Berliner Anarchistisches Jahrbuch 2012
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EDITORIAL EDITORIAL Liebe Genoss*innen, werte Öffentlichkeit! um sechsten Mal erscheint nun zelpersonen riefen Vorträge, Demos le Essenzen anarchistischer Strömun- unser „Dokument A – Berliner und andere Aktivitäten zu diesem The- gen und Bewegungen verschiedenster Z anarchistisches Jahrbuch“, mit ma ins Leben. Zusätzlich sorgte auch Gruppen und Einzelpersonen in einem dem wir euch die anarchistischen- Ak eine Gruppe von Senior*innen da- Jahrbuch zu vereinen. So gibt es auch tivitäten im Berlin des Jahres 2012 prä- für, dass sich das stereotype Bild von wie im letzten Jahr neben den von den sentieren. Hausbesetzer*innen veränderte und Gruppen eingebrachten Texten wieder diese Thematik ebenfalls in Medien eine Liste anarchistischer Veranstal- Nachdem sich im August diesen Jah- und „Normalgesellschaft“ einen Auf- tungen und Publikationen aus dem res, in St. Imier, Anarchist*innen aus schwung erhielt. Diese von der Politik Raum Berlin. der ganzen Welt versammelten, um zu geschaffenen und auf dem Rücken der debattieren und sich auszutauschen, Menschen ausgetragenen Machtkämp- Um auch weiterhin eine breite Masse und dieses Treffen auch in den Medi- fe sorgten dafür, dass sich in verschie- zu erreichen, wird unsere Kooperation en vielfach Beachtung erhielt, rückte densten gesellschaftlichen Bereichen mit dem Verlag Edition AV fortgesetzt, der Anarchismus auch in diesem Jahr Menschen vernetzten und gemeinsam sodass unser Dokument A dieses Jahr wieder in den Blickpunkt, nicht nur bei versuchten, dieser Entwicklung ent- wieder unter der ISSN: 2193-7850 zu Menschen, die mit der Thematik ver- gegenzutreten. Aber auch kleinere beziehen ist. traut sind, sondern auch viel mehr in Themenbereiche finden ihren Einzug der allgemeinen Öffentlichkeit. in das diesjährige Dokument A. So Unser Dank gilt allen, die das diesjäh- beschäftigen sich dieses Jahr Beiträge rige anarchistische Jahrbuch möglich Aber nicht nur das Anarchistische mit der Wahl in Weissrussland, dem gemacht haben. Welttreffen erregte Aufmerksamkeit. europäischen Die Krise der EU und des Kapitalismus setzte sich weiter fort. Besonders in Aktionstag gegen den Kapitalismus, Nun wünschen wir euch aber erst mal Südeuropa, wo die Krise die Bevölke- aber auch leicht Verdaulichem wie viel Freude beim Lesen und hoffen, rung besonders stark traf, gab es einen dem Tattoo Circus, welcher dieses Jahr dass euch das diesjährige Ergebnis un- Auftrieb anarchistischer Strömungen, im Bethanien (NewYorck) stattfand. serer Arbeit gefällt. welcher dann auch bei uns Einzug Anfang des Jahres gründete sich in hielt, nicht zuletzt durch den Zuzug Neukölln die Gruppe „Friends of Fritz Die temporäre Redaktion von arbeitssuchenden Genoss*innen Scherer“, die sich nach dem einstigen des Dokument A aus Spanien und Griechenland. Neuköllner FAUD-Aktivisten Fritz Scherer benannt hat und die in dieser Auch das erneute Aufkeimen der De- Ausgabe des Dokument A ebenfalls batte um Asylpolitik im Rahmen des mit einem Text vertreten ist. Refugee-Protest-March sorgte dafür, dass selbst in der breiten Gesellschaft Eine Neuerung ist auch die diesjährige heftigste Debatten entstanden; zahlrei- Veranstaltung, die mit der Veröffent- che anarchistische Gruppen und -Ein lichung des Dokument A einhergeht. Neben einem Vortrag, der das Doku- ment A im Großen und Ganzen vor- stellen wird, werden auch möglichst viele der Gruppen, die dieses Jahr Bei- träge beisteuerten, sich in Kurzvorträ- gen präsentieren. Auch in diesem Jahr wurde wieder versucht, möglichst vie- 3 6 Tempest Library Collective Cries cast in concrete – In Beton gegossene Schreie 7 Anarchistische Gruppe Neukölln EUROPÄISCHER AKTIONSTAG GEGEN DEN KAPITALISMUS 8 Bibiliothek der Freien/Jochen Knoblauch „IST DOCH ALLES NUR PAPIER!“ 9 Gruppe Kriselotte (Anarchistischen Föderation Berlin) KRISE EINFACH ERKLÄRT 11 Bibliothek der Freien WICHTIGE ANARCHO-SYNDIKALISTISCHE MATERIALIEN IN DER „BIBLIOTHEK DER FREIEN“ – EIN INTERVIEW 14 Anarchistisches Radio Berlin GESCHICHTE DER CSAF MEHR ALS 15 JAHRE ANARCHISTISCHER ORGANISIERUNG IN OSTEUROPA 17 Jochen Knoblauch VON BOLO’BOLO ZU KRAFTWERK1, KRAFTWERK2 USW… USW… 18 A-Laden/ Ralf Landmesser INTEGRALER ANARCHISMUS 22 Anarchosyndikalistische Jugend Berlin NARBEN DER LOHNARBEIT 23 Friends of Fritz Scherer ANARCHY IN NEUKÖLLN! 24 Aktivist_innen aus Tunesien FREIHEIT IST EINE TÄGLICHE PRAXIS 25 Anarchistische Föderation Berlin … DANN BESETZEN WIR EBEN 26 Anarchist Black Cross Berlin SÄGEBLATT? WIE ODER WAT? 27 Tempest Library Collective ANARCHISM IN RUSSIA 28 Forum deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) „EINE FARCE PAR EXCELLENCE“ - ZUR WAHL IN WEISSRUSSLAND 29 Forum deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) „LIEBER DIKTATOR SEIN, ALS SCHWUL“ 4 INHALTSVERZEICHNIS 31 St. Imier-Nachbereitungstreffen „LICHT UND SCHATTEN“ – EINE ST.IMIER AUSWERTUNG AUS BERLIN 33 North East Antifascists NAZIS AUS DER DECKUNG HOLEN! 34 Tattoo Circus Berlin TATTOO CIRCUS BERLIN 35 Stanley Beamish (Anarchistische Föderation Berlin) WIE ICH EINMAL IN DER TRISTEZA AN EINER PODIUMSDISKUSSION TEILNAHM 36 Anarchistische Föderation Berlin SOZIALE, UMWELTPOLITISCHE UND ANARCHISTISCHE KÄMPFE IN CHILE 37 S. L. WEHE, WENN SIE LOSGELASSEN 39 Bibliothek der Freien BUCH DES JAHRES 2012 40 Jochen Knoblauch P.M.; KARTOFFELN UND COMPUTER. MÄRKTE DURCH GEMEINSCHAFTEN ERSETZEN 41 Jochen Knoblauch BERLINER ANARCHISTISCHES JAHRBUCH 2011 41 A-Laden / Ralf Landmesser ORGASMUS! – DER AUFSTAND KOMMT. 45 Forum deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) FREIHEIT FÜR DIE GEFANGENEN IN WEISSRUSSLAND 46 Freie ArbeiterInnen Union (FAU) Berlin RUNTER VOM SOFA – RIN IN DIE KARTOFFELN 47 Freie ArbeiterInnen Union (FAU) Berlin FAU BERLIN BEI DER 14N-SOLIDEMO 48 Anarchist Black Cross Berlin GRENZEN UND MAUERN EINREISSEN – FÜR EINE SOLIDARISCHE GESELLSCHAFT! 50 Veranstaltungsverzeichnis 56 Veröffentlichungen 57 Gruppenporträts 5 6 FEBRUAR / MÄRZ EUROPÄISCHER AKTIONSTAG GEGEN DEN KAPITALISMUS Anarchistische Gruppe Neukölln uropa und die Europäisch e Uni- Die Krise hat System Korruption einer kleinen Elite, wie on (EU) befi nden sich im Aus- viele glauben. Sch uld ist die alltäglich e Enahmezustand. Seit Monaten Die kapitalistisch e Globalisierung Profi tlogik, der wir alle unterworfen spitzt sich die Kredit- und Sch uldenkri- der vergangenen Jahrzehnte hat die sind, ob wir wollen oder nich t. se zu. Auf immer neuen Regierungs- Konkurrenz der Unternehmen und konferenzen werden Notprogramme Standorte zugespitzt. Alle führenden Das EURegime knacken besch lossen, um den Kapitalismus zu Industriestaaten haben ihre Märkte sanieren. Glaubt man Politik und Me- umfassend dereguliert. Sie haben so- 2011 ist die europäisch e Sch ulden- dien, drohen sonst Zusammenbruch , ziale Sich erheiten gestrich en, öff entli- und Währungskrise eskaliert. Einige Rezession und neue Armut. Mit dieser ch e Güter privatisiert, die Rech te von Staaten stehen vor dem Bankrott , und Katastrophenrhetorik werden markt- Lohnabhängigen besch nitt en und sozi- gefährden damit den Euro. Vorder- radikale Reformen durch gesetzt, die ale Kontrollen versch ärft , im Interesse gründig haben diese Staaten „über unsere Gesellsch aft und unser Leben eines möglich st ungehinderten kapi- ihre Verhältnisse gelebt“. In Wahr- auf Jahrzehnte bestimmen – wenn wir talistisch en Wach stums. Doch selbst heit haben auch sie nur versuch t, über uns nich t wehren. In den ersten Jah- in Europa, auf der Sonnenseite dieses Sch ulden kapitalistisch es Wach stum ren der Krise hieß es, der Kapitalis- weltweiten Systems, wird unser Le- anzustoßen. Sie taten was alle tun, mus müsse gezügelt werden. Banken ben von Jahr zu Jahr unsich erer, und nur weniger erfolgreich . Ihre Un- und Konzerne sollten einen Teil der die soziale Spaltung nimmt zu. In den terstützung durch die Europäisch e Lasten tragen, die sie selbst mit verur- sogenannten „aufstrebenden Märkten“ Zentralbank (EZB) und neue, milli- sach t hatt en. Doch gerade passiert das herrsch t ohnehin eine permanente so- ardensch were „Rett ungsfonds“ sind genaue Gegenteil: Die EU, ihre Mit- ziale Krise: Enteignung und skrupello- an rück sich tslose Aufl agen gebunden. gliedsstaaten und Beitritt skandidaten se Ausbeutung mit staatlich er Rück en- Eine europäisch e „Sch uldenbremse“ setzen auf mehr „Wett bewerb“ und deck ung, für ein nationales Wach stum, soll „die Märkte beruhigen“, natürlich einen brutalen Sparkurs, um das „Ver- das nur Privilegierten zu Gute kommt. zu Lasten von Lohnabhängigen, Er- trauen“ und die Profi te der Privatwirt- Die neoliberale Transformation der werbslosen und Mensch en in Ausbil- sch aft zu sich ern. Genau damit aber vergangenen Jahrzehnte hat auch die dung. Private Profi te werden dagegen bestätigen sie die destruktive Logik Finanzmärkte überkoch en lassen. Ob nich t angetastet. Ähnlich ergeht es den des Kapitalismus. Kapitalismus heißt DotCom-Boom, Immobilienfonds oder ost- und südosteuropäisch en Beitritt s- Krise und Ohnmach t, Armut inmitt en Derivatehandel – seit Jahren plat- kandidaten, die von EU und Interna- von privatem Reich tum. Organisieren zen die Spekulationsblasen, auf jeden tionalem Währungsfonds (IWF) zu wir uns für eine bessere Gesellsch aft ! Boom folgt ein Einbruch . Sch uld daran umfassenden Kürzungen und Priva- sind nich t die vermeintlich e Gier und tisierungsprogrammen genötigt wer- den. All das soll das krisenträch tige Wett bewerbsregime der EU sch ützen, und natürlich die Ansprüch e der do- minanten Ökonomien Kerneuropas: Die Regierungen Deutsch lands und Frankreich s konnten ihre Interessen fast ungehindert durch setzen, trotz eigener politisch