Benedykt Dybowski Transbaikalien Erinnerungen an Meine Sibirische Verbannung
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Schriften der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften 11 der Otto-Friedrich-Universität Bamberg Benedykt Dybowski Transbaikalien Erinnerungen an meine sibirische Verbannung hg. von Daniel Schümann, Carsten Eckert und Christian Prunitsch UNIVERSITY OF BAMBERG PRESS 3 Schriften aus der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg 11 Schriften aus der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg Band 11 University of Bamberg Press 2013 Benedykt Dybowski Transbaikalien Erinnerungen an meine sibirische Verbannung Herausgegeben von Daniel Schümann, Carsten Eckert und Christian Prunitsch Erstübersetzung aus dem polnischen Original University of Bamberg Press 2013 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Informationen sind im Internet über http://dnb.ddb.de/ abrufbar Auszüge aus Benedykt Dybowski: ›Pamiętnik dra Benedykta Dybowskiego od roku 1862 zacząwszy do roku 1878.‹ Lwów 1930. Aus dem Polnischen übertragen innerhalb des Übersetzungsprojekts ›Benedykt Dybowskis sibirische Memoiren‹ von: Seiten 1-19: Anja Schwitzgebel, Falk Iser, Larissa Majerczyk, Susann Müller Seiten 19-35: Jakub Wandzioch, Jakob Walosczyk Seiten 35-58: Anja Schwitzgebel, Falk Iser, Winfried Wagner Seiten 58-72: Beate Erler, Anna-Maria Hantschke, Nora Haase, Sara Lohse Seiten 72-89: Anja Schwitzgebel, Marcelina Bugaj, Manja Pöschel, Winfried Wagner Herausgegeben von Daniel Schümann, Carsten Eckert und Christian Prunitsch Redaktion: Jakob Walosczyk Illustrationen und Layout: Hanna Zeckau Projekt gefördert von / projekt wspierany przez: Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit / Fundacja Współpracy Polsko-Niemieckiej Fördererkreis der naturwissenschaftlichen Museen Berlins e. V. Otto-Friedrich-Universität Bamberg Technische Universität Dresden Universität zu Köln Universitätsbund Bamberg e.V. KölnAlumni e.V. © University of Bamberg Press Bamberg 2013 http://www.uni-bamberg.de/ubp/ ISSN: 1866-7627 eISBN: 978-3-86309-132-3 URN: urn:nbn:de:bvb:473-opus4-20863 Inhalt Vorwort I Auszüge aus Benedykt Dybowskis Sibirien-Erinnerungen Die transbaikalischen Burjaten (die Bratskie im sibirischen Dialekt) 1 Die Reise zu den Mineralquellen von Kirinsk 19 Über den Hof der Familie Istomin 24 Über eheliche Bräuche und über Šumov 28 Die letzte Reise des Generalgouverneurs Korsakov durch Transbaikalien 30 Die Vorbereitungen zur Abreise aus Darasun 32 Der Aufenthalt in Irkutsk Ende des Jahres 1868 35 Kultuk am Baikalsee 58 Die erste Exkursion auf den Baikalsee, Ende des Jahres 1868 72 Anhang Personenregister 90 Ortsregister 92 Inhaltsverzeichnis der Originalpublikation 94 Benedykt Dybowski – ein Forscher ohne Grenzen Die Natur erkennt auf Dauer keine vom Menschen geschaffenen Grenzen an. Diese einfache Wahrheit konnte im Laufe eines Jahrhunderts, das durch Nati- onalstaaten und Nationalismen geprägt war, durch Kalten Krieg und politische Systemkonflikte, wieder in Vergessenheit geraten. Am Anfang des 21. Jahrhun- derts jedoch, nach etlichen menschengemachten Katastrophen und jahrelangen Dauerwirtschaftskrisen in vielen Teilen der Welt, beginnt sich zumindest in den hochentwickelten Industrieländern bei vielen die Erkenntnis durchzuset- zen, dass eher der Mensch die Grenzen der Natur zu akzeptieren habe als um- gekehrt. Um die Grenzen der Natur zu kennen, muss man allerdings zunächst die Natur selbst kennen, und daran, Erkenntnisse über die Natur zu gewinnen, hatten Naturforscher des 19. Jahrhunderts wie der Zoologe Benedykt Dybowski (1833-1930) entscheidenden Anteil, zumindest für einen bestimmten Bereich der Natur – die Fauna der Baikal-Amurregion im Südosten der heutigen Russischen Föderation an ihrer Grenze zur Mongolei und China. Bis heute ist dies ein fas- zinierender geografischer Raum, in dem eher die Natur regiert als der Mensch. Mit seiner Begeisterung für die Naturforschung – Naturwissenschaft scheint als Begriff bisweilen zu modern für das, was Dybowski betrieb – war der 1833 auf dem Landgut Adamaryn bei Minsk geborene spätere Zoologe zu seiner Zeit durchaus keine Ausnahme. Die Gymnasien des russischen Zarenreichs, zu dem ein großer Teil der früheren polnischen Adelsrepublik im 19. Jahrhundert gehör- te, waren voll von jungen Männern, die mit Botanisiertrommel und Notizbuch in die Natur zogen und davon träumten, zu Pionieren der Naturgeschichte zu werden. Nur Wenigen war es vergönnt, wie Dybowski an eine Universität zu ge- langen und dort den überbordenden Wissenschaftsenthusiasmus auf eine solide Wissensbasis zu stellen. Wollte man Mitte des 19. Jahrhunderts als junger Pole im russischen Teilungsgebiet Naturwissenschaften studieren, so waren weite Wege und meist auch die Überschreitung von Staatsgrenzen notwendig. Im Zaren- reich waren nach dem Novemberaufstand 1830 /31 die beiden polnischsprachi- gen Universitäten Warschau und Wilno / Vilnius zwangsweise geschlossen wor- den. Es gab nur die Wahl zwischen der deutschsprachigen Universität in Dorpat, dem heutigen Tartu, oder einer der russischen Universitäten Sankt Petersburg, Moskau, Kiev oder Char’kov / Char‘kiv, wollte man nicht über die Grenze ins habsburgische Krakau, an preußische und deutsche Hochschulen oder an eine I der tief im Inneren Russlands gelegenen Universitäten zum Studium gehen. Dy- bowski entschied sich zunächst für Dorpat, wechselte dann 1857 ins preußische Breslau und zog schließlich nach Berlin weiter, wo er 1860 einen medizinischen Doktorgrad erwarb. Als er mit diesem ins Russische Reich zurückkehrte, zeigte sich, dass im Wis- senschaftsbetrieb der damaligen Zeit durchaus andere Grenzen galten als die von der Natur gegebenen: Der deutsche Doktortitel, erworben auf der Basis einer in lateinischer Sprache verfassten Dissertation, wurde im Zarenreich nicht aner- kannt, und so musste Dybowski in Dorpat – in deutscher Sprache – eine zweite Forschungsarbeit verfassen, die ihn als Doktor der Medizin und Chirurgie qua- lifizierte. Erst dann stand ihm die wissenschaftliche Laufbahn offen, und dies auch nur für kurze Zeit. Im Herbst 1862 wurde er Adjunktprofessor an der nach dem russischen Debakel im Krimkrieg eilends wiedergegründeten Warschauer Universität, der Szkoła Główna Warszawska, deren Charakter als Hochschule mit der deutschen Übersetzung als ›Warschauer Hauptschule‹ nur ungenügend zum Ausdruck kommt. Dort war er an vorderster Front tätig, die soeben publik gewordenen Ideen Charles Darwins über Evolution vom Lehrkatheder aus zu verkünden; Dybowski war mit ihnen erstmals 1860 in Berlin in Berührung ge- kommen. Sich zu Darwin zu bekennen, war damals Ausdruck von intellektueller Modernität, doch nicht überall wurde diese geschätzt. Ein Versuch, Dybowski an die Krakauer Jagiellonen-Universität zu holen, war 1861 an den Bedenken der Wiener Regierung hinsichtlich der polnisch-patriotischen Haltung Dybowskis gescheitert; im konservativen Umfeld der Jagiellonen-Universität wären dem Darwin-Enthusiasten Dybowski aber wohl auch manch andere Steine in den Weg gelegt worden. So begann der junge Zoologe seine Karriere im intellektuell und wirtschaftlich prosperierenden, wenn auch von Russland politisch mit ei- serner Hand regierten Warschau. Dybowski war noch keine dreißig Jahre alt, als dort ein zweiter großer Auf- stand gegen die zaristische Teilungsmacht ausbrach, der so genannte Januarauf- stand im Jahre 1863. An der Szkoła Główna war es nahezu Ehrensache, dass man sich daran beteiligte, auf Seiten der Professoren wie der Studenten. Dybowski nahm im Vorfeld der Rebellion an konspirativen Treffen der Aufständischen teil und reiste im Auftrag der polnischen Nationalregierung, einer Art polnischer Untergrundexekutive, in verschiedene andere Städte, um dort die konspirativen Tätigkeiten zu koordinieren. Es war ihm klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihn die zaristischen Behörden hierfür zur Verantwortung ziehen würden. Zu Beginn seiner im Polnischen Pamiętnik genannten Memoiren beschreibt Dy- bowski, wie er versuchte, vor der erwarteten Verhaftung noch möglichst viele II Beweisstücke zu verstecken und wie er über die Haftanstalt Pawiak in die War- schauer Zitadelle gebracht wurde, das gefürchtete Gefängnis für Staatsverbre- cher vor den Toren des damaligen Warschaus. Heute ist hier eine Filiale des Unabhängigkeitsmuseums – des Muzeum Niepodległości – eingerichtet, in der an die (Un-) Rechtspraxis der Teilungszeit erinnert wird. Dybowski hatte Glück im Unglück, wobei auch seine Herkunft aus dem pol- nischen Landadel und sein hoher Bildungsgrad mitgeholfen haben mögen: Er überlebte die Haft und die Verhöre, er entging der Hinrichtung – möglicher- weise auf Grund einer Intervention seiner Breslauer und Berliner Professoren Eduard Grube und Karl Bogislaus Reichert. Das Urteil lautete dennoch auf fünf- zehn Jahre schwerer Zwangsarbeit in Sibirien, wurde kurze Zeit später auf zwölf verkürzt, wobei Dybowski de facto nur während der ersten beiden zu Zwangsar- beiten herangezogen wurde. Anders als in anderen Sibirienberichten verbannter polnischer Aufständischer, wie z. B. Agaton Gillers Podróż więźnia etapami do Syberii w roku 1854 / Reise eines Häftlings etappenweise nach Sibirien im Jahre1854 (Leipzig 1866), ist die Beschreibung des beschwerlichen Wegs über den Ural nach Sibirien bei Dybowski auf eine knappe Faktographie beschränkt; es fehlen lange Litaneien über die Ungerechtigkeit des Verbannungssystems, die Grausamkeit der Wachmannschaften und die Unbarmherzigkeit