Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt Integriertes Stadtentwicklungskonzept 2011

IMPRESSUM

Integriertes Stadtentwicklungskonzept 2011

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg)

Im Auftrag Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg Stadtplanungsamt Christa Haverbeck

In Zusammenarbeit Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Städtebaulicher Denkmalschutz Joachim Hafen

Bearbeitung STATTBAU Stadtentwicklungsgesellschaft mbH Sabine Eyrich, Genia Krug, Thomas Janßen, Carsten Praum, Marion Schuchardt

Berlin im November 2011 Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt Kreuzberg

INSEK 2011/ 11

Inhalt

EINLEITUNG ...... 2

1 AUSGANGSSITUATION/RAHMENBEDINGUNGEN ...... 3 1.1 Grenzen und Größe des Untersuchungsgebietes ...... 3 1.2 Lage des Gebiets in der Stadt ...... 3 1.3 Gebietskulissen der Städtebauförderung ...... 3 1.4 Planungssituation ...... 8

2 ANALYSE ...... 10 2.1 Städtebau ...... 10 2.1.1.Historische Entwicklung ...... 10 2.1.2 Baulich-räumliche Struktur ...... 14 2.1.3 Denkmale ...... 17 2.1.4 Grün- und Freiflächenstruktur ...... 19 2.1.5 Funktions- und Nutzungsstruktur ...... 20 2.1.6 Straßenraum, Verkehr und Mobilität ...... 21 2.2 Sozialräume ...... 24 2.2.1 Lebensweltlich orientierte Räume ...... 24 2.2.2 Demografische und soziale Entwicklung ...... 25 2.2.3 Wohnen ...... 31 2.2.4 Soziale und kulturelle Infrastruktur ...... 35 2.2.5 Lokale Ökonomie und Wirtschaftsstruktur ...... 37 2.2.6 Akteure, Netzwerke und Beteiligungsstruktur ...... 39 2.3. Stärken-Schwächen-Analyse ...... 41

3 STÄDTEBAULICHES LEITBILD ...... 45

4 KONZEPT ...... 46 4.1 Zwischenfazit ...... 46 4.2 Maßnahmenübersicht mit Prioritäten und Kosten ...... 46 4.3 Handlungsempfehlungen und Maßnahmenübersicht ...... 46

ANLAGEN ...... 55 A1 Kosten-/ Finanzierungsübersicht ...... 55 A2 Karten ...... 55 A3 Tabellen ...... 55 A4 Quellenverzeichnis (Text, Karten, Tabellen, Bilder)...... 55

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

EINLEITUNG auf den städtebaulich-räumlichen und zum ande- ren auf den sozialen Erfordernissen und deren Im Jahr 2005 ist die Luisenstadt mit den im Bezirk Auswirkungen auf die Maßnahmenplanung. Mit gelegenen Teilgebieten Köllnischer Park und dem INSEK ist ergänzend zu bereits vorliegenden Luisenstädtischer Kanal sowie Teilen der in Kreuz- Projektvorschlägen ein Katalog mit integrativ wir- berg gelegenen Erhaltungsgebiete Luisenstadt, kenden Handlungsempfehlungen entstanden. Die Bethaniendamm und Segitzdamm in die Förderku- Konzentration liegt dabei auf Einrichtungen der lisse des Programmes Städtebaulicher Denkmal- öffentlichen sozialen Infrastruktur und dem öf- schutz aufgenommen worden. Die Luisenstadt war fentlichen Raum in ihrem städtebaulich- damit Modellprojekt, da das Förderprogramm denkmalpflegerischen Kontext. Im Rahmen des Städtebaulicher Denkmalschutz bis zum Jahr 2008 INSEK werden auch Empfehlungen für notwendi- nur in den neuen Bundesländern zum Einsatz kam ge vertiefende planerische Untersuchungen und und mit der Luisenstadt gleichzeitig ein bezirks- Gutachten auf Block- bzw. Teilbereichsebene un- übergreifendes und ein im Ost- und Westteil Ber- terbreitet. lins gelegenes Fördergebiet festgelegt worden ist. Denkmal- und planungsrechtliche Grundlagen für Arbeitsweise die Aufnahme in die Förderkulisse des städtebau- Für die Erarbeitung des ‚INSEK Luisenstadt‘ ist ein lichen Denkmalschutzes waren eine Vielzahl von integrativer Ansatz verfolgt worden, der auf die eingetragenen Baudenkmalen, Gartendenkmalen kooperative Zusammenarbeit mit den Fachabtei- und Denkmalbereichen sowie die Festlegung von lungen des Bezirksamtes Friedrichshain- Erhaltungsgebieten nach § 172 Abs. 1, Satz 1 Kreuzberg bezgl. der Erfordernisse und des Leit- BauGB und die dazugehörigen Planungen. bildes für die Entwicklung des Untersuchungsge- bietes und der zu planenden Vorhaben setzt. Gegenstand des vorliegenden INSEK ist der im Grundlagen des ‚INSEK Luisenstadt‘ sind neben Ortsteil Kreuzberg gelegene Teilbereich des För- den Förderbestimmungen u.a. die aktuellen dergebiets Luisenstadt. Der sprachlichen Vielfalt Maßnahmenplanungen i.R. des städtebaulichen wegen werden im Bericht die Bezeichnungen Denkmalschutzes, vorliegende Gutachten, Studi- „Untersuchungsgebiet``, „Förderkulisse`` und en und Konzepte, der Rahmenplan für die Lui- „Luisenstadt Kreuzberg“ als Synonym verwendet senstadt (Mitte) sowie das INSEK zum „Aktions- raum plus Kreuzberg Nord-Ost“. Die Analyseda- Aufgabenstellung ten des INSEK zum Aktionsraum sind bezogen auf Frühzeitig nach der Festlegung als Förderkulisse den Teil der Luisenstadt unter Anwendung aktu- für den städtebaulichen Denkmalschutz ist im eller Sozialdaten auf LOR-Ebene fortgeschrieben Untersuchungsgebiet mit der Vorbereitung von und detailliert worden. Gleiches betrifft die Er- Maßnahmen begonnen worden. Die Maßnah- gebnisse der Stärken-Schwächen-Analyse, welche mendurchführung folgte ab dem Programmjahr für die Luisenstadt überprüft und differenziert 2006. worden sind. Ergebnisse eigener Begehungen Das INSEK Luisenstadt Kreuzberg stellt den plane- sowie Dokumentationen mittels Karten/ Grafiken rischen Rahmen für die weitere Vorbereitung und und Fotos sind in den Ergebnisbericht eingeflos- Durchführung von Förderprojekten und Maß- sen. nahmen im Rahmen des Programms Städtebauli- cher Denkmalschutz im Gebiet dar, die der nach- haltigen und sozialorientierten Entwicklung sowie der Stabilisierung der Luisenstadt als stadträumli- che Einheit in ihrer sozialen und funktionellen Vielfalt dienen. Der Fokus liegt dabei zum einen

2

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

1 AUSGANGSSITUATION/ 1.2 Lage des Gebiets in der Stadt RAHMENBEDINGUNGEN Die Luisenstadt Kreuzberg gehört zum Innen- 1.1 Grenzen und Größe stadtbereich . Die Entfernung zum Alexan- des Untersuchungsgebietes derplatz beträgt etwa 4 km. Spree und Land- wehrkanal fließen in unmittelbarer, fußläufig er- Die nördliche Grenze des Untersuchungsgebiets reichbarer Nachbarschaft im nördlichen bzw. süd- wird von der Stadtbezirksgrenze zum Bezirk Mitte lichen Verflechtungsbereich des Gebietes. und die östliche Grenze von der Linie Manteuffel- Das Programmgebiet Städtebaulicher Denkmal- und Skalitzer Straße sowie Erkelenzdamm gebil- schutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) liegt in der det. Im Süden begrenzt der Landwehrkanal das nördlichen Mitte des Ortsteils Kreuzberg im Be- Gebiet, dessen Grenze im Westen die Blöcke zirk Friedrichshain Kreuzberg. Es ist überwiegend diesseits, also westlich des Ehemaligen Luisen- dem inneren Teil - innerhalb der Zollmauer (heu- städtischen Kanals unregelmäßig durchschnei- te Skalitzer Straße) - der historischen Luisenstadt dend wieder in nördlicher Richtung bis zur Be- zuzurechnen, die sich über das Gebiet zwischen zirksgrenze zu Mitte verläuft. Die Größe der För- Spree, südöstlichem Festungsgraben, Lindenstra- derkulisse umfasst ca. 81,3 ha. ße und Landwehrkanal erstreckte.

Das Untersuchungsgebiet liegt jeweils zu Teilen in den Prognoseräumen ‚Kreuzberg Ost‘ und 1.3 Gebietskulissen der Städtebau- ‚Kreuzberg Nord‘. Die Bezirksregionen ‚Nördliche förderung Luisenstadt‘ und ‚Südliche ‘ mit den (siehe dazu Karte „Gebietskulissen der Städte- (Teil)Planungsräumen ‚Oranienplatz‘‚ ‚Moritz- bauförderung im Aktionsraum plus Kreuzberg- platz‘, ‘Lausitzer Platz‘ und ‚Wassertorplatz‘ glie- Nordost“ im Anhang) dern die Luisenstadt Kreuzberg auf der Ebene der

LOR. (siehe dazu Luftbild im Anhang) Sanierungsgebiet gem. § 142 BauGB bis 2002

Stadterneuerung unter Einsatz von Fördermitteln

hat in Kreuzberg eine lange Tradition. Als eines der ersten Berliner Sanierungsgebiete wurde im Jahr 1963 das Gebiet Kottbusser Tor förmlich festgelegt, welches mit ca. 105 ha eines der größ- ten Sanierungsgebiete war. Die Kreuzberger Lui- senstadt lag mitten in diesem Sanierungsgebiet. Die Aufhebung der Sanierungsverordnung erfolg- te im Jahr 2002. Während des Sanierungszeit- raumes wandelte sich das Leitbild für die Sanie- rung im Gebiet von der ‚Aufgelockerten Stadt‘ und einer Kahlschlagsanierung, die vor allem den wirtschaftlichen Interessen der Bauwirtschaft diente, zur behutsamen Stadterneuerung, die von

den Menschen im Gebiet mitgetragen wurde. Mit Abb. 1: Luisenstadt aus der Luft (siehe große der Sanierung wurden zwar erhebliche Verbesse- Karte im Anhang) rungen erreicht, jedoch konnten die Kahlschlag- sanierungen westlich des Wassertorplatzes und um das Kottbusser Tor mit Abriegelung der Dresdner Straße nicht ungeschehen gemacht

3

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 werden. Gleichzeitig setzte unmittelbar nach der Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - Wende eine soziale Entmischung ein: Die Arbeits- Soziale Stadt ab 1999/2005 losigkeit stieg an, Gewerbetriebe und Bewohner Im Untersuchungsgebiet werden aktuell drei kapitulierten vor explodierenden Mietpreisen, Quartiersmanagementverfahren (QM) gem. § Kreuzberg blieb einer der ärmsten Bezirke und 172e BauGB im Rahmen des Schwerpunktpro- die sozialen Probleme wuchsen.1 grammes Soziale Stadt durchgeführt. Während das Gebiet Mariannenplatz in komplet- Stadtumbau West seit 2005 2 tem Umfang innerhalb der Förderkulisse Städte- Der Spreeraum Kreuzberg ist eines von sechs Ber- baulicher Denkmalschutz Luisenstadt Kreuzberg liner Gebieten, die aufgrund ihrer Lage von stadt- liegt, sind die Gebiete ‚Zentrum Kreuzberg‘ und entwicklungspolitischer Bedeutung sind und de- ‚Wassertorplatz‘ darin nur in Teilen enthalten. ren Entwicklung forciert wird. Unter Einsatz von Für das Gebiet ‚Zentrum Kreuzberg‘ wurde be- Städtebaufördermitteln sollen diese Gebiete dem reits 1999 das Quartiersmanagement eingerich- wirtschaftlichen und demografischen Wandel und tet, die anderen beiden Gebiete wurden erst den Erfordernissen der Zukunft angepasst wer- 2005 in die Förderung aufgenommen. In der Um- den. Für das Gebiet Spreeraum Kreuzberg geht es setzung der Verfahren sind für alle drei Gebiete dabei um die Urbanisierung des Spreeufers, den nicht-investive Schwerpunkte gesetzt. Ein inten- Aufbau einer neuen Kreuzberger Mischung, die sives Quartiersmanagement, die Entwicklung ei- Verbesserung des Wohnumfeldes und die Stabili- nes Quartiersbeirats als Partizipationsplattform, sierung und Aufwertung von Infrastruktureinrich- die Einrichtung von Quartiersfonds und soziokul- tungen und Quartierachsen. tureller Projekte mit Ausrichtung auf Bildung, Förderung nachbarschaftlicher Beziehungen und Der Block Mariannenstraße, Bethaniendamm/ soziokultureller Integration, soziale und gesund- Köpenicker Straße/ Manteuffelstraße liegt so- heitliche Beratungsleistungen, Arbeitsmarkt, Ge- wohl in der Kulisse des Stadtumbaugebiets West waltprävention und Sauberkeit im Wohnumfeld als auch in der Kulisse des Städtebaulichen stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten. Denkmalschutzes. Im Rahmen des Stadtumbaus Generelle Entwicklungsziele in den drei QM- ist in diesem Block, der vor allem von der Nut- Gebieten sind, die Qualität des Wohn- und Le- zung als Bildungsstandort (E. O. Plauen Schule, bensraumes zu steigern, die soziale und ethni- Nürtingen Grundschule) geprägt wird, ein nicht sche Integration zu verbessern, das Gesundheits- mehr nutzbares Schulfunktionsgebäude abgeris- und Bildungsniveau insbesondere der Kinder und sen, die entstandene Freifläche im Rahmen des Jugendlichen anzuheben sowie Fort- und Weiter- Gesamtkonzeptes für den Schulhof neu gestaltet bildungsmöglichkeiten für Erwachsene anzubie- und aufgewertet worden. Teile des Hortgebäudes ten. der Nürtingen Grundschule wurden saniert, auf der gegenüberliegenden Straßenseite QM Zentrum Kreuzberg/ Oranienstraße Wrangelstraße 11 ein öffentlicher Spielplatz ge- Das QM-Gebiet Zentrum Kreuzberg mit einer schaffen und der westliche Abschnitt der Größe von 32 ha ist baulich überwiegend geprägt Wrangelstraße aufgewertet. durch Wohngebäude ab 1960 sowie gründerzeit- liche Blockstrukturen im nördlichen Bereich. Erd- geschosse weisen häufig Ladengewerbe und gast- ronomische Nutzungen auf. Zentrum des Gebiets, sozioökonomischer Dreh- und Angelpunkt sowie 1 vgl. Martin Düspohl u.a., Roter Faden. Zur Geschichte des Ballungsraum verschiedener sozialräumlicher Sanierungsgebietes Kottbusser Tor, 2002 2 Problemlagen sind der Bereich rund um das http://www.stadtumbau-berlin.de/Kreuzberg- Spreeufer.1603.0.html Kottbusser Tor sowie die Oranienstraße.

4

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Vorrangige Entwicklungsziele im ‚Zentrum Kreuz- die Steigerung der Partizipation der Bewohner berg‘ liegen in den Bereichen Bildung, und Akteure.5 (siehe dazu Tabelle „Quartiersma- bewohneradäquate Stadtteilkultur, Gewaltprä- nagement Vorort-Büros“ im Anhang) vention, Kommunikation und Partizipation, Integ- ration von Bewohnern als Querschnitts Initiative Aktionsräume plus (A+) ab 2010 aufgabe sowie in der Aufgabe der Stärkung loka- Als Reaktion auf die Ergebnisse des Monitorings ler Strukturen in Kooperationen mit Institutionen Soziale Stadtentwicklung 2008 und 2009 legte und starken Partnern.3 der Berliner Senat im Frühjahr 2010 fünf "Akti-

onsräume plus" fest. In diesen fünf großen Gebie- QM Wassertorplatz ten zeigt der Entwicklungsindex eine starke räum- Das QM-Gebiet ‚Wassertorplatz‘ ist rund 32 ha liche Konzentration der Planungsräume mit „sehr groß und als innerstädtische Großsiedlung West niedrigem Entwicklungsindex“ bezogen auf Fak- vornehmlich durch sozialen Wohnungsbau be- toren wie Arbeitslosigkeit/ Empfang von Transfer- stimmt. Erdgeschosse sind kaum gewerblich ge- leistungen, einseitige soziodemographische Ent- nutzt, es sind vereinzelt einige wenige Gewerbe- wicklung, infrastrukturelle/ städtebauliche Defizi- standorte vorhanden. Innerhalb des Untersu- te. chungsgebiets liegt lediglich der östliche Teil des Die Initiative Aktionsräume plus hat generell zum QM-Gebiets mit dem Wassertorplatz und der di- Ziel, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der rekt angrenzenden Bebauung. BewohnerInnen zu verbessern. Schwerpunkte Priorität haben hier die Entwicklungsziele Steige- sind hierbei, die Bildungschancen speziell bei rung des Sicherheitsniveaus bzw. Steuerung des Kindern und Jugendlichen zu steigern sowie zu- subjektiven Sicherheitsempfindens, Erhöhung der nehmende gesundheitliche Probleme und Kin- Chancen auf dem Arbeitsmarkt für die Bewohne- derarmut zu reduzieren. Organisatorisches Ziel ist rInnen, Bereitstellung einer bewohneradäquaten es dabei angesichts der zunehmend komplexen sozialen Infrastruktur.4 Herausforderungen, ressort- und quartierüber-

greifend eine stärkere inhaltliche Vernetzung der QM Mariannenplatz bestehenden Fördergebiete anzugehen und Das QM-Gebiet ‚Mariannenplatz‘ mit einer Größe gleichsam Räume außerhalb dieser Kulissen (Zwi- von 17,9 ha setzt sich zusammen aus der inner- schenräume) zu fördern. Es geht darum, Förder- städtischer Großsiedlung West, gebaut im sozia- mittel verschiedener Ressorts in den "Aktions- len Wohnungsbau und ca. 30 % innerstädtischem räumen plus" zu bündeln und damit auch für an- Altbaugebiet. Im Gegensatz zum südlich angren- grenzende Kieze und deren Bewohnerinnen und zenden QM-Gebiet Zentrum Kreuzberg existieren Bewohner neue Möglichkeiten zu erschließen. hier nur wenige Gewerbeeinheiten in Erdge- schossen. Die primären Entwicklungsziele für ‚Mariannen- platz‘ sind die Verbesserung der sozialen und ethnischen Integration, Erhöhung der Arbeits- marktchancen für BewohnerInnen, Bereitstellung von Fort- und Weiterbildungsangeboten sowie

3 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- konzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost, Berlin 2010, S. 83 Abb. 2: Aktionsraumplus Kreuzberg-Nordost (siehe große Kar- 4 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für te im Anhang) Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- konzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost, Berlin 2010, S. 85 5 vgl. ebenda S. 87f. 5

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Der Aktionsraum plus Kreuzberg-Nordost er- Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt streckt sich von der Spree bis zum Volkspark Kreuzberg ab 2005 Hasenheide und vom Landwehrkanal bis zum Zum Erhalt historischer Stadtkerne und inner- neuen Park auf dem Gleisdreieck. Mit rund städtischer Altbauquartiere initiierten 1991 die 118.000 Menschen ist Kreuzberg Nordost der damalige Bundesregierung und die neuen Bun- kleinste der fünf Aktionsräume (insgesamt desländer das Förderprogramm Städtebaulicher 830.000 Menschen). Denkmalschutz. In Berlin waren bis Ende 2008 le- diglich Vorhaben in den östlichen Bezirken för- Neben dem Untersuchungsgebiet Städtebauli- derfähig – mit Ausnahme der Luisenstadt in cher Denkmalschutz Luisenstadt Kreuzberg und Kreuzberg – , seit 2009 mit der Erweiterung des den darin enthaltenen drei QM-Gebieten sowie Programms auf die alten Länder stehen Mittel für dem Stadtumbau-West-Gebiet (siehe oben) um- gesamt Berlin zur Verfügung. fasst A+ Kreuzberg-Nordost ein zweites Gebiet Städtebaulicher Denkmalschutz südlich des Landwehrkanals, drei weitere Fördergebiete der Sozialen Stadt sowie das 2011 festgelegte Sanie- rungsgebiet Mehringplatz, das ebenfalls über die Programmförderung Städtebaulicher Denkmal- schutz finanziert wird. Leitprogramm für den Ak- tionsraum plus Kreuzberg Nordost ist die Soziale Stadt/ Quartiersmanagement.

(siehe dazu Karte „Gebietskulissen der Städte- bauförderung im Aktionsraum plus Kreuzberg- Nordost“ im Anhang) Abb. 3: Fördergebiete Städtebaulicher Denkmalschutz in Berlin

Laufende Projekte finanziert aus der Initiative Ak- Das Fördergebiet Luisenstadt, östlich und west- tionsräume plus im Untersuchungsgebiet: lich des DDR-Grenzstreifens gelegen und von die- Ausbau Bildungsnetzwerk: Campus Marianne sem besonders schwer gekennzeichnet, wurde in Bethanien 2006 als Modellprojekt komplett in die Förderung

Städtebaulicher Denkmalschutz aufgenommen. Kooperation Schule-Quartier: Musikschule Die Gebietskulisse erstreckt sich dabei über die Friedrichshain Kreuzberg-Bandräume in Bezirksgrenzen von Mitte und Friedrichshain- Bethanien Kreuzberg.

Bibliotheken als interkulturelle Stadtteil- und Bildungszentren: Mittelpunktbibliothek Adal- bertstraße/Interkulturelle Familienbibliothek

Abb. 4: Fördergebiete Städtebaulicher Denkmalschutz in Friedrichshain-Kreuzberg 6

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Das Untersuchungsgebiet selbst stimmt mit den Bisherige Projektstandorte im Städtebaulichen Grenzen des Fördergebiets Städtebaulicher Denkmalschutz sind: Denkmalschutz Luisenstadt im Ortsteil Kreuzberg überein, das sich aus Teilbereichen der Erhal- der Schulstandort der Nürtingen-Grundschule tungsgebiete Luisenstadt, Bethaniendamm und mit Schulgebäude, Freifläche der Schule und Segitzdamm zusammensetzt. des Hortes, (siehe dazu Karte Gebietskulissen der Städtebau- förderung im Anhang) das Bethanien mit der Neugestaltung der Frei- Das Programm zielt dabei in erster Linie auf die fläche und der Sanierung einzelner Gebäude städtebauliche Erneuerung historischer Stadt- des Bethaniens, strukturen und Grundrisse sowie von Bereichen mit hoher Denkmaldichte und hat somit einen die Volkshochschule Wassertorstraße, stark objektbezogen, baulich-investiven Fokus.

Raumprägende Strukturelemente der planmäßi- der Kindernotdienst und das Haus des Sports gen gründerzeitlichen Stadterweiterung aus dem an der Gitschiner Straße, frühen 19. Jahrhundert sind in der Luisenstadt Kreuzberg der Grünzug auf dem ehemaligen Lui- der Alfred-Döblin-Platz, senstädtischen Kanal und die charakteristischen

Stadtplätze wie Mariannenplatz, Oranienplatz, der Grünzug Ehemaliger Luisenstädtischer Ka- Wassertorplatz oder Heinrichplatz. nal Umfangreiche Denkmalbestände mit häufig stadtbildprägender Bedeutung weist das Gebiet u.a. mit dem ehemaligen Bethanien- Krankenhaus, der St. Thomas-Kirche und ver- schiedenen Sozial- und Schulbauten auf.

Die Bestimmung von Maßnahmen, die sowohl den Anforderungen der Denkmalpflege und der Gebietsentwicklung gerecht werden als auch den Wünschen der Kreuzberger Bewohner und Ak- teure entsprechen, stellt eine große Herausforde- rung dar. Maßgeblich für die erfolgreiche Umset- zung des Programms ist daher eine frühzeitige Einbindung sämtlicher Akteure in einen transpa- renten Planungs- und Umsetzungsprozess.

7

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Aktuelle Vorhaben im Untersuchungsgebiet VI-96a Gelände westlich des Wassertorplatzes Sämtliche Maßnahmen aus den Programmen der zwischen Ritterstraße und Gitschiner Straße so- Städtebauförderung, die aktuell im Untersu- wie Wassertorstraße, Segitzdamm und Bergfried- chungsgebiet Luisenstadt Kreuzberg durchgeführt straße, WA und Einrichtung für kulturelle und so- werden, sind dem Bericht in einer tabellarischen ziale Zwecke (Volkshochschule), Festsetzung 1976 Übersicht im Anhang sortiert nach Programmjahr und Fördermittel beigefügt. VI-97 Grundstücke Manteuffelstraße 12-14, Wrangelstaße 127, 123-135, WA Zweckbestim- (siehe dazu Karte „Maßnahmenübersicht“ im An- mung Altenwohnheim und Einrichtungen für kul- hang) turelle und soziale Zwecke, Zweckbestimmung Kita und für die Bezirksverwaltung (in Sporthal- lengebäude), Festsetzung 1977 1.4 Planungssituation Flächennutzungsplan VI-101 a Bereich um das NKZ, Kerngebiet, Ge- Nach dem aktuellen Flächennutzungsplan 2009 werbegebiet, Flächen für den Gemeinbedarf, Al- ist die Nutzungsstruktur der Baublöcke im Unter- tenwohnheim, Einrichtungen für soziale und kul- suchungsgebiet von gemischter Nutzung um das turelle Zwecke (Bücherei, Mehrzweckhaus, Kul- Kottbusser Tor bis an die Oranienstraße sowie im turzentrum), Festsetzung 1973 Block westlich Bethanien bis an den ELK und an- sonsten von einer Wohnnutzung geprägt. VI-101 j Gelände zwischen Mariannenplatz, Wal- demarstraße, Manteuffelstraße, Naunynstraße Baunutzungsplan und Mariannenplatz, WA, Festsetzung 1974 Das Planungsrecht für das INSEK-Gebiet wird vom Baunutzungsplan von 1960 bestimmt. Dieser Im Untersuchungsgebiet selbst laufen keine ak- sieht eine stärkere Differenzierung für die Nut- tuellen B-Planverfahren. Im Verflechtungsbereich zungen in den Baublöcken der Luisenstadt Kreuz- sind aktuell folgende B-Pläne im Verfahren: berg vor als im FNP dargestellt. Danach sind z.B. 2-33 Teilfläche Grundstück Köpenicker Str. 20 die Baublöcke beiderseits der Oranienstraße als Planinhalt: Gehrecht für die Allgemeinheit gemischtes Baugebiet eingetragen. (Spreeuferweg) Aufstellungsbeschluss bekannt gemacht am Bebauungspläne 15.07.2011 Im INSEK-Gebiet sind in den 1960 und 1970er Jahren folgende Bebauungspläne festgesetzt 2-17 BEHALA-Gelände worden: Planinhalt: MI, evtl. Teilflächen MK, Spreeufer- VI-56 Manteuffelstr. 23,24 Ecke Muskauer weg Str.27, öffentliche Grünfläche mit der Zweckbe- Aufstellungsbeschluss bekannt gemacht am stimmung Spiel-und Tummelplatz, Festsetzung 07.08.2007 (ruht seitdem) 1963

VI-69 Waldemarstraße 104 und Manteuffelstraße; Allgemeines Wohngebiet Zweckbestimmung Altenwohnheim, Festsetzung 1972

8

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Erhaltungsverordnungen schossen könnten z.B. betreute Wohnungen un- Im Jahr 1995 wurde für große Teile des alten SO tergebracht werden. 36 eine Erhaltungsverordnung gem. §172 Abs.1, Auf dem Gelände des Kinderbauernhofes entste- Satz 1 und 2 erlassen. Das Erhaltungsgebiet ‚Lui- hen demnächst neue Stallgebäude. senstadt Kreuzberg‘ ist eines der ersten und mit Aus städtebaulicher Sicht ist die Ausbildung einer 200 ha das größte in Kreuzberg. klaren Raumkante entlang der Köpenicker Straße Im Jahr 2006 sind auf der Grundlage von Gutach- und der nördlichen Adalbertstraße langfristig ten zur Überprüfung der Voraussetzungen für wünschenswert. den Erlass von Erhaltungsverordnungen sowie zu den denkmalpflegerischen und freiraumplaneri- Block 90 und 91 schen Prämissen für die Bereiche Luisenstadt/ Auch im Zusammenhang mit der geplanten Ent- Bethaniendamm und Luisenstadt/ Segitzdamm wicklung des nördlich am Spreeufer gelegenen ergänzende Erhaltungssatzungen erlassen wor- BEHALA-Blocks (Block 91) zu einem mit Wohnen den. und Gewerbe durchmischten Gebiet sollte der im In beiden Gebieten gibt es zahlreiche denkmalge- INSEK-Gebiet liegende Block 90 gleichwertig mit schützte Einzelbauten, Gebäudeensembles und entwickelt werden. Dazu ist die Verlagerung von Freiräume. Insbesondere die Freiräume wurden störenden Gewerbebetrieben im Bereich der Kö- jedoch häufig nicht ihrer Bedeutung gemäß gesi- penicker Str. erforderlich, die jedoch nur langfris- chert, gepflegt oder entwickelt. Dies gilt erst tig umsetzbar und z.T. problematisch ist. recht für die nicht denkmalgeschützten Bereiche, Aus städtebaulicher Sicht ist die Ausbildung einer die zudem seit der Wende einem hohen Verän- klaren Raumkante entlang der Köpenicker Straße derungsdruck ausgesetzt sind. und der nördlichen Manteuffelstraße wün- Mittels des Instruments der Erhaltungssatzung schenswert. gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist es mög- lich, sowohl bauliche Anlagen, wie z.B. den Grün- zug „Ehemaliger Luisenstädtischer Kanal“ oder die angegliederten Platzanlagen, als auch die städtebauliche Eigenart der Gebiete zu erhalten. Der Abbruch, die Änderung, die Nutzungsände- rung oder die Errichtung baulicher Anlagen be- dürfen der behördlichen Genehmigung.

Sonstige planerische Konzepte Kottbusser Tor Dem Stadtplanungsamt liegen keine planerischen Konzepte für den Bereich um das NKZ vor.

Block 73 Der Bauhof am Bethaniendamm wird aufgege- ben. Auf den Grundstücken Bethaniendamm 63, 65 soll im Blockrand ein Kita-Neubau entstehen. Seitens des Stadtplanungsamtes wurde empfoh- len, die Kita in einen mehrgeschossigen Neubau- körper zu integrieren, der die Traufhöhe der Alt- bauten im Block aufnimmt. In den oberen Ge-

9

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

2 ANALYSE Die Kreuzberger Mischung entsteht Ab 1860 setzte im Gebiet eine rege Bautätigkeit 2.1 Städtebau ein, die sich ab 1875 mit der Umsetzung des Hobrecht‘schen Fluchtlinienplanes weiter ver- 2.1.1.Historische Entwicklung stärkte. Anstelle der bislang max. 3- bis 4- Historische Luisenstadt geschossigen Wohnhäuser entstanden 4- bis 5- Das Fördergebiet Luisenstadt Kreuzberg ist Teil geschossige Mietshäuser mit Läden im Hochpar- der historischen Luisenstadt, gelegen im Köpeni- terre und Souterrain sowie mit mehrgeschossigen cker Feld, dessen Besiedlung im 13. Jahrhundert Fabrikbauten in den Hinterhöfen. In der Luisens- begann. Verwaltungstechnisch war die Luisen tadt Kreuzberg entstanden so Ausgangs des 19. stadt bis zur Eingemeindung in Groß-Berlin im Jahrhunderts und zu Beginn des 20.Jahrhunderts Jahre 1920 in die zwei amtlichen Stadtteile Lui- mehrere Gewerbehöfe, die inzwischen unter senstadt diesseits (westlich) und jenseits (östlich) Denkmalschutz stehen. des Luisenstädtischen Kanals gegliedert. Mit der Mit der Neuansiedlung von Fabriken und der Eingemeindung fielen die gesamte Luisenstadt Ausweitung des Handels entstand eine verstärkte jenseits des Kanals sowie der südliche Teil der Nachfrage an erschwinglichen Kleinwohnungen Luisenstadt diesseits des Kanals an den Bezirk für die Arbeitskräfte. Die bestehende Baustruktur Kreuzberg und der nördliche Teil der Luisenstadt wurde verdichtet, Gebäude wurden umgenutzt diesseits des Kanals an den Bezirk Mitte.6 Die Lui- sowie Garten- und Hofflächen bebaut. 1910 hatte senstadt grenzt unmittelbar an die historische die Luisenstadt ihre höchste Bebauungsdichte er- 7 Mitte Berlins. reicht.

Planmäßige Bebauung Vom Wasserweg zum Grünzug Bis Mitte des 19. Jahrhundert war das Territorium In den Jahren 1925/ 26 wurde damit begonnen, vom Obst-, Gemüse- und Getreideanbau be- den Luisenstädtischen Kanal wegen technischer stimmt. Der maßgeblich von P. J. Lenné geprägte Mängel beim Abfluss und aufgrund seiner zu- Bebauungsplan von 1842 für das Köpenicker Feld nehmend geringen Bedeutung für den Transport hatte das Ziel “Unregelmäßigkeiten in der Bebau- zuzuschütten und zu einem tiefer gelegenen ung vorzubeugen“. Einerseits sollten durch den Grünzug umzugestalten.8 Die ursprünglichen Plä- Bebauungsplan die private Bautätigkeit forciert ne zur Neugestaltung des ehemaligen Schiff- und günstige Ansiedlungsbedingungen für die In- fahrtskanals in eine Grünanlage gingen auf Pla- dustrie geschaffen werden. Andererseits sollten nungen von L. Kloss und W. Barth zurück. Ver- soziale Ziele, wie Räume für die Naherholung mit- kehrs-und bautechnische Probleme sowie Geld- tels einer differenzierten Gestaltung des öffentli- mangel führten dazu, dass der Grünzug erst chen Raumes durchgesetzt und die Gleichförmig- Pfingsten 1932 offiziell der Öffentlichkeit überge- keit der Bebauung aufgelockert werden. ben wurde, ohne dass alle Abschnitte und Plätze Im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereits ihre endgültige Gestalt hatten.9 wurden zwei wichtige Transportwege, die stadt- räumlich prägend sind, angelegt: Ab 1845 begann der Bau des Landwehrkanals und von 1848-1852 entstand der Luisenstädtische Kanal als Verbin- dung zur Spree mit seinen beiden Hafenbecken und einem Marktplatz, dem Oranienplatz. 1845- 7 1847 entstand das Bethanienkrankenhaus. vgl. Christiane Bascón-Borgelt u.a., In der Luisenstadt. Stu- dien zur Stadtgeschichte , IBA, Berlin 1977 8 vgl. TOPOS/ Bergande, Oranienplatz und Luisenstädtischer 6 Kanal. Gartendenkmalpflegerisches Gutachten, Berlin 2005 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Luisenstadt 9 vgl. Klaus Duntze, Der Luisenstädtische Kanal, Berlin 2011 10

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg – Die auf- liegende, alte Innenstadt orientierte und dem gelockerte Stadt Bild der aufgelockerten Stadt folgen sollte. Die Beginnend mit dem Wiederaufbau in den 1950er schadhafte Bausubstanz mit mangelhafter Aus- Jahren und im Zuge einer geplanten Autobahn- stattung und die ungeordnete Mischbebauung führung ist in den 1960er Jahren die gründerzeit- waren weitere Sanierungsgründe. “(…) auch der liche Bebauungsstruktur um das Kottbusser Tor Stadtbezirk Kreuzberg (ist) auf dem Wege, die durch vielgeschossige Neubauten überformt Sünden seiner Väter zu revidieren und die worden. Die Neubauten folgten dem städtebauli- Kriegswunden zu heilen.“ (Bezirksamt Kreuzberg, chen Leitbild der aufgelockerten Stadt, in der 1965)10 auch Wohnen und Gewerbe entflochten sind. Am Kottbusser Tor wurde die nördliche Altbe- Nach Beendigung der Wiederaufbauphase, die bauung abgerissen und bis 1974 mit einem maß- sich vor allem auf Kriegsbrachen konzentrierte, stabsprengenden Großkomplex, dem Neuen wurde ein neues Betätigungsfeld für die Berliner Kreuzberger Zentrum, bebaut. Im Zuge dieser, Bauwirtschaft gesucht. Die Berliner Gründerzeit- den Sanierungszielen entsprechenden Maßnah- gebiete gerieten dafür in den Fokus. me, wurde die Dresdener Straße, die die älteste Kreuzberg durchquerende Straße war, abgerie- gelt. Desgleichen wurde die historische Bebauung westlich und südlich des Wassertorplatzes durch Großstrukturen für soziale Wohnungsbauten überformt.

Kritik an der Sanierungspolitik Die ‚Sanierung‘ am Kottbusser Tor gilt als Zeichen für eine verfehlte Stadtentwicklungspolitik und als Auslöser für die Kreuzberger Bewohnerproteste. Während der Kahlschlag- Sanierungen am ‚Kotti‘ und um den Wassertor- platz verblieben die übrigen Baugebiete im Stand der Sanierungserwartung. Dies bedeutete unter- lassene Instandhaltungen, gezielter Verfall, Weg- Abb. 5: Autobahnplanung - Strukturplan der Bauverwaltung zug verunsicherter Bewohner bei Verbleib sozial (Ausschnitt), 1969 Schwächerer sowie hohe Fluktuation und zu-

nehmender Leerstand mit der Aussicht auf den Stadterneuerungsprogramm und Kahlschlag- letztendlichen Abriss der Gebäude. Sanierung

Mit dem Mauerbau 1961 war Kreuzberg zu einem In zunehmendem Maße widersprachen die Be- Randgebiet und mit der Sanierungspolitik zu- wohnerinnen und Bewohner auf Erörterungsver- nehmend zum Wohnort für Zuwanderer, Ausstei- anstaltungen, die vom neuen Städtebauförde- ger und Studenten geworden. Mit dem ersten rungsgesetz von 1971 vorgeschrieben wurden, Stadterneuerungsprogramm West-Berlins wurde den Abriss-/ Neubaukonzepten und der Negie- 1963 das Sanierungsgebiet “Kreuzberg- rung der gewachsenen Stadtstruktur. Fanden die- Kottbusser Tor“ förmlich festlegt. Es war mit 107 se Bedenken und aufkeimenden Proteste lange ha das zweitgrößte Sanierungsgebiet in Berlin. Zeit jedoch keine Beachtung, so gelang es den- Ziel der Sanierung war eine Neuordnung des Ge- noch, größere Teile der Ensembles im Bereich biets, die sich an dem Autobahn- Tangentensystem um die historische, im Ostteil 10 Martin Düspohl u.a., Roter Faden. Zur Geschichte des Sa- nierungsgebietes Kottbusser Tor, Berlin 2003 11

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Admiralstraße/ Fraenkelufer durch Instandbeset- Zunehmend begann sich der Protest gegen eine zung vor dem Abriss zu bewahren. seelenlose und unsoziale Sanierungspolitik, der sowohl Deutschlandweit als auch international

für Aufmerksamkeit sorgte, zu organisieren. Von Seiten des Berliner Senats wurde 1978 die Inter- nationale Bauausstellung Berlin GmbH (IBA) un- ter Leitung von Prof. Hardt-Waltherr Hämer ge- gründet, mit der die Kurskorrektur in der Berliner Sanierungspolitik eingeleitet wurde.

Behutsame Stadterneuerung Im Zuge der Arbeit der IBA entstanden im engen Dialog mit Initiativen und Hausbesetzern die Leit- linien für die Sanierung in Kreuzberg. Die Sanie- rung sollte sich nach den Bedürfnissen, Möglich- keiten und Wünschen der von der Sanierung Be- troffenen richten, die Kreuzberger Mischung be- wohner- und nutzerorientiert erneuert werden und der Sanierungsprozess im Konsens erfolgen. Die zwölf Grundsätze der behutsamen Stadter- neuerung wurden verpflichtend für Wohnungs- baugesellschaften und Treuhänderische Sanie- rungsträger. Sanierung bedeutete jetzt Instand- setzung und Modernisierung. Abb. 6: Protest gegen Kahlschlagsanierung im SO 36

Wortlaut der 12 Grundsätze zur behutsamen Beginnend in der Mitte der 1970er Jahre wurde Stadterneuerung11 auch seitens der Berliner Senatsverwaltung schrittweise Abstand von den bislang verfolgten Die Erneuerung muß mit den jetzigen Be- Zielen der Sanierung genommen. So wurden bei wohnern und Gewerbetreibenden geplant und – den Blöcken um das Bethanien entweder die substanzerhaltend – realisiert werden. Blockrandbebauung bei vollständiger Entkernung der Blockinnenbereiche beibehalten oder durch Planer sollen mit Bewohnern und Gewer- Neubauten ersetzt. betreibenden in den Zielen der Erneuerungsmaß- nahmen übereinstimmen, technische und soziale Parallel verfolgten die als Sanierungsträger einge- Planungen Hand in Hand gehen. setzten Wohnungsbaugesellschaften jedoch wei- ter eine Praxis des beschleunigten Häuserverfalls Die Eigenart Kreuzbergs soll erhalten, durch unterlassene Instandsetzungen und den Vertrauen und Zuversicht in den gefährdeten zielgerichteten Leerzug von Wohnhäusern und Stadtteilen müssen wieder geweckt werden. Sub- Gewerbebauten. In einer Situation, die von Woh- stanzbedrohende Schäden an Häusern sind sofort nungsmangel und steigenden Mietpreisen be- zu beseitigen. stimmt war, führte das zum Erstarken der Hausbesetzerbewegung. 11http://de.wikipedia.org/wiki/12_Grunds%C3%A4tze_der_S tadterneuerung 12

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Behutsame Änderung von Grundrissen Begleitet von einer Erneuerungskommission und soll auch neue Wohnformen möglich machen. von in der Instandbesetzung erfahrenen Initiati- ven sowie aufgrund zahlreicher Erörterungsver- Die Erneuerung von Wohnungen und anstaltungen, Mieterbefragungen und Abstim- Häusern soll stufenweise geschehen und allmäh- mungen über Planungen wurden grundstücks- lich ergänzt werden. weise die Baumaßnahmen bestimmt. Die In- standsetzung und Modernisierung der Wohnun- Die bauliche Situation soll durch wenige gen erfolgte häufig in baulicher Selbsthilfe durch Abrisse, Begrünung im Blockinneren, Gestaltung die Bewohner. von Fassaden verbessert werden. Die Firma STATTBAU wurde in diesem Kontext als Treuhänder des Landes Berlin gegründet, auch Öffentliche Einrichtungen sowie Straßen, mit dem Auftrag, die ehemals besetzten Häuser Plätze und Grünbereiche müssen bedarfsgerecht vorrangig im Block 103 in Eigentum der Bewoh- erneuert und ergänzt werden. nerInnen zu überführen. Als Resultat wurde die Bewohnergenossenschaft Luisenstadt eG ge- Beteiligungsrechte und materielle Rechte gründet. der Betroffenen bei der Sozialplanung müssen ge- regelt werden.

Entscheidungen für die Stadterneuerung müssen offen gefunden und möglichst am Ort diskutiert werden. Die Betroffenenvertretung ist zu stärken.

Stadterneuerung, die Vertrauen erzeugt, braucht feste Finanzzusagen. Das Geld muß schnell und auf den Fall bezogen ausgegeben Abb. 7: Modellprojekt Block 103 werden können. Neben dem Erhalt und der bedarfsgerechten Sa- Es sind neue Formen der Trägerschaft zu nierung der vorhandenen Wohnsubstanz wurde entwickeln. Treuhänderische Sanierungsträger- auch dem Exodus gewerblicher Flächen entge- aufgaben (Dienstleistungen) und Baumaßnahmen gengewirkt und die bekannte ‚Kreuzberger Mi- sollen getrennt werden. schung‘ beibehalten.

Die Stadterneuerung nach diesem Kon- Ökologische Modellprojekte wie im Block 103 zur zept muß über die Zeit der IBA hinaus gesichert Energiegewinnung, zum Brauchwasserrecycling sein und zu einer umweltfreundlichen Abfallwirtschaft entstanden ebenso im Zuge der Sanierung wie auch architektonisch bemerkenswerte Neubau- ten, wie z.B. das ‚Wohnregal‘ in der Admiralstra- ße.

13

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Entwicklungen heute Grundstücke wurden Vorgärten festgelegt. Der Im Jahre 2002 wurde das Sanierungsgebiet Raum um den Kanal sollte als Erholungsfläche „Kreuzberg – Kottbusser Tor“ aufgehoben. In der dienen. Luisenstadt Kreuzberg ist ein breites Spektrum des Bauens und Wohnens aus allen Sanierungs- phasen vertreten. Es ist aber auch erkennbar, dass noch und bereits wieder Erneuerungsbedarf besteht.

Die Tradition einer umfangreichen, intensiven und auch kontroversen Beteiligung der Bürgerin- nen und Bürgern an den Planungsprozessen hat sich über die Jahre erhalten und findet sich in den zahlreichen im Gebiet ansässigen Initiativen und Organisationen wieder. Abb. 8: Oranienplatz und Brücke um 1900

Das Bethanienkrankenhaus, entstanden 1848, 2.1.2 Baulich-räumliche Struktur12,13,14 war noch bis 1855 der einzige Gebäudekomplex (siehe dazu Karte „Verschneidung: Historische der Gegend, weiträumig umgeben von Feldern Karte von 1910 und heutiger Bestand“ im An- und dem 1853 angelegten Mariannenplatz. hang) Durch das Zusammenspiel von Hobrecht’schem Fluchtlinienplan, der 1875 als Fluchtliniengesetz Die Luisenstadt Kreuzberg ist eine der ältesten, in rechtsverbindlich, und in welchem Straßen und ihrer Grundstruktur weitgehend erhaltenen Plätze definiert wurden, und der Bauordnung von Stadterweiterungen der Gründerzeit in Berlin. 1853, die eine allgemeine Baufreiheit gewährte, Seinen Bauboom erlebte das Gebiet in der 2. wurde die Grundstücksausnutzung lediglich durch Hälfte des 19. Jahrhunderts. die Bestimmungen der Feuersicherheit be- schränkt. Daraus ergaben sich für Grundstücke Mit dem Bau des Landwehr- und des Luisenstäd- mit einer Tiefe ab 31,40 m, die mit Hintergebäu- tischen Kanals entstanden 1845-1852 zwei wich- den bebaut waren, Durchfahrthöhen von 2,81 m tige Wasserwege, die dem Transport von mas- für den Transport der Löschgeräte und 28,52 m² senhaft benötigten Baumaterialien und Rohstof- große Höfe, was dem Wenderadius einer Feuer- fen für die sich ansiedelnde Industrie dienten. löschpumpe entsprach. Die Gebäudehöhen durf- Der Luisenstädtische Kanal mit seinen beiden Ha- ten maximal der Straßenbreite entsprechen. Für fenbecken (Wassertor- und Engelbecken) und die Wohnungen galten 2,51 m Geschosshöhe als dem Oranienplatz als Marktplatz im Schnittpunkt ausreichend, und Kellerräume durften dann als von Kanal und Oranienstraße bildete die stadt- Wohnungen vermietet werden, wenn deren Ge- räumliche Grundstruktur und wurde wesentliches schossdecke einen Meter über Terrain lagen. Mit stadträumliches Gestaltungselement. Beiderseits den neuen Bauordnungen von 1887 und 1897 re- des Kanals entstanden großzügige, als Alleen aus- agierte der Preußische Staat –entgegen der Hal- gestaltete Uferstraßen, und für die anliegenden tung des Magistrats von Berlin -auf massive Kritik 12 vgl. Christiane Boscón-Borgelt u.a, In der Luisenstadt. Stu- gegen die gesundheitsgefährdenden Wohnver- dien zur Stadtgeschichte von Berlin-Kreuzberg, Berlin 1983 hältnisse in den Mietskasernen und sorgte für ei- 13 vgl. TOPOS, Gutachten zum Erlass einer Erhaltungsver- ordnung. Luisenstadt/ Bethaniendamm, LuIsenstadt/ ne relative Verbesserung bei der Ausstattung und Segitzdamm , Berlin 2006 den Belichtungs- und Belüftungsverhältnissen der 14 vgl. Martin Düspohl u.a., „Roter Faden“ Zur Geschichte des Sanierungsgebietes Kottbusser Tor, Berlin 2003 Wohnungen. Neben Wohnhäusern entstanden 14

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 auch kommunale Bauten wie die Schule in der der U-Bahn (heute U8) zwischen Neukölln und Wassertorstraße, die sich mit ihren roten Ziegeln Gesundbrunnen auf einen Meter oberhalb des in den Blockrand einfügte. alten Wasserstands zu verfüllen. Der Kanal hatte seine Bedeutung als Transportweg verloren und 1886 begann gegen den Protest von Grund- begann aufgrund geringen Gefälles zu ver- stücksbesitzern und Bewohnern der Bau der schlammen. Unter der Leitung von Erwin Barth Hochbahn vom Schlesischen bis zum Halleschen entstand ein Grünzug mit einer Abfolge von Tor auf der Trasse der neuen, mit Bäumen be- 'Schmuck-, Lehr- und Spielgärten', der erst 1932 pflanzten Gürtelpromenade, die dem Verlauf der der Öffentlichkeit übergeben worden ist.15 alten Stadtmauer folgend angelegt worden war.

Mit der Eröffnung der Hochbahnstrecke 1902 verlor die als repräsentativer Boulevard gestalte- te Skalitzer Straße an Wohn- und Gestaltwert. Zudem wurde durch die Hochbahn der Stadtraum um den Wassertorplatz zerschnitten und die Nord-Süd-Achse des Luisenstädtischen Kanals un- terbrochen. Mit der Zunahme des Straßenver- Abb. 10: Planung Grünzug Luisenstädtischer Kanal, Erwin kehrs wurde die Barrierewirkung verstärkt. Barth 1929

Mit dem Bau des nördlichen Abschnittes der da- maligen U-Bahnlinie D (heute U8) 1913-1917, der ursprünglich unterhalb der Dresdener Straße vom heutigen U-Bahnhof Heinrich-Heine Straße (frü- her Neanderstraße) zum Kottbusser Tor verlaufen sollte, entstand der U-Bahnhof Dresdener Stra- ße16 am Oranienplatz. Der 1. Weltkrieg führte da- zu, dass der Bahnhof erst 1921 und lediglich im Rohbau fertiggestellt wurde. Im Zuge des Wei- terbaus der U-Bahnlinie ab 1927 entschied die

Stadt Berlin, dass die Linienführung verändert Abb. 9: Wassertorplatz mit Hochbahntrasse und Straßen- und über den Moritzplatz geführt wurde. Der be- bahn um 1901 reits fertiggestellte Streckenabschnitt zum Oranienplatz wurde nicht mehr benötigt und der Mit zunehmender Bevölkerungsdichte wurde das Bahnhofsrohbau von der BEWAG als Schaltersta- öffentliche Schulwesen durch Schulneubauten in tion genutzt. Der Tunnelstutzen wurde von der der Luisenstadt erweitert. Ein zweites Gymnasi- BVG als Abstelllager und später zum Luftschutz- um entstand am Mariannenplatz, und auf einem bunker umgenutzt. Nicht belegt ist die Vermu- gärtnerisch genutzten Grundstück in der Marian- tung, dass diese veränderte Linienführung auf ei- nenstraße wurde eine Realschule gebaut. ne Intervention des Wertheim-Konzerns bei Be- Ab den 1880er Jahren veränderte sich auch das teiligung an den Baukosten zurückzuführen ist, öffentliche Leben auf den Straßen. Aus hygieni- schen Gründen wurden für öffentliche Märkte, wie den Oranienplatz, überdachte Markthallen 15 gebaut. vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Städtebaulicher Rahmenplan Ber- 1926 wurde der Beschluss gefasst, den Luisen- lin-Mitte/ Friedrichshain-Kreuzberg – Luisenstadt , Berlin städtischen Kanal mit dem Aushub des Neubaus 2010 16 vgl. Klaus Duntze, Der Luisenstädtische Kanal , Berlin 2011 15

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 der für seinen Kaufhausstandort am Moritzplatz 19. Jahrhunderts, die den urbanen Charakter un- einen direkten U-Bahnanschluss wünschte.1718 terstreichen. Vor allem in den markanten Stadt- räumen um den Ehemaligen Luisenstädtischen Im Laufe der Kriegsjahre veränderte sich das Pro- Kanal, den Mariannenplatz und den Oranienplatz duktionsprofil der Luisenstädtischen Industriebe- ist dies erlebbar und gibt dem Gebiet seine posi- triebe hin zur Rüstungsproduktion. In deren Folge tive Identität. In vielen Baublöcken findet man war das Gebiet verstärkt Bombenangriffen aus- auch noch das kleinteilige Nebeneinander von gesetzt. In den letzten Kriegstagen des Jahres Gewerbe und Wohnen - die Kreuzberger Mi- 1945 wurden durch verheerende Luftangriffe et- schung. Teilräumlich wird dieses Bild zwar durch wa 42 % des Kreuzberger Wohnungsbestandes großformatige Neubaustrukturen wie um den zerstört. ‚Kotti‘, den Wassertorplatz und im nördlichen Be- Bis zum Jahr 1950 beschränkte sich die Bautätig- reich der Mariannenstraße und die in mehrfacher keit vorwiegend auf die Trümmerbeseitigung und Weise als Barriere wirkende Skalitzer Straße ge- die Reparatur kriegsbeschädigter Häuser. Mithilfe stört, jedoch wird der relativ homogene Charak- des Marshall-Plans kam dann langsam die Neu- ter des Gebietes dadurch nicht im Ganzen ver- bautätigkeit in Gang. Das städtebauliche Leitbild letzt. für den Wiederaufbau ab den 1950er Jahren war das von ‚Mehr Licht und Luft‘ in einer ‚Aufgelo- Weitere Nutzungskonflikte und Gestaltungsmän- ckerten Stadt‘. gel sind: Durch die Teilung Berlins und den Mauerbau ist die Kreuzberger Luisenstadt Teil des Stadtrand- Fehlende Raumkanten am Bethanien- bezirks Kreuzberg geworden. Mit dem ersten damm, Köpenicker Straße und Skalitzer Straße Stadterneuerungsprogramm, der Konzipierung einer Tangentenautobahn und der Festlegung des Sanierungsgebiets „Kottbusser Tor“, zu dem die Unterbrechungen im Verlauf des ELK Kreuzberger Luisenstadt gehörte, entstanden in durch abschirmende Vegetation, BVG- den 1960er bis hinein in die 1970er Jahre Hoch- Wartehallen und mangelhaft gestaltete Übergän- hauskomplexe des sozialen Wohnungsbaus, die ge im Bereich Oranienplatz, Ritterstraße/ Rei- die historischen Stadtstrukturen z.T. vollständig chenberger Straße, Verkehrsgarten am Wasser- überformten und den Maßstab der ursprüngli- torplatz, Skalitzer Straße und im Einmündungsbe- chen Bebauung sprengten. Bis in die 1980er Jahre reich Böcklerstraße. bedeutete Sanierung flächenhafter Abriss und Neubebauung. Infolge zunehmenden und organi- Die Einheit von Luisenstadt Mitte und Luisenstadt sierten Protests wandelte sich das Leitbild Kreuzberg soll wieder deutlich erlebbar werden. schrittweise über den Erhalt der Blockrandbe- Noch vorhandene Indizien für den Verlauf der bauung bei vollständiger Entkernung hin zur be- Mauer, wie z.B. die Anordnung von Straßenlater- hutsamen Stadterneuerung, die das Bewahren nen in den Vorgärten, sollen in Zukunft erhalten historischer Stadtstrukturen ohne Verdrängung bleiben. von Bewohnern und Nutzern zum Ziel hatte.

Das Stadtbild der Kreuzberger Luisenstadt wird heute noch geprägt von den dichten Bebauungs- strukturen, Straßenräumen und Platzfolgen des

17 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Oranienplatz 18 vgl. http://berliner-unterwelten.de/die-blinden-tunnel- berlins.323.0.html 16

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

2.1.3 Denkmale und Gewerbebauten sowie Gebäude der öffentli- Die Luisenstadt als zweite planmäßige Stadter- chen Infrastruktur. Weitere Ensembles befinden weiterung Berlins im 19. Jahrhundert weist trotz sich am Erkelenzdamm, der Prinzessinnenstraße, ihrer starken Zerstörung durch den Luftangriff der Muskauer Straße sowie der Naunynstraße. vom 3. Februar 1945 eine hohe Denkmaldichte auf. Außer den Denkmalbereichen mit Ensemble- Im Fördergebiet gibt es zwei Gartendenkmale, schutz befinden sich im Untersuchungsgebiet ei- den Ehemaligen Luisenstädtischer Kanal und den ne Reihe herausragender z.T. überbezirklich be- Mariannenplatz. kannter Denkmalbereiche mit geschützten Ge- Der Luisenstädtische Grünzug, der von 1848 bis samtanlagen. 1852 als schiffbarer Verbindungskanal zwischen Hierzu zählt u.a. die Gesamtanlage des ehemali- Spree und Landwehrkanal entstand und ab 1926 gen Diakonissenkrankenhauses Bethanien mit bis 1932 in eine Grünanlage verwandelt wurde, Kapelle und Wohnhäusern, dem Feierabendhaus, bildet die Hauptachse des Gebiets. Gemeinsam dem Martha-Maria-Heim und den Seminar- und mit dem in paralleler Linie angelegten Marian- Wohngebäuden in der Adalbertstraße, nenplatz strukturiert und prägt er die stadträum- Bethaniendamm und Waldemarstraße. Ein weite- liche Gestalt des Gebiets. rerer Standort sind die Gebäude der ehemaligen Gasanstalt in der Gitschiner Straße 48, welche den Kindernotdienst und das Haus des Sports be- herbergen.

Abb. 11: Grünzug Luisenstädtischer Kanal mit Waldemarbrü- cke

Die historische Wohnbebauung entlang der Stra- ßen und Plätze erfolgte im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts. Obwohl die meisten Blöcke in ihrer ursprünglichen Bebauung nicht mehr intakt sind und nach dem 2. Weltkrieg ergänzt wurden, existiert entlang der Oranienstraße – ausgehend von der westlichen Seite des Oranienplatzes bis zur östlichen Flanke des Heinrichplatzes und der

Adalbertstraße, zwischen Oranienstraße und Abb. 12: Volkshochschule in der Wassertorstraße nördlich der Waldemarstraße ein großflächiger zusammenhängender Denkmalbereich mit ver- schiedenen Ensembles aus historischen Wohn-

17

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Die historische Hochbahnanlage (ehemalige Weitere wichtige Baudenkmale im Gebiet sind Stammbahn) entlang der Skalitzer Straße / unter anderem die St.-Thomas-Kirche als nördli- Gitschiner Straße, welche zwischen Oberbaum- cher Abschluss des Mariannenplatzes, das Ge- brücke und Dennewitzstraße verläuft, kreuzt das bäude und Gelände der Nürtingen-Grundschule Gebiet in Ost-West-Richtung. Diese geschützte oder das Gebäude der Volkshochschule Kreuz- und prägnante Gesamtanlage bildet jedoch auch berg in der Wassertorstraße 4.19 eine räumliche Barriere zwischen den nördlich (siehe dazu Karte „Denkmale“ im Anhang) und südlich angrenzenden Blöcken und Freiflä- chenstrukturen. Besonders deutlich wird dies auf Höhe des Luisenstädtschen Grünzugs, dessen Wirkung als zusammenhängende Grünverbin- dung über die Skalitzer Straße hinaus nur schwer erlebbar ist.

Abb. 13: Künstlerhaus Bethanien und Mariannenplatz

19 vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Denkmalkarte Berlin, http://fbinter.stadt-berlin.de/fb/index.jsp 18

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

2.1.4 Grün- und Freiflächenstruktur Eingeschränkt wird die vernetzende Wirkung je- Die Luisenstadt Kreuzberg ist gekennzeichnet doch durch den fehlenden Anschluss bzw. die durch eine markante Platz- und Freiraumstruktur, Fortführung am Spreeufer und die Unterbre- welche mit dem orthogonalen und sternförmigen chung des Grünzugs am Wassertorplatz durch Straßenraster auf ein attraktives Grundgerüst den eingezäunten Verkehrsübungsplatz und die aufbaut. Insbesondere die beiden denkmalge- Skalitzer Straße. Im Bereich Segitzdamm, schützten Grünachsen Ehemaliger Luisenstädti- Erkelenzdamm, Wassertorplatz und südlich der scher Kanal und Mariannenplatz geben der Lui- Böcklerstraße besteht umfangreicher Gestal- senstadt Kreuzberg die besondere räumliche tungs- und Pflegebedarf. Gleichsam bedarf es ei- Gliederung des Untersuchungsgebiets. Identitäts- ner Qualifizierung der Wegeführung und des stiftende Plätze für das Gebiet sind der Radwegeangebots im Abschnitt Böcklerstraße Oranienplatz in der Mitte des Ehm. Luisenstädti- und Uferbereich des Landwehrkanals. schen Kanals sowie der kleinere Heinrichplatz und die Naunynstraße mit Platzerweiterung. Die beiden Letztgenannten liegen dabei beide an den sternförmig abgehenden Straßen des Oranienplatzes.

Abb. 15: Luisenstädtischer Grünzug mit Uferbereich am Landwehrkanal

Zur Schaffung neuer Frei- bzw. Grünräume wur- den dichte gründerzeitliche Blockstrukturen, die nicht den zeitgemäßen Anforderungen nach Abb. 14: Oranienplatz in Richtung Dresdener Straße nach Südosten Licht, Luft, Sonne und Grün entsprechen, im Inne- ren entkernt. Weitere öffentliche Frei- bzw. Spiel- Zwar weist das Untersuchungsgebiet eine sehr flächen im Gebiet konnten durch die Öffnung der hohe Baudichte und eine eher geringe Freiflä- Hortfreiflächen und Schulhöfe der beiden Ganz- chenversorgung auf, mit dem Mariannenplatz tagsschulen Nürtingen-GS und E.O.-Plauen-GS für und dem Grünzug Ehemaliger Luisenstädtischer die Bevölkerung außerhalb der schulischen Nut- Kanal verfügt es aber über zwei große lineare zung angeboten werden. Freiraumbereiche, die für das Gebiet städtebau- lich prägend und historisch wertvoll sind. Diese (siehe dazu Karte „Standorte der sozialen und beiden Gartendenkmäler bilden neben der Ge- kulturellen Infrastruktur und Grün-/ Freiflächen- samtanlage des Bethaniens den Schwerpunkt des struktur“ im Anhang) Städtebaulichen Denkmalschutzes in der Freiflä- chengestaltung. Insbesondere der Grünzug Ehemaliger Luisen- städtischer Kanal bietet eine freiräumliche Ver- bindung von Spree und Landwehrkanal, welche die quantitativen Defizite teilweise kompensiert.

19

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Spielplätze Im Bereich Luisenstädtischer Grünzug ist neben Die Spielplatzsituation im Gebiet ist aufgrund der einer Instandsetzung und Modernisierung auch baulichen Dichte eher schlecht. Betrachtet man die Standortverlagerung der Spielfläche am südli- die Spielplatzfläche (Netto) je Einwohner (Ge- chen Wassertorplatz innerhalb der Anlage gemäß samt) bezogen auf die einzelnen Planungsräume den Bedarfen der Zielgruppen empfehlenswert. bei einem Richtwert von 1m² pro Einwohner, lässt sich das Untersuchungsgebiet flächenmäßig (siehe dazu Tabelle „Spielplätze“ und Karte in etwa gleichrangig in die drei Versorgungsstu- „Standorte der sozialen und kulturellen Infra- fen 1-3 einteilen, die dabei ein West-Ost-Gefälle struktur und Grün-/ Freiflächenstruktur“ im An- bilden. Dabei bildet Stufe 1 mit weniger als 0,1 hang) Spielplatzfläche je Einwohner die schlechteste Stufe. Diese ist im Osten des Untersuchungsge- 2.1.5 Funktions- und Nutzungsstruktur biets sowie rund um den Nördlichen Wassertor- Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Lui- platz vorhanden. Stufe 2 mit einem Wert von 0,1 senstadt eine der unmittelbar vor der Stadt Berlin bis unter 0,25 Spielplatzfläche je Einwohner liegt gelegenen, ländlichen Vorstädte, die erst nach mittig im Gebiet entlang der Blöcke am Marian- 1808 zum Gemeindeverband zählte. Landwirt- nenplatz, Stufe 3 mit Werten zwischen 0,25 bis schaftliche Flächen und nur einzelne Bauten 0,4 gliedert den Westen des Untersuchungsge- prägten das Bild. Vor allem Gärtnereien, Felder, biets.20 Äcker und Obstanbauflächen waren hier angesie- Insgesamt sind 17 Spielplätze und zwei Bolzplätze delt. Große Teile der Flächen lagen jedoch brach, im Untersuchungsgebiet vorhanden, die sich in da der Boden von der nahegelegenen Spree über- Nord-Süd-Richtung im Grünzug Luisenstädtischer feuchtet war. Kanal sowie auf einzelne Standorte in der Adal- Mit der weiteren industriellen Entwicklung Ber- bertstraße, Wrangelstraße, Mariannenstraße, lins im 19. Jahrhundert entstand zunehmend der Naunynstraße sowie in der Grünanlage des Bedarf an Bauflächen sowohl für Industrie und Bethaniens verteilen. Jedoch gibt es an einigen Gewerbe als auch für den Wohnungsbau. Das Standorten einen hohen Optimierungs- und damalige Köpenicker Feld bot aufgrund seiner Instandsetzungsbedarf. Lage an der Spree hervorragende Bedingungen

für den Transport von Rohstoffen und Baumate- rialien sowie für die Entnahme von Brauchwas- ser. Zudem waren hier billige und häufig gut qua- lifizierte Arbeiter und Handwerker anzutreffen, die nach Berlin gekommen waren, um Arbeit zu finden. Bereits 1835 war die Zahl der in der Lui- senstadt ansässigen Gewerbetreibenden höher als die der Ackerbürger. Waren es anfangs Be- triebe aus der Textil- und Bekleidungsindustrie, so siedelten sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhun-

Abb. 16: Spielplatz Südlicher Wassertorplatz im Luisenstädti- derts in der Luisenstadt Metall verarbeitende und schen Grünzug, Maschinenfabriken sowie Druckereien und Pa- pierfabriken an. Für die wachsende Arbeiterzahl 20 vgl. Karte Spielplatzversorgung- öffentlich, senatsverwal- wurden in der Nähe der Fabriken Wohnungen tung für Stadtentwicklung, http://fbinter.stadt- berlin.de/fb/gisbroker.do; gebaut, da noch kein preiswerter öffentlicher jsessionid=586DE28E04110474831923030A1E9D18?cmd=m Nahverkehr etabliert war. Von Ende des 19. Jahr- ap_start hunderts bis Anfang 20. Jahrhundert entstanden

in der Luisenstadt über das ganze Territorium

20

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 verteilt eine Vielzahl mehrgeschossiger Gewer- behöfe. Zu den größeren,21 in der Luisenstadt Kreuzberg gelegenen und heute noch gewerblich von In- dustrie-und Handwerksbetrieben, aber auch als Büros genutzten, zählen: Engelbeckenhof, Erkelenzdamm 13, erbaut 1903/1904

Backsteínfabrik ,Waldemarstr. 33 A, 37 A, erbaut 1895

Oranienhof, Oranienstraße 183, erbaut 1906/1907

Industriehof, Oranienstraße 6, erbaut 1897/ Umbau 1929, Wiege der Computer- technologie (Konrad Zuse)

Wikinghof, Erkelenzdamm 11-13, erbaut 1899 Allen diesen Gewerbehöfen ist gemeinsam, dass Abb. 17: Straßenszene am Heinrichplatz sich an der Straße ein Wohnhaus mit großer Tor- durchfahrt und zumeist darüber stehendem Na- Die Luisenstadt Kreuzberg ist Wohn-und Arbeits- men des Hofes befindet. Die in der Regel 5- ort, Einkaufsgegend, Kulturmagnet und Reiseziel. geschossigen Gewerbebauten gruppieren sich in Sie ist ein Stadtteil mit gewachsener, lebendiger der Grundstückstiefe um 2-3 Höfe herum. Auf- Urbanität, die den Ansprüchen unterschiedlichs- grund ihres baugeschichtlichen Wertes und ihrer ten Gruppen gerecht wird. architektonischen Qualität stehen die Gewerbe- höfe unter Denkmalschutz. Die enge räumliche Nachbarschaft von Wohnen 2.1.6 Straßenraum, Verkehr und Mobili- und Arbeiten, bekannt als ‚Kreuzberger Mi- tät schung‘, ist heute noch in der Luisenstadt anzu- Straßennetz treffen, wobei sich die Gewerbestruktur im Laufe Das heutige Straßennetz entspricht im Wesentli- der Zeit erheblich gewandelt hat. Problemati- chen dem historischen Straßennetz vor dem 2. scher Nebeneffekt der kleinteiligen Nutzungsmi- Weltkrieg. Die Bedeutung einiger Straßen hat sich schung ist eine punktuelle nachbarschaftliche Be- jedoch im Laufe der Zeit gewandelt oder ist gar einträchtigung der Wohnnutzungen durch ge- verloren gegangen. werbliche Emissionen, insbesondere Lärm. Dennoch ist festzustellen, dass weniger die Zäsur Die Luisenstadt Kreuzberg gehört zum imageprä- durch den Mauerbau, als vielmehr die städtebau- genden Stadtteil Kreuzbergs. Hochbahn, 'Kotti', lichen Leitbilder der Nachkriegszeit die heute be- die Oranienstraße mit einer Vielzahl unterschied- stehenden Brüche im Straßengefüge verursacht lichster Ladengeschäfte sowie kulturellen ‚Institu- haben. Mit dem Bau von Zeilen, Großblöcken und tionen‘ und das Künstlerhaus Bethanien sind weit Punkthochhäusern waren stets auch deutliche über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Veränderungen im Straßennetz verbunden.

21 vgl. http://berliner-hoefe.de/

21

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Die in Ostwestrichtung führende Oranienstraße entlang der südlichen Begrenzung des Förderge- ist nach wie vor eine Hauptverkehrsstraße, auf biets. An der Station Kottbusser Tor kreuzt sie der täglich 25.000 KfZ fahren. Die Skalitzer Stra- sich mit der in Nordsüdrichtung führenden Linie ße, an der Südgrenze des Gebiets verlaufend, ist U8. eine Hauptverkehrsstraße der Stufe II (B 179) mit einer Verkehrsbelastung von 50.00 Fahrzeugen/ Tag. Einen Bedeutungsverlust haben hingegen die frü- heren Hauptstraßen Dresdener Straße und Wal- demarstraße (damals Buckower Straße) erlitten. Die Dresdener Straße als Verbindung vom Dres- dener Schloss zum Berliner Stadtschloss wurde infolge des Mauerbaus sowie durch die, die histo- rische Stadtstruktur ignorierende Nachkriegsbe- Abb. 19: Skalitzer Straße mit Hochbahn am Wassertorplatz bauung unterbrochen. Sie bildete eine wichtige Über die U-Bahnlinien ist das Gebiet direkt an Verbindung zwischen dem Lausitzer Platz und dem früheren Görlitzer Bahnhof (heute Görlitzer den Ku‘damm und den angebun- den. Die Metrobuslinie M29 und die Buslinie 140 Park); eine Straßenbahnlinie verband den Bahn- ergänzen das Netz des ÖPNV im Gebiet. Somit hof über die Buckower Straße (heute Waldemar- straße) mit dem Stadtzentrum. sind Ostbahnhof, Hermannplatz und Tempelhof schnell zu erreichen. Der Stellenwert des Öffent-

lichen Nahverkehrs ist hoch, denn die Kreuzber- ger Bevölkerung legt mehr als ein Viertel ihrer Wege mit Bus und U-Bahn zurück.

(siehe dazu Karte „Verkehr“ im Anhang)

MIV – Motorisierter Individualverkehr Kreuzberg gehört zu den Berliner Ortsteilen mit dem geringsten Motorisierungsgrad. Lediglich 16 % der Wege, die die Kreuzberger zurücklegen, Abb. 18: Dresdener Straße, Höhe Alfred-Döblin-Platz werden mit dem Auto gefahren. Auf 1.000 Ein- wohner kommen max. 200 PKW – der Berliner Nach Einschätzung von Bürgern der Luisenstadt Durchschnitt liegt bei 324 PkW/ 1.000 EW. werden die Adalbertstraße sowie die Achse Doch nicht nur in Bezug auf eine geringere Anzahl Legiendamm / Leuschnerdamm, Engeldamm / privater PKW scheint Kreuzberg ein Vorreiter zu Bethaniendamm häufig durch überörtlichen sein. Sehr deutlich ist die Konzentration von Car- Durchgangsverkehr genutzt. Vor diesem Hinter- Sharing Mobilstationen im Bereich um das grund werden die Schaffung von Einbahnstraßen Kottbusser Tor, die auch Ausdruck eines zeitge- sowie die Umsetzung von verkehrsberuhigenden mäßen umweltbewussten Mobilitätsverhaltens Maßnahmen gewünscht. sind. Wie Kreuzberg, so ist auch die Luisenstadt in Tei- ÖPNV-Anbindung len stark vom Autoverkehr belastet, dessen Ursa- Das Gebiet Luisenstadt Kreuzberg ist sehr gut chen im Durchgangsverkehr und im Zielverkehr durch den ÖPNV erschlossen. Die in Ostwestrich- liegen. tung verlaufende U-Bahnlinie U1 mit den Statio- nen Görlitzer Bahnhof und Kottbusser Tor führt

22

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Insbesondere die Skalitzer Straße als Teil des ‚In- Ein wichtiger Aspekt der Fußgängerführung, ge- neren Rings‘, aber auch die Oranienstraße sind rade in einem Ortsteil, in dem weit mehr als die stark befahrene Ost-West-Verbindungen. Hälfte der Wege nicht motorisiert zurückgelegt werden, ist die sichere Überquerbarkeit der Stra- ßen, insbesondere der Hauptverkehrsstraßen im Zuge der Hauptwege sowie im Einzugsbereich von Schulen. Aus Gründen der Schulwegsiche- rung wurden in den vergangenen Jahren im Orts- teil Kreuzberg bereits mehrere Fußgängerüber- wege als Zebrastreifen, Mittelinseln oder Geh- wegvorstreckungen installiert. Dennoch hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg neben Spandau die zahlenmäßig geringste Ausstattung mit fuß- wegsichernden Anlagen. Abb. 20: Oranienstraße am Oranienplatz Richtung Westen

Weitere Verbesserungen für Überquerungen sind

neben den genannten im Zuge des ELK an der Ruhender Verkehr Muskauer Straße östlich des Mariannenplatzes Erhebungen zum Stellplatzangebot in der Kreuz- sowie an den Straßen Legiendamm und Leu- berger Luisenstadt liegen nicht vor. Jedoch schnerdamm zum Engelbecken notwendig, da kommt es vor allem in Bereichen mit histori- hier eine verhältnismäßig hohe Verkehrsbelas- schem Straßenquerschnitt, wie in der 22,23 tung durch Kfz gegeben ist. Oranienstraße, öfter zu Konflikten zwischen den unterschiedlichen Verkehrsarten, speziell in Be- zug auf das Parken in der 2. Reihe infolge des Lie- fer- und Zielverkehrs. Eine Parkraumbewirtschaf- tungszone besteht in der Luisenstadt nicht.

Radwege Ein Radverkehrsnetz besteht im INSEK-Gebiet nicht. Lediglich am südlichen Rand, Skalitzer Stra- ße bis Kottbusser Tor, und am nördlichen Bethaniendamm sind Fahrradwege angelegt. Gemessen am Mobilitätsverhalten der Kreuzber- ger Einwohner, die 25 % ihrer Wege per Rad er- ledigen und damit Spitzenreiter in der Stadt sind, Abb. 21: Fußweg entlang Erkelenzdamm auf Höhe Reichen- besteht erheblicher Ergänzungsbedarf. bergerstraße

Fußwege Die Benutzbarkeit der Straßenräume im Pla- nungsgebiet ist für Fußgänger grundsätzlich ge- währleistet. In Bereichen, in denen Fahrbahn- mängel vorliegen, sind häufig auch die Gehweg- bereiche instandsetzungsbedürftig. An den Hauptverkehrsstraßen Skalitzer Straße 22 vgl. SenStadt VII A3, Mobilität in Städten-SrV 2008. Berlin und Oranienstraße beeinträchtigt der starke Kfz- 23 Bezirke, Berlin 2011 Verkehr die Aufenthaltsqualität für Fußgänger. 23vgl. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr 23

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

2.2 Sozialräume

2.2.1 Lebensweltlich orientierte Räume Da sich die Grenzen der Fördergebiete des Pro- gramms Städtebaulicher Denkmalschutz an den Der im nächsten Kapitel folgenden Betrachtung jeweiligen städtebaulichen Gegebenheiten vor der demografischen und sozialen Entwicklung der Ort orientieren, werden die Bezugsebenen der Luisenstadt Kreuzberg liegen unterschiedliche LOR häufig separiert. Der im Ortsteil Kreuzberg Bezugsgrößen zugrunde. Auf das Fördergebiet gelegene Teilbereich des Fördergebiets Luisens- abgestimmte Daten sind lediglich für die Einwoh- tadt deckt sich überwiegend mit dem Planungs- nerzahl und die Alters- und Geschlechtsstruktur raum Oranienplatz. Die östliche Grenze des Ge- vorhanden. Aus diesem Grund wird in den über- biets durchschneidet den Planungsraum Lausitzer wiegenden Fällen auf Daten des aktuellen Platz entlang der Manteuffelstraße und die west- Monitorings Soziale Stadtentwicklung zurückge- liche Grenze den Planungsraum Moritzplatz ent- griffen. Diese liegen auf Ebene der „Lebenswelt- lang der Blöcke westlich des Grünzugs Ehemaliger lich orientierten Räume“ (LOR) vor, mit deren Ein- Luisenstädtischer Kanal. Darüber hinaus liegt der führung im Jahr 2006 eine neue Grundlage für südliche Abschnitt des Grünzugs zwischen sozialräumliche Beobachtungen, Prognosen und Skalitzer Straße und Landwehrkanal im Planungs- Planungen der demografischen und sozialen Ent- raum Wassertorplatz. wicklung Berlins geschaffen wurde.

Südliche Friedrichstadt (020101) Nördliche Luisenstadt (020303)

Abb. 22: Bezirksregionen (BZR) I und III mit Untersuchungs- gebiet

Mehringplatz Askanischer (02010102) Platz (02010101) Oranienplatz Lausitzer Platz Moritzplatz (02030301) (02030302) (02010103)

Wassertorplatz (02010104)

Abb. 23: Planungsräume (PLR) mit Untersuchungsgebiet (farblich entsprechend zugehöriger Bezirksregionen)

24

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Als Bezugsgröße auf übergeordneter Ebene dient Mit einem erwarteten Zuwachs von 4,1 % zählt insbesondere die Bezirksregion Nördliche Lui- Friedrichshain-Kreuzberg zu den sechs Bezirken senstadt, in der die Planungsräume Oranienplatz mit steigender Bevölkerungszahl.24 Eine klein- und Lausitzer Platz liegen. Einen wesentlich ge- räumige Analyse der Verteilung liegt nicht vor. ringeren Anteil am Fördergebiet Luisenstadt hat die Bezirksregion Südliche Friedrichstadt mit den Planungsräumen Moritzplatz und Wassertorplatz. Die Planungsräume Askanischer Platz und Meh- ringplatz weisen keine Überschneidung mit der Luisenstadt Kreuzberg auf.

2.2.2 Demografische und soziale Entwick- lung Während die Anzahl der Einwohner sowohl in der Gesamtstadt, als auch im Bezirk Friedrichs- hain-Kreuzberg in den letzten beiden Jahren leicht angestiegen ist, blieb der Wert in der Lui- senstadt Kreuzberg nahezu unverändert.

Tabelle 1: Einwohnerentwicklung

Einwohner Veränderung Veränderung absolut (Basiswert in % (Basiswert Gebiet 31.12.2009 30.06.2011 31.12.2009) 31.12.2009)

Luisenstadt Kreuzberg 16.156 16.135 -21 -0,1

Luisenstadt (gesamt) 20.801 20.839 +38 +0,2

Friedrichshain-Kreuzberg 259.967 262.434 +2.467 +0,9

Berlin 3.369.672 3.404.382 +34.710 +1,0

Daten: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

Mit Stand 30.06.2011 wohnten 16.135 Men- schen in dem in Kreuzberg liegenden Teil des Fördergebiets Luisenstadt.

Die bis zum Jahr 2030 prognostizierte Entwick- lung der Bevölkerungszahl der einzelnen Bezirke weicht deutlich voneinander ab.

24 vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Zusammen- arbeit mit dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Bevöl- kerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2007 – 2030 (Kurzfassung), Berlin 2009, S. 18ff. 25

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Entwicklungsindex In der häufig überspitzten medialen Darstellung Mit dem Monitoring Soziale Stadtentwicklung er- wurde ihnen eine starke räumliche Konzentration folgt eine jährliche Analyse der sozialräumlichen von sozialen Problemlagen zugeschrieben. Bis Entwicklung Berlins. Dabei fungieren unterschied- zum Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2008 25 liche Status- und Dynamikindikatoren , die die fanden diese Annahmen auch statistisch weitest- soziale Lage und den Wandel im Quartier be- gehend Bestätigung: Zehn der vierzehn Kreuzber- schreiben und in einem Entwicklungsindex zu- ger Planungsräume wiesen einen niedrigen (hohe sammengefasst werden, als Frühwarnsystem für Problemdichte) bzw. sehr niedrigen (sehr hohe gebietsbezogene Handlungsbedarfe. Problemdichte) Entwicklungsindex auf.

Tabelle 2: Entwicklungsindex

Entwicklungs- Entwicklungs- Rangplatz Statusindexa Dynamikindexb index (Summe)c index (Gruppe)d (1 – 434)e

MSS MSS MSS MSS MSS MSS MSS MSS MSS MSS

Gebiet 2008 2010 2008 2010 2008 2010 2008 2010 2008 2010

PLR Moritzplatz 96,1 100,0 55,6 72,0 399,4 444,0 4 4 427 434

PLR Wassertorplatz 100,0 98,0 52,5 70,1 404,9 434,3 4 4 429 432

PLR Oranienplatz 93,3 82,0 53,6 47,3 387,0 340,7 4 3 416 383

PLR Lausitzer Platz 75,8 70,0 50,8 69,1 329,1 348,2 3 3 381 391

Daten: Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2008 und 2010

Deutschlandweit galten Kreuzberg und Neukölln Dies hat sich nun geändert. Kreuzberg unterliegt lange als Problembezirke. Aufwertungstendenzen, die sich in einer immer stärkeren internen Differenzierung äußern. Be- 25 Die Statusindikatoren geben Auskunft über verschiedene sonders deutlich wird das im Osten. Positive Ver- Formen der Arbeitslosigkeit und des Transferbezugs, sowie über den Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrati- änderungen sind vor allem auf die Bezirksregio- onshintergrund. Anhand der Dynamikindikatoren wird das nen Nördliche und Südliche Luisenstadt zurückzu- Wanderungsverhalten der Bewohner und die Veränderung führen. Im Gegensatz dazu fällt die Bezirksregion des Anteils der Empfänger von Existenzsicherungsleistungen beleuchtet. Südliche Friedrichstadt im Ranking immer weiter a Werte von 0 (positiv) bis 100 (negativ) möglich zurück. Insgesamt weisen nur noch sieben der b Werte von 0 (positiv) bis 100 (negativ) möglich c Der Entwicklungsindex wird in einem Verhältnis 3:2 von vierzehn Planungsräume einen niedrigen bzw. Status- und Dynamikindex als Summe berechnet. Daraus sehr niedrigen Entwicklungsindex auf. ergeben sich mögliche Werte von 0 (positiv) bis 500 (nega- Aktuell ist demnach von einem Süd-Nord-Gefälle tiv). d Anhand der ermittelten Rangfolge beim Entwicklungsindex mit positiven Entwicklungstendenzen im Osten erfolgt eine Zuordnung der Planungsräume in Gruppen von und einem immer stärker abgehängten Nordwes- jeweils 10 % (Dezile). Die beiden Dezile mit den niedrigsten Werten werden als „hoch“ (Gruppe 1) eingestuft, die beiden ten auszugehen. mit den höchsten Werten als „niedrig“ (neuntes Dezil = hohe Problemdichte; Gruppe 3) bzw. als „sehr niedrig“ (zehntes Auch die kleinräumige Analyse der Luisenstadt Dezil = sehr hohe Problemdichte; Gruppe 4). 60 % aller Pla- Kreuzberg entspricht diesem Bild. Den beiden in nungsräume weisen einen mittleren Entwicklungsindex auf (Gruppe 2). der Südlichen Friedrichstadt gelegenen Planungs- e Genau genommen existieren 447 Planungsräume, aller- räumen Moritzplatz und Wassertorplatz wird dings werden 13 von ihnen nicht in die jährliche Analyse mit weiterhin eine sehr hohe Problemdichte attes- einbezogen.

26

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 tiert. Im gesamtstädtischen Ranking fallen sie auf der Seniorenanteil liegt noch einmal unter dem den letzten bzw. drittletzten Platz zurück. Dem bezirklichen Schnitt. Besonders auffällig jedoch entgegen steht die Entwicklung der Planungs- ist der mit 18,9 % überdurchschnittlich hohe An- räume in der Nördlichen Luisenstadt, die einen teil an Kindern und Jugendlichen. Das Förderge- Großteil des Fördergebiets ausmachen: Der biet ist demnach ein sehr junges. In ihrem Inte- Oranienplatz gilt als einer der wenigen ‚Aufstei- grierten Stadtteilentwicklungskonzept für den Ak- ger‘ des aktuellen Monitorings Soziale Stadtent- tionsraumplus Kreuzberg – Nordost weisen wicklung26 und der Lausitzer Platz stabilisiert sich Herwarth + Holz dennoch auf das versteckte Alte- in Gruppe 3. Trotz dieser positiven Entwicklungs- rungspotential der Bewohnerschaft hin. Viele der tendenzen im Osten gilt es zu berücksichtigen, insbesondere in Kreuzberg stark vertretenen dass die Problemdichte in den aufsteigenden Pla- ‚Gastarbeiter‘ der zweiten Generation stehen nungsräumen weiterhin als hoch einzuschätzen kurz vor dem Übertritt ins Rentenalter. Da diese ist. immer seltener in ihre Herkunftsländer zurück- kehren, wird das Thema ‚Altersarmut bei Migran- ten‘ zukünftig an Bedeutung gewinnen.27 Sozialstrukturelle Einzelaspekte Darüber hinaus fällt die Geschlechterverteilung Altersstruktur und Geschlecht auf: Lediglich 47,9 % der Einwohner der Luisens- Der Altersstruktur einer Großstadt entsprechend tadt Kreuzberg sind weiblich. Dieser verhältnis- überwiegen in Berlin die mittleren Altersgruppen mäßig niedrige Wert (Berlin: 51,1 %) ist vermut- deutlich. lich auf das junge Durchschnittsalter des Förder- gebiets zurückzuführen.28 Tabelle 3: Altersstruktur

Kinder und Ju- Erwachsene von Kinder unter 6 gendliche von 6 – Erwachsene von 65 und mehr Jah- Jahren in % der 18 Jahren in % der 18 – 65 Jahren in ren in % der Ein- Gebiet Einwohner Einwohner % der Einwohner wohner

Fördergebiet Luisenstadt Kreuzberg 6,3 12,6 72,3 8,7

Fördergebiet Luisenstadt (Mit- te und Kreuzberg) 6,1 11,4 73,5 9,0

Friedrichshain-Kreuzberg 6,2 8,5 75,2 10,1

Berlin 5,4 9,3 66,2 19,0

Daten: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

Gleiches gilt für den Bezirk Friedrichshain- Haushaltsstruktur Kreuzberg, wenn auch noch einmal verstärkt, da Im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten der Seniorenanteil mit 10,1 % weit unter dem ge- weist Berlin zwar keine untypische Haushalts- samtstädtischen Schnitt von 19,0 % liegt. struktur auf, mit seiner überdurchschnittlich star- ken Konzentration auf Ein- und Zweipersonen- Anders die Luisenstadt Kreuzberg. Zwar überwie- Haushalte (84 %) übertrifft es Köln und München gen auch hier die mittleren Altersgruppen und

27 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für 26 vgl. Res urbana GmbH im Auftrag der Senatsverwaltung Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- für Stadtentwicklung Berlin, Monitoring Soziale Stadtent- konzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost, Berlin wicklung 2010. Fortschreibung für den Zeitraum 2008 – 2010, S. 30f. 2009, Berlin 2010, S. 22f. 28 Daten: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 27

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

(jeweils 78 %) und auch Hamburg (81 %) jedoch hoch. Das Image des stark multikulturell gepräg- noch einmal spürbar.29 ten Stadtteils findet statistisch Bestätigung. Dieser Tendenz entsprechend überwiegen auch Entgegen früherer Verteilungen ist der in den Bezirksregionen Kreuzbergs die Ein- und Migrantenanteil aktuell in der Südlichen Fried- Zweipersonen-Haushalte. Einzig die Südliche richstadt am höchsten und damit höher als in den Friedrichstadt macht eine Ausnahme, da hier die Bezirksregionen im Süden und im Osten Kreuz- Zahl an Familien besonders hoch ist. Auch wenn bergs. Die für die Luisenstadt Kreuzberg relevan- die Ein- und Zweipersonen-Haushalte überwie- testen Planungsräume Oranienplatz und Lausitzer gen, kann davon ausgegangen werden, dass der Platz weisen dabei unterschiedliche Tendenzen Familienanteil in allen Bezirksregionen über dem auf. Während der Anteil der Migranten mit 63,8 innerstädtischen Schnitt liegt. Das ist zurückzu- % und vor allem der Anteil der Ausländer mit 40,6 führen auf die hohe Zahl an Familien mit Migrati- % im Planungsraum Oranienplatz besonders hoch onshintergrund, bei denen das klassische Fami- ist, ist der Planungsraum Lausitzer Platz mit 53,1 lienmodell mit knapp 90 % noch deutlich stärker % bzw. 33,6 % mit vergleichsweise niedrigen vertreten ist als in deutschen Haushalten. Die be- Werten ausgestattet. sondere Belastungssituation alleinerziehender Besonders deutlich wird die multikulturelle Prä- Eltern trifft demnach vor allem deutsche Fami- gung Kreuzbergs, wenn man sich den Anteil der lien, von denen lediglich rund 60 % mit zwei El- Migranten unter 6 Jahren anschaut: Die Werte ternteilen in einem Haushalt leben.30 der einzelnen Planungsräume erreichen bisweilen Auch bei der Haushaltsgröße, die sich im Erhal- knapp 90 %. Jedoch ist auch hier auf die interne tungsgebiet (nach § 172) Luisenstadt (SO 36) seit Differenzierung zu achten. Während die Pla- 1998 kaum verändert hat, ist zwischen deutschen nungsräume der Südlichen Friedrichstadt die und ausländischen Haushalten zu unterscheiden: höchsten Werte aufweisen, liegen die Planungs- Deutsche Haushalte weisen im Schnitt lediglich räume Oranienplatz und Lausitzer Platz bei Wer- 1,7 Personen, ausländische Haushalte hingegen ten von knapp unter bzw. knapp über 70 %. 3,0 Personen auf.31 In ihrer Sozialuntersuchung zum Erhaltungsgebiet Staatsangehörigkeit Luisenstadt machen TOPOS für die Jahre 1995 bis Der Anteil der Menschen mit Migrationshinter- 2007 eine deutliche Zunahme der deutschen Be- grund32 ist in Kreuzberg überdurchschnittlich völkerung um 8,8 % aus, die sie u.a. auf den er- heblichen Umfang an Einbürgerungen zurückfüh- 33 ren. Interessanterweise schlägt sich diese Ten- 29 vgl. Investitionsbank Berlin, IBB Wohnungsmarktbericht denz im Planungsraum Oranienplatz anscheinend 2010, Berlin 2011, S. 19 nicht ganz so stark nieder, was am vergleichswei- 30 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- se hohen Ausländeranteil abzulesen ist. In der konzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost, Ber- Luisenstadt Kreuzberg liegt der Anteil der Aus- lin 2010, S. 31 31 vgl. TOPOS im Auftrag des Bezirksamt Friedrichshain- länder bei 37,0 % und damit über dem Wert des Kreuzberg von Berlin, Sozialstruktur und Mietentwicklung im gesamten Fördergebiets (33,6 %).34 Dabei über- Erhaltungsgebiet Luisenstadt (SO 36), Berlin 2008, S. 7 wiegen die türkischen Staatsbürger an der nicht- 32 Nach Definition des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg gelten 1. Ausländerinnen und Ausländer und 2. Deutsche mit deutschen Bevölkerung. Dies gilt in besonderem Migrationshintergrund (d.h. Deutsche mit ausländischem Maße für den Planungsraum Oranienplatz. Geburtsland oder Einbürgerungskennzeichen oder Options- zeichen (im Inland geborene Kinder ausländischer Eltern er- halten seit dem 01.01.2000 unter den in § 4 Abs. 3 Staatsan- son an der Adresse der Eltern/des Elternteils gemeldet ist) gehörigkeitsgesetz (StAG) genannten Voraussetzungen zu- als Menschen mit Migrationshintergrund. nächst die deutsche Staatsangehörigkeit (Optionsregelung)) 33 vgl. TOPOS im Auftrag des Bezirksamt Friedrichshain- und Deutsche unter 18 Jahren ohne eigene Migrations- Kreuzberg von Berlin, Sozialstruktur und Mietentwicklung im merkmale mit ausländischem Geburtsland oder Einbürge- Erhaltungsgebiet Luisenstadt (SO 36), Berlin 2008, S. 7 rungskennzeichen zumindest eines Elternteils, wenn die Per- 34 Daten: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 28

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Tabelle 4: Staatsangehörigkeit

Ausländer unter Migranten unter 6 18 Jahren in % Jahren in % der Ausländer in % der Einwohner Migranten in % der Einwohner unter 6 Gebiet der Einwohner unter 18 Jahren Einwohner Jahren

PLR Moritzplatz 32,5 20,5 63,0 86,3

PLR Wassertorplatz 34,0 20,9 65,7 84,8

PLR Oranienplatz 40,6 22,8 63,8 73,5

PLR Lausitzer Platz 33,6 19,3 53,1 68,5

Friedrichshain-Kreuzberg 21,7 14,9 35,9 52,3

Berlin 13,7 10,4 25,5 43,1

Daten: Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2010

Arbeitslosigkeit und Transferbezug Da der Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost fast Auf Grundlage des Monitorings Soziale Stadtent- den gesamten Altbezirk Kreuzberg umfasst, ist es wicklung 2008 wurden fünf Aktionsräumeplus aus- wenig verwunderlich, dass alle für das Förderge- gewiesen, in denen sich die problematischsten biet Luisenstadt relevanten Planungsräume im Gebiete der Stadt verdichten. Diese Gebiete be- Bereich der Arbeitslosigkeit und beim Transferbe- dürfen einer vorrangigen und integrierten Förde- zug überdurchschnittlich hohe Werte aufweisen. rung. Bei ihrer Identifikation spielen insbesonde- Auffällig ist dabei die kleinräumige Verteilung. re Daten zur Arbeitslosigkeit und zum Transfer- Sowohl der Anteil der Arbeitslosen im Alter von bezug eine wichtige Rolle. 15 bis 65 Jahren, als auch der Anteil der Arbeits- losen im Alter von 15 bis 25 Jahren steigt von Os- ten (Lausitzer Platz: 12,8 % bzw. 8,0 %) nach Wes-

ten (Moritzplatz: 18,6 % bzw. 12,2 %) sukzessive Tabelle 5: Arbeitslosigkeit und Transferbezug an. Diese Verteilung entspricht dem eingangs be-

Nicht- erwerbsfähige Arbeitslose un- Empfänger von Arbeitslose ter 25 Jahren Nicht-arbeitslose Existenzsicherungs- (SGB II und III) (SGB II und III) in Empfänger von leistungen unter 15 in % der Ein- % der Einwohner Existenzsicherungs- Jahren in % der wohner von 15 von 15 – 25 Jah- leistungen in % der Einwohner unter Gebiet – 65 Jahren ren Einwohner1 15 Jahren

PLR Moritzplatz 18,6 12,2 36,8 78,1

PLR Wassertorplatz 16,6 12,4 40,3 79,9

PLR Oranienplatz 14,4 10,1 31,6 69,6

PLR Lausitzer Platz 12,8 8,0 26,2 58,8

Friedrichshain-Kreuzberg 10,9 6,7 18,7 49,2

Berlin 9,9 6,0 13,8 37,4

Daten: Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2010

29

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 schriebenen Süd-Nord-Gefälle mit positiven Ent- Wanderungsverhalten und Veränderungen beim wicklungstendenzen im Osten und einem immer Transferbezug stärker abgehängten Nordwesten. Der Planungs- Im Gegensatz zu Berlins leicht positivem Wande- raum Oranienplatz liegt dabei jeweils gut vier rungssaldo, liegt der Wert im Bezirk Friedrichs- Prozentpunkte über dem gesamtstädtischen hain-Kreuzberg bei -1,2. Einen ganz ähnlichen Schnitt. Wert weist der Planungsraum Lausitzer Platz auf, im Planungsraum Oranienplatz hingegen ziehen Gleiches gilt für die Verteilung der nicht- per Saldo noch einmal mehr Menschen fort als arbeitslosen und der unter 15 Jährigen nicht- zu. erwerbsfähigen Empfänger von Existenzsiche- Besonders stark diskutiert wird das Wanderungs- rungsleistungen. Besonders auffallend sind die saldo von Kindern unter 6 Jahren. Anhand dieser teilweise extrem hohen Werte beim Indikator für Größe lässt sich nachweisen, dass der Wegzug Kinderarmut. Die Planungsräume der Südlichen von Familien aus der Innenstadt weiterhin hoch Friedrichstadt liegen mit knapp 80 % weit über ist (Innenstadt: -3,2; Außenstadt: 2,0).35 den 37,4 % Berlins. Zwar schneiden die Planungs- Für den Wegzug gibt es unterschiedliche Gründe. räume Oranienplatz und Lausitzer Platz besser Im Fördergebiet Luisenstadt Kreuzberg ist davon ab, dennoch liegen auch ihre Werte mit 69,6 % auszugehen, dass um das Ausbildungsniveau ih- bzw. 58,8 % deutlich über dem Berliner Schnitt. rer Kinder besorgte Eltern vor deren Einschulung abwandern.

Tabelle 6: Wanderungsverhalten und Verände- rungen beim Transferbezug

Wanderungssaldo Veränderung des Anteils der Veränderung des Anteils der von Kindern un- deutschen Empfänger von ausländischen Empfänger Wanderungssaldo ter 6 Jahren in % Existenzsicherungsleistungen von Existenzsicherungsleis- in % der Einwoh- der Einwohner gegenüber dem Vorjahr in tungen gegenüber dem Vor- Gebiet ner unter 6 Jahren %-Punkten jahr in %-Punkten

PLR Moritz- platz -0,6 -1,1 0,3 3,4

PLR Wasser- torplatz -3,6 -0,2 -0,6 2,8

PLR Oranienplatz -2,2 -2,6 -3,0 1,0

PLR Lausitzer Platz -1,3 -5,5 -0,4 0,7

Friedrichshain- Kreuzberg -1,2 -4,3 -0,2 2,4

Berlin 0,3 -0,1 -0,1 1,3

Daten: Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2010

35 vgl. Res urbana GmbH im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Monitoring Soziale Stadtent- wicklung 2010. Fortschreibung für den Zeitraum 2008 – 2009, Berlin 2010, S. 15 30

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Aufgrund der nicht-deutschen Sprachherkunft 2.2.3 Wohnen vieler Kreuzberger Kinder ist die Schulsituation häufig als problematisch einzuschätzen.36 Das von Wohnungsangebot und -leerstand Westen nach Osten ansteigende Saldo erklärt Am 31.12.2009 wurden im Ortsteil Kreuzberg sich über die höhere Immobilität von einkom- 75.887 Wohneinheiten registriert. Im gesamten mensschwachen Familien. Bezirk sind im Zeitraum 2008 und 2009 lediglich Bei den Veränderungen des Anteils der deut- 270 Wohneinheiten neu gebaut worden. Der schen Empfänger von Existenzsicherungsleistun- Trend einer sehr geringen Wohnungsbautätigkeit gen sticht vor allem das gute Abschneiden des hat sich somit fortgesetzt. Bei einer durchschnitt- Planungsraums Oranienplatz ins Auge. Sowohl im lichen Wohnungsgröße von 66,3 m² liegt Fried- Vergleich zu den ihn umgebenden Planungsräu- richshain-Kreuzberg mit einem Wohnflächenver- men als auch im gesamtstädtischen Vergleich fällt brauch pro Kopf von 36,0 m² vor Lichtenberg auf der Rückgang mit drei Prozentpunkten über- dem vorletzten Rang aller Berliner Bezirke.37 Eine durchschnittlich hoch aus. Ähnlich gut lesen sich kleinräumige Analyse des Wohnungsangebots ist die Veränderungen des Anteils der ausländischen mit den vorliegenden Daten nicht möglich. Empfänger von Existenzsicherungsleistungen. Zwar ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung Die Leerstandsquoten der Luisenstadt Kreuzberg von einem Prozentpunkt zu verzeichnen, aller- bewegen sich auf unauffälligem Niveau. Zwischen dings liegt dieser Wert sowohl unter dem bezirk- 2,8 % und 5,0 % schwankend liegen sie in einem lichen, als auch unter dem gesamtstädtischen marktüblichen und wohnungswirtschaftlich ver- Wert. Somit unterstreichen auch diese beiden In- träglichen Bereich. dikatoren die Aufwärtsentwicklung der Bezirksre- gion Nördliche Luisenstadt und die immer stärke- Auffällig sind die kleinräumigen Differenzen: re Abwärtstendenz der Südlichen Friedrichstadt.

Tabelle 7: Wohnungsleerstand

Veränderung Wohnungsleerstand in % in %-Punkten (Basiswert Gebiet 01.07.2007 01.07.2008 01.07.2007)

PLR Moritzplatz 2,9 2,8 -0,1

PLR Wassertorplatz 2,3 2,9 0,6

PLR Oranienplatz 4,8 4,2 -0,6

PLR Lausitzer Platz 4,9 5,0 0,1

Daten: Integriertes Stadtteilentwicklungskonzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost

Die in Bezug auf den Entwicklungsindex immer weiter abgehängten Planungsräume Moritzplatz und Wassertorplatz weisen insbesondere im Ver- gleich zu den besser abschneidenden Planungs- 36 vgl. Quartiersmanagement Mariannenplatz, Handlungs- konzept 2011, Berlin 2010, S. 5; Quartiersmanagement Zent- räumen Oranienplatz und Lausitzer Platz einen rum Kreuzberg/Oranienstraße, Integriertes Handlungs- und relativ geringen Wohnungsleerstand auf. Entwicklungskonzept 2011, Berlin 2010, S. 5; TOPOS im Auf- trag des Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, So- zialstruktur und Mietentwicklung im Erhaltungsgebiet Lui- 37 vgl. Investitionsbank Berlin, IBB Wohnungsmarktbericht senstadt (SO 36), Berlin 2008, S. 59 2010, Berlin 2011, S. 76 31

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Für Kreuzberg ist demnach nicht von einer Korre- werden im Bergmann-, im Graefe- und im lation von sozialen Problemkonzentrationen mit Wrangelkiez bezahlt.39 Vermietungsproblemen auszugehen.38 Trotz dieser kleinräumigen Unterschiede und der

vergleichsweise guten Ausgangslage im Förder- Mietenentwicklung gebiet stellt sich die Frage nach den wohnungs- Berlins Mieten steigen. Im Gegensatz zur relativ politischen Folgen der positiven Entwicklungs- entspannten Lage um die Jahrtausendwende ver- tendenzen einzelner Regionen. Nicht nur der zeichnet der Mietwohnungsmarkt in den vergan- spürbare Anstieg der Mieten im Osten Kreuz- genen Jahren merklich höhere Mieten. Gemäß bergs, auch die Neubauaufkommen im Bezirk dem aktuellen Mietspiegel stiegen die Netto- Mitte, nördlich des Oranienplatzes, lösen bei den Kaltmieten allein in den vergangenen zwei Jahren Bewohnern der Luisenstadt Kreuzberg Ängste vor um 7,9 %. Je nach Wohnlage und Baualter sind Verdrängung aus. In diesem Zusammenhang gilt dabei erhebliche Unterschiede auszumachen. Be- es auch auf die im Vergleich zu den Mieten stag- sonders drastisch fallen die Erhöhungen bei Alt- nierenden Haushaltsnettoeinkommen zu achten: bauten in guter Wohnlage aus. Haushalte mit niedrigem Einkommen weisen mit Bis auf eine Ausnahme befinden sich alle Woh- über 40 % eine vergleichsweise hohe Mietbelas- nungen des Fördergebiets Luisenstadt Kreuzberg tung auf.40 Die Schere zwischen Miet- und Ein- in einfacher Wohnlage. Lediglich der nördliche kommensentwicklung darf sich nicht weiter öff- Bereich des Leuschnerdamms nördlich der Wal- nen. demarstraße (Engelbecken) wird als mittlere Um hohen Mietsteigerungen vorzubeugen, wur- Wohnlage kategorisiert. de im Jahr 1995 für große Teile des alten SO 36 Sowohl im Wohnungsmarktbericht der IBB als und somit auch für große Teile des Fördergebiets auch im WohnmarktReport der GSW werden Luisenstadt eine Erhaltungsverordnung gemäß § dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg überdurch- 172 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB (‚Milieuschutz‘) schnittlich hohe Angebotsmieten von im Schnitt erlassen. Die Erhaltung der Zusammensetzung 7,00 EUR/m² (Berlin: 6,17 EUR/m²) attestiert. der Wohnbevölkerung hat dabei oberste Priori- Deutlich unterrepräsentiert sind demzufolge tät. Mit Hilfe dieser Verordnung ist es den Bezir- günstige Wohnungen mit Angebotsmieten von ken möglich, ‚Luxusmodernisierungen‘ zu unter- unter 6 EUR/m². Allerdings gilt es zu berücksichti- binden, die Wohnungen über den ortsüblichen gen, dass Friedrichshain-Kreuzberg ein differen- Standard ausstatten und auf diese Weise erheb- ziertes Bild abgibt: Anders als in anderen Bezirken lich in ihrem Wert steigern. Paradoxerweise kann mit Spitzenmieten weist vor allem der Altbezirk das jedoch auch zur Folge haben, dass Ältere Kreuzberg noch immer größere zusammenhän- oder Menschen mit Behinderung wegziehen gende Gebiete mit unterdurchschnittlichen Mie- müssen, weil der Einbau von Aufzügen im Erhal- ten auf. Dies betrifft die Quartiere Prinzenstraße tungssatzungsgebiet nicht genehmigungsfähig ist. (10969) und Görlitzer Park (10999) und somit auch weite Teile des Fördergebiets Luisenstadt Kreuzberg. Überdurchschnittlich hohe Mieten

38 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für 39 vgl. Investitionsbank Berlin, IBB Wohnungsmarktbericht Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- 2010, Berlin 2011, S. 41ff.; GSW Immobilien AG, CB Richard plus konzept für den Aktionsraum Kreuzberg – Nordost, Berlin Ellis, WohnmarktReport 2011, Berlin 2011, S. 14f. 2010, S. 60 40 vgl. Investitionsbank Berlin, IBB Wohnungsmarktbericht 2010, Berlin 2011, S. 56 32

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Sozialer Wohnungsbau Mariannenplatz Mit dem sozialen Wohnungsbau sollen Menschen (in der Adalbertstraße, Manteuffelstraße, Ma- unterstützt werden, die nicht in der Lage sind, ih- riannenstraße, Muskauer Straße, Naunynstraße ren Bedarf am freien Wohnungsmarkt zu decken. und Waldemarstraße) In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat das Neues Kreuzberger Zentrum Konzept jedoch einen relativ starken Bedeu- (in der Adalbertstraße, Reichenberger Straße und tungsverlust erfahren. Die Anzahl der Sozialwoh- Skalitzer Straße) nungen in Berlin wurde aufgrund auslaufender Bindungen seit dem Jahr 2000 von über 268.000 Wassertorplatz bis 2009 auf 174.000 verringert. Auf diese Weise (in der Böcklerstraße, Segitzdamm und Wasser- reduzierten sich die vormals 14 % des Gesamtbe- torstraße)42 standes auf 9 %.41 (siehe dazu Tabelle „Eigentümerstrukturen“ im

Anhang) Tabelle 8: Sozialer Wohnungsbau

Wohneinheiten in Gebäuden nach Baualter

Gebiet vor 1965 1965 – 1972 1972 – 1983 1984 – 1990 nach 1990 gesamt

BZR Südliche Friedrichstadt 1 920 4.658 1.581 696 7.856

BZR Nördliche Luisenstadt - 49 1.783 112 4 1.948

Friedrichshain-Kreuzberg 23 1.028 8.615 2.520 1.873 14.059

Daten: Integriertes Stadtteilentwicklungskonzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost

In Friedrichshain-Kreuzberg konzentriert sich der Auf diese Weise trifft der ohnehin deutlich er- soziale Wohnungsbau stark auf die Südliche höhte Druck auf den Mietwohnungsmarkt insbe- Friedrichstadt, in der sich über die Hälfte des be- sondere soziale Gruppen mit geringem Einkom- zirklichen Bestandes befindet. men. Bei einem Wegfall des Ausgleichs zwischen Doch auch in der Nördlichen Luisenstadt gibt es Sozial- und Kostenmiete wird es für sie immer einen beachtlichen Bestand, der sich allerdings schwieriger, die marktüblichen Mieten aufzubrin- der gesamtstädtischen Tendenz folgend kontinu- gen. Darüber hinaus weisen Herwarth + Holz in ierlich verkleinert. ihrem Integrierten Stadtteilentwicklungskonzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost auf So wurden beispielsweise durch eine Bekanntma- ein strukturelles immobilienwirtschaftliches Prob- chung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung lem hin: aus dem Jahr 2010 folgende Großsiedlungsgebie- Der soziale Wohnungsbau ist auf dem freien te in der Luisenstadt Kreuzberg von den Bindun- Markt nur selten konkurrenzfähig. Ohne die Be- gen freigestellt: legung über eine subventionierte Sozialmiete drohen bei gleichzeitig fehlenden besser gestell- ten Nachfragegruppen ganze Wohnungsanlagen in eine soziale Schieflage zu geraten.43

42 vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Locke- rung von Belegungsbindungen im Sozialen Wohnungsbau und Verzicht von Ausgleichszahlungen, Bekanntmachung vom 13.01.2010, S. 3 41 vgl. Investitionsbank Berlin, IBB Wohnungsmarktbericht 43 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für 2010, Berlin 2011, S. 47 Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- 33

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Akteure am Wohnungsmarkt Die der Hausbesetzer-Bewegung zugrunde lie- Wohnungsbaugesellschaften sind in Kreuzberg gende kulturelle Prägung wirkt, wenn auch nicht traditionell stark vertreten. In einzelnen Teil- mehr so stark wie zu Hochzeiten in den 1980er räumen fungieren sie sogar als alleinige Eigen- Jahren, bis heute nach. In Kreuzberg werden tümer. Den landeseigenen Gesellschaften noch immer alternative Lebensentwürfe erprobt. kommt dabei die Aufgabe zu, dämpfend auf die Durch die Übertragung der ehemals besetzten Mietentwicklung einzuwirken und breite Häuser im Block 103 an die bewohnergetragene Schichten mit Wohnraum zu versorgen. Im Genossenschaft Luisenstadt eG wurde ein Frei- Rahmen der unlängst veröffentlichten Koaliti- raum für gemeinschaftliches Wohnen erhalten. onsvereinbarung von SPD und CDU wurde be- Das Georg-von-Rauch-Haus ist seit seiner Beset- schlossen, ihre Rolle zukünftig wieder zu stär- zung im Jahr 1971 in weitgehender Selbstverwal- ken und ihre Wohnungsbestände von aktuell tung. Auch heute noch sehen die Bewohner darin rund 270.000 schrittweise auf 300.000 zu er- ein Selbsthilfeprojekt von sozial benachteiligten höhen.44 Folgende landeseigene und private Jugendlichen. Darüber hinaus ist das Bethanien Unternehmen sind in den für das Fördergebiet Heimat einer Wagenburg, dem X-Dorf. Ebenfalls relevanten Planungsräumen als Akteure mit in dieser Tradition befindet sich der Nachbar- größeren Beständen aktiv: schaftsgarten ‚Ton, Steine, Gärten’, der sich ebenfalls auf der Freifläche Bethanien befindet. degewo (in den Planungsräumen Oranienplatz und Lausit- zer Platz, insbesondere in der Waldemarstraße) GEWOBAG (im Planungsraum Moritzplatz, insbesondere Prinzenstraße Ecke Wassertorstraße) WBM (im Planungsraum Moritzplatz)

GSW

(im Planungsraum Wassertorplatz, insbesondere Abb. 24: Gemeinschaftsgarten Ton-Steine-Gärten Böcklerstraße Ecke Gitschiner Straße und in der Admiralstraße, im Planungsraum Oranienplatz, insbesondere am Kottbusser Tor und in der Skalitzer Straße, und im Planungsraum Moritz- platz).45 (siehe dazu Tabelle „Eigentümerstrukturen“ im Anhang)

plus konzept für den Aktionsraum Kreuzberg – Nordost, Berlin Abb. 25: Georg von Rauch- Haus 2010, S. 62 44 vgl. SPD Landesverband Berlin und CDU Landesverband Berlin, Koalitionsvereinbarung, Berlin 2011, S. 30f.

45 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- konzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost, Berlin 2010, S. 63f. 34

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

2.2.4 Soziale und kulturelle Infrastruktur Raum für verschiedene (Sub-)Kulturen und diver- se Underground-Projekte bietet seit mehr als vier Kulturszene Jahrzehnten das SO 36. Nach der Besetzung und Das Untersuchungsgebiet, vornehmlich das ehe- Räumung 1987 und der Wiedereröffnung 1990 malige Gebiet des SO 36 hat sich aufgrund seiner arbeitet hier die kreative Kulturszene jenseits des langjährigen starken, heterogenen, teils alterna- Mainstreams. Das Programmkino Babylon (seit tiven Kulturszene zu einem Szenekiez von über- 1983 Mitglied der Yorck-Kinogruppe) in der Dres- regionaler Bedeutung entwickelt. dener Straße ist als kleines Originalsprachenfilm- Mit dem Kunstraum Bethanien, in dem regelmä- theater unter Cineasten über die Grenzen der ßig große und kleine, teils internationale Events Nachbarschaft hinaus beliebt. wie Ausstellungen, Open Air Kino, Theater, Krea- tivworkshops, Musik-, Tanzveranstaltungen, dem (siehe Tabelle „Bildung, Freizeit und Kultur“ und Ballhaus Naunynstraße und dem Festsaal Kreuz- Karte „Standorte der sozialen und kulturellen Inf- berg hat das Gebiet mehrere bekannte Veranstal- rastruktur und Grün-/ Freiflächenstruktur“ im tungsadressen. Auch das selbstverwaltete Haus- Anhang) projekt Georg-von-Rauch-Haus auf dem denk- malgeschützten Bethanien-Gelände, das eines Soziokulturelle Einrichtungen und Weiterbildung der ersten besetzten Häuser der BRD war, orga- Dazu ist das Untersuchungsgebiet Standort ver- nisiert alternative jugendkulturelle Aktivitäten, schiedener bezirklicher soziokultureller Einrich- Events und Parties. tungen. Die Musikschule Friedrichshain- Kreuzberg hat ihren Hauptstandort im Bethanien, das Kreuzbergmuseum befindet sich in der Adal- bertstraße. Dieses dokumentiert nach der Fusion der beiden Ortsteile Friedrichshain und Kreuz- berg und seit der Zusammenlegung des Kreuz- bergmuseums mit dem Heimatmuseum Fried- richshain die Geschichte des gesamten Bezirks. Die im Oktober 2010 fertig sanierte Mittelpunkt- bibliothek in der Adalbertstraße bietet aufgrund ihrer Ausstattung und ihres Programms als inter- kulturelle Familienbibliothek einen Treffpunkt. Sie ist Lernort und neues Kommunikationszent- rum am Kottbusser Tor. Die Volkshochschule Kreuzberg in der Wassertorstraße - wie die Kul- tureinrichtungen im Bethanien in einem denk- malgeschützten Gebäude angesiedelt – leistet mit einem umfangreichen Kursprogramm einen wichtigen Beitrag zur Integration, Bildung und Selbstverwirklichung der Bewohner im Gebiet. (siehe Tabelle „Bildung, Freizeit und Kultur“ und Karte „Standorte der sozialen und kulturellen Inf- rastruktur und Grün-/ Freiflächenstruktur“ im Anhang) Abb. 26: Kunst und Kreativität im Bethanien

35

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Nachbarschaftliche Einrichtungen und Begeg- Miteinander der Kulturen in der Nachbarschaft nungszentren Rechnung tragen. Nachbarschaftliche Einrichtungen, welche als (siehe Tabelle „Bildung, Freizeit und Kultur/ Ver- starke Partner die vielfältige soziokulturelle Infra- eine/ QM“ und Karte „Standorte der sozialen und struktur im Gebiet nachhaltig prägen, sind: kulturellen Infrastruktur und Grün-/ Freiflächen- KOTTI e.V. struktur“ im Anhang) Nachbarschafts- und Gemeinwesenverein am Kottbusser Tor, Träger des örtlichen Quartiers- Religiöse und ethnische Einrichtungen managements, mit seinen dazugehörigen Einrich- Zusätzlich zu den oben genannten soziokulturel- tungen, dem Nachbarschaftshaus für Interkultu- len Angeboten und Einrichtungen gibt es eine relle Begegnung ORA 34 und der MOSAIK Ju- Reihe von Institutionen ethnischer und religiöser gendkulturetage in der Oranienstraße 34 sowie Gruppen im Untersuchungsgebiet, welche für ih- dem Kotti Nachbarschaftsladen in der Adalbert- re Mitglieder, aber auch für die Nachbarschaft straße 95a, eine wichtige soziokulturelle Bedeutung haben. Familienzentrum in der Adalbertstraße, Dazu gehören die zwei christlichen Kirchenge- meinden St. Thomas (Ev.) und St. Michael (Kath.), der soziale Treffpunkt, Waldemarstraße das Kulturzentrum Anatolischer Aleviten, die (für den Neubau mit seinen verschiedenen Ein- muslimischen und türkischen Gemeinden und das richtungen fehlt noch ein Name) kurdische Zentrum. Durch das 2010 eröffnete das Begegnungszentrum der AWO Maschari Center mit der Omar-Ibn-Al-Khattab- in der Adalbertstraße, Moschee am Görlitzer Bahnhof befindet sich au- ßerdem eines der repräsentativsten muslimi- Jugendzentrum NaunynRitze schen Kulturzentren Berlins in nächster Nähe zum in der Naunynstraße. Untersuchungsgebiet. (siehe dazu Tabelle „Religiöse Gemeinden und ethnisch-kulturelle Einrichtungen“ und Karte „Standorte der sozialen und kulturellen Infra- struktur und Grün-/ Freiflächenstruktur“ im An- hang)

Regelmäßige Veranstaltungen Seinem Image als kreativer und multi-ethnischer Kiez wird die Nördliche Luisenstadt Kreuzberg auch durch unterschiedliche, regelmäßig stattfin- dende überregional wirksame Veranstaltungen Abb. 27: Begegnungszentrum AWO, Adalbertstraße gerecht. So werden jeweils ein Mal im Jahr zum MyFest rund um den Mariannenplatz am 1. Mai, Im engeren Verflechtungsbereich des Untersu- zur langen Buchnacht in der Oranienstraße oder chungsgebiets befinden sich mit dem Statthaus zum Straßentheaterfestival Berlin lacht! eingela- Böcklerpark in der Prinzenstraße und dem Mehr- den. GenerationenHaus (MGH) Wassertor in der Was- sertorstraße 48 zwei weitere Einrichtungen mit KITAS und Schulen vielfältigen Bildungs-, Beratungs- und Freizeitan- Die Nördliche Luisenstadt Kreuzberg verfügt mit geboten im Erwachsenen- und Kinder- insgesamt 22 Kindertagestätten über eine ver- /Jugendbereich, welche der Integration und dem gleichsweise hohe Anzahl von Einrichtungen. Ne- ben einer größeren kommunalen Kita, Leu-

36

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 schnerdamm 33, existiert insbesondere ein viel- 2.2.5 Lokale Ökonomie und Wirtschafts- fältiges Angebot an Kitas in freier Trägerschaft struktur (12 Einrichtungen) und in Elterninitiative (9 Ein- Das Untersuchungsgebiet hat insgesamt einen richtungen). Beschäftigungsschwerpunkt mit starker Nut- Im Untersuchungsgebiet liegen zwei Schulen - zungsmischung - der Branchenmix reicht dabei beides staatliche Grundschulen mit Ganztagsbe- vom traditionellen Handwerk bis hin zum Krea- trieb. Die Gebäude und die Anlagen der Nürtin- tivgewerbe. Der wirtschaftliche Kernbereich be- gen-Grundschule sind gleichsam wie die der E.O.- findet sich rund um den Oranienplatz, das Plauen-Grundschule denkmalgeschützt und in Kottbusser Tor sowie entlang der kreuzenden kommunalem Besitz. Achsen Oranienstraße und Adalbertstraße in

Richtung Kottbusser Tor. Schwerpunkte entlang dieser Achsen bilden Einzelhandel, haushaltsnahe Dienstleistungen und Gastronomie sowie Unter- nehmen der Kreativwirtschaftsbranche. Insbe- sondere die Kreativwirtschaft – dazu zählen Ar- chitektur, Design, Musikwirtschaft- sowie die gastronomischen Angebote spielen für die At- traktivität und Imagebildung des Gebiets eine wichtige Rolle. Die Oranienstraße hat mittlerwei- le den Status einer berlinweit bekannten Szene- meile, die beinahe zu sämtlichen Tages- und Nachtzeiten belebt ist. In diesem Jahr wurde vermehrt ein Anstieg von Touristen im Straßenbild wahrgenommen (siehe Vermerk SR-AG), welche einerseits die Symbiose aus Gastronomie, Kreativwirtschaft und Kultur (siehe unten) nachfragen und andererseits indi- rekt die Entstehung neuer Angebotsstrukturen hervorrufen. Diese wechselseitige Entwicklung führt zu einer raschen Veränderung des Nut- zungsgefüges in den Erdgeschossen. Internatio- nale gastronomische Angebote nehmen zu, neue

Abb. 28: Einweihung Hortfreifläche Nürtingen-GS Bars eröffnen und Öffnungszeiten werden aus- geweitet. Problematisch wirkt sich diese Verän- (siehe dazu Tabellen „Kindertagesstätten“ / derung auf den Fußgänger-, Rad- und Autover- „Schulen“ und Karte „Standorte der sozialen und kehr aus. Kinderwagen und ältere Personen sind kulturellen Infrastruktur und Grün-/ Freiflächen- auf den teils überfüllten Gehwegen, auf denen struktur“ im Anhang) Passanten immer häufiger mit Sitzmöglichkeiten der Lokale konkurrieren, seltener geworden. Auch Jugendliche aus dem Kiez ziehen sich immer mehr aus dem öffentlichen Straßenraum Oranienstraße/ Adalbertstraße zurück und wei- chen auf neue Rückzugsorte in der Nachbarschaft aus. Durch den Zustrom von Touristen und Fla- neuren erfahren auch informelle und illegale „Tä-

37

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 tigkeitsfelder“ Aufwind. So sind Flaschensammler fanden sich von den 2.518 Berliner Betrieben tür- bis in die frühen Morgenstunden im Schwer- kischstämmiger Unternehmer 321 (ca. 13 %) im punktgebiet unterwegs und Diebstahlanzeigen Untersuchungsraum 'SO 36'. Die Branchenvielfalt gegen unbekannt nehmen zu.46 ist groß, die wichtigsten Branchen sind Gastro- nomie mit einem Anteil von 28 % der türkisch- Neben der gewerblichen Nutzung der Ladenloka- stämmigen Unternehmen, gefolgt von haushalts- le in den Erdgeschossen ist entlang der bezogenen Dienstleistungen (insb. Friseure, Rei- Oranienstraße gleichsam eine Nutzungsmischung sebüros und Kosmetik) mit 18 %, Facheinzelhan- mit Gewerbehöfen im Blockinnenbereich und del (insb. Kiosk und Textilien) mit 15 %, Lebens- mitteleinzelhandel mit 13 % sowie Autohandel Wohnen am Blockrand erhalten, welche auf die und Reparatur mit 9 %. 48 hier großteils erhaltenen gründerzeitlichen Bau- strukturen zurückgeht. Die gewerbliche Mischung innerhalb der Gewerbehöfe ist analog der im Ge- Insbesondere jenseits der Hauptachse samtgebiet stark heterogen. Die beschäftigungs- Oranienstraße ist die lokale Wirtschaftsstruktur stärksten Arbeitszweige sind hier Erziehung und in SO 36 geprägt durch türkischstämmige Unter- Unterricht, Immobilienwirtschaft, sonstige nehmer. Bezeichnend für die Bedeutung der eth- Dienstleistungen sowie produzierendes Gewer- nischen Ökonomie im Gebiet ist, dass auch der be.47 Türkische Unternehmer & Handwerker Verein Berlin (TUH e.V.) seine Zentrale in Kreuzberg in der Oranienstraße hat. Aktuelle Zahlen bzw. eine Fortschreibung der Studie liegen nicht vor. Damit können konkrete Aussagen zur Entwicklung der lokalen ethnischen Ökonomie der letzten sechs Jahre im Gebiet kaum getroffen werden.

Darüber hinaus sind folgende Unternehmens- netzwerke im Untersuchungsgebiet durch Projek- te im wirtschaftlichen Bereich, dem Ausbildungs- sektor und u.a. in Zusammenarbeit mit Schulen und sozialen Trägern aktiv: Abb. 29: Ladenlokale Oranienstraße Bezirkliches Bündnis für Wirtschaft und Arbeit Friedrichshain-Kreuzberg (BBWA) Ethnische Ökonomie Friedrichshain-Kreuzberger Die ethnische Ökonomie hat aufgrund der sozial- Unternehmerverein (FKU) räumlichen Konzentration von Menschen mit tür- Regionaler Ausbildungsverbund kischem Migrationshintergrund immer noch eine wichtige Bedeutung und trägt zur Dynamik des Friedrichshain-Kreuzberg (RAV ) Untersuchungsgebiets bei. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2005 be-

46 vgl. eigene Aufzeichnungen, Treffen der Sozialraum-AGs I, III, IV im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, 08/09 2011 48 47 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für vgl. http://library.fes.de/pdf- Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- files/bueros/berlin/50268.pdf, S. 60f. konzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost, Berlin 2010, S. 66 38

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

2.2.6 Akteure, Netzwerke und Beteili- Für Planungsprozesse der Stadtentwicklung ist gungsstruktur neben der Einbeziehung der drei QM-Teams als große Multiplikatoren der Stadtteilarbeit die Ein- beziehung insbesondere folgender Netzwerke Beteiligungsverfahren als Bestandteil der Pla- nungskultur und Initiativen empfehlenswert, die sich in Ihrer Ausrichtung und Zielsetzung der nachhaltigen Eine umfassende Bürgerbeteiligung an Stadtent- Gebietsentwicklung in der Luisenstadt Kreuzberg wicklungsprozessen sowie eine frühzeitige Einbe- widmen: Bürgerverein Luisenstadt, BI Bäume für ziehung aller Akteure und Betroffenen bei kon- Kreuzberg, Initiative Spreeufer für Alle!. kreten Planungsverfahren im Hochbau und Frei- flächenbereich sind in Kreuzberg zur Gewährleis- (siehe Tabelle „Netzwerke und Initiativen“ im tung einer nachhaltigen Planungskultur etabliert. Anhang) Das Interesse sowie die Bereitschaft zur kriti- schen und konstruktiven Partizipation an Stadt- Beteiligung und Vernetzung durch QM bzw. Quartiersentwicklung seitens der Bürger- In allen drei Quartiersmanagement-Gebieten schaft ist groß, da hier neben baulich-räumlichen (siehe Kap.1.3) wird Beteiligung und Vernetzung gleichsam sozialräumliche, quartiersbezogene mittels zwei verschiedener Gremien und vier un- Aspekte und somit die Lebenswelt der Anwohner terschiedlicher Quartiersfonds als Umsetzungsin- betroffen sind. Themen wie Aufwertung, Ver- strumente der Sozialen Stadt institutionalisiert. drängung, der Erhalt der sozialen Kreuzberger Bürger und lokale Akteure besitzen je nach Pro- Mischung, aber auch Umwelt- und Baumschutz jekt bzw. je nachdem, aus welchem Quartiers- stehen dabei im Fokus der Diskussionen. fond dieses finanziert wird, unterschiedlich starke Dass die Partizipations- und Kommunikationsbe- Verantwortung und Einflussnahme hinsichtlich reitschaft in Kreuzberg vergleichsweise hoch ist, fachlicher und finanzieller Entscheidungen. Als zeigt das vielfältige Engagement von lokalen Initi- Gremien zu Austausch, Diskussion und Entschei- ativen. Durch diese werden die Organisation von dungsfindung dienen Quartiersrat (Bürger + loka- Beteiligungsverfahren nicht selten unterstützt le Akteure) und Aktionsrat (nur Bürgervertreter). und Diskussionsprozesse über Stadtplanungs- Nach mehreren Jahren Beteiligung über QM kann oder Standortfragen teilweise sogar angeregt. im Untersuchungsgebiet die positive Bilanz gezo- gen werden, dass auch schwer erreichbare Ziel- gruppen, wie z.B. Migranten, in den Gremien ak- tiv sind und somit ein nachhaltiger Integrations- und Vernetzungsprozess auf sozialräumlicher Ebene zwischen Bürgern, Verwaltung und Politik gestärkt wird.49

(siehe Tabelle „Quartiersmanagement Vorort- Büros“ im Anhang)

Abb. 30: Bürgerbeteiligung zur Qualifizierung des Grünzugs Luisenstädtischer Kanal 2011 49 vgl. Herwarth + Holz im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Integriertes Stadtteilentwicklungs- konzept für den Aktionsraumplus Kreuzberg – Nordost, Berlin 2010, S. 118f.

39

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

SR- AGs und Bildungsnetzwerke Aktionsraumplus- vernetzte Prozesse und Projekte Im Untersuchungsgebiet sind drei verschiedene Der durch die Initiative Aktionsraum plus ange- Sozialraum-AGs im Bereich Jugendhilfe/ Bildung/ strebte Vernetzungsprozess vollzieht sich in ers- Gesundheit als Austausch- und Vernetzungsorgan ter Linie auf der fachlichen Ebene der Verwaltun- zwischen Verwaltung und lokalen Akteuren tätig: gen. Über die Programmplanung 2011/2012 ist es SR-AG I Wassertorplatz, SR-AG III Mariannen- in Kreuzberg über fachämterübergreifende Run- platz, SR-AG III Zentrum Kreuzberg. Die Treffen den und kleinere Arbeitsrunden gelungen, ver- der Sozialraum AGs finden in der Regel alle 6-8 schiedene Verwaltungsbereiche horizontal und Wochen statt und werden vom Jugendamt ge- vertikal in ihrer Zusammenarbeit stärker zu ver- meinsam mit den lokalen Akteuren (QM, freie netzen. Träger) vorbereitet und organisiert. An den Sozi- Die Projekte haben dabei selbst einen vernetzen- alraum-AGs nehmen Vertreter der ansässigen so- den Charakter. Die Maßnahmen verknüpfen In- zialen Träger der Jugend- und Erwachsenenhilfe halte aus verschiedenen Fachebenen wie Schule, teil. Auf den Treffen wird zum einen erörtert, Jugend, Ausbildung oder Integration, Gesundheit, welche sozialräumlichen Veränderungen, Prob- Kultur und bauen auf Kooperationen unterschied- lematiken nach Einschätzung der Multiplikatoren licher Akteure auf. So haben alle Abteilungen des für die Arbeit in den Gebieten relevant sind, zum Bezirks und eine Vielzahl von Trägern gemeinsam anderen gibt es Fachvorträge zu aktuellen sozial- eine Reihe nachhaltiger Projektkonzepte für den räumlichen Thematiken vor Ort. Aktionsraum plus Kreuzberg-Nordost entworfen. Als wichtiges Bildungsnetzwerk wird die Initiative Die ersten A+Projekte aus dem Programmjahr 'Campus Marianne' durch das Jugendamt des Be- 2011 laufen bereits und neue Projekte für 2012 zirks Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt. Meh- befinden in der Abstimmung bei Bezirk und Se- rere Einrichtungen für Jugend und Bildung (Schu- nat. le, Jugendhilfe, Kultur, Gemeinwesenarbeit etc.) Über Kofinanzierungen mit anderen Förderpro- sollen hier räumlich konzentriert gemeinsam ihre grammen, wie z.B. den Städtebaulichen Denk- Ressourcen bündeln, Angebote abstimmen und malschutz lassen sich sowohl baulich-räumlich als weiterentwickeln.50 auch sozio-kulturell und ökonomisch vielschichti- Mit Hilfe des Bezirks konnte die Initiative rasch ge und somit nachhaltige Projekte für das Quar- zum festen Bestandteil der Kreuzberger Bildungs- tier umsetzen. landschaft wachsen und leistet zielgerichtete Netzwerkarbeit für den Sozialraum. Campus Ma- Bürgerhaushalt rianne hat zum Ziel, den Bildungsstandort am Das Instrument des Bürgerhaushalts als Teil der Mariannenplatz auf- bzw. weiter auszubauen. Der Sozialraumorientierung wurde mit einer öffentli- Ausbau des Bildungsnetzwerkes und dessen Ar- chen Auftaktveranstaltung Ende 2007 in Kreuz- beit werden seit 2011 auch durch Mittel über die berg eingeführt. Ziel ist es, den Bezirkshaushalt Initiative Aktionsräume plus Kreuzberg-Nordost transparenter zu machen und zu verdeutlichen, gefördert. dass Politik, Verwaltung und Bürger „im selben Boot“ sitzen. Information der Bürgerinnen und (siehe Tabelle „Netzwerke und Initiativen“ im Bürger, Konsultation und Rechenschaft sind die Anhang) einzelnen Verfahrensschritte. Der Bürgerhaushalt soll eine direkte Form der

Bürgerbeteiligung an der Haushaltsplanung des Bezirks bieten, indem Ideen zur Verwendung von Mitteln eingebracht werden können, über die die

50 vgl. http://campusmarianne.blogspot.com/2009/04/ein- BVV in öffentlichen Sitzungen berät und ent- campus-am-mariannenplatz-menschen.html 40

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011 scheidet. Vorrangig geht es dabei um eine inhalt- 2.3. Stärken-Schwächen-Analyse liche Schwerpunktsetzung im Bezirk. Vorschläge Im Ergebnis der Gebietsanalyse sind die besonde- und Anregungen können die Bürger online auf ren Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken für dem Bürgerbeteiligungsportal des Bezirks unter die Luisenstadt Kreuzberg in den Sektoren Städ- der Adresse: http://www.berlin.de/ba- tebauliche Struktur, Nutzungsstruktur und Sozial- friedrichshain-kreuzberg/buergerbeteiligung/ raum ermittelt worden. einbringen.51 Aus dieser Analyse heraus ergeben sich sektorale Da jedoch seit 2010 keine zusätzlichen Mittel für Handlungserfordernisse im Sinne des Leitbildes, den Bürgerhaushalt, sondern nur Mittel für eh- die sich im Handlungskonzept sowie in der daraus renamtliche Arbeit zur Verfügung stehen und resultierenden Maßnahmenplanung ausdrücken. somit eine direkte Bestimmung von Projekten fehlt, ist das Interesse seitens der Bürger stark Die Stärken-Schwächen-Analyse folgt auf den zurückgegangen. Dies wurde insbesondere an nächsten Seiten. den geringen Teilnehmerzahlen der jährlich statt- findenden Veranstaltungen in den acht Bezirksre- gionen im Frühling 2011 deutlich. Dementspre- chend konnten die Ziele des Bürgerhaushalts, die Bürger in die Arbeitsinhalte von Bezirk und Politik einzubeziehen bzw. deren Arbeit für Bürger transparent zu gestalten und damit das gegensei- tige Interesse und Miteinander zu stärken, bis- lang noch nicht zufriedenstellend umgesetzt werden. Ob daher weiterhin jährlich Veranstaltungen in der bisherigen Form organisiert werden, bleibt offen.52

51 vgl. http://www.berlin.de/ba-friedrichshain- kreuzberg/bezirksamt/buergerhaushalt/index.html 52 vgl. eigene Aufzeichnungen, Veranstaltungen/Diskussion zum Bürgerhaushalt Friedrichshain-Kreuzberg, 03/04 2011 41

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

SWOT Städtebauliche Struktur

Städtebauliche Struktur

Stärken Schwächen

Prägendes städtebauliches Grundmuster unterbrochene Weg- und Sichtbeziehungen durch ELK und markante Platzfolge von Ma- im ELK infolge baulicher Maßnahmen der Ver- riannenplatz, Heinrichplatz und Oranienplatz gangenheit , Angstraum um den Verkehrsgar- ten durch unübersichtliches Grün, Homogene Gründerzeitbebauung in großen Barrierewirkung der Skalitzer Straße Teilbereichen, vor allem in den Planungsräu- men Oranienplatz und den angrenzenden Blö- Fehlender Zugang zur Spree- Abriegelung cken durch gewerbliche Nutzung, kein Uferweg

Vielfalt architektonischer Leitbilder des 19. Fehlende/ unterbrochene Block- und Raum- und 20. Jahrhunderts (von Lenné über Kahl- kanten schlagsanierung bis IBA und behutsame Stadt- entlang Bethaniendamm (Kinderbauernhof), erneuerung) Skalitzer Straße (Spielplatz und Freifläche), Merkzeichen und Solitäre wie Hochbahntras- se, Tauthaus, Bethanien, St. Thomas Kirche Köpenicker Straße von Bethaniendamm bis Manteuffelstaße Vielfalt an Gebäude- und Wohnungstypen für unterschiedliche Bewohnergruppen und Be- Naunynstraße (Naunynplatz) darfe unzureichende Ausstattung mit Grün- und Gewachsene Urbanität und lebendige Vielfalt Freiflächen infolge sehr hoher Bebauungsdich- in dichter Bebauung (noch) ohne organisierte te, insbesondere in den Planungsräumen Party- und Tourismusszene, vor allem im Pla- Oranienplatz und Lausitzer Platz nungsraum Oranienplatz Überformung der historischen Bebauungs- struktur und Raumbezüge in Teilräumen durch Großsiedlungsstrukturen (westl. Was- sertorplatz, Kottbusser Tor), Dresdener Straße ist abgehängt

Chancen Risiken

Begrenztes Neubaupotenzial/ Verdichtungs- Entwicklungsblockaden – bei Arrondierungs- potenzial durch Arrondierung fehlender oder untergenutzten Grundstücken Blockkanten Entwicklungsskepsis gegenüber baulichen Neuordnungs- und Verdichtungspotenzial Veränderungen bei Teilen der Bevölkerung - entlang Köpenicker Straße und Neugestaltung ELK zw. Oranienplatz und Wal- Bethaniendamm demarstraße sowie Heinrichplatz

42

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

SWOT Nutzungsstruktur

Nutzungsstruktur

Stärken Schwächen

Vielzahl an Einrichtungen der sozialen und Starke Verkehrsbelastung entlang Skalitzer Str. kulturellen Infrastruktur –oft in Baudenk- und in der Oranienstraße malen - Bethanien, VHS Teilräumlich Stellplatzprobleme Vielfältige Gewerbestruktur – Handwerk, Radverkehrswege lediglich punktuell vorhanden Handel, Dienstleistung mit ethnischer Prä- gung Nutzungs-/ Interessenskonflikte und Entwick- lungsskepsis erschweren, verzögern/ verhindern Eindeutige Zentrenbildung – Oranienstraße, Erneuerung und Neugestaltung (NKZ, ELK, Hein- Kottbusser Tor richplatz) Imageträger Oranienstraße – Beeinträchtigung des Wohnens durch enge multifunktionell, multikulturell, multieth- Funktionsmischung, insbesondere in den dicht- nisch bebauten Bezirksregionen Oranien Platz und Platzräume stiften Identität und haben Lausitzer Platz „Charakter“ Monofunktionalität – im südwestlichen Bereich Sub-und Hochkultur in der Nachbarschaft- / Planungsraum Wassertorplatz Ballhaus Naunynstraße, SO 36, Internationa- Drogenszene – auffällig um Kottbusser Tor les Theaterinstitut, Kunsthaus und Musik- schule u.a. im Bethanien

Nutzungsmischung – Wohnen und Gewerbe dicht beieinander

Chancen Risiken

Radfahrstreifen an der Skalitzer Straße Partymeile für Touristen in der Oranienstraße

Bethanien und Standort Schulkomplex hat Verdrängung alteingesessener Gewerbe und Potenzial als Kultur- und Bildungszentrum Einrichtungen im Kiez, Campus Marianne als Verknüpfung von kulturellen, künstlerischen und Bil- dungseinrichtungen im Gebiet

„Naunynplatz“ – mit Potenzial als kleiner, attraktiver und ruhiger Aufenthaltsort und Ort für künstlerische Aktivitäten

43

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

SWOT Sozialraum

Sozialraum

Stärken Schwächen

Junge Bevölkerung – auffällig ist der über- Hoher Anteil von Schülern nicht-deutscher durchschnittlich hohe Anteil an Kindern und Herkunft – Schwächen im Umgang mit der Jugendlichen deutschen Sprache erschweren das Lernen und spätere Chancen auf dem Ausbildungs-/ Heterogenes Milieu – unterschiedlichste Mili- Arbeitsmarkt eus und Lebensstile bilden eine einzigartige Mischung Abwanderung von Familien – um das Ausbil- dungsniveau ihrer Kinder besorgte Eltern

wandern vor deren Einschulung ab

Hoher Anteil an Kinderarmut – der Anteil der Empfänger von Existenzsicherungsleistungen unter 15 Jahren liegt deutlich über dem Berli- ner Durchschnitt

Chancen Risiken

Positive Entwicklungstendenz - der Planungs- Hohes Risiko für Altersarmut – durch das ver- raum Oranienplatz gilt als einer der wenigen steckte Alterungspotential Kreuzbergs wird ‚Aufsteiger‘ des aktuellen Monitorings Soziale das Thema ‚Altersarmut bei Migranten‘ an Be- Stadtentwicklung deutung gewinnen

Kreative Mischung – die einzigartige Mischung Mietsteigerung – positive Entwicklungsten- der verschiedenen Milieus und Lebensstile er- denzen einzelner Planungsräume führen zu zeugt ein hohes Potential an Kreativität steigenden Mieten

Bürgerschaftliches Engagement –gemeinsam Polarisierung durch einzelne aktive Gruppen- mit lokalen Akteuren und engagierten Bürgern vertreten erfolgreich und gut organisiert ihre können Projekte mit großer Akzeptanz und persönlichen Interessen und Ziele, die nicht Nachhaltigkeit umgesetzt werden den Interessen der Allgemeinheit entsprechen

Lebendiges, multikulturelles Gebiet mit viel- fältiger und interessanter Bewohnerschaft

44

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

3 STÄDTEBAULICHES LEITBILD

Die Leitlinien für die Entwicklung in der „Einheit in der Vielfalt“ Luisenstadt Kreuzberg sind somit: Die Entwicklung des Teilraumes Luisenstadt Kreuzberg ergibt sich zum einen aus den gebiets- Sicherung der gestaltprägenden Bebauungs-, eigenen Gegebenheiten, Erfordernissen und Po- Freiraum- und Platzstrukturen der Gründerzeit tenzialen, und zum anderen aus den Anforderun- und Bewahrung von Spuren der Geschichte gen und Vorstellungen, die das Gebiet beeinflus- sen, welches nicht mehr Stadtrand, sondern zent- Sicherung der Wohnfunktion für eine Vielzahl von rumsnaher Teil der gesamten Luisenstadt und unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Berlins ist. Sicherung der Funktionsmischung von Wohnen, Das städtebauliche Leitbild „Einheit in der Viel- Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Kultur falt“ ist die Bewahrung, Stärkung und behutsame Weiterentwicklung der charakteristischen Ele- Stabilisierung und Sicherung der Vielzahl an Ein- mente des Gebiets. Die Einheit in der Vielfalt ist richtungen der sozialen Infrastruktur zu erhalten und zukunftsfähig zu gestalten. Vielfalt meint sowohl die gebauten Strukturen vom Stadtraum bis hin zu seinen Elementen Ge- In der Tradition der Kreuzberger Luisenstadt ist bäude und Freiräume, als auch die verschiedenen eine kritische Beteiligung an baulichen Verände- Funktionen und Nutzungen im Gebiet, die Men- rungen tief verwurzelt. Ohne die frühzeitige Ein- schen, die hier arbeiten und leben, ihre Netzwer- beziehung, Mitwirkung und Akzeptanz der Bevöl- ke, Vereine und Initiativen sowie die zahlreichen kerung werden erforderliche Maßnahmen nur Einrichtungen der kulturellen und sozialen Infra- sehr schwer oder auch gar nicht umsetzbar sein. struktur. Die Umsetzung des Leitsatzes: (siehe dazu Karte „ Leitbild – Einheit in der Viel- „Öffentliche Einrichtungen sowie Straßen, Plätze falt“ im Anhang) und Grünbereiche müssen bedarfsgerecht erneu- ert und ergänzt werden“ Trotz teilräumlicher Brüche und Barrieren stellt hat auch heute, mehr als 40 Jahre nach Gründung das Gebiet eine Einheit dar, die mit den gebauten der IBA, nichts von seiner Bedeutung für Kreuz- Leitbildern von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis berg verloren. Ende des 20. Jahrhunderts seine besondere At- traktivität ausmachen und ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal darstellen. Die Bebauungsstrukturen, vor allem die der Gründerzeit haben sich im Laufe der Jahrzehnte als flexibel und anpassungsfähig erwiesen, ohne dabei ihre Charakteristik zu verlieren. Dazu kom- men eine große Nutzungs- und Funktionsvielfalt mit teilweise stadtweiter und darüber hinausge- hender Bedeutung, zahlreiche soziale und kultu- relle Infrastruktureinrichtungen sowie eine sozial, demografisch und ethnisch stark gemischte Be- völkerung.

45

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

4 KONZEPT und Waldemarstraße am historischen Vorbild der Barth’schen Planung dazu, dass die bereits bewil- 4.1 Zwischenfazit ligten Fördermittel durch Beschluss der BVV zu- Seit 2006 werden Maßnahmen im Programm SDS rückgegeben wurden, da sie in Teilen der Bürger- durchgeführt, die Maßnahmen haben ein Volu- schaft keine Akzeptanz fanden. men von Diese Planung wurde zum Sinnbild für vorhande- Umgesetzt: 11,3 Mio. € ne Ängste, dass die Umwälzungen nach Öffnung der Mauer zu einer Vertreibung von Teilen der In Planung: 4,6 Mio. € (ohne Programmjahr 2012) Bevölkerung führen und die Errungenschaften Die einzelnen Maßnahmen sind den Übersichten der behutsamen Stadtentwicklung mit umfängli- zu entnehmen, die bereits durchgeführten oder chen Beteiligungsverfahren ihre Relevanz für das bewilligten Maßnahmen haben die Priorität 0 er- aktuelle politische Handeln verlieren würden. halten. Diese Befürchtungen sind insbesondere bei Maß- nahmen im öffentlichen Raum in jeweils geeigne- Die Maßnahmen haben - auch bedingt durch eine ter Weise Rechnung zu tragen, um die große Ak- intensive Bürger- und Nutzerbeteiligung - zeptanz des Förderprogramms in der Luisenstadt überwiegend eine große Akzeptanz in der Bevöl- weiter beizubehalten. kerung und sind ein wichtiger Baustein zur Stabi- lisierung der sozialen und kulturellen Infrastruk- tur sowie zur Qualifizierung des öffentlichen 4.2 Maßnahmenübersicht mit Priori- Raums im Fördergebiet Luisenstadt. täten und Kosten Die Belange des (Städtebaulichen) Denkmal- (siehe dazu Karte „ Maßnahmenübersicht“ im schutzes konnten innerhalb der verschiedenen Anhang) Abstimmungsverfahren gut mit den Anforderun- gen der überwiegend sozialen Nutzungen in Ein- klang gebracht werden. 4.3 Handlungsempfehlungen und Die Beteiligungsverfahren führten auch zu einem Maßnahmenübersicht größeren Verständnis der Nutzer für die Historie Aus den dargestellten Potentialen und Problem- der von ihnen genutzten Gebäude und der Frei- lagen wurde ein Handlungskonzept mit einzelnen fläche Bethanien und damit zu den Belangen des Maßnahmenbausteinen erarbeitet. Denkmalschutzes. Die notwendigen Maßnahmen wurden mit den bezirklichen Fachämtern abgestimmt, mit Aus- Auf dem Bethaniengelände wurde durch den An- nahme der Bereiche Jugend/Familie/Schule konn- satz des Programms Städtebaulicher Denkmal- ten die Fachämter bereits Prioritäten für die Lie- schutz, die Fläche mit den Gebäuden als Ensem- genschaften für die sie die fachliche Zuständigkeit ble zu betrachten und der Zersplitterung der Frei- besitzen, benennen. fläche in einzelne Teile entgegenzuwirken, soziale Die Kosten für die Maßnahmen in den Kitas in Vernetzungsprozesse der verschiedenen Nutzer Regie des Eigenbetriebs Kindergärten City am initiiert, eines der Ergebnisse ist der Campus Ma- Leuschnerdamm und des Evangelischen Kirchen- rianne. kreises Berlin Stadtmitte am Bethaniendamm be- dürfen noch der Abstimmung mit den Trägern. Ausnahme bildet der Grünzug Ehemaliger Luisen- städtischer Kanal. In 2009 führten die kontrover- Die Einzelmaßnahmen sind in der Kosten- und Fi- sen Diskussionen über die beabsichtigte Qualifi- nanzierungsübersicht in der Anlage aufgeführt. zierung des Abschnittes zwischen Oranienplatz

46

Städtebaulicher Denkmalschutz Luisenstadt (Ortsteil Kreuzberg) - INSEK 2011

Die Übersicht umfasst neben erforderlichen Dokumentation Maßnahmen auch solche, die Der Dokumentation der realisierten Maßna