Nr. 5/Januar 2016 Globales Lernen Hamburger Unterrichtsmodelle zum KMK-Orientierungsrahmen Globale Entwicklung

Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie

Das Dilemma zwischen dem Wachstumsgebot des Wirtschaftssystems und der Endlichkeit unserer physischen Welt. Zum Titel Urban Gardening: Im Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld in Berlin gärtnern mehr als 500 Menschen mitten in der Stadt auf einer verlassenen Lande- bahn. Hinter den Gärten scheint der 72 Meter hohe Radarturm fast zu verschwinden. Nic Simanek, flickr.com, by-nc-nd/2.0

Diese Publikation der Reihe „Globales Lernen“ wird ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Hamburger Gesellschaft zur Förderung der Demokratie und des Völkerrechts e.V. Diese Stiftung hat sich den in der Charta der Vereinten Nationen formulierten Zielen und Regeln verpflichtet und setzt sich dafür ein, das gesellschaftliche Bewusstsein für die drängenden Fragen der globalen Frie- denssicherung zu schärfen. Mit Instrumenten der Mediengesellschaft, wissenschaftlichen und politischen Veranstaltungen sowie Forschungsvorhaben präsentiert der Verein Lösungsansätze für akute Konflikte. Er ist ein Zusammenschluss gleich gesinnter Hamburger Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissen- schaft und Medien und wurde im Februar 2004 vom Hamburger Reeder Peter Krämer gegründet. www.voelkerrecht-hamburg.de

Impressum Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Schule und Berufsbildung Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Felix-Dahn-Straße 3, 20357 Hamburg www.li.hamburg.de

Autorin: Lisa Rosa Pädagogisches Konzept: Max von Redecker, Lisa Rosa Redaktion, Publikationsmanagement: Jörg Gensel Layout: Verena Münch | verenamuench.de

Alle im Heft angegebenen Links wurden am 17.12.2015 abgerufen und geprüft.

Druck: Benatzky Münstermann GmbH & Co. KG., Hannover Auflage: 2.000 Hamburg, Januar 2016

Gefördert von:

Aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaft- liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie

unterrichtsgegenstand didaktische begründung

passende lern- und unterrichtsform

projekt- beschreibung

Materialien DVD

Inhalt

5 Editorial 6 Vorwort von apl. Prof. Dr. Niko Paech 7 Anstelle einer Gebrauchsanweisung: Vorbemerkung der Autorin

8 Kompetenzen 10 Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung 11 Problemaufriss

17 Didaktisch-methodische Prinzipien und Hinweise 17 1 Lernverständnis 21 2 Lernende im Projekt 22 3 Die Lehrkraft im Projekt 23 4 Ergebnisse 25 Hinweise und Tipps zu den einzelnen Projektphasen 29 Hinweise zur Arbeit mit dem Weblog 31 Ablauf des Unterrichtsmodells

33 Auswertung der Erprobung 37 Feedback der Schülerinnen und Schüler 38 Erfahrungen und Tipps des Lehrers 43 Unterrichtsreihe Globales Lernen 44 Projektmappe: Kopiervorlagen der Arbeitsblätter 55 Materialien auf der DVD

Nr. 5/Januar 2016 Globales Lernen Hamburger Unterrichtsmodelle zum KMK-Orientierungsrahmen Globale Entwicklung

Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie

Editorial Das Dilemma zwischen dem Wachstumsgebot des Wirtschaftssystems und der Endlichkeit unserer physischen Welt. Orientierungsrahmen Globale Entwicklung

Mit dem Orientierungsrahmen Globale Entwicklung Die vorliegende Broschüre stellt Material zur Verfü- ergeben sich für die Fachpraktikerinnen und Fach- gung, um wachstumskritische Perspektiven für den praktiker in den einzelnen Bundesländern neue Unterricht bereit zu stellen. Das Heft nimmt für sich Herausforderungen. in mehrfacher Hinsicht in Anspruch, einem „state of Das vorliegende Heft versteht sich als eine mögli- the art“ zu genügen. che Antwort darauf. Sie konzentriert sich auf Per- Entscheidend sind dabei nicht nur die inhaltlichen spektiven, deren Reflexion für die junge Genera- Impulse, sondern auch das auf Ergebnisoffenheit tion von heute unabwendbar wird. Nicht nur das zielende pädagogische Konzept. Es will denjenigen Erlebnis von Naturkatastrophen bisher ungekann- Lehrkräften und anderen pädagogischen Nutzern ten Ausmaßes, sondern auch eine dramatische Mut machen, die davon ausgehen, dass die demo- Veränderung der geopolitischen Lage führt dazu, kratische Schule der Gegenwart zwei Idealen folgen dass unter jungen Menschen eine Diskussion über muss, wenn sie ihrem eigenen Anspruch gerecht verantwortbare Lebens- und Wirtschaftsformen werden will: einer Nachhaltigkeit, die sich als Zu- entbrannt ist – aber genauso eine neue Sorge um kunftsfähigkeit moralisch verantworten kann, und den Weltfrieden sich breit macht. einer Mündigkeit, die sich in einem methodisch- Auch der wachstumskritische Diskurs in der inter- didaktischen Konzept ausdrückt, das auf die Fähig- nationalen Öffentlichkeit und in den transnatio- keit der Jugendlichen vertraut, sich ihre eigene Welt nalen Organisationen setzt neue Akzente. An den aufzubauen. Denkanstößen aus diesem Raum sollte eine zeitge- mäße Schulbildung nicht vorbeigehen. Kurt Edler Ehem. Referatsleitung „Gesellschaft“ Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 5 Vorwort

von apl.Prof. Dr. Niko Paech

Apl. Prof. Dr. Niko Paech studierte Volkswirtschaftslehre, promovierte 1993, habilitierte sich 2005 und vertritt derzeit den Lehrstuhl für Produktion und Umwelt an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Er forscht und lehrt u.a. in den Bereichen Klimaschutz, nachhaltiger Konsum, Sustainable Supply Chain Management, Innovationsmanagement und Postwachs- tumsökonomik. © Michael Wiedemann

Brauchen wir eine Postwachstums-Ökonomie? ü

Die Zukunft moderner Konsumgesellschaften um- zwänge dämpfen könnten. Anstelle „geplanter Ob- fasst derzeit noch zwei Optionen: Entweder, das soleszenz“ wären Produkte reparaturfreundlich und ohne Wirtschaftswachstum nicht zu stabilisierende langlebig. Dienstleister würden den vorhandenen Wohlstandskartenhaus wird vorsorglich zurückge- Bestand an Gütern erhalten, pflegen, optimieren baut, um die soziale Fallhöhe seiner Insassen zu oder umbauen. Ergänzend zum marktwirtschaftli- reduzieren, oder sein unvermeidlicher Kollaps ver- chen Sektor könnte ein System der urbanen Subsis- ursacht einen umso härteren Aufprall, wie sich am tenz entwickelt werden. Aus Konsumenten würden Beispiel Griechenland eindrucksvoll zeigt. moderne Selbstversorger. Sie arbeiteten infolge des mindestens 50-prozentigen Industrierückbaus Mindestens vier Gründe sprechen gegen weiteres noch durchschnittlich 20 Stunden und nutzten die Wachstum: Erstens scheitert Wachstum absehbar freigestellte Zeit, um handwerkliche und soziale an Ressourcenengpässen („Peak Everything“); Kompetenzen aufzufrischen. Gemeinschaftsgär- zweitens verringert es nicht per se Verteilungsun- ten, offene Werkstätten, Reparatur-Cafés, künstle- gleichheiten; drittens sorgt es nach Erreichen eines rische Aktivitäten, die gemeinschaftliche Nutzung bestimmten Wohlstandsniveaus für keine Glücks- von Gegenständen, Netzwerke der gegenseitigen zuwächse, sondern kann sogar in Stress oder Über- Hilfe bei selbsttägigen Reparaturleistungen würden forderung ausarten; und viertens ist es nie ohne dazu beitragen, ein modernes Leben mit weniger ökologische Schäden zu haben. Nichts wäre derzeit Geld und Produktion meistern zu können. Eine wichtiger als eine Entlastung der Ökosphäre. Den- Postwachstumsökonomie wäre von Sesshaftigkeit noch fällt Politikern und vielen Wissenschaftlern und materieller Genügsamkeit geprägt, vor allem dazu nichts Besseres ein, als ausgerechnet jetzt sehr entspannt. weiteres, wenngleich „grünes“ Wachstum zu pro- pagieren. Das kann nicht funktionieren, weil auch Genau hier liegt eine markante Herausforderung vermeintlich grüne Produkte und Technologien nie für das Bildungssystem, nämlich junge Menschen zum ökologischen Nulltarif zu haben sind, sondern auf das vorzubereiten, was nicht mehr vermeidbar die Schäden nur verlagern. Zudem steigert auch ist. Derzeit werden an Schulen vielfach konsum- grünes Wachstum das Einkommen, so dass die er- orientierte, digital und global entgrenzte Daseins- höhte Nachfrage über „Bumerangeffekte“ Ressour- formen kultiviert. Das an einer Hamburger Schule ceneinsparungen wieder zunichtemacht. erprobte Projektmodell zur Postwachstumsökono- mie zeigt, dass Hoffnung stiftende Gegenbeispiele Die Alternative? In einer Postwachstumsökonomie möglich sind. Deshalb wünsche ich diesem Unter- wäre der Industriekomplex höchstens noch halb so fangen gutes Gelingen. groß, jedoch ergänzt um eine Regionalökonomie. Genossenschaften wären die in beiden Sektoren apl. Prof. Dr. Niko Paech dominante Unternehmensform, weil sie über eine Carl von Ossietzky Universität Oldenburg demokratischere Steuerung Kapitalverwertungs-

6 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Anstelle einer Gebrauchsanweisung:

Vorbemerkung der Autorin

In der Reihe „Globales Lernen. Hamburger Un- Gegenstand: Arbeitsblätter für eine Projektmappe terrichtsmodelle zum KMK-Orientierungsrahmen und Fotos, gedruckt im Heft und digital auf der bei- Globale Entwicklung“ weicht dieses Heft vom ge- liegenden DVD, das gesamte Unterrichtsmaterial wohnten Muster ab. auf einem Weblog im Netz sowie zusätzliches ver- Nicht nur im Erscheinungsbild, sondern auch in tiefendes Material auf der DVD. der didaktisch-methodischen Vorgehensweise unterscheidet sich dieses Heft von den vorange- Die Möglichkeiten, als Lehrkraft dieses Heft für die gangenen. Außerdem widmet sich das Heft nicht eigene Arbeit nutzbar zu machen, sind vielfältig. einer offenen Frage, sondern geht von einer Prob- Selbstverständlich ist es sinnvoll, alle Teile des lemlage aus, die heute von kaum jemandem mehr Heftes zu lesen und den vorgeschlagenen Unter- bezweifelt wird, nämlich dem Wachstumsdilemma. richt mit dem dazugehörigen Weblog sowie den Die bisher gesellschaftlich entwickelten Antworten gedruckten und digital bereitgestellten Materialien auf dieses Dilemma werden anschließend an seine mit den eigenen Schülern umzusetzen und dazu Beschreibung in einem Unterrichtsprojekt sichtbar das Erprobungsbeispiel und die Tipps des Lehrers gemacht, in dem Schülerinnen und Schüler auch zu studieren. selbst nach möglichen Lösungen suchen. Zugleich wird das Modell dieser Projektarbeit erläutert.1 2 Es ist aber genauso möglich, nur einzelne Teile als Anregung zu verwenden, da die vier Teile zwar auf- Die Publikation für Lehrkräfte besteht aus vier Teilen einander bezogen, aber unabhängig voneinander – einem ersten Teil, der in den Unterrichtsgegen- sind. Man kann also ebenso gut stand und seine didaktische Begründung einführt, ƒƒ nur den Problemaufriss als Information für die einem zweiten Teil, in dem eine dazu passende Lehrkraft nutzen; Lern- und Unterrichtsform vorgestellt wird, und ƒƒ alle oder eine Auswahl der Materialien für den einem dritten Teil, in dem ein Projekt beschrieben Einsatz in einem anderen als dem vorgeschla- wird, das den Gegenstand mit dieser Lern- und Un- genen Unterrichtssetting verwenden; terrichtsform an einer Hamburger Stadtteilschule ƒƒ nur die Einführung in die Projektmethode lesen ausprobiert hat. Viertens liefert die Publikation und diese bei einem ganz anderen Unterrichts- Zugang zu einer Fülle von Materialien zu diesem gegenstand anwenden; ƒƒ nur die Anregung zur Arbeit mit dem Weblog 1 Das Modell für diese Art von Projektunterricht wurde bereits aufnehmen und damit selbst einen Unterricht 2012 zum Thema „Migration-Integration“ erprobt und aus- gewertet in: www.li.hamburg.de/publikationen/3861046/ mit anderer Methodik gestalten. artikel-integration-unterrichtsvorhaben

S Übersicht

1. Teil Unterrichtsgegenstand und seine didaktische Begründung

2. Teil Passende Lern- und Unterrichtsform

3. Teil Beschreibung eines Projekts

4. Teil Materialien: Arbeitsblätter für eine Projektmappe und Fotos, DVD

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 7 kompetenzen

die durch das Unterrichtsprojekt entwickelt und gestärkt werden.

Kernkompetenzen Spezifische Kompetenzen X KMK-Orientierungsrahmen Globale Entwicklung themenbezogen

K1 K1.1 Die Schülerinnen und Schüler können Informationen Informationsbeschaffung und -verarbeitung zum Wachstums-Problem auswählen, miteinander disku- Die Schülerinnen und Schüler können Informationen zu tieren und eine persönliche Fragestellung zum Problem Fragen der Globalisierung und Entwicklung beschaffen und entwickeln. E rkennen themenbezogen verarbeiten. K1.2 Sie können passend zu ihrer persönlichen Fragestel- lung ein Arbeitsvorhaben entwerfen und durchführen. K1.3 Sie können ihr Arbeitsprodukt in verschiedenen Ent- wicklungs-Stadien vorstellen und in der Lerngruppe klären, inwiefern die Ergebnisse und die verwendeten Methoden zur Beantwortung ihrer Frage beitragen.

K2 K2.1 Die Schülerinnen und Schüler können Zusammenhänge Analyse des globalen Wandels zwischen Konsumenten-Entscheidungen in Industrieländern Die Schülerinnen und Schüler können Globalisierungs- und und den ökonomischen Folgen für die Systeme und Menschen Entwicklungsprozesse analysieren. in Entwicklungsländern erkennen. K2.2 Sie können die wechselseitige Abhängigkeit aller in einem weltweit geltenden ökonomischen System erkennen. K2.3 Sie können das Dilemma zwischen einem auf Wachs- tum beruhenden ökonomischen System und der Endlichkeit der physischen Welt beschreiben. K2.4 Sie können eine undifferenzierte Kopplung von Wohl- stand und ökonomischem Wachstum infrage stellen.

K3 K3.1 Die Schülerinnen und Schüler können erkennen, dass Unterscheidung gesellschaftlicher Handlungsebenen es unmöglich ist, Konsumverhalten und Lebensstil des Die Schülerinnen und Schüler können gesellschaftliche Einzelnen unabhängig von ökonomischen, politischen und Handlungsebenen vom Individuum bis zur Weltebene in kulturellen System-Zusammenhängen zu gestalten. ihrer jeweiligen Funktion für Entwicklungsprozesse Sie können aber auch erkennen, dass dieser Zusammen- erkennen. hang nicht deterministisch zu verstehen ist. K3.2 Sie können erkennen, dass Konsumentenverhalten und -aktivitäten auf verschiedenen Ebenen Auswirkungen und Bedeutung haben können: z.B. in der Masse einen direkten Einfluss auf die Politik einzelner Firmen und im Einzelnen eine Vorbild- und Aufklärungsfunktion für andere Menschen.

8 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie K4 K4 Die Schülerinnen und Schüler können sich über unter- Perspektivenwechsel und Empathie schiedliche Wertorientierungen austauschen und beispiels- Die Schülerinnen und Schüler können eigene und fremde weise die unterschiedliche soziale Bedeutung des Essens Wertorientierungen in ihrer Bedeutung für die Lebensge- (Familienmahlzeit), der Kleidung (Marken, Dresscode), der b ewer t en staltung sich bewusst machen, würdigen und reflektieren. Kommunikationsmittel oder der Transportmittel (Statussym- bole) diskutieren.

K5 K5 Die Schülerinnen und Schüler können das Wachstums- Kritische Reflexion und Stellungnahme dilemma aus der normativen Perspektive der Verteilungsge- Die Schülerinnen und Schüler können durch kritische Refle- rechtigkeit und der Ausbeutung des Menschen durch den xion zu Globalisierungs- und Entwicklungsfragen Stellung Menschen sowie des Tierschutzes und des Umweltschutzes beziehen und sich dabei am Leitbild nachhaltiger Entwick- beurteilen. lung und an den Menschenrechten orientieren.

K6 K6 Die Schülerinnen und Schüler können ihre eigenen Solidarität und Mitverantwortung Lebensstile auf deren globale Auswirkungen hin überprüfen, Die Schülerinnen und Schüler können Bereiche persönli- indem sie z.B. ihren ökologischen und sozialen Fußabdruck

handeln cher Mitverantwortung für Mensch und Umwelt erkennen errechnen, und erkennen, dass und wie sie am globalen und als Herausforderung annehmen. System Beteiligte sind.

K7 K7.1 Die Schülerinnen und Schüler interessieren sich Partizipation und Mitgestaltung für die Arbeit verschiedener Initiativen zum Thema Die Schülerinnen und Schüler sind fähig und auf Grund ihrer „Postwachstumsgesellschaft“. mündigen Entscheidung bereit, Ziele der nachhaltigen Ent- K7.2 Die Schülerinnen und Schüler können geeignete wicklung im privaten, schulischen und beruflichen Bereich Formen entwickeln, andere Lebensstile für sich selbst zu zu verfolgen und sich an ihrer Umsetzung auf gesellschaft- erproben und die Ergebnisse der Erprobung zu reflektieren licher und politischer Ebene zu beteiligen. und zu kommunizieren. K7.3 Sie können kreative Produkte entwickeln, die zur Aufklärung ihrer Umwelt beitragen in Familie, Freundeskreis, Schule oder in der weiteren Öffentlichkeit.

Außerdem werden in diesem Unterrichtsprojekt eine Reihe methodischer und sozialer Kompetenzen gefördert: ƒƒ interaktiver Umgang mit der Medienform Weblog; ƒƒ mündlicher und schriftlicher Austausch mit Mitschülern und (externen) Erwachsenen; ƒƒ Planung, Durchführung, Auswertung und Präsentation eines eigenen Arbeitsvorhabens; ƒƒ evtl. Umgang mit Kamera und Schnittprogramm (Videoproduktion); evtl. Führen eines eigenen Weblogs; evtl. Schreiben einer Seminararbeit (digital); evtl. Aufnehmen von Audio-Produkten; evtl. Planung und Durchführung eines Interviews/Video-Interviews.

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 9 Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung

als Bezugssystem für Analyse und Bewertung

Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung als BezugssystemGlobales fürLernen Analyse versteht und sich alsBewertung wesentlicher Teil einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Das Leit- bild nachhaltiger Entwicklung bietet die Möglichkeit, komplexe Entwicklungen aus den beteiligten Pers- pektiven zu analysieren und zu beurteilen. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung Globales Lernen Dasversteht ist auf sich allen als wesentlicher Handlungsebenen Teil einer möglich Bildung – für von nachhaltige wurde Entwicklung.in den letzten Das zwei Leitbild Jahrzehnten nachhaltiger von der in- Entwicklung bietetder die individuellen Möglichkeit, bis komplexe zur globalen. Entwicklungen Das Leitbild aus denist beteiligternationalenten Perspektiven Staatengemeinschaft zu analysieren undentwickelt. zu Es beurteilen. Das istein auf umfassender allen Handlungsebenen Bezugsrahmen, möglich der – vondie derAnalyse individuellen ermöglicht bis zur eine globalen. grundsätzliche Das Leitbild Orientierung ist ein um -im Span- fassender Bezugsrahmen,und Urteilsfindung der die Analyse strukturiert, und Urteilsfindung aber Bewertungen strukturiert, nungsfeld aber Bewertungen von Umwelt nicht und Evorbestimmtntwicklung.. nicht vorbestimmt. Es umfasst alle Handlungsfelder, bezieht internatio- nale Vereinbarungen zu den Menschenrechten ein zwischen de und berücksichtigt unterschiedliche kulturelle eit n G Das Leitbild der gk en Perspektiven. ti er nachhaltigen Entwicklung ch at re io e Soziales n G e n Es verbindet die Zieldimensionen wurde in den letzten zwei Jahr-

ƒƒ sozialezehnten Gerechtigkeit von der internatio nalen

soziale ƒƒ wirtschaftlicheStaatengemeinschaft Leistungsfähigkeit entwickelt. Gerechtigkeit ƒƒ ökologischeEs ermöglicht Verträglichkeit eine grund sätzliche ƒƒ demokratischeOrientierung Politikgestaltung im Spannungs feld Wirtschaft umwelt vor demvon Hintergrund Umwelt und der Entwicklung. kulturellen Vielfalt. Es umfasst alle Handlungsfelder, KuLtur bezieht internationale Verein- Es verknüpft die Forderung nach Gerechtigkeit barungen zu den Menschen - wirtschaftliche ökologische zwischen den heute lebenden Menschen mit Leistungsfähigkeit Verträglichkeit rechten ein und berücksichtigt der Gerechtigkeitunter schiedliche gegenüber kulturelle nachkommenden Politik Generationen.Perspektiven. Nachhaltig oder zukunftsfähig ist eine Entwicklung, die Umwelt,Es verbindet Wirtschaft die und Ziel Soziales dimensionen als gleicherma- ßen wichtige aufeinander abzustimmende Hand- demokratische lungsfelder• soziale begreift, Gerechtigkeit in denen Betroffene und Akteu- Politikgestaltung • wirtschaftliche Leistungsfähigkeit G eit re demokratische Möglichkeiten der Mitgestaltung ere ltw chtigkeit we erhalten.• ökologische Verträglichkeit • demokratische Politikgestaltung

vor dem Hintergrund der kulturellen Vielfalt. Leitfragen zur Analyse, Beurteilung und GestaltungLeitfragen von Entwicklung zur Analyse, Beurteilung und Gestaltung von Entwicklung

1. Welche der vier EntwicklungsdimensionenEs verknüpft die sind Forderung wie beteiligt nach 1. Welche der vier Entwicklungsdimensionen sind wie beteiligt (Interessen und Betroffene)?Gerechtigkeit zwischen den (Interessen und Betroffene)? s 2. In welchem Konflikt zueinanderheute stehen lebenden die Maßnahmen/Prozesse, Menschen mit 2. In welchem Konflikt zueinander stehen die Maßnahmeundn /wie könnten sie sich sinnvollder Gerechtigkeit ergänzen? gegenüber Prozesse, und wie könnten sie sich sinnvoll ergänzen?3. Welche Folgen bestehen weltweitnachkommenden für heute lebende Generationen. Menschen und für die Zukunft? Nachhaltig oder zukunftsfähig 3. Welche Folgen bestehen weltweit für heute lebende4. WelcheMenschen Strategien werden zur Erreichung der Ziele eingesetzt, und ist eine Entwicklung, die Umwelt, und für die Zukunft? wie sollten sie im Sinne der Nachhaltigkeit verändert werden? Wirtschaft und Soziales als 5. Welche kulturellen Sichtweisen beeinflussen den Entwicklungsprozess, 4. Welche Strategien werden zur Erreichung der Ziele eingesetzt, gleichermaßen wichtige auf ein- und wie sollten sie im Sinne der Nachhaltigkeit verändertund wie werden? lassen sie sich mit anderdem Ziel abzustimmende nachhaltiger Entwicklung Hand- verbinden? lungsfelder begreift, in denen 5. Welche kulturellen Sichtweisen beeinflussen den Betroffene und Akteure de mo- Entwicklungs prozess, und wie lassen sie sich mit dem Ziel kratische Mög lichkeiten der Mit- nachhaltiger Entwicklung verbinden? gestaltung erhalten. 10 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie

6 Problemaufriss

Der Begriff der Postwachstums-Ökonomie

Idylle der Postwachstums-Ökonomie? Seit 2002 ist das ehemalige Kloster Can Masdeu bei Barcelona besetzt. Seitdem ist hier ein soziales Zentrum, u.a. mit Gemeinschaftsgärten und diversen Projekten entstanden. Für die 25 Bewohner gehört das gemeinsame Essen zum Alltag. Brinerustle, wikimedia, CC BY-SA 3.0

Die bekannteste Kritik an dem Paradigma des öko- Eine erste Übersicht über die Wachstums-Diskus- nomischen Wachstums ist die Studie des Club of sion der Wissenschaft bietet der Wikipedia-Artikel Rome, „Die Grenzen des Wachstums“2, die bereits zur Wachstumsrücknahme6. Erkennbar ist, dass 1972 das Dilemma des Wachstums der kohlenstoff- sich in Expertenkreisen mehr und mehr die Bereit- basierten Weltwirtschaft angesichts der Endlichkeit schaft durchsetzt, die Fundamente des globalen der fossilen Ressourcen erklärte. Wirtschaftssystems zu überdenken. Auch die Pers- Der Begriff Postwachstums-Ökonomie stammt aus pektive einer grundlegenden Veränderung im Kon- der Schule der Ökonomen Werner Onken und Niko sumverhalten und Lebensstil der Menschen (nicht Paech, die seit 2007 ein Konzept zur Transformation nur in den alten Industrieländern) ist längst keine der Wirtschaft an der Universität Oldenburg entwi- Außenseiterposition mehr. ckeln und öffentlich diskutieren.3 Dieses Konzept stellt das Paradigma der Ökonomie des Industrie- Das Wachstumsdilemma zeitalters, dass Wirtschaft auf Wachstum beruhen Das Weltwirtschaftssystem hat sich zusammen mit müsse, infrage und fordert einen Paradigmenwech- der Industrialisierung in Europa herausgebildet sel, der vom Prinzip der lokalen Subsistenzwirt- und ist die Grundlage dafür, dass die Weltbevöl- schaft ausgeht. Kritiker werfen diesem Konzept kerung in einer exponentiellen Kurve anwachsen Rückwärtsgewandtheit und Unvereinbarkeit mit konnte. Ökonomisches Wachstum war bisher der den globalen Entwicklungstatsachen vor.4 Schlüssel zur Bereitstellung und Verbesserung der Prominente ökonomische Transformations-Kon- Lebensgrundlagen immer größerer Massen von zepte, die ebenfalls das Wachstumsgebot der Wirt- Menschen. Die Funktionsweise des derzeitigen schaftstheorie hinterfragen, sind außerdem die des Wirtschaftssystems beruht auf stetigem Wachstum. französischen Ökonomen Serge Latouche („Déc- Jeder Betrieb und jede „Volkswirtschaft“ muss roissance“) und des Briten Tim Jackson5, dessen demnach wachsen, um auf dem nationalen oder Buch „Wohlstand ohne Wachstum“ sich als PDF-Da- Weltmarkt bestehen zu können. Andernfalls droht tei auf der diesem Heft beiliegenden DVD befindet. der Untergang des jeweiligen Einzelsystems. Da die Menschen, Unternehmen und nationalen 2 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachs- Ökonomien inzwischen weltweit tiefgreifend und tums wechselseitig voneinander abhängen, haben Zu- 3 http://postwachstumsoekonomie.org/html/paech_grundzu- ge_einer_postwach.html sammenbrüche einzelner Systeme (Banken oder 4 vgl. z.B. www.streifzuege.org/2011/niko-paech-gute-teilkri- tik-fragwuerdige-analyse-schlechte-alternative 6 http://de.wikipedia.org/wiki/Wachstumsrücknahme; 5 www.surrey.ac.uk/ces/people/tim_jackson vgl. auch http://en.wikipedia.org/wiki/Degrowth

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 11 ganzer Volkswirtschaften) auch dramatisch negati- Dass ein Zusammenbruch der Systeme nicht erst in ve Auswirkungen für das Gesamtsystem, wie spä- ferner Zukunft, sondern noch in diesem Jahrhun- testens der Zusammenbruch von Lehman Brothers dert zu erwarten ist, wenn keine grundsätzlichen 2008 in den USA gezeigt hat. Veränderungen vorgenommen werden, darauf Wachstum ist einerseits nötig, um da, wo Mangel deuten die Aussagen vieler Experten hin.8 Dennoch herrscht, die fundamentalen Bedürfnisse der Men- ist im wissenschaftlichen Diskurs die Frage unge- schen zu befriedigen und die gewachsene Zahl an klärt, wie ein System, das diesen Anforderungen Individuen zu ernähren. Andererseits sind die Res- genügt, im Einzelnen aussieht. sourcen, mit denen wir unsere Bedürfnisse durch Produktion und Austausch von Waren befriedigen, Neben dem Problem eines neu zu denkenden öko- nicht unendlich. Vor allem die fossilen Ressourcen, nomischen Systems und der wirtschaftswissen- die nicht nur Energielieferant, sondern auch Pro- schaftlichen Theorie stellen sich weitere ungelöste duktionsgrundlage sind (Plastik), sind nicht erneu- Fragen in soziologischer, politischer und psycholo- erbar und gehen rapide zur Neige (). gischer Hinsicht: ƒƒ Wie gelangt man von einem alten Systemzu- stand in einen neuen? ƒƒ Welche „Kosten“ und Risiken (z.B. Verluste an menschlichem Leben in einer revolutionären Transformation eines Systems) dürften der Preis dafür sein? ƒƒ Soll, darf – und wenn ja – wie kann man große Massen von Menschen dazu bringen, ihre ver- trauten, lebenslang als „alternativlos“ verstan- denen Verhaltensmuster infrage zu stellen und anders leben zu wollen und zu können? ƒƒ Wie bringt man Entscheidungsträger auf allen Systemebenen, in Unternehmen und Banken, in nationalen Regierungen und transnationalen Institutionen dazu, nachhaltig, systemisch und langfristig zu denken und andere Entscheidun-

Darstellung der Geschichte der Kohlendioxid-Konzentration in der gen – auf andere Weise und auf anderer Grund- Atmosphäre. Hannes Grohe, wikimedia, CC-BY-SA-2.5 lage – zu treffen als bisher?

Unstrittig scheint zu sein, dass weder das indivi- duelle Verhalten Einzelner noch eine wissenschaft- Ein Wirtschaftssystem, dessen Motor auf Wachstum liche Erklärung oder eine isolierte politische Ent- beruht, muss daher diese Endlichkeit ausreichend scheidung „von oben“ allein in der Lage sind, das in seine Systembedingungen einrechnen und be- Problem zu bewältigen. arbeiten. Tut es das nicht, wird es unweigerlich ir- gendwann an sein Ende kommen, da es seine ei- Die Folgen des ungelösten Dilemmas genen Existenzgrundlagen buchstäblich „auffrisst“. Der nicht nachhaltige Ressourcenverbrauch un- Die eigenen Existenzgrundlagen (durch das Zurück- ter dem Wachstumsgebot des Wirtschaftssystems halten oder die Eigenproduktion der benötigten führt nicht nur zu einem frühzeitigen Ende der nicht Ressourcen) zu erhalten anstatt (durch kompletten nachwachsenden Rohstoffe. Das Wirtschaftssystem Verbrauch) zu vernichten – das ist die Bedeutung verursacht aufgrund seiner Präferenz kurzfristiger des Begriffs der Nachhaltigkeit7. Nur nachhaltige Profite auch noch eine Vielzahl anderer negativer Systeme können auf Dauer existieren. Unser be- Effekte, die sich zum Teil wechselseitig durch Rück- stehendes weltweites Wirtschaftssystem kann das kopplung verstärken, wie z.B. bisher nicht. ƒƒ fortschreitender Klimawandel aufgrund des Treibhauseffekts – die neuerdings auftretenden Methangas-Explosionskrater auf dem sibiri- 7 Nach der Definition der Weltkommission für Umwelt und schen Festland und am Meeresboden in der Entwicklung (Brundtland Bericht) ist eine Entwicklung Arktis sind höchstwahrscheinlich Folgen des nachhaltig, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und 8 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachs- ihren Lebensstil zu wählen.“ Vgl. z.B. www.nachhaltigkeit. tums und Robert und Edward Skidelsky: Wie viel ist genug? info/artikel/brundtland_report_1987_728.htm München 2012

12 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Auftauens der Permafrostböden und verstär- Während Fettleibigkeit mit ihren Folgen Diabetes, ken wiederum den Treibhauseffekt9; Herzinfarkt und Schlaganfall in Industrie- und ƒƒ Umweltschädigungen mit komplexen, z.T. Schwellenländern weiter zunimmt17, scheiterte irreversiblen Folgen – z.B. durch die Ver- der ehemalige New Yorker Bürgermeister Michael schmutzung der Meere mit Plastikmüll, Bloomberg 2013 mit seinem Vorstoß zum Verbot Übernutzung und Erosion von Böden durch der XXL- Becher an der Klage der Soft-Drink-In- Monokulturen, Entwaldung und Überfischung, dustrie. „Der US-Getränkeverband American Be- durch die Methode des Fracking10 mit bereits verage Association nahm das Urteil des Gerichts bekannten und noch nicht absehbaren vielfäl- ‚mit Erleichterung‘ auf“18. tigen negativen Folgen, u.a.; Tim Jackson fasst den Wachstumszwang beim ƒƒ Umweltkatastrophen aufgrund von ungenü- Konsum ironisch wie folgt zusammen: „Wir kau- genden Sicherheitsstandards – z.B. die Ex- fen Dinge, die wir nicht brauchen, von Geld, das plosion der Deepwater Horizon im Golf von wir nicht haben, um Eindrücke, die nicht von Dauer Mexiko 2010.11 sind, bei Leuten zu hinterlassen, die wir eigent- lich gar nicht mögen“19. Das Ökonomische ist Trotz (oder wegen) des ungehemmten Wirtschafts- untrennbar mit dem Sozialen verschränkt. Über wachstums ist es bisher nicht gelungen, die auf den ‚symbolischen Warenwert‘ werden einerseits 7 Milliarden Menschen angewachsene Weltbe- gesellschaftlicher Status, Zugehörigkeit und Sinn völkerung ausreichend zu ernähren und allen ein realisiert; andererseits können durch den ‚abneh- menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.12 Im menden Grenznutzen‘ die gewünschten Effekte Gegenteil: Seit der Jahrtausendwende wächst die durch rein quantitative Zunahme immer weniger Verteilungs-Ungerechtigkeit zusehends, sowohl eintreten.20 innerhalb der nationalen Ökonomien13 als auch global zwischen den Ländern bzw. Regionen.14 Das führt bereits seit Jahren sichtbar zu neuen Dimen- sionen des Flüchtlingsproblems und zur Zunahme gewalttätiger Auseinandersetzungen als Folge der Vernichtung von ökologischen und ökonomischen Lebensgrundlagen.15 Der ökonomische Zwang zum Wachstum hat auch Folgen in der derzeitigen Form der „Weltarbeitsteilung“, z.B. für die Textilar- beiterinnen in Bangladesch16.

Auf der anderen Seite hat sich das Wachstumsprin- zip auch für den Konsum quasi verselbständigt: Quantitatives Wachstum erscheint nicht nur als die Antwort auf alle Wirtschaftsprobleme, son- dern auch als die Strategie der Wahl zur Befriedi- gung aller menschlichen Bedürfnisse überhaupt.

9 Vgl. z.B. www.welt.de/wissenschaft/umwelt/artic- le13745150/Tauender-Permafrost-wird-zur-Methangas- Bookcrossing ist eine weltweite Bewegung zur kostenlosen Wei- Schleuder.html; eine einführende Übersicht über die Folgen des Klimawandels: http://de.wikipedia.org/wiki/ tergabe von Büchern. Auf der Website www.bookcrossing.com Folgen_der_globalen_Erwärmung kann man sein Buch registrieren. Eine Nummer und der Hinweis 10 Vgl. z.B. www.geo.de/GEO/natur/oekologie/erdgasfoerde- auf die Internetseite werden im Buch eingetragen. Wer ein Buch rung-fracking-das-sollten-sie-wissen-74451.html 11 Vgl. z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Deepwater_Horizon findet, kann sehen, woher es kommt und dem „Besitzer“ schrei- 12 Vgl. z.B. www.dw.de/kaum-fortschritte-im-kampf-gegen- ben und es anschließend wieder „freilassen“. hunger/a-17130586 Hainsh, wikimedia, CC BY 4.0 13 Vgl. die Veränderungen im Gini-Koeffizienten der OECD- Länder zwischen 1985 und 2008 www.oecd.org/berlin/ presse/einkommensungleichheitnimmtoecd-weitzuin- deutschlandbesondersschnell.htm bzw. weltweit vgl. www..com/node/21564414 17 Vgl. z.B. www.ifb-adipositas.de/blog/2013-02-08-adiposi- 14 Vgl. z.B. www.blz.bayern.de/blz/web/100111/297_322_nida_ tas-ein-weltweites-problem ruemelin_IP.pdf 18 www.zeit.de/lebensart/essen-trinken/2013-03/new-york- 15 Vgl. z.B. Harald Welzers Studie „Klimakriege. Wofür im softdrink-becher-verbot-urteil 21. Jahrhundert gestorben wird“ www.sueddeutsche.de/ 19 Tim Jackson, Wohlstand ohne Wachstum, München 2009, wissen/klimakriege-gewalt-als-loesung-1.203242 auf der DVD 16 Vgl. z.B. www.tagesschau.de/ausland/textilfabrik-bangla- 20 http://notionscapital.wordpress.com/2013/01/18/coke- desch100.html corpulence

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 13 Alternativen Alternative Lebensstile und Geschäftsmodelle beru- Welche Denkrichtung auch immer man bevorzugt hen auf Prinzipien des Tauschens, Teilens, Leihens – am Versuch, die Komplexität des oben dargestell- von Gütern, auf der Wiederverwendung von Res- ten Problems zu begreifen, kommt niemand vorbei. sourcen und der Umgestaltung und Reparatur statt Erst die Erarbeitung eines solchen Verständnisses des Neukaufs von Waren. Diese Modelle und neue schafft die Grundlage für rationale Entscheidungen Anwendungsideen verbreiten sich vor allem über zur Annäherung an eine Problemlösung. Modelle, Internetplattformen. Ohne das Internet wären au- die Erklärungen und Lösungen des Problems ver- ßerdem viele funktionierende Tausch- oder Leihak- sprechen, sind also darauf hin zu prüfen, ob sie tivitäten in größerem Umfang kaum möglich.21 Zu- dieser Komplexität gerecht werden oder ob sie nur dem bietet das Internet Reparatur-Anleitungen. Die einen Aspekt hervorheben und das Gesamtprob- Akzeptanz von Vegetarismus und Veganismus als lem auf diesen reduzieren. Ansätze, die einseitig Alternative zu Fleischkonsum und Viehzucht nimmt auf die Änderung des individuellen Konsumver- zu.22 Strategien zur Vermeidung von Verschwen- haltens setzen bzw. umgekehrt die Änderung der dung und von Müll verbreiten sich. Die alternati- Wirtschaftspolitik oder der Weltpolitik zur Voraus- ven Lebensstile begründen neue Geschäftsfelder, setzung des individuellen Handelns erklären, se- und rund um die neuen Strategien entstehen neue hen sich dann der Kritik ausgesetzt, für eine über- Geschäftsmodelle. zeugende Lösung zu simpel zu sein. Auch wenn in alternativen Lebensstilen und Geschäftsmodellen allein die Lösung des gesamtgesellschaftlichen Pro- blems nicht liegen kann, sind diese doch notwendi- ge Erprobungen neuer Ideen und zeigen außerdem öffentlich, dass menschliche Verhaltensmuster und ökonomische Systeme kulturhistorisch bedingt und 21 Vgl. z. B. die Plattform http://mundraub.org – eine inter- aktive Online-Karte zur kostenlosen Obsternte – oder die keineswegs alternativlos sind. Und wer ausprobiert Flohmarkt-App „Shpock“, die Secondhand-Angebote in der hat, wie er Sinn bilden und Bedürfnisse befriedigen Umgebung zeigt und über das Internet verkauft. kann, ohne dass er neue Produkte kaufen muss, der 22 Zum Problem in den Schwellenländern vgl. den interessan- ten Artikel von Hilal Sezgin, Armes Tier. Fleischproduktion hat auf jeden Fall mehr eigenen Handlungsspiel- global, in www.monde-diplomatique.de/pm/2014/08/08/ raum gewonnen. a0002.text

Repair Café: Selbsthilfewerkstatt zur Reparatur defekter Gegenstände Leo Fellinger, flickr.com, CC BY-NC-ND 2.0

14 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie / Denkmodelle

Die bisher entwickelten alternativen wirtschaftstheoretischen Ansätze* kann man grob folgenden Denkmodellen zuordnen: 1. Das Modell der Entkopplung von Wachstum und Ressourcen: Wirtschaftswachstum bleibt die entscheidende Kategorie, aber der Ressourcenverbrauch braucht dabei nicht zu wach- sen. Die Entwicklung neuer Technologien wird effizientere Ressourcennutzung (und Müllvermeidung) erlauben. 2. Das Modell der Green Economy: Wachstum soll mehr (oder ausschließlich) in den Berei- chen gefördert werden, wo nachwachsende statt fossile Ressourcen genutzt werden. 3. Das Modell der Unterscheidung von physischen und ideellen Ressourcen: Die Weltwirtschaft kann und soll sich in die Richtung entwickeln, nicht-materielle Ressourcen zur Haupt- grundlage des Wirtschaftens zu machen – z.B. „Informationen und Wissen“ oder „Dienst- leistungen“ –, und dabei Wachstum als Kernkategorie ihres Funktionsmechanismusses beibehalten. 4. Das Modell der Wachstumsrücknahme (, Décroissance): Wachstum muss generell als Kernkategorie der Ökonomie abgelöst werden.

* Diese Modelle werden in der Publikation von Tim Jackson diskutiert (A PDF auf der DVD).

Die Möglichkeiten der Schule lerinnen und Schüler zu befähigen, systemisch zu Längst hat sich in der Öffentlichkeit ein Bewusst- denken und weder unterkomplexe Erklärungsmo- sein über die Grenzen des Wachstums und die Pro- delle noch simple Lösungsangebote zu akzeptieren. bleme der globalen Ökonomie verbreitet. Kinder Da die Gesellschaft auf der Suche nach brauchba- und Jugendliche fragen sich, wie ihre Welt in Zu- ren Erklärungsmodellen und Lösungsansätzen ist, kunft aussehen wird. Die Schule, deren Mitglieder kann die Schule außerdem das Interesse von Schü- sie sind, ist der Ort, wo eine ganze Generation über lerinnen und Schülern fördern, auf dem Gebiet der die oben skizzierten Probleme und über Lösungs- Gesellschaftswissenschaften (Ökonomie, Soziolo- wege nachdenken kann. Sie bietet die Gelegenheit, gie, Politikwissenschaft, Psychologie) ihre spätere die Komplexität des Wachstumsthemas verstehen Tätigkeit zu suchen und einen eigenen Beitrag zur zu lernen. Sie hat daher die Verantwortung, Schü- Entwicklung solcher Modelle und Ansätze zu leis- ten. Aber es geht nicht nur um die Berufsperspektive. Einen ei- genen Beitrag zur nachhaltigen Gesellschaft leisten zu wollen und zu können, bezieht sich auch auf die individuelle Lebensfüh- rung, die Wahl des eigenen Le- bensstils und die Entscheidun- gen im Alltagsverhalten.

Damit die Schule diese Aufgabe, die die Schülerinnen und Schü- ler ja existenziell ansprechen und orientieren soll, erfüllen kann, muss sie diese wirklich als Personen erreichen. Dazu kann ihnen die Schule vorbildhaft und glaubwürdig helfen, die Kompetenzen zu entwickeln, die sie brauchen, um ihr Leben nach Critical Mass: In vielen Orten der Welt treffen sich regelmäßig Radfahrer, um ihren Bedürfnissen gestalten zu darauf aufmerksam zu machen, dass sie ebenso wie motorisierte Fahrzeuge können, wenn die Schülerinnen Teil des Straßenverkehrs sind. Die Critical Mass in Hamburg ist die größte und Schüler schon beim Lernen monatliche Demonstration dieser Art in Europa. in der Schule erleben, dass ihre Attila Magyar, flickr.com, CC BY-SA 2.0

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 15 aktuellen Lebens- (und Lern-) Bedürfnisse respek- Sie muss – in Übereinstimmung mit dem Kompe- tiert werden. In der Behandlung des Themas liegt tenzbegriff Weinerts23 – auch persönlich erfahren die Chance zu einer tiefgreifenden Einsicht in die werden. gesellschaftliche Verantwortung der eigenen Le- Um dies zu ermöglichen, legt das „Projekt Post- bensführung, aber auch das Risiko einer Überwäl- wachstum“ neben den sachlichen Inhalten, die es tigung. Es darf daher bei den Jugendlichen nicht vermitteln will, daher auch ein besonderes Augen- der Eindruck entstehen, die Schule wolle deren merk auf die dazu passenden didaktisch-methodi- Leben einem „größeren Ziel“ oder „Menschheits- schen Prinzipien des Unterrichts. wohl“ unterwerfen. Erst wenn das Missverständ- nis ausgeräumt ist, mit moralischem Druck in die persönliche Lebensführung eingreifen zu wollen, kann sich in der kritischen Reflexion der globalen Problemlagen die Überzeugung herausbilden, dass die persönlichen Bedürfnisse letztlich und 23 Nach Franz E. Weinert ist Kompetenz „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven langfristig nur im Einklang mit dem Respekt vor Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme den Lebensbedürfnissen aller anderen Menschen zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, zu realisieren sind. Denn die zunehmende wech- volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolg- selseitige Abhängigkeit aller von allen in einer ver- reich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Franz netzten „Weltgesellschaft“ wird nicht ausreichend E. Weinert, Vergleichende Leistungsmessung in Schulen. verstanden, wenn sie bloß normativ verkündet Eine umstrittene Selbstverständlichkeit, in: ders. (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim u. Basel (Beltz) bzw. ausschließlich kognitiv „gewusst“ wird. 2001, S. 27f)

„Shanghaiairpollutionsunset“ (Sonnenuntergang in der Luftverschmutzung von Shanghai) Suicup, wikimedia, CC BY-SA 3.0

16 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Didaktisch-methodische Prinzipien und Hinweise

Der Projektlernprozess nach Dewey

Schülerinnen sammeln Ideen Max v. Redecker, CC-BY-SA

Das hier vorgestellte und an einer Hamburger Schu- Am Ende dieser Publikation liegen die Arbeitsblätter le erprobte Projektmodell folgt dem Projektlernpro- der Projektmappe, in denen die Schülerinnen und zess nach Dewey24. Es unterscheidet sich vom tradi- Schüler einerseits eigene Gedanken und Skizzen tionellen Unterricht in mehrfacher Hinsicht. Darum notieren und andererseits methodische Hilfen er- werden im Folgenden die didaktischen Prinzipien halten (S. 44 ff). und Hinweise zu ihrer Umsetzung vorgestellt. Die Unterrichtsmaterialien liegen auf einem Web- log, zu dem nicht nur Lehrkräfte und Lernende, 1 Lernverständnis sondern die gesamte Öffentlichkeit Zugang hat. Als Um das Lernen an einem großen Gegenstand (hier: inhaltliche Ressourcen sind sie nicht didaktisch be- „Postwachstum“), das in der Regel ja zunächst ein arbeitet oder reduziert. Es handelt sich um Original- Vorhaben der Lehrkraft ist, zu einem Lernvorhaben materialien aus der medialen Umwelt, thematisch jedes einzelnen Schülers zu machen, ist eine Indi- ausgewählt und zusammengestellt aus der (Über-) vidualisierung nötig, die die eigenen Fragen jeder fülle des Internets. Diese Materialauswahl stellt ei- Schülerin und jedes Schülers zum allgemeinen Un- nerseits eine Komplexitätsreduktion für die Schüle- terrichtsgegenstand in den Mittelpunkt ihrer Lern- rinnen und Schüler dar, andererseits bildet sie ein tätigkeit stellt. Reservoir an Anregungen zu verschiedenen Aspek- ten des Projektthemas. Mehr dazu in den Hinweisen Lernen ist immer ein individueller Vorgang, wenn zur Arbeit mit dem Weblog (S. 29 ff). Darüber hinaus es um das Lernen von Individuen (nicht Organi- enthält diese Publikation eine DVD mit weiterfüh- sationen) geht. Die eigentliche Lerntätigkeit eines renden Materialien (ebenfalls nicht didaktisiert) zur Individuums geht einher mit der Entwicklung einer Information der Lehrkraft und zur Verwendung im individuellen, einzigartigen Beziehung zu dem Ge- Unterricht. genstand, der gelernt werden soll. Diese Beziehung Anstatt auf die didaktische Bearbeitung einzel- ist sowohl Voraussetzung als auch Produkt des Ler- ner Materialien fokussiert die didaktische Arbeit nens, und sie ist veränderlich. Es geht auf Seiten in diesem Modell auf die Gestaltung der Lernum- der Lehrertätigkeit also darum, den Unterricht so gebung, d.h. auf die Prozessstruktur und auf das zu gestalten, dass er jedem beteiligten Individuum Lehrerhandeln. ermöglicht, eine eigene Beziehung zum Lerngegen- stand einzugehen und sie explizit wahrzunehmen, zur Diskussion zu stellen und zu bearbeiten.

24 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Projektunterricht

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 17 Um das für alle Schüler leisten zu können, muss die Aufgabe komplex und weit sein – und damit eine Vielzahl an „Sinnangeboten“ enthalten –, damit trotz der individuellen Unterschiede der äußeren und inneren Umwelten alle ihren persönlichen Sinn darin finden können. Die komplexeste Aufgabe für alle Schülerinnen und Schüler lautet daher, den allgemeinen Lern-Gegen- Schülerinnen und Schüler bereiten die Präsentation stand zu einem persönlich bedeutsamen Thema zu ihrer Perspektive vor Max v. Redecker, CC-BY-SA machen, d. h. „echte eigene“ Fragen zu entdecken, eine „Forschungsfrage“25 zu entwickeln und diese in Diese eigene Perspektive ist nicht erst dann zuläs- einem passenden Arbeitsvorhaben mit geeigneten sig oder möglich, wenn zuvor genügend Fakten Materialien, Methoden und Instrumenten zu bear- über den Gegenstand gelernt wurden. Eine eigene beiten. Von „echten eigenen“ Fragen sprechen wir Perspektive ist stattdessen – wie rudimentär oder deswegen, weil im traditionellen Unterricht zwar vage auch immer – von Anfang an vorhanden. viele Fragen gestellt werden, diese jedoch in aller Manchmal fragen wir Lehrkräfte diese implizit als Regel entweder „didaktische“ Lehrerfragen, vorge- „Vorwissen“ ab. Meistens geht es dabei um objek- gebene Fragen zu Gegenständen und Problemen tiviertes Wissen („Fakten“), nicht um die persönli- oder aber von Schülerseite einfache Nachfragen che Beziehung der Lernenden zum Thema. Aber nur zum Verständnis von Textaussagen oder Lehreran- wenn diese Beziehung, dieses subjektive Wissen weisungen sind. Was demgegenüber „echte eige- von der Lehrkraft und der Lerngruppe respektiert ne“ Fragen sind, kann man sich an der Beschrei- und begrüßt und nicht sofort als „Falschwissen“ bung von Gallin und Ruf klar machen: zurückgewiesen oder als „Nichtwissen“ geleugnet wird, kann sie Ausgangspunkt und Zentrum eines erfolgreichen Lernprozesses werden. Wir brauchen „Das Problem beim Lernen sind die Fragen. sie, denn ohne eine solche persönliche Beziehung Mit den Fragen beginnt das Verstehen. Und Fragen zum Gegenstand bleibt jedes Lernen rein äußerlich. kann man nicht vermitteln, man kann sie weder Erst die Beziehung ermöglicht das, was man Verin- lehren noch lernen. Fragen kann man sich, genau nerlichung (Vygotskij: Interiorisierung) von Wissen genommen, nicht einmal stellen; sie stellen sich nennt. Wenn man merkt, dass ziemlich bald nach ein. Erst wenn sich einem eine Frage wirklich einer Prüfung „der Stoff“ schon nicht mehr im Ge- stellt, versteht man sie.“26 dächtnis „haftet“, dann hat keine Interiorisierung stattgefunden. Lernen ist immer eine Modifizierung bereits vor- 2004 handener Sichtweisen auf und Vorstellungen von einem Gegenstand, aber der Akt der Modifizierung kann nur vom Lernenden vorgenommen werden – nicht vom Lehrenden. Die dazu nötigen Freiheiten für die Selbststeuerung der Lernenden erfordern Ergebnisoffenheit auf der konkreten Inhaltsebene. 1909 Je freier die Unterrichtsform und je offener die inhaltliche Ergebniserwartung, desto wichtiger werden drei Aspekte, die die Steuerung durch die Lehrperson betreffen: Vergleich der Fotos vom McCarty Glacier Wichtig ist eine anregende, herausfordernde in Kenai Fjords National Park, Alaska. Aufgabenstellung. CC-BY-SA Wikimedia Commons, public Anregend und herausfordernd ist eine Aufgabe domain http://commons.wikimedia.org/ dann, wenn sie allen Schülern ermöglicht, einen wiki/File:McCarty_Glacier.jpg ) persönlichen Sinn darin zu sehen, sie zu bearbei- ten. Die Schüler müssen sie als bedeutsam für ihre 25 Mit „Forschungsfrage“ ist hier nicht eine wissenschaftliche Welt erleben können. D.h. sowohl für ihre äußere Forschungsfrage gemeint, wohl aber das, was wir „wissen- schaftspropädeutisches Arbeiten“ (in der Sekundarstufe Umwelt als auch für ihre innere Welt der persönli- I und II) und entdeckendes Lernen (in der Primarstufe) chen Erlebnisse, Ideen, Fragen und (Entwicklungs-) nennen. Probleme – kurz für ihre eigene psychische Welt. 26 Peter Gallin, Urs Ruf, Dialogisches Lernen in Sprache und Mathematik, Seelze 1999, S. 37

18 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Fragen, die sich „einem wirklich stellen“, bilden die dürfen, dass ein solcher Beitrag für sie tatsächlich mächtigsten Lernmotive. Daher müssen die Lehr- möglich ist. Damit das gelingt, brauchen sie profes- kräfte hinter solchen Fragen her sein. Natürlich kann sionelle Unterstützung durch die Lehrkraft. man auch mit vorgegebenen Fragen lernen – wenn man sie sich als Lernender „zu Eigen machen“kann, Wichtig ist eine sorgfältige Vorausplanung d.h. sie als persönlich sinnvoll erlebt. Erfolgreiche Vorausgeplant werden muss die Struktur des Lern- Schüler haben das – wo auch immer – gelernt. Aber projekts und die Bereitstellung von Ressourcen – auch sie müssen lernen, ihre eigenen Fragen zu ent- Materialien, Methoden, Medien, Personen, Räu- wickeln und die Möglichkeiten entdecken können, men und Zeit. diese selbstständig und nach eigenen Vorstellun- Im Unterschied zu traditionellem Unterricht, der gen zu bearbeiten. Denn obwohl einerseits im Stu- v.a. inhaltsorientiert geplant wird und gegebe- dium (wieder) viele Dinge vorgeschrieben werden, nenfalls Entscheidungsfreiheit lässt, auf welchem wird andererseits gleichzeitig ein hohes Maß an Wege und in welcher Geschwindigkeit die inhaltlich Selbststeuerung, kritischem Denken und Kreativi- vorgegebenen Ergebnisse erreicht werden dürfen, tät vorausgesetzt. Wo Selbststeuerung und Selbst- lässt der Projektunterricht die Ergebnisse offen und verantwortung entstehen sollen, da braucht es ein überlässt ihre Konkretion den individuellen und adäquates Maß an Freiheit und Selbstbestimmung. Gruppen-Lernprozessen. Das Hauptaugenmerk der Bezüglich des Lernens ist der passende Raum da- Vorausplanung liegt statt auf der Sach- und Ergeb- für vor allem in der Chance zu finden, persönliche, nisebene auf den Prozessen, die weder automatisch „echte eigene“ Fragen zu einem Thema formulieren noch wild und beliebig ablaufen, sondern nach und bearbeiten zu dürfen. Häufig äußern Schüler einer gewissen Eigengesetzlichkeit. Diese Eigen- in Feedbacks zu Projekten übereinstimmend, dass gesetzlichkeit muss durch eine passende Struktur sie es besonders sinnvoll finden, an Problemen berücksichtigt werden. arbeiten zu dürfen, die „echt“ sind und nicht nur „aus didaktischen Gründen“ konstruiert wurden. Alle jungen Menschen haben das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeits-Erfahrungen27. Die meisten wollen gern „echte“ Lösungsbeiträge zu „ech- ten“ Problemen ihrer sozialen Umwelt beitragen. Sie müssen die Aufgabe also auch so formulieren

27 Dieser Begriff bezieht sich auf Albert Banduras Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung, vgl. http://de.wikipedia.org/ wiki/Selbstwirksamkeitserwartung Liegt die Zukunft im Recycling? Aus Plastik-Tüten werden Scha- len – aber nur ausnahmsweise. Zwar werden in Deutschland mehr als 90 % aller Plastikabfälle wieder eingesammelt – aber nur 43 % davon wird auch recycelt. Weit mehr als die Hälfte wird verbrannt. oben: mbeo, flickr.com,CC BY-NC-ND 2.0 unten: Sally, flickr.com, CC BY-NC 2.0

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 19 Schöner Wohnen: Schon in den 1970er-Jahren entwickelte der US-Architekt Michael Reynold seine „Earthships“ – Häuser, die zum großen Teil aus Zivilisationsabfällen errichtet werden, über eine autarke Wasserversorgung verfügen und ohne klassische Heizung auskommen. Weltweit gibt es ca. 3.000 Häuser, die nach diesem Prinzip errichtet wurden. Jenny Parkins, flickr.com, CC BY-SA 2.0

Zu dieser Eigengesetzlichkeit gehört z.B. die Er- jektzyklus von der Initiierung bis zur (öffentlichen) nüchterungsphase (der Abfall der Motivationskur- Präsentation durchlaufen. Anzahl, Gestaltung und ve durch „natürliche“ Enttäuschung), die unwei- Abfolge der einzelnen Projektphasen und Projekt- gerlich in fast jedem ambitionierten Lernprojekt schritte sind dabei nicht beliebig. auftritt: Nach anfänglicher Begeisterung in der Pla- nungsphase darüber, was die Lernenden erreichen Sie folgen den 7 Projektphasen wollen, entsteht in der Durchführung bald eine Des- (L Grafik nach Emer/Lenzen). illusionierung und eine realistischere Sicht auf das Erreichbare. Notwendigerweise muss für eine weit tragende Motivation zunächst eine idealisierende Wunsch-Vorstellung entwickelt werden, und kei- nesfalls darf am Anfang schon zu sehr abgewiegelt 7 und Realismus angemahnt werden. Die vorherseh- auswertung bare Ernüchterung durch die sichtbar gewordenen 6 weiterführung Realitäten muss jedoch aufgefangen werden, damit 1 die Motivation sich stabilisieren kann und das Pro- Initiierung jekt nicht etwa resigniert aufgegeben wird. 5 Eine chinesische Weisheit lautet: „Du musst nach ation präsent einsti2eg dem Mond zielen, um über den nächsten Zaun zu springen.“ Bezogen auf die Lehrerarbeit bedeutet planung 4 das: Diese Ernüchterung muss eingeplant werden. 3 Zum Auffangen der Enttäuschung müssen geeig-

nete Methoden, Instrumente oder Impulse bereit- durchführung gestellt und es muss Zeit eingerechnet werden, in der die Lernenden ihre Ziele möglicherweise rea- listischer umformulieren oder neu setzen können. Die Lehrkraft muss außerdem für die notwendige Prozessreflexion und emotionale Unterstützung Wichtig ist eine verantwortungsvolle Anleitung sorgen, damit die Schülerinnen und Schüler ihren Gruppen- und individuelle Lernprozesse in schu- „Sprung über den nächsten Zaun“ schaffen und ihn lischen Projekten bedürfen einer Anleitung. Denn als befriedigendes Ergebnis empfinden können. keineswegs bedeutet Selbstständigkeit beim Ler- Für die Bearbeitung einer komplexen Aufgabe im nen, dass die Lernenden alles allein herausfinden gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht eignet müssen und keine Unterstützung erfahren. Wichtig sich besonders das Lernformat Erkundungsprojekt: ist zu verstehen, wo die Anleitung gebraucht wird In einem zugleich individuellen und kollaborativen und wo stattdessen Freiraum gegeben werden (gemeinschaftlichen) Lernprozess wird ein Pro- muss. Projektlernen verlangt gerade Anleitung und

20 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Unterstützung im Bereich der Methoden und Proze- Lieferant der Perspektive des „Anderen“ und als duren, d.h. der Arbeits- und Denkroutinen. Demge- kollektive Intelligenz. Gegenseitige Hilfe ist ebenso genüber überlässt der Unterricht nach der Projekt- erwünscht wie kritisches Hinterfragen. Die Stimu- methode den lierung durch die Heterogenität der Lerngruppe ist Autonom und angeleitet zugleich, denn Jugendlichen hierfür mindestens ebenso eine Ressource, wie sie selbstständig heißt nicht alleine. die Wahl der Herausforderung ist. einzelnen In- halte und hält die konkreten Ergebnisse offen. Es geht also selten um die Präsentation von „Stoff“ durch die Lehrkraft, stattdessen aber häufig um Hinweise und Hilfen zu konzeptuellen, prozedu- ralen und metakognitiven Aspekten der Wissens- bildung. Allgemein gesagt: Die Lehrkraft hilft den Lernenden, ihre Lernprozesse bestmöglich so zu organisieren, dass sie über ihre bisherigen Gren- Elektromobilität: „Stuttgart wird Schaufester für zukunftsfähige Mobilität“ zen hinausgelangen. heißt es schon 2011, als in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs u.a. von Das bedeutet keineswegs, dass von Inhalten abs- Ministerpräsident Winfried Kretschmann (4. v. l.) das automobile Elektrozeital- trahiert nur auf der Meta- oder Prozessebene inter- ter eingeläutet wird. Derzeit (2015) sind in Deutschland erst 19.000 Elektro-PKW veniert wird. Ein inhaltsbezogener – und implizit unterwegs – bei einem Gesamtbestand von über 44 Mio. Sind Elektroautos die prozeduraler – Hinweis ist z.B. die Aussage: „Nach Lösung aller Verkehrsprobleme? Staatsministerium Baden-Württemberg, flickr. dem, was du bisher gesagt hast, leuchtet mir noch com, CC BY-NC-ND 2.0 nicht ein, warum es für die ganze Welt besser wäre, wenn in den Industrieländern weniger Fleisch ge- Um die Ressourcen einer Lerngemeinschaft nutzen gessen würde.“ Ein explizit prozeduraler Hinweis zu können, sind jedoch ein entsprechendes Setting mit höherem Abstraktionsgrad zum selben Pro- und eine Moderation nötig, die den Lernenden ihre blem könnte so lauten: „Ich sehe noch nicht den hier beschriebene Rolle ermöglicht und bewusst Zusammenhang zwischen Individuellem und Ge- macht. Die dazu gehörige Haltung bildet sich beim sellschaftlichem – bzw. Regionalem und Globalem.“ Aufbau der nötigen Routinen. Wie die Lehrkraft mit Wie die Lehrkraft ihre Anregung vermittelt, hängt den Schülerinnen und Schülern spricht, hat dabei selbstverständlich von den Voraussetzungen der eine (Vorbild-)Wirkung auf die Art, wie diese in Gruppe bzw. des Einzelnen und von der konkreten solchen Peer-Beratungen miteinander sprechen. Situation ab. Wenn die Lehrkraft z.B. aus der Perspektive ihrer eigenen Lernerfahrungen spricht, dann fangen die 2 Lernende im Projekt Schülerinnen und Schüler auch damit an: „Ich ken- Mit persönlichem ne diese Situation. Mir hilft dann, mir Sinn individuell zu klar zu machen, dass …“. Wichtig ist, Individuell und kollaborativ zugleich, lernen bedeutet nicht, dass Lehrende und Lernende sich da- denn die eigene Perspektive entsteht dass alleine und iso- ran gewöhnen, über den Prozess des nur im Spiegel der anderen liert von anderen ge- Lernens selbst zu sprechen. lernt wird. Die Lern- gemeinschaft einer Projektgruppe (der Kurs, die Klasse) spielt im Gegenteil sogar eine bedeutsame- re Rolle für jeden Einzelnen als im üblichen Neben- einander oder gar in der Konkurrenz der einzelnen Schülerinnen und Schüler im traditionellen Unter- richt. Dabei geht es weniger um die klassische Ar- beitsteilung in Gruppenarbeitsepisoden, in denen vorgegebene Teilaspekte unabhängig voneinander erarbeitet und am Ende zu einem Ganzen zusam- mengesetzt werden (kooperatives Lernen). Mit kollaborativem Lernen (collaborative learning) ist vielmehr ein Austausch vielfältiger Perspekti- Ein Umsonstladen, Kost-Nix-Laden oder Schenkladen ist ein privates, ven, Kenntnisse und Einsichten zwischen den In- sozial oder politisch motiviertes Projekt, wo neue oder gebrauchte dividuen in der Gesamtgruppe gemeint. Jede(r) Gegenstände zur kostenlosen Mitnahme bereitgestellt sowie tauschfrei Lernende ist zugleich auch Lehrende(r). Die Lern- mitgenommen werden können. Überall auf der Welt sind sie inzwischen gruppe fungiert als Spiegel, Sparringspartner, zu finden, wie hier in Argentinien. AriArcoiri, wikimedia, CC BY-SA 3.0

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 21 3 Die Lehrkraft im Projekt gen), auf Probleme und Widersprüche hinweisen Die Lehrkraft moderiert Gruppenprozesse und berät und – je nach Fall – Lösungsstrategien (er-)finden die einzelnen Schülerinnen und Schüler, Tandems lassen, vorschlagen oder ggf. sogar anweisen. oder Kleingruppen. Sie bietet als Fachkraft für Lern- „Worauf möchtest du hinaus?“, „Was ist schwierig?“, prozessgestaltung außerdem Material, Methoden „Was kommt als nächstes?“, „Wo und wie hast du und Instrumente an und ist für die Gestaltung des schon einmal ein ähnliches Problem gelöst?“, sind gesamten Lernprojekts verantwortlich, das sie vor- ressourcenorientierte Coaching-Fragen im enge- ausgeplant hat. Je professioneller die Lehrkraft die ren Sinne. Meistens sind auch Mitteilungen über Verantwortung für die äußere eigene Lernerfahrungen und beratende Vorschlä- / Moderieren Lernprozessgestaltung über- ge hilfreich („Hast du es schon mit einer Gegen- / Coachen nehmen kann, desto mehr überstellung von Merkmalen versucht?“). Manch- / Beraten können die Schülerinnen und mal sind auch Interventionen mit Anweisungen / Herausfordern Schüler ihr Lernen und dessen nötig („Du musst jetzt beginnen, wenn du genü- / Ermutigen Ergebnisse selbst steuern. gend Zeit für alles haben willst“). Die Bedeutung von ermutigendem Zuspruch, die Zuversicht und Die Lehrkraft ist auch Lernende. Einerseits ist sie es Selbstwirksamkeits-Überzeugung stärkt, kann gar den Gegenstand betreffend insofern, als sie durch nicht überschätzt werden – vor allem, wenn die Schülerbeiträge neue Perspektiven kennenlernt. Lehrkraft gleichzeitig herausfordernde Impulse zur Andererseits muss sie auch das gesamte Lernge- Steigerung der Qualität der Lernergebnisse gibt. schehen im Prozess wie ein Regisseur steuern, in- Auch die Lernenden untereinander sind eine wich- dem sie ihre Vorausplanung immer wieder situativ tige Beratungsressource. anpasst. In einem beteiligenden Projekt planen die Lernenden ausdrücklich in der kooperativen Pla- Im Lernprojekt sind daher genügend Gelegenhei- nungsphase mit. Insgesamt muss jedoch die Lehr- ten einzuplanen, die die „Peer-to-Peer-Beratung“ kraft aus den expliziten und impliziten Rückmel- ermöglichen, z.B. in einem regelmäßigen Klein- dungen im laufenden Prozess auch lernen, welche gruppenaustausch oder in einer Zwischenstands- Veränderungen auf den Ebenen von Struktur, Me- Konferenz der ganzen Lerngruppe. Auch schon bei thoden oder Instrumenten situativ nötig werden. der Schärfung der Forschungsfragen und dem Re- alitäts-Check der Arbeitsvorhaben ist die Beratung im Plenum der Lerngruppe sehr hilfreich. Gleichzeitig ist die Lehrkraft auch eine eigene Per- son, die vom Lern-Gegenstand ebenso persönlich „betroffen“ ist wie ihre Schülerinnen und Schüler und ihm nicht „neutral“ gegenübertreten kann. Je mehr die Lehrkraft ihre eigene Involviertheit in die Sache kennt, desto engagierter und stimulierender kann sie für die Bereitschaft ihrer Schülerinnen und Schüler sein, sich mit der Sache zu beschäftigen, da sie sich ihrer Nichtneutralität bewusst ist. Es geht weder darum, den Schülern die eigene Sicht auf die Sache aufzudrängen – das ist sogar explizit ver- boten (Beutelsbacher Konsens28) – , noch wäre es sinnvoll, so zu tun, als gäbe es Neutralität im Sin- ne einer „Nichtperspektivität“ von Wissen. In erster Linie geht es darum, die eigene Freude am Lernen Schülerinnen und Lehrer bei der Arbeit den Jugendlichen authentisch als Vorbild zu zeigen. Max v. Redecker, CC-BY-SA Auch die Lehrkraft kann am Ende des Lernprojekts der Lerngruppe ihr eigenes Lernergebnis mitteilen: Als Lernberaterin oder Coach verfolgt die Lehrkraft Inwiefern sieht sie jetzt den Gegenstand, ihr eige- unterschiedliche Strategien – je nach Art der Aufga- nes Steuerungswissen, die Personen in der Lern- be, die sich die Schülerinnen und Schüler gestellt gruppe neu? haben, und je nach den Fähigkeiten, die sie indivi- duell gerade haben. Wichtig ist dabei in erster Li- nie, die jeweiligen Lernabsichten der Jugendlichen zu verstehen und zu unterstützen. Daher muss die Lehrkraft vor allem Fragen stellen (sich hineinfra- 28 http://de.wikipedia.org/wiki/Beutelsbacher_Konsens

22 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Wohlstandsopfer: Jedes Jahr gelangen Millionen Tonnen Plastikmüll ins Meer – mit verheerenden Folgen für viele Tiere. Jahr für Jahr sterben u.a. zehntausende von Albatrossen am Plastik. Chris Jordan, wikimedia, CC BY 2.0

4 Ergebnisse Diskussion stellen, Fotos sammeln und kommen- Der traditionelle Unterricht, der für alle den Lernge- tiert anordnen, eine Podiumsdiskussion moderie- genstand als denselben präsentiert und vermeint- ren, ein Theaterstück schreiben und aufführen, ein lich „objektives“ Wissen über die Welt vermitteln Videointerview oder einen Rap gestalten). Gleich- möchte, muss am Ende vor allem die von allen auf zeitig sind diese Projektprodukte wiederum gute gleiche Weise gelernten „objektiven Fakten“ und Möglichkeiten, um reflexiv auf die eigenen Lern- ihre „richtige Interpretation“ abprüfen. Eine indi- ergebnisse zu schauen („Was haben wir uns da- viduelle Perspektive zum Gegenstand wird dann bei vorgestellt, ist es geworden, was wir gedacht allenfalls in der letzten Aufgabe abgefragt. Häufig haben?“, „Wie sind wir dorthin gekommen?“, „Wie wird dabei jedoch der abwägende Umgang mit ver- haben wir Schwierigkeiten gemeistert?“, „Gibt es schiedenen Sichtweisen anderer (aus Wissenschaft Widersprüche darin?“ und „Wie gehen wir weiter und Journalismus) erwartet. damit um?“). Dabei geht es immer sowohl um die Form der Präsentation als auch um deren Inhalt. Der hier entwickelte und vorgeschlagene Projekt- Unterricht geht im Gegensatz dazu von der persön- Die Präsentation der Ergebnisse und deren Eva- lichen Perspektive der Lernenden aus und führt am luierung durch die Lernenden ist außerdem ein (immer vorläufigen) Ende des Lernprozesses wie- Steuerungsinstrument für den Lernprozess, sowohl der dorthin zurück. Die Anfangsperspektive der ein- den der Gruppe insgesamt als auch der Einzelnen: zelnen Schülerinnen und Schüler kann sich dann Je öffentlicher der Rahmen, desto ernsthafter, modifiziert oder gar vollkommen verändert haben. engagierter und sorgfältiger wird aller Erfahrung Für die Evaluation bedeutet dies, dass neben der nach gearbeitet. Wenn ich nur der geschlossenen unvermeidlichen Bildung von Faktenwissen als Ne- Projektgruppe meine Produkte zeigen muss, dann benprodukt auch und vor allem konzeptuelles Wis- brauche ich mich weniger anzustrengen, als wenn sen („Zusammenhänge sehen“, „sich einen Begriff ich sie den Eltern, der Schulöffentlichkeit, fremden machen“) sowie prozedurales Wissen (Methoden, Experten, gar der „ganzen Welt“ (etwa in einer Web- Instrumente, Strategien der Wissensbildung) und Veröffentlichung) präsentieren werde. Die Produk- Metakognition (reflexives Lernen, „wie habe ich es torientierung und öffentliche Präsentation eines am Anfang gesehen, wie sehe ich es jetzt und wie Erkundungsprojekts ist in ihrer Bedeutung für die ist es zu dieser Veränderung gekommen?“) explizit Intensität und Ausdauer, mit der gelernt wird, nicht als Lernergebnisse gelten müssen. zu überschätzen. Sie ist gleichzeitig der notwendi- ge Gegenpol zum personalisierten Einstieg und zur Zur Exteriorisierung (Sichtbarmachen, Präsentati- individuellen Perspektive. Eine einseitige Betonung on) dieser Ergebnisse braucht es eine Vielfalt an des „geschützten Lernraums“ verhindert leider, Möglichkeiten (z.B. eigene Texte schreiben und zur diese Chance zu nutzen, und oft fühlen sich Schüler

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 23 innen und Schüler dann auch nicht ernsthaft ge- Die Lehrkraft sorgt dafür, dass sich die Schülerin- fordert. Andererseits muss auch die Lehrkraft dann nen und Schüler nicht mit den ersten oberflächli- besonders darauf achten, dass die Schülerinnen chen Ergebnissen zufrieden geben – nicht, indem und Schüler ihre selbst gesteckten Ziele erreichen, sie Oberflächlichkeit und vorschnelles Urteilen und daher die Beratungsqualität hoch ansetzen. kritisiert, sondern indem sie (Zwischen-)Ergebnis- Manchmal sind auch externe Berater (Eltern, Kolle- se mit inhaltlichen Fragen und neuen Fakten kon- gen, Freunde, Internetforen, YouTube-Anleitungen) frontiert oder auf Diskrepanzen zu den Ergebnissen nützlich. Und die Fähigkeit zu stärken, sich Hilfe or- von Mitschülern verweist. Dabei lernen die Schüler ganisieren zu können, gehört zu wichtigen Zielen auch, zwischen sachlichem Dissens und Kritik an des „Lernen-Lernens“. der Person zu unterscheiden. Voraussetzung dafür Multiperspektivität bedeutet nicht „anything goes“, ist allerdings, dass die Lehrkraft diese Unterschei- Beliebigkeit und Indifferenz. Die jeweils eigene Per- dung selbst in ihrem Verhalten zeigt. Eine Diskus- spektive modifiziert sich beim kollaborativen Ler- sionskultur, die auf gutes Argumentieren wert legt, nen und fügt sich in einen multiperspektivischen kann nur entstehen, wenn Dissens in der Sache als Zusammenhang auf einer übergeordneten Ebene etwas Begrüßenswertes kultiviert wird. Die Lust am ein („Worin besteht die Gemeinsamkeit in der Ver- Erkennen und am Denken – „gnostische Motive des schiedenheit?“). Sie muss sich erst recht in der öf- Lernens“ (Leont’ev) – können sich nur bilden, wenn fentlichen Präsentation als überzeugend erweisen, das Streiten um die besten Argumente zu einem nicht nur ihrem Inhalt nach, sondern auch in der Art regelmäßigen und wesentlichen Bestandteil des und Weise, wie sie gewonnen wurde. Unterrichts gemacht wird.

Urbane Landwirtschaft: Mitten in Freiburg wächst in der Nähe des Theaters Gemüse. www.stadtacker.net bietet eine Übersicht der Stadtgärten in Deutschland. Andreas Schwarzkopf, wikimedia, CC BY-SA 3.0

24 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Hinweise und Tipps zu den einzelnen Projektphasen

Die einzelnen Projektphasen bauen aufeinander auf und arbeiten jeweils mit den Ergebnissen der vorigen Phasen

S Übersicht die Lehrkraft damit, dass sie einer Sache persön- liche Beachtung schenkt, dass dieser Gegenstand 1 Initiierung 5 Präsentation offenbar echte Relevanz besitzt. Die Selbstwahrnehmung und Mitteilung der per- 2 Einstieg 6 Auswertung sönlichen Perspektive der Lernenden lässt sich 3 Planung 7 Weiterführung auch damit erreichen, dass man kein einzelnes 4 Durchführung gemeinsames Einstiegsmaterial benutzt, sondern mehrere Materialien zur Auswahl stellt. Die Ler- nenden schauen sich in Gruppen oder einzeln alle Materialien an und sollen anschließend im Plenum 1 Initiierung ihre Wahl vorstellen und begründen, warum sie Die Initiierung eines Projekts im fortlaufenden cur- dies oder jenes besonders angesprochen hat. Wir ricularen Unterricht besteht in der Auswahl eines entschieden uns hier für diese „Methode der be- Lerngegenstands und in der Entscheidung der Lehr- gründeten Auswahl“. kraft, daraus ein Unterrichtsvorhaben zu machen. Natürlich können die Schülerinnen und Schüler In jedem Fall empfiehlt sich eine sehr offene Aufga- auch schon an dieser Auswahl beteiligt werden. In benstellung, die nach der persönlichen Beziehung der Vorausplanung trifft die Lehrkraft die Entschei- zum Gegenstand fragt. „Wie seht ihr das?“, „Was dung über den zeitlichen Umfang des Vorhabens haltet ihr davon?“, „Was bedeutet euch am meisten und gegebenenfalls über Kooperationen mit ande- und warum?“ sind solche offenen Fragen zur Pers- ren Lehrkräften oder außerschulischen Partnern. pektive. Sach- und Verständnisfragen werden dabei wie selbstverständlich nebenbei geklärt. Missver- 2 Einstieg ständnisse sind keine peinlichen Fehler, sondern Der Einstieg soll Interesse für eine Beschäftigung normale Ereignisse. mit dem Gegenstand wecken. Er muss also die Bildung einer persönlichen Beziehung zum Gegen- stand stimulieren. Im Einstieg muss den Jugendli- chen außerdem ermöglicht werden, ihren eigenen Standpunkt und ihr Vorwissen zu erkennen und die- se in der Gesamtgruppe mitzuteilen. Im Austausch der unterschiedlichen Erfahrungen und Perspekti- ven entsteht in einer genügend heterogenen Grup- pe immer auch ausreichend Irritation und Reibung, die bei geeigneter Moderation in Fragen verwan- delt und so zu Lerngelegenheiten werden können.

Als anregend kann sich die authentische oder pro- Sammlung der Schülerinnen und Schüler zum Thema vokative Darstellung der persönlichen Beziehung Lisa Rosa, CC-BY-SA der Lehrkraft zum Gegenstand erweisen. Es geht dabei nicht darum, den Jugendlichen etwa „die Die Bemerkungen der Schülerinnen und Schüler richtige“ Deutung der Sache – und das auch noch werden am besten durch die Lehrkraft diskussions- im Voraus – zu präsentieren, sondern darum, eige- begleitend visualisiert – z.B. mit Moderationskar- nes Interesse, die eigene Involviertheit in die Sache ten auf Packpapier, die man anschließend mit den an einem persönlichen Aspekt zu zeigen und damit Schülerinnen und Schülern nach Aspekten clustern die – anderen oder ähnlichen – Perspektiven der und mit passenden Oberbegriffen versehen kann. Jugendlichen herauszufordern. Nicht zuletzt zeigt Da damit weitergearbeitet wird, muss man die Kar-

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 25 ten nach der Stunde aufkleben und das entstande- Die Schülerinnen und Schüler beginnen nun die ne Poster aufheben. Oder man kann es fotografie- Planung ihrer eigenen Arbeitsvorhaben innerhalb ren und der Gruppe in der nächsten Phase digital dieser Infrastruktur. Der erste Schritt dazu ist die präsentieren. Formulierung von Forschungsfragen. Dafür können die Schülerinnen und Schüler an mehreren Materia- 3 Planung lien anknüpfen: (1) am Einstiegsmaterial und ihren Die Vorausplanung des Unterrichts-Projekts durch individuell notierten Gedanken dazu; (2) an den die Lehrkraft, die in der Festlegung der Grobstruk- dokumentierten Ergebnissen der anschließenden tur, der Wahl der Methoden und Instrumente sowie Diskussion [A Foto „Sammlung“]; (3) an den Ma- in der Bereitstellung von Material bestand, wird terialien des Blogs. Die Schülerinnen und Schüler jetzt mit den Schülerinnen und Schülern gemein- erhalten die Aufgabe, jeder für sich diejenige Frage sam konkretisiert. Dazu wird den Schülern das ge- zu formulieren, die sie am meisten interessiert und plante Unterrichtsvorhaben und dessen Struktur für die sie im Projekt arbeiten wollen. Oft bilden sowie das Blog mit den Materialien vorgestellt. sich solche Fragen auch beim Stöbern im Material- Nachfragen z.B. zu den Zeiten, zu den Erwartungen lager. Manche Jugendlichen brauchen eine längere der Lehrkraft für die Beurteilung, zu Präsentations- Inkubationszeit, um eine echte Frage „auszutragen“. bedingungen, zum Umgang mit dem Blog und zur Daher bietet es sich an, einen Zeitraum von meh- Materiallage müssen geklärt werden. Schülerideen reren Tagen dafür vorzusehen. Verbindlichkeit ent- und -wünsche können und sollen aufgenommen steht dabei durch die Aufgabe, Ideen, Fragen und werden. Hinweise auf interessantes Material auf dem Blog in Stichworten auf einem Arbeitsbogen der Projekt- mappe zu notieren [A Projektmappe, Blatt 4]. Man kann auch eine Präsentationsstunde vorsehen, in der jeder Lernende der Gesamtgruppe selbst ge- wähltes Material aus dem Projektblog mit eigenen Kommentaren vorführt [A Projektmappe, Blatt 5].

Anschließend muss geklärt werden, wie eine brauchbare Fragestellung formuliert und ein pas- sendes Arbeitsvorhaben entworfen werden kann. Dazu ist eine Checkliste nützlich [A Projektmappe, Blatt 6]. Da von der Formulierung der Forschungsfrage sehr viel abhängt, sollte man sich nehmen, alle Forschungsfragen mit der ganzen Gruppe zu be- sprechen. Am besten liegen sie dafür allen schrift- lich vor. Die einzelnen Schülerinnen und Schüler erläutern ihre jeweilige Frage und werden dabei unter Heranziehen der Checkliste von den anderen und von der Lehrkraft befragt und beraten. Dabei ändert sich oft etwas an der Formulierung, am Um- fang oder der Konkretion der Frage, manchmal so- gar die gesamte Idee dahinter.

4 Durchführung Jetzt beginnt die Bearbeitung der einzelnen Projekt- Vorhaben mit Bezug auf die jeweilige Forschungs- frage. Diese Phase braucht die meiste Unterrichts- zeit und muss besonders strukturiert werden. Die Struktur ist nötig zur Absicherung der Projektqua- lität, und die Schülerinnen und Schüler müssen sie auch explizit kennen (lernen) und wissen, an welcher Stelle der Struktur sie sich jeweils mit ihrer Screenshot: Etherpad mit den ersten Versionen der Forschungsfragen Arbeit befinden. Dabei können Einzelne je nach Ar- beitsvorhaben auch vom gemeinsamen strukturel- len Stand der Gruppe abweichen. Manchmal müs-

26 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie sen Einzelne wieder in den vorigen Strukturpunkt 4.3. Die Zwischenpräsentation: Die Schülerinnen zurück – z.B. wenn sich bei der Materialauswertung und Schüler stecken jetzt tief in ihren individuellen herausstellt, dass noch zusätzliches Material be- Fragen und Arbeiten. Ein Stopp, bei dem sie einen schafft werden muss. Schritt zurücktreten, um auf ihre Arbeit zu schau- en, ist eine gute Möglichkeit, die Quali- tät insgesamt zu verbessern und etwa noch vorhandene Stolpersteine zu be- seitigen. Wenn die Lernenden ihre vor- läufigen Ergebnisse zur Präsentation sortieren, merken sie dabei manchmal selbst, was noch fehlt. Meist können sie wenigstens die Stelle ihres Unbehagens benennen oder sogar entscheidende Fragen stellen, für die sie Beratung und Tipps durch die anderen Schülerinnen und Schüler oder von der Lehrkraft be- kommen. Die hier in die Kommunikati- on investierte Zeit ist pädagogisch gut angelegt. Denn wenn diese Hinweise Screenshot des Projektblogs mehristweniger. erst bei der Abschluss-Präsentation wordpress.com – Materiallager kommen, ist es für eine Umsetzung zu spät, und das kritische Feedback hinterlässt dann zumindest zwiespäl- tige Gefühle anstatt der gewünschten Selbstwirksamkeitserfahrung. Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei auch, dass es immer viele Mög- lichkeiten der Verbesserung gibt und 4.1. Die Materialbeschaffung: Je nach Frage bzw. dass es sich wirklich lohnt, sich nicht mit dem ers- Arbeitsvorhaben müssen unterschiedlichste Mate- ten Entwurf zufrieden zu geben. Sie erleben auch, rialien beschafft oder aus der Sammlung des Web- dass man vermeintlich Fertiges aus der eigenen logs ausgewählt werden. Wer ein Interview machen Produktion mit anderen Augen sieht, wenn man es möchte, muss zudem die Materialbeschaffung anderen Personen vorstellt, und dass es eine gute selbst noch vorbereiten und Interviewfragen ent- Strategie ist, sich die Meinung mehrerer anderer wickeln, denn die Interviewantworten sind sowohl einzuholen. Die anderen lernen dabei, wie man Material als auch Teilergebnis. Selbst-Versuche seine Erfahrungen und sein Wissen teilen kann, müssen hinsichtlich der Versuchsanordnung und ohne als Besserwisser dazustehen oder andere zu der Dokumentation geklärt werden, denn auch hier belehren. wird der größte Teil des Materials selbst hergestellt. In jedem Fall ist eine individuelle Beratung durch 4.4. Die Erarbeitung des Produkts: Wenn die Tipps aus den Lehrer nötig. der Peer-Beratung im Plenum umgesetzt sind, wird das Produkt erarbeitet und zur Schluss-Präsentati- 4.2. Die Materialauswertung: Vorliegende Texte und on vorbereitet. Auch wer einen Essay geschrieben andere Dokumente sowie die Daten der selbst pro- hat, muss sich Gedanken machen, wie er ihn prä- duzierten Materialien müssen adäquat ausgewertet sentieren kann. Die Schüler können gerade bei sehr werden, damit sie zu Informationen und zu Wissen unterschiedlichen Präsentationsformen die Aufga- werden. Der Lehrer berät die einzelnen Lernenden, be bekommen, einen zusätzlichen Text zu schrei- Tandems und Kleingruppen. Auch die Checkliste ben, der ihre Arbeit reflektiert, die sogenannte Pro- [A Projektmappe, Blatt 6, Teil 2] gibt dazu nützliche jektskizze. Dafür ist ein orientierendes Arbeitsblatt Hinweise. Qualitative Interviews können z.B. mithil- hilfreich [A Projektmappe, Blatt 8]. In dieser Phase fe einer (selbst entwickelten) Kategorisierung bzw. bringen die Schülerinnen und Schüler in der Regel Typisierung der Interviewantworten ausgewertet am meisten Zeit zusätzlich zu den vorgesehenen werden. Solche methodischen Tipps muss die Lehr- Unterrichtsstunden ein. Trotzdem ist es gut, wenn kraft nach Bedarf geben können. Spätestens wenn auch ein paar Stunden Unterrichtszeit dafür zur die meisten mit der Materialauswertung beschäf- Verfügung gestellt werden. Das hat nicht nur den tigt oder nahezu fertig sind, wird es Zeit für... Vorteil, dass die Lernenden in diesen Präsenszeiten

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 27 die Beratungsressourcen Lehrkraft und Mitschüler 7 Weiterführung nutzen können, sondern auch, dass sie ein Gefühl Auch wenn es keine explizite Weiterführung des von Wertschätzung ihrer Arbeit erfahren. Projekts geben soll, sollten die Anschlussstellen dafür thematisiert werden. In der Sache und in der Methodik sind am Ende eines Projekts immer Fra- gen offen geblieben und neue haben sich gestellt. Es gibt kein „Ausgelernt“. Die Weiterführung eines Projekts kann einerseits an diese Fragen anschlie- ßen und sie im nächsten Unterricht berücksichti- gen – beispielsweise die Arbeit an der Qualität von Texten oder Interviews. Möglicherweise entsteht andererseits auch der Wunsch, den Eltern der Gruppe, der Schulöffentlichkeit (bzw. einer Teilöf- fentlichkeit) oder am „Tag der offenen Tür“ die Er- gebnisse zu präsentieren und sie für diesen Anlass zu verbessern oder die Erkenntnisse und offenen Fragen in einer neuen Form zu verarbeiten. Eine Podiumsdiskussion mit Experten für die Schulöf- fentlichkeit zu organisieren, könnte beispielsweise Screenshot des Projektblogs – das Video eines die selbstgestellte Aufgabe einer Schülerin oder ei- Schülerinnen-Tandems nes Schülers sein – oder das Produkt eines ganzen Politik-Kurses. 5 Präsentation Eine Präsentation muss auf jeden Fall mindestens vor der gesamten Lerngruppe stattfinden. Hier geht es nicht nur darum, dass alle die Arbeits- produkte von allen kennen lernen, sondern auch, dass die Gruppe das gesamte Produktensemble als eine Einheit unter dem allgemeinen Projektthe- ma wahrnehmen kann. Falls die Schülerinnen und Schüler es nicht selbst tun, kann die Lehrkraft, die den Austausch moderiert, das Augenmerk auf die Frage bringen, die in die Auswertung führt: Wie ist die Gruppe insgesamt mit dem Thema umgegan- gen? Welche Aspekte wurden ins Zentrum gestellt, welche vernachlässigt? Gab es allgemeine Fragen, zu deren Beantwortung etwas beigetragen wurde? Was hat die Gruppe insgesamt in diesem Projekt gelernt? Was ist offen geblieben? Screenshot des Projektblogs – Eine Schülerin präsentiert ihre Arbeit in einem eigenen Blog. 6 Auswertung Neben dieser allgemeinen sachbezogenen Pro- jektauswertung hat der Auswertungsteil auch die Funktionen, die einzelnen Produkte und das indivi- duelle Engagement der Schülerinnen und Schüler zu bewerten sowie ihr persönliches Feedback zum Projekt einzuholen. Dazu ist ein Arbeitsbogen nütz- lich [A Projektmappe, Blatt 9-10]. Auch die Selbst- bewertung kann dabei eine Rolle spielen.

28 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Hinweise zur Arbeit mit dem Weblog

Ein Weblog (oder Blog) ist ...

Ein Weblog (oder Blog) ist eine multifunktionale Website, die man ohne viel Aufwand selbst herstel- len und nutzen kann. In einem Blog können alle Dateisorten veröffentlicht werden. Ein Blog ist eine Screenshot: Materialsuche im Projektblog interaktive Website, d.h., dass man über die Kom- mentarfunktion im Blog auch diskutieren kann. Der Besitzer des Blogs bestimmt, wer in seinem Blog unter welchen Bedingungen publizieren darf. Wir haben das Blog „Projekt Postwachstum“ als Unter- richtsmedium und Projektblog für die Erprobung des Projektmodells an der Stadtteilschule Bahren- feld in Hamburg eingesetzt: http://mehristweni- ger.wordpress.com. Jeder kann das Blog lesen und die Beiträge und Kommentare kommentieren. Jeder kann mit den Projektblog „Projekt Postwachstum“ Materialien auf diesem Blog lernen und lehren. 8 http://mehristweniger.wordpress.com Das Blog als Materiallager Alle Materialien (bis auf den Film und die Texte trag, sodass man auch darüber nach verwandten auf der DVD), die in diesem Projekt vorgeschlagen Beiträgen unter anderen Gesichtspunkten suchen werden, sind in dieses Blog eingebunden oder im kann. Die Größe der Schlagworte in der „Schlag- Blog verlinkt. Die eingebundenen Videos kann man wortwolke“ in der rechten Seitenleiste entspricht direkt aus dem Blog starten, die Links führen auf der Menge an Material, die dahinter liegt. Außer- Einzelmaterialien im Netz, wie etwa Zeitungsartikel dem lässt sich das Blog auch mit einer Volltextsuch- oder Einzelbeiträge auf Sammelseiten von Instituti- maschine durchsuchen. Gibt man ein Schlagwort in onen (bspw. der Bundeszentrale für politische Bil- die Suchleiste rechts oben ein, erhält man alle Ma- dung oder dem Hamburger Bildungsserver). Jedes terialien, die mit diesem Wort indexiert sind bzw. Material ist ein eigener Blogbeitrag. Das heißt, es die dieses Wort in der Überschrift oder im Kurztext steht unter einer Überschrift, wird mit einem Kom- enthalten. mentar eingeführt und hat ein kleines Bild, dem man auf den ersten Blick entnehmen kann, woher Das Blog als Medium für Diskussionsbeiträge das Material stammt und aus welcher Dateisorte es Das Blog ist außerdem als Diskussionsplattform besteht. Mit einem Klick auf das Bild oder den Link geeignet. Im Unterschied zu einem Forum, in dem unter dem Einführungstext ist man bereits auf dem an Fragen oder Themen entlang diskutiert wird, Original-Material. Achtung: Die Materialien öffnen sind im Blog Diskussionen über die Kommentar- nicht in einem neuen Fenster, sodass man nur über funktion direkt an den Beiträgen oder Materialien den Zurück-Button im Browser wieder zum Weblog – wie hier – möglich. Die Schülerinnen und Schüler zurückkommt. der Projektgruppe der Stadtteilschule Bahrenfeld Jedes Material ist einer oder mehreren Kategori- haben im Projektblog viele Kommentartexte zu ein- en zugeordnet und reichlich verschlagwortet. Man zelnen Beiträgen geschrieben. Manchmal wurden kann also nach zwei Gesichtspunkten Material su- diese wieder kommentiert, z.T. auch von außerhalb chen: 1. nach systematischen Kategorien (in der der Schule. In den Kommentaren konnten die Schü- linken Seitenleiste des Blogs) und 2. nach alpha- lerinnen und Schüler auch selbst gefundene Materi- betisch geordneten Schlagworten (Tags) in der alien einbinden oder verlinken, wie z.B. der Schüler rechten Seitenleiste. Die Schlagworte, die einem mit dem Nicknamen „peace412“ im Kommentar 67 Material angeheftet sind, stehen unter dem Bei- (L Screenshot).

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 29

Zwei Weblogs zu diesem Heft Zu diesem Heft gibt es zwei verschiedene Weblogs.

Screenshot: Schülerkommentar 67 im Projektblog Das erste ist das oben genannte Projektblog „Pro- jekt Postwachstum“ mit der Adresse http://mehrist- weniger.wordpress.com (grünes Design), das im Un- terricht der Hamburger Stadtteilschule Bahrenfeld eingesetzt wurde und gleichzeitig eine Dokumenta- tion dieses Unterrichts ist. Um den Lehrerinnen und Lehrern zu ermöglichen, dieses Projekt mit den Blogmaterialien im eigenen Unterricht durchzuführen, haben wir ein weiteres Blog aufgesetzt, das ausschließlich die Materialien des Projekts enthält und (noch) frei von Schüler- beiträgen und Kommentaren ist. Auch dieses Blog Das Blog als Präsentationsfläche für die ist öffentlich und kann von jedem gesehen und Schülerarbeiten kommentiert werden. Dieses Blog hat die Adresse Wenn die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit http://projektmehristweniger.wordpress.com (blaues nutzen wollen (oder sollen), ihre Arbeiten im Blog Design). zu veröffentlichen, dann erhalten sie die Chance, Wir administrieren dieses Blog, d.h. Kommen- dass andere auf ihre Beiträge antworten. Das Wissen tare werden vor dem Freischalten gelesen, mög- darum, dass sie für eine unbekannte Öffentlichkeit licherweise kommentiert, unter bestimmten Be- Texte schreiben oder ein Video produzieren, ruft dingungen (wenn sie rassistische, antisemitische, meist ein zusätzliches Motiv hervor, sich besonders frauenfeindliche, LGBT-diskriminierende oder völ- um Qualität zu bemühen. kerverhetzende Aussagen enthalten) auch gelöscht.

8 Projektblog „Projekt Postwachstum“ http://mehristweniger.wordpress.com

8 Blogmaterialien http://projektmehristweniger.wordpress.com

Screenshot des Projektblogs für neue Projektgruppen

30 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Ablauf des Unterrichtsmodells

Dauer in Methoden, Sozialformen, U-Stun- Funktion Beschreibung und Bemerkung (Instrumente) den

1. Videos in Kleingruppen ansehen 1. Persönliche Beziehung zum 1. Es ist wichtig, dass die Frage- g und eines davon begründet Gegenstand herstellen bzw. stellung offen ist und sich auf die ie t auswählen bewusst machen Beziehung der Lernenden zum A Videos auf Laptops & Tablets; Gegenstand bezieht.

2 eins 2 Internet, Projektmappe Blatt 2, 3 2 2. Statements und Fragen im Plenum 2. Sammlung von Aspekten, die die 2. Die Lehrkraft visualisiert in Stich- sammeln und anschließend clustern SuS zusammentragen; punkten auf Karten, während die + Visualisieren mit Metaplan einen breiten Horizont des Gegen- SuS ihre Statements abgeben. stands sichtbar machen Die Lehrkraft regt zum Clustern und zu Überschriften an.

Diskussion im Plenum, UG Problemdefinition: Lehrkraft erklärt Begriff „Dilemma“ Wachstumsdilemma – die SuS formulieren das Problem in Verknüpfung des Themas mit dem ihren Worten auf der Rückseite des 1 Vorwissen der SuS über Wirtschaft AB 3 der Projektmappe; Einzelne stellen ihre Formulierung zur Diskussion.

- LV: Vorstellung von Projektziel, Kooperative Planung: Die SuS erhalten auch einen g vorgeplantem Ablauf und das Unterrichtsvorhaben verstehen; schriftlichen Zeitplan zur Übersicht. Projektblog; Anpassung des UV an die Bedürfnisse

vo r haben + lanun 1 IWB, Internet der SuS; 3 P U nte rric hts UG das Projektblog kennen lernen; AB 1 der Projektmappe die Bewertungskriterien für die Beteiligung der SuS klären

Blog durchstöbern, Bloginhalte Interessen entwickeln kommentieren 3 A Projektmappe Blatt 4,5 zu Hause

F o r s c hungsf agen spannende Funde im Plenum Forschungsfragen erarbeiten präsentieren und erste Fragen 2 formulieren A IWB, Internet, Projektmappe Blatt 5

LV zu Forschungsfragen (Plenum) Forschungsfragen optimieren zur gegenseitigen Beratung die A Projektmappe Blatt 6 Forschungsfragen für alle sichtbar 1 überprüfen und evtl. überarbeiten machen – entweder als Papier- der eigenen Forschungsfragen kopien oder digital (Peerberatung im Plenum)

+ Offene Liste Produktformen Möglichkeiten für Produktformen Eine „Offene Liste“ kann an Tafel gemeinsames Arbeitsvorhaben klären; oder Flipchart entstehen: Die Lehr- formulieren, dokumentieren Tandems bzw. Arbeitsgruppen kraft gibt einige Möglichkeiten vor, Sc h ü le r- 2 A Projektmappe Blatt 7 finden; und die SuS ergänzen mit eigenen Ideen. Ar be i tsvo r haben

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 31 . . Individuelle Recherche gezielte Materialsuche bzw. individuelle Beratung durch g + schülereigene Smartphones und -auswahl – passend zu Fragen und die Lehrkraft bzw Computerraum, Internet, Projektblog Arbeitsvorhaben 3 ü hrun urchf M ate ri alauswahl 4 D 4

fortlau- Kommentieren und Erweitern der Auseinandersetzung mit dem Möglichkeit für SuS, besonderes fend zu Bloginhalte durch SuS und Lehrkraft Lerngegenstand vertiefen Engagement zu zeigen

M ate ri albes c haffung + Hause Kommentarfunktion des Blogs

Auswertung und Verarbeitung aus Daten Informationen und Wissen Was mit dem Material jeweils des Materials machen (z.B. Interpretation von In- gemacht werden muss, sollte in der 5-6 terviewaussagen, Thesen von Beratung der Arbeitsvorhaben zu Hause Texten, Zusammenfassung von bereits geklärt worden sein. M ate ri als

A uswe r tung (Selbst-)Beobachtungs-Ergebnissen des

- im Plenum den Stand der Arbeit testen, ob die bisherige Planung Die Lehrkraft muss nötigenfalls präsentieren und Probleme funktioniert – und Hilfe durch Peer- Korrekturen im Methodischen, neue diskutieren beratung, Lehrerberatung, Feedback Gesichtspunkte und ggf. neues 3

Z w i s c hen mobilisieren Material vorschlagen. p rä sentat i on

I je nach Arbeitsvorhaben und selbstständiges Erarbeiten von

des Gruppen- oder Einzelarbeit Inhalten – dabei Sammlung von , T e i l , Fragen, die mit der Lehrkraft geklärt 5-10 werden sollen zu Hause Pr odukts Er a r be i tung

II freies Arbeiten im Unterricht mit Klärungsmöglichkeiten für offene

des Beratung/Coaching Fragen; „Projektskizze“ vorfertigen , T e i l , A Projektmappe Blatt 8 5 Pr odukts Er a r be i tung

Veröffentlichung auf dem Blog; Wertschätzung der einzelnen Arbei- Die Lehrkraft ist Teil der Gesamt-

ion 3-5

t Präsentation am IWB im Plenum; ten; Diskussion der Inhalte; kritische gruppe; ihr Urteil ist weder das a (ca. 15 t Feedback aus der Gesamtgruppe Reflexion und Beurteilung der einzige, das „zählt“ – noch ist es min für Ergebnisse durch die Gesamtgruppe bedeutungslos. jedes räsen Produkt) 5 P 5

Plenum, Diskussion Diskussion und Bewertung der Die Lehrkraft moderiert hier beson- g präsentierten Ergebnisse mit Blick ders lenkend und gibt Gesichtspunkte un t 1 auf das Gesamt-Thema „Postwachs- vor (z.B. „Was hat das mit unserem tum“; Anschluss-Stellen für mögli- Gesamt-Thema zu tun?“ – „Wo müss- che Weiterführung finden ten/könnten wir weiterarbeiten?“) uswer 6 A 6 Einzelarbeit Reflexion und Selbstbewertung Anschließend bespricht die 1 A Projektmappe Blatt 9, 10 des individuellen Lernprozesses, Lehrkraft ihre Notengebung Benotung individuell.

32 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Auswertung der Erprobung an der Stadtteilschule Bahrenfeld

Eingang der Stadtteilschule Bahrenfeld Lisa Rosa, CC-BY-SA

Schule und Lerngruppe Sozialkompetenzen werden systematisch mit dem Das Projekt zum Thema „Postwachstum“ wurde im Programm „Lions-Quest“ gefördert. Ein weiterer Frühjahr 2014 an der Stadtteilschule Bahrenfeld in Schwerpunkt des Schulkonzepts liegt im Bereich Hamburg im regulären Unterricht einer 12. Klasse „Neue Medien“ – es gibt zwei Computerräume, „Me- im Fach Politik/Gesellschaft/Wirtschaft durchge- dienecken“ in allen Klassenräumen und in jedem führt. Der Kurs hatte fünf Wochenstunden zur Ver- Jahrgang mindestens einen Raum mit einem Inter- fügung, aufgeteilt auf zwei Tage mit je einmal zwei aktiven Whiteboard. Die Schule hat einen niedrigen und einmal drei Unterrichtsstunden am Stück. Da bis mittleren Sozialindex (3 von 6 Punkten).29 das Projekt durch Feiertage, Ferien und verschiede- ne Ausfälle aufgrund von schulischen Ereignissen Die Lerngruppe war mit 12 Schülerinnen und mehrfach unterbrochen wurde, zog es sich insge- 3 Schülern klein und hatte für Projektarbeit eine ide- samt über fast drei Monate hin. Die reine Unter- ale Größe, besonders hinsichtlich der Möglichkei- richtszeit belief sich auf 30 Stunden. Ferienzeiten ten der individuellen Beratung durch die Lehrkraft. und Feiertage konnten die Schülerinnen und Schü- Aber auch die individuellen Fragen und Wünsche ler allerdings auch zur Erarbeitung ihrer Produkte der Schülerinnen und Schüler konnten in dieser nutzen. kleinen Lerngruppe besonders zur Geltung kom- Die Stadtteilschule Bahrenfeld ist aus einer Ge- men. So waren von den entstandenen zehn Pro- samtschule hervorgegangen und eine „teilgebun- jektprodukten sieben Einzelarbeiten und nur drei dene Ganztagsschule“, d.h. der Unterricht dauert an Tandem-Arbeiten. (Zwei Schülerinnen hatten die zwei Tagen verpflichtend bis 16 Uhr. Das Leitbild Schule in der Zwischenzeit verlassen.) der Schule steht unter dem Motto „Gemeinsam ler- Größere Arbeitsgruppen sind nicht entstanden. nen – den Einzelnen achten – Zukunft gestalten!“, und Umso wichtiger wurden Austausch und Peerbera- die Schule fördert moderne Methoden zu indivi- tung im gemeinsamen Unterricht. Eines von vielen dualisiertem Unterricht und kooperativem Lernen. Beispielen für die Bedeutung dieses Austauschs ist Seit 1996 mit Integrationsklassen erfahren gilt die ein Schülerinnenkommentar zur ersten Version der Schule als „mutmachendes Beispiel“ für erfolgrei- Forschungsfrage eines Schülers „Wie kann man die che Bemühungen um Inklusion. schlechten Arbeitsverhältnisse der Näherinnen in Myanmar verbessern?“ (L Screenshot „Etherpad Forschungsfragen“). 8 Webseite Bahrenfeld www.stadtteilschule-bahrenfeld.de 29 vgl. www.schulbezogenes-netzwerk-elbinseln.de/wp-con- tent/uploads/KESS-Index.pdf

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 33 von Komik bei einem „so ernsten Thema“ anlässlich des Videos „Der unmögliche Hamster“ gesprochen.

Das Einstiegsmaterial und die daran an- knüpfenden Schülerstatements steckten einen ersten Rahmen für den Horizont der Thematik ab, in dem die Lernenden später ihre Forschungsfragen stellen und Ideen für ihre Arbeitsvorhaben entwickeln konnten. Die Jugendlichen benannten mit „Egoismus, Unaufgeklärtheit der Konsu-

Schülerinnen im Pausenhof der Stadtteilschule Bahrenfeld menten, Produktionsform, Arbeitsverhält- Lisa Rosa, CC-BY-SA nisse und Verstrickung der Wirtschaft“ ihr Verständnis des komplexen Zusammen- Die Schülerin fragte: „Es ist unklar, welche Ebene hangs. Die Aufgabe, den Zusammenhang du mit ‚man‘ meinst: Meinst du dich, die Verbrau- als Problem zu formulieren, ergab dann verschie- cher allgemein oder die Politik?“ dene Formulierungen für das gemeinsam erkann- Zum Vorwissen dieser Schülergruppe gehörte eine te Dilemma: „Diese Wirtschaft braucht Wachstum, vorausgegangene Wirtschafts-Unterrichtseinheit aber dieses Wachstum vernichtet langfristig seine „Wirtschaftspolitische Grundpositionen in der Finanz- eigenen Grundlagen“. krise“, in der u.a. die Ziele der Wirtschaftspolitik („Angemessenes Wirtschaftswachstum“), BIP und Inflation, Konjunkturzyklus, Wirtschaftsliberalis- mus, Keynes, Monetaristen und Marx zur Sprache gekommen waren. Diese Unterrichtseinheit von ca. 10 Wochen war mit einer Klausur abgeschlos- sen worden und hatte einen Themenschwerpunkt für das Zentralabitur 2015 vorbereitet. Das Projekt „Postwachstum“ war die Umsetzung des im Bil- dungsplan vorgesehenen „Zusatzes auf erhöhtem Niveau: Nachhaltige Entwicklung“.

Lernziele und Inhalte In einem die Selbststeuerung fördernden Unter- richt hat die Lehrkraft viele Dinge nicht „unter Kon- Screenshot des Projektblogs: Einstiegs- trolle“, da sie ja die Entwicklung und Einübung der video der Wahl und Auswertung Selbstkontrolle der Lernenden als ein wichtiges Unterrichtsziel anleitet. In diesem Projektmodell gehören auch die selbst bestimmten Lernziele und konkreten Inhalte der einzelnen Arbeitsvorhaben in die Kontrolle der Schülerinnen und Schüler. Da- Obwohl reichlich Gelegenheit gegeben wurde, an- durch kommt es zu überraschende Entscheidungen. dere Aspekte zu thematisieren – v.a. durch die Auf- gabe, die Materialien des Blogs zu durchstöbern Wir hatten z.B. nicht vorhergesehen, dass alle und zu kommentieren –, blieben viele Schülerinnen Gruppen in der Einstiegsphase das dritte Video bei dem Problem des Fleischkonsums, den das Vi- „Without Saying a Word“ (L Screenshot Einstiegs- deo der Wahl in den Vordergrund gerückt hatte. Die video) wählen würden. Schon beim Ansehen der wenigen männlichen Schüler hingegen beschäftig- Videos wurde jedoch klar, dass es besonders alle ten sich mit den Arbeitsbedingungen in der Textilin- Schülerinnen emotional ansprach. Sie reagierten dustrie oder dem Komplex Stress, Zeitmangel und zum Teil sogar schockiert. Trotzdem hatten die an- Smartphon-Nutzungsverhalten. Ein Schüler inter- deren Videos eine Bedeutung als Ergänzung. Z.B. essierte sich explizit für wirtschaftstheoretische Mo- argumentierte eine Schülerin in der Diskussion mit delle und widmete einen erheblichen Teil seines En- Aussagen Volker Pispers aus dem Video „Zinses- gagements in die Lektüre und das Kommentieren Zins – Kapitalismus – Vermögensverteilung – De- von Blogmaterialien mit Aussagen von Ökonomen mokratie“, und es wurde über die Angemessenheit (L z.B. Screenshot „Jonathan kommentiert“).

34 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie in den Hintergrund bzw. werden ausgeschlossen. Daher ist es wichtig darauf zu achten, immer wie- der Impulse zu geben, zwischen dem Fokus auf die konkret vorliegende Sache und einer Öffnung hin zu Überblick und Gesamtbild zu wechseln.

Engagement der Lernenden und Qualität der Produkte Einige der Projektprodukte kann man auf dem Pro- jektblog lesen, ansehen bzw. anhören. Die Schü- lerinnen und Schüler entschieden natürlich selbst über die Veröffentlichung. Es zeigte sich, dass für einige tatsächlich die Beratung in der Zwischen- stands-Präsentation wichtige Hinweise zur Quali- tätssteigerung gebracht hatte. Screenshot des Projektblogs: Jonathan kommentiert Insgesamt sind 10 Projektprodukte entstanden, da- von fünf größere Texte (eine Seminararbeit mit 16 Seiten), ein Weblog, drei Videos und ein Audio mit Beobachtungen zum Lehrerhandeln einem Rap. Es wurden (Video-) Interviews geführt Sehr wichtig sind die Formulierungen der Aufträ- und ein Comedy-Film gedreht. Mehrere Schülerin- ge. Gebraucht werden einerseits offene Fragen und nen waren mit unterschiedlichen Methoden der Fragen zur Beziehung zwischen Lernenden und Dokumentation und Auswertung von Selbstversu- Lerngegenstand (z.B.: „Sammelt für eine Präsen- chen beschäftigt. Sechs dieser Produkte sind auf tation alle wichtigen Fragen, Gedanken, Kommen- dem Projektblog unter der Kategorie „Projektpro- tare, Statements, die ihr dem Kurs mitteilen wollt“ dukte“ veröffentlicht. Bei einigen ist eine bemer- oder: „Finde deine Frage zum Thema Postwachs- kenswerte Qualität und besonderes Engagement tum und arbeite daran“). Andererseits werden an zu verzeichnen. einigen Stellen leitende Aufträge und Formulierun- Jonathans Lese- und Kommentierfreude mit seinen gen zu methodischen Fragen und zur Verknüpfung 6 ausführlichen Kommentaren wird noch überholt zwischen Aspekten des Gegenstands nötig. „Was von Peace412 (9 Beiträge) und von Me/Coffee (11). hat das deiner Ansicht nach mit Wirtschaftswachs- Die Aufgabe hatte gelautet, 2-3 Beiträge zu verfas- tum zu tun?“ war darum eine wiederkehrende Fra- sen. Der Lehrer Max v. Redecker resümiert: „Ich ge in allen Unterrichtsstunden im Plenum. Obwohl hatte bei der vorhergehenden Unterrichtseinheit sich bis auf einen die Schülerinnen und Schüler er- schon gemerkt, dass sich die Schüler für Wirtschaft staunlich realistische Arbeitsvorhaben ausgedacht interessieren, aber hier haben die meisten mit ih- hatten, war doch methodologische Beratung wich- rem Engagement und einige mit der Qualität ihrer tig, insbesondere bei Interviews. Insgesamt wurde Arbeit die Erwartungen übertroffen.“ deutlich, wie sehr das Gelingen des Gesamtpro- Dass für die Gesamtgruppe am Ende das Thema jekts und die einzelnen Beiträge der Schülerinnen im Wesentlichen auf die Aspekte Fleischkonsum, und Schüler von der Projektkompetenz und dem Lebensmittelverschwendung und Ausbeutung der Planen und Handeln der Lehrkraft abhängen. Mit der Offenen Liste für die Arbeitsvorhaben bzw. Projektprodukte könnte man noch mehr Ide- en sammeln, die auch eine theoretische Beschäf- tigung oder eine Erkundung in der Stadt attraktiv erscheinen lassen. Das „Experten-Interview“ (z.B. mit verschiedenen Wirtschafts-Theoretikern) oder eine „Übersichts-Karte“ (z.B. über Initiativen in Hamburg) sind Beispiele für solche Vorschläge. So kann eine Offene Liste mit Lehrervorschlägen neue Ideen anregen, die die Schüler von sich aus nicht hätten.

Mit jedem gewählten Material wird eine Anzahl Schülerin präsentiert ihr Video Lisa Rosa, CC-BY-SA von Möglichkeiten aus dem Horizont des Themen- komplexes konkretisiert und damit treten andere

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 35 Screenshot des Materialblogs mit neuen Einstiegsmaterialien

Textilarbeiterinnen reduziert war, lag neben dem Die Durchführung dieses Projekts in einer anderen beeindruckenden Einstiegsvideo einerseits daran, Lerngruppe könnte je nach Zusammensetzung zu dass die Schüler, die sich mit dem Stress/Smart- anderen Schwerpunkten gelangen. Um mehr Viel- phone-Problem und mit alternativen Wirtschafts- falt der im Projekt behandelten Aspekte anzuregen, konzepten beschäftigt hatten, ihre Produkte nicht wäre es auch sinnvoll, das Material für den Einstieg zur Veröffentlichung freigaben. Andererseits ist zu ergänzen – z.B. mit den Fotos aus der Sachana- zu vermuten, dass die starken Schülerinnen nicht lyse und einem anregenden Text. nur die Qualitätsstandards der Produkte und die kommunikative Atmosphäre im Plenum bestimm- ten, sondern auch „Themensetter“ gewesen wa- 8 Blogmaterialien ren. Erfreulich ist, wenn im Unterschied zu manch http://projektmehristweniger.wordpress.com anderen Unterrichts-Erfahrungen („Streber!“) die Engagierten den Ton in der Lerngruppe angeben. Andererseits muss man sich als Lehrer Gedanken machen, wie man der Einschränkung der Themen- vielfalt durch verborgen wirkende Gruppenprozes- se gegensteuern kann, ohne Themen vorzugeben oder die Selbstbestimmung einzuschränken.

36 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Feedback der Schülerinnen und Schüler

Beurteilung von Lernprozesse, Lernergebnisse und die Bedingungen der Lernumgebung

In einem Feedback können Schülerinnen und Schü- ler ihre Lernprozesse, Lernergebnisse und die Be- dingungen ihrer Lernumgebung beurteilen und der Lehrkraft bzw. der Lerngruppe darüber Auskunft geben. Hier waren sie sogar aufgefordert worden, sich selbst zu benoten. Es geht einerseits darum zu reflektieren bzw. zu er- fahren, was und auf welche Weise gelernt wurde, und andererseits auch darum zu klären, wie hilf- reich bzw. hemmend die Lernprozessgestaltung durch Projektstruktur, Material und Medien sowie durch das Handeln von Lehrkraft, Mitschülern und nicht zuletzt das eigene Handeln eingeschätzt wird. Gefragt war außerdem, welche Bedeutung dem Thema nach dem Projekt beigemessen wird. Die Fragen wurden sehr weit und offen gestellt [A Pro- jektmappe Blatt 9/10].

Die Auswertung ergab – nicht überraschend –, dass die meisten Lernergebnisse in Zusammenhang mit dem eigenen Arbeitsvorhaben gesammelt wurden. Andererseits stellten die meisten Schülerinnen und Schüler auch fest, dass ihnen die Arbeitsergebnisse anderer Mitschüler bzw. Materialien im Blog, die nicht zu ihrem Spezialthema gehörten, bedeuten- Screenshot des Projektblogs: Ein Videointerview als Projektprodukt de Erkenntnisse gebracht hatten. Z.B. fand eine Schülerin, die einen vegetarischen Selbstversuch durchgeführt hatte, für die Bedeutung, die das Thema Postwachstum für sie hat: „Dahinter steckt erster Stelle. Gespräche mit Mitschülerinnen, Fa- hauptsächlich: Ausbeutung! (…) Die meisten Men- milienmitgliedern und Freunden werden wieder- schen sind sich über die Bedingungen der Arbeiter kehrend genannt sowie die „Zusammenarbeit und nicht klar.“ Die Aspekte Fleischkonsum und Lage Beratung im Klassenverband“. der Textilarbeiterinnen sind in fast allen Rückmel- Alle Schülerinnen und Schüler sind mit dem Projekt dungen zentral. Viele schreiben zur persönlichen zufrieden, einige äußern differenzierte Verbesse- Bedeutung des Themas über ihre Haltung: „Möch- rungsmöglichkeiten ihrer eigenen Arbeit: „Die Um- te weniger Fleisch essen“, „ich möchte mehr auf frage war nicht ergiebig“, „ich muss beim Design mein Konsumverhalten achten“, oder „Wir müssen eines Blogs noch viel lernen“, „nicht gut genug den uns nachhaltiger und rücksichtsvoller gegenüber Bezug zum Postwachstum geschildert“ u.a. Mensch/Tier/Natur produzieren und verhalten“.

Auf die Frage nach hilfreichen Materialien und Me- thoden äußern die meisten, dass ihnen das Blog viel gebracht hätte – als Materiallager und auch als Diskussionsplattform. „Wieviel positives Feedback ich von fremden Personen erhalten habe!“ schreibt die Schülerin, die selbst ein Blog kreiert hatte, an

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 37 Erfahrungen und Tipps des Lehrers

Max v. Redecker, der Lehrer hinter diesem Unterrichtsprojekt, gibt Auskunft.

Max von Redecker ist seit 2010 Lehrer an der Stadtteilschule Bahrenfeld, unterrichtet die Fächer PGW, Geschichte, Philosophie und Seminar und ist Koordinator für Interkulturelle Erzie- hung. Studium und Referendariat hat er in Hamburg absolviert, nicht ohne diese Zeit mit Auslandsjahren in Israel und Kopenhagen zu unterbrechen, wo er in einem Behindertenheim und einer deutschen Schule gearbeitet hat. Erste Projekterfahrun- gen machte er in den Seminaren von Lisa Rosa, einer Fortbildnerin im Landesinstitut, während des Referendariats und hat mit ihr bereits ein projektartiges Unterrichts- vorhaben zum Thema „Migration/Integration“ entwickelt, erprobt und ausgewertet. Lisa Rosa führte mit Max von Redecker ein Interview zu seinen Erfahrungen.

Lisa Rosa: Welche Vorteile siehst du in der Projektor- Warum arbeitest du gerne so? ganisation des Unterrichts? Mich stellt meine Arbeit mehr zufrieden, wenn Max v. Redecker: Ich unterrichte am liebsten pro- ich sehe, dass der Unterricht auch für die Schü- jektorientiert, weil ich von dem Konzept über- ler sinnvoll und gewinnbringend ist, weil sie mit zeugt bin, schülerorientiert zu arbeiten und den mir zusammen weiterkommen. Ich kann so leh- Stoff so zu unterrichten, dass er von den per- ren, wie ich es mir vorstelle. Es macht Spaß, die sönlichen Fragen der Schüler geleitet wird. Ich Schüler so engagiert arbeiten zu sehen. merke dabei immer wieder, dass die meisten Schüler sehr viel engagierter sind. Die Schüler Gibt es auch Voraussetzungen und Stolpersteine? signalisieren in jeder Phase, dass sie überzeugt Ja klar. Es gibt einen Aufwand an Vorbereitung sind, etwas Besonderes zu schaffen und dass sie und Vorausplanung. Und es braucht die Bereit- Lust haben zu arbeiten. Das liegt sicher auch da- schaft und Fähigkeit, flexibel den Plan auch wie- ran, dass es für jeden Einzelnen die Möglichkeit der umzuwerfen und situativ neue Entscheidun- gibt, einen Sinn in seiner Arbeit zu finden. gen zu treffen.

Welche Schwierigkeiten muss man in Rechnung stellen? Stolperstein Nr. 1 ist die Forschungsfrage. Man muss von den diffusen Interessen, die die Schüler am Anfang äußern, zu brauchbaren For- schungsfragen und Arbeitsvorhaben kommen. Das benötigt sehr viel Coaching und Zeit. Wie formuliert es Einstein? „Wenn ich nur eine Stunde Zeit hätte, um ein Problem zu lösen, und mein Leben davon ab- hängen würde, dann würde ich die ersten 55 Minuten dafür verwenden, die Frage richtig zu formulieren. Denn sobald ich die wesentliche Frage identifiziert habe, kann ich das Problem in weniger als fünf Minuten lösen.“ Beratung eines Schülerinnen-Tandems Lisa Rosa, CC-BY-SA

38 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Sharing Economy – Hoffnungsträger der postindustriellen Welt? Auch wenn für die beiden Kinder Tauschen und Teilen zum Alltag gehört, von der Sha- ring Economy wissen sie (noch) nichts: Güter werden nicht mehr nur gekauft und genutzt, sondern gemeinsam gekauft oder gemeinsam benutzt oder verliehen (Sharing)– vor allem über das Web. Aber inzwischen stehen hinter vielen Plattformen, die den Gedanken des selbstlosen Teilens in die Welt tragen, große Investoren und internationale Firmen. Ben Grey, flickr.com, CC BY-SA 2.0

Das heißt, man muss mit den Schülern erst mal bekommt jedes Moment von Lenkung ein viel ihr eigentliches Interesse herausarbeiten. Erst größeres Gewicht als im traditionellen Unter- dann ist die Arbeit im Projekt zielgerichtet und richt, wo Lenkung die Normalität darstellt. Wenn am Ende für die Schüler auch befriedigend. man z.B. eine „Offene Liste“ mit Lehrervorschlä- gen eingibt, orientieren sich die Schüler sehr Warum ist das so wichtig? stark an den schon vorgegebenen Möglichkeiten Ich habe gemerkt, dass die Schüler mit „schlecht und erfinden seltener etwas Eigenes. Wenn die sitzenden“ Frageformulierungen nicht gut arbei- Vorgaben des Lehrers etwas Besonderes sind, ten. Entweder sind die Fragen der Schüler dann dann muss sich der Lehrer noch viel mehr als zwar ihre eigenen, aber sie können nicht gut sonst darüber klar sein, was er an welcher Stelle damit arbeiten, weil sie z.B. nicht gut zum Lern- wie vorgibt und welche Effekte das haben kann. Gegenstand passen. Oder man hat, um das zu vermeiden, als Lehrer die Fragen so „hingebo- Wo siehst du die Notwendigkeit zur Lenkung? gen“, dass sie zum Gegenstand passen, und da- Im Projektunterricht gibt es für die Schüler zwei bei verlieren sie dann oft den Bezug zur Schüler- Möglichkeiten: Ihr Arbeitsvorhaben eher vom frage, wie sie eigentlich gemeint war. Letzteres gewünschten Produkt her zu denken oder von führt dann wieder zu Motivationsverlust. der Forschungsfrage her. Oft entscheiden sie, vom Produkt her zu denken. Sie wissen dann Wie gehst du vor? eher, worauf sie hinarbeiten und können ihr Die Kompetenz, in so einem Projekt zu moderie- Unterrichtsvorhaben sehr gut planen. Dabei tritt ren und zu coachen, musste ich auch erst lernen dann jedoch die Frage als kognitives Problem, und trainieren. Das Problem ist nur so zu lösen, das zu klären ist, wieder in den Hintergrund, dass man sich Zeit nimmt, mit den Schülern ein v.a. wenn Videos oder Theaterszenen oder Raps Bewusstsein dafür zu schaffen, wie ein einzelnes entstehen sollen. Natürlich hat man als Lehrer Wort die Bedeutung der Frage komplett verän- die Möglichkeit, das Problem auszuschließen, dern kann. Ich habe dafür unser Forschungsfra- indem man das Produkt „Seminar-Arbeit“ vor- gen-Blatt, das mit den Schülern durchgesprochen gibt. Dann sind die Schüler gezwungen, an ihren wird [A Projektmappe Blatt 6]. Dann gehen wir „academic skills“ zu arbeiten. Aber man kann gemeinsam in Peer- und Plenumsberatung alle während des Coachings auch dafür sorgen, dass Fragen der Schüler durch und verbessern sie. z.B. bei der Erstellung eines Videos eine tiefere Wir lassen uns dabei von zwei Aspekten leiten: Auseinandersetzung mit der Fragestellung er- 1. „Stimmt die Frage noch mit meinem Interesse folgt. Man muss sich dann mit den gedanklichen überein?“ und 2. „Erfüllt sie die Kriterien einer Inhalten der Schüler ernsthaft beschäftigen. guten Forschungsfrage?“ Wie steht es mit der Bewertung der Schüler? Gibt es weitere wichtige Probleme, die man voraus Die Bewertung ist insofern schwieriger als im bedenken muss? gelenkten gleichgeschalteten Unterricht, als es Stolperstein 2 ist die Spannung „Selbstbestim- ja bei den Schülern sowohl thematisch als auch mung vs. Lenkung“. im Endprodukt in verschiedene Richtungen In einem Unterricht, der den Schülern und Leh- geht und sich das Gelernte nicht in einer Wis- rern viel Freiraum zur eigenen Gestaltung lässt, sensabfrage für alle gleich abfragen lässt. Aber

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 39 zuwachs, Einsatz. Es gibt dabei mal eine Differenz von einem Punkt, aber nie eine ganze Note.

Leidet die Qualität der Lernergebnisse nicht darunter, dass die Schüler lernen dürfen, was sie wollen? Ich kenne die Befürchtung, dass bei selbst gewählten Fragen und selbst gewählten Produktformen die Quali- tät der Schülerprodukte leiden könnte. Viele Schüler arbeiten gerne an Äu- ßerlichkeiten, bleiben an der Oberflä- che und vermeiden, inhaltlich tiefer zu bohren. Dem wirke ich schon dadurch entgegen, dass ich den Arbeitsprozess begleite, mich einschalte und immer wieder nachfrage: “Wo seid ihr, wo sind eure Probleme?“ Und dann gebe ich, wenn nötig, neue Impulse, emp- fehle neues Material oder konfrontiere sie mit einer anderen Perspektive. Ich gebe auch Gelegenheiten, bei denen sich die Schüler gegenseitig weiter- Mieten statt Kaufen – ein Beispiel für die Sharing Economy: bringen. Sie müssen ihre Arbeit mehr- Bike Share in Melbourne, Hubway Bike Sharing in Boston mals im Plenum vorstellen – nicht erst (Foto), Bike Share Istanbul, Stadtrad in Hamburg: In vielen am Ende – und müssen sich den Fragen Städten gibt es inzwischen erfolgreiche Leihradsysteme. und der Kritik der anderen stellen, wer- Tony Webster, flickr.com, CC BY 2.0 den dabei aber auch durch die anderen beraten. man bewertet im Grunde nicht völlig anders als im normalen Unterricht, es gibt viele Plenums- Welchen Einfluss hat das Weblog auf die Qualität der phasen, in denen man wie in der „laufenden Lernergebnisse? Kursarbeit“ oder „mündlichen Zensur“ das Die anzustrebende Qualität der Kommentare auf Voranbringen des Unterrichtsgesprächs durch dem Blog wurde von den Schülern selbst sehr die Beiträge des jeweiligen Schülers bewertet. hoch angesetzt, denn „das kann ja jeder lesen, Hinzu kommt dann die Bewertung des Produkts. weil es öffentlich ist!“ Sie haben sich tatsäch- Beim Produkt bewerte ich nur das Fachliche und lich viel mehr anstrengt als sonst. Es gab z.B. Fachmethodische. Der gute Videoschnitt, das ge- eine Hausaufgabe während der Ferien, da wäre lungene Blog-Layout, die ansprechenden Beats normalerweise zu erwarten gewesen, dass nicht werden nicht bewertet. Die Schüler, die keinen alle Schüler überhaupt daran arbeiten würden. Text geschrieben hatten, sondern in einem an- Aber hier haben sich die Schüler gegenseitig deren Medium präsentierten, mussten zusätzlich hochgepuscht nach dem Motto: „Wenn der da so einen Reflexionstext über ihre Arbeit schreiben. einen Text geschrieben hat, kann ich das auch!“ Auch damit lenkt man auf die Betonung der ge- Und das, obwohl sie nicht mal mit Klarnamen danklichen Inhalte. geschrieben haben.

Wie löst du das Gerechtigkeitsproblem? Bedeutet ein anspruchsvoller Projektunterricht nicht Ich sehe kein Gerechtigkeitsproblem bei der viel mehr Arbeit für den Lehrer? Bewertung völlig unterschiedlicher Produktar- So ein Projekt braucht in der Vorbereitung viel ten, denn ich bewerte, wie jeder Einzelne seine Zeit, wenn man das Material recherchiert und auf eigene Frage beantwortet, wie weit jeder Ein- dem Blog zusammenstellt. So ein Materialpool, zelne kommt und von wo aus er gestartet ist, der einen großen Horizont an Fragen bedienen und gebe daraufhin eine persönliche Note, die kann, aus dem die Schüler dann auswählen kön- sich fast immer damit deckt, wie die Schüler sich nen, braucht mehr als die Materialrecherche im selbst bewerten. Wissenszuwachs, Kompetenz- Normalunterricht, wo alle am Gleichen arbeiten.

40 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Aber wenn man den Pool hat, dann ist er eine notwendigen Arbeitsprozesse selbstorganisiert großartige Ressource für den gesamten Projekt- während der Unterrichtszeit machen dürfen, die prozess, auf die immer wieder zugegriffen wird. nicht für Plenum und betreute Gruppenprozesse Oft recherchieren die Schüler auch noch selbst reserviert ist. Gleichzeitig nehmen sie dann auch oder finden zufällig etwas im Netz, und ich stelle die Chance wahr, dass der Lehrer anwesend ist das dann noch dazu. und auf Anfrage als Berater zur Verfügung steht. Wenn man ein Projekt nach diesem Modell zum Natürlich muss man diese Zeiten ankündigen, ersten Mal macht, dann braucht es auch Vorbe- damit sie ihre Arbeitsmaterialien und Werkzeuge reitungszeit für Struktur und Moderation. Denn mitbringen. im Prinzip muss man jeden Schritt vorausphan- tasieren: Wenn ich etwas so sage, was wird dann Es ist wichtig dass man genügend Zeit einplant möglicherweise von den Schüler kommen? Wie für die Entwicklung und Besprechung der For- geht es dann in diesem oder in jenem Falle wei- schungsfrage – die in der Regel mehrfach umfor- ter? Man muss mehrere Reaktionsmöglichkeiten muliert wird –, für die Präsentation und Diskussi- antizipieren und alles im Geiste durchspielen. on der Produkte, damit diese auch angemessen gewürdigt werden können. Außerdem ist die Hat man für eine solche Projektarbeit im Normalbe- Präsentation und Diskussion am Ende das, was trieb der Schule überhaupt die nötige Unterrichtszeit? die Einzelthemen der Schüler wieder aufs ge- Die Dauer des Projekts ist flexibel. Man kann meinsame Ganze der übergreifenden Sache auch viel auf die Zeit außerhalb des Unterrichts zurückbindet. verlagern, weil die Schüler motiviert sind. Wenn sie die Videos zuhause schneiden, machen sie Wieviel Unterrichtszeit und Hausaufgabenzeit schon selbstbestimmt ein Wochenende und braucht man? eine Nachtschicht draus. Aber es gibt auch Un- Alles das schafft man nicht unter vier Wochen im terrichtszeit, in der sie individuell oder in Grup- normalen Schulalltag, bzw. in weniger als 20 bis pen am Projekt arbeiten können, das ist für viele 25 Unterrichtsstunden. Arbeitszeit der Schüler eine neue Erfahrung, wenn sie gewohnt sind, außerhalb des Unterrichts ist – vor allem bei auf- Referate ausschließlich in Heimarbeit zu erarbei- wendigen Produkten (z.B. Videoschnitt) – noch ten. Die meisten schätzen es sehr, dass sie ihre mal 10 bis 15 Stunden. Ich habe dieses Projekt in

Haltungsfläche Hühner Heinrich-Böll-Stiftung; Bund für Umwelt und Naturschutz Deutsch- land; Le Monde diplomatique, CC BY-SA 2.0

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 41 einem Semester durchgeführt, in dem auch die Dieses Projekt lief mit einer Gruppe von 15 Schülern. Themen fürs Zentralabitur vorbereitet werden Geht es auch mit 30 Schülern? müssen, und die Zeit war trotzdem da. Ja, man muss es dann ein bisschen anders orga- Schön ist es, dieses Projekt zu machen, nachdem nisieren, d.h. ein bisschen größere Gruppen bil- ein Wirtschafts-Unterricht mit den Grundlagen den lassen, also keine Einzelarbeiten und keine vorausgegangen ist. Aber es ist keine Vorausset- Tandems sondern 3er- oder 4er-Gruppen. Insge- zung – das Projekt hätte auch vor dem Grund- samt wären es dann auch zehn Schülergruppen lagen-Unterricht liegen und ein schöner Auftakt und zehn Produkte, die im Plenum vorbereitet, dafür sein können. Unterm Strich halte ich Pro- begleitet, präsentiert und diskutiert werden jektarbeit nicht für arbeitsintensiver als norma- müssen. Für die differenzierte Bewertung jedes len Unterricht, aber er ist effektiver und schafft einzelnen Schülers spielt dabei auch die Selbst- mehr Arbeitszufriedenheit bei den Schülern und einschätzung wieder eine große Rolle. Für das beim Lehrer. Die Projektkompetenz ist meiner Gruppenprodukt, das nur einen Teil der Bewer- Meinung nach auch nicht schwer zu lernen. Ich tung ausmacht, erhält jedes Gruppenmitglied habe dafür schon die Gelegenheiten in Studium dieselbe Note. und Referendariat genutzt. Man muss es nur ein- fach im eigenen Unterricht ausprobieren.

Fahrräder – so weit das Auge reicht: In der Fahrradstadt Münster gehört dieser Anblick zum All- tag. In keiner anderen Stadt Deutschlands wird so viel Fahrrad gefahren. 35 bis 40 % aller Fahrten werden dort mit dem Rad zurückgelegt – im Bundesdurchschnitt sind es derzeit rund 10 %. Damit ist Münster ein Vorbild für viele andere Städte, die hoffen, ihre Verkehrsprobleme besser in den Griff zu bekommen. Erich Ferdinand, flickr.com, CC BY 2.0

42 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Unterrichtsreihe Globales Lernen

„Hunger durch Wohlstand?“ ist ein Unterrichtsmodell Download-Möglichkeit: der Reihe Globales Lernen und erscheint in der www.li.hamburg.de/globaleslernen/material 2. überarbeiteten Auflage (Umsetzung im Rahmen Einzelhefte (nur in Ausnahmenfällen auch Heftsätze) der Hamburger Bildungspläne). Die Hamburger können bestellt werden über: Unterrichtsmodelle sind Beiträge zur Bildung für [email protected] nachhaltige Entwicklung und zur Umsetzung des KMK-Orientierungsrahmens für den Lernbereich Themenschwerpunkte in Vorbereitung sind: Globale Entwicklung (2007; 2015). ƒƒ Arbeit und Leben (Klasse 3 – 6) Sie sind für die Hand der Lehrerinnen und Lehrer ƒƒ Zukunft der Stadt (ab Klasse 9) gedacht, die im Rahmen ihrer Unterrichtsplanung entscheiden, welche Materialien sie mit welcher Die Vorschläge basieren auf den Grundsätzen des Absicht in die Hand der Schülerinnen und Schüler Projektunterrichts und stellen Kompetenzorien- geben. Einsatzmöglichkeiten bieten sich im Fachun- tierung, Individualisierung und selbstgesteuertes terricht, in Lernbereichen und Profilen. Lernen in den Vordergrund. Die Unterrichtsmodelle orientieren sich an den Es geht vor allem um: Hamburger Rahmenplänen für das Aufgabengebiet ƒƒ die Entwicklung wichtiger Kompetenzen, Globales Lernen (www.hamburg.de/bildungsplae- ƒƒ die Anwendung subjektorientierter und koope- ne). Sie sollen Impulse zur Auseinandersetzung rativer Lernformen, mit den wachsenden Herausforderungen der Glo- ƒƒ die Stärkung von Eigenverantwortung für den balisierung geben. Ihre Spannweite wird von der Lernprozess, Grundschule bis zur Oberstufe reichen. ƒƒ den Einsatz vielfältiger Unterrichts- und Lernmethoden, Bisher veröffentlicht wurden: ƒƒ die Auseinandersetzung mit wichtigen Themen ƒƒ Nr. 1 Didaktisches Konzept Globales Lernen des globalen Wandels, (vergriffen) ƒƒ wertebewusstes Urteilen und Handeln, ƒƒ Nr. 2 Hunger durch Wohlstand? ƒƒ die Förderung ganzheitlichen, fächerübergrei- Themen: Biosprit, Fleischkonsum, Klimawandel; fenden Unterrichts. ab Klasse 9 ƒƒ Nr. 3 Haben wir eine globale Es sind Vorschläge für etwa 30 Unterrichtsstunden, Schutzverantwortung? d.h. Themenschwerpunkte für ein Schulhalbjahr, die Themen: Neue Kriege und weltweite Gewalt; in den Unterricht eines Faches oder in fächerüber- Oberstufe greifende Unterrichtsformen integriert werden. ƒƒ Nr. 4 Wem nützt der Welthandel? Themen: Handel mit Hühnerfleisch, Textilhandel, Computer und Nachhaltigkeit; ab Klasse 9

globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 43 postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 1

projekt postwachstum PGW-Wirtschaft

projektmappe von:

44 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie LandesinstitutLandesinstitut für LehrerbildungLehrerbildung und Schulentwicklung LisaLisa Rosa,Rosa, Max von RedeckerRedecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 2

projekt postwachstum projekt postwachstum PGW-Wirtschaft

Bewertungskriterien für die Arbeit im Projekt

Laufende Kursarbeit In die laufende Kursarbeit fließen ein: Deine Beiträge in Diskussionen und Zwischenpräsentationen, Dein Engagement für Dein Vorankommen in Deinem Arbeitsvorhaben, die Tiefe Deiner Auseinandersetzung mit Deinem Thema und Deine Auseinandersetzung in Form von schriftlichen Kommentaren zu Bloginhalten oder Kommentaren anderer auf dem Blog.

Dein Produkt Zusätzlich wird Dein Projektprodukt unter folgenden Kriterien bewertet: ƒƒ Beantwortung Deiner Forschungsfrage ƒƒ Arbeitsvorhaben sinnvoll umgesetzt ƒƒ Anforderungsniveau der Oberstufe ƒƒ Berücksichtigung der Rückmeldungen von Mitschülerinnen und -schülern sowie dem Lehrer aus der Durchführungsphase ƒƒ Qualität der Reflexion der eigenen Arbeit und Verortung der eigenen Ergebnisse im Themenbereich Postwachstum (AB Projektskizze).

Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklungglobales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 45 Lisa Rosa, Max von Redecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 3

Das Video unserer Wahl hat in mir folgende Fragen, Gedanken, Ideen, Kommentare, Statements ... ausgelöst:

46 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Lisa Rosa, Max von Redecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 4

Setze Dich in den nächsten Tagen mit dem Thema auseinander und halte hier Deine wichtigen Gedanken, Interessen am Thema und Fragen fest. Nutze dafür auch einen Blick in Deine Aufzeichnungen und die Videos aus dem Einstieg.

Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 47 Lisa Rosa, Max von Redecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 5

Vorbereitung der Präsentation von spannenden Funden und persönlichem Interesse zum Thema Postwachstum

1) Recherchiere zu Hause auf dem Blog und lass Dich dabei von Deinem Interesse leiten. Nutze zur Orientierung entweder die Kategorien oder die Tags links und rechts in der Navigation.

2) Hast Du einen Beitrag auf dem Blog gefunden, der Dich interessiert, kommentiere diesen und lass die Leser wissen, warum hier Dein Interesse geweckt wurde. Nutze dafür die Kommentarfunktion. Du kannst Dich dort mit Deinem Klarnamen, Deinem FB-Account oder unter einem Pseudonym einlog- gen – je nachdem, was Dir am liebsten ist. Bei der Verwendung von Pseudonymen sollten jedoch die Kursteilnehmer inklusive des Lehrers wissen, wer von uns da schreibt (verwende beispielsweise Deine Anfangsbuchstaben o.ä.).

3) Kommentiere insgesamt zwei bis drei Beiträge oder Kommentare anderer Kursteilnehmer.

48 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Lisa Rosa, Max von Redecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 6

Forschungsfragen

„Das Problem beim Lernen sind die Fragen. Mit den Fragen beginnt das Verstehen. Und Fragen kann man nicht vermitteln, man kann sie weder lehren noch lernen. Fragen kann man sich, genau genommen, nicht einmal stellen; sie stellen sich ein. Erst wenn sich einem eine Frage wirklich stellt, versteht man sie.“ (Peter Gallin, Urs Ruf, Dialogisches Lernen in Sprache und Mathematik, Seelze 1999, S. 37)

1. Wie kommt man zu einer Forschungsfrage (FF)?

Die FF soll eine eigene Frage sein. Eine, die man wirklich beantworten will. Sie muss für einen selbst wichtig, vielleicht sogar aufregend sein! Die FF soll so formuliert sein, dass sie nicht trivial – also mit ja/nein oder mit einer schnellen Daten- Angabe – zu beantworten ist. Die FF soll so weit sein, dass Spielraum für verschiedene Antwortarten/Methoden gegeben ist. Die FF soll so eng sein, dass man sie in vernünftiger Zeit und mit erreichbarem Material bearbeiten kann. Die FF kann eine ganz offene Frage sein. Die FF kann eine Vermutung (Hypothese) sein, die man mit dem Arbeitsvorhaben klären (erhärten oder verwerfen) möchte. Die FF kann nach Ursachen fragen („Warum ist …“). Die FF kann nach Fakten und ihren Zusammenhängen fragen („Wie ist das Verhältnis …“). Die FF kann nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten fragen. Die FF kann nach Geltungsgrenzen fragen („Inwiefern ist … und inwiefern ist nicht …“).

2. Wie findet man ein Arbeitsvorhaben (AV), um die Forschungsfrage zu untersuchen?

Das Arbeitsvorhaben muss zur Forschungsfrage passen. Das AV braucht Material, eine Methode, Arbeitsmittel, Medien und Instrumente. Das AV muss mit gegebenen oder erreichbaren Mitteln, Medien, Methoden, Instrumenten auszuführen sein. Aber Vorsicht: Manche Dinge, die nicht sofort in unmittelbarer Reichweite scheinen, kann man sich verschaffen mit etwas kreativer Fantasie (z.B. von einem Bekannten leihen oder durch eine Eigenkonst- ruktion ersetzen …) – also nicht gleich gute Ideen verwerfen. Material kann man sammeln (fertige Quellen und Dokumente vor Ort oder im Internet) oder selbst herstellen (z.B. ein Interview mit vielen Menschen oder mit einem Experten durchführen). Material muss mit passenden Methoden bearbeitet werden, z.B. einen Text dekonstruieren („Was hat wer, wann, wie und unter welchen Bedingungen gesagt?“) oder Interviewfragen aufstellen und ein Audio- Interview zu einem Podcast schneiden oder transkribieren und zu einem Text kürzen … Das ausgewählte oder hergestellte Material muss ausgewertet werden. „Wie antwortet das Material auf meine Frage? Was ist offen geblieben?“

Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 49 Lisa Rosa, Max von Redecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 7

Bogen zum Arbeitsvorhaben von:

Ich arbeite zusammen mit:

So lautet meine Forschungsfrage:

Arbeitsvorhaben: Um diese Frage zu beantworten, gehe ich in den nächsten drei Wochen folgendermaßen vor:

Für die Präsentation könnte ich mir Folgendes vorstellen:

Ich brauche dafür:

Das habe ich schon:

Das muss ich noch beschaffen:

50 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Lisa Rosa, Max von Redecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 8

Vorstellung des Produkts Projekt fast fertig? Oder momentan nichts zu tun? Dann schreibe Deine Projektskizze!

Formuliere für die Veröffentlichung Deines Projektprodukts eine Einleitung. Dafür sollst Du auf drei Fragen eingehen: 1. Was hat Dich dazu gebracht genau dieses Produkt zu erarbeiten? 2. Wie war Deine Arbeitsweise? 3. Welchen Bezug hat Dein Produkt zum Thema Postwachstum? Dieser Text soll der Veröffentlichung vorangestellt werden und den Betrachter/Leser/Hörer einleitend orientieren.

Hinweise zu den Fragen:

1. Was hat Dich dazu gebracht, genau dieses Produkt zu erarbeiten?

Dafür kannst Du auf folgende Fragen eingehen: Warum hast Du dieses Unterthema gewählt? Was hat Dein Interesse am Thema geweckt? Warum hast Du Dich für diese Produktart entschieden? Was willst Du mit Deinem Produkt bewirken?

2. Wie war Deine Arbeitsweise?

Wie war Dein Vorgehen? Was war Dein Hintergrundwissen? Was waren Deine Informationsquellen? Was waren Probleme dabei, was Deine Lösungen?

3. Welchen Bezug hat Dein Produkt zum Thema Postwachstum?

Was hat Dein Produkt mit Postwachstum zu tun? Welche Stellung beziehst Du zum Wachstumsproblem? Was soll Dein Produkt verändern? Was erhoffst Du Dir von Deinem Projekt?

Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 51 Lisa Rosa, Max von Redecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 9

Meine Auswertung des Projekts

Folgende Dinge habe ich im Rahmen des Projekts gelernt:

Das Thema Postwachstum hat für mich nach dem Projekt folgende Bedeutung:

52 globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Lisa Rosa, Max von Redecker postwachstum | PROJEKTBLOG http://projektmehristweniger.wordpress.com Blatt 10

Unsere Kriterien zur Beurteilung von Projektarbeit:

Wie bewertest Du Deine Arbeit am Projekt? In Worten:

Als Note:

Begründung

Folgendes möchte ich noch gerne sagen:

Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung globales lernen – Aspekte einer Postwachstums-Ökonomie 53 Lisa Rosa, Max von Redecker

Materialien auf der DVD

1. „Weniger ist mehr“, -Film, Video 2. Tim Jackson, „Wohlstand ohne Wachstum“, PDF des gesamten Werks 3. Tim Jackson, „Wohlstand ohne Wachstum“, PDF, Zusammenstellung ausgewählter Textstellen mit orientierenden Zwischenüberschriften (Lisa Rosa) 4. Die Fotos und Grafiken aus diesem Heft als jpg-Dateien 5. Projektmappe mit den Arbeitsblättern in Word docx, editierbar 6. Reihe Globales Lernen, Heft 1, Didaktisches Konzept, 2010 7. Reihe Globales Lernen, Heft 2, Hunger durch Wohlstand, 2014 8. Reihe Globales Lernen, Heft 3, Haben wir eine globale Schutzverantwortung?, 2011 9. Reihe Globales Lernen, Heft 4, Wem nützt der Welthandel?, 2011 Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung www.li.hamburg.de