) (04) Das ist allerdings etwas sehr subjektives. Ich empfinde das, was ich da höre als eine Brücke zwischen den Zeiten. Mein Vater kommt aus Kaiserslautern, nach dem Krieg ist er da groß geworden, hat sehr viel Troup Entertainment abgekriegt, und bei mir zu Hause war ganz klar, dass die Jazzmusiker seine Helden waren. Die Duke Ellington-Episode verbindet das Vorher mit dem Nachher. Die Ausbildung des Vaters zum Elektroingenieur, seine Tätigkeit als Sendetechniker bei der Europawelle Saar, seinen Wechsel nach Köln ins Rhenus Studio, seine Tonassistenz bei Konzertauftritten von Marlene Dietrich und nachher vor allem mit dem, das als Krautrock in die Geschichte eingehen sollte. Als Geburtshelfer am Mischpult ist Conny Plank eine Schlüsselfigur im westdeutschen Krautrock. O-Ton: (deutsch) (0:41) (05) Das waren für mich zwei separate Dinge. Es gab einmal diese Geschichte von Duke Ellington und meinem Vater und dass er eine Liebe für Jazz hat. Und dann gab es die frühen Platten von Kraftwerk und Neu! Und dann habe ich dieses bBand das erste Mal gehört, und für mich hat es klick gemacht, wie wenn das letzte Puzzleteil eingesetzt wird. Ich hatte das Gefühl, höre ich hier gerade Duke Ellington, der fast sowas wie Kraut macht? Und ist das die Brücke, der Missing Link, wie mein Vater von der einen Gedankenwelt in die andere Gedankenwelt gekommen ist? Aber das ist meine persönliche Meinung, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Zwei Duke Ellington-Stücke in jeweils drei Versionen entstehen 1970 im Kölner Rhenus Studio. Der Produzent, Conny Plank. (30) DUKE ELLINGTON: Alerado (3:57) CD/01 Stephan Plank hofft darauf, dass die Duke Ellington-Produktion seines Vaters sowohl der Jazzfraktion einen Erkenntnisgewinn bringt als auch das Phänomen Krautrock verständlicher macht. (33) 3 O-Ton: (deutsch) (0:43) (06) Ich glaube, für die Jazzfans ist es schön zu hören, wie Ellington mit einem Stück arbeitet, und wie es sich verändert über die Zeit. Und für die Krautrockabteilung ist es spannend, diesen Missing Link zu finden, den Punkt. Danach ist mein Vater mit Kraftwerk ins Studio gegangen, oder besser gesagt Proto-Kraftwerk, mit der Organisation und hat das erste Album aufgenommen. In der zeitlichen Abfolge ist das eine nach dem anderen geschehen, und da hat eine Befruchtung stattgefunden, die nicht mehr rückgängig zu machen war, und die dann doch große Wellen geschlagen hat. Ein Zufall dürfte es jedenfalls nicht gewesen sein, dass Conny Plank bereits herausragende Krautrock-Formationen der ersten Stunde betreut, neben Neu! und Kraftwerk auch Cluster. CLUSTER: Für die Katz (3:00) CD/03 Kein Krautrock ohne amerikanische Jazzeinflüsse. Was, wenn Stephan Plank Recht hat und eine Befruchtung stattfand? (38) O-Ton: (deutsch) (1:03) (07) Ja, ich glaube, dass Krautrock in die Zeit einzuordnen ist. Man muss sich überlegen, wo die herkommen. Die erste Generation Krautrock, das sind alles Kriegskinder gewesen und die haben auf gewisse Art und Weise, dieser Satz, trau keinem über dreißig kommt daher, dass alle Leute über dreißig in irgendeiner Form eine Position zu der NS-Zeit hatten, und das, was den Krautrockern, so wie ich es verstehe wichtig war, ist, dass sie ein neues deutsches Musikverständnis hatten. Wobei sie nicht die Vergangenheit verneinen, sondern sich davon frei machen und etwas Neues aufmachen. Wo sie ganz klar sagen, es ist eine Trennlinie, wir machen keinen Schlager, wir machen keinen Rock’n’Roll, wie uns das aufoktroyiert wird von der Welt, sondern wir machen etwas Eigenes. Krautrock ist das Eigene, und Krautrock der ersten Stunde besteht mehr oder weniger aus freier Improvisation, wie bei frühen Neu!, bei den frühen Cluster, beim Kraftwerk-Vorläufer Organisation. Conny Plank kam das bekannt vor, dank seiner Jazzerfahrung. Kraftwerk profitieren bei fünf Alben von seinem Knowhow, das einzige Album der Organisation mitgerechnet. Das erste Stück des ersten richtigen Kraftwerk-Albums heißt „Ruckzuck“ und ist heute ein Klassiker. (45) KRAFTWERK: Ruckzuck (7:48) LP A-1 Der Jazz mit seinem Off Beat und seinem Hang zur Improvisation bringt ein Gefühl von Freiheit, von Nonkonformismus ins noch vom Gleichschritt der 4 NS-Zeit geprägten Nachkriegsdeutschland. Conny Plank überträgt das auf seine Produktionsweise. Sein Geheimnis als Geburtshelfer am Mischpult war, dass er Dinge geschehen ließ, den Bands geholfen hat, sich selbst zu finden und die Ergebnisse tontechnisch professionell aufbereitet hat, konnte Cluster- Mitstreiter Dieter Moebius berichten. (53) O-Ton: (deutsch) (1:03) (08) Das war ja sowieso unser ganzer Werdegang. Wir haben total frei gespielt. Wir hatten nur den Wunsch, irgendwas zu machen. In Dieser Zeit gab es von der Musik her gesehen in Deutschland ziemlich viel Schrott oder Importware. Es gab keine Radiosender, außer AFN, wo man mal was anderes hören konnte. Also da musste man schon selber ran, wenn man was Neues haben wollte. Und ein Produzent, der kann seinen Willen durchsetzen oder auch nicht. Aber er war nicht der Typ, der seinen Stil rein gebracht hätte. Er hat seinen Stil gehabt von Klangqualität, von der Aufnahmetechnik, wie er da rangegangen ist. Aber nicht von der Art der Musik her. Brian Eno ist der Erste im angloamerikanischen Raum, der gut findet, was er zu hören bekommt und begibt sich für mehrere Produktionen in die Obhut von Conny Plank, in der Regel begleitet von den Cluster-Mitgliedern Hans Joachim Roedelius und Dieter Moebius. (57) BRIAN ENO: By This River (3:03) CD/08 1974 verlegt Conny Plank seine Operationsbasis auf einem ehemaligen Bauernhof im nordrhein-westfälischen Wolperath. Der Schweinestall wird zum Tonstudio umgebaut, der Wohntrakt bleibt als Wohntrakt erhalten, mit der Küche als Gravitationszentrum, erinnert sich Sohn Stephan Plank. (62) O-Ton: (deutsch) (0:18) (09) Ich glaube, die Hauptproduktionsarbeit