Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart Herausgegeben von Helmut Glück und Konrad Schröder

Band 11,1

2013 Harrassowitz Verlag . Paul Lévy

Die deutsche Sprache in Frankreich Band 1: Von den Anfängen bis 1830

Aus dem Französischen übersetzt und bearbeitet von Barbara Kaltz

2013 Harrassowitz Verlag . Wiesbaden Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Deutsche Sprache.

Wissenschaftlicher Beirat: Csaba Földes, Mark Häberlein, Hilmar Hoffmann, Barbara Kaltz, Jochen Pleines, Libuše Špácˇilová, Harald Weinrich, Vibeke Winge.

Titel der frz. Originalausgabe: Paul Lévy, La Langue allemande en . Pénétration et diffusion des origines à nos jours: IAC, Lyon- 1950-1952.

Abbildung auf dem Umschlag: Straßburg um 1750 © akg-images.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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Informationen zum Verlagsprogramm finden Sie unter http://www.harrassowitz-verlag.de © Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung in elektronische Systeme. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 1860-5842 ISBN 978-3-447-06897-0 Inhalt

Einleitung zur deutschen Ausgabe (B. Kaltz) ...... XI 1. Paul Lévy: Leben und Werk ...... XI 2. Paul Lévy, La langue allemande en France : Methode, Inhalt, Rezeption ...... XIX 3. Paul Lévy, La langue allemande en France : Erläuterungen zur deutschen Ausgabe ...... XXIV Vorwort ...... 1 Einleitung: Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850 ...... 3 1. Anfänge ...... 3 2. Völkerwanderung ...... 4 2.1 Franken ...... 4 2.2 Alemannen ...... 5 2.3 Sachsen ...... 6 2.4 Westgoten ...... 7 2.5 Burgunder ...... 7 2.6 Andere Volksstämme ...... 8 3. Sprachliche Entwicklung ...... 9 3.1 Vordringen des Germanischen ...... 9 3.2 Rückgang des Germanischen ...... 11 3.3 Lage am Ende der germanischen Zeit...... 12 4. Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen ...... 15 4.1 Ortsnamen ...... 15 4.2 Personennamen ...... 20 4.3 Appellativa ...... 22 4.4 Phonetische Einflüsse ...... 29 4.5 Morphosyntaktische Einflüsse ...... 30 5. Die normannische Invasion und ihre sprachlichen Folgen ...... 30 5.1 Geschichtlicher Hintergrund ...... 30 5.2 Erhalt und Verschwinden des Normannischen ...... 30 5.3 Spuren des Normannischen im Französischen ...... 31 Kapitel I: 850-1100 ...... 35 1. Trennung der romanischen und germanischen Sprachgebiete ...... 35 2. Verschwinden des Deutschen ...... 36 3. Kenntnisse der Sprache ...... 37 4. Neue deutsche Wörter ...... 40 Kapitel II: 1100-1500 ...... 43 1. Die Deutschen in Frankreich ...... 43 1.1 Adlige ...... 43 1.2 Prinzessinnen ...... 44 1.3 Höflinge, Beamte usw...... 45 VI

1.4 Soldaten ...... 45 1.5 Studenten ...... 46 1.6 Lehrer ...... 47 1.7 Kaufleute ...... 48 1.8 Handwerker ...... 49 1.9 Weitere Gruppen ...... 49 2. Die Franzosen und das Deutsche ...... 50 2.1 Mittel zum Spracherwerb ...... 50 2.1.1 Kinderaustausch ...... 50 2.1.2 Reisen nach Deutschland ...... 50 2.1.3 Eheschließungen ...... 51 2.2 Deutschkenntnisse ...... 51 2.3 Deutsche Wörter im Französischen ...... 55 3. Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten ...... 59 3.1 Im Norden ...... 59 3.2 Im Osten ...... 62 Kapitel III: 1500 – 1650 ...... 63 1. Die Deutschen in Frankreich ...... 63 1.1 Prinzessinnen ...... 63 1.2 Adlige ...... 64 1.3 Soldaten ...... 65 1.4 Studenten ...... 66 1.5 Lehrer ...... 68 1.6 Kaufleute ...... 69 1.7 Handwerker ...... 70 1.8 Arbeiter ...... 71 1.9 Reisende ...... 71 1.10 Weitere Hinweise auf die Präsenz der Deutschen in Frankreich ...... 71 2. Die Franzosen und das Deutsche ...... 73 2.1 Urteile über die Sprache ...... 73 2.2 Mittel zum Spracherwerb ...... 76 2.2.1 Reisen nach Deutschland ...... 76 2.2.2 Kinderaustausch ...... 77 2.2.3 Lehrwerke ...... 78 2.3 Deutschkenntnisse ...... 79 2.4 Deutsche Wörter im Französischen ...... 82 3. Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen ...... 85 3.1 Flandern ...... 85 3.2 Lothringen und Elsass ...... 86 3.3 Das Herzogtum Alençon und die Grafschaft Mömpelgard/Montbéliard ...... 88 Kapitel IV: 1650-1750 ...... 91 1. Die Deutschen in Frankreich ...... 91 1.1 Adlige ...... 91 1.2 Soldaten ...... 94 VII

1.3 Studenten ...... 94 1.4 Gelehrte ...... 95 1.5 Künstler ...... 96 1.6 Kaufleute ...... 96 1.7 Weitere Hinweise auf die Präsenz von Deutschen in Frankreich ...... 97 2. Die Franzosen und das Deutsche ...... 98 2.1 Urteile über die deutsche Sprache ...... 98 2.1.1 Verachtung ...... 98 2.1.2 Ironische Nachahmung der deutschen Aussprache ...... 101 2.1.3 Wohlwollendere Urteile ...... 102 2.2 Mittel zum Spracherwerb ...... 104 2.2.1 Reisen nach Deutschland ...... 104 2.2.2 Kinderaustausch ...... 105 2.2.3 Deutschunterricht ...... 106 2.2.4 Lehrwerke ...... 106 2.3 Deutschkenntnisse ...... 108 2.4 Deutsche Wörter im Französischen ...... 112 3. Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen ...... 114 3.1 Flandern ...... 114 3.2 Lothringen und Elsass ...... 116 3.3 Mömpelgard/Montbéliard ...... 117 Kapitel V: 1750-1789 ...... 119 1. Die Deutschen in Frankreich ...... 121 1.1 Prinzessinnen ...... 121 1.2 Adlige ...... 122 1.3 Soldaten ...... 123 1.4 Gelehrte ...... 124 1.5 Ärzte ...... 125 1.6 Künstler ...... 125 1.7 Handwerker und Arbeiter ...... 127 1.8 Kaufleute ...... 127 1.9 Reisende ...... 128 1.10 Weitere Hinweise auf die Präsenz der Deutschen ...... 128 2. Die Franzosen und das Deutsche ...... 129 2.1 Urteile über die deutsche Sprache ...... 129 2.1.1 Verachtung ...... 129 2.1.2 Ironische Nachahmung der deutschen Aussprache ...... 133 2.1.3 Wohlwollendere Urteile ...... 134 2.1.4 Wo wird das beste Deutsch gesprochen? ...... 137 2.1.5 Praktischer Nutzen des Deutschen ...... 138 2.2 Mittel zum Spracherwerb ...... 139 2.2.1 Reisen nach Deutschland ...... 139 2.2.2 Deutschunterricht ...... 141 2.2.2.1 Einzel- und Privatunterricht ...... 143 2.2.2.2 Lehrer ...... 146 2.2.2.3 Lehrmittel und Unterrichtsmethoden ...... 147 VIII

2.2.3 Deutschkenntnisse...... 149 2.2.4 Bedeutung des Deutschen in der französischen Gesellschaft ...... 152 2.2.4.1 Am Hof ...... 152 2.2.4.2 Lesekabinette ...... 153 2.2.4.3 Buchhandlungen und Bibliotheken ...... 153 2.2.4.4 Theater ...... 156 2.2.4.5 Übersetzungen ...... 156 2.2.4.6 Voltaire ...... 158 2.2.5 Deutsches im Französischen ...... 160 3. Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen ...... 163 3.1 Flandern ...... 163 3.2 Lothringen und Elsass ...... 164 3.3 Mömpelgard/Montbéliard ...... 166 Kapitel VI: 1789-1800 ...... 169 1. Die Deutschen in Frankreich ...... 170 1.1 Politiker ...... 170 1.2 Künstler und Intellektuelle ...... 171 1.3 Ärzte ...... 172 1.4 Handwerker und Kaufleute ...... 173 1.5 Frauen ...... 173 1.6 Soldaten ...... 174 1.7 Weitere Hinweise auf die Präsenz der Deutschen ...... 177 2. Die Franzosen und das Deutsche ...... 178 2.1 Urteile über die Sprache ...... 178 2.1.1 Ablehnende oder abwertende Urteile ...... 178 2.1.2 Wohlwollendere Urteile ...... 180 2.2 Mittel zum Spracherwerb ...... 181 2.2.1 Reisen, Emigration ...... 181 2.2.2 Deutschunterricht ...... 187 2.2.2.1 Zielvorstellungen ...... 187 2.2.2.2 Neugestaltung ...... 188 2.2.2.3 Schulen ...... 189 2.2.2.4 Lehrkräfte und Lehrwerke ...... 191 2.2.3 Deutschkenntnisse...... 192 2.2.4 Bedeutung des Deutschen in der französischen Gesellschaft ...... 195 2.2.4.1 Dolmetscher ...... 195 2.2.4.2 Übersetzungen ...... 196 2.2.4.3 Deutsche Buchhandlungen und Bücher ...... 197 2.2.4.4 Zeitschriften ...... 198 3. Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen ...... 198 3.1 Flandern ...... 199 3.2 Lothringen und Elsass ...... 200 Kapitel VII: 1800-1830 ...... 203 1. Die Deutschen in Frankreich ...... 203 1.1 Intellektuelle ...... 203 IX

1.2 Beamte ...... 205 1.3 Frauen ...... 205 1.4 Künstler ...... 206 1.5 Kaufleute und Handwerker ...... 207 1.6 Soldaten ...... 208 1.7 Weitere Hinweise auf die Präsenz der Deutschen ...... 210 2. Die Franzosen und das Deutsche ...... 212 2.1 Urteile über die deutsche Sprache ...... 212 2.2 Mittel zum Spracherwerb ...... 218 2.2.1 Reisen und Bücher über Deutschland ...... 218 2.2.2 Deutschunterricht ...... 220 2.2.2.1 Organisation und Lehrpläne ...... 220 2.2.2.2 Unterrichtsmethoden ...... 223 2.2.2.3 Privatunterricht ...... 226 2.3 Deutschkenntnisse ...... 228 2.3.1 Zurückkehrende Emigranten ...... 228 2.3.2 Stendhal ...... 229 2.3.3 Fehlende Kenntnisse ...... 231 2.4 Bedeutung des Deutschen in der französischen Gesellschaft ...... 236 2.4.1 Vorträge ...... 236 2.4.2 Theater ...... 236 2.4.3 Zeitschriften ...... 237 2.4.4 Buchhandlungen, Einfuhr und Druck deutscher Bücher ...... 239 2.4.5 Übersetzungen ...... 240 2.4.6 Deutsches im Französischen ...... 242 2.4.7 Madame de Staël und die deutsche Sprache ...... 245 3. Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten ...... 257 3.1 Flandern ...... 258 3.2 Lothringen und Elsass ...... 259 Bibliographie ...... 261 I.1Veröffentlichungen von Paul Lévy ...... 261 I.2 Rezensionen von Lévys Schriften ...... 264 II. Quellen ...... 265 III. Forschungsliteratur ...... 278 Personenregister ...... 293 Sachregister ...... 303 Paul Lévy (Aufnahme von 1950)

Einleitung zur deutschen Ausgabe

Barbara Kaltz

Vor rund sechzig Jahren veröffentlichte ein französischer Deutschlehrer namens Paul Lévy die erste umfassende Untersuchung zur Geschichte des Deutschen in Frankreich, La langue allemande en France. Pénétration et diffusion des origines à nos jours (Lévy 1950-1952);1 die Drucklegung wurde vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) un- terstützt. Die hier vorgelegte bearbeitete und aktualisierte deutschsprachige Ausgabe des Werkes2 ist auch als Hommage an Paul Lévy zu lesen, dessen bedeutender Beitrag zur germanistischen Forschung, insbesondere zur Sprachgeschichte des Deutschen, bislang weder in seinem Heimatland noch in Deutschland angemessen gewürdigt wurde.

1 Paul Lévy: Leben und Werk

Paul Lévy stammt aus einer jüdisch-elsässischen Familie; geboren wurde er am 15. Mai 1887 in Oberseebach, einem Dorf im Bezirk Weißenburg (Wissembourg),3 in dem sein Großvater Abraham Lévy Bäcker war, als er 1854 heiratete. Der Vater, Léopold Lévy, starb bald nach Pauls Geburt; seine Mutter Agathe, die aus Scharrachbergheim im unteren Elsass stammte, zog ihren Sohn allein groß und verdiente den Lebensunterhalt, indem sie in Wei- ßenburg ein Café führte. Paul Lévy besuchte zunächst die Volksschule in Oberseebach (1893-1897), dann das Gymnasium in Weißenburg, an dem er 1906 das Abitur ablegte. Anschließend begann er sein Studium an der Straßburger Universität; für das zweite Studienjahr wechselte er an die Sorbonne (1907/08), wo er in der Germanistik vor allem Vorlesungen von Charles Andler (1866-1933),4 Victor Basch (1863-1944)5 und Ernest Lichtenberger (1847-1913) besuchte.6

1 Verweise auf Lévys Publikationen erfolgen in dieser Einleitung nur mit der Angabe des Erscheinungs- jahrs; die Titel sind im Einzelnen im ersten Teil der Bibliographie nachgewiesen, ebenso die Rezensio- nen seiner Werke, für die hier jeweils nur der Name des Rezensenten und das Erscheinungsjahr genannt werden. – Die Angaben sind vermutlich trotz eingehender Recherchen unvollständig. In Bibliothekska- talogen wird Paul Lévy übrigens gelegentlich mit gleichnamigen Autoren verwechselt, was im Falle des Schriftstellers und Übersetzers Paul Lévy (1876-1960) in der Tat nahe liegt. 2 Zunächst nur Band I (1950) über die Geschichte des Deutschen von den Anfängen bis 1830; die deutsche Ausgabe von Band II, der den Zeitraum 1830-1950 behandelt, ist noch in Vorbereitung. 3 Zu Oberseebach vgl. Lévy (1928b); zur sehr hohen Frequenz des Namens Lévy im Elsass vgl. Lévy (1960: 22f.); im Lexikonteil ist für das Jahr 1716 ein „Lévy Nathan à Wissembourg“ nachgewiesen (Lévy 1960: 160). 4 Charles Andler, der ebenfalls aus dem Elsass stammte, gehört zu den Mitbegründern der französischen Hochschulgermanistik; ausführlicher hierzu Décultot (2007). Wie Lévy (1952: 180) selbst berichtet, war Andler ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Sorbonne, nachdem er zuvor an der Ecole Normale Supérieure Deutsch unterrichtet hatte. An anderer Stelle erwähnt Lévy (1952: 182) auch mehrere Veröffentlichungen von Andler. – Im Frühjahr 1908 begleitete Andler eine Gruppe von XII Einleitung zur deutschen Ausgabe

Auf Veranlassung Andlers, der über Nietzsche forschte, übersetzte und kommentierte Lévy einige Briefe Nietzsches aus dem Jahr 1888; die Übersetzung erschien 1908 im Druck (Lévy 1908). Entscheidende methodische Anregungen für seine spätere sprachgeschichtliche For- schung erhielt Lévy an der Sorbonne von dem Sprachwissenschaftler Ferdinand Brunot (1860-1938). 7 Zur französischen Literatur hörte er Emile Faguet (1847-1916) und Augustin Gazier (1844-1922), 8 in der Soziologie Emile Durkheim (1858-1917), 9 in der Ethnologie Lucien Lévy-Bruhl (1857-1939). 10 Nach der Rückkehr ins Elsass setzte Lévy sein Studium an der Universität Straßburg fort. Promovieren wollte er ursprünglich mit einer literaturwis- senschaftlichen Arbeit zum „Einfluss Bérangers auf die deutsche politische Lyrik von 1840-1850“; ein Doktorand einer anderen Universität kam ihm jedoch mit einer Arbeit zum selben Thema zuvor, so dass er auf ein anderes Thema ausweichen musste. 11 Bereits im Juli 1910 wurde er mit einer Dissertation zur Geschichte des Volksliedbegriffs zum Dr. phil. promoviert. Die Arbeit erschien in erweiterter Fassung 1911 in Berlin, in der Reihe Acta Germanica , die von seinem Straßburger Doktorvater Rudolf Henning herausgegeben wurde; 12 sie wurde in der Revue germanique durchaus positiv rezensiert (anon. 1912). 13 Im Mai 1911 legte er das Staatsexamen für das Lehramt ( facultas docendi ) in den Fächern Deutsch, Philosophie, Französisch und Geschichte ab. Nach der Übernahme in den Schuldienst im Juni 1911 unterrichtete Lévy zunächst an der Oberrealschule in Colmar; ein Jahr später legte er die zweite Lehrerprüfung ab. 14 Noch in Colmar veröffentlichte er mehrere Aufsätze, darunter eine Studie zum Einsatz der Mun-

Studenten der Sorbonne auf einer Reise nach Berlin, an der auch Lévy teilnahm. 5 Victor Basch, der wie Andler Sozialist war und aus einer Familie österreichischer Juden stammte, wuchs in Paris auf und lehrte ab 1906 deutsche Sprache und Literatur an der Sorbonne. 1944 wurden er und seine Frau auf Anordnung der Nationalsozialisten von der französischen Miliz ermordet. Lévy (1952: 182) verweist auf Publikationen von Basch zu Kant, Schiller und Max Stirner. 6 Charles-Ernest Lichtenberger war ebenso wie Lévy und Andler gebürtiger Elsässer; sein Lehrstuhl an der Sorbonne wurde 1901 zum ersten Ordinariat für deutsche Sprache und Literatur umgewandelt. Zwei seiner Veröffentlichungen zu Goethe erwähnt Lévy (1952: 182). Ausführlicher zu Lichtenberger siehe Décultot (2003: 311ff.). 7 Für Brunot war 1899 an der Sorbonne eigens ein Lehrstuhl für Geschichte der französischen Sprache eingerichtet worden. – Brunot veröffentlichte ab 1905 seine monumentale Geschichte der französischen Sprache, die grundlegend für Lévys eigene Arbeiten zur Sprachgeschichte in Elsass-Lothringen (Lévy 1929) und zur Geschichte des Deutschen in Frankreich (Lévy 1950-52) wurde; ausführlicher hierzu siehe unten. 8 Faguet lehrte ab 1890 Geschichte der französischen Literatur an der Sorbonne. 9 Durkheim, wie Lévy und Basch jüdischer Abstammung, lehrte ab 1902 Soziologie an der Sorbonne. 10 Lévy-Bruhl, ebenfalls Jude, lehrte ab 1908 an der Sorbonne, zunächst Geschichte der modernen Philosophie. 11 Dies geht aus handschriftlichen Notizen von Paul Lévy hervor (Entwurf seines zweiten Antrags auf Eintr agung in die Liste d’aptitude à l’enseignement supérieur, 10. Juli 1931; Familienarchiv M ichel Gaspard). 12 Zur Entstehung der Arbeit führt Lévy im Vorwort der gedruckten Fassung aus, sie gehe „im letzten Grund“ auf die „Anregung“ zurück, die er „von Herrn Prof. Dr. Rud. Henning in dessen Seminar- übungen über das deutsche Volkslied im Sommersemester 1907 erhalten“ habe (Lévy 1911, s. p.). 13 Vgl. anon. (1912: 79): „ouvrage fécond en enseignements“. 14 Die Angaben sind seinem Schreiben vom 24.11.1929 an das Ministerium entnommen; Archives départementales du Bas-Rhin, 1045W135. Paul Lévy: Leben und Werk XIII darten, insbesondere des Elsässischen, im Deutschunterricht an höheren Schulen (Lévy 1913a). 15 Nach einem Jahr in Straßburg wurde er 1914 nach Lothringen an das Gymnasium in Thionville (damals: Diedenhofen) versetzt und bereits Ende des Jahres als Soldat einge- zogen, jedoch bald wieder freigestellt. Nachdem er sich seiner erneuten Einberufung 1917 durch Fahnenflucht entzogen hatte, diente er bis zum Ende des ersten Weltkriegs als Pio- nier in einer Fernmeldetruppe der französischen Armee. 16 1920 heiratete er Elise (gen. Lilly) Weil in Bouxwiller, dem Geburtsort seiner Frau; die einzige Tochter, Marie-Rose, wurde im Jahr darauf in Thionville geboren. Neben der Tätigkeit als Deutschlehrer am Lycée in Thionville setzte Lévy seine wissenschaftlichen Studien fort. Seine besondere Aufmerksamkeit galt schon in diesen Jahren der Sprachgeschichte, wie sein Aufsatz über das Deutsche in Elsass-Lothringen von 1870-1918 (Lévy 1922) und zwei Publikationen zum Deutschen in Lothringen zeigen (Lévy 1923a und 1923b). 17 1926 wechselte er an das Lycée Kléber in Straßburg, wo er bis 1933 blieb. Nach jahrelangen Quellenstudien in Archiven und Bibliotheken verfasste Lévy seine ausführliche Sprachgeschichte des Elsass und Lothringens ( Histoire linguistique d’Alsace et de Lorraine ), die er Anfang 1929 für sein Habilitationsverfahren an der Straßburger Universität a ls „thèse principale“ vorlegte. An der mündlichen Prüfung im Juni 1929 nahmen die Germanisten Jean-Edouard Spenlé 18 und Edmond Vermeil,19 die Historiker Fritz Kiener 20 und Georges Lefebvre, Henri-Ernest Lévy als Vertreter der Germanischen Philologie und der Rektor der Académie de Stras- bourg, Christian Pfister, 21 teil; den Vorsitz führte Gabriel Maugain 22 als Dekan der Faculté des Langues. Spenlé und Vermeil beurteilten die Habilitationsschrift überaus kritisch; Ver- meil fand nicht nur sehr scharfe Worte zu Lévys vermeintlich unzulänglicher Beherrschung der französischen Sprache, sondern ging so weit, der Arbeit wissenschaftlichen Charakter abzusprechen. 23 Nicht besser erging es der deutschen Dissertation von 1910, die in dem Habilitationsverfahren als „thèse complémentaire“ vorgelegt wurde: Laut Spenlé hatte sie lediglich das Niveau einer oberflächlichen ‚Seminararbeit‘.24 Allein der dritte Gutachter, H.

15 Eine Besprechung dieser Abhandlung erschien noch im selben Jahr in der Elsässischen Monatsschrift (anon. 1913). 16 Dies wird belegt durch die auf seinen Namen ausgestellte „carte du combattant “, die sich noch im Archiv der Familie befindet (Mitteilung von M. Gaspard). 17 Lévy (1923a) ist ein kritischer Bericht über den Stand der Forschung zu den deutschen Mundarten in Lothringen. 18 Jean-Edouard Spenlé (1864-1952) war Literaturwissenschaftler; sein Spezialgebiet war die deutsche Literatur der Romantik. 19 Edmond Vermeil (1878-1964), Spezialist für deutsche Geschichte, stammte aus dem Languedoc. 20 Kiener war Spezialist für die Geschichte des Elsass. 21 Der Historiker Christian (Chrétien) Pfister (1857-1933) – er forschte insbesondere über die Geschichte Lothringens – war 1927 von Poincaré zum Recteur de l’Académie de Strasbourg ernannt worden. 22 Gabriel Maugain (1872-1950) war seit 1919 Professor für italienische Literatur in Straßburg. 23 „Le candidat a fait sans doute un réel effort pour écrire ces deux épais volumes en français. Mais sa langue et son style sont très défectueux. Les germanismes, les lourdeurs, les maladresses et les incor- rections abondent [...]. Résumé de 200 pages il constituerait un excellent ouvrage de vulgarisation. Mais il ne peut nullement prétendre à être considéré comme un travail vraiment scientifique “ [!] ; Archives départementales du Bas-Rhin, 1045W135. 24 „Travail de séminaire [...] qui ne prétend apporter sur l a question aucun aperçu nouveau“ ; Archives départementales du Bas-Rhin, 1045W135. XIV Einleitung zur deutschen Ausgabe

Ernest Lévy, war bemüht, Lévys Habilitationsschrift angemessen zu würdigen. 25 Ungeach- tet der negativen Gutachten entschied die Prüfungskommission sich dafür, Lévy den Titel „docteur ès -lettres“ mit der „mention honorable“ zu verleihen. Die Habilitationsschrift erschien noch im selben Jahr mit einer Auflage von 1000 Exemplaren im Druck (Lévy 1929), und im Jahr darauf erhielt Lévy den Prix Gobert der Académie française – für sein Werk, das nach Ansicht eines Straßburger Professors in schlechtem Französisch geschrie- ben war! 26 Auch von den – einschlägig ausgewiesenen – Rezensenten 27 zog keiner die sprachliche und wissenschaftliche Qualität der Arbeit in Zweifel. Im Gegenteil; Mari- chal hob in seiner Besprechung gerade auf die ‚Wissenschaftlichkeit‘ und ‚Aktualität‘ des Werkes ab („une oeuvre d’érudition et une oeuvre d’actualité“; 1930: 208). Ganz ähnlich äußert sich mehr als siebzig Jahre später auch Jean-Jacques Mourreau im Vorwort zu dem 2004 erschienenen Nachdruck von Lévy (1929). 28 Im Hinblick auf die neuere Rezeption sei auch auf die ständige Ausstellun g des Ecomusée d’Alsace (Ungersheim) zur Geschichte des Deutschen und Französischen im Elsass verwiesen, die 2011 mit dem schönen Titel Die Sprochmühle eröffnet wurde und Paul Lévy gewidmet ist. „Wesentliche Teile des präsen - tierten Materials“ sind, so hei ßt es im deutschen Text des zweisprachigen Ausstellungs- plakats, einem prominenten Elsässer zu verdanken, welcher bereits 1929 eine bahnbrechende Dissertation über die Sprachgeschichte des Elsass und Ostlothringens veröffent- lichte. 29 Mit der in deutscher Sprache verfassten, in erweiterter Fassung gedruckten Doktorarbeit und der umfangreichen Habilitationsschrift in französischer Sprache brachte Paul Lévy eigentlich die denkbar besten Voraussetzungen für eine Universitätskarriere in der Germa- nistik mit. Es lag nahe für ihn, eine Ernennung am germanistischen Institut der Universität Straßburg anzustreben, weshalb er unmittelbar nach der mündlichen Prüfung die erforderli- chen Schritte im Hinblick auf eine Anstellung an der Universität unternahm. 30 Pfister unterstützte Lévys Antrag sehr wohlwollend, indem er insbesondere auf dessen sehr gute

25 „Travail monumental qui [...] témoigne d’un effort considérable d’information, de lecture et de coordination “; „largeur d’horizon remarquable“; Archives départementales du Bas-Rhin, 1045W135. 26 Auszeichnung für Schriften zur Geschichte. – Weitere Auszeichnungen: „Officier d’Académie“ (1924), „Officier de l’Instruction Publique“ (1936) , „ Chevalier de la Légion d’honneur“ (1950). 27 Vgl. auf französischer Seite Bertrang (1930), Bourciez (1930), Marichal (1930) und Meillet (1931). Auch Otto Stoeckicht, der 1927 mit einer Dissertation zur Elsässischen Dialektgeographie in Marburg promoviert hatte, verfasste eine sehr positive Besprechung (Stoeckicht 1930). 28 Mourreau ( Préface , in Lévy 1929/2004: s. p.): „une somme d’érudition inégalée [...] livrant de pré - cieuses lumières sur la question linguistique. Celle-ci demeure d’une grande actualité“. Mourreau spricht weiter von einer ‚Pioniertat‘, mit der Lévy zudem die Sozioli nguistik begründet habe: „Faisant oeuvre pionnière, il s’attache autant aux faits linguistiques qu’à la toponymie, l’archéologie, la littéra - ture et l’histoire. Son ouvrage inaugure la sociolinguistique“ (ebd.). 29 Mit „Dissertation“ ist hier die „thèse principale“ für das „doctorat d’Etat“ gemeint. 30 Im französischen Hochschulsystem müssen potentielle Kandidaten für eine Hochschultätigkeit nach der Promotion bzw. der Habilitation zunächst die „Qualification“ durch eine zentrale Fachkommission be - antragen, die im Fall einer positiven Entscheidung zu ihrer Eintragung in der „Liste d’aptitude à l’enseignement supérieur“ führt. Lévy beantragte diese Eintragung mehrfach, zuletzt im November 1929; vgl. sein Schreiben vom 24. November 1929 an das Ministerium; Archives départementales du Bas-Rhin, 1045W135. Paul Lévy: Leben und Werk XV

Beherrschung der deutschen Sprache, seine Publikationen zum Deutschen im Elsass und seine Treue zu Frankreich verwies. 31 Im März 1930 32 bestätigte das „Comité consultatif de l’enseignement supérieur“ zwar seine Eignung als Maître de conférences für das Fach Deutsch, allerdings mit der Einschränkung auf das Spezialgebiet Geschichte der deutschen Sprache, das damals nur in Paris und Straßburg vertreten war. 33 Auf eine Anstellung an der Universität konnte er daher kaum hoffen, zumal die Straßburger Germanisten sich schon im Vorfeld unmissverständlich gegen seine Ernennung an ihrem Institut ausgesprochen hat- ten. 34 Angesichts der nahezu vernichtenden Kritik an seiner Habilitationsschrift liegt der Verdacht nahe, dass es eher nicht fachliche Kriterien waren, die den Ausschlag gaben für ihre ablehnende Haltung gegenüber Paul Lévy. Nicht auszuschließen ist, dass seine jüdi- sche Herkunft eine Rolle gespielt hat: Der Antisemitismus hatte im Elsass eine lange Tra- dition. 35 Auch dass sein ‚Profil ‘ nicht ohne weiteres der Tradition der französischen Hoch- schulgermanistik entsprach, mag zu der Ablehnung beigetragen haben: Lévy hatte abge- sehen von dem Studienjahr an der Sorbonne ‚nur ‘ an der damals deutschen Straßburger Universität studiert und seine Dissertation der deutschen Tradition gemäß verfasst; 36 zudem war er im Rahmen des deutschen Schulsystems zum Lehrer ausgebildet worden, hatte sich also nicht dem Auswahlverfahren der „agrégation“ unter zogen. 37 Lévy bemühte sich trotz des Rückschlags in Straßburg weiter um eine Hochschulanstellung, indem er 1931 erneut die Eintragung in die „Liste d’aptitude à l’enseignement supérieur“ beantragte, diesmal allgemein für das Fach Deutsch („langue et littérature allemandes“), ohne die Einschrän - kung auf die Sprachgeschichte. 38 Nachdem dieser zweite Antrag von der Kommission

31 „Je donne à la demande de ce professeur un avis favorable pour un emploi de maître de conférences d’allemand. Il parle fort bien cette langue; ses travaux ont porté sur la langue allemande en Alsace. Je verrais un intér êt politique à ce qu’un pareil poste fût confié à un professeur du cadre local, dont les sentiments français nous sont garantis. “ Schreiben des Rektors Pfister vom 28. November 1929 an den Directeur Général des Services d’Al sace et de Lorraine, Ier bureau; Archives départementales du Bas- Rhin, 1045W135. 32 Nicht 1933, wie bei Colleville (1962: 509) angegeben. 33 „Liste d’aptitude à l’enseignement supérieur“ , Journal Officiel vom 16. Mai 1930; Archives départe- mentales du Bas-Rhin, 1045W135. 34 Vgl. das Schreiben des Dekans Maugain vom 13. Juli 1929 an den Rektor Pfister: „Les conclusions des trois membres du jury qui ont bien voulu m’adresser des rapports, à la suite de la soutenance, ne me semblent pas favorables au voeu de M. Lévy, surtout s’il s’agit pour lui d’entrer à la Fa culté des Lettres de Strasbourg: hypothèse que notre sect ion germanique écarte nettement“ [!]; Archives départementales du Bas-Rhin, 1045W135. 35 Sicher ist jedenfalls, dass Spenlé (im Gegensatz zu Vermeil) zum Kollaborateu r und „willige[n] Helfer der nationalsozialistischen Instrumentalisierung der französischen Germanistik“ wurde (Merlio 2003: 298); vgl. hierzu auch Décultot (2003). 36 Fast ist man geneigt zu glauben, die Straßburger Germanisten hätten – auf Kosten von Paul Lévy – mit der deutschen Vergangenheit ihres Instituts „abrechnen“ wollen: seine Dissertation war von R . Henning, einem einschlägig ausgewiesenen Professor der Germanistik, angenommen worden und umfasste in der erweiterten Druckfassung fast 200 Seiten, war also wohl kaum mit einer ‚Seminararbeit‘ zu vergleichen. 37 Wie Lévy in seinem Antrag vom 24. November 1929 angibt, gehörte er dem „cadre local d’Alsace et de Lorraine assimilé aux agrégés“ an; Archives départementales du Bas -Rhin, 1045W135. 38 Dies geht aus dem handschriftlichen Entwurf seines Antrags vom 10. Juni 1931 hervor; Familienarchiv M. Gaspard. Lévy erläutert darin ausführlich, dass er durch einschlägige Publikationen nicht nur in der Sprachwissenschaft, sondern auch in der deutschen Literatur- und Kulturwissenschaft („civilisation alle - mande“) ausgewiesen war. XVI Einleitung zur deutschen Ausgabe abgelehnt worden war, unternahm Lévy offenbar keine weiteren Schritte im Hinblick auf eine Hochschullaufbahn. 39 Fest steht, dass er seine Versetzung nach Paris beantragte und dort ab dem Schuljahr 1933/34 mit einer vierjährigen Unterbrechung in der Besatzungszeit (siehe unten) bis zu seiner Pensionierung als Deutschlehrer am Lycée Rollin, dem späteren Lycée Jacques Decour, tätig war. 40 Noch in seiner Straßburger Zeit, kurz nach Hitlers Machtergreifung, veröffentlichte Lévy eine umfangreiche Untersuchung zum so genannten Ausland[s]deutschtum in franzö- sischer Sprache (Lévy 1933b). 41 Im Vorwort weist Frédéric Eccard 42 besonders auf die umfangreichen, zum großen Teil in Deutschland erfolgten Vorarbeiten für die Studie hin 43 und betont Lévys streng wissenschaftlichen, stets um Objektivität bemühten Ansatz bei der Behandlung dieser sehr komplexen Problematik (Eccard in Lévy 1933b: If.). 44 Bemerkens- wert erscheint mir, dass E. Décultot Lévys Schrift (1933b) 45 in ihrer Untersuchung zur Haltung der französischen Germanisten von 1933 bis 1939 ganz ähnlich beurteilt. Sie sieht darin ein „kennzeichnendes Beispiel“ für eine indirekte Form des Engagements, die mit rein wissenschaftlich-philologischen Mitteln die ideologischen Grundlagen des Regimes angreift, ohne den Nationalsozialismus ex- plizit zu thematisieren. Lévy habe „mit wissenschaftlicher Strenge die widersprüchlichen Bedeutungen des Be - griffs ‚deutsch‘ ans Licht gebracht“ und diesen „Kernbegriff der nationalsozialistischen Lehre völlig dekonstruiert“ (Décultot 2003: 320). 46 Lévy hielt mehrere Jahre lang 47 auch Vorträge bei Radio Strasbourg über die elsässische Sprache und Literatur. In den Vorträgen, die er für die Druckfassung auswählte (Lévy 1931a), behandelt er unter anderem die Bedeutung der Orts- und Personennamen, die

39 Die Annahme von Colleville (1962: 509), Lévy habe sich bewusst gegen eine Universitätskarriere entschieden, um wegen der ungleich besseren Forschungsbedingungen in Paris bleiben zu können, ist wenig plausibel. 40 Die Schule wurde 1944 umbenannt, zur Erinnerung an seinen als Widerstandskämpfer 1942 ermordeten Kollegen Daniel Decourdemanche, dessen Deckname Jacques Decour lautete. 41 Die Arbeit ist seiner Frau gewidmet: „à ma femme en reconnaissance de sa collaboration“ (Lévy 1933b, s. p.). 42 Eccard vertrat damals das Departement Bas-Rhin im Senat. 43 Die ausführliche Bibliographie (vgl. Lévy 1933b: 11-16) besteht in der Tat fast ausschließlich aus deutschsprachigen Titeln aus dem frühen 20. Jahrhundert. 44 Eccards abschließend geäußerte Hoffnung, Frankreich werde sich den deutschen Ansprüchen gegenüber als stark und geeint erweisen, sollte sich indessen leider nicht erfüllen („Que les Français ne négligent pas la leçon qui se dégage de ce livre, et qu’ils n’oublient jamais la nécessité d’être vigilants et d’opposer aux convoitises allemandes le rempart d’une France forte et disciplinée“; in Lévy 1933b: VII). – Langmuth (1938: 587) erwähnt in seiner Kritik an Vermeil und dessen Deutschlandinterpretation auch Paul Lévy, verweist jedoch lediglich in Anm. 29 auf Lévy (1933b), ohne sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen. Vgl. hierzu auch Décultot (2003: 315). 45 Eine überarbeitete Fassung des ersten Kapitels (Lévy 1933b: 28-51) erschien im selben Jahr in der Revue Germanique (Lévy 1933f), in der die Schrift auch rezensiert wurde (Piquet 1933). 46 Lévy (1933f: 230) schließt mit den Worten: „Pratiquement notre étude de la notion deutsch et de ses dériv és n’a donc pas abouti à une délimitation absolue et catégorique, mais au contraire à la démonstra - tion qu’il n’y en a pas et qu’il ne peut pas y en avoir.“ 47 Vermutlich von 1928 bis Juli 1933 (Mitteilung von M. Gaspard). Paul Lévy: Leben und Werk XVII

Mundart und den „Gang der Sprachentwicklung“ im Elsass (1931a: 81). 48 Seine Plaudereien über elsässische Sprache und Literatur erheben nicht den Anspruch, überall und à tout prix neue wissenschaftliche Ergebnisse zu bieten, obwohl auch dies gelegentlich und dem Fachmann wohl erkennbar der Fall ist. Aber sie erheben den Anspruch, auf streng wissenschaftlicher, d. h. vorurteils- loser Grundlage zu stehen. (Lévy 1931a: s. p.). Zur Lage des Deutschen im Elsass stellt er fest: Schon zeigt das Deutsche, ich meine das Hochdeutsche, unverkennbare Anzeichen der Schwäche. Man spricht und schreibt es weniger, man schreibt und spricht es vor allem weniger korrekt. (Lévy 1931a: 85) Und wie zwei Jahre zuvor in seiner Sprachgeschichte des Elsass und Lothringens gelangt Lévy zu dem Schluss, am Ende werde sich im Elsass das Französische durchsetzen: So gehn wir unverkennbar und rasch einer weitgehenden Zweisprachigkeit und, wenn man die Mundart gesondert rechnet, einer wahren Dreisprachigkeit entgegen. Der Tag wird kommen, an dem Deutsch und Französisch sich die Waage halten, dann ein anderer, an dem das Französische das Uebergewicht haben wird. (1931a: 87) 49 Nach seiner Versetzung nach Paris veröffentlichte Lévy einen Artikel zum Thema der deutschsprachigen Minderheit in Frankreich, in der er eine Bereicherung für die Nation sieht 50 und auf den bedeutenden Beitrag elsässischer Forscher zur Germanistik verweist, der auch auf deutscher Seite anerkannt werde (Lévy 1934b). 51 Ein Jahr vor Beginn des zweiten Weltkriegs legte er eine Untersuchung zur Einstellung der französischen Romanti- ker gegenüber dem Deutschen vor (Lévy 1938a). Auf Grund der antisemitischen Gesetzgebung der Vichy-Regierung wurde Lévy im Oktober 1940 aus dem Schuldienst entlassen. 52 Nach der Besatzungszeit, die er mit seiner

48 Lévy greift darin vielfach auf Material aus seiner Habilitationsschrift zurück, wie er im Vorwort selbst erläutert. – In diese Zeit fällt auch die Veröffentlichung seiner beiden Forschungsberichte zum Elsässi- schen und Hochdeutschen im Elsass (Lévy 1928c; 1931h). 49 Wörtliche Übersetzung des Schlussworts seiner Habilitationsschrift: „Nous nous avançons ainsi vers un bilinguisme, ou si l’on compte le dialecte à part, vers un trilinguisme toujours plus complet. Le jour viendra alors où le français et l’allemand seront en équilibre, ensuite un a utre où le français l’emportera“ (1929: II, 510). 50 „L’existence d’un noyau de germanophones de nationalité et sentiment français peut être considéré comme un enrichissement du patrimoine national“ (Lévy 1934b : 777). 51 „Des régions germanophones sont sortis quelques-uns des savants qui ont le mieux contribué à faire connaître les divers aspects de la vie allemande et en particulier quelques-uns des germanistes qui ont le plus relevé le prestige de la science française dans tous les pays de langue allemande “ (Lévy 1934b : 777). Ähnlich auch Mourreau siebzig Jahre später: „Et les grands germanistes français – Auguste Nefftzer, Théodore Braun, Henri Lichtenberger, Henri Albert, Charles Andler, Maurice Betz, Robert Minder, Georges Zink, Albert Fuchs, Adrien Finck – vont, jusqu’à nos jours, continuer à se recruter dan s le vivier alsacien et lorrain.“ (Lévy 1929/2004, Vorwort, s. p.) 52 „Retraite d’office“ . XVIII Einleitung zur deutschen Ausgabe

Familie unbeschadet in Paris überlebte, 53 konnte er im September 1944 als Lehrer an seine Schule zurückkehren. Neben der Unterrichtstätigkeit wirkte er als Prüfer im Baccalauréat und bei Aufnahmeprüfungen an Hochschulen im Fach Deutsch mit. 54 Lévy war auch in der Lehrerfortbildung tätig; so nahm er im August 1949 an einem mehrwöchigen Treffen fran- zösischer und deutscher Lehrer in Kirchheimbolanden (Pfalz) teil. Bei diesem Treffen hielt er mehrere Vorträge in deutscher Sprache, unter anderem zur Geschichte des Deutschunter- richts in Frankreich seit 1850 u nd zu den „gemeinsamen Grundlagen des französischen und deutschen Wortschatzes und ihre[r] Verwertung im Unterricht beider Sprachen“. 55 Im Juni 1945 wurde Lévy in das von der französischen Regierung eingesetzte „Comité d’histoire de la guerre“ berufen; ins besondere wirkte er bei der Durchsicht der NS-Archive zur Vorbereitung der Nürnberger Prozesse mit. Dem 1951 gegründeten „Comité d’Histoire de la seconde mondiale“ gehörte er bis zu seinem Tod an. Seine wissenschaftliche Arbeit setzte Lévy im Ruhestand fort. Er veröffentlichte Artikel zum Fremdsprachenunterricht (Lévy 1947a, 1947b, 1947d, 1948), verfasste kürzere Bei- träge für die Zeitschrift Vie et langage , rezensierte zahlreiche sprachwissenschaftliche Werke für die Etudes Germaniques (Lévy 1955a, 1956a,56 1957a, 57 1958b, 1959a, 1960b, 1960c, 1961b, 1961c, 1961d, 1961e, 1962b) und wandte sich erneut einem Forschungs- gebiet zu, in dem er schon zuvor (Lévy 1925, 1933b) gearbeitet hatte: Dem Jiddischen bzw. der Sprache der elsässischen Juden (Lévy 1954a, 1954b, 1956, 1957b). Auch seine letzte größere Publikation, Les noms des israélites en France. Histoire et dictionnaire (Lévy 1960a), ist in diesem Zusammenhang zu sehen. 58 Im ersten Teil wird die Geschichte der jüdischen Personennamen in Frankreich behandelt; der zweite Teil besteht aus einem alphabetisch angeordneten Verzeichnis von ca. eintausend in Frankreich vorkommenden jüdischen Familiennamen, die jeweils mit etymologischen Angaben und chronologisch angeordneten Belegen versehen sind. 59

53 Längere Zeit musste er sich versteckt halten und konnte seinePariser Wohnung nicht mehr verlassen; mit Lebensmitteln versorgten ihn und seine Frau die Concierge des Wohnhauses und die Tochter, die nach ihrer Entlassung als Deutschlehrerin unter falschem Namen mit Privatunterricht etwas Geld ver- diente (Mitteilung von M. Gaspard). 54 U. a. Concours d’entrée aux Ecoles Supérieures de Commerce (ab 1949) ; Concours d’entrée à l’ Ecole Normale d’Instituteurs de la Seine (ab 1946). 55 Angaben nach dem maschinenschriftlichen Lebenslauf von Paul Lévy, der mir freundlicherweise von M. Gaspard zur Verfügung gestellt wurde. 56 Lévy muss also auch über gute Kenntnisse des Englischen verfügt haben. 57 Neben den Einwirkungen des Deutschen auf das Französische hatte Lévy auch den Einfluss des Franzö- sischen auf die deutsche Sprache im Blick, wie seineBesprechung von Riederer (1955) zeigt, in der er insbesondere auf Goebbels ‘ Vorliebe für Gallizismen verweist: „Car en dépit des apparences et presque de la logique, non seulement l’occupé mais aussi l’occupant a subi l’empreinte du langage de ses inter- locuteurs forcés. Nous étions par exemple surpris de voir à quel point le dénommé Goebbels, tout en invectivant contre la France, se sert dans ses conférences sans cesse, et même sans nécessité, de mots et de locutions français “ (Lévy 1957 : 197). 58 Auch diese Veröffentlichung wurde vom CNRS gefördert. Auf dem Titelblatt wird auf Lévys Ernen- nung zum „Professeur honoraire“ am Lycée Jacques Decour hingewiesen. 59 Die Rezensionen von Fourquet, Sindou und Wolf, sämtlich 1961 erschienen, sind überwiegend positiv; Wolf (1961: 110) verweist auf die „vielfältigen Anregungen und Hinweise zur jüdischen Namen - forschung“, die „über die Grenzen Frankreichs hinaus wertvoll“ seien. Paul Lévy, La langue allemande en France: Methode, Inhalt, Rezeption XIX

Zwei Jahre später, am 29. August 1962, ist Paul Lévy in Paris gestorben, nur wenige Wochen nach seiner Frau. Ein ausführlicher Nachruf erschien noch im selben Jahr in den Etudes Germaniques ; er wurde verfasst von Maurice Colleville, der damals Professor der Germanistik an der Sorbonne und Herausgeber der Zeitschrift war.60

2 Paul Lévy, La langue allemande en France : Methode, Inhalt, Rezeption

Das Buch stieß nach seinem Erscheinen auf großes Interesse in Fachkreisen, wie schon an der Zahl der Rezensionen abzulesen ist. 61 Es wurde u. a. von dem Historiker Paul Leuilliot (1953) und von namhaften Sprachwissenschaftlern besprochen, darunter Albert Dauzat (1953), Kurt Baldinger (1954) und Walther von Wartburg (1951, 1954). Diese Rezensionen erschienen nicht nur in den einschlägigen deutschsprachigen und französischen Fachzeit- schriften, sondern auch in England (Chambers 1952, 1954) und den USA (Martinet 1951; Leopold 1953, 1954; Turk 1954), Belgien (van Dam 1951, 1954; Zumthor 1953) und Ita- lien (Pisani 1954). Im Übrigen war die zeitgenössische Rezeption nicht auf die Fachwelt beschränkt; so machte DIE ZEIT im März 1953 ihre Leser mit einem ausführlichen Artikel von Artur Rosenberg auf das Erscheinen des Buchs aufmerksam. Der ZEIT-Journalist war der Meinung, Lévy habe dem so nüchternen Gegenstand der Verbreitung der deutschen Sprache in Frankreich [...] alle Lichter abgewonnen, die aus der wachen Berührung mit allen Formen des Lebens aufspringen. Weiter erläuterte er: „Zum erstenmal wird hier eine grundlegende Geschichte der deutschen Sprache in Frankreich gebracht“ (Rosenberg 1953). Nach dieser ersten Rezeptionsphase ist Lévys Studie weitgehend in Vergessenheit geraten; doch wird sie in der neueren Forschung zur Geschichte des Deutschen als Fremdsprache (vgl. etwa Glück 2002: bes. 233-245; 2011: 104-105; Kaltz 1995, 2000, 2002, 2006, 2007) wieder als Quelle herangezogen. 62 Zudem wird sie für kulturgeschichtliche Arbeiten genutzt, vor allem von Michel Espagne und der von ihm geleiteten Forschungsgruppe am CNRS. 63 Ferdinand Brunot war in seiner großen Geschichte der französischen Sprache bestrebt, innere („histoire interne“) und äußere Sprachgeschichte („histoire externe“) aufeinander zu beziehen. 64 Dieser methodische Ansatz ist bei Hafner (2006: 158) sehr schön beschrieben; Hafner spricht von Brunots

60 Colleville (1962); wieder abgedruckt in Onoma IX.1/2 (1960-61 [1962 ersch.]), 360-361. 61 Insgesamt konnte ich 18 Rezensionen ermitteln; davon gelten 7 nur dem ersten Band, 10 beiden Bänden und eine nur dem zweiten Band. 62 Vgl. auch den Verweis auf Lévy (1950) in Polenz (1999: 186, 663). 63 Vgl. die entsprechenden Titel von Décultot und Espagne in der Bibliographie. – Auch in den (bislang recht seltenen) Studien zur Geschichte des Deutschunterrichts in Frankreich wird wieder auf Lévy zurückgegriffen; vgl. insbesondere Brethomé (2004) und Mombert (2007 : Anm. 2): „L’étude d’ensemble de Paul Lévy, qui replace l’enseignement de l’allemand dans le cadre de la pénétration de la langue allemande en Fr ance, garde toute sa pertinence“ . 64 Vorwort zur 1. Auflage [1905], in Brunot 1933/1966: I, S. V). Brunot geht darin auf zentrale Fragen der Sprachgeschichtsschreibung des Französischen ein (Anfänge der Romanisierung, Verhältnis des XX Einleitung zur deutschen Ausgabe

erklärte[m] Wille[n], die historischen Fakten minutiös aufzuarbeiten und für die Sprachgeschichtsschreibung fruchtbar zu machen, seine Grundüberzeugung von der gegenseitigen Bedingtheit des Sprachlichen und des Sozialen gleichsam theoretisch und empirisch zu untermauern. Damit sind zugleich die methodischen Grundlagen der beiden großen sprachgeschichtlichen Arbeiten von Paul Lévy umrissen (Lévy 1929; 1950/52). Zu ergänzen ist hier, dass er den Schwerpunkt deutlich auf die äußere Geschichte legt, 65 was in manchen zeitgenössischen Rezensionen mit Bedauern vermerkt wurde. 66 Wie sein Lehrer und Vorbild begreift Paul Lévy „Sprachgeschichtsschreibung als „das Schreiben eines Teiles der Menschheits- und Kulturgeschichte“ (so Hafner 2006: 159 in Bezug auf Brunot). Im Vorwort seiner Geschichte des Deutschen in Frankreich beruft er sich ausdrücklich auf Brunot: „Unsere Arbeit versteht sich als eine Weiterführung seines Werks, in seinem Geist und mit seinem methodischen Ansatz“; 67 sie soll ein „Baustein“ sein für die noch zu schreibende allgemeine Sprachgeschichte der Länder Europas“. 68 Für sein Buch über die Geschichte des Deutschen in Frankreich hat Lévy viele Jahre lang ge- wissermaßen à contre-courant geforscht: Das Interesse an sprachhistorischen Fragestel- lungen, zumal an der „äußeren“ Sprachgeschichte, war in der französischen Hoch schul- germanistik der Nachkriegszeit 69 gering. Indem Lévy sein Buch als Beitrag zu einer Ge- schichte der Sprachen Europas konzipierte, war er andererseits seiner Zeit voraus: Der „gesamteuropäische“ historiographische Ansatz ist seit einigen Jahren bekanntlich wieder en vogue . So ist auf französischer Seite Baggioni (1997: 10) für eine kontaktbezogen-euro- päische Sprachgeschichtsschreibung eingetreten; auf deutscher Seite verweisen etwa Lo-

Französischen zu den Dialekten, Kontakte zu anderen Sprachen); er argumentiert äußerst vorsichtig, ge- radezu bescheiden, wenn er etwa darauf verweist, wie viel noch unerforscht sei, oder von der Schwie- rigkeit spricht, Ausgewogenheit in der Geschichtsschreibung zu erreichen. Eben diese vorsichtige, bescheidene Annäherung an den Gegenstand der Untersuchung kennzeichnet auch Lévys Arbeitsweise. 65 Wie schon aus dem Inhaltsverzeichnis (Lévy 1950: 331-335) ersichtlich ist. Es wurde für die deutsche Ausgabe etwas anders gestaltet. 66 Sofer (1957: 48) konstatiert dies wertfrei: „Seine Untersuchung ist nicht so sehr sprachgeschichtlich als vielmehr kultur- und geistesgeschichtlich aufgebaut“ . Dagegen urteilt Martinet (1951: 393) sehr kritisch – und deutlich überzogen (vgl. etwa Lévy, Einleitung, 4.3 - 4.5 und 5.3): „Phonology and syntax, not to speak of course of morphology, are conspicuously absent from the book [...] the few rather meager word-lists that we are offered by no means substantiate Lévy’s assumptions.“ – Vgl. auch Marichal (1930: 210) zu Lévy (1929): „On ne peut guère reprocher à M. Lévy de n’avoir traité que de l’histoire externe de la lang ue, mais on ne peut manquer cependant de regretter qu’il n’ait pas été possible à l’auteur de nous faire connaître les répercussions de ces luttes d’influence sur l’évolution interne de l’alsacien et du roman. Quelques indications sommaires ne font qu’aviver nos regrets.“ 67 Vgl. hierzu Sckommodau (1951: 421): „Man kann vielleicht darüber streiten, ob das Thema, so wie es gefaßt ist – d. h. im Grunde als Darstellung einer Geschichte des deutschen Einflusses auf Frankreich, der sich des Mediums der deutschen Sprache bedient – im Geiste von Brunots Sprachgeschichte bewäl- tigt werden kann. Sicher aber ist, daß Lévys Untersuchung sehr präzise Erkenntnisse ermöglicht, und daß die klare Gliederung eines ungewöhnlich reichhaltigen Materials dieses Buch zu einem der aufschlußreichsten Werke macht, die bisher Probleme der deutsch-französischen Beziehungen behan- delten.“ 68 Ausführlicher hierzu siehe seine Einleitung. 69 Daran hat sich im Übrigen bis heute nicht viel geändert. Paul Lévy, La langue allemande en France: Methode, Inhalt, Rezeption XXI benstein-Reichmann & Reichmann (2011: 3) auf die „Europäizität“ des Deutschen (wie auch seiner Nachbarsprachen). 70 Lévys Darstellung der Geschichte des Deutschen im ersten Band ist in sieben Epochen sehr unterschiedlicher Dauer gegliedert, vornehmlich nach Einschnitten der Geschichte Frankreichs: 850 – 1100 – 1650 – 1750 – 1789 – 1800 – 1830. 71 In der Einleitung geht Lévy zunächst auf die Zeit vor 850 ein und gibt auf der Grundlage der einschlägigen älteren französischen und deutschen Forschung einen kurzen Überblick über die Spuren, die die germanischen Sprachen (einschließlich des Normannischen) vornehmlich im Wortschatz und der Onomastik des Französischen hinterlassen haben. Noch kürzer ist das erste Kapitel zum Zeitraum 850-1100 ausgefallen, in dem die Trennung der romanischen und germani- schen Sprachgebiete behandelt wird. Die folgenden Kapitel (II bis VII) sind von unter- schiedlicher Länge und weisen sämtlich dieselbe Untergliederung in drei Hauptteile auf: Die Deutschen in Frankreich , Die Franzosen und das Deutsche und Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten . Auch die genannten Hauptteile sind jeweils ähnlich untergliedert, was den Vorteil bietet, dass Informationen über bestimmte Kategorien von Deutschen in Frankreich, etwa Soldaten und Studenten, oder auch über die (Vor)Urteile der Franzosen gegenüber der deutschen Sprache sehr leicht aufzufinden sind. 72 Wie schon Baldinger (1954: 210) treffend bemerkt hat, ist das Gewicht in Lévys Unter- suchung „zeitlich sehr ungleich verteilt“: D ass die Entwicklung in der Neuzeit sehr viel ausführlicher dargestellt wird, ist in der Tat „nicht zufällig, sondern hängt mit der inneren Str uktur und den Interessen des Verf[asser]s zusammen“ (ebd.). Hatte er sich in der Einlei- tung über die germanische Zeit auf die einschlägige Sekundärliteratur beschränkt, so zieht er in den folgenden Kapiteln auch eine Vielzahl von Quellen sehr unterschiedlicher Text- sorten heran: Historische Schriften, literarische Werke, Erinnerungen, Reiseberichte, Brief-

70 „‚Europäizität ‘ kann sogar als Ergebnis zweier Geschichtsgleise gesehen werden: Es gibt einmal den konstitutiven Kontakt mit den sogenannten Bildungssprachen und zum anderen den konstitutiven Kon- takt mit den Nachbarsprachen, die ihrerseits in gleichen bildungssprachlichen Bezügen stehen wie das Deutsche“ (Lobenstein -Reichmann & Reichmann Hg. 2011: 3). – Vgl. in diesem Band auch den Beitrag von Helmut Glück zur „Fremdsprache Frühneuhochdeutsch“. 71 Diese Einteilung des Stoffes ist von den Rezensenten recht unterschiedlich bewertet worden, sehr posi- tiv etwa von Dresch (1951/1952), van Dam (1951), Sofer (1957) und Willebrand (1955), eher kritisch etwa von Zumthor (1951; 1953). Vgl. Sofer (1957: 49): eine „durchaus zweckmäßige“ Anordnung des Stoffes, die zudem „klar die ansteigende Bedeutung der deutschen Sprache in Frankreich erkennen“ lasse; ähnlich Dresch (1951/52: 190): „Das lehrreiche Buch ist wohlgegliedert“; van Dam (1951: 107): „Een dergelijke strenge indeling is bij een zo omvangrijke stof wel noodzakelik!“; Willebra nd (1955: 301): „klare Gliederung“. Zumthor (1953: 248) hält die zeitliche Einteilung dagegen für teilweise ‚will- kürlich ‘ und ‚fragwürdig‘: „Il serait aisé de montrer ce qu’ont d’arbitraire certaines de ces dates. La coupure pratiquée en 1100 me paraît particulièrement discutable. La période 1100-1500 me paraît particulièrement discutable [...] De même, il me paraît artificiel de traiter isolément des époques aussi courtes que 1789-1800 et 1800-1830. “ 72 Zu diesem Vorzug der Übersichtlichkeit bemerkt Forster (1953: 314) : „A series of headings have been devised which can be used to classify the material in each period. This has the advantage that the chap- ters have fundamentally the same structure and that one knows where to look for what one wants. In- deed it is difficult to see what other method could have achieved both compression and readability “. – Auch Zumthor (1953: 248) hält die Untergliederung in Anbetracht des Materialreichtums in gewissem Umfang für berechtigt ( „L’étendue de la matière justifie dans une certaine mesure la rigidité de cette structure“); sehr kritisch dagegen Fourquet (1953: 187). XXII Einleitung zur deutschen Ausgabe sammlungen, Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache und Wörterbücher, Verwaltungs- und Gesetzestexte, Lehrpläne, Zeitschriftenbeiträge, Bibliothekskataloge. Lévy ist es gelungen, die zentrale Fragestellung für jede Epoche deutlich herauszuarbei- ten. So sind in der Einleitung und im ersten Kapitel die Frage der Sprachgrenzen und die Geschichte der Toponyme von zentraler Bedeutung. Im Zeitraum 1100-1500 geht es ihm schwerpunktmäßig um die Entlehnungen im Altfranzösischen, in dem darauf folgenden (1500-1650) um den Erwerb des Deutschen als Fremdsprache. 73 Nicht minder treffend hat Baldinger beschrieben, welche Schwerpunkte Lévy in seinem Buch setzt: Was ihm am Herzen liegt, sind die persönlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland, die Reisen und die Aktivität der Deutschen in Frankreich und um- gekehrt, die wechselvolle Beurteilung der deutschen Sprache durch die Franzosen im Laufe der Jahrhunderte, das damit zusammenhängende Interesse für die deutsche Sprache, welche in der Publikation von Grammatiken, Wörterbüchern, Reisebe- schreibungen, Übersetzungen und im Deutschunterricht einen konkreten Nieder- schlag findet. [...] Je mehr wir uns der Neuzeit nähern, desto intensiver fließen die Quellen und desto eindrücklicher wird das Bild. (Baldinger 1954: 210) Schon im Titel wird angedeutet, dass Lévy das Adjektiv ‚deutsch‘ in einer sehr weit ge- fassten Bedeutung verwendet. Doch stellt sich für den heutigen Leser spätestens am Ende des zweiten Kapitels, wo vom Flämischen in Nordfrankreich die Rede ist, die Frage, was er denn genau unter dieser Sprachbezeichnung zu verstehen habe: Weshalb das Flämische in die Untersuchung einbezogen ist, wird nicht näher begründet. 74 Leopold (1953: 107-108) verweist in dieser schwierigen Frage auf die grundsätzliche Problematik der Abgrenzung von Sprache und Dialekt und kommt zu dem Schluss, Lévy habe die Entwicklung der germanischen Sprachen in Frankreich in ihrem Zusammenhang sehen und darstellen wol- len. 75 Andere Rezensenten haben in diesem Punkt weitaus kritischer geurteilt. André Marti- net 76 (1951: 392) konzedierte zwar, man könne aus der Sicht der vergleichenden Sprach- wissenschaft Flämisch durchaus als Variante des Niederdeutschen ansehen, in kultur- geschichtlicher Hinsicht müsse man ‚Holländisch‘ und ‚Deutsch‘ jedoch stets genau voneinander abgrenzen. Jean Fourquet 77 meinte, das methodische ‚Schwanken‘ im Hinblick auf die Sprachbezeichnung ‚deutsch‘ stifte beim Leser ‚Verwirrung ‘.78

73 Ich folge hier der Analyse von Zumthor (1953: 248). 74 Dies hat zu Missverständnissen seitens eines belgischen Rezensenten geführt; vgl. van Dam (1954: 90): „die flämische Bevölkerung der französischen Nordwestecke wird regelmässig zu den Deutsch - sprachlern gerechnet und dasselbe Los fällt den belgischen und niederländischen Immigranten zuteil. Dies hätte doch vermieden werden müssen!“ Seine Bemerkung ist auf den zweiten Band bezogen, trifft aber ebenso auf den ersten zu. 75 „Lévy’s knowledge of the history of the languages makes him see them [the Germanic languages in France] as being linked together. The reproach because of this extension is not a serio us one“. 76 André Martinet (1908-1999) lehrte zu dieser Zeit an der Columbia University New York. 77 Jean Fourquet (1899-2001) lehrte ab 1934 an der Universität Straßburg; nach seiner Berufung an die Sorbonne (1955) übte er entscheidenden Einfluss auf die germanistische Sprachwissenschaft in Frank- reich aus. 78 Fourquet (1953: 186-188) schreibt insbesondere: „L’auteur n’a pas jugé utile de nous dire quel sens il donnait au terme de ‚langue allemande‘ [...] le premier chapitre achève la confusion [...] à ce flottement Paul Lévy, La langue allemande en France: Methode, Inhalt, Rezeption XXIII

Betrachtet man nun die zeitgenössischen Besprechungen in ihrer Gesamtheit, so fallen die großen Unterschiede bei der Beurteilung des Werkes ins Auge. Manche Rezensenten fanden nur lobende Worte; so hielt Johann Sofer (195 7) die Arbeit für „bedeutsam“, in Anlage und Methode für „mustergültig“. 79 In anderen Besprechungen wird der streng wissenschaftliche, objektive Ansatz der Arbeit hervorgehoben; so schreibt Leopold (1953: 106): The attitude of scholarly objectivity in the book is beyond reproach, and that is no small praise for a book with a topic which borders so closely on nationalistic quarrels. 80 Ähnlich erkennt Sckommodau (1951: 420) den „ sachliche[n] Charakter der Untersuchung, ihr vorurteilsfreies Streben nach einer Erkenntnis der wirklichen Zusammenhänge, das Fehlen jeder tendenziösen Einengung des Blicks “ als „große Vorzüge“. Als weitere Quali - täten des Werkes werden Umfang und Vielfalt des minutiös ausgewerteten Quellenmate- rials genannt. 81 Einige haben sich an der Zurückhaltung gestört, mit der manche Aussagen formuliert sind. 82 So äußert sich Sckommodau (1951: 418), der im ersten Band eher „eine neue Untersuchung über den deutschen Kultureinfluß in Frankreich [...] als – wie der Titel es eigentlich verspricht – eine Darstellung des Übergreifens des Deutschen auf das benach- barte Sprachgebiet“ sieht, „überrascht“ über den „fast vollständige[n] Verzicht auf einen kulturhistorischen Kommentar“ (1951: 420). 83 Dass in einigen Rezensionen weit weniger sachlich argumentiert wurde, soll hier nicht verschwiegen werden. So verstieg Martinet sich zu dem Vorwurf, Lévy verstehe zu wenig von Sprachwissenschaft [!], 84 und ausgerechnet die Besprechung in den Etudes Germani- ques , der von den Germanisten der Sorbonne herausgegebenen Zeitschrift, ist insgesamt

méthodologique s’en ajoute un autre, plus étonnant encore. [...] C’est grand dommage qu’un si vaste et si méritoire effort de recherche et d’érudition soit [...] privé de son couronnement qui eût été d’aboutir à un ensemble de leçons de linguistique et de sociologie. “ 79 Vgl. Sofer (1957: 49-50): „So kann also diese Untersuchung eines sprachgeschichtlichen wichtigen Problems in ihrer methodischen Durchführung und Anlage, auch in ihrer Ausstattung und Gesinnung würdigen Anlage als durchaus mustergültig und für die sprachwissenschaftliche Forschung der Gegen- wart bedeutsam gekennzeichnet werden“. 80 So spricht Forster (1952-53: 314) von „meticulous scholarship “ in Bezug auf Lévy (1929) und (1950). 81 Vgl. Leopold (1953: 107): „Lévy maintai ns a critical attitude towards his sources; where they seem to exaggerate, he does not follow them blindly“. 82 Chambers (1952: 259) meinte, Lévy habe sich oft mit zu allgemeinen Aussagen begnügt: „Frequently, [...] the author is content with a general statement which seems to disclaim a responsibility to go fur- ther“. – Ganz im Gegensat z dazu Zumthor (1953: 248): „L’ information de L. est solide [...] Ne sont dis- cutables que certaines prises de position trop nettes, non étayées de preuves ni de références“ [zu Ein- leitung und Kapitel I]. Der Text dieser Besprechung ist übrigens teilweise identisch mit seiner 1951 erschienenen Rezension (Zumthor 1951). 83 Vgl. Leopold (1953: 106): „Lévy does not go much beyond the collection of material, but he is con - scious of cultural implications and places the facts into historical perspective. It is easy to look down on the painstaking detail work which he has done. The book is not brilliant; but the value of ‚pedestrian ‘ scholarly labor should not be underrated.“ 84 Martinet (1951: 392): „Paul Lévy’s study of linguistic and cultural Franco -German relations un- doubtedly has some points of merit, but unfortunately it too often bears traces of its author’s insufficient linguistic training [!] to be recommended as a model “. XXIV Einleitung zur deutschen Ausgabe sehr unfreundlich ausgefallen (Fourquet 1953). Dass die schärfste Kritik von Vertretern des Strukturalismus wie Martinet und Fourquet ausging, dürfte kein Zufall sein. Insgesamt sind die Divergenzen bei der Beurteilung des Werkes vermutlich in erster Linie auf Unter- schiede im wissenschaftlichen Ansatz und dem Forschungsinteresse der Rezensenten zurückzuführen. In einigen Fällen mag auch eine gewisse professorale Überheblichkeit gegenüber dem Gymnasiallehrer 85 Lévy in das Urteil eingeflossen sein. Aus heutiger Sicht erscheint mir die nachstehende Einschätzung jedenfalls weitaus angemessener als die überzogene Kritik von Martinet (1951) und Fourquet (1953): Lévy (1950-52) ist „eine Arbeit von unheimlichem Fleiss“, 86 in der es immer wieder anregend zu lesen [ist], wie politische und religiöse, geistige und wirt- schaftliche, soziale und pädagogische Momente ineinandergreifen, das Sprachleben wechselnd beeinflussen.87 Das Buch ist auch deshalb „anregend zu lesen“, weil die Darstellung der Geschichte des Deutschen in Frankreich sich auf reiches Quellenmaterial stützt und verschiedentlich mit Anekdoten aufgelockert wird. 88 Amüsant sind etwa die haarsträubenden Fehler, die man- chen Franzosen bei der Übersetzung aus dem Deutschen unterliefen,89 oder die Geschichte von Anatole France, der beim Baccalauréat an einer absurden geographischen Fangfrage scheiterte, die ihm von Karl Benedikt Hase in der mündlichen Prüfung gestellt wurde. 90

3 Paul Lévy, La langue allemande en France : Erläuterungen zur deutschen Ausgabe

Schon bald nach Beginn der Arbeit erwies sich das Verfahren einer wörtlichen Übersetzung des französischen Originaltexts im Hinblick auf deutschsprachige Leser im zweiten Jahr- zehnt des 21. Jahrhunderts als unangemessen. Der Text musste vielmehr in verschiedener Hinsicht bearbeitet und aktualisiert werden. So wurden Verweise auf relevante For- schungsliteratur durch Zitate ergänzt, wo dies sinnvoll erschien; auch wurden ungenaue

85 Vgl. dagegen Leopold (1953: 106): „ Apparently the tradition that secondary school professors do scholarly wo rk is not yet extinct in “ . 86 Ähnlich Leopold (1953: 106): „All relevant data are collected with immense industry, often from re - mote so urces, and presented in an orderly fashion“. 87 So hat Otto Stoeckicht (1930: Sp. 418) Lévy (1929) zusammenfassend charakterisiert; ich denke, es trifft ebenso auf seine Sprachgeschichte des Deutschen in Frankreich zu. 88 Vgl. auch Pisani (1954: 65), der in Lévys Buch ein wohl durchdachtes, sehr informatives und angenehm zu lesendes Werk sah, das für Romanisten wie für Germanisten von Bedeutung ist („il L. ci ha dato un’opera ben fatta, ricca di informazioni e piacevole alla lettura, importante sia per gli s tudi francesi che per quelli tedeschi“). 89 Ein besonders hübsches Beispiel erwähnt Rosenberg (1953): „So wurde Gounods Faust lange Zeit nach dem Text gesungen ‚Je m’appelle le Docteur Gar ‘. Goethes: ‚Heiße Magister, heiße Doktor gar‘ wurde also zu: ‚Ich h eiße Doktor Gar ‘.“ – Ähnlich Turk in typisch amerikanischer Manier; seine Bemerkung ist auf den zweiten Band bezogen, gilt aber natürlich genauso für den ersten: „Translations are cited to show how shaky the foundation was [...] These are amusing highlights in a serious opus that threatened to be very serious reading matter“ (Turk 1954: 350). 90 Vgl. Kap. VII, 1.1. Solche Zusätze sind mit „(B.K.)“ gekennzeichnet. Paul Lévy, La langue allemande en France: Erläuterungen zur deutschen Ausgabe XXV

Angaben zu der verwendeten Sekundärliteratur und zu den Quellen nach Möglichkeit ver- vollständigt. Lévy zieht etwa in den Abschnitten zur Lage des Deutschen im Elsass und in Lothringen häufig Material aus seiner Habilitationsschrift heran, was natürlich naheliegend war, weist jedoch, etwa in seinen Ausführungen zur Sprachpolitik der Revolutionäre, die wörtlich übernommenen Quellenzitate nicht näher nach; die fehlenden Nachweise für die Schriften von Barère, Rousseville und Mallarmé sind hier nachgetragen. 91 Kleinere Mängel im französischen Originaltext, die offensichtlich auf Versehen beruhen, wurden still- schweigend verbessert, etwa im Fall von Jahreszahlen92 und Personennamen – Hermstädt statt [Sigismund Friedrich] Hermbstädt (Lévy 1950: 278), „Portalès père“ (1950: 214) bzw. „Pourtalès père“ (1950: 214, Anm. 5) für [ Jean-Etienne-Marie] Portalis, 93 und Marceau (1950: 229) für General Moreau, den Sieger der Schlacht bei Hohenlinden (1800). Ver- schiedentlich wird in Anmerkungen auch hingewiesen auf zeitgenössische Kritik an man- chen Ausführungen Lévys, etwa zur Etymologie von Toponymen. Auch im Hinblick auf die Sprache der Zitate erwies sich die Bearbeitung des Original- textes als unumgänglich. Während Lévy lateinische, altprovenzalische und altfranzösische Quellen im Original zitiert, hat er sich bei den deutschsprachigen Quellen dafür entschie- den, die Zitate ins Französische zu übersetzen bzw. nach bereits vorliegenden Über- setzungen 94 zu zitieren. In der deutschen Ausgabe sollten anderssprachige Zitate dagegen grundsätzlich im Originaltext wiedergegeben und mit einer Übersetzung in der Anmerkung versehen werden. Fast alle lateinischen, altprovenzalischen und altfranzösischen Zitate konnten vor der Übersetzung anhand der Quellen überprüft werden. 95 Für die – weitaus häufigeren – Zitate aus deutschsprachigen Werken musste anders verfahren werden, da eine Rückübersetzung hier wenig sinnvoll erschien. In den meisten Fällen ist es mir gelungen, die von Lévy verwendeten deutschsprachigen Quellen selbst einzusehen und die Zitate daraus nach Überprüfung für die deutsche Ausgabe zu übernehmen. 96 Für die verbleiben-

91 Vgl. Kap. VI, 2.1.1. 92 So schreibt Lévy (1950: 247, Anm. 2), J. Fr. Marulaz oder Marola [d.i. Jakob Franz Marulaz; 1769- 1842] sei ab 1778 französischer Husar gewesen. 93 Lévy beruft sich hier auf Tronchon (1920: 205), hat also vermutlich das Werk von Portalis nicht selbst eingesehen. 94 Für deutsche Quellen in französischer Übersetzung gibt Lévy nur die französischen Titel an, die keines- wegs immer wörtlich übersetzt sind. Deshalb waren die Originaltitel in einigen Fällen, z. B. bei Kants Werken, nicht ohne weiteres zu ermitteln. 95 Nicht eingerückte Zitate stehen im Text selbst in doppelten Anführungszeichen, die Übersetzung jeweils in der Anmerkung, in einfachen Anführungszeichen. 96 Solche Zitate sind mit doppelten Anführungszeichen markiert, wenn sie nicht eingerückt sind (so die Zitate von Geizkofler in Kap. III; Depping, Reichardt und Arndt in Kap. VII). – In einigen Fällen stellte sich heraus, dass der deutsche Text im Original amüsanter zu lesen ist als in der französischen Fassung; vgl. etwa das Zitat in Kap. VII, 2.2.2.4: „Der deutschlernende Doctor Jauffret setzt mich heute Mittag hi nter eine ‚petite soupe de riz‘, ein ‚bouilli ragoûté‘, ein ‚petit morceau d’anguille fricassé‘, einen ‚petit canard ‘ und ein ‚petit dessert de raisins, de bonbons‘, etc., lauter herrliche Sachen, wovon ich aber vor Angst kaum einen Bissen habe essen können, weil ich beständig sagen sollte, wie all das Zeug, das ich in meinem Leben nicht in Deutschland gesehen habe, deutsch heißt. Da habe ich entsetzliche Mythen gemacht, zum Theil recht boshaft, und Doctor Jauffret lallt jetzt von gepreßten Enten und gehißten Pasteten, daß es eine Lust ist.“ (Hase 1894: 72f.). XXVI Einleitung zur deutschen Ausgabe den Werke musste ich mich mit der weit weniger befriedigenden Lösung begnügen und die Zitate selbst übersetzen. 97 Bei der Arbeit mit den Quellen zeigte sich weiter, dass Lévy nicht immer ganz exakt zitiert; 98 solche Unstimmigkeiten wurden für die deutsche Ausgabe korrigiert. Sowohl im Text selbst als auch in den Anmerkungen sind Zitate hier stets in der Kurzform (Name des Verfassers, Erscheinungsjahr und Seitenzahl) nachgewiesen. 99 Für Quellen in französischer Sprache war ich bemüht, zeitgenössische Übersetzungen ins Deutsche zu ermitteln; wo mir dies nicht gelungen ist, habe ich entweder neuere Über- setzungen herangezogen 100 oder die Zitate für die vorliegende Ausgabe selbst übersetzt. In einigen wenigen Fällen wurde von einer Übersetzung abgesehen; so bleiben Zitate aus Komödien von Molière und anderen Schriftstellern, in denen die typisch deutsche Ausspra- che des Französischen zur Erheiterung des Publikums nachgeahmt wird, 101 hier aus nahelie- genden Gründen unübersetzt. 102 Für manche Stücke konnte ich deutsche Fassungen ermit- teln, in denen der komische Effekt mit anderen Mitteln erzeugt wird, und die entsprechen- den Passagen jeweils in der Anmerkung zitieren. 103 Die zahlreichen französischen Lemmata, die Lévy in seinem Buch zitiert, wurden, abge- sehen von Fällen wie boulevard, balcon oder stockfisch , wo sich eine Übersetzung erüb- rigte, für die deutsche Ausgabe übersetzt bzw. erläutert; die Angaben zur Etymologie und zur Bedeutungsentwicklung der Sprachbeispiele wurden soweit möglich aktualisiert, viel- fach auch ergänzt. Manche Erläuterungen, etwa solche zu berühmten Deutschen, die für Lévys französi- sche Leser durchaus angebracht waren, schienen mir für Leser der vorliegenden Ausgabe entbehrlich, weshalb sie hier ebenso wie manche Anspielungen auf Einzelheiten der franzö- sischen Geschichte entfallen. 104 Auf der anderen Seite enthält die deutsche Ausgabe zahlrei- che Erläuterungen und zusätzliche Angaben, insbesondere zu Personen, 105 Toponymen und geschichtlichen Begr iffen wie „bailliage d’Allemagne“ und „préteur royal“ ,106 die dem deutschsprachigen Leser die Lektüre des Buchs erleichtern sollen. Des weiteren wird häufig auf einschlägige neuere Forschung hingewiesen oder daraus zitiert.

97 Vgl. etwa die Zitate von Mauvillon (1740) in Kap. IV; de Belloy (1787), Mirabeau (1787), Toussaint (1765) in Kap. V; alle von mir rückübersetzten Zitate sind durch einfache Anführungszeichen gekennzeichnet. 98 Das gilt auch für der Sekundärliteratur entnommene Quellenzitate (etwa Remppis 1911; Tronchon 1920). 99 In der selben Form wird auch auf Titel verwiesen. 100 So musste ich mich für Voltaire (1753) mit einer deutschen Übersetzung von 1997 begnügen. 101 Vgl. die Zitate aus Komödien von Molière, Poisson, Montfleury, Autreau und Romagnesi (Kap. IV, 2.1.2), de Boissy, Beaumarchais und Sedaine (Kap. V, 2.1.2) und Scribe (Kap. VII, 2.1). 102 Die beiden Briefe, die Liselotte von der Pfalz in französischer Sprache an Sophia Dorothea von Preußen richtete, sind im Text übersetzt und zum Vergleich in der Anmerkung auch im Original zi- tiert (vgl. Kap. IV, 1.1). Ähnlich wurde für ein Zitat von B. Constant verfahren, das ich der kritischen Ausgabe seiner Werke entnommen habe; es weicht deutlich von dem bei Lévy zitierten Text ab (vgl. Kap. VII, 2.1). 103 Vgl. Kap. IV, 2.1.2. 104 Auslassungen im Text sind in der Regel durch eckige Klammern als solche gekennzeichnet. 105 Lebensdaten von Personen wurden hinzugefügt, wo mir das sinnvoll erschien. 106 Vgl. Kap.III, 3.2; Kap. V, 2.2.3. Paul Lévy, La langue allemande en France: Erläuterungen zur deutschen Ausgabe XXVII

Wie seinerzeit in den französischen Geisteswissenschaften üblich, weist Lévy die Titel von Quellen und Forschungsliteratur nicht in einer separaten Bibliographie nach, sondern in Form von Anmerkungen zum jeweils ersten Zitat; ein – nicht immer ganz zuverlässiger – „index bibliographique“ (Lévy 1950: 307-312) ermöglicht das Auffinden der Nachweise im Text. Angesichts der Fülle der von Lévy eingesehenen Literatur nimmt es nicht wunder, dass sich auch bei den bibliographischen Angaben Fehler eingeschlichen haben. So ist Josef Brüch als „Bruch“ zitiert (1950: 4, 7), Montpellier versehentlich als Erscheinungsort des Essai sur le gymnase de Montbéliard (Godard 1893) genannt (1950: 94). Manche Titel sind unvollständig angegeben, andere fehlen ganz; Vornamen der Verfasser erscheinen nur in abgekürzter Form, und die Angaben zum Erscheinungsjahr sind nicht immer zuverlässig. Für die deutsche Ausgabe habe ich mich für die heute verbreitete Form der alphabetisch angeordneten Bibliographie entschieden. 107 Der erste Teil besteht aus einem Verzeichnis von Lévys Veröffentlichungen und der dazugehörigen Rezensionen; soweit ich sehe, ist dies der erste einigermaßen vollständige Nachweis seiner Schriften. 108 Für die Verzeich- nisse der Quellen (Teil II) und der Forschungsliteratur (Teil III) wurden unvollständige bzw. fehlende Angaben – insbesondere Erscheinungsort und Verlag, Vornamen der Verfas- ser, Seitenzahlen – ergänzt, soweit sie in Bibliothekskatalogen bzw. mit elektronischen Hilfsmitteln zu ermitteln waren. Wo dies nicht möglich war, wie im Fall der Werke von de la Champagne (1687) und Gaichières (1739), steht nach dem Titel der Vermerk „[nicht nachweisbar“]. Der dritte Teil der Bibliographie enthält außer den genauen Nachweisen der von Lévy angeführten Forschungsliteratur zahlreiche neuere Publikationen, die mir für das Thema relevant schienen, sowie die Nachweise für die von mir herangezogenen Nach- schlagewerke. 109 Bei vielen Titeln wird zudem auf spätere Auflagen, Nachdrucke, Micro- fiche-Ausgaben oder Zugänglichkeit im Internet hingewiesen. 110 Außer dem bibliographischen Index hat Lévy seinem Werk auch ein Register der französischen Wörter (einschließlich der Personen- und Ortsnamen) germanischer oder deutscher Herkunft (1950: 313-317), Verzeichnisse der Toponyme (319-320) und Personennamen (321-326) sowie ein „ Index des choses“ (327 -330) beigegeben. Für die deutsche Ausgabe konnte von den beiden erstgenannten Verzeichnissen abgesehen werden. Das Personenregister wurde überarbeitet und ergänzt, insbesondere durch Angaben zu den Vornamen, soweit diese zu ermitteln waren; es enthält neben den Namen der Verfasser von Quellentexten und Forschungsliteratur insbesondere die Namen der im Text erwähnten deutschen und französischen Schriftsteller und Übersetzer sowie der von Lévy namentlich

107 Der bibliographische Index konnte daher entfallen. Verfassernamen mit den Partikeln „de“ und „von“ wurden h ier alphabetisch eingeordnet, Zusätze wie „Abbé“ und „Comte“ beibehalten und entspre - chend der deutschen Rechtschreibung mit Großbuchstaben geschrieben. 108 Trotz eingehender Recherchen ist mir sicher manches entgangen; in einigen Fällen ist es mir nicht gelungen, die genauen Seitenzahlen zu ermitteln. M. Gaspard verdanke ich den Hinweis auf mehrere hier verzeichnete Titel, die anderweitig nicht zu ermitteln waren. 109 Wie im Text sind die von mir hinzugefügten, nach 1950 erschienenen Titel auch in der Bibliographie nicht eigens als Zusätze gekennzeichnet. Aufgrund der notwendig subjektiven Auswahl der Titel bleiben zahlreiche andere, vermutlich nicht weniger relevante Arbeitenhier unberücksichtigt. 110 Mit dem Vermerk „[auch online]“; die Eingabe des Verfasserna mens und des Titels führt jeweils zu der Online-Ausgabe. Ein solcher Vermerk verweist bei französischen Titeln, insbesondere Zeit- schriften, auf die Zugriffsmöglichkeit über den Katalog der BNF.

XXVIII Einleitung zur deutschen Ausgabe genannten Deutschlehrer. Ähnlich wurde das Sachregister für die deutsche Ausgabe ausge- hend von Lévys „Index des choses“ erstellt und ergänzt. Bei den biographischen Recherchen habe ich von französischer Seite viel Unterstützung erfahren. Bruno Touveron (Mairie de Thionville) hat mir Auskünfte über Lévys Dienstjahre in Lothringen erteilt. Bei den Archivarbeiten in Straßburg hat mir Anne Fellinger (Archives départementales du Bas-Rhin) sehr weitergeholfen. Michel Bentz (Colmar) hat mir freund- licherweise nicht nur den Widmungstext d er Ausstellung im Ecomusée d’Alsace zur Verfü - gung gestellt, sondern es mir auch ermöglicht, Verbindung zu Michel Gaspard, dem Enkel von Paul Lévy, aufzunehmen. Ihnen allen möchte ich hier herzlich danken, ganz besonders aber Michel Gaspard für die vielen wertvollen Hinweise zu Leben und Werk seines Groß- vaters und für die Unterlagen aus dem Familienarchiv, die er mir zur Verfügung gestellt hat. Mein Dank gilt weiter den Kolleginnen und Kollegen, die die Arbeit an der deutschen Ausgabe auf verschiedene Weise unterstützt haben. Stefanie Stricker (Bamberg) und Helga Meise (Reims) haben Teile des Textes in einer ersten Fassung gelesen; beiden verdanke ich wertvolle Hinweise und Anregungen. Die Übersetzung der lateinischen Zitate haben Ulrike Stephan (Humboldt Universität Berlin) und Thorsten Fögen (Durham University) über- nommen; Michael Allan (Chicago) verdanke ich Hinweise zu Lupus von Ferrières. Die altprovenzalischen und altfranzösischen Zitate hat Dominique Hazaël-Massieux (Blénod- lès-Toul) für mich ins Französische übertragen. Für die geduldige Unterstützung bei der Erarbeitung der Druckvorlage habe ich den Mitarbeitern der Herstellungsabteilung des Verlags Harrassowitz zu danken; ohne die tatkräftige Hilfe von Aurélien Deyres (Straß- burg) hätte ich die Formatierung des Textes dennoch kaum bewältigt. Die Arbeit an diesem Projekt wurde gefördert von der E.A. 852 ( Civilisation, linguis- tique et littérature allemandes ) der Université de Provence und von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, die mir einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt an der Biblio- thek ermöglicht hat; beiden möchte ich für ihre Unterstützung herzlich danken. Auch der Stiftung Deutsche Sprache, die mit einem Druckkostenzuschuss das Erscheinen des Bandes ermöglicht hat, möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Schließlich und vor allem sind hier zwei Menschen zu nennen, ohne deren Unterstüt- zung diese deutsche Ausgabe von Lévys Geschichte des Deutschen in Frankreich sicher nicht zustande gekommen wäre: Helmut Glück (Bamberg) und Norbert Kaltz. Helmut Glück hat das Vorhaben allererst angeregt, auf verschiedene Weise kontinuierlich und überaus effizient unterstützt und zuletzt die kritische Durchsicht des gesamten Manuskripts auf sich genommen. Für all dies danke ich ihm sehr herzlich, und nicht zuletzt auch dafür, dass der Band in der von ihm gemeinsam mit Konrad Schröder (Augsburg) heraus- gegebenen Reihe Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart erscheinen kann. Meinem Mann danke ich besonders für die große Geduld, mit der er meine Arbeit an dem Buch in den letzten Jahren begleitet hat.

Vorwort

Die neuere Geschichte Frankreichs ist so wesentlich geprägt von deutschen Einflüssen, dass diese in die Untersuchung einbezogen werden müssen, wenn man die französische Ge- schichte wirklich verstehen will (Reynaud 1922: 7). Nicht nur die offensichtlichen Erschei- nungsformen dieser Einwirkung sind aufzuspüren, auch verborgenen Spuren muss nachge- gangen werden. Untersucht man die Geschichte der deutschen Sprache in Frankreich auf diese Weise, so leistet man damit auch einen Beitrag zur Erforschung der allgemeinen Ge- schichte Frankreichs. Die Geschichte des Deutschen in Frankreich ist natürlich auch Teil der deutschen Ge- schichte und bildet ein wesentliches Kapitel der Geschichte der deutschen Sprache. Unsere Studie soll in dieser Hinsicht Neuland betreten und zu weiteren Untersuchungen anregen. Wohl liegen zum Deutschen im Ausland bereits zahlreiche Studien vor, 1 doch eine vollstän- dige, geschweige denn endgültige Untersuchung zu diesem Thema steht noch aus. Unserer Arbeit zur Geschichte der deutschen Sprache in Frankreich sollten daher so bald wie mög- lich Studien zur Geschichte des Deutschen in England, Italien, Polen und anderen Ländern folgen. Die Geschichte des Deutschen in Frankreich ist eine notwendige Ergänzung zur Ge- schichte des Französischen in Frankreich, wie sie von Ferdinand Brunot auf unvergleichli- che Weise dargestellt wurde. Die Sprachgeschichte Frankreichs ist indessen mehr als die Geschichte des Französischen in Frankreich. Brunot hat die Geschichte der französischen Sprache umfassend dargestellt, die Sprachgeschichte des französischen Volkes bzw. Frank- reichs jedoch nicht erschöpfend behandelt. In der vorliegenden Arbeit wird eine Weiterfüh- rung seines Werks in seinem Geist und mit seinem methodischen Ansatz angestrebt; viel- fach werden auch seine Quellen herangezogen. Sie kann jedoch nur ein Baustein sein für eine weitaus umfassendere Untersuchung, in die auch die italienische, spanische, englische und andere Sprachen einzubeziehen sind. Auf diese Weise könnte mit der Zeit eine wirklich umfassende Geschichte der Sprachen und eine allgemeinen Sprachgeschichte der europäischen Länder erarbeitet werden. Unsere Studie soll ein erster Schritt in dieser Richtung sein: Dargestellt wird, wie das Deutsche in sämtliche Bereiche des Lebens in Frankreich eingedrungen ist, in die Sprache, aber auch die Gesellschaft, das Denken, das gesellschaftliche Leben usw. Die politischen und militä- rischen, wirtschaftlichen, auch literarischen Ursachen für den Einfluss des Deutschen auf das Leben der Franzosen werden untersucht, die verschiedenen Aspekte der Einwirkung des Deutschen in den genannten Bereichen erforscht, die vorübergehenden oder dauerhaf- ten Folgen dieser Einwirkung ermittelt. 2

1 Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf Le germanisme à l’étranger (Lévy 1933); der Untertitel der Arbeit („De l’expansion de la langue et de l’idée allemandes dans le monde“, ‚Von der Ausbreitung der deut - schen Sprache und des deutschen Gedankenguts in der Welt‘), macht deutlich, worum es uns hier geht. 2 Für ein begrenztes, im Zusammenhang mit unserer Fragestellung jedoch besonders wichtiges Gebiet, nämlich das deutschsprachige Elsass-Lothringen, haben wir all diese Fragen bereits ausführlich untersucht (Lévy 1929). Auf das wechselvolle Schicksal der deutschen Sprache in diesen beiden Provinzen wird daher hier nur kurz eingegangen. 2 Vorwort

Einige Fragen sind bereits untersucht worden, zum Teil wiederholt, so die Frage nach den Spuren, die das Germanische im Wortschatz des Französischen hinterlassen hat. Der Vollständigkeit halber ist die vorliegende Forschung hier berücksichtigt, soweit die Ergeb- nisse als gesichert gelten können. Andere Fragen wurden entweder noch nicht gestellt oder sind noch nicht erschöpfend beantwortet, und als Gesamtproblematik ist die Einwirkung des Deutschen in Frankreich bislang noch nie untersucht worden.

Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850.

1 Anfänge

Will man sich einen Eindruck von der sprachlichen Einwirkung der Germanen auf die in Gallien und später in Frankreich gesprochenen Sprachen verschaffen, so muss man sich zunächst Gestalt und Ausmaß ihres Eindringens und ihrer Invasionen in Erinnerung rufen.1 Deutlich lassen sich verschiedene Phasen des Eindringens von Menschen und Wörtern unterscheiden. Zunächst kamen einzelne germanische Sklaven und Gefangene in das Römische Reich. Nahezu gleichzeitig wurden zahlreiche Söldner angeworben, auch ganze bewaffnete Gruppen. Nachdem sie ihren Dienst abgeleistet hatten, blieben sie häufig als Bauern im Land. Um 71 v. Chr. hatte Ariovist zwischen der Saône, dem Doubs und dem Oberrhein suebische Stämme angesiedelt; etwas weiter nördlich, im heutigen Departement [im Folgenden: Dep.] Niederrhein, traf Cäsar etwas später auf die ebenfalls germanischen Triboker. Und schließlich war ganz Nordfrankreich im Besitz der Belgier, deren gallische Sprache sich – möglicherweise bereits infolge germanischer Einflüsse – von der Sprache ihrer südlichen Nachbarn unterschied. Jedenfalls stieß Cäsar, nachdem er Gallien erobert hatte, am linken Rheinufer auf verschiedene Völker, über deren germanische Abstammung es für ihn keinen Zweifel gab: Eburonen, Menapier, Nervier, Tungerer, Treverer u. a. 2 Ende des 1. Jh. n. Chr. war die Lage im Wesentlichen unverändert, wie Plinius und Tacitus bezeugen (Lévy 1929: I, 44-50). Schon bei diesen ersten Kontakten – zu denken ist hier ebenso an das Eindringen römi- scher Soldaten, Kaufleute und Beamter in die von Germanen besiedelten Gegenden – kam es zum Austausch von Wörtern, ohne dass sich stets eindeutig rekonstruieren lässt, in wel- cher Richtung der Austausch erfolgte. So kann man sich fragen, ob Wörter wie stuba (‚Stube‘, nfrz. étuve , ‚Schwitzbad‘), tunna (‚großes Fass‘, nfrz. tonne ), ratto (‚Ratte‘, nfrz.. rat ), kattu (‚Katze‘, nfrz. chat ), falko (‚Falke‘, nfrz. faucon ), karpa (‚Karpfen‘, nfrz. carpe ), kuppa (‚Schale‘, ‚Schüssel‘, nfrz. coupe ), flokko (‚Flocke‘, nfrz. flocon ), pipa (‚Pfeife‘ nfrz. pipe ), bruta (‚Braut‘, vgl. nfrz. bru , ‚Schwiegertochter‘), titta (‚Zitze‘, nfrz. tette , vgl. têter , ‚saugen‘) aus dem Germanischen ins Vulgärlateinische übernommen wurden oder umge-

1 Manche Rezensenten fanden an diesem Einleitungskapitel nichts auszusetzen; vgl. etwa Forster (1952- 53: 314): „a useful résumé of the state of research on the Frankish, Saxon and Norman settlements“. Andere haben es kritisch beurteilt; so spricht Baldinger (1954): 212) von „mangelnde[r] Kenntnis der neueren Fachliteratur“, die dazu geführt habe, dass Lévy an „sehr umstrittene[n]“ oder „sogar wider - legte[n] Thesen“ festhalte; vgl. un ten. Ähnlich schreibt Wartburg (1951: 408): „Ganz unzulänglich ist das erste Kapitel, über die Zeit vor den Karolingern. Nicht nur ist hier keine Rede von eigener For- schung; L. kennt auch die Literatur nur mangelhaft und hat von den Forschungen des letzten Jahrzehnts wenig m ehr gelesen.“ Dauzat (1953: 62-63) schreibt in seiner insgesamt wohlwollenden Besprechung, Lévys Buch schließe eine Lücke in der Forschung und sei wie alle seine Arbeiten gut dokumentiert, macht jedoch auch einige kritische Bemerkungen (siehe unten). 2 Caesar (1990: I, 33; II, 4, 29; V, 38). 4 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. kehrt. 3 Möglicherweise wurden diese noch im Neufranzösischen durchaus gebräuchlichen Wörter bereits sehr früh aus germanischen Sprachen entlehnt. Germanische Wörter finden sich gelegentlich auch in lateinischen Schriften, etwa bei Venantius Fortunatus. Von den Wörtern, die über das Vulgärlateinische ins Französische eindrangen, hatten viele nur eine kurze Lebensdauer. Zu den bekannteren gehören blank (frz. blanc , ‚weiß‘), brasa (frz. braise , ‚Glut‘), brûn (frz. brun ), 4 falw (frz. fauve , ‚wildes Tier ‘), spelta (frz. épeautre , ‚Dinkel‘, ‚Spelt‘), grîs (frz. gris ), harpa (frz. harpe ), marrjan (afrz. marrir , prov. marrir , ‚betrüben‘), sapo (frz. savon , ‚Seife‘), stalla (frz. stalle, étable ), urus (frz. aurochs ). 5 Eine genaue Datierung ist nicht möglich, doch sind diese Wörter ein unvollständiges Zeugnis der frühesten Schicht von Entlehnungen, die in der Zeit vor der Völkerwanderung stattgefunden haben müssen.

2 Völkerwanderung

Ab dem 3. Jh. war der starke Einfluss der Migration auf die Sprache nicht mehr auf die Grenzgebiete beschränkt, sondern erstreckte sich auf das gesamte Gebiet Galliens.

2.1 Franken Die Franken drangen 253 und 257 erstmalig nach Gallien ein und stießen bis zu den Pyre- näen vor. Den Invasionen 275 und 297 folgten weitere in relativ großen Zeitabständen, weshalb sie sich vermutlich nur sehr oberflächlich auf die Sprache auswirkten. Zeitgleich fand an verschiedenen Orten die von den Römern geförderte Ansiedlung fränkischer Siedler statt. Eumenius zufolge wurden insbesondere im Nordosten geschlossene Gruppen von Franken auf den Ländereien von Nerviern und Treverern angesiedelt; dadurch wurde das Moselgebiet schon sehr früh weitgehend germanisiert. Die Völkerwanderung tat das übrige, so dass schon Ende des 4. Jh. im Norden und Nordosten Frankreichs, wo in bestimmten Gebieten noch fränkische Dialekte zu hören waren, nur noch germanische Sprachen gesprochen wurden. Im 5. Jh. drangen die Franken ständig weiter nach Gallien ein; vom Norden kommend besetzten die Salier, die Ripuarier vom Osten her schließlich das Land bis zu den Ufern der Loire. Im Südosten drangen sie sogar zum Teil in das von den Burgundern besetzte Gebiet vor. Nordöstlich der Linie Lyon-Orléans waren sie damals in der Übermacht, und ihre Sprache muss eine gewisse Bedeutung gehabt haben. Doch waren an dieser zweiten Erobe- rungswelle gemessen an der relativ dichten gallorömischen Besiedlung nur wenige Franken beteiligt. Noch geringere Auswirkungen in sprachlicher Hinsicht hatten die Vorstöße frän- kischer Stämme nach Südfrankreich. Südlich der Loire, wo keine geschlossene fränkische

3 Vgl. hierzu Brüch (1913: 5): „einige Wörter [...], die frühe im Germ. und Lat. auftreten, bei denen es aber zweifelhaft ist, ob sie im Lat. germ. Lehnwörter oder vielmehr im Germ. lat. Entlehnungen seien.“ 4 Hierzu jetzt neuere Erkenntnisse in Guinet (1982: 185). 5 Gamillscheg (1934: I, 26ff.); Wartburg (1939). – Mit Ausnahme des Verbs marrir , von dem nur noch das Partizip II marri adjektivisch in der Literatursprache verwendet wird, sind diese Wörter sämtlich noch gebräuchlich. (B.K.) Völkerwanderung 5

Gruppe auszumachen ist, hinterließen sie keine nennenswerten sprachlichen Spuren, nicht einmal in der Toponymie. Infolge dieser jahrhundertelangen Migration entstanden drei Zonen in Zentralfrankreich: Die erste, ganz unter fränkischem Einfluss stehende, im Norden und Osten (ab einer Linie Boulogne-Saint-Omer), umfasste das Gebiet zwischen Mosel und Saar; die zweite, weit größere Zone in der Mitte des Landes reichte von dem oberen Escaut bis zur Loire, wo es fränkische Namen und Spuren fränkischer Vergangenheit gibt; in die letzte, südliche Zone gelangten fränkische Wörter dagegen „nur spät und in geringer Zahl“. 6 Die Verwendung des Eigennamens Franken zur Bezeichnung einer fränkischen Sied- lung verweist bereits in gewisser Hinsicht auf Dichte und Ausmaß der Besatzung. Das Fehlen solcher Ortsnamen deutet entweder auf das völlige Fehlen fränkischer Siedlungen oder aber auf vollständige Kolonisierung durch die Franken hin. In einer überwiegend frän- kischen Bevölkerung wie im äußersten Norden Frankreichs war es natürlich überflüssig, ja abwegig, diese Bezeichnung zu verwenden. Überall in Frankreich gibt es vereinzelt Eigen- namen, die mit franci oder francisca gebildet sind. Aus ihrer relativ geringen Zahl haben einige Forscher den Schluss gezogen, dass der Grad der Besiedlung durch die Franken und damit verbunden auch ihr sprachlicher Einflusses insgesamt wohl vor allem in der zweiten Zone geringer war als zuvor angenommen. 7 Auf die phonetischen, morphologischen und grammatikalischen Einflüsse des Fränki- schen wird hier zunächst nicht genauer eingegangen. Wie Gamillscheg bemerkt, ist die Frage nach dem Einfluss des Fränkischen und der Spuren, die es im Französischen hinter- lassen hat, noch nicht abschließend geklärt. Wir können hier jedoch festhalten, dass die meisten germanischen Wörter im Altfranzösischen aus dem Fränkischen stammen. In vie- len Fällen besteht an ihrer Herkunft kein Zweifel, weil sie zumindest anfänglich nur in dem von Franken besetzten Gebiet zu finden sind. Auch manche Suffixe kommen aus dem Fränkischen: -ard (< hard ), -aud (< wald ), -enc (< ing ) etwa in vieillard, badaud, cham- bellan , möglicherweise auch die im Galloromanischen unbekannten Laute h und w (letzterer ist nur in den Dialekten der Randgebiete erhalten). Auf die weitere Geschichte des Fränkischen in Gallien (insbesondere sein Verschwinden) werden wir im Zusammenhang mit dem Schicksal der anderen germanischen Dialekte noch zurückkommen.

2.2 Alemannen Die alemannischen Migrations- und Invasionsbewegungen überlagerten sich häufig mit den fränkischen und verliefen ähnlich. Auch die Alemannen drangen im 3. Jh. wiederholt nach Gallien ein, unter anderem 233, 256, 275 und 296. Kaiser Probus (276-282) brachte Grup- pen mit 50-60 Familien in verschiedene Teile des Landes; weitere kamen Anfang des 4. Jh. in die Gegend zwischen Dijon und Besançon. 355 reichte die Macht der Alemannen bis nach Autun. Als Kaiser Julian zwei Jahre später vom Col de Saverne kommend die Ebene erreichte, waren dort alle bedeutenden Ortschaften in alemannischer Hand. Sein Sieg bei Argentorat (357) drängte die Alemannen zunächst zurück; 367, 377 und vor allem zu Be-

6 Wartburg (1930: 312); weiter Gamillscheg (1934: I, 150ff.); Petri (1937: I, 1ff.); Lot (1935), (1948: 9-46). Vgl. hierzu auch Febvre, Leuilliot & Goubert (1953: 535); Dhondt (1952), (1953). 7 Hierzu Gröhler (1933: II, 6); Gamillscheg (1934: I, 89f.) mit einer Liste aller mit franc gebildeter Ortsnamen; Lot (1935: 222); Vincent (1937: 130f.). 6 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. ginn des 5. Jh. kamen sie aber in großer Zahl wieder. Unter den Stämmen, die erneut in Gallien eingefallen waren, waren auch Alemannen, wie Hieronymus 409 berichtet (Hg. Migne, 1857-1866: XXII, 1057f.). Noch heute lässt sich das Ausmaß der Kolonisierung an der Verteilung der ehemaligen, recht zahlreichen Ortsnamen, die mit Alemannia/Alemannus gebildet sind, ablesen (Gröhler 1933: 3f.; Vincent 1937: 130). In der zweiten Hälfte des 5. Jh. werden die Alemannen aus Langres durch die Burgunder, aus Besançon durch die Franken vertrieben, die sogar in der elsässischen Ebene die Oberhand gewinnen; doch gelingt es den Alemannen, sich endgültig in dem Gebiet zwischen den Vogesen und dem Rhein anzusiedeln und dort ihre Sprache einzuführen (Lévy 1929: I, 64-82; 102-108). Franken und Alemannen wirkten nicht nur auf die Ausprägung der in Entstehung begriffenen französischen Sprache ein, sondern entzogen ihr auch einen Teil des Gebiets, das ihr vorbehalten schien. Fränkische und alemannische Eigennamen wurden bald zur Bezeichnung der beiden in Gallien und Germanien entstehenden Völker und infolgedessen auch der beiden Sprachen, die diesseits und jenseits der Vogesen gesprochen wurden, herangezogen; dies ist ein weiterer wichtiger, in der Forschung gut dokumentierter Aspekt der Gemeinsamkeiten ihrer sprachlichen Vormachtstellung. Besonders hervorzuheben ist, dass das Französische als einzige romanische Sprache nach einem germanischen Volk benannt ist (Brüch 1926: 66). Die anderen germanischen Stämme, die in Gallien einfielen, verloren schon früh den unmittelbaren Kontakt mit dem deutschsprachigen Raum, breiteten sich weniger aus und leisteten geringeren Widerstand. Dennoch sind ihre Migrationen für uns noch heute von Interesse, da auch sie Spuren in der französischen Sprache hinterließen.

2.3 Sachsen Über die ersten Einfälle der Sachsen ist wenig bekannt; sie fanden vermutlich schon ab dem Ende des 3. Jh. statt; weitere folgten im Verlauf des 4. und 5. Jh. Die ganze Küste von der Bretagne bis zum Ärmelkanal war wiederholt sächsischen Invasionen ausgesetzt. Eine Gruppe von Sachsen ließ sich in der Gegend von Boulogne-sur-Mer und Calais nieder, wo noch heute etwa 30 Ortschaften sächsische Namen tragen, die mit einem Perso- nennamen als Bestimmungswort und thun < germ. tun (‚Zaun‘) gebildet sind. Die Küste hieß litus Saxonicum , so in der Notitia dignitatum (5. Jh.) und der Vie de Saint-Omer aus dem 6. Jh. Ebenfalls im 6. Jh. erwähnt Gregorius von Tours (1885: 221, 416) zwei weitere sächsische Siedlungen, eine in der Umgebung von Bayeux, die andere an der Loiremün- dung. Venantius Fortunatus (2006: 63-66; III, 9) pries den Bischof Felix von Nantes für die Bekehrung der Sachsen in seiner Diözese. Die Bewohner der erstgenannten Siedlung nennt Gregorius Saxones Baiocassini ; die Gegend, das heutige Bessin im Dep. Calvados, hieß damals Otlinga Saxonia , edles Sachsen. Noch heute haben zahlreiche Orte dort eindeutig sächsische Namen, so Ouistreham und Houlgate, um nur die bekanntesten zu nennen; Houlgate hießen damals insbesondere eine Straße in Caen und mehrere Hohlwege in der Umgebung der Stadt (de la Rue 1820: I, 36f.). Nun erfuhren gerade diese Gegenden später weit umfassendere und beständigere Invasionen von Angelsachsen und vor allem von Normannen, deren Sprache im Wesentli- chen dieselbe Struktur hatte wie das Sächsische; was von den gegenwärtigen Toponymen der normannischen Küste tatsächlich auf die frühesten Besatzer zurückgeht, ist daher Völkerwanderung 7 schwer zu sagen. Dazu kommt, dass wir über die alten Formen von Ortsnamen aus der Zeit vor dem 10. Jh. nur sehr wenig wissen, denn für die Zeit vor der Eroberung durch die Nor- mannen gibt es kaum schriftliche Zeugnisse. Versuche, den quantitativen und sprachlichen Einfluss der Eroberer zu ermitteln, führen zwangsläufig zu enttäuschenden Ergebnissen, wenn man allein von den Ortsnamen ausgeht (de Loisne 1904-1905: 139ff.; Prentout 1911: 308f.; Lot 1948: 158f.).

2.4 Westgoten Im Jahre 418 rief Kaiser Honorius die Westgoten aus Spanien zurück und siedelte sie als Verbündete im Südwesten Galliens an, zwischen Toulouse und der Atlantikküste. Dort breiteten sie sich immer weiter aus; rund 50 Jahre danach besetzten sie bereits das gesamte Gebiet von den Pyrenäen bis zur Loire, von den Cevennen bis zum Atlantik. Einige Orts- namen erinnern noch an die Westgoten, auch außerhalb der Gegend, die sie in großem Ausmaß besiedelt hatten: Gargilesse im Dep. Indre < warginisca , ‚Ort, an dem sich Vögel versammeln ‘; Geux im Dep. Marne (850 und 1220: Goti , 1216: Gouz , 1191: Geux ; Gröhler 1933: 7). Die Westgoten verschwanden jedoch viel zu schnell wieder, um dauerhafte sprachliche Spuren zu hinterlassen; infolgedessen wirkten sie noch weniger auf das Proven- zalische ein als die Franken auf das Französische – nur einige wenige Wörter und Eigen- namen zeugen noch von ihrem Durchzug.

2.5 Burgunder Nahezu ebenso gering war die Einwirkung der Burgunder, auch in sprachlicher Hinsicht. Aus der Gegend um Worms kamen sie um die Mitte des 5. Jh. in die Sapaudia (= etwa das heutige Dep. Savoie); Kaiser Aetius hatte ihnen erlaubt, sich dort niederzulassen. Sie brei- teten sich rasch aus, machten Lyon zu ihrer Hauptstadt und Nevers zum Sitz eines burgun- dischen Bischofs. Nach Süden drangen sie über Vienne hinaus vor, bis nach Die und Vai- son, im Norden bis in die Champagne. Die gegenwärtigen Dep. Haute-Saône, Doubs, Jura, Ain, Saône-et-Loire und Côte d’Or bildeten das Zentrum ihres Reichs und waren über- wiegend von ihnen besetzt; infolgedessen waren die Romanen in manchen Orten minoritär. Die im 6. Jh. einfallenden Franken gaben den Ortschaften, die noch in romanischer Hand waren, mit Romania, Romanos, Romaniska, Romaningos gebildete Namen – ein deutliches Indiz dafür, dass die gallo-römische Bevölkerung in diesen Gegenden damals in der Min- derheit war. Umgekehrt gibt es Ortsnamen, die mit der Personenbezeichnung Burgonde gebildet sind, nicht nur im Burgund, sondern u. a. auch in den Dep. Marne, Aube, Aisne und Dor- dogne; daraus kann man schließen, dass die Burgunder sich auch nach Mittelfrankreich hin ausbreiteten. Gestalt und Bedeutung zahlreicher Ortsnamen im Burgund lassen Rück- schlüsse zu auf die Abgrenzung der intensiv von Burgundern besiedelten Gegenden von dem Gebiet, das im 6. Jh. von den Franken besetzt wurde. Diesen verdanken wir die Orts- namen auf –court im Norden, jenen die auf –ans (vielleicht auch die auf –ange südlich der Saône) endenden Toponyme. 8 Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass etliche Orts-

8 Hierzu kritisch Baldinger (1954: 212): „Ortsnamen auf -court und -ange werden im gleichen Atemzug genannt und einander gegenübergestellt, obgleich es sich um zwei verschiedenen Epochen zugehörige Schichten handelt“. 8 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. namen auf –ange in Wirklichkeit auf den vorausgegangenen Überfall der Alemannen auf diese Gebiete zurückgehen. Mit größerer Sicherheit lassen sich Aussagen treffen über ei- nige Namen von Orten, die am Rand des burgundischen Territoriums liegen. Ihre Bedeu- tung verweist auf die Grenzlage (auf fränkischer Seite), indirekt auch auf den Verlauf der Grenze: Marchesoif im Kanton Tonnerre (Dep. Yonne) < Marchesoy < frk. marka-sodi , ‚Brunnen in der Nähe des Grenzgebiets‘; Marcheseuil im Kanton Liernais ( Côte d’Or ) < marka-soli , ‚Sumpf im Grenzgebiet‘; Marchizeuil im Kanton Cluny (Saône-et-Loire), ebenso < marka-soli ; Verchizeuil im Kanton Mâcon Nord (Saône-et-Loire) < werki-sodi , ‚Brunnen in der Nähe des kleinen Forts‘. Beendet wurde die knapp hundertjährige Unabhängigkeit des burgundischen König- reichs durch den Einfall der – zum Teil möglicherweise bereits romanisierten – Franken im Jahre 534. Sprachlich waren die beiden Völker bald vereint, auch mit den noch verblie- benen Einheimischen. Vielleicht bestanden die drei Sprachen eine Zeitlang nebeneinander; die beiden germanischen wurden von der aufstrebenden romanischen Sprache rasch zurück- gedrängt, und um 700 war das Burgundische so gut wie verschwunden. Geblieben ist nur wenig: Einige Ortsnamen, etwas mehr Familiennamen, vielleicht eine moderne Dialektgrenze, wie Wartburg (1934) vermutet, und vor allem einige (nur regional gebräuchliche) Wörter in den Mundarten von Lyon und den Dep. Ain, Doubs und Hautes- Alpes; diese Gegenden waren nicht unmittelbar fränkischem Einfluss unterworfen. In die- sen Mundarten Südostfrankreichs haben sich rund fünfzig burgundische Wörter erhalten (Gamillscheg 1934, 1935; Longnon 1920-1922: 195ff.; Perrenot 1911: 322).

2.6 Andere Volksstämme Im gesamten Zeitraum der Völkerwanderung zogen noch andere germanische Stämme durch Gallien und besetzten Teile des Landes. Die Alanen besetzten die Gegend um Va- lence, Orléans, Alençon und weiter westlich gelegene Gebiete. Friesen ließen sich unter der Herrschaft von Constantius I. im Norden nieder; Jahrhunderte später, 753, erwähnt Pippin „tam Saxones quam Frisiones vel alias nationes promiscuas“, 9 als er das Marktrecht der Abtei Saint-Denis bestätigt. Bataver waren zu unterschiedlichen Zeiten in Arras, Sueben in Le Mans, Bayeux und der Auvergne; daran erinnert etwa Suavia (1070), der frühere Name der Ortschaft Ecoivres (Pas-de-Calais). Andere Orte verdanken ihren Namen den Marko- manen: Marmagne (< Marcomania , 723 und 748; Dep. Côte d’Or ); die Wandalen haben in Gandalou (Dep. Tarn-et-Garonne), früher Wandalorum, gewissermaßen ihre Visitenkarte hinterlassen; der Name der Ortschaft Sermaize (Dep. Marne) erinnert an die Sarmaten, die auch durch Paris, Poitiers, Langres und Valence zogen (Vincent 1937: 129ff.; Lot 1948: 156f.). Dieser kurze geschichtliche Überblick zeigt, dass nahezu sämtliche Teile Galliens im 3. und 4. Jh. von germanischen Volksstämmen überfallen und besetzt, vielfach auch kolonisiert wurden. Schon wenige Jahrhunderte danach waren die Spuren, die die Sprachen dieser Völker hinterlassen hatten, indessen kaum noch sichtbarer als heute.

9 ‚ebenso Sachsen wie Friesen und vermischte andere Stämme ‘; zit. n. Valkhoff (1931: 21). Sprachliche Entwicklung 9

3 Sprachliche Entwicklung

Unsere Kenntnisse der sprachlichen Entwicklung, die je nach Volksstamm, Ort und Umfeld sehr unterschiedlich und diskontinuierlich verlief, sind weitgehend auf Vermutungen und indirekte Schlüsse gegründet, da die Quellen für diese Zeit leider nur spärlich vorhanden und sehr unzulänglich sind.

3.1 Vordringen des Germanischen Als im 3. Jh. die ersten größeren germanischen Gruppen nach Gallien kamen, kämpften zwei Sprachen um die Gunst der dort ansässigen Bevölkerung: Die keltische, die schon weitgehend im Niedergang begriffen war, und die lateinische, die als Universalsprache besondere Macht hatte. Die noch weitaus weniger ausgebauten Sprachen der germanischen Eroberer, die zudem weitaus weniger zahlreich waren, konnten dem Lateinischen nicht viel anhaben; doch ist anzunehmen, dass es schon zu dieser Zeit geschlossene Gruppen (wie Siedlungen von Bauern und Militäreinheiten) gab, die umgeben von der einheimischen Bevölkerung ihre eigene Sprache verwendeten. Auf Grund ihrer Isolierung hielten sie aller- dings nicht lange durch; die Sprache der zuerst etablierten Gruppen war daher bereits latei- nisch geprägt, als weitere Gruppen hinzukamen. Ab der zweiten Hälfte des 4. Jh. war der sprachliche Einfluss des Germanischen stärker und tiefgreifender; er hielt mindestens bis zum 6. Jh. an. Über die Zahl der Germanen, die sich in diesem Zeitraum möglicherweise in Gallien niedergelassen haben, ist nichts Ge- naues bekannt, ebenso wenig über das zahlenmäßige Verhältnis von Galloromanen und Germanen an den verschiedenen Orten. Alles deutet jedoch darauf hin, dass das Verhältnis sich über Generationen hinweg ständig zu Gunsten der Germanen verschob, und einiges spricht dafür, dass die Sprecher des Germanischen zeitweilig deutlich in der Überzahl waren. Nach Ermittlungen von J. Jud sind 70 % der heutigen Ortsnamen nördlich der Somme fränkischen Ursprungs. 10 Wie wir bereits gesehen haben, waren die Germanen in allen Gegenden, wo sich mit Roman gebildete Ortsnamen finden, mit Sicherheit in der Überzahl. 112 der 130 Personennamen, die auf einem Flügelaltar der Mönche von Saint-Denis aus dem Jahre 838 stehen, sind germanisch; die 2.788 Familien, die im Flügel- altar des Paters Irminon von Saint-Germain-des-Prés genannt werden, haben fast aus- nahmslos fränkische Namen. Auch die meisten in einer Liste der Bischöfe von Paris, Rouen, Troyes, Orléans, Bordeaux, Bourges und Toulouse genannten Amtsträger tragen germanische Namen, ebenso wie sämtliche Herrscher, von Childerich über Dagobert und Chlodwig I. bis hin zu Karl, die alle germanischer Herkunft waren (Süpfle 1886-1890: I, 8). Über einen großen Zeitraum, insgesamt vielleicht zwei bis drei Jahrhunderte, lebten zwei Volksstämme zugleich in Gallien, lange Zeit, ohne sich zu vermischen. Vor allem die Germanen hielten in ihren Sippen zusammen, bewahrten ihre Gebräuche, ihr Recht, ihre Sprache, ihre Lieder. Auf regelmäßig gehaltenen Versammlungen wurde über lokale An- gelegenheiten, über politische, militärische und rechtliche Fragen debattiert; andere Zu- sammenkünfte dienten nur der Zerstreuung. Unterhaltungen und das Singen alter Lieder 11

10 Angaben nach Gamillscheg (1926: 235ff.). – Dauzat (1953: 63) bemerkt kritisch, der hier angenom- mene germanische Einfluss auf die Toponymie sei zu hoch angesetzt. 11 Der Gesang drang bis in sehr entfernte Provinzen: „Fors, ripae colle propinquo/barbaricus resonebat 10 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. trugen zum Erhalt der Muttersprache bei. In einigen Fällen, etwa bei den Alemannen und den Burgundern, änderte auch der Verlust der politischen Unabhängigkeit kaum etwas an der sprachlichen Lage, da die neuen Herren, die Franken, ebenso Germanen waren. Aus manchen alten Quellen geht hervor, dass die germanischen Anführer, und mehr noch ihre Leute, ausschließlich die Sprache ihrer Vorfahren sprachen, auf keinen Fall La- teinisch. Als der Bischof von Pavia, der hl. Epiphanus, als Botschafter zu Eurich, dem da- maligen König der Wisigoten in Toulouse, kam, um ihn zu bitten, den Frieden mit dem Kaiserreich nicht zu gefährden, musste er einen Dolmetscher hinzuziehen, da Eurich das Lateinische nicht beherrschte (Ennodius 1928: 219f.). Gregor von Tours macht sich lustig über Chilperich, dessen Latein sehr fehlerhaft war, und berichtet von einem jungen Mann namens Brachion, der als Mönch lateinische Gebete sprach, ohne auch nur ein Wort davon zu verstehen: Tamen, cum esset adhuc laicus, in nocte bis aut tertio de stratu suo consurgens, ter- rae prostratus, orationem fundebat ad Dominum. Nesciebat enim, quid caneret, quia litteras ignorabat. 12 Andererseits wird gelegentlich auch mit Bewunderung von Germanen berichtet, die Latei- nisch konnten, was allein schon dafür spricht, dass diese Fälle selten waren. Charibert, dem König von Paris, machte der Römer Venantius Fortunatus ein sehr schmeichelhaftes Kompliment: „Qualis es in propria docto sermone loquela, Qui nos romanos vincis in elo - quio“. 13 Doch selbst Venantius Fortunatus beherrschte das Lateinische nicht einwandfrei; in seinem Wortschatz gibt es etliche germanische Elemente. 14 Andere, auch führende, Römer, die in Gallien lebten, sahen sich gezwungen, die Sprache der Eroberer zu erlernen. So hielt Syagrius es für seine Pflicht als Staatsmann, die germanische Sprache zu lernen. Der Dich- ter Sidonius Apollinaris bemerkte dazu kritisch: „Immane narratu est, quantum stupeam sermonis te Germanici notitiam tanta facilitate rapuisse.“ 15 Den stärksten Einfluss hatte das Germanische in Gallien wohl im 6. Jh., als die lingua romana links des Rheins, im Osten und im Nordwesten etwa in den heutigen Grenzen, im Norden vielleicht sogar noch deutlich darüber hinaus, verschwunden war. Im Norden herrschte es bis zu einer Linie von Etaples nach Arras (Canche-Linie); in Lothringen war es noch näher an Metz und Château-Salins herangekommen. Wir wissen, dass das Germani-

hymen Scythicisque choreis/nubebat flavo similis nova nupta marito“; ‚vielleicht schallte vom Hügel nahe dem Ufer / wider das barbarische Hochzeitslied, und unter skythischen Versen / vermählte sich dem blonden Gatten die ebenso blonde Braut ‘; Sidonius Apollinaris (1887: 193; V, Vers 218ff.). 12 ‚Dennoch stand er, als er noch Laie war, nachts zwei - oder dreimal von seinem Lager auf, streckte sich auf den Boden aus und sprach ein Gebet zum Herrn. Er wusste nämlich nicht, was er sang, weil er die [lateinische] Sprache nicht kannte ‘; Gregor von Tours (1885: 713). 13 „Wie erst bist du beim Sprechen gelehrt in der eigenen Sprache, / der du uns Römer besiegst, wenn du uns Ansprachen hältst?“; Venantius Fortunatus (2006: 145), VI, 2. – Über die gesamte Epoche infor- miert die noch immer lesenswerte Untersuchung von Bonamy (1756). 14 Lévy verweist hier auf Kluge (1920: 216), wo es heißt: „[...] was Dichter wie Venantius Fortunatus in einem mehr oder weniger guten Latein niederschrieben, vermag sich der Einmischung von germ. Fremdwörtern kaum zu erwehren; so mischt Venantius cofea ‚Kopfbinde‘, flado ‚Fladen‘, ganta ‚Wild - gans ‘, harpa ‚Harfe‘, leudus ‚Lied‘, rûna ‚Rune‘, ûrus ‚Auerochs‘ in sein Latein.“ (B.K.) 15 ‚Es ist außerordentlich, zu erzählen, wie sehr ich darüber staune, dass Du Dich der Kenntnis der germa- nischen Sprache mit einer solchen Leichtigkeit bemächtigt hast ‘; Sidonius Apollinaris (1887: 80). Sprachliche Entwicklung 11 sche ab dieser Zeit im Elsass, in Lothringen und in Flandern auf den ehemaligen Sprach- raum des Galloromanischen übergriff (Lévy 1929: I, 95-102; 105-108). Auch im Inneren Galliens war das Germanische damals am stärksten vertreten. Die Invasionen waren sämt- lich erfolgt und hatten sich in demographischer Hinsicht bereits ausgewirkt. Da sie in rela- tiv kurzen Zeitabständen stattgefunden hatten, hielt ihre sprachliche Auswirkung weiter an, d. h. die meisten Germanen sprachen noch ihre Muttersprache.

3.2 Rückgang des Germanischen Abgesehen von den endgültig germanisierten Teilen des Landes hatte das Germanische die lateinische Sprache zu keinem Zeitpunkt vollständig verdrängt; die heimische Bevölkerung hatte sie stets beibehalten, und selbst unter den Eroberern wurde sie wenigstens zu be- stimmten Anlässen durchgängig verwendet. Chlodwigs Beitritt zur römischen Kirche war ein wesentlicher Faktor für den Sieg des Romanischen über das Germanische. Romanisch war nicht nur die Sprache der Kirche, sondern auch die offizielle Sprache. Erlasse und Korrespondenz der germanischen Könige, selbst Gesetzestexte waren stets in lateinischer Sprache verfasst, und zwar Jahrhunderte lang (Lot 1935: 157), selbst in vollständig germa- nisierten Gegenden wie dem Elsass (Lévy 1929: I, 104). In der lateinischen Sprache, die dort gesprochen wurde, gab es wohl einige aus dem Germanischen entlehnte Wörter, doch in ganzen Gesellschaftsschichten und Volksgruppen war Lateinisch eindeutig vorherr- schend (Brunot 1933: I, 57-60). Diese Entwicklung erfolgte natürlich nicht überall zur selben Zeit und im selben Aus- maß, führte aber irgendwann dazu, dass es im ganzen Land Germanen gab, die zugleich ihre Muttersprache und die Zweitsprache beherrschten. 16 Schon im 6. Jh. waren die Franken in Neustrien zweisprachig (Germanisch und Romanisch); in Austrasien blieb das Germani- sche dagegen länger erhalten. Diese Zweisprachigkeit, die sich sicher aus unterschiedlichen Gründen als notwendig und vorteilhaft erwies, deutet auf einen beginnenden Rückgang des Germanischen hin, der schließlich zu seinem vollständig Verschwinden führte; nach und nach setzte das Galloromanische sich gegenüber dem Germanischen durch. Es wird allge- mein angenommen, dass der allmähliche Verfall des Fränkischen, der wichtigsten germani- schen Sprache in Gallien, sich über zwei bis drei Jahrhunderte (6.-9. Jh.) hinzog, so dass etwa zur Zeit Karls des Großen die meisten in Gallien ansässigen Franken Romanisch spra- chen. Eindeutige Beweise für diese Annahme liegen nicht vor, doch sprechen mehrere An- haltspunkte für eine solche Datierung. Da ist zum einen der Vergleich mit der nahezu gleichzeitig erfolgten Entwicklung des Keltischen in Gallien; fest steht, dass das Ver- schwinden des Keltischen sich über mehrere hundert Jahre hinzog. Es ist anzunehmen, dass die Entwicklung des Germanischen, das in einer vergleichsweise weniger günstigen Situa- tion war, einen ähnlichen Verlauf nahm; dafür sprechen auch zeitgenössische Zeugnisse. So gibt es einen Bericht über die Helfer beim Begräbnis des Bischofs Ansbert von Rouen, die

16 Es ist wichtig, diese Zweisprachigkeit einzelner Sprecher, den individuellen Bilinguismus, deutlich zu unterscheiden vo n dem kollektiven, ‚territorialen‘ Bilinguismus in der Anfangsphase der Invasion, wo beide Völker jeweils ihre eigene Sprache sprachen. Uns geht es hier um die individuelle Zweisprachig- keit der Eroberer, nicht die der Einheimischen (die Lot 1948: 176ff. zu Recht verwirft). 12 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. ihren Schmerz „dissonis diversarum linguarum choris“ zum Ausdruck brac hten; 17 Ende des 7. Jh. lebten dort also noch Menschen ‚unterschiedlicher Sprache‘. 842 sah Ludwig der Deutsche sich in Straßburg dann gezwungen, seinen Eid in französischer Sprache zu leis- ten, weil die Männer Karls des Kahlen aus Westfranken kein Germanisch verstanden. Schließlich spricht auch noch ein philologisches Argument für die Annahme einer mindes- tens zwei Jahrhunderte andauernden Einwirkung des Fränkischen in Gallien: Ai und au , die in der ersten Schicht von Entlehnungen aus dem Germanischen noch wie Diphthonge aus- gesprochen wurden, wurden in der späteren Schicht monophthongiert zu ê und ô. Es ist bekannt, dass derartige lautliche Veränderungen stets über einen längeren Zeitraum erfol- gen (Gamillscheg 1926: 235). Wie die Entgermanisierung der Franken im Einzelnen verlief, ist schwer zu sagen. Art und Dichte der Ortsnamen deuten auf einen unterschiedlichen Grad der Kolonisierung der Landesteile hin; daraus lässt sich wiederum auf einen unterschiedlichen Grad des Wider- stands schließen. So hat Gamillscheg auf Grund der Verteilung der Namen auf –court den Schluss gezogen, dass der Widerstand im Westen (Dep. Aisne und Oise) und Osten (Dep. Meuse) länger anhielt als in dem dazwischen liegenden Gebiet (Dep. Ardennes und Marne). Nachdem dieses entgermanisiert war, war auch der westliche, nunmehr vom germanischen Sprachbereich im Osten abgetrennte, Teil leichter zu romanisieren (Gamillscheg 1934: 83). Eine weitere Ursache für das Verschwinden des Fränkischen in Gallien liegt in der Überlegenheit des Lateinischen als der Sprache einer weiter entwickelten Zivilisation, einer biegsameren und stärker verfeinerten Sprache, die als offizielle und vor allem als heilige Sprache fungierte. Weitere Faktoren sind im Ablauf der Invasion auszumachen: Die Angreifer kamen nach und nach und verteilten sich auf eine Vielzahl von Orten, wo sie im Allgemeinen in der Minderheit blieben. 18 Zudem waren sie gezwungen, sich durch das conubium mit der einheimischen Bevölkerung zu vermischen, und ihre Muttersprache war weniger geeignet, sich den veränderten Bedürfnissen anzupassen. Ähnliches gilt für die anderen germanischen Stämme. Besonders rasch gaben die Burgunder ihre Sprache auf, weil sie weniger zahlreich waren, weiter entfernt vom germa- nischen Einflussbereich siedelten und zudem in ihrem Sprachgebrauch durch die Ankunft der Franken erschüttert wurden. Womöglich wurden im 6. Jh. an den Ufern der Saône drei Sprachen gesprochen, Burgundisch, Fränkisch und Galloromanisch. Die beiden ersten wurden vom Galloromanischen rasch vollständig verdrängt; bereits Ende des 7. Jh. waren sämtliche Spuren des Burgundischen auf romanischem Gebiet verschwunden, abgesehen von einigen wenigen Namen und Wörtern.

3.3 Lage am Ende der germanischen Zeit Die Trennung der Westfranken und der Ostfranken wurde durch die Verträge von Verdun (843) und Mersen (870) endgültig besiegelt. Die einheimische Bevölkerung hielt an ihrer

17 ‚in unharmonischen Chören der verschiedenen Sprachen‘; Eintrag zum 9. Februar 698, Acta sanctorum (II: 355, § 39). 18 Latouche (1946: 221) folgt hier [Henri] Pirenne; der französische Historiker schätzt den Anteil der Germanen an der Gesamtbevölkerung auf höchstens 5 % und erläutert, die am stärksten geschlossenen Gruppen (etwa die Westgoten) hätten knapp 100.000 Menschen umfasst, einschließlich der nicht Kämpfenden, während die schwächeren Gruppen (etwa die Burgunder) auf maximal 25.000 kamen. – Auf welches Werk Lévy sich hier beruft, war leider nicht zu ermitteln. (B.K.) Sprachliche Entwicklung 13 galloromanischen, vom Germanischen nur leicht beeinflussten Sprache fest. Die meisten Germanen, gleich ob Franken, Burgunder, Alemannen oder Westgoten, gingen ihrerseits zum Galloromanischen über; die Sprache ihrer Vorväter geriet zuweilen ganz in Verges- senheit, wie etwa der Ablauf der Straßburger Eide im Frühjahr 842 zeigt. Das Heer Karls des Kahlen bestand im Wesentlichen aus Franken der Galloromania, mit denen er sich in der „romana lingua“ verständigte, eben der Sprache, in der die Soldaten ihren Eid leisteten. Bemerkenswert ist insbesondere, dass auch Ludwig der Deutsche gezwungen war, Gallo- romanisch zu sprechen, wenn er von den Soldaten verstanden werden wollte (Nithard 1829: 665f.). Das wäre kaum erforderlich gewesen, wenn eine größere Zahl der ‚französischen‘ Franken noch in der Lage gewesen wäre, die wenigen Sätze des Eids in deutscher Sprache zu verstehen. An der Vorherrschaft des Französischen in der ersten Hälfte des 9. Jh. kann somit kein Zweifel bestehen; zahlreiche Spuren im Land, von den Vogesen bis zum Atlantik, weisen jedoch auf das Überleben der alten fränkischen Sprache hin. Nithard berichtet, dass Karl der Kahle sich als König der Westfranken noch sehr wohl in der Sprache seiner Vorväter auszudrücken wusste. Auch später, fast bis zum Ende der Herrschaft der Karolinger, wurde am Hof noch Germanisch gesprochen. Chlodwig und seine merowingischen Nachfolger sprachen salisches Fränkisch, die Karolinger vermutlich Nordmittelfränkisch (Ripuarisch), und taten dies bewusst. Pippin wollte seinem Sohn einen germanischen Namen geben: „Pippinus [...] genuit filium; vocavitque nomen eius lingue proprietate Carlo [...]“. 19 Sämtli- che Zeugnisse belegen, dass Karl der Große zwar seine fränkische Muttersprache mit be- sonderer Vorliebe pflegte, jedoch auch Lateinisch und Romanisch lernte. 20 Unter seiner Herrschaft lebte das Germanische wieder auf, vermutlich als Folge der Ereignisse im 8. Jh., durch die das damals noch stärker germanisch geprägte Austrasien die Oberhand über das bereits romanisierte Neustrien gewonnen hatte. Die Bemühungen des Kaisers, das Fränki- sche um jeden Preis zu erhalten, dokumentiert Eginhard: Item barbara et antiquissima carmina, quibus veterum regum actus et bella canebantur, scripsit memoriaeque mandavit. Inchoavit et grammaticam patrii sermonis. Mensibus etiam iuxta propriam linguam vocabula imposuit, cum ante id temporis apud Francos partim latinis partim barbaris nominibus pronunciarentur. Item ventos duodecim propriis appellationibus insignivit [...].21

19 ‚Pippin zeugte […] einen Sohn; und er gab ihm in der angemessenen Sprache den Namen Karl ‘; Frede - garus (1888: 172). 20 „Nec patrio tantum sermone contentus etiam peregrinis linguis ediscendis operam impendit ; in quibus latinam ita didicit, ut aeque illa ac patria lingua orare sit solitus. “ ‚ Und mit seiner Muttersprache allein nicht zufrieden, verwendete er auch einige Mühe darauf, fremde Sprachen zu lernen; unter diesen lernte er Latein so gut, dass er gleichermaßen in dieser und in seiner Muttersprache zu beten gewohnt war ‘; Eginhard (1829: 456). 21 ‚D esgleichen schrieb er die uralten volkssprachlichen Lieder auf, in denen die Taten und Kriege der früheren Könige besungen wurden, und lernte sie auswendig. Er begann auch eine Grammatik seiner Muttersprache. Ebenso gab er den Monaten Bezeichnungen in seiner eigenen Sprache, da sie vor dieser Zeit bei den Franken teils mit lateinischen, teils mit volkssprachlichen Namen bezeichnet wurden. Fer- ner benannte er die zwölf Winde mit Bezeichnungen aus seiner Sprache ‘; Eginhard (1829: 458). 14 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850.

Diese Maßnahmen galten wohl in erster Linie dem Sprachgebrauch der Ostfranken, dürften aber das Ansehen des Germanischen auch im romanischen Teil des Reichs gehoben haben (Jacobs 1863). Doch schon der Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme, wuchs in einer romanischen Umgebung auf und lebte die meiste Zeit in seinem Königreich Aquita- nien. Er konnte jedoch noch Germanisch, und seine letzten Worte vor seinem Tod sollen deutsch gewesen sein; um die Geister zu vertreiben, die ihn bedrängten, soll er ausgerufen haben: „ Hutz! hutz! quod significat foras “. 22 Wie bereits erwähnt, beherrschten seine Söhne Karl und Ludwig beide Sprachen. Bei ihren Nachfolgern aus der westlichen Linie ließen die Deutschkenntnisse jedoch allmählich nach; Hugo Capet war der erste König Frank- reichs, der gar kein Deutsch konnte. Auch über die Sprachkenntnisse des Klerus ist einiges bekannt, vor allem in den nördli- chen Grenzgebieten, wo Kenntnisse des Germanischen natürlich besonders wichtig waren. So predigte der Hl. Eligius als Bischof von Noyon und Tournay 646 auf seiner Reise durch die Gegend des heutigen Dünkirchen in ‚teutonischer‘ Sprache: „Ad vos simplici et rusticano utentes eloq uo convertimur“. 23 Sein Nachfolger auf dem Bischofssitz von Noyon, der Hl. Mummolinus, verdankte seine Ernennung im Jahre 660 nicht nur seinen Tugenden, sondern auch seinen Kenntnissen der germanischen und der romanischen Sprache: Cujus (sc. Eligii) in loco fama bonorum operum, quia praevalebat non tantum in teutonica, sed etiam in romana lingua, Lotharii regis III ad aures usque perveniente, praefatus Mummolinus ad pastoralis regiminis curam subrogatus est episcopus. 24 Der Mönch Baudemond d’Elnoi berichtet über den Hl. Amand, der ebenfalls „rustico ac plebeio sermone, propter exemplum tamen vel imitationem“ gesprochen habe, wenn er die Gegend an der Lys bereist habe. 25 730 notierte ein Mönch aus Fontenelle namens Paschase, Adelard, der Abt von Corbie (Picardie), beherrsche Deutsch ebenso perfekt wie Latein und Romanisch: Quem si vulgo audisses, dulcifluus emanabat, si vero idem barbara quam teutiscam dicunt lingua loqueretur, praeminebat charitatis eloquio; quod si latine jam alterius, prae aviditate dulcoris, non erat spiritus. 26 Zur selben Zeit wurde der Hl. Chrodegang von Metz, der aus fränkischem Adel stammte, gepriesen als „eloquio facundissimus, tam patrio quamque etiam latino sermone imbutus“. 27

22 ‚Hutz! Hutz! Das bedeutet hinaus ‘; zit. n. Thegan (1829 : 648). 23 ‚An Euch wenden wir uns und bedienen uns einer einfachen und bäuerlichen Sprache ‘; zit. n. Baecker (1850: 13). 24 ‚A ls der dortige Ruhm seiner guten Werke, da er sich nicht nur in der germanischen, sondern auch in der romanischen Sprache auszeichnete, an die Ohren des Königs Lothar III. gelangte, wurde der bereits genannte Mummolinus mit der Verwaltung der geistlichen Aufgaben betraut und zum Bischof gewählt ‘; Acta Sanctorum Belgii selecta (1783-1794), IV: 403f. 25 ‚in der Sprache der Bauern und des Volkes, zum Beispiel und zur Nachahmung ‘; Acta Sanctorum Belgii selecta (1783-1794), IV: 245. 26 ‚Wenn du ihn in der Volkssprache gehört hättest, so floss seine Rede süß dahin, wenn aber dasselbe in der barbarischen Sprache, die man die deutsche nennt, gesprochen wurde, so ragte er mit der Liebens- würdigkeit der Rede hervor; wenn er aber wiederum Lateinisch sprach, so war kein Geist, der ihn an Verlangen nach Süße übertroffen hätte ‘; Surius, Bd. I, Eintrag vom 2. Januar; zit. n. de Baecker (1850: 14). Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 15

So deutet alles darauf hin, dass der westliche Teil des karolingischen Reichs zum Zeitpunkt seiner Auflösung zwar nahezu vollständig romanisiert war, die Herrschenden – Könige, Staatsmänner und Angehörige des Klerus – die germanische Sprache aber noch nicht ganz vergessen hatten. 28

4 Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 29

Die Bevölkerung verwendete ständig germanische Wörter, ohne es zu ahnen, da deren ursprüngliche Form sich im Laufe der Jahrhunderte unter dem Einfluss des Galloromani- schen stark verändert hatte. Siedlungen erhielten germanische Bezeichnungen, Personen wurden mit germanischen Namen benannt, intonatorische und andere Eigenheiten der alten Sprachen bewahrt. Vom 3. bis 9. Jh. erfolgte eine weitgehende Vermischung der Volks- stämme in Frankreich, die tiefe, dauerhafte Spuren in den Sprachen zur Folge hatte. Am deutlichsten zeugen für uns heute die Wörter, die in die galloromanischen Mundarten ein- drangen, vom Einfluss des Germanischen. 30

4.1 Ortsnamen Da zu den französischen Toponymen germanischer Herkunft bereits zahlreiche Untersu- chungen vorliegen, wird hier auf einen ausführlichen Forschungsbericht verzichtet und die Frage lediglich allgemein anhand ausgewählter Beispiele erörtert. 31 Noch heute tragen mehrere tausend Ortschaften und Weiler in Frankreich germanische Namen, die überwie- gend auf die Zeit vor 850 zurückgehen: Germanische Simplizia wie Bergues (Dep. Nord), Betz (Dep. Oise), Torpes (Dep. Saône-et-Loire) und Komposita mit unter- schiedlich kombinierten Bestandteilen: Germanische Erst-, romanische Zweitkonstituente (z. B. Aubervilliers < Athalbraht + villare ); romanische Erst-, germanische Zweitkonsti- tuente (z. B. Châtellerault [Dep. Vienne] < castrum Haraldi ); germanische Erst-, germani- sche bzw. germanisierte Zweitkonstituente (z. B. Roubaix < Rosbace = Rossbach ). Bei manchen rein romanischen Komposita verleiten die Bestandteile zu der fälschlichen An- nahme, der Name sei germanischen Ursprungs (z. B. Kestenholz < castanetum ). Rund sechzig germanische Substantive drangen über topographische Bezeichnungen in das Französische ein, darunter au, bach, berg, dorf, heim, hag und lar , teilweise in sehr

27 ‚äußerst gewandt in der Rede, mit seiner Muttersprache ebenso wie auch mit der lateinischen vertraut ‘; Warnefridus (1829: 267f.). 28 Selbst im fernen Aquitanien gab es einen Mönch und Dichter namens Ermold le Noir (Ermoldus Nigel- lus), der das Deutsche perfekt beherrschte. Er stammte aus der Nähe von Bordeaux; Anfang des 9. Jh. verbrachte er etwa zehn Jahre im Exil in Straßburg (Lévy 1929: I, 133). 29 Vgl. hierzu jetzt auch Guinet (1972) und de Crécy (2007) mit weiteren Literaturhinweisen. 30 Zu den nachstehenden Listen bemerkt Dauzat (1953: 63), sie seien insgesamt sorgfältig erstellt („soigneusement établies“ ), empfiehlt jedoch, sie anhand der neuesten Auflage seines Dictionnaire étymologique [10 1949] und des etymologischen Wörterbuchs von Bloch & Wartburg [1950] zu über- prüfen. Sein Urteil fällt also weit weniger negativ aus als das von Baldinger. 31 Vgl. Longnon (1920ff.); Dauzat (1926); Vincent (1937); Gröhler (1933) sowie die bereits erwähnten Studien von Gamillscheg. Speziell zum Norden Kurth (1895), Petri (1937); zum Osten Lévy (1929) mit ausführlicher Bibliographie; ergänzend dazu die Bibliographie alsacienne (hg. von der Faculté de Lettres der Universität Straßburg). 16 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. unterschiedlicher Form. Auch mehrere hundert germanische Personennamen liegen Topo- nymen zugrunde, die entweder als Simplizia ( Lieffans < Leudi-fridus, vgl. Leutfried; Mau- beuge < Malbodo ) oder mit germanischen ( Gérardmer < Gerhard + mar , Teich) bzw. ro- manischen ( Thionville < Teodo(nis) villa ) Zweitkonstituenten gebildet sind. Von diesen sind manche zehn-, selbst hundertmal vertreten, wodurch der germanische Anteil an der französischen Toponymie deutlich hervortritt. Dutzende Ortsnamen in Elsass-Lothringen sind ausschließlich mit einem deutschen Wort gebildet; unzweifelhaft germanischer Herkunft sind etwa Berg, Buhl, Haegen, Hoffen, Kruth, Rott, Struth, die als Toponyme zumeist mehrfach vorkommen. Weniger deutlich ist der germanische Ursprung in anderen Fällen wie Dieppe (zu tief , niederdt. diep ) und Eu (zu au , ahd. ouwa , mhd. auga, auu ). Die verbreiteten Toponyme La Fère und La Fare ge- hen auf germ. fara zurück, das vermutlich Landhaus bedeutete. Etain 32 ist nichts anderes als ahd. stein (got. stains ); der Ort hieß schon ab 707 villa de stain, noch im 12. und 13. Jh. Stain oder Stein (vgl. auch Steene im Dep. Nord). Nicht nur Ortsnamen, in denen das Ele- ment gard noch deutlich zu erkennen ist, wie bei Jars (Dep. Cher) < Jardum (1294), gehen auf bigard (= ahd. garto , ‚Zaun‘) zurück, sondern etwa auch Biache (das heutige Saint- Vaast im Dep. Pas-de-Calais) < Bigartium (765), Bigartu (1098), Biarcium (1148). Durch Verschiebung des Wortakzents von germ. und ahd. Felis (‚Fels‘) entstand falesia , der Name des Ortes Falaise (Dep. Calvados). Haine -Saint-Pierre (869 hagna , 905 haina ) geht auf ahd. hagin-aha (‚Hainwasser‘) zurück. Weiter sind hier zu nennen: Bourg (u. a. im Dep. Haute-Marne) aus ahd. burg , Thun (Dep. Nord) aus alts. tûn , ahd. zûn (‚Zaun‘); Ham und Hamel < ahd. hamma (‚Heim‘); mehrere L’Albergement < heriberga ; La Garde , Lagarde < warda (‚Warte‘); Etaples (Dep. Pas-de-Calais) < stapulae (9. Jh.) < stapel ; Bures und ähnliche Toponyme < ahd. bûr (‚(Vogel)bauer‘ in der Bedeutung von Haus); Les Loges usw. < laubja , ahd. louba (‚Laube‘); Bordes < ahd. bort , ‚Hütte‘; Xures (Dep. Meurthe-et-Moselle), L’Escure (Dep. Cantal), 919 als scura belegt u. ä < ahd. skûr (‚Scheuer ‘); Grez, Grès usw. < ahd. grioz (‚Gries‘); Leers (Dep. Nord) < lâri , ‚Wohnort‘ (vgl. die in deutschen Ortsnamen häufige Endung -lar ); Loos (Dep. Nord) < loo , ‚Weide ‘; Le Gault de la Forêt (Dep. Marne) < germ. *walÞus (‚Wald ‘), 1162 Waldum , 1176 Waudum ; Guise (Dep. Aisne), 1164 Wisia , 12. Jh. Gusia , 1174 Guisa < wisa ; La Haye u. a. < haga (‚Hecke ‘); Ruitz (Dep. Pas-de-Calais), 1135 Ruith < riuti (‚abgeholztes Land ‘; vgl. das nhd. Verb ‚reuten ‘, d. h. ‚roden ‘), La Marche, Lamarche, Lamarque u. ä < marka ; Loches (Dep. Indre-et-Loire) < ahd. Lôh, ‚Lichtung ‘;33 Estrun (Dep. Nord), 881 strum < ahd. stroum (‚Strom ‘), dazu zahlreiche ebenso gebildete Ortsnamen; Betz (Dep. Oise) < bach < germ. baki ; Oye (Dep. Pas-de- Calais), 944 Ogia < ahd. ouwa (‚Aue ‘); Mare, La Mare, Mer < mari, ‚Teich ‘; La Flaque (Dep. Pas-de-Calais), vielleicht auch La Flèche (Dep. Sarthe) < ahd. vlacke , nfrz. flaque (‚Lache ‘); Bergues (Dep. Nord), 857 Gruonoberg, Berck (Dep. Pas-de-Calais) < berg ; Aix , u. a. Aix en Issart (Dep. Pas-de-Calais), 648 und 800 Ascium < ahd. asc (‚Esche ‘); hierzu auch Ecouen (Dep. Seine et Oise), 1119 = Esquem . Le Houx u. ä < ahd. hulis (dial. hulst ), das nfrz. zu houx (‚Stechpalme ‘) geworden ist; Rosières u. a. < ahd. rôr , vgl. nfrz. roseau (‚Schilf ‘); Licques (Dep. Pas-de-Calais), 1072 Liska , Lesches (Dep. Drôme) u. ä < ahd.

32 Ortschaft im Dep. Meuse (B.K.). 33 Vielleicht geht der Name auf die lat. Form lucus = lôh zurück. Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 17 liska (‚Schilf(rohr) ‘); Vardes (Dep. Seine-Maritime), 851 belegt < warid (vgl. ‚Werder‘). 34 Zur Gruppe der Simplizia germanischer Herkunft gehören auch andere Toponyme, denen Personennamen zugrunde liegen: Ablon (Dep. Calvados) zu Abilo , Les Augiers (Dep. Haute-Loire) zu Adalgar , Anzin (Dep. Nord) zu Anso , La Fouchardière (Dep. Vienne) zu Folkhard , Frouard (Dep. Meurthe-et-Moselle) zu Froardum < Frothard , (Sainte) Gauburge (Dep. Orne) zu Walburga , Grimaud (Dep. Var) zu Grimoald , (Saint) Cloud zu Chlodoald , Heulin (Dep. Loire-Atlantique) und Hulin (Dep. Eure) zu Huglin , der Verkleinerungsform von Hugo , Maubeuge (Dep. Nord) zu Malbodo, (Saint) Simon (Dep. Savoie und Cantal) zu parrochia S. Sigismundi 1139, zu Sigimund . Südlich der Saône finden wir unter anderem noch Aillevans < Arleuwens < Harileubs = Heerlieb, Battrans < Baltharjis, Larians < Laierens < Laidarêths, Lieffans < Leudifridus . Auch die folgenden Ortsnamen, die zugleich Personennamen sind, sind germanischer Herkunft: Auffray, Ar- nould, Aubin, Brunoy, Dinard, Gondrin, Gontaud, Gosselin, Guiscard, Josselin, 35 Liard, Rambert und Simard . Zu dieser Gruppe gehören weiter alle mit Allemand, Burgond, Franc, Germain, Gots, Vandale, Souabe, Marcoman, Frison usw. gebildeten Ortsnamen. 36 Die rund sechzig hier exemplarisch behandelten Simplizia kommen fast alle mehrfach als Ortsnamen vor; verglichen mit der Gruppe der Komposita mit germanischen Konsti- tuenten sind sie jedoch deutlich weniger zahlreich. In der elsässisch-lothringischen Topo- nymie gibt es hunderte Zusammensetzungen wie Frohmühl, Griesbach, Haguenau, Holtzheim, Königshoffen, Lützelhouse, Niederwisse, Oberbronn, Weislingen , darunter auch einige der ältesten uns bekannten Ortsnamen Frankreichs: Uizungenburg = Weissenburg, Wissembourg , 693 belegt; Uesthoue = Westhoffen , 739; Osthova = Osthoffen , 775; Quirnea = Kirneck , 8. Jh.. 37 Nicht nur im Osten, auch im Norden Frankreichs gehen zahlreiche Ortsnamen auf germanische Komposita zurück: Westove und Ostove (Dep. Pas-de-Calais), Helfaut (Pas- de-Calais), 1139 als Helefelt , ‚heilig Feld‘ belegt, Wattrelos (Dep. Nord) < watter + loo, Bédouâtre (Dep. Pas-de-Calais) < briede water , ‚Breitwasser‘, Bouquehault (Pas-de-Calais) < Bucholt (1119), ‚Buchenholz‘, Houlgate (Dep. Calvados), ‚Hohlegasse‘, Bousbecques (Dep. Nord) < Bousbeca (1143), ‚Buschbach‘, Roubaix (Dep. Nord) < Rosbace (11. Jh.), ‚Rossbach‘, Deulémont (Dep. Nord) < Deule (Flussname) + mund (‚Mündung ‘), L’Estiembrique (Dep. Pas-de-Calais), ‚Steinbrücke‘, Dunkerque (Dep. Nord), ‚Dünkirche‘, Steenacker und Steenwerk sowie Brouckerque (aus ‚Bruck‘ + ‚Kirche‘) im Dep. Nord, Etainhus (Dep. Seine-Maritime) aus stain + hus . Hierher gehören auch Namen von Ort- schaften in den Grenzgebieten zu den Franken und Burgundern, wie etwa das bereits er- wähnte Marchesoy . Doch auch in anderen Gegenden gibt es etliche Toponyme, deren heu- tige Form die germanische Herkunft verbirgt: Morley (Dep. Meuse) < mor (‚Moor‘) + lahha (‚Lache‘), ebenso Morlac (Dep. Cher); weiter Mélicoq (Dep. Oise) < mûli (‚Mühle‘) + kot (‚Kot‘,38 ‚Haus ‘), Rebais (Dep. Seine-et-Marne) < hross (‚Ross ‘) + baki , oder < raus

34 „in loco nuncupato Wardera “; ‚i n dem Ort, genannt Wardera ‘. 35 Nach Dauzat (1953: 63) nicht germanischer, sondern bretonischer Herkunft. 36 Darunter möglicherweise einige der ältesten Ortsnamen Frankreichs, die auf die „aus der spätrömischen Zeit stammenden germanischen Laetenansiedlungen “ (Petri 1937: II, 899f.) zurückgehen. 37 Lévy (1929: I, 82-93). 38 Vgl. Baldinger (1954: 212): „Ein nhd. kot „maison“ existiert nicht.“ – Vielleicht zu ndd. kote/kate , ‚Hütte‘? (B.K.) 18 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850.

(‚Rohr ‘) + baki , Bullou/Boulau (Dep. Eure-et-Loir) < bosk ( ‚Busch ‘) + loh , Carbay (Maine- et-Loire) < quirn ( ‚Mühle ‘) + baki , Pommard (Dep. Côte d’Or) < pôlu (‚Pfuhl ‘) + marka , Chalvraines (Dep. Haute Marne) < askil (‚Esche‘) + brunno . In den meisten Departements gibt es noch zahlreiche weitere Ortsnamen mit germanischen Elementen wie hove, mar, marke, kerque, bergues, brouck, bais, baix, bec, becq, hag, ham, ing oder thun . Es be- gegnen auch mit germanischen Personennamen gebildete Ortsnamen: Gérardmer (Dep. Vosges) < Gerhard + mar, Gondréxange < Gunderik + ange = ingen, Bolbec < Bol + bec = Bach. Ähnlich ist Landigou (Dep. Orne) aus landa Ingulfi gebildet. Manche Toponyme haben im frankophonen Sprachgebiet viele Jahrhunderte lang eine erstaunlich germanische Form bewahrt, so die Namen der Ortschaft Marbache (Dep. Meurthe-et-Moselle), 896 belegt als Merbechia, 1065 als Marbagium < mari ( ‚stehendes Gewässer ‘) + baki , und des ganz in der Nähe fließenden Bachs Ache ; weiter Hurbache (Dep. Vosges), 1209 Hurbachium < horwi ( ‚Sumpf ‘) + baki , Wissembach und Schambert (Dep. Vosges), Marienthal (Seine-et-Oise), Asfeld (Dep. Ardennes), Rhimberg (Calva- dos). 39 Zu diesen rein germanischen Toponymen kommen weitere, die mit germanischen und romanischen Konstituenten gebildet sind. In manchen Fällen, etwa manchen aus dem La- teinischen übernommenen Elementen wie villers und court , fällt der romanische Charakter insofern weniger ins Gewicht, als die Toponyme aus Eigennamen (meist Personennamen im Genitiv) mit einer Zweitkonstituente auf einen im wesentlichen germanischen Bildungs- typ zurückgehen; 40 Beispiele sind Thionville < Theodonis villa, Vionville (Dep. Moselle) < Vydonis villa, Héricourt (Dep. Pas-de-Calais) < heri kortis (1072) < Hari, Goncourt (Dep. Marne) < Godonis cort (900) < Godo , Boncourt (Dep. Eure) < Botonis curtis (1066) < Boto, Bougival (Dep. Seine et Oise) < Baudechisilio vallis (671) < Baudigisil, Augeville (Dep. Haute-Marne) < Altgis oder Alagis villa und Aubervilliers (Dep. Seine) < Athalbraht, Albert + villare . Die Namen dieser Gruppe sind teilweise sehr alt und schon in den frühesten Zeugnissen belegt, für das Elsass etwa in der Weißenburger Charta (Ende 7. Jh.); sie sind sehr verbrei- tet und bilden in manchen Teilen Frankreichs die Grundlage der gesamten Toponymie. Weniger germanisch, eher französisch muten andere Toponyme an, obwohl sie mit den selben Bestandteilen gebildet sind: Châtellerault (Dep. Vienne) < castellum Heraldi (742), Pont Audemer (Dep. Eure) < pons Audomari, Montbéliard (Dep. Doubs) < mons Belgardis , Fontainebleau (Dep. Seine-et-Marne) < fons Blahaut, Vaugirard < vallis Gerardi, Montlhéry (Dep. Seine-et-Oise) < monte Lentherico (1067), Viroflay (Dep. Seine-et-Oise) < villa Offleni (1162) < Offilin, Château-Thierry (Dep. Aisne) < castellum Theodorici (923), Châtelguyon (Dep. Puy-de-Dôme) < castellum Guidonis usw. 41

39 Die letztgenannten entstanden natürlich erst später. Umgekehrt sind manche ganz und gar deutsch wirkende Ortsnamen in Wirklichkeit zumindest teilweise galloromanischer Herkunft: das bereits er- wähnte Kestenholz (Dep. Niederrhein) < castanetum ; Pfetterhausen (Dep. Oberrhein) < petrosa , Kes- kastel (Dep. Niederrhein) < caesaris castellum; Dürrkastel < castellum , und einigen Autoren zufolge auch Strasbourg < strata (via) + burgum (Lévy 1929: I, 55; zu Straßburg: S. 97). 40 Gröber (1893: I, 424); Behaghel (1910); Kornmesser (1889: I, 1ff.); Gamillscheg (1934: 85; Vincent (1937: 153f., 172ff.); Petri (1942: 12ff., 703ff.). Eine abweichende Auffassung vertritt Lot (1948: 153ff.). 41 Angaben für die meisten dieser Ortsnamen nach Gröhler (1933: II, 251-351), Petri (1942: 300ff.) und Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 19

In vielen Fällen wäre es auf Grund der weitgehenden sprachlichen Integration so gut wie ausgeschlossen, die Herkunft der Toponyme zu ermitteln, wenn uns die ältesten Formen nicht überliefert wären. Um nur einige Beispiele aus der unmittelbaren Umgebung von Paris zu nennen: Wer würde wohl vermuten, dass Saint-Cloud, Ecouen, Aubervilliers, Fontainebleau, Montlhéry, Château-Thierry, Viroflay, Ville d’Avray, Villacoublay, Bougi - val, Houdan und zahlreiche andere Ortsnamen auf fränkische Wörter zurückgehen? 42 Nicht nur im Pariser Großraum treten germanische Ortsnamen derartig gehäuft auf. Abgesehen von den Dep. Niederrhein und Oberrhein, Mosel, Nord und Pas-de-Calais, wo 90% der Toponyme fränkischer oder alemannischer Herkunft sind, lassen sich größere Gruppen germanischer Ortsnamen auch in verschiedenen anderen Teilen des Landes, insbe- sondere nördlich der Loire, ausmachen. 43 In der Umgebung von Boulogne-sur-Mer gibt es eine geschlossene Gruppe von etwa dreißig Ortsnamen mit der Endung -thun , die sächsi- scher Herkunft ist; sie gehört zu der weitaus größeren Gruppe von Namen, die auf hem, hen, en, inghen, ingue u. ä enden. In der Onomastik des Dep. Basse-Normandie erscheinen gehäuft Namen auf bec, bu, gart, gate, hague, ham, hus, lande, mar, torp, vic , auch boeuf, dieppe, fleur und houl . In den Dep. Doubs, Jura, Cher, Vienne, Haute-Saône, Creuse, Côte d’Or und Nièvre, sind zahlreiche Ortsnamen burgundischer und fränkischer Herkunft. Für die Dep. Vosges, Meurthe-et-Moselle, Meuse, Ardennes und Aisne im Nordosten sind mehrere hundert Komposita mit -ange und -court zu verzeichnen; dazu kommen noch die rein germanischen Bildungen. So ist der Raum nördlich der Linie vom Cotentin bis zum Genfer See besonders reich an germanischen Toponymen. Diese begegnen jedoch auch südlich dieser Linie; manche der bereits genannten Ortschaften liegen in den Dep. Puy-de- Dôme, Savoie, Loire-Atlantique, Haute-Loire, Vienne, selbst im südfranzösischen Var. Vermutlich wäre es schwierig, auch nur ein einziges französisches Departement ohne Orts- namen zu finden, die an die Völkerwanderung erinnern. Zu den mehreren tausend Ortsnamen auf -court und -viller (-villiers, -villars ) kommen noch ebensoviele Toponyme, die mit anderen germanischen Konstituenten gebildet oder vollständig germanischer Herkunft sind. Von den etwa 1800 ostfranzösischen Gemeinden haben ungefähr 1400 germanische, zum großen Teil sehr alte Namen. Dazu kommen die Namen von Weilern, Flüssen, Bergen und ehemaligen Ortschaften, insgesamt eine beachtli- che Zahl von Toponymen. Manche häufig vorkommende Ortsnamen gehen auf ein einziges germanisches Wort zurück. Mehrere tausend französische Ortsnamen mit germanischer Konstituente sind mit Hilfe einiger hundert Appellativa und Eigennamen gebildet. Im Hinblick auf das Ausmaß des germanischen Einflusses auf die Bildung französischer Orts- namen sollte man allerdings bedenken, dass es in Frankreich ungefähr 38000 Gemeinden gibt 44 und die Zahl der übrigen Toponyme bei mehreren zehntausend liegt. Vorsicht ist auch bei der Ableitung historischer Erkenntnisse aus der Toponymie gebo- ten. 45 Wohl geben Anzahl, Verbreitung und Form der gegenwärtigen Ortsnamen Hinweise

Vincent (1937: 133ff.). 42 Lot (1935: 206) erklärt dies damit, dass die Merowinger und ihre Anhänger bevorzugt im Großraum Paris siedelten. 43 Die Namen fast aller kulturell bedeutenden Zentren, aller großen Städte sind jedoch keltischen oder lateinischen bzw. griechischen Ursprungs, wie übrigens auch in Südwestdeutschland. 44 Zu bedenken ist hier auch, dass manche Namen natürlich mehrfach vorkommen. 45 Ähnlich bemerken Berschin et al. (1978: 173), die Toponymie allein erlaube „keine gesicherten 20 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. auf die Bedeutung des Germanischen in der Galloromania; so zeugt die Häufigkeit eindeu- tig germanischer Namen an bestimmten Orten von der Dichte der germanischen Besiedlung und dem Ausmaß der Landnahme. Wie Kurth (1895: 551) zutreffend ausgeführt hat, kann für die Gegenden, in denen germanische Namen deutlich überwiegen, auf Kolonisierung durch Franken (oder andere germanische Stämme), Aufteilung des Landes durch die Erobe- rer und vollständige oder partielle Ausrottung oder Beraubung der einheimischen Bevölke- rung geschlossen werden. Bei Gegenden mit rein romanischer Toponymie ist dagegen da- von auszugehen, dass die Eroberer sich dort nicht in großer Zahl ansiedelten und das Land nicht untereinander aufteilten. Die Sprachgrenze kann zusammenfallen mit der Grenze für bestimmte Zweitkonstituen- ten von Toponymen; das gilt etwa für Lothringen. 46 Im Burgund lässt sich die Grenze zwi- schen den Volksstämmen anhand der Namen auf kleinerem Raum rekonstruieren. Aus der Art der Zweitkonstituenten zu schließen, dass die Landnahme durch einen bestimmten Stamm erfolgte oder mit einer bestimmten Art und Weise der Kolonisation verbunden war, ist allerdings grundsätzlich problematisch; diese Schlüsse mögen manchmal zutreffend sein, in vielen anderen Fällen sind sie wenig überzeugend. Die diesbezüglichen Aus- führungen zu Ostfrankreich (Lévy 1929: I, 69-71, 83-93; Lot 1935: 201ff.), gelten mutatis mutandis auch für alle anderen Teile des Landes, in denen es zahlreiche germanische Orts- namen gibt.

4.2 Personennamen Schon vor der Völkerwanderung gab es in Gallien Personennamen germanischer Herkunft in geringer Zahl, allerdings nur bei den Germanen. Später traten sie vermehrt auf und wur- den ab dem Ende des 5. Jh. auch von Galloromanen angenommen. So tragen der Hl. Mé- dard von Soissons (um 465 geboren, als das Westreich noch bestand), sein Bruder Gildard, der Bischof von Rouen, und der Hl. Vaast (ebenfalls vor Chlodwigs Eroberungszügen ge- boren, Bischof von Arras zu Beginn des 6. Jh.) zweifelsfrei germanische Namen. Ebenso ist der Name der Hl. Genoveva, um 420 in Nanterre als Tochter von Gerontius und Severa (beides eindeutig lateinische Namen) geboren, unbestreitbar germanisch. Im 5. Jh. sind dies jedoch noch Ausnahmen: Nur zehn der 49 Personennamen, die uns in christlichen In- schriften aus dieser Zeit überliefert sind, sind germanischer Herkunft. Im 6. Jh. steigt die Zahl der germanischen Namen bei den Galloromanen im Verhältnis zu den lateinischen langsam an. 508 der 536 Unterschriften von Bischöfen anlässlich der Konzile in Gallien (475-578) bezeugen noch lateinische Namen, nur 28 dagegen germani- sche. Die Franken waren zu dieser Zeit meist noch ungebildet und hatten daher kaum Zu- gang zu Kirchenämtern; die einheimische Bevölkerung wählte damals noch selten germani- sche Namen. Bereits bei den christlichen Inschriften des 6. Jh. in Gallien liegt der Anteil germanischer Namen deutlich höher (Klerus: 10 %; Bevölkerung: 25 %) und steigt gegen Ende des Jh. immer weiter. In manchen Familien gab es, wohl auf Grund von Ehe- schließungen zwischen Franken und Galloromanen, sowohl fremde als auch lateinische

Schlüsse auf die Intensität der fränkisch en Siedlung“. Doch ist auch dort die Rede von der „Abnahme der germanischen Ortsnamen und damit wohl auch der germanischen Siedlung von Norden nach Sü- den“. 46 Lévy (1929: I, 110f.); dort die Beispiele -weiler, -heim und -ingen . (B.K.) Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 21

Namen. So hatte Fürst Lupus einen Bruder, der Magnulfus hieß, Ennodius einen nahen Verwandten namens Beregisilus; der Vater eines Bertulf hieß Florus; ein Waldelen nannte seinen Sohn Donatus, und die Eltern des Hl. Didier von Cahors hießen Severus und Bobila. Im 7. Jh. verbreitete sich die germanische Onomastik weiter, und in den Gegenden, die endgültig die germanische Sprache annahmen, waren die Personennamen bereits sämtlich germanisch. Arbogast, der erste Bischof von Straßburg, ein Zeitgenosse von Dagobert I. (622-638), trug einen germanischen Namen, wie alle seine Gläubigen, gleich welchen Standes und gleich welcher Abstammung, deren Namen überliefert sind. Im 8. Jh. setzten die germanischen Personennamen sich dann überall in Gallien durch; es war wohl eine Modeerscheinung, wie es sie in der Geschichte immer wieder gegeben hat. Anfänglich wählte man germanische Eigennamen, weil man die neuen Herren fürchtete oder ihnen schmeicheln wollte. Später wurden Ehen zwischen Abkömmlingen beider Völker geschlos- sen; dazu kam die Familientradition eines der beiden Ehegatten, und schließlich wurden die Kinder nach den Mächtigen und den Herrschern benannt. 47 So erklärt sich die beachtliche Zahl germanischer Namen in den unterschiedlichsten Zeugnissen aus jener Zeit. 48 Im Rolandslied , das von karolingischer Zeit berichtet, uns allerdings in einer späteren Form überliefert ist, tragen die meisten Personen germanische Namen. Wie im Fall der Ortsnamen ist es auch hier schwierig, genaue Zahlen zu nennen. Immerhin wissen wir, dass auf dem Flügelaltar von Saint-Germain-des-Prés bereits neun- mal mehr germanische als romanische und biblische Namen verzeichnet sind. Dank der Studie von Kalbow (1913) zu den germanischen Personennamen des altfranzösischen Epos sind uns hunderte solcher Namen bekannt, von denen die meisten bis auf das Ende jener Zeit zurückgehen. 49 Nach Gröhler (1933: 250) gibt es auch bei den Ortsnamen mehrere hundert Formen. Mackel (1887: 190ff.) schätzt die Zahl der Personennamen germanischer Herkunft auf etwa 300; davon sind viele noch heute in ganz Frankreich sehr verbreitet. Schon deshalb ist das massive Eindringen von Eigennamen in merowingischer und karolingischer Zeit für uns noch heute von Interesse. Als Beispiele werden hier rund ein- hundert Namen angeführt, die überall in Frankreich verbreitet sind: Albert, Aubert, Aubiert, Audibert, Aubertin < Adalberhto; Alric, Alfaric, Aubry, Oberon < Alberic; Arnaud, Arnold < Arnwaldo; Arnoul, Arnould < Arnwulfo ; Aubard < Adalbald; Aufroy < Adalfredo; Augé, Auger, Augier < Adalgari; Aynard < Eginhardo; Bertin, Berton < Aubertin < Adalberhto; Baudouin < Badulfo oder Baldoino; Baudray < Balderico; Beraud < Berwaldo; Bernard, Bernardin, Nardin < Berinhardo; Bertrand < Bertaldo oder Bertramno; Berthe < Berhta; Brémont < Berhtomundo; Charles < Carol(us); Colbert, Coubert < Coloberto; Fauco < Falco; Ferry < Frederico; Flobert < Hlodoberhto; Foucher < Fulcardo; Fouque < Folko; Fourré, Fouret < Fulrado; Frémont < Fredomundo; Froger, Frogier < Frodgardo; Fro- ment, Fromon < Frodomundo; Garnier < Warinhari; Gault < Waldo; Gautier, Gaudet < Walthari; Gérard, Guerard, Girard, Giraud < Gerhardo; Gerbault < Gerbaldo; Gibert, Gilbert < Gisberhto; Gobert < Galberto; Godefroy, Geoffroy, Joffre, Jouffroy < Go-

47 Longnon (1886: I, 261); Dauzat (1925); Kalbow (1913: 18f.); Lot (1935: 231), (1948: 165f.); Kremers (1910: 18ff.); Petri (1942: 910) mit weiterführender Bibliographie zu diesem Thema. 48 Vgl. jedoch Berschin et al. (1978: 170): „Kein Anzeichen für eine tiefergehende Germanis ierung kann in der Übernahme germanischer Namen durch die Romanen gesehen werden.“ 49 Kalbow (1913: 164ff.) verzeichnet im Register über 1800 verschiedene Formen. 22 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. dofrido; Gombault < Gundobaldo; Gontard, Gontier < Gunthari; Gosse, Gosselin, Gosset, Gousse < Gozzo; Grimaud < Grimwaldo; Guillaume, Guillaumin, Guillemet, Guillet usw. 50 < Wilihelmo; Guignebert < Winiberto; Guinemer < Winimaro; Guibaud < Gi- boaldo oder Wiboldo; Guillard < Willihardo; Guy < Wido; Hébert < Hariberto; Henri < Haimrico; Hermant < Harimano; Hubault < Hugobaldo; Hugues, Huon < Hugoni; Hum- bert < Huniberhto; Landry < Landerico; Léger, Legard, Liégeard < Leodgar; Letard, Litard, Liétard < Leuthardo; Louis, Clovis < Chlodovigo; Rambaud, Rambert < Ragno- berto; Raynaud, Renaud < Raginwaldo; Renard < Reinhard < Raginhardo; Raoul < Ra- dulfo; Ribot, Rivaud < Ricbaldo; Richard < Richardo; Rigaud < Rigwaldo; Robert, Robin, Robelot, Robelin < Hrodoberhto; Roland < Hrodolando; Rostand < Hruodstein; Suger < Suidgar; Thibault < Theodobaldo; Thierry, Thirry < Thoedoriko; Vautier < Waltario. 51 Dazu kommen Personennamen, die auf Berufsbezeichnungen ( Maréchal, Marquis , Sénéchal u. a.), ehemalige Toponyme ( Grimaud, Haye, Lamarche, Les Loges, Marbeuf, Reetz u. ä; siehe oben, 4.1) und Appellativa ( Blanc, Blond, Blondin, Lebrun, Brunet usw.) zurückgehen.

4.3 Appellativa Es gibt bereits zahlreiche Untersuchungen deutscher und französischer Romanisten und Germanisten zu den französischen Wörtern germanischer Herkunft, ihrer Bedeutung und Häufigkeit. 52 Diese Entlehnungen genau zu datieren ist aus naheliegenden Gründen unmög- lich; fest steht immerhin, dass die meisten auf das 3. bis 9. Jh. zurückgehen. Im Anschluss an Brüch lassen sich mehrere Schichten von Entlehnungen unterscheiden. 53 Die erste Schicht bilden die Wörter, die bereits ins Lateinische übergingen, bevor die Völkerwande- rung sich deutlich auf die sprachliche Entwicklung auswirkte; ihnen ist gemeinsam, dass sie vor der Aufspaltung der Romania über das Lateinische in die meisten romanischen Spra- chen gelangten. Brüch hat 102 germanische Wörter ermittelt, die um 400 ins Lateinische übergingen; davon wurden 98 ins Galloromanische übernommen. Dass die germanischen Dialekte zuerst in Gallien eindrangen, erklärt sich durch die geographische Lage und die Geschichte des Landes. Zu den Entlehnungen dieser ersten Schicht gehören u. a. 54 : alène (‚Ahle‘) < *alisno ; afrz. balon , nfrz. balle, ballot (‚(Waren)Ballen‘) < balla ;55 banc < bank ; bande < binda (‚Binde‘); blanc (‚weiß‘) < blank; blond < *blund; braque (‚Bracke‘) < *brakko ; afrz. brand/brant (‚großes Schwert‘) < brant ; vgl. brandir (‚eine Waffe schwingen ‘); braise (‚Glut‘) < *brasa; brun (‚braun‘) < *brūn ; bûcher (‚Holz schlagen ‘; seit dem 19. Jh. auch für ‚hart arbeiten ‘) < *busk-; bourg < burg; arroi (veraltet oder lite- ratursprachlich für ‚Begleitung einer hochgestellten Person‘), désarroi (‚Verwirrung‘) <

50 Kremers (1910: 32) führt 18 moderne Formen an, die auf Wilihelmo zurückgehen. 51 Vgl. Mackel (1887: 190ff.); Lot (1935: 231ff.), (1948: 166ff.); Kremers (1910); Woltmann (1907: 63ff.) mit teilweise abwegigen etymologischen Angaben. 52 Einen ersten geschichtlichen Überblick über diese Arbeiten gibt Mackel (1887: 2f.); vgl. weiter Brüch (1926: 25f.); Hopfgarten (1926); Behrens (1924); Wartburg (1930); Brunot (1933: I, 125-129). 53 Brüch (1913: 118f. u. 157ff.), (1926: 38ff.); hierzu jetzt auch Schlemmer (1983: 163ff.). 54 Es sind hier nur Wörter angeführt, zu denen es nfrz. bzw. nhd. Entsprechungen gibt. 55 Wie die meisten nachstehenden Wörter diente auch dieses als Basis für Ableitungen (dadurch erhöht sich der germanische Anteil am französischen Wortschatz beträchtlich); zu balla wurden u. a. emballer (14. Jh.), ballot (1409, 1549 déballer (1409), balluchon (1837) gebildet (Bloch 1932). Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 23 vulgärlat. * arredare < germ. * rêþs (‚Mittel‘; vgl. dt. raten ); fauve (‚fahl‘) < *falwa ; feutre (‚Filz‘) < *filtir ; flacon (‚Flasche‘) < flaska ; frais (‚frisch‘) < frisk ; fourbir (‚reinigen ‘) < *furbjan ; gris (‚grau‘) < grîs (vgl. Greis); halle (‚Markthalle‘) < *halla ; hardi (‚kühn‘) < *hardjan ; héberge (‚Unterkunft‘; vgl. auch auberge ), héberger (‚(be)herbergen‘) < hari- bergôn ; harpe (‚Harfe‘) < harpa ; heaume (‚Helm‘) < *helm ; houseaux (‚Gamaschen‘) < hosa ; cotte (‚Kutte‘) < *kotta ; gratter (‚kratzen‘) < *kratton ; latte (‚Holzlatte‘)56 ; lécher (‚lecken‘) < *likkon ; marche (‚(Grenz)Mark‘) < *marka ; martre (‚Marder‘) < marþ (r); rôtir (‚braten‘) < raustjan (vgl. ‚rösten‘); savon (‚Seife‘) < *saipôn ; écale, écaille (‚Schale‘, ‚Schuppe‘) < *skalja ; escrimer (‚schirmen‘) < *skirmjan ; écume (‚Schaum‘) < *skum ; épargner (‚sparen‘, ‚verschonen‘) < *sparôn ; estour (‚Kampf‘, ‚Angriff‘) < sturm ; soupe < *suppa ; taper (‚schlagen‘) < *tappon ; tette, tétin (‚Zitze‘) < titta ; trappe (‚Falltür‘, ‚Klappe‘) < trappa ; orgueil (‚Stolz‘) < *urgoli; gué (‚Furt‘) < wad (vgl. waten ); guerre (‚Krieg‘, vgl. ‚Kriegswirren‘) < werra ; guise (‚Weise‘) < *wîsa . Die zweite Schicht besteht hauptsächlich aus Wörtern, die im 5. und 6. Jh. in die Mundarten Galliens, und nur in diese, eindrangen; im Norden sind sie fränkischer, im Sü- den westgotischer und im Südosten burgundischer Herkunft. Eine dritte Schicht ist für Wörter mit Konsonantenverschiebung anzusetzen, die nach dem 6. Jh. ins Galloromanische gekommen sein müssen; 57 auf die vierte Schicht von Wörtern, die aus dem Altnordischen entlehnt wurden, wird noch ausführlicher eingegangen (vgl. unten, 5.) Entlehnungen einem bestimmten Stamm zuzuordnen oder sie genau zu datieren, erweist sich als problematisch, zumal sicher zumeist gemeingermanische Wörter entlehnt wurden. Allgemein lässt sich festhalten, dass germanische Wörter, die nur im Süden Frankreichs anzutreffen sind, aus dem Gotischen kommen; Beispiele sind prov. roca (hierzu im 16. Jh. frz. rochet (‚(Spinn)Rocken‘) < germ. rokka und espolo (‚Spule‘). In den Mundarten von Savoyen und Burgund findet man etwa fünfzig Wörter, die offensichtlich aus dem Burgun- dischen kommen, darunter bwadə (‚Pferdestall‘) <*buwida (‚Gebäude‘) und brogi (‚den- ken ‘) <*brugdian (nach Gamillscheg). Die meisten germanischen Nomina im Französi- schen gehen jedoch auf fränkische Einwirkung zurück, häufig auch in Gegenden, die zu- nächst von anderen Stämmen besiedelt worden waren. Das afrz. haise (‚Hecke‘), das an- fangs vor allem in der Picardie, der Normandie und Wallonien verwendet wurde, kann nur von den Franken kommen. Über die Gesamtzahl der französischen Substantive germanischen Ursprungs lassen sich kaum genaue Angaben machen. Die zu Beginn des Mittelalters im Französischen und vor allem in den verschiedenen Dialekten gebräuchlichen germanischen Wörter vollständig zu ermitteln, ist natürlich unmöglich, da wir nur von den schriftlich festgehaltenen Wörtern wissen. Erschwerend kommt hinzu, dass bei weitem nicht alle schriftlichen Zeugnisse aus dieser fernen Zeit erhalten sind. Sämtliche Schätzungen auf der Basis des uns bekannten Wortschatzes liegen somit zweifellos zu niedrig. Im Anschluss an Neumann (1886), Mackel (1887), Waltemath 58 u. a. geht Hopfgarten

56 Nach den Angaben im TLF ist die Herkunft des Wortes umstritten; möglicherweise wurde es sehr früh aus dem Germanischen entlehnt (vgl. ahd. latta ). 57 Gamillscheg (1926: 236) plädiert ausgehend von dem Übergang von fränkisch ai zu ē für eine andere Datierung. 58 Lévy bezieht sich hier wohl auf Wilhelm Waltemath, Die fränkischen Elemente in der französischen 24 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850.

(1926: 12f.) davon aus, dass rund 450 mit Sicherheit germanische Wörter seinerzeit in das Gemeinfranzösische eindrangen. Schon vor ihm hatte Brachet diese Zahl angesetzt, war allerdings der Ansicht, sie ließe sich mühelos verdoppeln, wenn man auch die germani- schen Wörter des Altfranzösischen einbezöge (Brachet 1870: XXXVIII). Die meisten For- scher nennen noch höhere Zahlen. Süpfle (1886-1890: I, 7) spricht von einer Bereicherung des fr anzösischen Wortschatzes durch „ mehr als 900 wichtige germanische Wörter “; Ma- ckel (1887) verzeichnet in seinem Wortregister rund 1.000 verschiedene Formen, die ins Französische und Provenzalische übernommen wurden. Woltmann (1907: 62), der sonst eigentlich dazu neigt, den germanischen Einfluss in Frankreich zu überschätzen, begnügt sich mit etwa 1.000 germanischen Elementen im französischen Wortschatz, der insgesamt 24.000 Wörter umfasst. Bei anderen Berechnungen, die zu einem weit höheren Ergebnis kommen, 59 sind nicht nur die Simplizia germanischer Herkunft, sondern auch sämtliche Ableitungen berücksichtigt. 60 Vom Lateinischen abgesehen hat jedenfalls keine andere Sprache dem Französischen so viele wichtige und gebräuchliche Wörter geliefert wie das Germanische; 61 hier sind nur die bekanntesten bzw. die aufschlussreichsten Beispiele aufgeführt: 62

Gesellschaft alleu (heute nur noch in franc-alleu , ‚Freigut‘, ‚Allod‘) < *alôd, écot (‚Beitrag‘, ‚Zweig‘) < skot (vgl. ‚scho ß‘, ‚beischie ßen ‘), ban (‚amtliche Verkündigung ‘, ‚Acht‘) < *ban, fief (‚Lehen‘, ‚Domäne‘) < mfrz. fieu < *fehu, gruyer (‚Beamter der Forstverwaltung‘) < *grôdi (vgl. ahd. gruoti ), guilde (‚Gilde‘) < gilde < *gilda, gage (‚Pfand‘) < *waddi (vgl. ‚Wette‘), garant (‚Bürge‘) <* werjan, wairjan (vgl. ‚wahr‘), bedeau (‚Pedell‘) < bidil, héraut (‚Herold‘) < heralt <*heriwald, harangue (‚feierliche Ansprache‘) < hring , rang (‚Reihe‘) < hring (vgl. ‚Ring‘), échevin (‚Schöffe‘) <* skapin (vgl. ‚schöpfen‘), marc (frü- her: Gewichtsmaß für Silber und Gold) < *marka, maréchal < *marhskalk, mar- quis/marchis < *marka (‚Grenze‘), sénéchal < siniskalc, chambellan (‚Kammerherr‘, ‚Kämmerling‘) < kamarlinc, échanson (‚Mundschenk‘) < skankjo (vgl. ‚(ein)schenken‘).

Sprache (Paderborn & Münster: F. Schöningh, 1885). Bei dem ebenfalls genannten Werk von „Fr. Neumann“ handelt es sich vermutlich um Die Romanische Philologie: ein Grundriss (Leipzig: Fues, 1886). (B.K.) 59 Ulrix (1907) kommt auf diese Weise in seinem Wörterbuch aller je als germanisch angesehenen Wörter auf 2520 Einträge. 60 Nachstehend ein weiteres Beispiel für die Entwicklung eines Lehnwortes im Laufe der Jahrhunderte: Zu mndl. placken im 13. Jh. placq(i)er (‚plattieren‘) , 1239 plaqueur (‚Plattierer‘ ), 1392 plaquage , 1572 placard (zunächst in der Bedeutung ‚Verkleidung einer Wand‘ ; noch im 16. Jh. auch für ‚Aushang‘, ‚Anschlag‘ ), 16. Jh. placarder , 1611 plaque (‚Platte‘) , 1572 plaquette , 1802 plaqué (Metall), 19. Jh. placard (in der heutigen Bedeutung ‚Schrank ‘), Ende 19. Jh. contreplaqué (‚Sperrholz‘) und contrepla- cage (‚beidseitiges Furnieren‘); vgl. Bloch (1932: II, 161). Von fränk. * wardōn > garder sind min- destens zwei Dutzend Formen abgeleitet (Dauzat 1938: 354). 61 Hierzu auch Berschin et al. (1978: 175): „Die große Mehrzahl der germanischen Wörter im Französischen – es dürften mit Einschluß der Dialekte über 600, in der Schriftsprache 200 bis 300 sein – ist sicher frän kischen Ursprungs.“ Klare (1998: 44) spricht von etwa 700 „Wortstämmen“, die „durch die Franken vermittelt“ wurden. 62 Von wenigen Ausnahmen abgesehen gibt es für diese Wörter vor dem 11. Jh. keine schriftlichen Zeug- nisse; doch wurden die meisten schon viel früher entlehnt. Listen in Brunot (1933: I, 125-129, 287); Kluge (1920: 215-221); Lot (1948: 171ff.); vgl. auch Gamillscheg (1934: I, 154ff.). Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 25

Kriegswortschatz guerre (‚Krieg‘) < werra (vgl. ‚Wirren‘), 63 trêve (‚Waffenstillstand‘) < *triuwa (vgl. Treue), mfrz. faider (‚kämpfen‘) < *faihiða (vgl. ‚Fehde‘), garde (‚Wache‘) < *wardôn , guet (heute nur noch in der Wendung faire le guet , ‚auf der Lauer liegen‘) < *wahta, échauguette (‚Burgwarte‘) < *skarwahta, mfrz. espringale (‚Wurfgeschütz‘ im Mittelalter) <* springan, estoc (‚Stock‘, ‚großes Schwert‘) < stoc, mfrz. estour (‚Angriff‘) < *sturm, fan(i)on (u. a. ‚Zotte‘ am Pferdefuß) < fano, bannière (‚Banner‘) und bande (‚Schar‘, ‚Trupp‘) < bandwa, mfrz. broigne (‚Harnisch‘) < brunnia, heaume < *helm, haubert (‚Kettenhemd‘) < *halsberg, hache (‚Axt‘) < *happia (vgl. ‚Hacke‘, ‚Hippe‘), crosse (‚Kolben‘) < *krukja (vgl. ‚Krücke‘), épieu (‚Spieß‘) < *speoz, éperon < sporo, bride (‚Zaum‘) < brîdel , bretelle (‚Schulterriemen‘) < brittil, dard (‚Wurfspieß‘) < *daroth, étrier (‚Steigbügel‘) < *streup- (vgl. mnd. ‚Strippe‘ in der Bedeutung ‚Schlinge‘, ‚Schlaufe‘), fourreau (‚Scheide eines Schwertes‘) < *fodr , gonfalon (‚Standarte‘) < *gundfano, beffroi, afrz. berfroi (‚Belfried‘, ‚Turm‘) < bercvrit , brèche (‚Bresche‘, ‚Front - lücke ‘) < breka (vgl. ‚Bruch‘). Land und Landschaft Bois (,Wald ‘, ‚Holz‘), buisson (‚Busch‘, ‚Gebüsch‘), bosquet (‚Wäldchen‘), bouquet (‚Strauß‘, ‚Baumgruppe‘), bocage (‚Bocage‘) < *bosk (vgl. ‚Busch‘), mfrz. gaut (‚Wald‘) < wald, breuil 64 (‚Wäldchen‘) < *brogilos (vgl. ‚Brühl‘), laie (‚Waldschneise‘) < *laida (vgl. Saint-Germain-en-Laye), jardin (‚Garten‘) < gard, gazon (‚Rasen‘) < waso (vgl. bes. süddt.: Wasen), 65 haie (‚Hecke‘) < *hagja, bise (‚kalter Nordwind‘) < *bisjo, regain (‚Grum met ‘, ‚Öhmd‘) < *waiða, gerbe (‚Garbe‘) < garba . Wohnen auberge (‚Herberge‘), héberger (‚beherbergen‘) < afrz. alberge < ahd. heriberga, bourg (‚größeres Dorf‘) < *burg, afrz. ham/ nfrz. hameau (‚Weiler‘) < *haim, salle < sal, loge, logement/ logis (‚Wohnung‘) < *laubja (vgl. ‚Laube‘), étuve (‚Schwitzbad‘) < stuba, bau (‚Balken‘), hierzu ébaucher, débaucher, embaucher < balko , hourd (‚Gerüst‘, ‚Zuschauer - tribüne ‘) < *hurd (vgl. ‚Hürde‘). Gerät banc < *bank, fauteuil (‚Sessel‘) < *faldistôl (‚Faltstuhl‘), cruche (Krug) < *kruka , touaille (veraltet für ‚Tuch‘) < *twahlja ; vgl. schwäb. ‚Zwehl‘, westmitteldt. ‚Zwehle‘, hanap (‚Humpen‘) < *hnapp , hotte (‚Tragkorb‘, ‚Kiepe‘) < *hotta ; vgl. schwäb. ‚hotze‘ (‚auf dem Rücken tragen‘), houe (‚Hacke‘; süddt. ‚Haue‘) < *hauwa , râpe (‚Reibe‘, ‚Ras - pel ‘) < raspôn , émail < *smalt (vgl. ‚Schmelz‘), malle (‚großes Gepäckstück‘) < *malha . Kleidung Houseaux (‚Gamaschen‘) < hosa, robe (‚Kleid‘) < *rauba (‚Beute‘‚erbeutetes Kleid‘), chemise (‚Hemd‘) < vulgärlat. camisia < germ. hama (‚Kleidung‘), 66 guimpe (‚Haube‘) < *wimpil, gant (‚Handschuh‘) < *want, poche (‚Tasche‘) < *pokka, froc (‚Kutte‘) < *hrokk ,

63 Eines der so genannten „gallo-fränkischen Wanderwörter “ („Expansionswörte r“ ), die sich nach 800 weiter verbreiteten und auch in den anderen romanischen Sprachen vorhanden sind (Klare 1998: 46). 64 Zu diesem Wort, das nach Lévys Angaben auf bruil zurückgeht, bemerkt Dauzat (1953: 63), es sei nicht germanischer, sondern gallischer Herkunft; so auch TLF (gall. * brogilos ). 65 Vgl. die Bezeichnung „Cannstatter Wasen“ für ein Stuttgarter Volksfest (B.K.). 66 Nach Picoche (1992: 93) ist camisia aus dem Gallischen oder Germanischen entlehnt. 26 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. haire (‚Büßerhemd‘) < *harja (vgl. ‚Haar‘), sarrau (‚Bauernkittel‘) < sarroc, écharpe (‚Schal‘, ‚Schärpe‘) < *skirpja , feutre (‚Filz‘) < *filtir . Lebensmittel brouet (‚Fleischbrühe‘) < *brôd, flan/ afrz. flaon (‚Kuchen‘, heute: ‚Pudding‘) < frk. flado (vgl. ‚Fladen‘), gaufre (‚Waffel‘) < wafel (vgl. ‚Wabe‘), gruau (Grütze) < *grût , hampe (Fachwort der Metzgerei: ‚Vorschlag eines Hirschs‘), afrz. wampe < frk. wamba (vgl. ‚Wampe‘). Körperteile échine (‚Rückgrat‘) < *skina (vgl. Schien(bein)), hanche (‚Hüfte‘) < *hanka (vgl. ‚hi n- ken ‘), flanc (Flanke) < hlanca , giron (‚Gehr(en)‘, ‚Schoß‘) < *gero , gifle (‚Ohrfeige‘, urspr. ‚Wange‘) < kifel (vgl. ‚Kiefer‘), croupe (‚Kruppe‘) < *kruppa (vgl. ‚Kropf‘). Tiere agace (‚Elster‘) < agaza , bouquetin/ mfrz. bouquestin (‚Steinbock‘) < steinboc , braque (‚Bracke‘, Jagdhund) und braconner (‚wildern‘) < *brakko , gibier (afrz. für ‚Jagd‘; heute: ‚Wild‘) < *gabaiti , vgl. mhd. gebeize (‚Falkenjagd‘), épervier (‚Sperber‘) < sparwâri , héron (‚Reiher‘) < *haigro, bièvre 67 (‚Biber‘; heute meist: castor ) < beber , bison < lat. bison , offenbar entlehnt aus dem Germanischen (ahd. wisunt ), bouc (Bock) < *bucco , afrz. bacon (‚Schweineschinken/speck‘) < bakko (vgl. (Hinter)backe), écrevisse (Krebs) < ahd. krebiz , écaille (‚Schale‘, ‚Schuppe‘) < *skalja , hareng < hâring, brème (‚Güster‘, ‚Blicke‘ [eine Art Weißfisch]) < altfrk. * brahsima (mndl. brassem ), ciron (‚kleines Insekt‘) < *seuro, crapaud (‚Kröte‘) < *krappa ,68 éperlan (‚Stint‘) < mndl. spierlinc, esturgeon (‚Stör‘) < frk. * sturjo , étalon (‚Hengst‘) < frk. stal, freux (‚Saatkrähe‘) < hrok, gerfaut (‚Geierfalke‘) < *girfalko , laie (‚Wildsau‘, ‚Bache‘) < lêha (vgl.‚Liehe‘), mésange (‚Meise‘) < *meisinga , mulot (‚Waldmaus‘) < *mul , harde (jägerspr. ‚Rudel‘) < *herda (vgl. ‚Herde‘). Pflanzen Laîche (‚Liesch‘) < *liska ,69 mousse (‚Moos‘) < mosa, roseau (‚Schilf(rohr)‘ < *rauza , houx (‚Stechpalme‘) < hulis (vgl. mndl. huls ), cresson (‚Kresse‘) < *kresso , gleteron (‚Klette‘) und dazu grat(t)eron (‚Klebkraut‘, ‚Klette‘) < kletto , hêtre (‚Buche‘) < *haistr , vgl. ndl. heester (‚Busch‘), gaude (‚Reseda‘) < *walda, groseille (‚Johannisbeere‘) < *krûsil (‚Krausbeere‘, ‚Stachelbeere‘), hallier (‚Dickicht‘) < frk. * hasal (‚Haselnuss - strauch ‘); vgl. mndl. hasel , ahd. hasala, madre (gemasertes Holz, das im Ma. zur Herstel- lung von Trinkgefäßen verwendet wurde) < ahd. masar, saule (‚Weide‘) < *salha. Abstrakta honte (‚Scham‘) < *haunita, orgueil (‚Stolz‘) < frk. *urgoli, affre (heute nur im Pl., ‚Schrecken‘, ‚Furcht‘) < prov. affre , vermutlich aus *got. aibhor, haine, haïr (‚Hass‘, ‚has - sen ‘) < *hatjan, afrz. lécherie (‚Leckerei‘) und nfrz. lécher < *lekkōn (vgl. ‚lecken‘, ‚le- cker ‘), effroi (‚Furcht ‘) < esfrei < vulgärlat. exfridare < *fridu (‚Friede‘), frais (‚frisch‘) < frisk, hâte (‚Hast‘) < *haifst , émoi (‚Erregung‘) < vulgärlat. exmagare < *magan, guise (‚Weise‘) < *wîsa , (loup-)garou (‚Werwolf‘) < wariwulf, leurre (‚Köder‘) < *lopr (vgl.

67 Nach Dauzat (1953: 63) nicht germanischer, sondern gallischer Herkunft. 68 Auch grappin (‚Enterhaken‘) geht darauf zurück. 69 Dem TLF zufolge ist die germanische Herkunft umstritten. Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 27 mhd. luoder , ‚Luder‘, ‚Verlockung‘).70 Adjektive Außer den bereits erwähnten blanc < frk. *blank, 71 brun < *brun, bleu < frk. *blao, fauve < *falwa, hardi < *hardjan auch blafard (‚fahl‘, ‚bleich‘) < mhd. bleichvar, afrz. baut, baud (‚kühn‘) < *bald , mfrz. isnel (‚rasch‘) < snel , mfrz. frisque (‚frisch‘, ‚lebhaft‘) < frisk , franc (‚ehrlich‘, ‚aufrecht‘) < frank, riche (‚reich‘) < *riki, gauche (‚ungeschickt‘) < gau- chir (‚Umwege machen‘) < frk. *wenkjan (‚wanken‘), terne (‚farblos‘), ternir < tarni, vermutlich aus frk. tarnjan (vgl. ‚tarnen‘), crampe (heute nur noch substantivisch, ‚Krampf‘) < frk. *kramp, morne (‚niedergeschlagen‘) < frk. *mornon, laid (‚hässlich‘) < *laid, sale (‚trüb‘, ‚schmutzig‘) < *salo , sur (‚sauer‘) < s ūr , gai (‚lebhaft‘, ‚fröhlich‘) < ahd. gahi (vgl. ‚jäh‘). Verben adouber (‚zum Ritter schlagen‘) < *douban , bannir (‚verbannen‘) < bannan, bâtir (‚(er)bauen‘) < *bastjan, blêmir (‚erbleichen‘) < *blesmjan (vgl. blass), blesser (‚verwun - den ‘) < *blettjan , ahd. bleizza, broyer, briser (‚zermalmen‘, ‚zerbrechen‘) < *brekan, choi- sir (‚wählen‘) < kausjan (vgl. kiesen), dérober (‚wegnehmen‘, ‚rauben‘) < *raubon, épargner (‚(er)sparen‘) < *sparanjan, épeler (‚buchstabieren‘) < *spëllōn (‚erzählen‘), éblouir (‚blenden‘) < *blandi (‚schwach‘; vgl. blöde), afrz. escremir (‚(mit dem Schwert oder Stock) kämpfen ‘) < *skirmjan (schirmen), afrz. espier , nfrz. épier und espionner (‚(be)lauern‘, ‚nachspionieren‘) < spehōn, étamper (‚prägen‘, ‚pressen‘) < *stampōn (vgl. stampfen, stempeln), fournir (‚liefern‘) < *frummjan, gâcher (‚verderben‘) < waskan (wa- schen), garder (‚aufbewahren‘) < wardōn, galoper < gahlaupan (jäh laufen), gauch(i)er (‚sich abwenden‘) < *wenkjan, glisser (‚gleiten‘) < glîtan, gratter < *kratton (kratzen), gagner (‚gewinnen‘) < *weidanjan (weiden), garer (‚ab/einstellen‘) < warōn (wahren), garnir (‚v ersehen/versorgen mit ‘) < warnjan (‚schützen‘; vgl. Garnison), grigner (mfrz. ‚mit den Zähnen knirschen‘) < *grīnan (greinen), gripper (mfrz. ‚klettern‘, ‚greifen‘ < *gripan, guérir (‚heilen‘, ‚gesunden‘) < *warjan (vgl. wehren), guerpir (mfrz. ‚verlassen, aufgeben ‘; vgl. nfrz. déguerpir (‚weglaufen‘) < *werpjan, guetter (‚(be)lauern‘, ‚bewachen‘) < *wahton (wachen), guider , afrz. guier (‚führen‘) < *witan (weisen), honnir (‚verdammen‘, ‚verurteilen‘) < *haunjan (höhnen), afrz. marrir (‚betrüben‘, ‚verstimm en ‘) < *marrjan, marquer (‚merken‘, ‚markieren‘) < merkan, meurtrir (früher: ‚töten‘; nfrz. ‚verwunden‘) < morÞrjan (morden), nantir (‚durch ein Pfand sicherstellen‘; zu afrz. nant , ‚Pfand‘) < *nāma (‚Preis‘, ‚Beschlagnahme‘; vgl. Besitznahme), rechigner (‚verdrießlich, mürrisch sein ‘) < *kînan (‚den Mund verziehen‘), rôtir (‚braten‘) < raustjan (rösten), saisir (‚ergreifen‘) < *sazjan , souhaiter (‚wünschen‘) < afrz. haitier < *hait (‚Freude‘; vgl. hei- ter), tapir (mfrz.‚verstecken‘, ‚verbergen‘; vgl. nfrz. se tapir , ‚sich verkriechen‘, ‚sich ducken ‘) < *tappjan (‚einschlie ßen ‘), tarir (‚versiegen‘) < *tharjan, tirer (‚ziehen‘) < teiran (vgl. zerren), trépigner (‚mit den Füßen stampfen‘) < afrz. treper (‚treten‘) < ahd. trippōn (vgl. trippeln), trotter (‚traben‘, ‚herumlaufen‘) <* trottōn (vgl. trotten, treten). Verschiedenes aune < elina (Elle), crèche (‚Krippe‘) < kripja, écharde (‚Splitter‘) < *skerda (vgl.

70 Hierzu kritisch Baldinger (1954: 212): „Die Gliederung der Wörter nach Sachgruppen ist unbefrie- digend; was soll loupgarou oder leurre unter den ‚mots abstraits‘ [...]?“ 71 Auch dieses ein „gallo -fränkisches Wanderwort“ (Klare 1998: 46). 28 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850.

Scharte), écran (‚Schirm‘, ‚Schutzwand‘) < scranc, écrou (‚Stück Stoff ‘, ‚Pergament ‘) < skrōt (vgl. ndl. schroode , mnd. u. frühnhdt. schrot, ‚Stück Gewebe‘), châton (‚Fassung eines Edelsteins ‘) < ahd. kasto (Kasten), étal (‚Marktstand‘) < stall, flot (‚Flut‘) < flod, fluot, grappe (‚Traube‘) < *krappa , guère (mfrz. ‚viel‘, ‚sehr‘) < *waigaro , ribaud (mfrz. ‚Mann von fragwürdigem Lebenswandel‘) < rīban (‚brünstig sein‘; vgl. mhd. rībe , ‚Hure‘), tas (‚Haufen‘) < tass , niederl. tas (‚Getreidehaufen‘), touffe, toupet (‚Büschel‘, ‚Strähne‘) < top (Zopf), toupie (‚Kreisel‘) < *top, trompe (‚Horn‘ < trumba.

Wie man sieht, betreffen diese Entlehnungen aus dem germanischen Wortschatz sämtli- che Lebensbereiche jener Zeit, wobei die große Mehrheit der entlehnten Wörter dem tägli- chen Leben angehört, abstrakte Begriffe dagegen selten sind. Die Bereiche Krieg, Acker- bau, Jagd, neue gesellschaftliche Institutionen sind in unserer Auflistung, die dem Leser willkürlich erscheinen mag, am stärksten vertreten; zu demselben Ergebnis sind indessen alle anderen Untersuchungen gekommen. Von den 440 altfranzösischen Wörtern germani- scher Herkunft, die Hopfgarten untersucht hat, gehören 90 zum Kriegswortschatz, 60 be- treffen Wohnen und Kleidung, 65 Tiere, Pflanzen und Handel, 40 die Seefahrt, 72 30 die Verwaltung; der Rest verteilt sich auf andere Lebensbereiche (Hopfgarten 1926: 12f.). Nicht nur Substantive, auch zahlreiche Verben und Adjektive wurden aus dem Germanischen ins Galloromanische übernommen. Substantive wurden vornehmlich ent- lehnt, um neue Gegenstände zu bezeichnen, während Entlehnung von Verben und Adjekti- ven von der Intensität des Sprachkontakts zeugt. 73 Was wir aus der Untersuchung des germanischen Wortschatzes im Galloromanischen über Geschichte und Zivilisation im Allgemeinen lernen können, hat Brunot (1933: I, 129) meisterhaft zusammengefasst: ,Von diesen Wörtern bezeichnen einige in der Tat neue, der römischen Gesellschaft fremde Begriffe; auf sehr viele andere trifft das jedoch nicht zu. Im Gegenteil, der Erfolg der fremden Wörter ist nicht durch die Notwendigkeit zu erklären; entscheidend war vielmehr der Einfluss, über den die siegreichen Germanen dank ihrer Zahl und ihrer Macht verfügten. Noch deutlicher als die nominalen Lehnwörter ist dies an manchen entlehnten Adjektiven und Verben zu erkennen. Gewiss brauchte man die fremde Sprachenicht, um blanc von bleu , riche von pauvre , laid in Bezug auf eine Frau von joli und gauche in Bezug auf einen Mann von adroit zu unterscheiden. Auch ist die Entlehnung dieser Adjektive 74 nicht die Folge einer sprachlichen Überlegenheit der Germanen. Ähnlich wiesen blesser, briser, glisser, choisir, guérir, guider und viele andere Verben keinen besonderen Vorzug gegenü- ber den lateinischen Entsprechungen auf [...]. Statt von Entlehnung aus dem Germa- nischen ins Romanische sollte man vielleicht eher von einem wechselseitigen Prozess der Durchdringung beider Sprachen ausgehen, der sich vermutlich über einen langen Zeitraum erstreckte; entscheidend ist, dass er tiefgreifender und umfas- sender war als andere derartige Prozesse. ‘

72 Es sind dies hauptsächlich Wörter, die nach dieser Zeit von den Normannen entlehnt wurden. 73 Vgl. auch Berschin et al. (1978: 175): „Für einen besonders tiefgehenden Einfluß [des Fränkischen, B.K.] spricht die Tatsache, daß auch Abstrakta vorkommen und daß neben den Substantiven, die bei Wortentlehnungen generell do minieren, auch relativ viele Adjektive und Verben vertreten sind.“ 74 D. h. die jeweils erstgenannten: blanc, riche, laid, gauche. (B.K.) Spuren des Germanischen im Galloromanischen und Altfranzösischen 29

4.4 Phonetische Einflüsse Die Aussprache der germanischen Zuwanderer (es waren mehrere zehntausend), die die Mundart der Einheimischen erlernten, war sicher zunächst geprägt von dem Akzent ihrer Muttersprache. Dies muss im Galloromanischen und in der damals entstehenden französi- schen Sprache Spuren hinterlassen haben, 75 doch ist es 1500 Jahre danach natürlich kaum möglich, das Ausmaß dieses phonetischen Einflusses genau einzuschätzen. 76 Das Vulgärlateinische, das in Gallien gesprochen wurde, kannte das behauchte h des klassischen Lateinischen nicht mehr. Die ersten Transkriptionen des germanischen h zeu- gen von der Unsicherheit der Einheimischen; so wurde hl als cl oder fl transkribiert: Chlo- towigus > afrz. Clovis, Hlodoberht > Flobert . Doch bald setzte sich das germanische Vor- bild durch; in einigen Manuskripten des 9. und 10. Jh. sind die lateinischen vokalisch an- lautenden Wörter fast alle mit h geschrieben. 77 Später blieb das h in germanischen Wörtern wie *haist >hâte, *happia (vgl. nhd. ‚Hippe‘) > hache, *hanka > hanche, *haunjan >honnir, *hestre >hêtre, hosa (‚Stiefel‘, ‚Gamaschen‘) > afrz. huese, helm >heaume, Hainricus >Henri erhalten und drang schließlich auch in rein lateinische Wörter ein. An- ders sind etwa haut (‚hoch‘) < altus (und hōh ) im Unterschied zu autre (‚ander -‘) < alter , hurler (‚schreien‘) < ululare (und hiuwilōn ) nicht zu erklären, ebenso wenig wie hors (‚außer(halb) < foras und hâbler 78 (‚angeben‘) < fabulari . Dieses h war in französischen Mundarten wie Wallonisch und Lothringisch, die dem Germanischen nahe standen und seinem Einfluss besonders stark unterworfen waren, am stärksten verbreitet und erhielt sich dort am längsten Eine ähnliche Entwicklung lässt sich für das germanische w feststellen. Die Galloro- manen in der Mitte des Landes, denen dieser Laut fremd war, machten gv oder g daraus: *wardôn > garder (‚bewahren‘), * waizda > guède (‚(Färber)Waid‘), werra > guerre, *wîsa > guise, *want > gant, waso > gazon usw. Auch die Mundarten im Norden und Nordosten bewahrten diesen Laut, der manchmal sogar an die Stelle des romanischen v trat: Altwallo- nisch wardes statt gardes, tardiwe statt tardive u. ä79 Alle grenznahen Dialekte weisen deutliche Spuren phonetischer Beeinflussung durch das Germanische auf. Nach Auffassung mancher Forscher ist die Herausbildung der französisch-okzitanischen Sprachgrenze in der Galloromania auf die Aussprache des Fränkischen zurückzuführen; 80 auf jeden Fall trug sie

75 Der umgekehrte Einfluss – vom Galloromanischen auf die germanischen Wörter – war natürlich vorherrschend. Germanische Wörter erhielten lateinische Endungen und wurden den phonetischen Ge- setzen des Galloromanischen unterworfen; insbesondere nahmen sie den Wortakzent auf der letzten Silbe an. Schon Diez (1876: 4, 508) weist auf Verschiebungen hin, wie bei krébī z > escrevìsse, felī sa > falíse, hârīng > harénc, âlamān > alemân(d), háribèrga > àlbérge . – Der Anteil der Franken an der Gesamtbevölkerung wird übrigens noch in der neueren Forschung sehr unterschiedlich eingeschätzt (vgl. Berschin et al. 1978: 172). 76 Ganz ähnlich ist bei Berschin et al. (1978: 176) zu lesen: „Daß das Fränkische das Galloromanische auch auf lautlichem Gebiet beeinflußt hat, ist ziemlich gesichert, in welchem Ausmaß, ist allerdings umstritten.“ 77 Man vergleiche dies mit der Unsicherheit frankophoner Deutschlerner, die anfangs Wörter wie hart, Hals, Herz unbehaucht aussprechen ( Art, als ), bei Erz dagegen ein h hinzufügen. 78 Dem TLF zufolge handelt es sich um eine Entlehnung aus dem Spanischen. 79 Meyer-Lübke (1913-1921: 122f.); Vossler (1929: 14); Kluge (1920: 220f.); Nyrop (1914: I, 11). 80 Kritisch zu dieser u. a. von Wartburg vertretenen These siehe jetzt Klare (1998: 41): „diese Sprach - grenze [reicht] prinzipiell in die vorfränkische Periode“ zurück. 30 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850. zur Entstehung mehrerer Dialektgrenzen bei. 81

4.5 Morphosyntaktische Einflüsse 82 Auch einige französische Suffixe stammen aus dem Germanischen: -ard, -aud, -enc : richard (umg. oder abwertend ‚reiche Person‘) vieillard (‚ Alter ‘), badaud (‚Gaffer‘) cham- bellan (‚Kammerherr‘) u. a., ebenso Zweitkonstituenten von Toponymen ( -ing, -ange, -bec, -berg usw.), deren Verwendung zudem von syntaktischem Einfluss zeugt. Das afrz. Präfix for geht wohl zurück auf germ. fir, ver , wie etwa afrz. forceler (‚verstecken‘), vgl. mhd. verheln ), afrz. forconseiller (‚schlecht beraten‘; dies auch die ursprüngliche Bedeutung von ‚verraten‘) und afrz. soi forfaire (‚ein Verbrechen begehen‘; vgl. forfait im Neufrz.; mhd. sich vertuon ) zeigen (Brüch 1926: 44f.). Vermutlich hinterließ die germanische Syntax noch weitere Spuren im Französischen; auch die Neigung zu Alliterationen in französischen Wendungen wie être feu et flamme (‚Feuer und Flamme sein‘), s’en tirer sain et sauf (‚mit heiler Haut davonkommen ‘) ist möglicherweise auf den germanischen Einfluss jener Zeit zurückzuführen.

5 Die normannische Invasion und ihre sprachlichen Folgen 83

5.1 Geschichtlicher Hintergrund Bereits vor dem Einfall der Normannen gab es in der späteren Normandie zwei germani- sche Sprachschichten. Zunächst ließen sich dort spätestens im 4. Jh. Sachsen nieder; nach ihnen kamen die Franken und errichteten Siedlungen bis hin zur Seine-Mündung. Über die fast dreihundert Jahre, die zwischen den spätesten Zeugnissen des Sächsischen (6. Jh.) und den frühesten für das Altnordische (9. Jh.) liegen, ist nichts bekannt. Wie lange der Einfluss des Sächsischen noch anhielt, ist daher schwer zu sagen; dagegen lässt sich aus dem relativ raschen Verschwinden des Altnordischen auf eine galloromanische Zwischenstufe schließen. Wir geben nachstehend einen kurzen Überblick über den Verlauf der normannischen Invasion. 841 standen die Normannen erstmals vor Rouen, 845 und später mehrfach vor Paris; sie kamen immer zahlreicher und in mehreren Schüben. 911 wurde Herzog Rollo mit dem Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte der Besitz des Landes, das nun den Namen der Nordmänner erhielt, von Karl dem Einfältigen endgültig zugesprochen. Die Normannen breiteten sich immer weiter aus; um 950 waren beide Ufer des heutigen Dep. Seine- Maritime von einer weitgehend Altnordisch sprechenden Bevölkerung besiedelt.

5.2 Erhalt und Verschwinden des Normannischen Ein Jahrhundert dauerte es, bis das Normannische sich durchgesetzt hatte, und ebensolange, bis es wieder verschwunden war: Die Eroberer, die 841 in Frankreich gelandet waren,

81 Gamillscheg (1934: I: 290); Wartburg (1934: 50ff.), (1934a: 220f.). 82 Hierzu auch Berschin et al. (1978: 177f.) mit Hinweisen auf neuere Literatur; Schlemmer (1983: 214- 216) mit einer Zusammenfassung der neueren Kritik an der Superstratthese. 83 Die Invasion der Normannen liegt eigentlich außerhalb unseres Untersuchungsgegenstands, hatte jedoch Folgen für die Sprache, die hier berücksichtigt werden müssen. Die normannische Invasion und ihre sprachlichen Folgen 31 hatten normannisch gesprochen; als ihre Nachkommen 1066 das Land verließen, um England zu erobern, sprachen sie bereits romanisch. In der Zwischenzeit bestanden beide Sprachen nebeneinander und rangen um die Vorherrschaft. Möglicherweise trug die Bekeh- rung Rollos und seiner Gefolgsleute zum Christentum zum Sieg des Romanischen über das Normannische bei, indem sie Eheschließungen zwischen Einwanderern und Einheimischen förderte. 84 Schon ab der zweiten Generation begann der Niedergang des Germanischen. Rollos Sohn und Nachfolger, Wilhelm I. gen. Langschwert (gest. 943), musste seinen Sohn Richard zum Erlernen des Altnordischen offenbar nach Bayeux schicken, weil es in Rouen schon nicht mehr ordentlich gesprochen wurde. 85 Richard beherrschte die Sprache seiner Vorfahren durchaus noch, ebenso wie seine Vassallen: „Forment les oissiez daneschier e crier - E encuntre Richard durement estriver “.86 Um 950 war das Normannische offensichtlich geschwächt, jedoch noch keinesfalls verschwunden. Das letzte Zeugnis sei- nes Überlebens, ein Bericht von Benoît de Saint-More, stammt aus dem 12. Jh; demnach war damals an den Küsten, wohl in abgelegenen Orten, noch ‚Dänisch‘ zu hören (Brunot 1933: I, 138).

5.3 Spuren des Normannischen im Französischen In der Zeit von 850 bis 950 drangen etliche altnordische Wörter in das Französische der Normandie ein, einige gelangten sogar von dort aus in das Gemeinfranzösische. Die nor- mannische Mundart hat Nomina wie hogue (‚Anhöhe ‘, ‚Hügel‘) < isl. haugr ), tangue (‚schlammiger Sand‘) < altnord. tang und esnèque (‚Kriegsschiff ‘) < altnord. snekke be- wahrt; ins Französische kamen u. a. bâteau (‚Boot‘), bord (‚Ufer‘), crique ‚Bucht ‘) < norw. hriki , écraser (‚zerdrücken‘, ‚zermalmen‘), vermutlich aus dem Altnord.; vgl. schwed. hrasa ), étrave (‚Bug‘, ‚Vordersteven‘) < stafn, hauban (‚Want‘) < altskand. höfudbendur, hune (‚Mars‘, ‚Mastkorb‘) ; vgl. isl. hunn ), marsouin (‚Meerschwein‘) < marsvin, cingler , sigler (‚in eine bestimmte Richtung segeln ‘) < sigla, tillac (‚obere Schiffsbrücke‘ < thilja ; vgl. ‚Diele‘), turbot (‚Stein)Butt‘) < thornbutr , vague (‚Welle‘, vgl. ‚Woge‘) < vagr ). 87

84 Adémar de Chabannes (1841: 127) berichtet zu Beginn des 11. Jh.: „Normannorum, qui juxta Frantiam inhabitaverant, multitudo fidem Christi suscepit et gentilem linguam omittens, latino sermone assuefacta est “‚ Von den Normannen, die neben Frankreich gewohnt hatten, übernahm der größte Teil den Glauben an Christus, legte die einheimische Sprache ab und gewöhnte sich an die lateinische Sprache. ‘ – Dazu merkt Baldinger (1954: 213) kritisch an: „Die rasche Romanisierung der Normannen hat weniger mit der Bekehrung Rollos als vielmehr mit der Tatsache zu tun, daß die Normannen ohne Frauen kamen und deshalb eine rasche Vermischun g mit der romanischen Bevölkerung stattfand.“ 85 Vgl. die Chronik des Dudon de Saint-Quentin (1858: 221f.): „Quoniam quidem Rotomagensis civitas Romana potius quam Danisca utitur eloquentia, et Bajocacensis fruitur frequentius Danisca lingua quam Romana; volo igitur ad Bajocensia deferatur quantocius moenia et ibi volo ut sit, Botho, sub tua custo- dia [...] fruens loquacitate Danisca, eamque discens tenaci memoria [...].“‚Weil freilich die Bürgerschaft von Rouen lieber die römische als die dänische Sprache benutzt, und die Bürgerschaft von Bayeux häu- figer die dänische als die römische Sprache verwendet; ich will also, dass er [der Sohn] so rasch wie möglich nach der Stadt von Bayeux gebracht wird, und ich will, daß er dort unter Deiner Obhut, Botho, das Dänische verwendet, es mit festem Gedächtnis erlernt ‘. 86 ‚Wenn ihr sie laut hättet Dänisch sprechen und heftig mit Richard streiten hören ‘; Wace (1877: I, 196, V. 4385f.); zit. n. Joret (1913: 26). 87 Wartburg (1934b: 64); Brunot (1933: I, 286f.). Auffallend ist, dass diese Wörter sämtlich mit dem Meer zu tun haben. Die maritime Terminologie des Französischen besteht übrigens fast nur aus Elementen germanischer, normannischer, angelsächsischer und holländischer Herkunft (Baist 1903: 257ff.). – Kri- 32 Einleitung – Die germanische Zeit. Von den Anfängen bis 850.

Dazu kommen eine größere Zahl Personennamen und insbesondere Toponyme, allen voran Normand < nortman und Normandie ;88 als im engeren Sinne normannisch werden Personennamen wie Anquetil, Angot, Burnouf, Chenut, Fouques oder Toqueville angese- hen. 89 Nordischer Herkunft sind die normannischen Toponyme Le Houlme (< holm ), Les Londes, Yquelon (< lund ), Le Torp-Mesnil, Le Torpt (< þorp ), Criqueboeuf, Elboeuf , Mar- boeuf (Dep. Eure, im 11. Jh. Marbuet < buð , ‚Hütte ‘). Hinter den Erstkonstituenten ver- meintlich französisch klingender Toponyme wie Sotteville oder Trouville verbergen sich die rein skandinavischen Namen Soti und Thorolf . Auch die Toponyme auf -fleur < flōi (‚Mündung ‘, ‚Sumpf ‘): Barfleur, Harfleur, Honfleur (1198 Honneflo , 1246 Honneflue ) u. a., auf -tôt < toft (‚Gemäuer ‘): Bouquetot, Tournetot, Criquetot, Yvetot und auf -bec (‚Bach‘): Annebecq, Bolbec, Caudebec sind vermutlich skandinavischer Herkunft; sie könnten aber auch aus dem Fränkischen oder Sächsischen stammen. 90 Diese Frage ist we- gen der engen Verwandtschaft der Sprachen und des Mangels an datierten Belegen kaum zu klären, zumal in diesem Gebiet nacheinander drei Sprachen Einfluss nahmen. Vieles in dieser Einleitung zur Vorgeschichte des Deutschen in Frankreich ist notgedrungen sehr vorsichtig formuliert, und so manche Fragen mussten unbeantwortet bleiben: Wie haben die sprachlichen Beziehungen zwischen Einheimischen und Eroberern eigentlich ausgesehen? Wie hat man sich die wechselseitige Einflussnahme der beiden Sprachen (bzw., wenn man das Keltische mit einbezieht, der drei in Frankreich vertretenen Sprachen) im Einzelnen vorzustellen? Handelt es sich bei den germanischen Wörtern im Französischen um Entlehnungen der Galloromanen aus dem Germanischen oder aber um Wörter, die die romanisierten Germanen aus ihrer früheren Mundart bewahrt hatten? Zu welchem Zeitpunkt, unter welchen Umständen setzte der Prozess der Romanisierung der Germanen und in gewisser Hinsicht auch der Germanisierung der Romanen ein, wann und wie wurde er abgeschlossen? Fragen über Fragen, auf die es keine Antwort gibt, weil die Zeugnisse für diese Zeit unzulänglich oder ungewiss sind. Einiges können wir dennoch als gesichert festhalten: Infolge der Einwirkung einzelner germanischer Sprecher bzw. Sprechergruppen veränderte sich das Galloromanische, indem es zahlreiche Wörter und Namen, auch Laute aus dem Germanischen übernahm. Am Ende setzte sich jedoch das Galloromanische durch, und in ‚Frankreich‘ wurde nun eine romani- sche Sprache gesprochen. Zum Zeitpunkt der Zweiteilung des Reichs war diese Entwicklung, die sich über mehrere Jahrhunderte erstreckte, noch nicht ganz abgeschlos- sen; auch gelang es dem Galloromanischen nicht überall, sich durchzusetzen. Am Ende

tisch hierzu Baldinger (1954: 213): „In der Liste der auf die Normannen zurückgeführten Wörter sind manche zu streichen (so wird bâteau eher auf das altengl. zurückgeführt; écraser ist während des hundert jährigen Krieges aus dem engl. entlehnt usw.).“ In der neueren Forschung äußert man sich übri- gens weniger dezidiert als Baldinger über die Herkunft der beiden Wörter; so heißt es in Picoche (1992: 41; 168), bateau gehe entweder auf das Altenglische oder die entsprechende skandinavische Form zu- rück, und écraser gehe ‚vermutlich‘ auf das Mittelenglische zurück und sei ‚möglicherweise‘ während des Hundertjährigen Krieges entlehnt worden. 88 Wortlisten in Joret (1913: 22ff.); Nyrop (1899: 18f.); vgl. auch Gröhler (1933: 285ff.); Vincent (1937: 158ff.). 89 Zu den Personennamen vgl. auch Adigard des Gautries (1954). 90 Klare (1998: 47) nimmt für die Suffixe –bec und –tôt altnordische Herkunft an. Die normannische Invasion und ihre sprachlichen Folgen 33 verlor das Lateinische weite Teile des Landes an das Germanische, 91 und die Sprachgrenze war nun im Wesentlichen gezogen, wenn auch noch nicht so eindeutig wie in späterer Zeit. Die letzten Jahrhunderte der Sprachgeschichte Galliens werfen noch andere Fragen auf. Drei Sprachen kämpften in Gallien um die Vormachtstellung: Das Gallische als Volksspra- che, das Lateinische als Schriftsprache und das Germanische als die Sprache der Soldaten bzw. der Sieger. Die Römer kamen nach einigen Jahren der kriegerischen Eroberung nach Gallien, in geringer Zahl und nahezu diskret, und setzten ihre Sprache an die Stelle der ein- heimischen. Die Germanen fielen dagegen wiederholt mit Gewalt ein, in großer Zahl, und unterlagen doch (mit Ausnahme der Grenzgebiete) dem Lateinischen, das von außen ein- gedrungen war: Überlegenheit der zivilisierten, methodisch vorgehenden Römer im Ver- gleich mit den barbarischen, schlechter organisierten Germanen?

91 Nach Lot (1935: 128) ergibt sich folgende Bilanz der germanischen Gewinne gegenüber der Romania in Gallien: Rheinland 27.004 km 2, Belgien 14.725, Luxemburg 2.586, Niederlande 9.123, Elsass-Lothrin- gen 12.712, Schweiz 16.409; das sind von den 639.000 km 2 Galliens insgesamt 82.561 km 2, d. h. ein Siebtel. Dieses Verhältnis war in fränkischer Zeit nicht wesentlich anders. – Für Frankreich in den poli- tischen Grenzen und mit der demographischen Lage von heute wird hier vorsichtiger angenommen, dass das Land infolge der Ereignisse vor 1500 Jahren fast zwei Millionen frankophone Bewohner eingebüßt hat (hierzu auch Lévy 1934b).

Kapitel I: 850-1100

Für die Geschichte des Deutschen in Frankreich ist die Mitte des 9. Jh. aus zwei Gründen ein wichtiger Einschnitt: Im Westen wird der germanische Lehnwortschatz des Französi- schen durch die Normannen noch ein letztes Mal nicht unerheblich bereichert, und im Osten wird das Deutsche, nunmehr eine ausgebildete Sprache, den Folgen der politischen Teilung unterworfen. Für die weitere sprachliche Entwicklung waren die Verträge von Verdun (843) und Meersen (870) von entscheidender Bedeutung. Die Trennung der über- wiegend germanischen bzw. romanischen Landesteile und die Auflösung der meisten ge- schlossenen Siedlungen Deutschsprachiger in dem Land, das ab dieser Zeit ‚Frankreich‘ hieß, trug zur Konsolidierung der beiden Sprachgebiete und zum Verschwinden der letzten anderssprachigen Sprachinseln bei.

1 Trennung der romanischen und germanischen Sprachgebiete

Die 300 Räte, die nach Verdun berufen worden waren, um die Teilung des karolingischen Reiches zu beschließen, hatten gewiss nicht die Absicht, französisch- und deutschsprachige Staaten zu schaffen; eben so wenig ging es 27 Jahre später in Meersen um nationale Be- lange. Dennoch verlief die neue Staatsgrenze nahezu vollständig wie die damalige Sprach- grenze, und von einer kurzen Unterbrechung abgesehen gab es danach zwei Staaten und zwei Sprachgebiete. Beide Sprachgebiete wurden nun rasch konsolidiert; so war das Germanische im französischen Lothringen schon vor 1000 völlig verschwunden. Ortschaften wie Amelange, Hurbache, Relange oder Marbache waren von Germanen bewohnt; schon in den ältesten Zeugnisse für den Ort Marbache, der offensichtlich einen deutschen Namen trägt, fehlt jedoch jede Spur von deutscher Sprache. Der Sachse Pibo musste nach seiner Ernennung zum Bischof von Toul (1070) als erstes die Landessprache lernen, denn die gesamte Diö- zese war frankophon. Auch in Metz und Umgebung setzte sich das Französische um diese Zeit durch.1 In diesem zuvor gemischten Sprachgebiet verlief nun eine Grenzlinie zwischen dem Deutschen und dem Französischen, deren genauer Verlauf für das 10. Jh. in sorgfältigen Einzelstudien ermittelt werden konnte.2 Erheblich verändert wurde die Grenzlinie nur in der Nähe des Ärmelkanals, hauptsächlich in Nordfrankreich. Nördlich der Linie Boulogne - Armentières wurde dort noch am Ende jener Zeit überall Flämisch gesprochen. Außerhalb der Städte war Flämisch vermutlich lange Zeit auch in der Gegend von Abbeville und

1 Im Einzelnen ist dies nachgewiesen in Lévy (1929: I, 128, 131, 140f.). – Zu den germanisch-fränki- schen Sprach- und Siedlungsinseln in der Gegend um Metz jetzt auch Haubrichs (2003: 300f.). 2 Zur Sprachgrenze vom Atlantik bis Luxemburg vgl. Kurth (1895-1898); zu Elsass-Lothringen siehe Witte (1891) und die Zusammenfassung seiner Ergebnisse in Lévy (1929: I, 108ff., 125ff.). Petri (1942: 941ff.) versucht nachzuweisen, dass die Sprachgrenze fast überall „ein Resultat nachträglichen Kultur- ausgleichs und eine Rückzugslinie des Germanischen“ ist. – Haubrichs (2003: 297) verweist zum Ver- lauf der Sprachgrenze in Elsass-Lothringen übrigens auch auf Lévy (1929: I, 191ff.). 36 Kapitel I: 850-1100

Amiens vorherrschend, so dass das eigentliche ‚Frankreich‘ im sprachlichen Sinne damals erst südlich der Somme anfing. Die deutsche Sprache drang in das heutige französische Sprachgebiet in Lothringen ein, auf einem ziemlich schmalen Streifen entlang der Mosel und vor allem in dem recht ausge- dehnten Dreieck zwischen Château-Salins, Albestroff und dem Donon-Massiv; dagegen war sie im Gebiet der Vogesen auch damals nicht stärker vertreten als in späterer Zeit. Die Veränderung der Sprachbezeichnung kann als indirekter Hinweis auf die Bereinigung und Vereinigung des romanischen Sprachgebiets, die Entstehung und Festlegung der Grenzen zum Germanischen gesehen werden; ab ca. 850 wird das Romanische allgemein als lingua francisca bezeichnet, wie zuvor die Sprache der Franken. Dass die Zeitgenossen ihre romanische Sprache lingua francisca nennen konnten, ohne dass dies zu Missverständnissen führte, zeigt deutlich, dass es die lingua theodisca der Franken Frankreichs nicht mehr gab. Zu der Bezeichnung Francia, die zuvor unterschiedslos für die deutschen und die romanischen Gebiete verwendet wurde, tritt nun gelegentlich das Adjektiv theutonica. Francia theutonica bezeichnete nicht etwa das Königreich Ludwigs des Deutschen, sondern jenen Teil von Lothars Reich, in dem die deutsche Sprache weiter gebräuchlich war (Lévy 1929: I, 130f.). Dagegen war das Fränkische aus der im Wesentlichen frankophonen Francia „francicsca“ verschwunden.

2 Verschwinden des Deutschen

Die karolingische Renaissance verzögerte diese Entwicklung, hielt sie jedoch nicht auf. Kaum hundert Jahre nach dem Tod Karls des Großen gab es bereits keine bedeutenderen Spuren des Germanischen mehr. In der Chronik eines unbekannten Verfassers für das Jahr 888 wird zwischen latinos Francos und teutones Francos unterschieden (Bouquet 1814: 231). Bei dem Treffen Karls des Einfältigen mit Heinrich dem Vogler in Worms etwa dreißig Jahre später sprachen die Gefolgsleute des Königs von Frankreich, die sicher zum großen Teil direkte Nachfahren der alten fränkischen Krieger waren, nur noch Französisch; am Ende gerieten sie mit den anderen in Streit, weil sie ihre Sprache nicht verstanden (Richer 1839: 575). Am genauesten ist die Romanisierung der Westfranken Mitte des 10. Jh. bei Liutprand von Cremona bezeugt: Videtur mihi Francos qui in Galliis morantur a Romanis linguam eorum qua usque hodie utuntur accommodasse: nam alii qui circa Rhenum ac in Germania remanserunt teutonica lingua utuntur.3 Immer häufiger werden in dieser Zeit die Belege dafür, dass die führenden Männer Frank- reichs das Germanische kaum noch beherrschten. Wie in der Chronik des Hl. Martin von Tours berichtet wird, konnte ein germanisches Wort schon zu Beginn des 10. Jh. Erstaunen

3 ‚Es scheint mir, dass die Franken, die in Gallien wohnen, von den Römern deren Sprache, die sie bis heute verwenden, sich angeeignet haben. Denn andere, die in der Rheingegend und in Germanien zurückgeblieben sind, verwenden die deutsche Sprache‘; Liutprand von Cremona (1915: IV. Buch, Kap. 22).

Kenntnisse der Sprache 37 und Spott am Hof auslösen. Als Rollo, dem Karl der Einfältige das Fürstentum Normandie überlassen hatte, 912 vor den König trat und By got sagte, brachen der König und seine Leute in Gelächter aus: Hic Carolus dedit Normanniam Rolloni cum filia sua Gisla. Hic non est dignatus pedem Caroli osculari, nisi ad os suum levaret. Cumque sui comites illum ammonerent ut pedem Regis in acceptionem tanti muneris oscularetur, lingua Anglica respondit „Ne se bi Goth“, quod interpretatur „Non par Deum“. Rex vero et sui illum deridentes et sermonem ejus corrupte referentes, illum vocaverunt Bigoth: unde Normanni adhuc Bigothi dicuntur.4 Der Bericht ist allerdings fragwürdig, weil die letzten Karolinger (etwa Ludwig IV. der Überseeische) vermutlich sehr wohl noch Fränkisch konnten (Lot 1891: 308ff.). Dies än- derte sich erst durch den Dynastiewechsel endgültig; der erste Kapetinger war offenbar auch der erste König Frankreichs ohne Kenntnisse des Germanischen. Darüber berichtet Richer in seiner Chronik: Dux [Hugo] etiam solus cum solo episcopo [Arnulfo] introduceretur, ut rege [Ottone] latiariter loquente, episcopus latinitatis interpres, duci quidquid diceretur indicaret.5 Der deutsche Kaiser Otto konnte also kein Romanisch, sondern sprach Lateinisch; Hugo Capet beherrschte die lateinische Sprache offenbar nicht, so dass Bischof Arnulf dolmetschen musste. Einen Dolmetscher hätte Hugo Capet nicht gebraucht, wenn er in der Lage gewesen wäre, mit Otto Germanisch zu sprechen.6 So wissen wir zwar einiges über die Sprachkenntnisse der Großen jener Zeit, doch leider nur sehr wenig über die des Vol- kes. Aus der Tatsache, dass selbst die Fürsten, die erheblich bessere Bildungsmöglichkeiten hatten, das Germanische nicht mehr beherrschten, lässt sich jedoch wohl schließen, dass dies bei ihren Untergebenen schon seit langem der Fall war.

3 Kenntnisse der Sprache

Dass das Germanische im Westfrankenreich nicht mehr gesprochen wurde, bedeutet nicht, dass es als die Sprache der Vorfahren und der Nachbarn dort völlig unbekannt war. Zudem

4 ‚Karl gab nun die Normandie an Rollo zusammen mit seiner Tochter Gisla. Dieser geruhte nicht, den Fuß Karls zu küssen, wenn er diesen nicht zu seinem Mund hob. Und als seine Begleiter ihn ermahnten, dass er den Fuß des Königs als Zeichen der Annahme eines so großen Geschenks küssen solle, da antwortete er in englischer Sprache: 'Ne se bi Goth', was bedeutet 'Nein, bei Gott'. Der König aber und die Seinen, die jenen auslachten und seine Sprache als verderbt bezeichneten, nannten ihn 'Bigoth'. Da- her werden die Normannen bis heute 'Bigothen' genannt.‘; Ex Brevi Chronico S. Martini Turonensis, ad annum 912; zit. n. Bouquet (1814: 316). 5 ‚Der Fürst (Hugo) wurde auch allein mit dem Bischof (Arnulf), der ebenfalls allein war, hereingeführt, damit, da der König (Otto) Lateinisch sprach, der Bischof, als Dolmetscher des Lateinischen, dem Fürsten erkläre, was jeweils gesagt werde‘; Richer (1839: 625). 6 Lévy beruft sich hier auf Brunot (1933: I, 58). – Kritisch hierzu Berschin et al. (1978: 172): „Dem könnte man entgegenhalten, daß der Kaiser das Latein auch aus Prestigegründen als Verhandlungs- sprache gewählt haben könnte.“ 38 Kapitel I: 850-1100 erkannte man rasch seinen praktischen Nutzen als Fremdsprache; insbesondere galten Kenntnisse des Deutschen als sinnvolle Vorbereitung auf hohe Kirchenämter, da die Diözesen häufig über die Sprachgrenze hinausreichten. Bei Konzilen wurde daher wieder- holt die Empfehlung ausgesprochen, die Volkssprachen zu verwenden; so wurde den Bi- schöfen beim Konzil von Tours (813) auferlegt, „ut easdem homilias quisque transferre studeat in rusticam Romanam linguam aut Theodiscam “.7 Auch andere Konzile und Kapitularien schrieben vor, „secundum proprietatem linguae praedicare“.8 Zwischen den beiden Frankenreichen bestanden auch Beziehungen, wie etwa der sehr aufschlussreiche Briefwechsel von Servat Loup (Lupus) zeigt. Als Abt von Ferrières (Gâti- nais) gehörte Lupus, der einer vornehmen Familie aus Mittelfrankreich und Romanisch sprach, zu den bedeutendsten Klerikern des Königsreichs. Sein mehrjähriger Aufenthalt in Fulda (829-836) diente vermutlich nicht vorrangig dem Spracherwerb, wie aus einem Brief an Immon aus dem Jahr 836 hervorgeht: Itaque simpliciter vobis aperio principem operam me illic destinasse lectioni et ad oblivionis remedium et eruditionis augmentum, libros pauculos paravisse, nec ger- manicea linguae captum amore, ut ineptissime quidam jactarunt, sarcinam subisse tanti tamque diutu mi laboris. 9 Die Motive seiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Germanischen bleiben hier im Dun- keln; 10 andererseits ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Mann wie Lupus sieben Jahre seines Lebens in Deutschland verbrachte, ohne die Sprache zu erlernen. 11 Zudem war er selbst der Meinung, die Beherrschung der Sprache sei wichtig, und er handelte auch entsprechend, wie aus seinem Brief an Marquart, den Abt von Prüm (Eifel), hervorgeht: „linguae vestrae [...] cuius usum hoc tempore pernecessarium nemo nisi nimis tardus ignorat “.12 In diesem Sinne beschloss Lupus, seinen Neffen zusammen mit zwei anderen jungen Leuten aus seinem Kloster zum Deutschlernen in die Abtei von Prüm zu schicken, und ersuchte Marquart im Juli 844 um ihre Aufnahme:

7 So lautet der Artikel 17; ‚dass ein jeder zusehe, die selben Predigten in die romanische oder deutsche Volkssprache zu übertragen. ‘ 8 ‚gemäß der Eigentümlichkeit der Sprache zu predigen ‘. 9 ‚Ich erkläre Ihnen freimütig‘‚ dass ich mich dort hauptsächlich der Lektüre gewidmet und mir dort einige Bücher beschafft habe, um mein Gedächtnis aufzufrischen und meine Gelehrsamkeit zu ver- mehren. Es ging mir nicht darum, wie einige dummerweise berichtet haben, mir die große und lang- wierige Mühe aufzuerlegen, die germanische Sprache aus Liebe zu ihr zu erlernen ‘; Brief Nr. 41 in Desdevises du Dézert Hg. (1888); frz. Übersetzung von L. Levillain in Halphen Hg. (1923ff.: X, 59). 10 Vielleicht ein frühes Zeugnis der Herabsetzung und Abwertung des Deutschen, die später in Frankreich so verbreitet war. – Schon Kaiser Flavius Julianus hatte den Gesang der Germanen mit dem Krächzen der Raben verglichen: „Ich erlebte ja auch, wie die Barbaren jenseits des Rheins ihre wilden Lieder sangen in einem Stil, der dem Krächzen von heiser kreischenden Vögeln glich, und doch daran sich er- freuten“ (Misopogon , Kap. I; zit. n. der dt. Übersetzung in Friedhelm L. Müller, Die beiden Satiren des Kaisers Julianus Apostata , Stuttgart: Franz Steiner, 1998: 123). Nach Lenient (1893: 5) ‚machten die besiegten Galloromanen sich lustig über diese großen brutalen und ungebildeten Kinder aus dem Nor- den [...], die laut missklingende Lieder singen ‘. 11 Vermutlich konnte er bereits etwas Deutsch, zumal sein Vater aus Bayern stammte. (B.K.) 12 ‚eurer Sprache [...], deren Gebrauch in dieser Zeit nur der Allerdümmste für weniger als dringend notwendig hält ‘; Schreiben vom September 847; Nr. 70 in Desdevises Hg. (1888: 136). Kenntnisse der Sprache 39

Filium Guagonis, nepotem meum vestrumque propinquum, et cum eo duos alios puerulos nobiles et quandoque, si Deus vult, nostro monasterio suo servitio profutu- ros, propter Germanicae linguae nanciscendam scientiam vestrae sanctitati mittere cupio, qui tres duobus tantummodo paedagogis contenti sunt. Quod utrum dignemini praestare, ut primum se facultas obtulerit, ne gravemini aperire. 13 Marquart entsprach der Bitte, wie aus dem Briefwechsel eindeutig hervorgeht; die jungen Leute verbrachten tatsächlich etwa drei Jahre in Prüm 14 und erlernten dort die Sprache, was Lupus in seinem Schreiben vom September 847 ausdrücklich erwähnt ( „linguae vestrae pueros fecistis participes “). 15 Der Briefwechsel zeigt weiter, dass Loup Servats Familie Romanisch sprach, wie vermutlich alle Familien seines Standes, ganz sicher die niedrigeren Stände und Angehörige von Klöstern wie Ferrières, und auch, dass man den Nutzen von Deutschkenntnissen in diesen Kreisen und im Klerus durchaus erkannte. Es ist anzuneh- men, dass es sehr viel mehr junge Franzosen gab, die sich damals im deutschsprachigen Raum aufhielten, als in den wenigen unzulänglichen Quellen belegt ist. Immerhin ist be- kannt, dass die französischen Orden von Cluny, Cîteaux und Prémontré zahlreiche Nieder- lassungen jenseits der Vogesen und des Rheins hatten, die einen ständigen Austausch mit dem Hauptsitz pflegten. 16 Auch dass Bernard de Clairvaux sich einige Zeit in Straßburg aufhielt, ist belegt. Eheschließungen deutscher Herrscher mit französischen Prinzessinnen waren ein weite- rer Anlass für Reisen nach Deutschland: Otto I. (reg. 936-973) ehelichte Adélaïde de Bourgogne, Konrad II. (reg. 1024-1039) Gisèle de Bourgogne, Heinrich III. (reg. 1039- 1056) Agnès de Poitiers, Heinrich IV. (1050-1106) Berthe de Turin. Diese Prinzessinnen kamen stets in Begleitung ihres Gefolges nach Deutschland; einige kehrten nach unterschiedlich langem Aufenthalt später nach Frankreich zurück. Deutsche Fürsten begannen bereits gegen Ende jener Zeit damit, Franzosen, vor allem Dichter, an ihren Hof zu holen, um die Jugend feine Manieren zu lehren; dies war ein weiterer Anlass für Sprachkontakte. Die Austauschbewegungen in umgekehrter Richtung waren für das Eindringen des Deutschen in Frankreich nicht minder wichtig. Bereits im 11. Jh. setzte der Zustrom von jungen deutschen Adligen und Klerikern ein, die vom Prunk der ritterlichen Kultur oder dem beginnenden Ruhm der Schulen, nicht nur der in Paris, angezogen waren. Schon früh besuchten junge Elsässer Schulen in Toul und Luxueil. Brunon (1002 geb.), der spätere Papst Leo IX. (1049-1054), wurde von seinen Eltern nach Toul geschickt. Manche franzö- sische Herrscher ehelichten deutsche Prinzessinnen, die mit ihrem zahlreichen Gefolge nach Frankreich kamen. So schloss Gerberge, die Schwester Ottos I., die Ehe mit Ludwig IV. dem Überseeischen (reg. 936-954), Hedwige, eine andere Schwester von Otto I., wurde

13 ‚Ich wünsche Ihrer Heiligkeit Gagons Sohn, meinen Neffen und Ihren Verwandten, und mit ihm zwei andere junge Adlige zu senden, damit sie die deutsche Sprache erlernen; sie sollen eines Tages, so Gott will, unserem Kloster [Ferrières] nützliche Dienste erweisen. Zwei Lehrer dürften für die drei Schüler genügen. Lassen Sie uns doch bitte baldmöglichst wissen, ob Sie uns diesen Dienst zu erweisen ge- ruhen ‘; Brief Nr. 91 in Desdevises Hg. (1888: 98). 14 Vgl. die Briefe von Ende Dezember 846 bzw. März 847 in Halphen Hg. (1923ff.: X, 227f., 243). 15 ‚Ihr habt die Jungen an eurer Sprache teilhaben lassen‘. 16 Lévy (1929: I, 149); weiter Reynaud (1915: 182f., 485f.) mit einer Liste dieser Zweigstellen. 40 Kapitel I: 850-1100 mit dem Frankenkönig Hugo vermählt. Emma, die Tochter von Otto und Adélaïde, wurde als Gemahlin Lothars (954-986) Königin Frankreichs; Heinrich I. von Frankreich (1031- 1060) nahm Mathilde, die Nichte Heinrichs III. von Deutschland, zur Frau (Reynaud 1915: 79; Zimmermann 1910: 84). Inwieweit diese Heiraten zur Verbreitung des Deutschen in Frankreich beitrugen, ist schwer zu sagen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Geschichte von König Ludwig IV. Er wuchs in England auf und konnte bei seiner Hei- rat mit Gerberge (939) vielleicht schon Deutsch; einige Jahre später hat er die Sprache sicher beherrscht. Wie Flodoard von Reims berichtet, mussten die Briefe von Papst Agapit über die Auseinandersetzung zwischen Arnulf, dem Erzbischof von Reims, und seinem Widersacher Hugo für Ludwig IV. und seinen Schwager Otto I. beim Ingelheimer Konzil (948) nach ihrer Verlesung noch ins Deutsche übersetzt werden: „Post quarum litterarum recitationem et earum propter reges juxta teotiscam linguam interpretationem [...]“.17

4 Neue deutsche Wörter

Abgesehen von den normannischen Elementen im Seewortschatz wurde nicht mehr in größerem Umfang entlehnt. Deutsche Wörter konnten spätestens ab dem 10. Jh. nur noch vereinzelt eindringen, über Deutschsprachige, die nach Frankreich kamen,18 Franzosen, die sich im deutschsprachigen Raum aufgehalten hatten, oder auch durch Sprachkontakt an der Grenze. Vermutlich gab es in dieser Zeit weniger neue Entlehnungen als deutsche Wörter, die aus der Sprache verschwanden. Im Laufe der Jahrhunderte verloren die Institutionen, Gesetze, Sitten und Bräuche usw., die nach dem ersten Einfall der Germanen eingeführt worden waren, ihren ursprünglichen Charakter, vielfach auch ihre ursprüngliche Bezeich- nung. Beispiele von Wörtern, die schon früh verschwanden, sind arban (‚Einberufung des gesamten Heerbanns‘) < frk. *hariban,19 chane (‚Krug‘, ‚Kanne‘) < canna, gante < gans (an dessen Stelle oie trat). Die meisten endgültig entlehnten Wörter tauchen dagegen erst ab etwa dem 12. Jh. in schriftlichen Belegen auf. Wenn man ausschließlich literarische Zeugnisse berücksichtigt, so könnte man zu dem Fehlschluss kommen, der größte Teil der germanischen Entlehnun- gen sei auf diese Zeit zu datieren; so geläufige Wörter wie banc, blanc, alêne, héberger, éperon, garder, guerre, écharpe, échine, fauteuil, garant und laid sind erst ab dem 12. Jh. schriftlich überliefert.20 Nur in einigen Fällen lässt sich zufällig und indirekt nachweisen, dass sie schon lange vorher in Gebrauch waren. So könnte man aus den schriftlichen Zeug- nissen schließen, dass frz. ban erst im 12. Jh. aus dem oberdt. ban entlehnt wurde; anderer- seits ist bekannt, dass es das Wort im Vulgärlateinischen bereits seit dem 8. Jh. gab (ban- num). Ähnlich erscheint alleu < alôd erst im 12. Jh. in der frühesten frz. Form alue, die

17 ‚Nachdem diese Briefe verlesen und, für die Könige, sogleich ins Deutsche übersetzt worden waren, […]‘; Flodoard (1839: 398). Vgl. auch Lot (1891: 309). 18 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass selbst im Hochmittelalter häufig deutsche Truppen in Frankreich standen. Im Jahre 1032 verwüsteten sie etwa die Gegend von Toul und auch die Champagne (Leroux 1882: 25). 19 Dagegen Baldinger (1954: 213): das Wort „scheidet nicht vor 1100 aus der Sprache aus, es wird viel- mehr volksetymologisch zu arrière-ban umgeformt“. So auch Picoche (1992: 38) s.v. ban. 20 Ausführlicher zur Herkunft der genannten Wörter siehe Einleitung, 4.3. Neue deutsche Wörter 41 ebenso latinisiert ist wie die mindestens fünfhundert Jahre älteren alodis und allodium .21 Abschließend kann festgehalten werden, dass vermutlich auch in der Zeit vom 9. bis 11. Jh. entlehnt wurde; abgesehen von den altnordischen Entlehnungen lassen sich jedoch häu- fig keine genaueren Angaben zu den germanischen Wörtern in den frühesten schriftlichen Zeugnissen machen, die erst in dieser Zeit ins Französische gelangten.

21 Vgl. Einleitung, 4.3 und ausführlicher zur Wortgeschichte Littré s.v. ban und alleu.

Kapitel II: 1100-1500

In diesem Zeitraum war das Interesse am Deutschen in Frankreich gering. Leider gibt es nur wenige direkte Belege, und die indirekten Hinweise sind nicht immer eindeutig zu interpretieren. Jedenfalls riss die Verbindung zu Deutschland damals nicht ganz ab, die deutsche Sprache war in Frankreich weiter präsent und Deutschsprachige hinterließen dauerhafte Spuren im Französischen, vor allem in den Grenzgebieten, wo deutsche Mun- darten zum Teil stärker vertreten waren als heute.

1 Die Deutschen in Frankreich

Wie aus unterschiedlichen Quellen, in erster Linie aus mittelalterlichen Heldenepen und Romanen, hervorgeht, kamen häufig Deutsche nach Frankreich und waren zeitweilig am Königshof sehr zahlreich vertreten. Im 12. Jh. waren dort außer den Lothringern „li Alle - mans Oris de Coulogne, / De Sallebruge ses frères Jocelins, / Et Avalois et cil d’outre le Rhin, / Des monts d’Aussai [Alsace] i vint il quens vhierris,“1 in Paris waren „ Alemant et Baivier, / Et Normant et Anglois et Breton et Poihier; / Onques mais tel empires, ce vos puis aficier, / Ne fu mais à Paris logies sor le gravier “.2 Viele Deutsche waren wohl nur auf der Durchreise oder blieben, wie vermutlich in der Regel deutsche Adlige, die zur Erler- nung der feinen Sitten nach Frankreich kamen, Studenten, Soldaten und Pilger, zu kurze Zeit in Frankreich, um dauerhafte Spuren in der Sprache zu hinterlassen. Kaufleute, Berg- leute und natürlich die Frauen, die Franzosen geheiratet hatten, blieben dagegen auf Dauer in Frankreich.

1.1 Adlige Seit französische und deutsche Ritter bei den Kreuzzügen miteinander in Kontakt gekom- men waren, wurden die Söhne des deutschen Adels gewöhnlich zur weiteren Ausbildung nach Frankreich geschickt. Um 1163 wandte sich etwa Landgraf Ludwig II. von Thüringen (1140-72) in einem Schreiben an König Ludwig VII. und legte ihm seine beiden Söhne, die späteren Landgrafen Ludwig III. (1172-90) und Hermann I. (1190-1217), ans Herz: Filios enim meos, omnes literas discere proposui, ut qui majoris ingenii, necnon majoris inter eos notaretur discretionis, in studio perseveraret. Ex his vero duos ad praesens nobilitati vestrae mittere proposui, ut vestro juvamine, necnon vestra

1 ‚den Deutschen Ori aus Köln, /seinen Bruder Jocelin de Sallebruge/ und die Leute aus Avaux und von jenseits des Rheins, / und Graf Thierry d’Alsace‘. Li Romans de Garin le Loherain , Hg. Paulin Paris, Paris: Techener, 1833-1835, 2 Bde. [Nachdr. Genf: Slatkine, 1969]; von Lévy ohne Seitenangabe zit. n. Zimmermann (1910: 11). 2 ‚Deutsche, Bayern,/ und Normannen und Engländer und Bretonen und Leute aus Poitiers; / nie mehr, das kann ich euch versichern,/ waren so zahlreiche Menschen in Paris auf der Straße zu sehen‘. Renaud de Montauban , Hg. Henri Michelant, Stuttgart (1862: 46) [Nachdr. Amsterdam: Rodopi, 1966]; zit. n. Zimmermann (1910: 11). Weitere Zeugnisse ebd., 26; siehe auch Remppis (1911: 8 u. ö.). 44 Kapitel II: 1100-1500

defensione, Parisius stabilius possent locari: ita tamen ut, salva pace vestra, pro dis- cordia quae est inter vos et Imperatorem, hoc secure peragere possim. 3 Zur gleichen Zeit wandte sich auch Heinrich der Löwe, Fürst von Bayern und Sachsen, an den König: [...] excellentiae vestrae ingentes gratiarum actiones referimus, quoniam fidelissimi nostri filium, quem per praesentem portitorem literarum dilectae majestati vestrae transmisimus, uti decuit virtutem vestram, et clementer accepistis, et clementius hactenus tenuistis. Unde, ut verum fatear, perennem in corde meo pepigistis mansionem. 4 Ein deutscher Page, „uns Alemans de l’aage de dix -huit an, que on disoit que il avoit esté i fiz sainte Helizabeth de Thuringe “, diente jahrzehntelang der Königinmutter Blanche. 5 Die Verbindung zwischen den Königshäusern von Valois und Luxemburg war gegen Ende des 13. und im 14. Jh. besonders eng. Der spätere Kaiser Heinrich VII. (1276 geb.), sein Bruder Balduin und Johann von Luxemburg (1296 geb.) erhielten ihre Erziehung am Pariser Hof; Johanns Sohn, der spätere Karl IV., lebte von 1322 bis 1330 am Hof seines Onkels, wie er in seiner Vita berichtet: „Misitque me [...] meus pater jam dictus ad dictum regem Franciae [Karolum IV, d. h. Karl der Schöne] me existente in septime anno pueritiae meae “.6 Mark- graf Friedrich von Baden hielt sich 1473 in Begleitung von Reuchlin in Paris auf (Budinszky 1876: 231); auch unter den Studenten waren zahlreiche Adlige. 7

1.2 Prinzessinnen Es wurden auch in diesem Zeitraum Ehen zwischen französischen Herrschern und deutschen Prinzessinnen geschlossen; so heiratete 1180 Philipp II. August (reg. 1180-1223) Isabella, die Tochter des Herzogs Karl von Niederlothringen; 1322 schloss Karl IV. (reg. 1322-1328) die Ehe mit Maria von Luxemburg, der Tochter des verstorbenen Königs Hein- rich VII.; 1385 heiratete Karl VI. (1380-1422) Elisabeth, die Tochter Stephans II. von

3 ‚Ich habe nämlich beschlossen, dass alle meine Söhne Sprachen erlernen sollen, damit der, der unter ihnen ein größeres Talent und auch ein größeres Urteilsvermögen erkennen lässt, die Studien beharrlich fortsetzt. Für zwei von ihnen habe ich jetzt beschlossen, sie zu Eurer Majestät zu schicken, damit sie mit Eurer Hilfe und auch Eurem Schutz sich in Paris sicherer aufhalten können: so jedoch, dass ich, sofern Euer Frieden ungefährdet ist, dies trotz der Unstimmigkeiten zwischen Euch und dem Kaiser in Sicher- heit durchführen kann‘; Bouquet (1814: XVI, 142). 4 ‚[...] wir statten Eurer Exzellenz den allergrößten Dank ab, da ihr unseren, Eures treuesten Dieners Sohn, den wir durch den anwesenden Boten Eurer erhabenen Majestät übersandt haben, so wie es Euren Verdiensten angemessen war, gütig aufgenommen und noch gütiger bis heute bei Euch behalten habt. Dadurch habt Ihr, um die Wahrheit zu bekennen, Euch in meinem Herzen eine bleibende Wohnstatt er- richtet ‘; Bouquet (1814: XVI, 42). 5 ‚ein achtzehnjähriger Deutscher, wie es hieß, der Sohn der Hl. Elisabeth von Thüringen‘; zit. n. de Wailly (1865: 35). 6 ‚Und mich schickte mein bereits genannter Vater zu dem ebenfalls schon genannten König von Frank- reich, als ich im siebten Jahr meiner Kindheit war‘; Vita Karoli quartii imperatoris ab ipso Karlo conscripta ; Böhmer (1843: I, 233f.). 7 Vgl. unten, 1.5. – Zu erwähnen ist hier noch, dass auch die meisten Befehlshaber der französischen Niederlassungen des Deutschen Ritterordens Deutsche waren (Mathorez 1921: 3).

Die Deutschen in Frankreich 45

Bayern-Ingolstadt, die berüchtigte Isabeau (Isabella von Bayern). Von den Prinzen mit königlichem Blut sei hier nur Herzog Charles von Orléans genannt; er schloss 1440 in Blois die Ehe mit der dreißig Jahre jüngeren Maria von Kleve. Die deutschen Prinzessinnen kamen in Begleitung von Deutschsprachigen aller Stände; sie brachten sämtlich Vertraute für ihren engsten Kreis mit und ließen weitere Deutsche aus ihrem Freundes- oder Verwandtenkreis nachkommen (Adlige, auch einfache Diener), so- bald ihr Einfluss im Königreich gesichert schien. Isabella von Bayern holte auf diese Weise zahlreiche Landsleute an den Hof und ließ deutsche Künstler und Goldschmiede für sich arbeiten; ihre Hofdamen waren Deutsche, und ihr königlicher Gatte beschäftigte deutsche Stallmeister und Reiter (Mathorez 1919: 123; 1921: 4). Selbst am Hof eines Herzogs der Bretagne gab es eine deutsche Gesellschafterin.

1.3 Höflinge, Beamte usw. Deutsche, die für Karl IV. und Philipp VI. tätig waren, sind in den Rechnungsbüchern wie- derholt namentlich erwähnt, etwa Conrad, der Laufdiener bei Karl IV. war, und Erard als Berater und Schatzmeister. Zur selben Zeit war Peter als Schreiber am Untersuchungsge- richt beschäftigt. Auch aus den Erlassen Karls V. geht hervor, dass es Deutsche in solchen Stellungen gab. Ein Jahrhundert später waren Hauffe, Huifforly, Willem, Widerstein und Waller „aus deutschen Landen“ für Ludwig XI. tätig. Deutsche Beamte und Angestellte gab es nicht nur am Pariser Hof, sondern in allen Bereichen der Verwaltung und im Dienst einiger Großbürger. Als Karl II. (1332-1387) Teile der Normandie besetzte, standen der Deutsche Coppequin und „Jehan d’Almaigne“ (er war Kaufmann in Caen) in seinen Diensten. In den Büchern der Herzöge von Burgund sind einige deutsche Maler, Buchmaler und Falkner namentlich erwähnt. Um 1348 gehörte der aus Würzburg stammende Arzt Albert zum Gefolge von Clemens VI., der 1342-1352 Papst in Avignon war. Um 1357 standen zwei Deutsche im Dienst des Bischofs von Paris, Philippe de Vitri. Bereits im frühen 15. Jh. dienten einige Deutsche in Bürgerhäusern in Bordeaux. Auch am Hof von König René (1409-1480) waren mehrere Deutsche tätig, darunter ein Buchprüfer und ein Baumeister. Sein Vogelfänger war „Erart l’Alemant“, „l’Aleman“ versorgte seine Pferde, für deren Anschaffung Hannus aus Merinch [he ute: Mehring] zuständig war. Für das 15. Jh. sind auch Deutsche nachgewiesen, die als Pferde- käufer, Abrichter von Raubvögeln, Pferdeknechte und Stellmacher in Frankreich tätig waren.

1.4 Soldaten Unter den Deutschen am Hof waren die Soldaten besonders zahlreich vertreten. Deutsche und französische Ritter hatten bei den Kreuzzügen gemeinsam gekämpft, und einige deutsche Ritter waren in Frankreich geblieben. Der erste französische Herrscher, der deutsche Truppen aushob, war Philipp der Kühne (reg. 1270-1285) am Ende des 13. Jh. Deutsche Truppen hatten bekanntlich erheblichen Anteil an der Schlacht von Crécy (1346), bei der König Johann von Böhmen nach einem tapferen Kampf an der Seite seines Sohnes Karl IV. fiel. Unter den Horden, die Frankreich im Hundertjährigen Krieg, insbesondere 1365, verwüsteten, waren Soldaten aus England, der Gascogne, dem Hennegau und Deutschland. Ab dem Ende des 15. Jh. wurden deutschsprachige Soldaten in größerer Zahl nach Frankreich geholt. 1480 machte Ludwig XI. erstmals Gebrauch von dem Recht, das 46 Kapitel II: 1100-1500 ihm die Kantone vertraglich zugesichert hatten, und rief 6000 Schweizer ins Land; weitere kamen unter Karl VIII., der 1483 zum König gekrönt worden war. Die geschlossenen Gruppen deutscher Landsknechte, die zu seinem Heer gehörten, trugen 1495 entscheidend dazu bei, den König bei der Schlacht in Fornovo di Taro vor einer Niederlage zu bewahren (Fieffé 1854: I, 13, 25, 47f.). Die Präsenz dieser deutschsprachigen Soldaten in Frankreich hat auch in sprachlicher Hinsicht Spuren hinterlassen. Zwar hielten viele sich nur vorübergehend in Frankreich auf, doch andere blieben viele Jahre lang, manche endgültig. Deutschsprachige Soldaten na- mens Gauthier, Hannequin und Olric dienten unter Karl IV., vermutlich längere Zeit. 1488 gewährte Karl VIII. Hans Schulenberg, einem deutschen Offizier, das Recht auf Niederlas- sung in Frankreich. Schulenberg erwarb das Anwesen Mont de Jeux in der Nähe von Sedan und ließ seinen Bruder Adolf nachkommen, dessen Sohn später unter Ludwig XIII. als Marschall von Frankreich diente (Mathorez 1921: 4f.).

1.5 Studenten Im gesamten Zeitraum 1100-1500 strömten ständig Studenten aus den deutschsprachigen Ländern nach Frankreich; sie kamen zumeist nach Paris, doch gingen manche auch nach Angers, Bourges, Orléans und Troyes, 8 selbst nach Montpellier und in andere weit entfernte Orte. Budinszkys Verzeichnis der Deutschen, die vom 13. bis zur Mitte des 16. Jh. an der Pariser Universität immatrikuliert waren, enthält nur die bekanntesten oder zufällig erhaltenen Namen und erfasst damit nur einen geringen Teil der deutschen Studenten an der Sorbonne; weiter verzeichnet namentlich rund sechzig überwiegend Niederdeutsch sprechende Niederländer und eine ansehnliche Zahl von Schweizern (Budinszky 1876). 9 Auch an der Universität Orléans studierten Hunderte von Deutschen; allein für das Jahr 1378 sind in den Registern 10 licentiati , 21 baccalarii und 27 scolares aus Deutschland verzeichnet, von denen manche erlauchte Namen trugen (Fournier 1888: 6, 10, 24). Auch in anderen Universitätsstädten waren die deutschen Studenten so zahlreich, dass sie eigene Gruppen bildeten. Für Paris ist 1345 erstmals ein „Deutsches Collegium“ er - wähnt, (Budinszky 1876: 65f.), 1400 ist dann die Rede von einer „Deutschen Nation“ (Bu - dinszky 1876: 32). Im Liber statuorum nacionis germanicae der Universität Orléans für das Jahr 1382 ist zu lesen: Nempe vix modo resonat hic vox lingwe germanice, cuius clangor, confragantibus tumultuose sonis, per omnes perstrepebat vicos, mediam pulsans aeris regionem, ut putasses te patrie natalis solum inhabitasse. 10 Dass zahlreiche Deutsche in Frankreich studierten, ist auch anderweitig belegt. So stu- dierten in der zweiten Hälfte des 12. Jh., zur Zeit Friedrich Barbarossas, die bedeutenden

8 Ende des 11. und Anfang des 12. Jh. hatte der jüdische Philosoph Raschi zahlreiche deutsche Schüler in Troyes. 9 Vgl. die Listen mit den Namen der deutschen und Schweizer bzw. niederländischen Studenten in Bu- dinszky (1876: 115-163; 164-178); zu den Schweizer Studenten siehe auch Chatelain (1891), Anhang. 10 ‚Es erklingt hier doch kaum jemals in mäßigem Ton eine Stimme von deutscher Sprache, deren Ge- schrei, mit lärmend durcheinanderpolternden Lauten, durch alle Gassen rauscht, mitten durch die Luft- schichten stampft, so dass man meinen könnte, man wohne auf heimatlichem Boden ‘; zit. n. Fournier (1886: 37). Die Deutschen in Frankreich 47 deutschen Kleriker und Schriftsteller ausnahmslos in Frankreich; daran änderte sich bis zur Gründung der Prager Universität (1348) nichts. Arnold von Lübeck berichtet in seiner slawischen Chronik (Anfang 13. Jh.): Dani [...] nobiliores terrae filios suos non solum ad clerum promovendum, verum etiam secularibus rebus instituendos, Parisius mittunt. Ubi litteratura simul et idiomate linguae terrae illius imbuti, non solum in artibus, sed etiam in theologia multum invaluerunt. 11 Bereits 1282 hatte das Straßburger Franziskanerkapitel das Studium der Franziskaner in Paris genau geregelt; 1411 wurde das Studium in Paris zur Voraussetzung für die Erlangung der Magisterwürde. 12 Von den bedeutenderen Deutschen, die in der zweiten Hälfte des 12. Jh. in Paris studierten, seien hier genannt Rainald von Dassel, der spätere Kanzler Barbarossas; der Chronist Othon, Onkel des Kaisers und Bischof von Freising und dessen Bruder Conrad, der später Erzbischof von Salzburg wurde; weiter Ruppert, Abt von Limburg; Ludolf von Kroppenstädt (ab 1192 Erzbischof von Magdeburg) und Conrad, der spätere Erzbischof von Mainz. Ihnen folgten Friedrich Markgraf von Friaul, der spätere Kölner Erzbischof, Gerhard, Bischof von Würzburg und Adalbert, der aus Saarbrücken stammende Mainzer Erzbischof. Der berühmteste deutsche Student war ohne Zweifel Albertus Magnus (vgl. unten 1.6). In der Folgezeit studierten Johannes Tauler (um 1310), Johann Geiler von Kaysersberg (1469), Johannes Reuchlin (1473), Thomas Murner und viele andere namhafte Deutsche in Paris. 13

1.6 Lehrer Manche Studenten waren zugleich Professoren, so Reuchlin, der 1481 als Student der Rechte in Orléans die alten Sprachen lehrte. Andere unterrichteten nach Abschluss ihrer Studien in Frankreich oder kehrten als Lehrer dorthin zurück. Neben Albertus Magnus, der als Professor an der Sorbonne von 1245 bis 1260 sehr einflussreich war, sind hier besonders zu nennen: Radulf aus Köln (12. Jh.), Heinrich von Langenstein und Konrad von Gelnhau- sen (Ende 14. Jh.), Albert von Sachsen (1353 Rektor der Sorbonne) sowie Heinrich von Hessen, der von 1363 bis 1383 Philosophie lehrte, und Johann von Stein (eigentlich: Johann Heylin von Stein) aus dem badischen Bretten (Budinszky 1876: 144), der nach seiner Ernennung zum Professor (1462) die ersten Drucker aus Deutschland an die Sor- bonne holte. Auch an anderen Universitäten lehrten Professoren deutscher Herkunft. 14 Als Studenten und Lehrer sprachen diese Deutschen, darunter die klügsten Köpfe der damaligen Zeit, stets Lateinisch; natürlich sprachen sie jedoch weiter auch ihre Mutterspra-

11 ‚D ie Dänen schicken die edleren Söhne ihres Landes nicht nur, um die Geistlichkeit zu fördern, sondern auch zur Bildung in weltlichen Dingen nach Paris. Dort, mit der Literatur zugleich und mit der dortigen Landessprache vertraut geworden, haben sie nicht nur in den freien Künsten, sondern auch in der Theologie viele Kenntnisse hinzugewonnen ‘; Arnoldus (1868: III, 5). 12 Vgl. Lévy (1929: I, 183). – Lévy beruft sich hier auf Knepper (1905: 64).(B.K.) 13 Histoire littéraire de la France [...] (1881-1888: IX, 76f.); Reynaud (1915: 80); Budinszky (1876: 16, 153); Lévy (1929: I, 256f.). – Zum internationalen Charakter der Pariser Universität im 13. und frühen 14. Jh. siehe jetzt auch Courtenay (1999: 107ff.); im „Biographical register“ (1999: 129-217) sind für das Studienjahr 1329-1330 auch einige aus Deutschland stammende Studenten verzeichnet. 14 Budinszky (1876: 22ff., 117ff.); Zimmermann (1910: 84); Fournier (1888: 7). 48 Kapitel II: 1100-1500 che, weshalb kaum anzunehmen ist, dass ihre Präsenz in Frankreich keine Spuren in der französischen Sprache hinterließ. Vermutlich haben sie auch etlichen Franzosen Kenntnisse ihrer deutschen Muttersprache vermittelt.

1.7 Kaufleute Vor allem in den Küstenstädten, vom Ärmelkanal bis zum Mittelmeer, gab es durch die Hanse und die niederländischen Seefahrer vergleichsweise bedeutende deutschsprachige Siedlungen. Holländer, die oft mit den Flamen und den Norddeutschen verwechselt wur- den, waren seit dem 13. und 14. Jh. in Nantes, La Rochelle, Rouen und Dieppe auf Jahr- märkten und in Häfen anzutreffen; ab dem 15. Jh. waren sie immer zahlreicher vertreten, u. a. in Bordeaux. Dass die Guyenne 1453 wieder unter französische Herrschaft kam und England sein Handelsmonopol verlor, war für die Geschäfte der Hansekaufleute von Vor- teil. 1464 ließen sich die Osterlins , wie man die Hamburger, Bremer und Lübecker Hanseaten damals nannte, in Bordeaux die Vorrechte, die Karl VII. ihnen gewährt hatte, erneut bestätigen. Auch im provenzalischen Bouc ließen sich deutsche Kaufleute nieder. Für ihre zahlenmäßige Bedeutung spricht zudem, dass es in Nantes und Bordeaux von Deutschen geführte Wirtshäuser gab, die deutsche Gäste aufnahmen. Auch in zahlreichen Küstenstädten, selbst kleineren wie Bourgneuf und Pornic, hatten sich Gruppen deutscher Kaufleute niedergelassen; dazu kamen noch die Seeleute. 15 Nach und nach zogen auch die Städte im Inneren des Landes deutsche Kaufleute aller Branchen an. So gründeten mehrere Nürnberger und Augsburger Bankhäuser im 15. Jh. Niederlassungen in Lyon, wo schon 1491 so viele Deutsche lebten, dass sie eine Bruder- schaft in der Kirchengemeinde des Klosters Notre Dame de Confort gründeten und als ‚Nation‘ galten. Sehr früh schon gab es in Lyon auch deutsche Drucker. In der zweiten Hälfte des 15. Jh., als das französische Druckgewerbe fast ausschließlich in deutscher Hand war, wurden neben deutschen Setzern auch Holzschneider, Schriftgießer, Korrekturleser, selbst Buchhändler ins Land gerufen. 16 Waldvogel, der erste deutsche Setzer in Frankreich, war in Avignon tätig, als Gutenberg seine erste Bibel in Straßburg herausbrachte. Hans Fust und Peter Schöffer, ehemalige Mitarbeiter Gutenbergs, ließen sich 1466 in Paris nieder, Schöffer als Buchhändler. Es folgten um 1470 Michael Friburger aus Colmar, Ulrich Gering aus Konstanz, Martin Krantz aus Stein und bis zum Ende des 15. Jh. noch etliche andere Deutsche. In Lyon ar- beiteten zu dieser Zeit unter anderem Jehan Siber, genannt Jean l’Allemant, Martin Husz und Hans Neumeister, ebenfalls ein ehemaliger Mitarbeiter Gutenbergs. Auch in Albi, Bordeaux, La Réole, Toulouse und Nantes gab es deutsche Niederlassungen. Dass der Buchdruck ebenso wie der Buchhandel für die Sprachgeschichte von besonderer Bedeutung sind, muss hier nicht eigens betont werden. 17

15 Die Erinnerung daran ist noch fast 500 Jahre später nicht vollständig geschwunden; vgl. Valkhoff (1931: 16ff., 24 ); Leroux (1918: I, 2ff.); Mauco (1933: 5, 8f.); Mathorez (1921: 10ff., 152f.). 16 Süpfle (1886-1890: I, 232, Anm. 73) nennt für diesen Zeitraum rund 30 Namen, davon 11 für Lyon. 17 Zu den deutschen Druckern im Einzelnen siehe Mathorez (1921: 49ff.), Süpfle (1886-1890: I, 28f.) und Heitz (1937: 42). Die Deutschen in Frankreich 49

1.8 Handwerker Weitere Handwerker, darunter hoch spezialisierte Ofenbauer, Kunsttischler und Schreiner, Stellmacher, Glasbläser und Goldschmiede, waren nach Frankreich gekommen und hatten sich dort niedergelassen. Auch deutsche Bergleute kamen recht zahlreich, zunächst in den östlichen Teil der Vogesen; ihre Präsenz ist in den Annalen der Dominikaner von Colmar bereits für 1287 belegt. Später waren sie auch in dem rein frankophonen Teil der Vogesen tätig und prägten dort den Fachwortschatz des Bergbaus dauerhaft. 1455 holte Jacques Coeur deutsche Bergleute in seine Silber- und Bleierzbergwerke des Beaujolais; andere ließ Herzog Johann VI. in die Bretagne kommen (Mathorez 1921: 5, 87f.).

1.9 Weitere Gruppen Im gesamten Zeitraum kamen neben fahrenden Sängern und Vaganten auch bekannte Künstler aus Deutschland nach Frankreich. Ein Franziskaner namens Julian aus Speyer war Kapellmeister unter Ludwig IX., Heinrich aus Salzwedel um 1420 Organist an der Sor- bonne; auch weitere deutsche Musiker waren im 15. Jh. nachweislich in Frankreich tätig (Moser 1932f.). Schon im 14. Jh. hatten in Bourges und andernorts deutsche Maler gelebt. Hans Witzinger, genannt Hans Witz oder auch Lesaige, arbeitete von 1402 bis 1412 an der Verzierung der Kathedrale von Nantes mit. Zuletzt ist noch auf die Deutschen hinzuweisen, die im Zeitraum 1330-1500 zu Tausenden aus allen Gegenden des Reichs nach Frankreich pilgerten. Sie kamen unter anderem aus Worms, Mainz, Speyer, Köln, Basel und Schlettstadt; manche reisten bis Bor- deaux, wo ihnen 1470 übrigens der Zutritt verwehrt wurde (Leroux 1918: 592). Die meisten Pilger zog es jedoch zum Mont-Saint-Michel, wie aus vielen Belegen hervorgeht. So be- richtet Jacques du Clercq in seinen Mémoires (1448-1467) 18 von zahlreichen Pilgern, die in der Fastenzeit und nach Ostern des Jahres 1458 auf dem Weg zum Mont-Saint-Michel durch das Artois und die angrenzenden Gebiete zogen, Männer, Frauen und Kinder aus Deutschland, Brabant und anderen Ländern. Einer anderen Quelle ist zu entnehmen, dass schon mehr als ein Jahrhundert zuvor, 1338, sehr viele Kinder von weither nach Frankreich gekommen waren. 19 Wie aus den Chroniken zahlreicher deutscher Städte (darunter Frankfurt am Main, Köln, Hall, Augsburg, Regensburg) hervorgeht, reisten um die Mitte des 15. Jh. fast ständig Gruppen meist zehn- bis fünfzehnjähriger deutscher Kinder nach Frankreich; so zogen 1450 1100 Kinder aus Frankfurt und acht Jahre später 400 Kinder aus der Kleinstadt Ellwangen nach Frankreich (Dupont 1902: 109f.). Es ist nicht auszuschließen, dass viele dieser Kinder, von der Reise völlig entkräftet, in Frankreich blieben. 20

18 Du Clercq (1823), in Lévy (1950: 59) zitiert nach Dupont (1902: 100f.): „Environ le caresme et après Pasques, l’an 1458, grande multitude d’Allemans et de Brabansons et d’autres pays, tant hommes que de femmes, enfants en très grand nombre, par plusieurs fois passèrent par le pays d’Artois et les pays d’environ et allaient en pèlerinage au Mont Saint -Micquel.“ 19 Das von Lévy (1950: 59) in diesem Zusammenhang angeführte Zitat ( „tam magna copia ut vix per vi as victualia invenire possint“; ‚eine so große Menge, dass sie auf den Straßen kaum Lebensmittel finden konnten ‘) ist Dupont (1902: 103) entnommen; der das Zitat nicht näher nachweist. 20 Lévy beruft sich hier auf Dupont (1902: 100-115), der annimmt, viele Kinder seien wohl infolge von Krankheiten und Erschöpfung gestorben, vielleicht auch verhungert (1902: 103).Dupont stützt sich vor allem auf Falk (1885). Zu diesen Kinderwallfahrten jetzt Gäbler (1969) mit Hinweisen auf die neuere 50 Kapitel II: 1100-1500

Dieser notwendig lückenhafte Überblick zeigt, dass es im Spätmittelalter überall in Frankreich Deutschsprachige gab, die sich dort, wo sie in hinreichend großer Zahl lebten, stets zusammentaten, sich gegenseitig unterstützten und gemeinsam die Sprache ihrer Vor- väter bewahrten, 21 die sie vermutlich auch einigen Franzosen beibrachten.

2 Die Franzosen und das Deutsche

2.1 Mittel zum Spracherwerb

2.1.1 Kinderaustausch Der Kinderaustausch wurde weiter ausgebaut. In dem Schreiben, mit dem er Ludwig VII. 1163 die Ankunft seiner Söhne ankündigte, erklärte Heinrich der Löwe sich bereit, im Ge- genzug die Söhne des französischen Königs aufzunehmen: Rogo igitur excellentiam vestram sub respectu totius servitii nostri, et bona memoria intimae amicitiae, ut si quid in omni ditione mea est quod excellentiae vestrae placeat, ipse imperetis; et si quos habetis pueros quos vel terram nostram, vel lin- guam addiscere vultis, nobis transmittatis, in quibus hilare et abunde vobis ostendemus quam gratam acceperimus virtutis vestrae benevolentiam.22 Jahrhunderte später schickte ein Einwohner von Montpellier, der zahlreiche deutsche Stu- denten beherbergte, seine Kinder nach Deutschland oder in die deutschsprachige Schweiz, wo sie die Sprache lernten und die Schule besuchten. Der Kinderaustausch ermöglichte auch Kindern weniger begüterter Eltern den Erwerb von Sprachkenntnissen (Mathorez 1921: 33).

2.1.2 Reisen nach Deutschland Reisen von Franzosen nach Deutschland waren in diesem Zeitraum eher selten; doch etli- che kamen zur Unterweisung junger Adliger ins Land. Für das 13. Jh. berichtet der Trouba- dour Adenet le Roi aus Brabant:

Forschung; das Fazit seiner sehr ausführlichen Untersuchung lautet: „Die Kinderwallfahrt der Jahre 1456-1459 aus der Rheingegend, der Westschweiz und dem Gebiete längs der Donau zum franzö- sischen Michaelsheiligtum Mont-Saint-Michel ist in Ursache, Durchführung und Ziel ein charakte- ristischer Ausdruck ihrer Zeit. Sie legt Zeugnis ab von der Hochschätzung des Wallfahrtsgedankens, dem Glauben an den Schutz der christlichen Gemeinschaft durch den Erzengel Michael sowie die Furcht der Menschen vor dem hereinbrechenden Gerichte Gottes.“ 21 Dass sie ihre Sprache zumindest an die nächste Generation weitergaben, kann als gesichert gelten. 22 ‚Ich bitte daher Eure Exzellenz, unter Rücksicht auf unseren ganzen Dienst, und in Erinnerung an un- sere innige Freundschaft, dass Ihr, wenn in meinem ganzen Machtbereich irgendetwas ist, das Eurer Exzellenz gefällt, selbst darüber verfügt; und dass Ihr, wenn ihr Söhne habt, die nach Eurem Willen un- ser Land oder unsere Sprache kennen lernen sollen, sie zu uns sendet; an ihnen werden wir freudig und reichlich zeigen, wie dankbar wir das Wohlwollen Eurer Großherzigkeit annehmen‘; Bouquet (1814: XVI, 42). Die Franzosen und das Deutsche 51

Avoit une coustume ens el tiois pays/ Que tout li grant seignor, il conte e li marchis / Avoient entour aus gent françoise tousdis, / Pour aprendre françois lor filles et lor fils. 23 Manche reisten nach Deutschland, um die Sprache zu erlernen, wie der Held von Adenets Roman de Cléomadès : Si tost que il post chevauchier, / Le fist ses peres envoiier / En Grece et apprendre griiois./ Quant grieu sot, pour savoir tiois / Vingt a Couloigne en Alemaigne. (Adenet 1865: I, 8, Vers 225ff.) 24 Wieder andere kamen zu Studienzwecken. Commynes bedauert, er habe das Lateinische nicht wie andere junge Leute seiner Generation und seines Standes in Köln oder Löwen erlernen können. Guyot aus Provins berichtet, 1184 habe er in Mainz dem Ritterschlag der Söhne von Friedrich Barbarossa beigewohnt (Zimmermann 1910: 33, 83). Auch französische Künstler und Handwerker waren in Deutschland tätig; dies ist inso- fern nicht verwunderlich, als die französische Baukunst damals in hohem Ansehen stand. Die 1263-1278 erbaute Kirche in Wimpfen ist das Werk eines französischen Baumeisters. Auch der Prager Dom wurde von Franzosen erbaut, 1343 von Mathieu aus Arras begonnen und 1386 durch Pierre aus Boulogne vollendet (Dussieux 1876: 10). Der Held des Romans Renaud de Montauban tat Buße, indem er als Maurer beim Bau des Kölner Doms mithalf.

2.1.3 Eheschließungen Eheschließungen zwischen französischen Prinzessinnen und deutschen Königen oder Prinzen fanden auch in diesem Zeitraum statt. Mathilde, die Tochter Heinrichs I. Plantagenet, wurde mit Kaiser Heinrich V. vermählt, Béatrice, Prinzessin der Franche- Comté, mit Friedrich Barbarossa (1156) und Constance, die Tochter Rogers II. von Sizilien, mit Heinrich VI. Othon IV. nahm Marie de Brabant zur Frau, Rudolf von Habsburg die Schwester Roberts II. von Burgund. Ludwig von Bayern heiratete Marguerite du Hainaut, Heinrich der Löwe Mathilde, die Tochter von Heinrich II. Plantagenet, und Rudolf, der Sohn des Kaisers Albert, Blanche de France (Reynaud 1915; Zimmermann 1910: 84; Leroux 1882: 112). Die französischen Ritter, Dichter, Künstler und Geistlichen, die nach Deutschland ka- men, waren sehr gebildet und aufgeschlossen. Manche blieben jahrelang in Deutschland, so dass anzunehmen ist, dass sie zumindest Grundkenntnisse der Sprache erwarben.

2.2 Deutschkenntnisse In Romanen und Chroniken werden gelegentlich Franzosen mit Deutschkenntnissen er- wähnt. So berichtet Jean Bodel d’Arras im Sachsenlied (Ende 12. Jh.) von einem Gespräch zwischen dem Franzosen Baudoin mit der Sächsin Sebile: „Un pou sot de tyois, por itant l’a

23 ‚In diesem deutschen Land/gab es einen Brauch/ alle Adligen, Grafen und Markgrafen/ umgaben sich stet s mit Leuten französischer Herkunft/ damit ihre Töchter und Söhne Französisch lernten‘; Adenet (1874, Vers 147ff.). 24 ‚Sobald er reiten konnte,/ schickte sein Vater ihn /nach Griechenland, damit er Griechisch lernte/ Als er Griechisch konnte, kam er nach K öln in Deutschland,/ um Deutsch zu lernen.‘ 52 Kapitel II: 1100-1500 parlé“. 25 Herchembaut ( Doon de Maience ) weiß sich auf Deutsch auszudrücken: „En tiois li a dit, dont il savoit planté“. 26 Auch über Mehrsprachigkeit wird berichtet: „Ben sevent tout et flamenc et franchois,/Normant, breton, hanuier et tiois“; 27 „Muat sa ueie e changat sun latin/Salamoneis parlat tieis e barbarin,/Grezeis alemandeis [...].“ 28 Die Unterscheidung von „alemandeis“ (Hochdeutsch) und „tieis“ (Niederdeutsch) deutet darauf hin, dass der Dichter selbst etwas von der deutschen Sprache verstand. Manche Dichter stellten auch gern ihre eigenen Deutschkenntnisse zur Schau: 29 „En sus de ce chastel – Ot planté un vergier que l’on apele gart “. 30 Das Wort Godeherre erscheint wiederholt in Quellen aus dieser Zeit: „Et Alemant et Sesne qui jurent Godeherre “; 31 „Chascuns [der Deutschen] en haut Godeherre ! s’escrie“ ( Aymeri de Narbonne ); 32 „Vos i oissiez dire tant / Wilecome ! et Godehere !“ ( Ro- man de la Rose ). 33 Manche hätten wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse wohl besser daran getan, auf die Erwähnung deutscher Wörter zu verzichten. Gerade Ortsnamen sind vielfach entstellt wiedergegeben; so ist in der Conquête de Constantinople (Anfang 13. Jh.) die Rede von Havestad (= Halberstadt) und Cassenelboghe (= Katzenellenbogen). 34 Für Halberstadt findet man auch Avestack , für Katzenellenbogen die unterschiedlichsten Formen: De Chas- senelle et de Boghe, Chasselaine en Bode, Chastelaine Amboge, Tascevele, Thascelenes en Tosces u. a. Froissart macht aus Blankenheim (Eifel) auch Blakehen ; Rutebeuf schreibt Watebort für Wartburg, Senache für Eisenach, Mapur für Marburg. 35

25 ‚Er konnte ein wenig Deutsch, deshalb hat er mit ihr gesprochen‘. Jean Bodels Sachsenlied. Unter Zugrundlegung der Turiner Handschrift von neuem hg . von F. Menzel & E. Stengel. Marburg (1906), Vers 3864; zit. n. Remppis (1911: 52). – Lévys sehr unvollständige Nachweise zu diesem und den fol- genden Texten (1950: 62f.) sind hier ausgehend von den bibliographischen Angaben in Remppis (1911) ergänzt. 26 ‚Er sagte ihm auf Deutsch, wo er gelernt hatte zu pflanzen ‘. Doon de Maience, Hg. Alexandre Pey, Paris: Vieweg, (1859: 8) [Anciens poètes de la France, 2; Nachdr. Nendeln: Kraus, 1966; auch online]. 27 ‚die alles können, Flämisch, Französisch, Normannisch, Bretonisch, die Sprache des Hennegau [Hai- naut] und Deutsch ‘. Anseïs von Karthago, Hg. Johann Alton, Tübingen 1892 [Bibliothek des Litera- rischen Vereins, 194], Vers 8050f. 28 ‚Er änderte die Richtung und sein Latein/er sprach Salamonisch, Niederdeutsch und eine fremde Spra- che/ Griechisch und Deutsch‘. Archanz. Chançun de Willelme , Hg. Gottfried Baist, Freiburg 1908, Vers 2168-70 (in dem von mir eingesehenen Exemplar der UB Freiburg ist S. 60 ‚Salamoneis‘ handschriftlich mit ‚Sarrazener‘ erläutert). Vgl. auch Remppis (1911: 5); Zimmermann (1910: 7). 29 Vgl. Remppis (1911: 52): „Den Stolz des Dichters aber sehen wir noch heute durch die Zeilen blicken, wenn er seinen Hörern mit eigenen deutschen Sprachkenntnissen aufwarten konnte“. 30 ‚Oberhalb dieses Schlosses hat er einen Obstgarten angelegt, de r „gart“ genannt wird‘. Floovent , chan- son de geste , Hg. Henri Michelant & François Guessard (1858: 20) [Paris: Vieweg, Franck. Anciens poètes de la France, 1]; zit. n. Remppis (1911: 52). 31 ‚Und die Deutschen und die [?], die Gott der Herr ausrufen‘; Paul Meyer Hg. „La chanson de Doon de Nanteuil: fragments inédits “. In: Romania 13 (1884), Vers 62 – nicht: Doon de Maience , wie in Lévy (1950: 62) angegeben. 32 ‚Oben rufen sie alle: Gott der He rr!‘; Aymeri de Narbonne , Vers 1730; zit. n. Hélène Gallé Hg. (2007: 349), Paris: Champion. 33 ‚Dort würdet ihr solches hören/ Willkommen! und Gott der Herr!‘ Guillaume de Dôle, Hg. G. Servois, Paris 1893, Vers 2585 [Société des anciens textes]; zit. n. Remppis (1911: 114). 34 Geoffroy de Villehardouin, Hg. Natalis de Wailly (1872: 42); Paris: Firmin Didot. – Neu hg. u. a. von Jean Dufournet (Paris: Champion, 2004). 35 Rutebeuf, Vie de Sainte Elysabel , in: Oeuvres complètes de Rutebeuf, trouvère du XIIIe siècle , Hg. Die Franzosen und das Deutsche 53

Andere gaben unumwunden zu, dass sie kein Deutsch konnten. So gesteht Eustache Deschamps, der als Botschafter Karls V. in der zweiten Hälfte des 14. Jh. häufig in deutschsprachige Länder, darunter Böhmen, Flandern, das Elsass und Luxemburg, reiste, eingangs seine völlige Unkenntnis der Sprache: „Je suis aux abois come uns cerfs, / Et n’entens chose qu’om me die / En allemant, fors entre clers / Le latin [...]“. Regelrecht aufgebracht war er über die Deutschen, die mit ihm nur in ihrer Sprache reden wollten, obwohl sie Französisch konnten: [...] Or ne treuve mie / Tousjours clercs; s’ay trop dure vie, / Car la nature d’Alemans / Est, ou ilz scevent dien roumans / Puis qu’il y ait un seul François, / Si demourroit entr’euls XX ans, / Ia n’y parleront que th ioys. Diese Klage wird in den folgenden Strophen refrainartig wiederholt. 36 Ein anderer Dichter, Giefrois, klagt über das Flämische, das er nicht beherrscht: „Cil Flamenc nos tiennent en viuté / Por lor langaie que ne savons parler“. 37 Noch unverblümter drückt sich Rutebeuf aus; er hält es für Zeitverschwendung, deutsche Namen zu nennen, die von den Franzosen ohnehin nicht verstanden werden: Enquisrent bien icil preudome / Dont je pas les nons ne vos nome. / Et nonporquant inelement / Ce il ne fussent alemant / Les nomasse, mais ce seroit / Tens perduz [...].38 Bei seinem Aufenthalt in Paris 1378 musste Kaiser Karl IV. eine Rede König Karls V. an die Deutschen übersetzen: „Et en briefves paroles l’emper eur dit en allemand à ses gens qui présens étoient, et qui n’entendoyent pas françois, ce que le roy lui avoit dit“. 39 Nicht nur die breite Masse der Franzosen, auch die meisten ‚Gebildeten‘ hatten nicht das geringste Interesse am Deutschen. Nur wenige bemühten sich, die Sprache des

Achille Jubinal; Paris: Daffès, 1874-1875, Bd. II. Weitere Beispiele in Zimmermann (1910: 18). – Hier zit. n. der Neuausgabe von Michel Zink (Paris: Garnier, 2010), Index des noms propres, 519ff. 36 ‚Ich höre ganz genau zu/ und verstehe doch nichts von dem, was man mir sagt/ auf Deutsch/ abgesehen vom Lateinischen der Geistlichen [...]‘. – ‚Ich finde aber nicht immer Geistliche / mein Leben ist zu schwer/ denn die Deutschen, auch wenn sie Romanisch können, meinen, wenn nur ein einziger Franzose dabei ist, so soll er zwanzig Jahre unter ihnen bleiben, dann wird er nur noch Deutsch sprechen‘. Oeuvres complètes de Eustache Deschamps , Hg. Queux de Saint-Hilaire (1891: VII, 61ff.); Paris: Fir- min Didot, 1878-1903; Nachdr. New York, N.Y.: Johnson Reprint, 1966. Vgl. hierzu auch Zimmer- mann (1910: 54f.) und Hoepffner (1904: 33, 38, 61ff., 75, 108f.) 37 ‚Diese Flamen verachten uns, weil wir ihre Sprache nicht sprechen‘. Auberi , Hg. A. Tobler (Leipzig 1870), Vers 28 [Mitteilungen aus altfranzösischen Handschriften]; zit. n. Remppis (1911: 52). 38 ‚Diese edlen Männer strebten danach. Ich nenne ihre Namen nicht. Doch wenn sie keine Deutschen wären, würde ich sie sehr rasch nennen, aber das wäre vertane Zeit‘ [...]; hier übersetzt nach der Neu- ausgabe Rutebeuf (2010: 122). 39 ‚Und in wenigen Worten sagte der Kaiser seinen Leuten, die anwesend wa ren und kein Französisch verstanden, auf Deutsch, was der König ihm gesagt hatte‘. – Die Szene ist überliefert von Froissart (1867: II, 368), der weiter berichtet: Als die Berater Karls V. sich zur Abfassung der zu unter- zeichnenden Schriftstücke mit den Beratern des Kaisers in Verbindung setzten, stellte sich heraus, dass die Deutschen offenbar des Lateinischen nicht mächtig waren. Damit man sich verständigen konnte, mussten einige deutsche Studenten von der Sorbonne herbeigerufen werden. – Uns erscheint eine solche Unkenntnis des Lateinischen in diesen Kreisen für die damalige Zeit eher unwahrscheinlich; vermutlich war die unterschiedliche Aussprache des Lateinischen das Problem. 54 Kapitel II: 1100-1500

Nachbarn zu erlernen, und waren stolz darauf, wenn ihnen dies gelungen war. Auch ver- ächtliche, herablassende Aussagen zum Deutschen gibt es schon in dieser Zeit. Nach einem alten provenzalischen Sprichwort bedeutet Bayrisch sprechen dasselbe wie unverständli- ches Zeug reden: „Anc no vi Breto ni Baivier que tan mal entendre fezes cusu fai home lag messorguier“. 40 Hierher gehören auch Wendungen wie „Jeu non enten plus que selhs d’Alamanha qui parl’ab me“, „Quant la prec, ela fai un semblan que no m’enten plus que un Alaman“ oder „No t’enden plus d’un Toesco o Sardo o Barbari“. 41 Bezeichnend ist auch, dass die „feineren“ Tiere in dem Tierepos Ysengrimus 42 Franzö- sisch sprechen, der Wolf und der Esel dagegen Deutsch. 43 Vom Esel heißt es: Non didicit causas Galla tractare loquela,/Preposuit Franco Danuabiale solum,/Teutonicus miser et rudis est ut papa salignus,/Stridula Bavarico gutture verba liquans, 44 und über den Lockruf des Wolfs: „Et cum teutonice accentu succlamat acuto“. 45 „Miser, rudis, stridulus, acutus“ – Ähnlich äußerten sich auch französische Dichter über die deutsche Sprache. In der chanson de geste Aymeri de Narbonne aus der ersten Hälfte des 13. Jh. wird sie als rauh und hart beschrieben („Godechelespe“, = God euch helpe); 46 für den Troubadour Pierre de Cavarana (um 1195) war Deutsch ein Kauderwelsch, das ihn an das Gequake von Fröschen und Hundegebell erinnerte: La gent d’Alemaigna / Non voillaz amar, / Ni ja sa compaigna / No us plaza usar, / Car cor m’en fai laigna /Ab lor sargotar. / Granoglas resembla / En dir: brod et

40 ‚Noch nie sah ich einen Bretonen oder Bayern, der so schwer zu verstehen w ar wie ein schrecklicher Lügner ‘. 41 Zit. n. Küffner (1899: 44ff); Cnyrim (1887: 53); ‚Ich verstehe die Deutschen, die mit mir sprechen, nicht besser ‘; ‚Wenn ich sie bitte, so tut sie so, als verstehe sie mich nicht besser als einen Deutschen‘; ‚Ich verstehe dich nicht besser als einen Deutschen, einen Sarden oder einen Barbaren ‘. 42 Es enstand in Flandern und geht vermutlich auf eine pikardische Vorlage zurück. 43 Bei Voigt (1884: XCV) heißt es hierzu: „Vor Allem aber preist er [der Dichter] französi sche Sprache und Sitte: die feineren Thiere stammen ihm aus Frankreich und bedienen sich der wälschen Sprache [...] und des wälschen Anstandes [...], der Süden und Westen Europas erscheint als Herd der Civilisation, die, je weiter man nach dem Norden und Osten kommt, desto tiefer sinkt, um schließlich ganz der Bar- barei Platz zu machen, und demgemäß haben der Wolf und der Esel, die Typen der Dummheit und Trägheit, ihre Wohnsitze von Frankreich nach teutonischem Boden verlegt“. (B.K.) 44 Nivardus Hg. Voigt (1884: VI. Buch, Vers 379-382); in der Übersetzung von Schönfelder (1955: 131): „Er hat nicht gelernt, Prozesse in französischer Sprache zu führen; er hat das Donauland dem franzö - sischen vorgezogen; er ist ein unglücklicher Deutscher und unbeholfen wie ein Holzpfaffe; er zerstü- ckelt die zischenden Worte mit seiner bayrischen Kehle.“ (B.K.) 45 Nivardus, Hg. Voigt (1884: V. Buch, Vers 549). – Dieses Zitat wird eigentlich erst im Kontext recht verständlich ( Schönfelder 1955: 131): „Als dann Isegrim gehei ßen w urde, ‚Dominus vobiscum‘ (Der Herr sei mit euch) zu sagen, sprach er sogleich mit Freuden: ‚Cominus ovis‘ (Herbei, Schaf) und rief darauf in deutscher Sprache mit scharfer Betonung: ‚Kumm‘, da er nicht das lateinische Wort ‚Veni‘ (komm) gebrauchen wollte. Er hatte oft in Erfahrung gebracht, daß die Schafe von der Schelde nur deutsche Rufe gelernt hatten.“ (B.K.) 46 Vgl. die Zusammenfassung in Gautier (1868: III, 243). Die Franzosen und das Deutsche 55

guaz 47 / Lairan, quant s’ase mbla, / Cum cans enrabjaz [...]. (Raynouard 1819: IV, 198) 48 Auch den Dichter Pierre Vidal (1175-1215) stieß das Deutsche ab; er meinte, lieber wäre er nicht der Herr von Friesland, um dieses Hundegeheul nicht mehr ständig hören zu müssen: „E lor parlars sembla lairar de cans. / Per qu’en ne volh esser senher de Friza, / Qu’auzis tot jorn lo glat dels enojos. “49 Einige empfanden selbst gesungenes Deutsch als unerträglich; so berichtet Suger über die Krönung Heinrichs V. im Jahre 1106: „[...] et Alemannorum can - tantium terribili clamore celos penetrante“, 50 und der Verfasser des Roman de la Rose (um 1210) schreibt: „Tïes chant[ent] comme maufé“. 51 Wace (1836, Vers 1630) begnügte sich immerhin mit dem Hinweis auf die Unterschiede zwischen dem Deutschen und den anderen Sprachen. So konnte seinerzeit nur eine kleine Minderheit der vergleichsweise gebildeten Franzo- sen einigermaßen gut Deutsch. Dennoch gab es im gesamten Zeitraum nicht wenige Deutschsprachige in Frankreich; es waren zugewanderte Deutsche und auch Franzosen, die infolge von Sprachkontakten oder Deutschlandaufenthalten aktive oder passive Sprach- kenntnisse hatten.

2.3 Deutsche Wörter im Französischen Die Entlehnungsprozesse verliefen in diesem Zeitraum recht unterschiedlich: Manche Wörter, die nur sporadisch verwendet wurden, behielten ihre ursprüngliche Gestalt; andere wurden nach und nach integriert. Auch zur Bezeichnung neuer Begriffe oder Erfindungen wurde entlehnt; bei älteren Entlehnungen fanden Bedeutungsverschiebungen statt, und manche verschwanden ganz aus dem französischen Wortschatz. Für die Sprachgeschichte des Deutschen und des Französischen haben Entlehnungen wie die in 2.2 genannten gart, godeherre, godehelpe und wilecome ,52 die uns eher zufällig durch Quellen aus jener Zeit überliefert sind und vor allem in den in Ost- und Nordfrank- reich gesprochenen Dialekten sicher viel häufiger vorkamen, nur geringe Bedeutung. Viel wichtiger sind die zahlreichen Wörter, die aus den germanischen Sprachen in das Französi- sche integriert wurden. Das bekannteste Beispiel ist wohl das erstmals 1240 belegte Wort renard (‚Fuchs‘) < reginhart (‚der Schlaue‘), das das ältere goupil verdrängte. Bei den

47 Die beiden deutschen Wörter werden unterschiedlich gelesen und interpretiert (Wittenberg (1908: 49f., 92f.). – Lévy verweist in dieser Anm. ohne nähere Angaben auch auf einen Beitrag in der „Zeitschr. f. rom. Phil. XXI, 129“ [1897], wo man allerdings nur eine kurze Notiz von H. Schuchardt („Zur Wort - geschichte. 1. It. fisima , franz. salope “) findet, die zu Lévys Ausführungen keinen erkennbaren Bezug hat. (B.K.) 48 Die Leute aus Deutschland / ihr sollt sie nicht lieben / auch nicht ihre Gesellschaft / sie betrüben mein Herz mit ihrem Kauderwelsch / Sie gleichen den Fröschen / wenn sie sagen: Brüder, watz! / Dieser Lärm gleicht auch dem Hundegebell. ‘ 49 Bartsch (1857: 76); Nickel (1907: 22, Anm.). ‚Und ihre Rede klingt wie Hundegebell / So wäre ich lieber nicht Herr von Friesland / wo man den ganzen Tag das Gekläff der Störenfriede hört ‘. 50 ‚und während das schreckliche Geschrei der singenden Alemannen die Himmel durchdrang ‘; Suger (1882: 51). 51 ‚Die Deutschen singen wie der Teufel‘; Hg. G. Servois (1893: 66; Vers 2160). 52 Dass gart bereits zuvor assimiliert worden war und herr später in das Französische integriert wurde, tut hier nichts zur Sache. 56 Kapitel II: 1100-1500 nachstehend angeführten Beispielen handelt es sich im Wesentlichen um Entlehnungen des Spätmittelalters: aurochs 53 < urochs (1414), brouir (‚verbrennen‘, ‚versengen‘) < mhd. brüejan (‚ brühen ‘) (1431), écope (‚Wasserschöpfer‘) < schope (1369), élan (‚Hirsch‘) < hellent < elend (1414), flammèche (‚Asche‘) < ahd. * falawiska (15. Jh.), foudre (‚Fass’) < fuder (15. Jh.), frimas (‚Rauhreif’) < *hrîm (1489), 54 gaupe (‚Schlampe‘) < südd.. Walpe (‚einfältige Frau ‘) (1401), haillon (‚Lumpen‘) < mhd. hadel , vgl. obd. Hader (15. Jh.), halbran (‚junge Wildente‘) < mhd. halberant (‚halbe Ente‘) (14. Jh.), houille (‚Kohle‘) < wallon. hoye/hulhes < frk. * hukila (15. Jh.), laie (‚Schublade‘) < mndl. laeye (14. Jh.), nique (heute nur noch in der Wendung faire la nique à quelqu’un , ‚jm. schadenfroh ausla- chen ‘) < nick (14. Jh.), taudis (‚primitive Unterkunft‘) < afrz. se tauder (‚sich unterstellen‘) < tjald (14. Jh.), tique (‚ Zecke ‘) < germ. tick , mndl. tike (15. Jh.), tricoter (zunächst in der Bedeutung: ‚sich bewegen‘; nfrz. ‚stricken‘) < ndd. striken < frk. * strikan (15. Jh.). Im 14. und 15. Jh. wurden auch militärische Fachausdrücke entlehnt, die besonders im 16. Jh. sehr verbreitet waren: blocus (früher: ‚Blockhaus‘, nfrz. ‚Blockade‘) < ndl. blockhuis (1376), boulevard < vermutlich aus mndl. bolwerc (vor 1365), hallebarde (‚Hellebarde‘) < mhd. helmbarte (1448), hacquebute, (h)arquebuse (‚Arkebuse‘, ‚Haken - büchse ‘) < mhd. hakenbüse (1475), rosse (früher: ‚Schindmähre‘; heute umg. ‚Leuteschinder‘) < ross (1460). Einem Text von Philippe de Commynes ist zu entnehmen, dass lansquenet noch als ein Neologismus empfunden wurde, der allerdings schon seit einiger Zeit gebräuchlich war: Il y avoit deux sortes d’Almans en cest ost. Il y povoit avoir quinze cens Suysses, qui y avoient esté des ce que le Roy y alla: ceulx la le servirent loyaulment jusques a la mort, et tant que plus on ne sauroit dire. Il y en avoit d’autres que nous appellons communement lansquenetz, qui vault autant a dire comme compaignons de païs, et ceulx la hayent naturellement les Suysses, et les Suysses eulx. Ceulx sont de tous pays, comme dessus le Rin, du païs de Suave; il y en avoit du païs de Vaulx, en Sa- voye, et du païs de Gueldre. 55 Den Anteil des Hoch- bzw. Niederdeutschen an diesen Entlehnungsprozessen im Einzelnen zu ermitteln, erweist sich als schwierig. Wie Valkhoff (1931) in seiner Studie zu den fran- zösischen Wörtern niederländischer Herkunft gezeigt hat, 56 kamen viele Wörter wohl über Holland und die flämischen Gebiete nach Frankreich, manche vermutlich schon vor dem 12. Jh. Dazu gehören insbesondere amarrer (‚festmachen‘, ‚vertäuen‘) < aanmaren,

53 Vgl. hierzu auch Einleitung, 1. 54 Hierzu bemerkt Baldinger (1954: 213) kritisch: „Eine Gleichung frimas < hrim (XVe s.) ist ein Unding: die erst bei Villon belegte Ablt. frimas ist aus einem schon im afr. belegten Grundwort abgeleitet, wel- ches seinerseits, wie aus dem Anlaut ersichtlich ist, viel älter ist ( < frk. * hrim ; mit irgendeinem deut- schen oder germanischen Einfluß im 15. Jahrh. hat dies doch nichts zu tun.“ 55 ‚In dies em Heer gab es zwei Arten von Deutschen. Es mögen fünfzehnhundert Schweizer gewesen sein, die zur selben Zeit wie der König da waren: diese dienten dem Heer treu bis in den Tod, so sehr, dass es sich nicht sagen lässt. Es gab auch andere, die wir gewöhnlich Landsknechte nennen, das heißt Diener des Landes, und diese hassen die Schweizer natürlich, so wie die Schweizer sie hassen. Sie kommen aus allen möglichen Gegenden, von oberhalb des Rheins, aus Schwaben; darunter waren auch welche aus der Gegend von Vau lx in Savoyen und aus Geldern‘; d e Commynes (1836; 8. Buch, Kap. 21); hier übersetzt nach der kritischen Ausgabe und ausführlicher zitiert (2001: 648). 56 Allerdings neigt der Autor dazu, dem Niederdeutschen zu viel Gewicht beizumessen. Die Franzosen und das Deutsche 57 bâbord < backboord, bague (‚Ring‘) < bagge , ballast < ballast, 57 bar (‚Barsch‘) < baers, beaupré (‚Bugspriet‘) < boegspriet, bélier (‚Widder‘) < belhamel (bel , ‚Glöckchen‘), 58 bloc < ndl. bloc oder mhd. bloch (‚Klotz‘), mfrz. botequin (‚kleines Metallgefäß‘) < bootkijn, botte (‚Flachsbüschel‘) < bote , boulanger (‚Bäcker‘) < boulenc (ndl. bolle + Suffix –enc ), wallon. bouquette (‚Pfannkuchen aus Buchweizenmehl‘) < bockweit , bourg- mestre < borge(r)meester, butin (‚Beute‘) < buten, buyten (‚ (er)beuten ‘), cabillaud < kabeljau(w), caille (‚Wachtel‘) < quakele ,59 capre (veraltet; ‚Kaperschiff‘), < kaper , coque (‚Heringsfass‘) < kaak (‚Fässchen‘), chaloupe (‚Boot‘, ‚Schaluppe‘) < sloep, crabe < krabbe, crotte (‚Kot‘, ‚Dreck‘) < krotte ,60 dalle (ursprünglich: ‚Regenrinne‘) < dele (‚Diele‘), 61 digue (‚Deich‘) < dijc, drogue (‚Arznei‘) < droog (‚trocken‘), dune < mndl. dune (vgl. ndl. duin ), 62 échoppe (‚kleiner Laden‘) < schoppe, étai (‚Stag‘) < stake, étape < estaple < mndl. stapel (‚Lager‘), estriquier, étriquer (‚verengen‘) < mndl. striken (‚stre - cken ‘), fret (‚Fracht‘) < vrecht, vracht, graver < graven, 63 gripper (ursprüngl.‚sich festhal - ten ‘, heute ‚stocken‘) < mndl. gripen, grommeler (‚brummen‘) < grommen, gruger (ursprüngl. ‚Getreide zermalmen ‘, heute ‚hereinlegen ‘) < gruizen (‚zerdrücken‘), hanse < hansa, havre (‚kleiner Hafen‘) < havene, haler (‚treideln‘, ‚anholen ‘) < halen, happer (‚schnappen‘) < happen, kermesse (‚Jahrmarkt‘) < kerkmisse, mfrz. loman(eur) (‚Lotse‘) < lootsmann, lambrequin (‚Lambrequin‘, ‚drapierter Querbehang‘) < lamperqujn (lamper , ‚Segel‘), lest (‚Ballast‘) < last, mât < mast, matelot (‚Matrose‘) < maatgenot (‚Tischge - nosse ‘), 64 maquereau (‚Zuhälter‘) < makelare (‚Makler‘), 65 plaquer (‚plattieren‘) < placken (ausführlicher hierzu siehe Einleitung, Anm. 60), quille < kiel, quille < ndl. und mhd. kegel, ralingue (‚Seilwerk‘) < ndl. *râr-lik , rame (‚Webrahmen‘) < mndl. rame, raem , (re)nifler < nif (‚Nase‘, vgl. schnüffeln), 66 saur (nur in hareng saur , ‚Bückling‘) < soor, zoor (‚getrocknet‘), stockfisch < stocvisch, tourbe (‚Torf‘) < torf, tribord, stribord (‚Steuerbord‘) < stierboord , tringle, tingle im 14. Jh.(‚Stange‘, ‚Leiste‘) < tingel, vacarme (‚Lärm‘) < wacharme, vague (‚Welle‘) < wâge ,67 varangue (‚Wrange‘) < wrange, vrac (en vrac , ‚lose‘) < wrac, vase (‚Schlamm‘) < mndl. wase ,68 varlope (‚Langhobel‘) < voorloper, vilebrequin (‚Bohrwinde‘) < wimmelkijn .69

57 Nach neueren Erkenntnissen ein ursprünglich skandinavisches Wort, das über das Mittelniederdeutsche ins Französische gelangte (B.K.) 58 Laut TLF umstritten; vgl. auch Picoche (1992). 59 Niederländ. Herkunft umstritten laut TLF; vermutlich eher aus dem onomatopoetischen quaccola . 60 Laut TLF eher aus frk. * krotta . 61 Nach Picoche (1992) aus altnord. daela . 62 Lévy führt hier auch échasse (‚Stelze‘) < schoetze an, das nach neueren Erkenntnissen auf frk. *skakkja beruht. 63 Dem TLF zufolge aus frk. * graban . 64 Tatsächlich zu mattenoot , ‚Bettgenosse‘; vgl. Picoche (1992: 310) und schon Baldinger (1954: 213): „Aus den beiden diskutierten Etymologien fr. matelot < nord. mötunautr „compagnon de table“ und mndl. mattenoot „compagnon de couche“ wird bei L. matelot < maatgenot (= compagnon de table), ein bezeichnendes Beispiel für die Unsorgfältigkeit, mit welcher diese Listen zusammengestellt wurden.“ 65 Lévy führt hier auch miche < micke (‚Weizenbrot‘) an, das nach der neueren Forschung auf vulgärlat. *micca zurückgeht. 66 Nach Picoche (1992) von dem onomatopoetischen Verb nifler abgeleitet. 67 Vgl. hierzu auch Einleitung, 5.3. 68 Geht auf dasselbe Etymon wie gazon zurück; vgl. hierzu Einleitung, 4.3. 69 Angaben nach Valkhoff (1931: 236), ergänzt durch weitere Angaben in Bloch (1932) und Dauzat 58 Kapitel II: 1100-1500

Zahlreiche niederdeutsche Wörter, darunter acre (‚Morgen‘), mouette (‚Möwe‘) nord, sud, est, ouest , gelangten auf dem Umweg über das Englische ins Französische; weitere, ebenfalls noch heute gebräuchliche Wörter drangen über das Italienische ein, vor allem ab dem 14. Jh.: balcon < balcone < balko (vgl. ‚Balken‘), burin (‚Stichel‘, ‚Knebel‘) < bu- rino, bulino (vgl. ‚bohren‘), esquif (‚Boot‘, ‚Kahn‘) < schifo (vgl. ‚Schiff‘), liste (‚Leiste‘) < lista und tremplin (‚Sprungbrett‘) < trempolino (vgl. ‚trampeln‘). 70 Andere Entlehnungen waren dagegen nur zeitweilig in Gebrauch, so wesseil (guessoi, guersoi ) < *wes heill als Trinkspruch, mfrz. esturman (‚Steuermann‘) < stuurman, elin (bei Froissart in der Bedeu- tung von ‚edel‘) < ed(e)ling ; weiter a(l)gier , ‚Gabel zum Fangen der Fische ‘ < aal + ger (‚Speer‘), cuchement < kuski (‚keusch‘), 71 pol (‚Pfuhl‘) < pol , isembrun (eine Art Stoff, aus dem u. a. die Mäntel der Domherren gefertigt wurden) < ahd. *isenbrun, runer (‚raunen‘) < *rûnôn , gandir (‚flüchten‘) < wandjan (vgl. ‚wenden‘), escraper (‚durch Kratzen säubern‘) < *skrapôn ,72 losenge (‚Schmeichelei‘) < *lausinga (vgl. ‚Lüge‘), huese (‚Stiefel‘, ‚Gama - schen ‘) < hosa, froiz (‚Kröte‘) < frosk , sigle (‚Segel‘) < segl, gualt (‚ Wald ‘) < got. walþu-, estour (‚Kampf‘, ‚Angriff‘) < sturm, estrif (‚Streit‘) < *strîd , eschielle (‚Schelle‘) < skella , raise (‚Feldzug‘) < reisa , dru(t) (‚Freund‘) < *druto (vgl. ‚traut‘), esclanche, esclenc (‚links‘) < *slink , eslingue, élingue (‚Schlinge‘) < *slinga , isnel (‚rasch‘) < snel, bacon (‚Schinkenspeck‘) < bakko , espanir (‚entwöhnen‘) < *spannjan, halberc, haubert (‚Ketten - hemd ‘) < *halsberg, gambais, wambais (‚gefüttertes Wams‘) < frk. wamba (vgl. ‚Wampe‘), echiele, esquière (‚Schar‘) < skar(a) , espan(n)e, empan (‚Spanne‘) < *spanna , chane (‚Kanne‘) < canna (vgl. Kap. I, 4.), faide (‚Fehde‘) < *faihiða , guerdon, gardon (‚Belohnung‘) < *widarlon und gorle (‚Geldbörse‘) < *gurdil (vgl. ‚Gürtel‘). All diese Wörter, die teilweise schon früher ins Französische gekommen waren, gerie- ten zwischen dem 12. und 14. Jh. in Vergessenheit; insgesamt verschwanden damals etwas mehr als hundert altfranzösische Wörter germanischer Herkunft, 73 also rund ein Viertel der etwa 450 germanischen Wörter, die im Laufe des ersten Jahrtausends n. Chr. vom Französi- schen aufgenommen worden waren. Einige Entlehnungen hatten als Simplizia nicht Bestand, blieben aber in Ableitungen erhalten: brant (‚großes Schwert ‘) < ahd. brant in brandon (‚brennender Gegenstand‘), brandir (‚eine Waffe, Fahne schwingen‘), brandiller (veraltet für ‚heftig bewegen‘); afrz. buc < frk. * bûk (‚Rumpf‘; vgl. ‚Bauch‘) in trébuchet (‚Feinwaage‘), trébucher (‚stolpern‘, ‚straucheln‘) u. a. Bei anderen änderte sich die Bedeutung. So bedeutete buée < germ. bûkon (bauchen) Jahrhunderte lang ‚Wäsche‘ (h eute: ‚feuchter Beschlag‘ an Fenstern oder Wänden ‘; B.K.), navrer < ahd. narwa (‚Narbe‘) nahm im 16. Jh. die gegenwärtige Bedeu- tung an ( ‚tief betrüben, sehr schmerzlich berühren‘; B.K.), und espieu , épieu (‚Spieß‘) < *speot , ahd. spioz , wurde zu einem Fachausdruck der Wildschweinjagd. Das Wort brelenc < *bretling (vgl. ‚Brett‘), bezeichnete zunächst einen kleinen Tisch für Würfelspiele; bre- lan bedeutet heute einen ‚Dreierpasch‘ beim Pokerspiel. Bordel < borda bezeichnete bis

(1938). 70 Vgl. zu diesen indirekten Entlehnungen auch die bibliographischen Hinweise in Brüch (1926: 97f.). 71 Nach neueren Erkenntnissen entlehnt aus lat. conscius , ‚bewusst‘. 72 Lévy nennt hier auch lefre (‚Lippe‘) < leffur , das im Nfrz. als lèvre erhalten ist. 73 Die meisten hier angeführten Beispiele sind Hopfgarten (1926: 19-76) entnommen, der auch einen Überblick über die verschwundenen Wörter gibt. Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten 59 zum 14. Jh., wo es die gegenwärtige Bedeutung annahm, ein Brett oder eine Hütte aus Brettern. Ähnlich erfuhren auch fourbir (früher u. a. ‚schlagen‘; heute: ‚polieren‘, ‚putzen ‘) gifle (‚Wange‘; heute: ‚Ohrfeige‘), hère (aus ‚Herr‘; heute: ‚armer Teufel‘, lippe (‚Lippe‘; heute nur noch in der Wendung faire la lippe , ‚schmollen‘), radoter (‚träumen‘; heute: ‚faseln‘, ‚schwafeln‘), rosse (‚schlechtes Pferd‘; heute: ‚Klepper‘, ‚Leuteschinder‘) und trinquer (‚trinken‘; heute nur noch: ‚anstoßen‘) eine Bedeutungsverschiebung, nachdem sie gegen Ende des Mittelalters ins Französische gekommen waren. Wir nennen hier nur die geläufigsten, am weitesten verbreiteten Wörter, die schriftlich belegt sind. Eine erheblich höhere Gesamtzahl der Entlehnungen ergibt sich, wenn man auch die Dialekte, insbeson- dere die ost- und nordfranzösischen, einbezieht. So enthält allein Dauzats Dictionnaire étymologique (1938) rund 150 weitere mehr oder weniger häufige Wörter, für die es schriftliche Belege aus der Zeit vor 1500 gibt.

3 Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten

3.1 Im Norden Allgemein ist für den Zeitraum 1100-1500 festzuhalten, dass das Flämische in Nordfrank- reich gegenüber dem Französischen an Boden verlor, in einem Gebiet, das etwa dreimal größer war als das heute flämischsprachige jedoch weiter vorherrschend war. Dieses Gebiet umfasste nicht nur den gesamten nördlichen Teil des Dep. Nord, sondern auch ein gutes Drittel des Dep. Pas-de-Calais mit Ortschaften wie Saint-Omer, Aire, Guines und Calais. Die Sprachgrenze verlief damals bei Aire sur la Lys nicht in nördlicher Richtung, son- dern gerade nach Westen, etwa entlang des 50°45’ Breitengrades bzw. ei ner Linie von Aire-Wizernes, südlich von Saint-Omer, nach Wimile nördlich von Boulogne. Zwischen Saint-Omer und Boulogne entsprach dies einer Linie, die Wizernes, Quelmes, Acquin, Boisdinghem, Sanghem, Boursin, Wierre Effroy, Offrethun, Pernes, Pittefaux und Wimille dem Norden zuordnet (Kurth 1895: 227). 74 Auf Grund zahlreicher Belege lässt sich mit Sicherheit sagen, dass im 13. Jh. nördlich dieser Linie noch im Wesentlichen Flämisch gesprochen wurde, Französisch dagegen nur in Ausnahmefällen. Aus der Verteilung der Toponyme ergibt sich allerdings, dass die germanische Sprachgrenze ursprünglich weit südlicher verlief (Kurth 1895: 399f.). Ab Aire und das gesamte linke Lys-Ufer entlang bis hin zur Quelle des Flusses in Lisbourg, und von dort bis in die Umgebung von Montreuil (Breitengrad 50°30’) kommen germanische Ortsnamen zwar nicht ganz so häufig vor wie diesseits der ‚idealen‘ Linie Saint-Omer – Boulogne, sind jedoch neben mehr oder weniger alten romanischen Toponymen immer noch sehr zahlreich. Auf jeden Fall ist die gesamte Gegend zwischen der Lys und der Meeresküste bis zur Canche 75 als germanisch anzusehen. Im Mittelalter gab es in Nordfrankreich mithin zwei 76 deutlich voneinander geschiedene Zonen, eine nördliche, durch die ‚ideale‘ Linie abgegrenzte, die abgesehen von einigen wenigen romanischen Sprachinseln völlig germanisch war, und eine südliche mit germani-

74 Hierzu jetzt Haubrichs (2003) mit weiteren Hinweisen auf neuere Forschungsliteratur. 75 Fluss im Dep. Pas-de-Calais. (B.K.) 76 Aus heutiger Sicht sogar drei, wenn man bedenkt, dass in der Gegend nordöstlich der Linie Aire – Bourbourg – Mardick noch heute Flämisch gesprochen wird. 60 Kapitel II: 1100-1500 schen und romanischen Toponymen. Am rechten Lys-Ufer sind Siedlungen mit germani- schen Namen seltener vertreten, meist nur in der Nähe des Flusses, außer zum Norden hin, wo sie noch recht zahlreich vorkommen; doch selbst dort sind sie in der überwiegend ro- manischen Toponymie eher die Ausnahme. Die Frage ist nun, wann der Sprachwechsel erfolgte. Östlich der Lys und in der Gegend zwischen Lisbourg, Montreuil-sur-Mer, Boulogne und Aire war er offenbar bereits zu Be- ginn des 12. Jh. vollzogen. In dem Dreieck Aire – Boulogne – Mardick war das Flämische dagegen bis zum Ende des Mittelalters vorherrschend. Einen ersten Anhaltspunkt liefert uns die Toponymie; germanische Namen haben in diesem Gebiet nicht nur Städte und Dörfer, 77 sondern auch Orte mit Flurnamen und Straßen. In mehreren Quellen aus dem 14. und 15. Jh. sind für Saint-Omer Straßennamen wie Arquestraet (‚Stra ße nach Arques ‘78 ), Wackestraet (‚Stra ße am Wachtposten ‘), Becquestraet (‚Stra ße am Bach ‘) belegt; die Ufer- straßen heißen stade . Die Toponymie der gesamten, heute frankophonen Gegend westlich der Aa mit dem Zentrum Saint-Omer war damals im Wesentlichen germanisch (Courtois 1856: 7ff.). Dieser Befund ist auch durch ein Dokument der Abtei von Beaulieu (Kanton Marquise, Dep. Pas-de-Calais) aus dem Jahr 1286 belegt. Es ist in französischer Sprache verfasst und zeugt von dem Bemühen des Verfassers, die Namen so weit wie möglich ins Französische zu übersetzen; doch aus der Tatsache, dass die germanischen Namen bei wei- tem in der Überzahl sind, lässt sich wohl schließen, dass die Bevölkerung damals noch Flämisch sprach. Die Bewohner dieser Ortschaften bildeten vermutlich keine Sprachinsel inmitten einer frankophonen Bevölkerung; daher kann davon ausgegangen werden, dass die gesamte Gegend zwischen Beaulieu und der gegenwärtigen flämischen Grenze seinerzeit von Flamen bewohnt war. Doch auch weiter südlich kommen noch flämische Ortsnamen vor; so sind in einem Register der Ländereien der Abtei Saint-Wulmer (Boulogne) aus dem Jahr 1505 zahlreiche flämische Orte mit Flurnamen für die in der Umgebung der Stadt liegenden Ortschaften Outreau, Wimille und Saint-Martin verzeichnet. Dort wurde damals nicht mehr Flämisch gesprochen, doch kann der Sprachwechsel noch nicht sehr lange zurückgelegen haben, wenn die Spuren in der Toponymie noch so zahlreich vorhanden waren. Das ist vor allem deshalb aufschlussreich, weil in Boulogne selbst zu dieser Zeit bereits sämtliche Spuren des Flämischen verschwunden waren. In Calais und der gesamten Umgebung der Stadt, die weit näher an der gegenwärtigen Grenze liegt, wurde damals nur Flämisch gesprochen, ebenso wie in der Gegend um Dünkirchen. Für die ebenfalls noch überwiegend flämischsprachige Gegend von Hazebrouck gibt es ab dem 13. Jh. Hinweise auf den allmählichen Übergang zum Französi- schen (Kurth 1898: 222ff.). Auch aus anderen Quellen geht hervor, dass das Flämische seinerzeit vorherrschte. Lambertus von Ardres schildert in seiner Chronik (1879: 601f., 605) die Gegend um Guines als völlig flämischsprachig und stellt die flämischen Bewohner wiederholt den Franzosen

77 Ein Blick auf eine heutige Landkarte genügt, um festzustellen, wie häufig noch germanisch klingende Ortsnamen mit Konstituenten wie acre (Acker), bert und berg , brique (Brücke), brunne und bronne (Brunnen), hove (Hof), dal (Tal), kerk (Kirche) sind, ganz zu schweigen von den zur Zeit der Land- nahme entstandenen Toponymen auf ing, inghem, hem, lar, thun usw. 78 Dorf südöstlich von Saint-Omer. Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten 61

(„Francigenae“) gegenüber, die für ihn ganz offensichtlich Fremde sind. Noch deutlicher wird dies in der Chronik des Willelmus, der ebenso ständig zwischen Franzosen und Fla- men unterscheidet; die Grafschaft Guines muss demnach von Flamen bewohnt gewesen sein. 79 Die Mönche, die aus Charroux (Poitou) in die Abtei von Ardres gekommen waren, galten dort als Fremde: „utpote qui propter linguam dissonantium eis videbatur“. 80 Hohes Ansehen genoss, wer zweisprachig war und zudem womöglich auch Lateinisch konnte. So wurde Jean, der Kanonikus von Mont-Saint-Eloy, 1099 aus eben diesem Grund von den Äbten der Diözese Thérouane zum Bischof gewählt („lingua latina, romana et theutonica adprime eruditum“); ähnlich wurde 1124 ein Mönch der Abtei Saint-Bertin (in der Nähe von Saint-Omer ) auf Grund seiner Sprachkenntnisse zum Abt gewählt („lingua theutonica disertum“). 81 Auch zahlreiche Klauseln in Gesetzen und im Gewohnheitsrecht, die in französischer Sprache niedergeschrieben sind, zeugen von der Stellung des Flämischen als Alltags- sprache. So heißt es im Gewohnheitsrecht von Saint-Omer (1509): „ses majeur et eschevins ont accoustumé faire randigier leurs dicts sentences criminelles en langaige flamang“. 82 Wie Willelmus von Ardres bezeugt, fanden Gerichtsverhandlungen in seiner Gegend in flämischer Sprache statt: Ex consuetudine quoque patriae nostrae in curia nostra, per singulas quindenas, hu- manas leges et judicia mundana constat exerceri quae omnia non, nisi flandrensi idiomate, discuti debent et terminari.83 Amtliche Schriftstücke wurden jedoch stets in französischer Sprache verfasst, auch in Calais, Dünkirchen, Cassel und selbst in Saint-Omer, wo die Bevölkerung zu dieser Zeit großenteils flämisch war. Wenn für Schriftstücke nicht das Lateinische verwendet wurde, sind diese stets in französischer Sprache verfasst; das trifft etwa auf eine Urkunde des Ka- pitels von Saint-Omer (um 1159-1169), eine Schöffenurkunde von 1221 und die Statuten der Hanse von Saint-Omer (1224) zu. Wenn man nur diese Belege heranzieht und andere, nicht minder aussagekräftige Quellen außer Acht lässt, liegt der Fehlschluss nahe, Saint- Omer sei zu dieser Zeit bereits vollständig franzisiert gewesen. Ähnliches gilt für alle ande- ren Städte Flanderns im Norden, aber auch für den Osten, Luxemburg und Lothringen; bekanntlich ist die offizielle Sprache allein kein zuverlässiges Kriterium (Lévy 1929: I, 167-171). In den gebildeten Führungsschichten verbreitete sich die französische Sprache jedoch schon ab dem 12. Jh. Wohl tauchte das Flämische im 14. Jh. wieder häufiger in amtlichen

79 Willelmi chronica Ardrensis (um 1229), die Chronik der 3 km östlich von Guines gelegenen Abtei von Ardres (Willelmus 1879). 80 ‚wie es ihnen ja wegen der Sprache aus misstönenden Lauten erschien ‘. 81 ‚in der lateinischen, romanischen und deutschen Sprache vorzüglich gebildet ‘; ‚redegewandt in der deutschen Sprache ‘; Willelmus (1879); zit. n. Courtois (1856: 15, 51). Kurth (1895: 233ff.) führt wei- tere Zitate aus der Chronik von Ardres an, die den germanischen Charakter der Gegend belegen. 82 Artikel 6: ‚Die Verwalter und Schöffen verfassen ihre vorgenannten Strafgerichtsurteile gewöhnlich in flämischer Sprache ‘; zit. n. Courtois (1856: 9). 83 ‚Auch aus der Gewohnheit unseres Vaterlandes pflegen in unserer Kurie alle zwei Wochen menschliche Gesetze und weltliche Urteile ausgeübt zu werden, die alle ausschließlich in flämischer Sprache verhan- delt und abgeschlossen werden müssen ‘; zit. n. Courtois (1856: 14). 62 Kapitel II: 1100-1500

Dokumenten auf, doch setzte sich das Französische ausgehend vom Adel und dem städti- schen Bürgertum immer weiter durch, und gegen Ende des Mittelalters waren die flämi- schen Städte in Nordfrankreich zweisprachig, wobei sich eine Tendenz zur allmählichen Franzisierung abzeichnete (Kurth 1898: 72ff.).

3.2 Im Osten Während das Germanische in dem flämischsprachigen Gebiet nördlich der Linie Aire- Boulogne noch deutlich dominierte und das Romanische sich weiter ausbreitete, war die Situation in Elsass-Lothringen ungleich stabiler. Dort änderte sich der Verlauf der Sprach- grenze, wie sie gegen Ende des ersten Jahrtausends n. Chr. bestand, nur unwesentlich; 84 einige Dörfer wurden deutschsprachig, andere frankophon. Für die rein frankophone Stadt Metz sind einige Spuren deutschsprachiger Einwanderer und Deutschkenntnisse der Bewohner nachgewiesen, während für die Nachbarstadt Thion- ville der umgekehrte Befund zutrifft. 1347 bzw. 1460 hatten die zuvor romanischen Ort- schaften Audun-le-Tiche und Aumetz Ortsnamen mit germanischen Flurnamen. In dieser Zeit ging auch eine geschlossene Gruppe von Dörfern, am rechten Mosel-Ufer gegenüber von Hagondange gelegen, zum Deutschen über, ebenso vereinzelte Dörfer bis hin zu den Vogesen; die deutsche Sprache verbreitete sich im oberen Münstertal und im ganzen Südelsass nahe der Schweizer Grenze (Lévy 1929: I, 151-189). Am Westhang der Vogesen betrieben deutschsprachige Elsässer zu dieser Zeit bereits Weidewirtschaft und besiedelten die höher gelegenen Teile der Täler. Die Ortschaften La Bresse und Ventron hießen im 15. Jh. Walle/Wolle bzw. Winteraw . Im Übrigen weisen sämtliche lothringische Mundarten Spuren der germanischen Nachbarschaft auf (Bloch 1917; Kiesel 1918; Boyé 1903). Wirklich bedeutsam wurde das Deutsche in dieser Gegend jedoch erst ab dem 16. Jh.

84 Zum Verlauf der Sprachgrenze im Pays Messin siehe jetzt Haubrichs (1993) mit Hinweisen auf die neuere Forschung.

Kapitel III: 1500 – 1650

Zu Beginn der Neuzeit wurden die deutsch-französischen Beziehungen intensiver, und die deutsche Sprache verbreitete sich stärker in Frankreich. Im Zuge der Entwicklung des Buchdrucks1 erschienen die ersten Wörterbücher und Grammatiken für Franzosen, die die Sprache des Nachbarn erlernen wollten, und Sprachführer für Deutsche, die nach Frank- reich reisen wollten. Die Kriege, die im In- und Ausland von den französischen Königen geführt wurden, erforderten immer mehr Soldaten. Auch Kaufleute, Arbeiter und Studenten kamen in großer Zahl aus Deutschland, und mit ihnen ein neuer Schub deutscher Wörter, besonders der Militär- und Wirtschaftssprache. Die französischsprachige Grafschaft Mont- béliard (Mömpelgard) war im 15. Jh. in deutsche Herrschaft übergegangen;2 dagegen gerie- ten im 17. Jh. Teile des Elsass und Lothringens stärker unter französischen Einfluss. All dies hatte erhebliche sprachliche Auswirkungen.

1 Die Deutschen in Frankreich

1.1 Prinzessinnen Auch in diesem Zeitraum wurden deutsche Prinzessinnen mit Franzosen vermählt, so Amalie von Hessen-Kassel mit Henri de la Trémoille und Elisabeth von Österreich mit Karl IX. Über das Eingreifen der letztgenannten nach der Barthomoläusnacht berichtet Lucas Geizkofler, der damals in Paris studierte, in seiner Selbstbiographie:3 Als die fromme Königin Elisabetha geborne Erzherzogin von Österreich durch ihren Caplan, Hörmann von Manz genannt, solches zum teil [die Nachricht von dem Mas- saker] vernommen und besorgt, es möchte dieser Jammer auch über die Teutschen, darunter nit wenig österreichische Unterthanen waren, ergeen: hat sie begehrt zum König in Frankreich ihrem Ehegemachel zu kommen, welchen sie mit einem fuesfall und herzlichem weinen gebeten, ferner blutvergießen abzuschaffen, damit die un- schuldigen mit den schuldigen nit umkommen. Aber der König gab ihr kein antwort, sondern sagt allein diese wort zu einem seiner Kammerherrn: heiße die teutsche Göttin aufsteen und in ihr Zimmer geen.

1 Zur führenden Rolle des Elsass in der Frühphase des Buchdrucks siehe jetzt Hartweg (2003: 2779f.). 2 Durch die Heirat des Grafen Eberhard IV. von Württemberg mit Henriette de Montfaucon, Gräfin von Montbéliard, kam die Grafschaft unter deutsche Herrschaft und stand dann bis kurz nach der Franzö- sischen Revolution unter württembergischer Verwaltung. Ausführlicher hierzu siehe Glück (2002: 240f.); vgl. auch Kap. IV, 2.2.2 und 3.3; Kap. V, 3.3; Kap. VI, 3; Kap. VII, 2.4.6. 3 Geizkofler (1892: 65f.); hier zit. n. Wolf Hg. (1873: 48). Über die Ausreisewelle nach der Bartholo- mäusnacht berichtet Geizkofler (1873: 62): „An solchem tag [dem 5. September 1572] hat Geizkoflers wirt oder Patron einen königl. Secretarium, in dessen expedition die paßbrief zu fertign waren, zu gast gehalten, der ihm allerley particularia und unter andern auch erzälet, daß er den Teutschen bey 1500 paßbrief gefertigt, deren ihm einer in den andern bey 8 kronen getragen, darfür er der Teutschen Frey- gebigkeit zu danken.“ – Siehe jetzt auch Schweizer (1976).

64 Kapitel III: 1500 – 1650

Die deutschen Prinzessinnen, die nach Frankreich geheiratet hatten, brachten sämtlich ein ganzes Gefolge von Geistlichen, Rittern, Pagen, Gesellschaftsdamen usw. mit ins Land. 4

1.2 Adlige Die Dienerschaft der deutschen Botschafter, Gesandten und Prinzen, die in Paris oder an- dernorts in Frankreich lebten, bestand häufig aus Deutschen. Auf ihren Reisen waren Deutsche vielfach von Landsleuten begleitet, so kam der Pfalzgraf von Simmern 1637 mit einem Gouverneur, einem Edelmann, zwei Pagen, einem Kammerdiener und zwei Lakaien nach Frankreich (Mathorez 1921: 43, 117). Junge deutsche Adlige kamen im 16. Jh. mehr als zuvor ins Land, unter anderem nach Paris und in die Touraine, um sich weiter zu bilden und die feinen Manieren zu erlernen. Zu dieser Zeit setzt die Tradition der so genannten Kavalierstour ein, die alle jungen Deutschen von Stand absolvieren mussten; sie erhielt sich bis zur französischen Revolution. Die jungen Leute kamen zuweilen in größeren Gruppen, hielten sich einige Zeit in Straßburg auf, um dort die Anfangsgründe des Französischen zu erlernen, und reisten dann weiter ins Landesinnere. Geizkofler (1873: 32) berichtet, 1572 habe er von dem Grafen von Manderscheid ein Pferd als Geschenk erhalten und sei darauf „neben anderen sechs u nd zwanzig vom Adel, mehrentheils Meißner und Schlesier, so auch zu Straßburg studiert hatten, nach Frankreich geritten“. Auch ein Beispielsatz in dem rund 60 Jahre später erschienenen deutsch-französischen Gesprächsbuch des Straßburgers Daniel Martin verw eist auf diese Praxis: „Il arriva hier une troupe d’escoliers de Lipsic, qui ont aussi envie d’aller en France“.5 Zahlreiche berühmte Männer und Vertreter der besten Adelskreise kamen für längere oder kürzere Zeit nach Frankreich. 1516 war Franz von Sickingen nach Blois gereist, wo damals Franz I. residierte; Ulrich von Hutten folgte ihm ein Jahr später. 6 Nach Orléans kamen Herzöge von Württemberg, Prinzen von Jülich-Kleve, Markgrafen von Branden- burg, Angehörige der Familien Seckendorff, Mansfeld, Solms, Falckenstein, Metternich, Bennigsen, Bülow, Roon und Bismarck (Fournier 1888: 10). In den Registern der lutheri- schen Kapelle der schwedischen Botschaft in Paris sind um die Mitte des 17. Jh. u. a. die Namen Hohenlohe, von der Goltz, von Polentz und Bismarck verzeichnet. Herzog Christoph von Württemberg verbrachte in seiner Jugend acht Jahre am Hof von Franz I.; die hessischen Landgrafen Friedrich und Wilhelm IV. bereisten Frankreich ebenfalls. Viele Adlige schickten auch ihre Söhne nach Frankreich; so hielt Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz sich in Nancy auf, und nach ihm seine drei Söhne. Ebenso reisten Moritz Landgraf von Hessen und seine beiden Söhne nach Frankreich; die Söhne Karls I. wurden nach Dôle (1562) geschickt, die des Pfalzgrafen Friedrich von Simmern an den Hof (1556) bzw. nach Bourges. 7 Auch unter den Offizieren der deutschen Truppen in Frankreich und den

4 Auch in rein französischen Häusern gab es Gesellschaftsdamen deutscher Herkunft. Erinnert sei hier nur an die Geschichte des Simplicissimus, der „von einer alten adeligen Dame“, einer Deutschen im Dienste einer adeligen Pariserin, empfangen wird: „Diese hie ß mich in teutscher Sprach sehr höflich willkomm sein“ (Grimmelshausen 1956: 313). 5 ‚Gestern kam hier e in Trupp Schüler aus Leipzig an, die auch nach Frankreich reisen möchten ‘; Martin (1642: 56). 6 Beide waren allerdings in erster Linie aus politischen Gründen gekommen, weniger zu ihrem Ver- gnügen. 7 Die Liste ließe sich mühelos verlängern; vgl. Mathorez (1921: 39ff.); Brunot (1933: V, 278-291, 312); Die Deutschen in Frankreich 65 deutschen Studenten, die an französischen Universitäten immatrikuliert waren, waren zahl- reiche Adlige.

1.3 Soldaten Bereits unter Karl VIII. (1483-1498) und Ludwig XII. (1498-1515) kamen ständig Soldaten aus Deutschland ins Land; ihre Zahl stieg unter der Herrschaft von Franz I. (1515-1547) weiter an. Deutsche und Schweizer Söldner, Katholiken wie Protestanten, spielten in den Religionskriegen der 2. Hälfte des 16. Jh. eine besonders wichtige Rolle. Im Dreißig- jährigen Krieg kamen dann deutsche Truppen als Verbündete nach Frankreich; so gab es im gesamten Zeitraum 1500-1650 ein nahezu ständiges Hin und Her deutscher Truppen. Von den bekannteren Offizieren sind hier insbesondere zu nennen Wilhelm von Fürstenberg, Oberst Reinach, die Schweizer Obersten Hans Juncker, Heinrich Kaldschmidt, Anton von Salis (im Zeitraum 1515-1547); für die Zeit der Religionskriege weiter die Preußen Kaspar von Dörnberg und Burggraf Dohna, der Sachse Caspar von Schönberg 8 (1540-1599), Christoph von Roggendorf, Graf Johann Philipp von Daun und Oberst Se- bastian Vogelsberger. Die drei letztgenannten gehörten zu den zahlreichen politischen Flüchtlingen, die sich nach der Schlacht bei Mühlberg (1547) der Rache Karls V. entziehen wollten. Im Dreißigjährigen Krieg kamen unter anderem Graf Josias von Rantzau aus Holstein (1609-1650), der als erster Gouverneur von Dünkirchen (1645) wertvolle Dienste leistete, weil er Deutsch und Flämisch sprach; weiter der Pfälzer Balthazar, der nach 1634 im Heer des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar für Frankreich kämpfte und 1651 zum Feldmarschall ernannt wurde; Heinrich und Karl Schomberg, Sohn bzw. Enkel des oben genannten Kaspar von Schönberg; Wilhelm von Nassau-Saarbrücken; Johann von Rosen, Johann von Streiff und der Schweizer Oberst Johann Ludwig von Erlach (Fieffé 1854: I, 29, 57, 76, 139ff.; Barthold 1848: 19, 44ff.). Manche zogen nur durch Frankreich, andere blieben viele Jahre lang oder ließen sich wie die Schombergs endgültig dort nieder. Manche Deutsche, die den französischen Köni- gen gute Dienste geleistet hatten, wurden im Lande gehalten. Franz I. verhielt sich sehr großzügig gegenüber den Anführern der deutschen Reiter und Landsknechte, und Heinrich II. verlieh Christoph von Roggendorf das Marquisat der Iles d’Or. 9 Beide Könige waren bemüht, selbst einfache Soldaten nach dem Ende ihrer Dienstzeit zum Verbleib zu bewe- gen. Zunächst einige Zahlenangaben zu den deutschen Truppen. Ludwig XII. verfügte be- reits zu Beginn des 16. Jh. über eine deutsche Infanterie mit 8.000 Mann. Dass etliche deutsche Kontingente an der Schlacht bei Pavia (1525) beteiligt waren, ist schon an der Zahl der Gefallenen abzulesen. 1527 wurde das Heer in Italien mit 6.000 Mann unter Führung des Grafen von Vaudémont verstärkt; 1535 brachte Wilhelm von Fürstenberg 6.000 weitere Soldaten, 1537 noch einmal 4.000 ins Land. 1542 wurde das in der Picardie stehende Heer durch 4.000 Landsknechte verstärkt. 1547 ließ Heinrich II. 4.000 deutsche Reiter kommen; fast die Hälfte der Soldaten im Feldzug nach Metz 1552 war deutscher Herkunft. Ein Jahr später zählte man etwa 20.000 Landsknechte im Heer Heinrichs II. Bei

Barthold (1848: 194). 8 In Frankreich wurde er unter dem Namen Schomberg berühmt. 9 Das Marquisat bestand aus den Mittelmeerinseln Levant, Port Cros und Bagaud. (B.K.) 66 Kapitel III: 1500 – 1650 der Belagerung von Calais (1588) bestand die Armee noch immer großenteils aus Deutschen. In der Schlacht von Dreux (1562) gab es in beiden Armeen ein so zahlreiches Kontingent von Deutschen, dass Condé es für nötig hielt, seine Ansprache an die Soldaten ins Deutsche übersetzen zu lassen. Sieben Jahre lang, von 1589 bis 1596, lag in Bordeaux ein ganzes Regiment von Landsknechten in Garnison. Auch im frühen 17. Jh. (1617, 1623 und 1641) brachten Heinrich und Karl von Schomberg deutsche Truppen auf, ebenso wie Wilhelm von Nassau-Saarbrücken, J. von Rantzau und andere. Die Deutschen stellten indessen nur einen Teil, möglicherweise nicht den größten, der Deutschsprachigen in Frankreich, 10 denn seit der Herrschaft Ludwigs XI. kamen ständig neue Schweizer Truppen ins Land. Bereits 1524 waren es mehr als 50.000, und Franz I. ließ noch weitere 10.000 kommen. Von 1537 bis 1543 gab es 40.000 Schweizer in den Armeen des Roussillon, der Picardie und Italiens. Heinrich II. schloss mit den Kantonen einen Ver- trag über die Aushebung von 6.000-16.000 Soldaten; unmittelbar danach holte er 12.000 Schweizer nach Frankreich. Zwischen 1480 und 1598 veranlassten die französischen Könige 45 Aushebungen in der Schweiz, insgesamt für etwa 300.000 Mann. Auch im 17. Jh. stellte die Schweiz noch zahlreiche Regimenter; 1616 bildete Ludwig XIII. die Schweizer Garde, die zu seinen Diensten stand, und 1640 dienten insgesamt 20.500 Schweizer in Frankreich.

1.4 Studenten Deutsche Studenten kamen weiter in großer Zahl, selbst im Dreißigjährigen Krieg, nach Frankreich, in erster Linie natürlich nach Paris, wo Anfang des 16. Jh. unter anderem die jungen Humanisten Johann Sapidus (Witz), Beatus Rhenanus, Johann Sleidanus, 11 Jakob Sturm von Sturmeck 12 und Johann Sturm studierten, 13 die im Elsass später Berühmtheit erlangten. In den späteren Matrikelbüchern der Pariser Universität sind u. a. Gessner aus Zürich, Fugger aus Augsburg und Constantin Huyghens, der Sohn des berühmten Physi- kers, verzeichnet. 14 Für das Jahr 1501 ist bekannt, dass in Paris etwa zehn deutschsprachige Studenten allein aus Schlettstadt und Umgebung studierten. Auch aus der Schweiz kamen zahlreiche Studenten. 15 Über die deutschen Studenten berichtet Geizkofler (1873: 33f.): Es waren dazumal über die 1500 teutsche Scholaren fürnemlich darum gen Paris kommen, die erwähnte hochzeit [die Vermählung Heinrichs von Navarra 1572] zu sehen; als sie aber spüreten, daß darbey und hierauf ein sondere gefar zu befürchten,

10 Dazu kamen im gesamten Zeitraum sicher noch die Flamen, die von Niederdeutschen kaum zu unterscheiden waren. Unter Ludwig XII. bildeten die flämischen Soldaten ein eigenes Korps, dessen 400 Mann starke Schützengarde sich in der Schlacht bei Ravenna (1512) auszeichnete. 11 Nach Budinszky (1876: 143) handelt es sich hier um Johann Philippson, geboren in Schleiden/Eifel. (B.K.) 12 Jakob Sturm (1489-1553), bei Budinzsky (1876) nicht erwähnt, holte Johann Sturm nach Straßburg. (B.K.) 13 Vgl. Budinszky (1876: 143); Johann Sturm, ebenfalls in Schleiden geboren, lebte von 1507-1589. (B.K.) 14 Hier liegt vermutlich eine Verwechslung vor: Constantin Huyghens (1596-1687) war der Vater des Physikers Christiaan Huyghens (1629-1695). (B.K.) 15 Vgl. Chatelain (1891); Budinszky (1876: 115ff.); darin S. 115-163 das Verzeichnis der Namen deutscher Studenten (einschließlich der Schweizer), S. 164-178 das der niederländischen. Die Deutschen in Frankreich 67

seind ihrer viel gen Orliens und Burgis oder Biturigis [Orléans und Bourges] gezo- gen. Deutsche Studenten waren an der Universität Orléans, der einzigen französischen, an der römisches Recht gelehrt wurde, zahlreich vertreten; gemeinsam mit den Schweizern und Niederländern bildeten sie dort eine ‚deutsche Nation‘.16 Im 16. Jh. studierten jährlich etwa 200 Deutsche in Orléans, außer in der Zeit des Bürgerkriegs; bereits 1599 waren es erneut fast 130. Die Namen deutscher Studenten in den Archiven der ‚deutschen Nation‘ an der Universität Orléans sind so zahlreich, dass Mathorez (1919-1921) von einer genauen Zählung Abstand nahm.17 Die große Zahl der Deutschen in Orléans wurde von Reisenden, die damals durch die Stadt kamen, immer wieder kommentiert; so notierte der Basler Felix Platter: ‚Was hier besonders auffällt, ist die große Zahl deutscher Studenten (Fürsten, Gra- fen, Edelleute) an der Universität, im Allgemeinen sind es zwei- bis dreihundert ‘.18 Der Thüringer Justus Zinzerling (Jodocus Sincerus), der Frankreich von 1612 bis 1616 bereiste, war der Meinung, der genius loci von Orléans trage zur Beliebtheit der Stadt unter den deutschen Studenten bei, und bedauerte die Weigerung mancher Studenten, sich im Register der ‚deutschen Nation‘ einzutragen, der ‚Republik der Landsleute‘.19 1646 be- merkte François Le Maire in seinen Antiquités d’Orléans , die ‚ausgezeichnete deutsche Nation [...] zeige sich hier in ihrem unvergleichlichen Ruhm und alten Glanz ‘.20 Auch in Bourges studierten Deutsche, so 1560 sechs Studenten aus dem fernen Schle- sien. 21 Nach Angers, wo es eine Pro menade namens „Pré aux Allemands“ gab, kamen viele nicht nur wegen der Universität, sondern auch wegen der Reiterakademie, an der Deutsche 1601-1635 die Mehrheit der ausländischen Schüler stellten. ‚Die Schönheit des Ortes und die günstigen Preise locken zahlreiche Deutsche, Belgier und Engländer nach Saumur ‘, berichtet J. Sincerus (1859: 117). Einem Album amicorum des Tanzmeisters Le Puy aus Saumur zufolge erhielten im Zeitraum 1625-1642 118 Schüler aus Deutschland, Österreich und Russland Tanzunterricht in Saumur (Joubert 1889: 4f.), vornehmlich Deutsche, die sich teilweise sogar in deutscher Sprache einschrieben. Deutsche Studenten der Medizin scheuten die lange Reise bis nach Montpellier nicht. Die Brüder Platter erwähnen in ihren Erinnerungen zahlreiche deutschsprachige Studenten, mit denen sie in Montpellier Umgang pflegten. F. Platter wohnte dort bei einem Apotheker, bei dem der Straßburger Johann Odratzheim als Gehilfe arbeitete (Platter 1895: 263, 271ff.). Sincerus berichtet von einem anderen Apotheker in Montpellier namens Laurent Castellan, der ständig deutsche Kundschaft hatte (Sincerus 1859: 192).

16 Die Schweiz und die Niederlande gehörten im 16. Jh. noch zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (B.K.). 17 Mathorez (1919: 104); (1921: 23); die 350 in Orléans immatrikulierten Schweizer sind darin namentlich genannt. Siehe hierzu auch Brunot (1933: V, 293). 18 Platter (1895); die Seitenangabe fehlt. 19 „In hanc civium suorum veluti Rempublicam“ (Sincerus (1627/1859: 58, 62f.). 20 Zit. n. Süpfle (1886-1890: I, 241; Anm. 100). – Die Histoire et antiquitez de la ville et duché d’Orléans von François Le Maire erschien zuerst 1645 in Orléans (B.K.). 21 Ein literarisches Zeugnis ist die Complaincte des Allemans de Bourges récitée par la Déesse Mémoire (Marot 1920: 512f.). 68 Kapitel III: 1500 – 1650

Auf der Reise nach Südfrankreich machten viele Deutsche Halt in Lyon, die Brüder Platter ebenso wie Sincerus, der ‚in Lyon mehrere Deutsche und vor allem den Dänen Peter Eisemberg ‘ kennenlernte (1859: 259). Über Tours berichtet er, die Deutschen seien dort so zahlreich, dass die Besitzerin einer Herberge scherzhaft ‚die Mutter der Deutschen‘ genannt werde (Sincerus 1859: 112), und noch mehr seien es in Poitiers gewesen: ‚Wenn du den Winter in dieser Stadt verbracht hast, hast Du bestimmt mit so viel Landsleuten Bekanntschaft geschlossen, dass du nicht nur fürchten musst, keine Fortschritte mehr im Französischen zu machen, sondern sogar das Gelernte wieder zu vergessen. Geh fort von dort! ‘ (Sincerus 1859: 154). In der kleinen Stadt Dôle, die seit 1423 eine Universität hatte, waren die Flamen so zahl- reich, dass sie 1561 eine ‚Nation‘ bildeten, doch kamen auch Studenten aus Deutschland, unter anderem aus Freiburg, Köln, Speyer und Regensburg, die offenbar sehr enge Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung pflegten. Geizkofler (1873: 86f.) berichtet sehr an schaulich über „mi ßbräuch bei den Scholaren zu Dol“, die man abzuschaffen suchte: Diese pflegten nemlich alle tag ein stund oder zwey zu etlicher Inwoner Töchtern zu kommen unter dem schein, die französische sprach bey ihnen zu lernen und zu üben; aber es haben vielfältige exempla zu erkennen gegeben, wie gefährliche ärgerliche sachen, kuplereyen und unzucht sich bey solcher gelegenheit unter ihnen zugetra- gen. Man hat aber durch das mandat nit alles verboten, sondern der präsident und Rector vergunneten, daß die Scholaren fürnemer Consilier und anderer officiert Töchter in beysein ihrer mueter ein stündlein nach dem essen sich zu einer höfli- chen, ehrlichen conversation besuechen dörften, welche Töchter und Jungfrauen hernach Maetreses [Maîtresses] i. e. Magistrae genannt worden, denen ein jeder teutscher Scholar monatlich ein pfund zucker gleich für ein lehrgeld verehrt, und in einem viertel Jar ein tanz gehalten, so bey 6 kronen kostet. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden auch zärtliche Worte ausgetauscht, und so manches deutsche Wort mag auf diese Weise in den Wortschatz der Einwohner von Dôle gekommen sein. Mehr als einer dieser Studenten nahm seine ‚magistra‘ zur Frau und blieb in der Stadt. Auch andernorts blieben junge Deutsche nach ihrem Studium in Frankreich; so studierte Heinrich Rihener in Montpellier, heiratete im Languedoc und ließ sich in Salers (Auvergne) nieder; sein Bruder folgte ihm nach. Sincerus traf in Nîmes auf ‚einen sehr gelehrten Mann, Professor Christian Pistorius, aus Deutschland gebürtig ‘, und schloss in Avignon Freund- schaft mit dem Arzt Heinrich Bachmann 22 (Sincerus 1859: 197, 234). Viele ehemalige Studenten kehrten nach einigen Jahren als Professoren der Rechts- oder Geisteswis- senschaften bzw. der Medizin oder auch als Erzieher nach Frankreich zurück.

1.5 Lehrer Im 16. und 17. Jh. lehrten etliche Deutsche an Kollegien und Universitäten oder waren als Erzieher tätig. Horstanes, der Hauslehrer Montaignes, ist vermutlich das bekannteste Bei- spiel. Montaigne selbst berichtet dazu:

22 Möglicherweise der um 1592 geb. Schweizer Hans Heinrich Bachmann (B.K.). Die Deutschen in Frankreich 69

Mein Vater fand dafür eine Abhilfe, indem er mich schon im Säuglingsalter und be- vor sich meine Zunge zu lösen begann einem Deutschen anvertraute, der später als berühmter Arzt in Frankreich starb; er war unserer Sprache völlig unkundig, aber höchst bewandert in Latein. Dieser Mann, den mein Vater eigens hatte kommen las- sen und den er reichlich entlohnte, trug mich ständig auf den Armen. 23 Montaigne lernte bekanntlich Deutsch, denn sein „reichlich entlohnter“, des Französischen „völlig unkundiger“ Lehrer sprach mit seinem jungen Schüler sicher nicht nur Lateinisch. Später unterrichtete Horstanus am Collège de Guyenne in Bordeaux. Im Übrigen war dies kein Einzelfall: Der Schlesier Daniel Tilenus (1563-1633) war Erzieher von Henri Louis Chasteigner de Laroche Posay (1577-1651), der später Bischof von Poitiers wurde, und des jungen de Laval, bevor er Theologie am Kollegium von Sedan lehrte. Georg Henichau aus dem schlesischen Neiße erzog die Kinder des Admirals de Coligny. Oswald Schwend war 1607 Hauslehrer in der Pariser Familie Lecocq; einige Jahre später (1621) war Friedrich Spanheim (1600-1649) Erzieher in der Familie von Jean de Bonne, Baron von Vitrolles und Gouverneur von Embrun (Dauphiné). Johann Sleidanus gehörte zum engsten Freundeskreis von Jean du Bellay, dem Onkel des Dichters. Andere Deutsche wurden durch ihre Schüler berühmt, so Melchior Wolmar, 1497 im schwäbischen Rottweil geboren, der nach Studien in Paris und Orléans Erzieher von Théodore de Bèze 24 war und Jean Calvin Griechisch lehrte. Griechisch unterrichtete auch der Straßburger Jakob Sturm, und zwar 1531 an der Sor- bonne. Johann(es) Winter von Andernach (1505-1574), sein Kollege an der Medizinischen Fakultät, führte die Anatomie als Studienfach ein und war Leibarzt von Franz I. Andere Deutsche lehrten in Bourges, Angers und Valence. Mehrere Quellen belegen, dass an verschiedenen Kollegien und Schulen, etwa in Nîmes gegen Ende des 16. Jh., Deutsche als Lehrer tätig waren (Mathorez 1921: 36f.). Unterrichtssprache war natürlich das Lateinische; die deutschen Lehrer hatte man ge- rade wegen ihrer Kenntnis der alten Sprachen ins Land geholt. Vermutlich haben sie in den Städten, wo sie als Lehrer tätig waren, bzw. in den Familien, bei denen sie lebten, zumin- dest gelegentlich auch ihre Muttersprache unterrichtet; abgesehen von dem Fall Montaignes ist dies allerdings nicht belegt.

1.6 Kaufleute Im Zuge des weiteren Ausbaus der französisch-deutschen Handelsbeziehungen kamen zahlreiche Kaufleute und Handwerker aus Deutschland, der Schweiz und Holland nach Frankreich. Sämtliche Könige, von Franz I. bis Ludwig XIII., gewährten insbesondere den Kaufleuten der Hansestädte Abgabenfreiheit und damit weitgehende Handelsfreiheit in Frankreich. Geschlossene Gruppen deutscher Kaufleute ließen sich in manchen Städten nieder, wo sie erfolgreich waren und zu Wohlstand gelangten. Die zahlreichen deutschen Studenten, die oft aus wohlhabenden Familien stammten, waren eine gute Kundschaft für die deutschen Schneider, Buchhändler, Wirte und andere

23 Montaigne (1930: 332f.); zitiert in der deutschen Übersetzung von Hans Stilett (1998: 94). Hierzu jetzt auch Glück (2002: 237f.). 24 Französischer Dichter und Theologe (1519-1605), der zum protestantischen Glauben übertrat; Nachfol- ger Calvins in Genf (B.K.). 70 Kapitel III: 1500 – 1650

Geschäftsleute, die die Zahl der in Orléans, Bourges, Angers und Blois ansässigen Deutschen erheblich vergröβerten . Nach Ableistung ihres Dienstes ließen sich auch viele deutsche Soldaten als Händler in Frankreich nieder. Geizkofler berichtet in seinen Erinne- rungen (1892: 46) über den Buchhändler A. Wechel in Paris,25 bei dem etliche deutsche Studenten wohnten. Auch der Deutsche Arnold Sittart war dort als Buchhändler von 1581 bis 1613 tätig. Deutsche Drucker gab es vor allem in Paris und Lyon, ebenso zahlreiche bedeutende deutsche Bankiers. Für Lyon ist insbesondere Hans Kleeberger aus Nürnberg zu nennen, der auf Grund seiner großzügigen Spenden „le bon allemand“, ‚der gute Deutsche ‘, genannt wurde; er starb 1546. 26 Daniel Herwart aus Augsburg war Anfang des 17. Jh. in Lyon als Kaufmann tätig; 27 aus seiner ersten Ehe mit Anne Erlin, die einer ebenfalls in Lyon ansässigen deutschen Familie entstammte, gingen zwei Söhne hervor, von denen der Ältere seinerseits eine Deutsche heiratete, deren Familie in Lyon wohnte, und vier Kinder hatte. Das Beispiel zeugt von der deutschen Präsenz in der damals noch eher kleinen Stadt Lyon; zudem wurde die deutsche Muttersprache in manchen Familien vermutlich über mehrere Generationen bewahrt. Die Messen zogen ab dem Ende des 16. Jh. viele deutsche Händler nach Lyon. Einige hielten sich nur kurze Zeit dort auf, andere wurden in Lyon ansässig; am Ende waren sie so zahlreich, dass sie eine eigene Bruderschaft in der Kirche des Klosters Notre Dame de Confort bildeten. In einem Steuerverzeichnis von 1529 sind 19 deutsche Händler genannt, die ‚in Lyon ansässig sind und Häuser, Geschäfte oder Läden besitzen‘; namentlich erwähnt sind darin unter anderem Welser, Fischer, Hesseler, Obrecht, Jungmann und Imhoff. 28 Auch die vielen von Deutschen geführten Wirtshäuser zeugen von ihrer Präsenz im Lande. Geizkofler (1873: 51) erwähnt ein deutsches „wirtshaus zum eisernen Kreuz ge - nannt“ unweit der Pariser Universität. In Orléans gab es im frühen 16. Jh. eine Herberge „A l’Hostel du Lansquenet Allemand“; in Marseille betrieb ein Holländer eine Pension, in der fast ausschließlich Deutsche und Holländer abstiegen. Auch in Bordeaux und Nantes führ- ten Holländer und Deutsche Herbergen.

1.7 Handwerker Die Zunft der Schneider war ebenfalls gut vertreten; Mitte des 17. Jh. gab es zum Beispiel in Paris etliche deutsche bzw. holländische Schneider; manche waren in der Bruderschaft der deutschen ‚Nation‘ von Saint-Germain-des-Prés führend. Andere hatten sich in Orléans niedergelassen. Mathorez erwähnt auch deutsche Waffenhändler, Uhrmacher, Medailleure und Goldschmiede, Stecher, Musikinstrumentenbauer, Gießer, Schreiner, Kunsttischler und Intarseure, die in Paris tätig waren. 29

25 Andreas (André) Wechel war von 1554 bis 1772 Buchhändler und Drucker in Paris; in dieser Zeit druckte er unter anderem Werke von Petrus Ramus (Pierre de la Ramée) und Ronsard. 1772 ließ er sich in Frankfurt am Main nieder, wo er 1581 starb. (B.K.) 26 Zit. n. Häberlein (2009: 147). 27 Ausführlicher zu Herwart vgl. Häberlein (2009). 28 Mathorez (1921: 60ff.); zu Welser und Imhoff, der aus Nürnberg stammte, jetzt auch Häberlein (2009). 29 Ab Ende des 16. Jh. in ihren Werkstätten im Faubourg Saint-Antoine. Die Deutschen in Frankreich 71

1.8 Arbeiter Schon im ausgehenden Mittelalter wurden zu bestimmten Arbeiten im Bergbau vorzugs- weise Deutsche aus Sachsen und Thüringen, teilweise auch aus dem Elsass herangezogen. 1452 ließ Johann V. einen ‚Fachmann für die Veredlung von Silber aus Deutschland‘ na- mens Claus Latreba 30 mitsamt seiner Gesellen und der Dienerschaft in die Bretagne kommen. Franz I., Sully, Heinrich IV. und Colbert holten weitere Deutsche in die Bergwerke der Normandie. An die Deutschen, die dort als erste arbeiteten, erinnert der Name der Fund stätte von Blaymard (< ‚Bleimacher‘). Für die Kupfer- und Silberminen in Bussang, Saint-Maurice und Fresse holte Herzog Karl III. deutsche Fachleute nach Lothringen. Auch in der lothringischen Holzwirtschaft waren deutschsprachige Arbeiter beschäftigt. In den Mundarten der Vogesen sind bis heute Berufsbezeichnungen erhalten, die von säger abgeleitet sind (Bloch 1917: XIII). In den Küstenstädten arbeiteten holländische Fachkräfte als Ingenieure, Zimmerer, Säger, Bohrer, Blockwerkmacher und Kalfaterer im Schiffsbau. Ab dem Ende des 16. Jh. wurden Holländer auch bei der Trockenlegung der Sümpfe (Picardie, Poitou, Saintonge, Guyenne) eingesetzt. 31

1.9 Reisende Auch der sprachliche Einfluss der deutschen Reisenden sollte nicht unterschätzt werden, obgleich er schwer nachzuweisen ist. In der ersten Hälfte des 16. Jh. zog es die Deutschen, die sich eine solche Reise leisten konnten, zahlreich nach Frankreich, insbesondere nach Paris; zur Zeit der Bürgerkriege waren es weniger, doch gegen Ende des Jh., als das Land wieder befriedet war, kamen sie erneut zahlreicher; auch während des Dreißigjährigen Krieges verringerte sich der Zustrom kaum. Im Register der schwedischen und deutschen Lutheraner, das Jonas Hambraeus (1588-1672) als Pastor an der schwedischen Botschaft ab 1626 führte, sind 3.580 Namen von Reisenden verzeichnet (Mathorez 1919: 109, 1921: 41), was natürlich nur einem Bruchteil der Gesamtzahl der deutschen Frankreichreisende ent- spricht. Manche Reisende gelangten zu Berühmtheit, so der bereits erwähnte J. Zinzerling, der sich nach seiner Reise durch Frankreich dort niederließ; weiter Paul Hentzner, der 1598 durch ganz Frankreich reiste, Abraham Gölnitz, der ein Vierteljahrhundert später ebenfalls Frankreich bereiste, sowie Martin Zeiller, Matthias Merian und schließlich der berühmteste von allen, Sebastian Münster (Babeau 1885: 68ff.). 32 Ihre Reisebeschreibungen sind wich- tige Quellen für unsere Untersuchung. 33

1.10 Weitere Hinweise auf die Präsenz der Deutschen in Frankreich Mehrere Werke von Deutschen über Frankreich waren als Reiseführer für ihre Landsleute konzipiert, wie schon aus den Titeln hervorgeht: Itinerarium (Hentzner 1617, Zinzerling

30 Das Zitat ist in Levy (1950: 84) nicht nachgewiesen. 31 Leroux (1918: 16f.); Mauco (1932: 8f.); Valkhoff (1931: 30f.); Mathorez (1921). 32 „Der Name des Schriftstellers wurde sogar für das Werk selbst gebraucht, und mit ‚un Munster‘ be- zeichnete man damals in Frankreich kurzweg ein zuverlässiges Reisehandbuc h“ (Süpfle 1886 -1890: I, 98). 33 Zu den Frankreichreisen der Deutschen im 17. Jh. vgl. jetzt auch Jones (1999: 125; 134-138) mit weite- ren Hinweisen auf neuere Forschungsliteratur. 72 Kapitel III: 1500 – 1650

1627); Abr. Golnitzi Ulysses belgico-gallicus fidus tibi dux (Gölnitz 1631). Mit Ratschlägen und Empfehlungen wenden die genannten Verfasser sich unmittelbar an den Leser; so heißt es bei Zinzerling, in Poitiers solle der Reisende ‚sich in Verbindung setzen mit [...], in Montpellier solle er ‚[...] aufsuchen‘, in Nîmes werde er ‚[...] finden‘ usw. (Zinzerling 1627/1859: 154, 192, 197). Auch die ersten Französischlehrwerke für Deutsche erschienen in dieser Zeit, darunter die Briefve Institution de la langue françoise expliquée en Aleman 34 (1568) von Gérard de Vivre, der aus Gent stammte und in Köln eine französische Sprachschule betrieb. 35 Dem Widmungsschreiben ist zu entnehmen, dass de Vivre sich seit einigen Jahren darum be- mühte, der Kölner Jugend Grundkenntnisse des Französischen zu vermitteln, ein Unterfan- gen, das, wie er schreibt, andere für ‚mühsam, wenn nicht unmöglich‘ hielten. Seine Schü- ler hätten aber in einem Jahr ‚mehr gelernt als manche, die für teures Geld zwei oder drei Jahre nach Frankreich geschickt worden seien ‘. 1642 veröffentlichte der Franzose Daniel Martin in Straßburg ein Lehrbuch für die zahlreichen deutschen Studenten und Adligen, die auf ihrer Reise nach Frankreich einige Zeit im Elsass Halt machten; auf den praktischen Nutzen seines Werkes weist Martin ausdrücklich hin: ‚Au ßerdem habe ich am Ende eine Nomenklatur, einen französischen Briefsteller und Erläuterungen zu unserer Währung hinzugefügt, für diejenigen, die beabsichti- gen, nach Frankreich zu reisen ‘ (Martin 1642: 20). 36 In den 150 Jahren vom Beginn der Renaissance bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges bereisten Zehntausende Deutschsprachige Frankreich und blieben dort kürzere oder längere Zeit, etliche auch endgültig; ihre genaue Zahl ist jedoch nicht bekannt. Wenn Zinzerling (1859: 154) berichtet, in Poitiers gebe es so viele Deutsche, dass man dort nicht Französisch lernen könne, so ist das nicht wörtlich zu nehmen. Schon eher aussagekräftig ist, dass die Herbergen an manchen Orten fast ausschließlich von deutschen Kunden lebten und dass besondere Gottesdienste für Deutsche stattfanden. So hatten Lu- theraner aus Deutschland, Schweden, Dänemark und England ihren eigenen Gottesdienst an der schwedischen Botschaft in Paris. Belgische und deutsche Katholiken schlossen sich 1626 in Paris zu einer Gemeinde zusammen, zunächst in der Kirche Saint-Hippolyte, später in Saint-Germain-des-Prés. Die Existenz dieser ‚Bruderschaften‘ in Paris und in Lyon belegt zur Genüge, dass deutschstämmige Protestanten und Katholiken sich in sehr großer Zahl in Frankreich aufhielten. Von den insgesamt 3.580 Teilnehmern der Gottesdienste an der schwedischen Botschaft war bereits die Rede; aufschlussreich ist auch die Zahl der Deutschen in Paris 1572 (1.500) bzw. der deutschen Studenten in Orléans (durchschnittlich 200). Dazu kommen die vielen deutschen und Schweizer Soldaten: 1480-1589 wurden insgesamt 300.000 Schweizer angeworben, die jeweils acht bis zehn Jahre lang in der Ar- mee dienten; daraus ergibt sich durchgängig eine Zahl von mindestens 20.000 Schweizern jährlich. 37 Die Zahl der deutschen und flämischen Soldaten dürfte bei rund 10.000 Mann pro Jahr gelegen haben. Rechnet man die Händler, Arbeiter, Handwerker und Reisende

34 Neu hg. von Brigitte Hébert (2006). 35 Vgl. hierzu Kaltz (1988; 1995). 36 Vgl. Kaltz (2000); Glück (2002). 37 Das entspricht der für 1640 errechneten Zahl von 20.500 Mann. Die Franzosen und das Deutsche 73 hinzu, so kommt man auf eine durchaus plausible Gesamtzahl von 35.000-40.000 Deut- schen pro Jahr.

2 Die Franzosen und das Deutsche

2.1 Urteile über die Sprache Angesichts dieses Zustroms von Deutschen nach Frankreich wurde vielen Franzosen, die Mühe hatten, sich mit ihnen zu verständigen, der praktische Nutzen von Deutschkenntnis- sen allmählich bewusst. Besonders für das Militär waren Kenntnisse der deutschen Sprache nützlich, wie aus einem bekannten Zitat von Gaspard de Saulx hervorgeht: ‚Schweizer und Deutsche waren in den Königlichen Armeen; im Lager von Amiens le Roy gab es doppelt so viel Deutsche wie Franzosen. Deshalb schickten mehrere französische Edelleute ihre Kinder nach Deutschland, in der Annahme, mit diesem Land könne es keinen Krieg geben, da Frankreich das meiste Geld für die Besoldung der Deutschen, nicht der Franzosen ausgebe. In der Hoffnung, ihre Kinder würden bei der Aushebung der Reiter berücksichtigt, nachdem sie Deutschkenntnisse erwor- ben hatten, schickten sie sie nach Deutschland. In diesem Glauben wurden mein Bruder und ich 1568 dorthin gesandt.‘38 G. de Saulx erkannte den praktischen Nutzen des Deutschen durchaus, war jedoch gegenü- ber den Deutschen und ihrer Sprache äußerst kritisch eingestellt: In Deutschland ‚isst man schlecht‘, die Deutschen ‚sind grob und trunksüchtig‘, und ‚lernen kann man dort allenfalls die Sprache‘. Er meinte, das Deutsche ‚nütze den Franzosen nur, um als Reiter eingestellt zu werden [...], um mit ihnen zu sprechen, seien Deutschkenntnisse überflüssig, denn man habe es mit einem Volk zu tun, dem es nur um das Geld geht, und bei Geschäften könne man auf Dolmetscher zurückgreifen. Und wo wir nun in der Lage sind, sie zu schlagen, werden wenig junge Adlige nach Deutschland geschickt, um die Sprache zu lernen‘ (de Saulx 1838: 267). Nur zu deutlich kommt hier die Verachtung des französischen Adligen für die deutsche Sprache zum Ausdruck; sie ist in seinen Augen nur die ungeschliffene Sprache der Reiter und der Ungehobelten; dass er ihren praktischen Nutzen erkennt,39 ändert nichts an diesem Urteil, das im Übrigen der allgemeinen Meinung seiner Zeit entspricht. Von dem in Frank- reich propagierten Ideal einer verfeinerten Sprache40 war das Deutsche damals weit ent-

38 Die Niederschrift der Mémoires von Gaspard de Saulx (1838) besorgte sein Sohn Jean (1555-1630), der wie sein Vater französischer Marschall war; das Zitat muss dem 2. Teil des um 1650 erstmals ge- druckten Werkes entnommen sein, der Jean de Saulx‘ eigene Erinnerungen enthält. 39 Dafür gibt es natürlich auch andere Belege, etwa das Schreiben des französischen Diplomaten d’Avaux vom 18. August 1644 aus Münster an die Königin Anne von Österreich: ‚Ohne Latein und Deutsch zu sprechen, ist es zweifellos unmöglich, dem König in Deutschland und im ganzen Norden gute Dienste zu leisten.‘ (Avaux 1650: 198). Dass auch Kenntnisse des Niederländischen oft unumgänglich waren, hat Murris (1925: 161ff.) anhand verschiedener Beispiele gezeigt. 40 Estienne (1579) nennt als Eigenschaften einer solchen edlen Sprache Ernsthaftigkeit, Sanftheit, Anmut, 74 Kapitel III: 1500 – 1650 fernt. Etienne Pasquier (1529-1615) bringt die seinerzeit herrschende Meinung zum Aus- druck; indem er einen Zusammenhang zwischen dem Charakter eines Volkes und dem seiner Sprache postuliert, verweist er darauf, dass ‚der Deutsche weit entfernt vom Luxus lebe und eine sehr rauhe Sprache spreche ‘ (Pasquier 1665: 655). Montaigne meinte, das Deutsche sei ‚die Sprache der Pferde‘ und allenfalls so brauchbar wie Persisch. 41 Der Dich- ter Vincent Voiture (1597-1648) und die Besucher des Salons von Rambouillet mokierten sich über einen deutschen Gelehrten mit latinisiertem Namen, der ihnen vorschlug, seine Sprache zu erlernen (Betz 1895: 272). Auch in der seit dem 17. Jh. gebräuchlichen Redens- art „Il n’y entend que le haut allemand“ in der Bedeutung: ‚er versteht überhaupt nichts‘ (Küffner 1899: 44f.) kommt die bewusste Verachtung des Deutschen, das nicht einmal die Bezeichnung Sprache verdient, zum Ausdruck. Panurge sagt einige Worte auf Deutsch zu Pantagruel, worauf dieser erwidert : „Mein Freund, ich verstehe dieses Kauderwelsch nicht; wenn Ihr wollt, daß man Euch verstehen soll, so redet eine andere Sprache“ (Rabelais 2003: 222 [II, 9]). Gewiss sind dies oberflächliche Urteile, die auf weitgehender Unkenntnis der Sprache beruhen; doch auch die – sehr wenigen – Franzosen, die besser Deutsch konnten, hatten an der Aussprache allerhand auszusetzen. So bemängelte der Gelehrte Charles de Bouelles, der offensichtlich nicht nur Deutsch konnte, sondern sich auch der unterschiedlichen Ausspra- che der deutschen Dialekte bewusst war, die Deutschen würden nicht sauber zwischen a und o unterscheiden: „Germani saepe A in O, et O in A, vitio labiorum variant. Audiui eos interim canentes Glaria, et daminus vabiscum . Ibi A pro O sonuit. Et oue moria , ibi O pro A.“ 42 Die Konsonanten empfand er als ungenau, vielfach auch als rauh: Cum sint asperiora Germaniorum quam Gallorum labia, saepe Germanis accidit ut aut literam D in T demutent, aut eam in sono literae T pronuntient: ut Tominus pro dominus .43 Weiter störte ihn die Aussprache von b als p: „Quesarsperc (Kayserberg) [...] dici deberet Quesarsberg“. 44 Ganz besonders missfiel ihm jedoch die Aussprache des s: Germani assueti, literam mollem, pro duriuscula, et duriorem pro molliore effari, in hoc (sono literae S) saepe labuntur: ut quibus vox Sapientia sonat ut Zapientia. Et Zopirus (nomen viri Persae [...] sicut Sopirus. 45

Kürze und Reichtum. Um 1669 meinte Louis Le Laboureur, ‚Ordentlichkeit, Klarheit und Scharf- sichtigkeit seien für eine Sprache unbedingt erforderlich ‘ (beide Zitate nach Rivarol 1929: 130). 41 Hierzu jetzt auch Glück (2002: 237). 42 ‚Die Deutschen vertauschen oft A mit O und O mit A wegen eines Fehlers der Lippen. Ich habe sie bisweile n „Glaria“ singen hören, und „Daminus vabiscum“. Da erklang A statt O. Und „Ove Moria“, da war es O statt A ‘; Bouelles (1533: 24). 43 ‚Da die Lippen der Deutschen rauher sind als die der Gallier, geschieht es häufig, dass die Deutschen den Buchstaben D in T verwandeln, oder ihn mit dem Laut des Buchstabens T aussprechen: wie „ Tomi- nus “ statt „ Dominus “‘; Bouelles (1533: 26). 44 ‚„ Kayserperg “ müsste „Kayserberg “ ausgesprochen werden ‘; Bouelles (1533: 27). 45 ‚Die Deutschen sind es gewöhnt, einen weichen statt eines harten Buchstabens und einen härteren statt eines weicheren zu sprechen, und dabei (beim Buchstaben S) machen sie häufig Fehler: so dass bei manchen das Wort „ Sapientia “ klingt wie „ Zapientia “, und „ Zopirus “ (der Name eines Persers) wie „Sopirus “‘; Bouelles (1533: 37). Die Franzosen und das Deutsche 75

Bouelles hatte noch zahlreiche andere Einwände gegen das Deutsche; er war vermutlich der erste Franzose, der die deutschen Dialekte mit einer solchen Genauigkeit beurteilte. Die Entstehung einer einheitlichen deutschen Sprache, einer für das ganze Land verbindlichen Literatursprache, hielt er für ausgeschlossen. 1533 führte Bouelles während einer Deutschlandreise Gespräche mit dem berühmten Humanisten Trithemius von Sponheim, der seinem französischen Gast ein Projekt für die Reform der deutschen Sprache vorlegte. Bouelles geht ausführlich auf die Unterschiede im Sprachgebrauch des Landes ein und kommt zu folgendem Schluss: Quis igitur inter utrosque populos eadem utentes lingua, iustus sequester fuerit? An inquam rectior superiorum, an inferiorum sit Germanorum sermo? Et an pro signifi- cationi boni, pronunciandum sit Gont , per N et T, an Goud , per V et D? Et an pro expressione dici dicendum: Tag : an melius dag ? Quandoquidem vox utraque suo placiat vulgo: et in suo dicendi modo vitium se committere arbitretur nemo.46 Gegen diese communis opinio stellte sich allein Pierre Bense du Puis, Sekretär und Dolmet- scher des Königs. Wohl in der Hoffnung, den Absatz seiner Grammaire allemande et françoise (1643) zu fördern, behauptete er in seinem Avis au lecteur , das Deutsche sei die Mutter des Französischen, wie schon aus der Sprachbezeichnung ( français < franc ) hervor- gehe. Zudem meinte er, zahlreiche französische Entlehnungen aus dem Deutschen bewie- sen ‚deutlich genug, dass das gegenwärtige Französisch aus eben der Sprache hervorgegan - gen ist, die nun in seiner Grammatik dargestellt wird ‘. Anschließend rühmt er die Origina- lität und den Reichtum der deutschen Sprache, die ohne Lehnwörter auskomme: ‚Sie ver - fügt über genug Mittel, um sich selbst zu schmücken, sie muss nichts von anderen erbet- teln ‘. Weiter führt Bense du Puis aus, als Grundlage seines Werks habe er bewusst die deutsche Grammatik des Mainzers Heinrich Schöpf gewählt: ‚dort wird das beste Deutsch gesprochen, allerdings denkt man in Meißen anders darüber ‘ (Bense du Puis 1643). 47 Von dieser Ausnahme abgesehen hatten die wenigen Franzosen, die sich überhaupt zur deutschen Sprache äußerten, nichts als Verachtung für sie übrig, und dem Niederländischen erging es nicht besser (Murris 1925: 153ff.). Ansonsten war das Deutsche selbst gebildeten Franzosen völlig gleichgültig. 48

46 ‚Wer also könnte unter den beiden Völkern, die dieselbe Sprache verwenden, ein gerechter Mittler sein? Soll ich sagen, die Sprache der Hoch- oder die der Niederdeutschen sei die richtige? Und ob zur Be- zeichnung des Guten die Ausspra che „Gont“ mit N und T, oder „Goud“ mit U und D richtig sei? Und ob für den (restlichen) Ausdruck „Tag“ oder „Dag“ besser sei? Denn es gefällt ja jede Aussprache dem jeweiligen Volk besser, und niemand vermeint in seiner Art zu reden einen Fehler zu machen ‘; Bouelles (1533: 44f.). 47 Hierzu auch Glück (2002: 242f., 439). 48 Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass vom Deutschen erst gar nicht die Rede ist, wenn die bedeutenden Sprachen aufgezählt werden. So schreibt Gargantua in einem Brief an Pan- tagruel: „Ich setze voraus und will, da ß Du die Sprachen gründlich erlernst: erstlich das Griechische, wie Quintilian es verlangt; zweitens das Hebräische, der Heiligen Schrift wegen, und so das Chal- däische und Arabische gleicherweise“ (Rabelais 2003: 219; II. Buch, Kap. 8). – Richelieu ließ 1640 ei- nen Lehrplan für die höhere Schule ausarbeiten, der die ‚Herkunft des Griechischen, Lateinischen, Ita - lienischen, Spanischen und Französischen; Ähnlichkeiten und Unterschiede dieser Sprachen ‘ als Unter- richtsstoff für die Première vorsah (zit. n. Gréard 1887: II, 25ff.). Weder Rabelais, der selbst Deutsch- kenntnisse hatte, noch Richelieu, der doch zumindest um den praktischen Nutzen des Deutschen wissen 76 Kapitel III: 1500 – 1650

2.2 Mittel zum Spracherwerb

2.2.1 Reisen nach Deutschland Franzosen begaben sich in dieser Zeit aus den unterschiedlichsten Gründen in deutschsprachige Länder; einer der berühmtesten ist sicher Montaigne, der große Teile der Schweiz und Deutschlands bereiste (Murris 1925; Fransen 1925). Descartes lag 1617 in Breda in Garnison, wurde 1619 Soldat in den Truppen Maximilians von Bayern und reiste nach seinem Ausscheiden aus der Armee noch durch Deutschland (Monchamp 1889: 6ff.). Etliche Franzosen gingen auch nach Deutschland, um dort ihre Studien fortzusetzen, vor- zugsweise nach Straßburg, wo im Zeitraum 1621-1650 elf junge Leute aus dem frankopho- nen Teil Lothringens und weitere 49 Franzosen aus anderen Gegenden studierten. Der Straßburger Notar Albert Ölinger verfasste für seine zahlreichen Schüler eigens eine Grammatik der deutschen Sprache (Ölinger 1574). 49 Wie schon das Beispiel der Brüder Saulx de Tavannes zeigt, wurde Deutsch vor allem im Zusammenhang mit militärischen Einsätzen gelernt. Daniel Martin machte sich dies im Dreißigjährigen Krieg zunutze, indem er eine deutsche Grammatik für französische Solda- ten verfasste; das Werk trägt den Titel Acheminement à la langue all [e] mande [...] à l’usage de la Soldatesque Françoise venant en cette ville [...] und erschien 1635, als die königlichen Truppen in das Elsass eindrangen, bei dem Straßburger Buchhändler Everard Zetzner. 50 Zahlreiche Franzosen wurden als Diplomaten nach Deutschland berufen; hier seien nur einige namentlich genannt. Jacques Bongars, 1554 in Orléans geboren, hatte in seiner Kindheit Deutsch in Deutschland gelernt; 1587 wurde er als Diplomat entsandt. Im Auftrag Heinrichs IV. besuchte Urbain Laval, Marquis von Sablé, 1600 Nürnberg, München, Augsburg, Prag und Wien. Die Verhandlungen in Münster, wo die französische Delegation besonders zahlreich vertreten war, zogen sich sehr lange hin, so dass viele Teilnehmer jahrelang dort blieben, unter anderem Graf d’Avaux, sein Gegenspieler Servien, der Bot - schafter Fürst von Longueville und seine Gattin. Dem Stiftsherrn Claude Joly, der zu ihrem Gefolge gehörte, verdanken wir einen sehr anschaulichen Bericht über diese Zeit (Joly 1670). Auch zahlreiche Gelehrte gingen nach Deutschland, so außer dem bereits erwähnten Charles de Bouelles (siehe oben 2.1) auch G. de Vivre, der in der 2. Hälfte des 16. Jh. Französisch in Köln unterrichtete (siehe oben 1.10).51 Ebenso wie Deutsche an französischen Universitäten lehrten auch Franzosen an deutschen Fakultäten, besonders in

musste, erwähnen das Deutsche auch nur als lebende Fremdsprache, im Unterschied zum Italienischen und Spanischen, denen ‚galantes Prestige‘ zugesprochen wurde. – In Gargantuas Brief geht es allerdings gar nicht um die lebenden Fremdsprachen, sondern um die gelehrten Sprachen; vgl. Rabelais (2003: 218): „Je tzt sind alle Lehrfächer wieder eingeführt, die Sprachen neu belebt: Griechisch, ohne welches heutzutage niemand auf den Namen eines Gelehrten Anspruch erheben kann, Hebräisch, Chaldäisch und Lateinisch.“ (B. K.) 49 Vgl. Lévy (1929: I, 224, 255); hierzu jetzt auch Glück (2002: 436) mit Hinweisen auf die neuere For- schungsliteratur. 50 Der vollständige Titel ist nachstehend angegeben. 51 Weshalb Lévy den aus Gent stammenden Verfasser zahlreicher Französischlehrwerke für Deutsche (vgl. Kaltz 1988) hier unter den Gelehrten erwähnt, ist nicht recht einsichtig. Die Franzosen und das Deutsche 77 den Rechtswissenschaften: Donneau in Heidelberg und Altdorf, Dumoulins in Tübingen, Godefroy in Heidelberg und Basel; Balduin, Pithou und Pacius in Heidelberg.52 Weitere Franzosen unterrichteten im 17. Jh. in Leipzig, Jena und Kassel (Reynaud 1915: 153; Brunot (1933: V, 281, 290). Jean de Chastelet 53 betrieb Studien zum Bergbau in Deutschland; der Ingenieur Salomon de Caus (1576-1626) war 1613-1621 als Architekt in der Pfalz tätig (Mathorez 1921: 9; Dussieux 1876: 193f.). Calvin hielt sich längere Zeit in Straßburg auf, auch in Worms, Regensburg und Frankfurt. Andere Reformatoren kamen vor oder nach ihm nach Deutschland; einer von ihnen war Etienne Machopolis, „ei n Doktor der Theologie“, der, „um unsern Luther sehen und hören zu können, [...] bis nach Sachsen“ reiste (Süpfle 1886-1890: I, 43). Einige blieben endgültig in Deutschland, die meisten kehrten jedoch nach Frankreich zurück, nachdem sie Anfangskenntnisse erworben oder ihre Sprachkenntnisse verbessert hatten; manche hatten deutsche Frauen geheiratet, andere brachten Arbeitskräfte 54 aus Deutschland mit.

2.2.2 Kinderaustausch Wie Gaspard de Saulx ‚schickten mehrere Edelleute des Königreichs [unter Karl IX.] ihre Kinder nach Deutschland ‘. Jacques Bongars kam 1564 als Zehnjähriger nach Deutschland und besuchte sieben Jahre lang die Schule in Marburg und Jena. 55 Bei der Eroberung von Saverne [Zabern] 1525 trafen Antoine von Lothringens Soldaten auf eine beachtliche Zahl von Kindern aus Lothringen und anderen Landesteilen, die dort Deutsch lernen sollten: ‚Man sieht nur kleine Kinder aus Lothringen und anderen Teilen Galliens [...], [de- ren Eltern] sie dorthin gebracht hatten, damit sie Deutsch lernen, sei es im Austausch mit anderen Kindern aus Saverne, sei es gegen Bezahlung der Unkosten ‘ (Volcyr 1526: f. 64f.). Auch an anderer Stelle erwähnt der Historiker Nicole Volcyr de Serrouville ‚die Kinder aus Lothringen und verschiedenen anderen Gegenden Galliens, die sich in Saverne aufhielten, um Deutsch sprechen zu lernen ‘.56 Die konfessionelle Spaltung beeinträchtigte den Aus- tausch von Kindern kaum. Der katholische Klerus führte 1614 bei einer Ständeversammlung in der lothringischen Stadt Nancy Klage darüber, dass das Seelenheil der Kinder, die von ihren Eltern zu abtrünnigen Familien ins Nachbarland geschickt würden, gefährdet sei. Aus konfessionellen Gründen einigten sich Familien aus Mülhausen und Montbéliard (Mömpelgard) auf einen Kinderaustausch: ‚seit drei Jahren schicken sie

52 An den Universitäten wurde im 16. Jh. (und auch noch später) in lateinischer Sprache gelehrt (B.K.). 53 Baron von Beausoleil, um 1590 geb. (B.K.) 54 Belegt ist dies für Urbain Laval und Jean de Chastelet, der mit etwa 50 deutschen Arbeitern nach Frank- reich zurückkehrte (Mathorez 1921: 91, 158). Auch Handelsbeziehungen gaben Anlass zu Reisen; so berichtet Felix Platter, die Frankfurter Messe, die von Lyoner Kaufleuten gewöhnlich besucht wurde, habe kürzlich, im Herbst 1552, stattgefunden, und sein Vater habe beschlossen, ihn auf der Rückreise dorthin mitzunehmen (Platter 1895: 255). 55 Anquez, Avant-propos zu seiner Ausgabe von Bongars (1887: XVIf.). 56 Beide Zitate von Volcyr (1526) nach Lévy (1929: 256), wo der genaue Nachweis für das zweite Zitat fehlt. (B.K.) 78 Kapitel III: 1500 – 1650 sich ihre Kinder im Austausch, damit die einen Deutsch und die anderen Französisch sprechen lernen ‘.57 Weitere Fälle von Kinderaustausch sind für den Norden und auch den Westen Frank- reichs belegt. J. De Fynnes, ein Bürger von Lille, nahm ein Kind aus Amsterdam in seiner Familie auf und schickte seine Tochter zum Erlernen der flämischen Sprache zu Freunden nach Antwerpen. Die Kinder bürgerlicher Familien in Nantes wurden gewöhnlich nach Holland geschickt, um die Sprache und den Handel zu erlernen (Mathorez 1921: 287). In den Registern der Marinearchive sind unzählige Genehmigungen für Reisen in die Nieder- lande verzeichnet. Die jungen Leute blieben im Allgemeinen zwei Jahre dort. Junge Fran- zosen im Alter von 14-16 Jahren arbeiteten auch als Schiffsjungen auf holländischen Schiffen, um die Sprache zu lernen.

2.2.3 Lehrwerke Zur selben Zeit wie die ersten französischen Reiseführer und Grammatiken für Deutsche erschienen auch die ersten Lehrwerke und Wörterbücher des Deutschen für Franzosen. Die älteste deutsche Grammatik für Franzosen ist vermutlich Martins bereits erwähntes Werk von 1635 (siehe 2.2.1). Von dem endlos langen zweisprachigen Titel wird hier wird nur der deutsche Titel vollständig wiedergegeben: Kurtze Anleitung zu der Teutschen Sprach / welche in sich begreifft die nothwendigsten Reglen der außsprechung / wie auch aller Partium Orationis , neben einer kleinen Syntaxin, auch etlicher schöner newer Gespräch vnnd Colloquiis , beedes der Teutschen vnnd Frantzösischen Soldatesca , sehr nutzlich. Verfertigt vnnd an das liecht gebracht. Durch Danielem Martinum , Frantzösischen Sprachmeistern in Straßburg. Das – im Übrigen durchaus geschickt konzipierte – Lehrwerk war offenbar recht erfolg- reich. Jahrzehnte später erschien eine leicht bearbeitete Neuausgabe unter dem Titel: Le guidon allemand enseignant la prononciation Allemande, exprimée par le moyen du son des lettres Françoises, avec l’explication de chasque partie de l’oraison, un abbrégé de Syntaxe et des Dialogues; dédié à la Jeuness e Françoise curieuse d’apprendre la langue Allemande, par Dan. Martin linguiste, de nouveau imprimé, revu et corrigé par C.S. Stras- bourg, chez George André Dolhopf, l’An de Grace MDCLXXIIII. Beide Ausgaben enthal- ten eine recht vollständige Grammatik des Deutschen nach traditionellem Muster (Wortar- ten, Deklinations- und Konjugationstafeln usw.). Obwohl Martin auch Muttersprachler zu Rate gezogen hat, enthält das Werk neben einigen Fehlern auch elsässische Regionalismen und lässt in stilistischer Hinsicht stellenweise zu wünschen übrig. Die starken Verben, die er ‚anomaux ou irréguliers ‘ nennt, werden recht eigenwillig in Klassen wie -aben (z. B. graben , schaben ), -eben (geben, heben ), jeben (schieben, stieben), -iben (bleiben ), -rben (sterben ), -affen (schaffen ), -augen (saugen ), -chen (bachen , ‚backen ‘) eingeteilt (Martin 1635: 70ff.); die Syntax wird in 29 ‚Regeln ‘ zusammengefasst (1635: 99ff.). Außer der unter 2.1 bereits erwähnten Grammaire allemande et françoise von Bense du Puis (1643) 58 sind hier weiter die Colloquia (1603; zuerst 1559) von Mathurin Cordier zu nennen. Das weniger umfassend und methodisch weniger geschickt konzipierte Lehrwerk wurde im Sprachunterricht an der Lateinschule von Montbéliard eingesetzt (Godard 1893).

57 Nachweis des Zitats in Lévy (1929: I, 313) : de l’Hermine (1886: 73) (B.K.). 58 1. Teil: 170 S., 2. Teil: 120 S. Die Franzosen und das Deutsche 79

Deutsch-französische Wörterbücher ohne lateinischen Teil gab es damals noch nicht; das Wörterbuch, das 1515 bei Gaspard Hochfelder in Metz erschien (Henrion 1924: 153ff.), ist ebenso dreisprachig wie der Dictionnaire couché en vocables, latin, françois et allemand , ebenfalls aus der ersten Hälfte des 16. Jh. 59 Der Deutsche Jakob Stoer (1542- 1610) verlegte im französischsprachigen Teil der Schweiz den Dictionarium germanico- gallico-latinum novum (Genf 1610); sein Sohn Joseph veröffentlichte 1611 eine zweisprachige deutsch-französische Ausgabe. 60 Es gab auch Sprachkontakte von Franzosen und nach Frankreich eingewanderten Deut- schen, unter anderem Studenten und Gelehrten, die gelegentlich wohl auch Deutsch- unterricht erteilten. 61 Zur Zeit Franz I., Heinrichs IV. und Ludwigs XIII. boten sich den Franzosen somit verschiedene Möglichkeiten, Deutsch zu lernen.

2.3 Deutschkenntnisse Einige berühmte Franzosen aus dieser Zeit verfügten über Deutschkenntnisse, so Rabelais, der die Sprache vermutlich im Kreis des Kardinals Jean du Bellay lernte, dem mehrere Deutsche angehörten. Rabelais muss die Bedeutung der deutschen Wörter, die in seinem Pantagruel vorkommen, genau gekannt haben; er spielt etwa darauf an, dass e(i)niger in dem Vertrag zwischen Karl V. und dem Landgrafen von Hessen durch ewiger ersetzt worden war: „Die Inseln Enig und Ewig, woher sich der Landgraf von Hessen die Schmarre geholt hat“ (Rabelais 2003: 565 [IV, 17]). 62 Manche deutschen Werke kannte Rabelais vermutlich nur in ihrer lateinischen Fassung; die Posse von Heinrich Bebel, die seiner Pantagruéline Prognostication pour l’an 1535 zugrunde liegt, muss er allerdings im Origi- nal gelesen haben, denn eine französische Übersetzung gab es nicht. Montaigne verbrachte seine Kindheitsjahre mit einem deutschen Erzieher, der überhaupt kein Französisch konnte, wohl kaum, ohne etwas Deutsch zu lernen; auf seinen Reisen nach Deutschland konnte er seine Sprachkenntnisse vermutlich vertiefen. Descartes sprach bei seiner Ankunft in Breda 1617 noch kein Flämisch; fünf Jahre später beherrschte er die Sprache so gut, dass er selbst die nordholländischen Mundarten verstand, was ihm eines Tages sogar das Leben rettete (Monchamps 1889: 6f.). Charles Bouelle konnte die Dialekte des Deutschen voneinander unterscheiden, 63 und aus seinen (wenn auch zum Teil

59 Tatsächlich eine spätere Ausgabe des zuerst 1514 erschienenen Vocabularium latinis Gallicis et Theuto- nicis verbis scriptum (anon. Lyon: J. Thomas); hierzu jetzt Kaltz (1997). 60 Vgl. Süpfle (1886-1890: I, 109f.); Glück (2002: 488) mit dem genauen Nachweis von Stoer (1610). Der bei Lévy genannte Titel von 1611 entspricht dem 2. Band von Stoer (1610); hierzu auch Kaltz (2006). 61 Simplizissimus berichtet von einem Pariser Arzt, der von sei nen Liedern so begeistert war, „ dass er mir eine gute Bestallung anbot, samt seinem Tisch, da ich mich zu ihm begeben, und seine zween Söhne unterrichten wollte“ (Grimmelshausen 1956: 304f.). 62 Rabelais (2003: 565, Anm. 5): „Anspielung auf die gefälschte kaiserliche Unterwerfungsurkunde für den protestantischen hess. Landgrafen Philipp I., den Großmütigen, in der für die Worte, daß die Unter- werfung dem Landgrafen ‚nicht zu einiger Gefängnis‘ gereichen sollte, ‚nicht zu ewiger Gefängnis‘ eingesetzt worden war“. 63 Vgl. etwa Bouelles (1533: 43): „ Qui enim causam dederit, cur inferiores Germani, et Flandri eas suae linguae voces effantur per T, quas Germani superiores per duplicatam S eloquuntur? Album vinum, Superiores Germani Wisse Win vocant, Flandri Witte Win . Aquam illi Wasser : isti Watre dicunt. “ ‚Wer kann denn einen Grund angeben, warum die Niederdeutschen und Flamen die Wörter ihrer Sprache mit T aussprechen, die die Hochdeutschen mit Doppel-S aussprechen? Weißwein wird von den Hoch- 80 Kapitel III: 1500 – 1650 abwegigen) etymologischen Angaben zu deutschen und französischen Wörtern lässt sich schließen, dass er über gute Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt haben muss. Von dem unter 2.2.1 bereits erwähnten Diplomaten d’Avaux sagte man, er ‚spreche Deutsch mit den Deutschen und alle anderen Sprachen mit allen anderen Völkern ‘.64 Meh- rere französische Botschafter an deutschen Höfen sprachen ebenso fließend Deutsch wie d’Avaux (Cari de Marillac, de la Vigne, Caius de Virail, Guillaume du Bellay, Jean de Fresse). 65 Es liegt nahe, dass auch der ständige Kontakt mit deutschen Truppen zur Verbrei- tung der deutschen Sprache unter den französischen Soldaten und Offizieren beitrug, selbst denen, die nicht in Deutschland stationiert waren. Sincerus berichtet, ‚einige Männer der Garnison (des in der Nähe von Bourges gelegenen Schlosses Montrond) sprächen Deutsch ‘; dass hier von Franzosen die Rede ist und nicht von deutschen Söldnern, ergibt sich aus dem Kontext. Er berichtet auch über andere Kreise, in denen Deutschkenntnisse weniger zu erwarten waren. So empfiehlt er seinen Landsleuten, sich in Poitiers ‚mit dem Apotheker David Lussaut in Verbindung zu setzen, einem ausgezeich- neten, den Deutschen überaus gewogenen Mann, der die deutsche Sprache be- herrscht ‘. In Montpellier sollten sie ‚zu Laurent Castellan [gehen], einem fähigen Apotheker, der im Deutschen bewandert ist ‘ (Sincerus 1627/1859: 88, 154, 192). Simplizissimus lernt in Paris einen Arzt namens Canard kennen: „ Dieser Doktor redte so gut teutsch als ich, und das Ital ienisch wie seine Muttersprache“ (Grimmelshausen 1956: 305). Andererseits gab es auch Franzosen, denen es nicht gelang, bei ihren Auslands- aufenthalten die Sprache des Landes zu erlernen; so waren einige auch nach längerer Zeit in den Niederlanden nicht in der Lage, das Niederländische vom Flämischen zu unterscheiden (Murris 1925: 153). D’Avaux spielt auf die mangelnden Sprachkenntnisse seines Kontra - henten Servien an, der sich in Münster aufhalte, ‚in einem Land, dessen Sprache er nicht beherrscht ‘ (1650: 198). Unzureichende Kenntnisse des Deutschen hatten auch etliche französische Gelehrte des 16. und 17. Jh., die die Vorzüge des Französischen priesen und durch den Vergleich mit anderen Sprachen (meist Lateinisch, Italienisch und Spanisch, gelegentlich aber auch Persisch oder Hebräisch) nachzuweisen suchten. Das Deutsche wurde von den Sprach- forschern dieser Zeit, etwa Mathieu (1572) und Charpentier (1683), meist mit Stillschwei- gen übergangen. Das zeugt gewiss von Verachtung, vor allem aber von Unkenntnis der deutschen Sprache: Keiner dieser zum Teil sehr eitlen Herren hätte darauf verzichtet, mit seinen Kenntnissen des Deutschen zu prahlen, wenn er es denn vermocht hätte.

deutschen „ Wisse Win “ genannt, von den Flamen „ Witte Win “. Wasser nennen jene „ Wasser “, diese „Watre “‘. – Zu den etymologischen Angaben vgl. Bouelles (1533: 9ff.). 64 Bougeant (1744: 4°, II, 110), zit. n. Brunot (1933: V, 393). 65 Barthold (1848: 60f.): „Hier bemerken wir noch, da ß auch die Erlernung der deutschen Sprache von den Nachbarn als nothwendig erkannt wurde; daß die französischen Unterhändler und Gesandten, wie Jean de Fresse, Marillac, de la Vigne, Virail fertig deutsch verstanden, und daß, wie Rabelais ‘ Gargantua schon i.J. 1582 in unübertroffener Nachahmung und Umbildung durch Johann Fischart deutsch er- schien, anderseits Maitre François im Verkehre mit den deutschen Gesellschaftern des Bischofs von Pa- ris genug gelernt hatte, um die bekannten deutschen Stellen seines Bu chs zu verfassen.“ (B.K.) Die Franzosen und das Deutsche 81

Dass manche Entlehnungen eine Bedeutungsveränderung erfuhren, dürfte ebenso auf mangelnden Deutschkenntnissen beruhen; so entstand aus dem verbreiteten Fluch der Landsknechte ‚Dass dich Gott ‘ das Verb dasticoter in der Bedeutung ‚Deutsch sprechen ‘, d. h. eine unverständliche fremde Sprache sprechen. Auch die Bibliothekskataloge jener Zeit zeugen von Verachtung und Unkenntnis des Deutschen. Viele bedeutende Männer besaßen eine umfangreiche Bibliothek, was als sol- ches noch nicht beweist, dass sie die Bücher tatsächlich auch lasen; doch lassen sich ihre Vorlieben an den Titeln, die sie zur Anschaffung auswählten, ablesen. Viele Kataloge von Privatbibliotheken 66 enthalten lange Listen französischer, italienischer, spanischer, seltener auch englischer Bücher, Quellentexte und Untersuchungen in lateinischer, griechischer, auch hebräischer Sprache, von ganz seltenen Ausnahmen abgesehen jedoch nicht einen einzigen deutsches Titel. 67 So enthält das Inventar der Bibliothek von François de Bassom- pierre 68 hunderte italienischer, spanischer und lateinischer Titel, ganz zu schweigen von den französischen, aber nur einen einzigen deutschen: ‚Raetia in deutscher Sprache, Folioband in rotem Leder ‘; das ist umso erstaunlicher, als Bassompierre aus Lothringen stammte und Oberst der Schweizer Truppen war. Auch zahlreiche Buchhandelskataloge enthalten lange Listen italienischer und spanischer, auch hebräischer Bücher, so die beiden Kataloge ‚der im Jahre 1640 [bzw. 1642] nach Paris gebrachten Bücher ‘ von Pierre du Buisson, der in Montpellier eine Buchhandlung führte. Für deutschsprachige Bücher gibt es keine solchen Listen. Selbst im Catalogus variorum et insignium librorum ex Germania, Italia, Flandria et aliis regionibus qui venum postant in foro Sancto Germano [...] 1645 ist kein einziges deutsches B uch genannt; die wenigen Titel „ ex Germania “ sind in lateinischer Sprache. 69 Es gab zwar in dieser Zeit einige Übersetzungen deutscher Werke ins Französische; manche Übersetzer konnten allerdings so wenig Deutsch, dass sie gezwungen waren, latei- nische Fassungen der Werke heranzuziehen. 70 Pierre Rivière legte 1497 eine französische Fassung des Narrenschiffs von Sebastian Brant (1494) vor, die er ausgehend von Jacob Lochers lateinischer Übersetzung erstellt hatte. Jehan Droyn veröffentlichte ein Jahr später eine weitere Übersetzung auf der Grundlage von Rivières Übertragung; der dritten franzö- sischen Fassung (1530) liegt wiederum Lochers lateinischer Text zugrunde. Ähnlich wurde

66 Zahlreiche dieser Kataloge sind in der Bibliothèque Nationale de France erhalten. Es geht uns hier nur um Privatbibliotheken von Franzosen; die Bestände der vielen deutschen Buchhändler, die sich in Frankreich etabliert hatten, bleiben ebenso außer Acht wie die Büchersammlungen anderer in Frank- reich lebender Deutscher, etwa die umfangreiche Bibliothek der ‚deutschen Nation ‘ in Orléans. 67 Gemeint sind hier Bücher in deutscher Sprache, nicht im deutschsprachigen Raum verlegte Titel. 68 Marschall Frankreichs (1579-1646). 69 ‚Katalog der verschiedenen hervorragenden Bücher aus Deutschland, Italien, Flandern und anderen Ländern, die zum Verkauf stehen auf dem Markt von Saint-Germain ‘ (BNF, Sign. Q. 2467-2477). – Lévy verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine Stelle in Rabelais ‘ Pantagruel und bemerkt, von den dort genannten 140 Werken sei kein einziges in deutscher Sprache: „Die Bibliothek von Sankt Viktor gefiel ihm ganz besonders, namentlich wegen gewisser Werke, die er dort fa nd“ [...]. Im An - schluss an die Liste dieser Werke bemerkt Rabelais: „von welchen Werken einige bereits im Druck er - schienen sind, andere aber zur Zeit in Tübingen, der edlen Stadt, gedruckt werden“ ( zit. n. der dt. Über- setzung, 2003: 210, 216 [II.7]). 70 Ebenso verfuhr man damals für Übersetzungen aus dem Französischen; so übertrug der Straßburger Reformator und Humanist Caspar Hedion 1566 Commynes‘ Mémoires nach der lateinischen Über- setzung von Johannes Sleidan ins Deutsche (Lévy 1929: I, 232). 82 Kapitel III: 1500 – 1650 für Luthers Schriften verfahren (Rossel 1897: 23f., 31; Vossler 1929: 207). 71 Einige Über- setzer waren immerhin in der Lage, vom deutschen Originaltext auszugehen, so Jean Franco, der am Hof von Franz I. lebte und 1528 Kaiser Maximilians Teuerdank übersetzte (Süpfle 1886-1890: I, 34). Die erste französische Fassung (1532) des Till Eugenspiegel , der in Frankreich sehr erfolgreich war, beruht auf dem ‚flämischen ‘ Text; 72 in der Fassung von 1559 ist vermerkt, sie sei ‚aus dem Deutschen ‘ übertragen. Pierre Victor Cayet Palma übertrug 1598 das Volksbuch vom Dr. Faust (um 1580) ins Französische. 73 Wenn anders keine Verständigung möglich war, wurden am Hof, genauer gesagt in der Kanzlei, und in den Dienststellen des Militärs Dolmetscher eingesetzt. Zu den Aufgaben von Jacques Bongars (siehe oben 2.2.1) als Sekretär und Dolmetscher gehörte auch die Übersetzung amtlicher Schriftstücke. Der Marschall de Vieilleville trat 1552 mit ‚dem königlichen Dolmetscher namens Baptiste Braillon, Abt von Bourgmoïen ‘ vor die kaiser- liche Kammer in Speyer (Carloix Hg. 1836: 552). Bense du Puis (1642) verweist auf sein Amt als königlicher Dolmetscher. Wie Gaspard de Saulx berichtet, ‚verständigte man sich ‘ auch in der Armee ‚mit Hilfe von Dolmetschern ‘ – nicht immer mit Erfolg: Ihre Niederlage bei der Schlacht von Dreux (1562) führten die Hugenotten darauf zurück, dass die Reiter die Befehle, die ihnen unter Einsatz von Dolmetschern erteilt worden waren, nicht richtig verstanden hatten (Barthold 1848: 451). Jedes deutsche und Schweizer Regiment hatte seinen eigenen Dolmetscher, der hohes Ansehen genoss, gemessen jedenfalls an der Ver- gütung. Das ergibt sich aus einem Vertrag über die Aushebung eines Reiterregiments, der zwischen Heinrich IV. und Baron François de Dompmartin geschlossen wurde; demnach erhielt der Dolmetscher ( truchement ) eine Vergütung von 24 Florin, ebenso viel wie der Prediger, der Arzt, der Barbier und jeder der beiden Trompetenbläser. 74

2.4 Deutsche Wörter im Französischen 75 Im 16. Jh. wurden mehr Wörter entlehnt als zuvor, nicht nur aus dem Deutschen, sondern auch aus dem Holländischen, Englischen und dem Schweizer Alemannischen; sie wurden jedoch weniger als zuvor ins Französische integriert. Im Unterschied zu Wörtern wie dem im 15. Jh. entlehnten haquebute < hakebuse (‚Hakenbüchse‘), das später in der Form (h)arquebuse 76 integriert wurde, bewahrten die Entlehnungen des 16. Jh. im Allgemeinen ihre deutsche Gestalt, so vaguemestre (‚Soldat, der mit der Postverteilung beauftragt ist‘), in dem v und s erhalten blieben. Entlehnt wurde zumeist aus dem Militärwortschatz; ein Beispiel ist arriguet < Antrittsgeld , das in dem frühesten Beleg noch als erläuterungs- bedürftiger Neologismus angesehen wurde, 77 was schon kurze Zeit später nicht mehr der

71 Weitere Beispiele dieser Art ließen sich im Hinblick auf die noch zu schreibende Geschichte der deutsch-französischen Übersetzungen mühelos finden. 72 Damit ist wohl die mittelniederdeutsche Fassung des Volksbuchs (1510/11) gemeint. (B.K.) 73 Cayet (1525-1610) veröffentlichte zahlreiche historische Schriften; er übersetzte auch die Sommaire description de la guerre de Hongrie et de Transylvanie (Paris: C. Chaudière, 1598). (B.K.) 74 Bongars Hg. Anquez (1887: 206f.); zum Vergleich: für den Oberstleutnant waren 750 Florin vorgesehen (B.K.). Leroux (1918: 15) nennt ein weiteres Beispiel. 75 Hierzu kritisch Baldinger (1954: 213): „Unsorgfältig auch die Liste der zwischen 1500 und 1650 über - nommenen Lehnwörter S. 100ff.“ 76 Integriert in Analogie zu arc (‚Bogen‘). 77 Vgl. Carloix Hg. (1836: 390) über den Sold der deutschen Truppen 1547: ‚und sie gingen sehr zufrieden Die Franzosen und das Deutsche 83

Fall war. Ähnlich verlief die Entwicklung bei lansquenet , das Gaspard de Saulx 1562 noch meinte erklären zu müssen : ‚Der gesamte deutsche Adel wollte zu Fuß kämpfen, sie hießen lansquenets, d. h. Diener des Landes ‘ (de Saulx 1838: 267). Die erste Konstituente, lans < Lands(mann ) findet sich jedoch schon bei Rabelais, und wenig später wurde auch die Ableitung lansquenette ( ‚Schwert von Landsknechten ‘) gebildet. Weitere in den deutschen Truppen gebräuchliche Wörter drangen ins Französische ein; am bekanntesten ist reître/reistre aleman (‚deutscher Reiter‘) < Reiter . Auch entlehnte Komposita sind für diese Zeit belegt: reitmestre (auch reitermestre , reitmaistre ) < Rittmeister , vaguemestre < Wagenmeister , die Titel 78 stathouder < ndl. stadhouder, margrave < Markgraf, burgrave < Burggraf, landgrave < Landgraf und rhingraff, rhingrave < Rheingraff , im 17. Jh. ähnlich wie brandebourg (1656) auch eine Bezeichnung für ein Kleidungsstück. 79 Geld war bei den Söldnern ein wichtiger Gesprächsgegenstand; die Franzosen hörten sie ständig reden von buchetallon < Bestallung, 80 batz < Batzen , rixdale < ndl. rijksdaaler und crutz < Kreutzer . Nicht minder wichtig waren Essen und Trinken; so gelangten ins Franzö- sische colin (‚Seehecht‘) < ndl. kolevisch, morgensouppe, schlofftroncq/schlofftroumert < Schlaftrunk (Carloix Hg. 1836), bière < ndl. bier , brandevin < ndl. brandewijn ,81 cane/cannette < Kanne , foudre < Fuder , trinquer (Rabelais) < trinken , brinde/bringue (‚Ge- sundheit ‘) < bringe, estaminet (‚Schenke‘) < wallon. staminê (vgl. ‚Stamm‘), nouille < Nudel und morille < Morchel . Dass Geld und Lebensmittel nicht immer auf legale Weise beschafft wurden, zeigen die Entlehnungen bransqueter/branschatter < brandschatzen , glic (Name eines Kartenspiels) < Glück ,82 chique (‚kleine Kugel‘) < fläm. schikkern 83 und frélore < verloren . Zu nennen sind weiter drille , 1628 in der Bedeutung ‚herumstreunender Soldat ‘ belegt, 84 aus ndl. drillen (‚herumlaufen ‘) und das aus dem Imperativ pack an gebildete 85 pacant (‚ungehobelter Mensch ‘), das im Argot früher auch die Bedeutung von ‚Gendarm ‘ oder ‚Grobian ‘ hatte (Bloch 1932: II, 50). In der Histoire universelle von Agrippa d’Aubigné (1610) erscheinen d’asticot (< dass dich Gott ) und schelme < Schelm im selben Abschnitt. Weitere Entlehnungen aus der Soldatensprache sind bivac/bivouac (‚Biwak‘) < ndd. biwachte , cible (früher cibe ; ‚Zielscheibe‘) < schîbe , fifre (‚Querpfeife(r)‘) < pfifer, Pfeifer ;86 blinder (‚panzern‘, ‚abschirmen‘) < blenden , berme (‚Böschung ‘) < ndl. berm , étendard 87 <

wieder fort, nachdem sie ihre Anzahlung in Empfang genommen hatten, die in ihrer Sprache arriguet heißt‘. 78 Manche dieser Titel waren schon vor dieser Zeit ins Französische übernommen worden. 79 Carloix Hg. (1836), Mémoires de Vieilleville II: 143: ‚Ihre Majestät schickte den ‚Rhingraff‘, was auf Französisch Graf vom Rhein bedeutet‘. – Rhingrave (f.) war im 17. Jh. eine Bezeichnung für eine weite Oberschenkelhose, brandebourg (m.) bezeichnet eine Schnur als Besatz an einer Uniform. (B.K.) 80 Castelnau (1621: VI, 11): „Les buches -tallons ordinaires“ [...]. 81 Zu diesen beiden Entlehnungen Baldinger (1954: 213): „Bière wurde schon im 15. Jahrh., brandevin dagegen erst während der flandrischen Kriege in der 2. Hälfte des 17. Jahrhs entlehnt.“ 82 Villon (1923: 252); Le testament , Vers 1705. 83 Dem TLF zufolge vermutlich zu dt. schick . 84 Heute nur noch in der Wendung joyeux drille , ‚lustiger Geselle‘. 85 Dem TLF zufolge ist die Herkunft des Wortes unbekannt. 86 Diese drei Wörter gelangten offensichtlich durch Schweizer Truppen ins Französische. 87 Baldinger (1954: 214) weist darauf hin, dass dieses Wort schon in der Chanson de Roland belegt ist; vgl. auch TLF. 84 Kapitel III: 1500 – 1650

Standarte , sabre < Sabel , halte (‚Rast‘) < Halt , (cheval de ) frise (‚spanischer Reiter ‘) < ndl. friese (ruiter ), heiduque < dt. Heiduck, hussard < Husar , obus (bis ins 18. Jh.: ‚Haubitze ‘) < Haubitze , pistole < Pistole ; die vier letztgenannten Wörter waren aus dem Ungarischen bzw. Tschechischen ins Deutsche übernommen worden. Framée (‚Frame ‘, ‚Wurfspieß der Franken ‘) < framea (1559), das auf ein sehr altes germanisches Wort zurückgeht, gelangte über die lateinische Form in einer Tacitus-Übersetzung ins Französische. Anderen Bereichen des Wortschatzes zuzuordnen sind Entlehnungen wie affaler (‚ein Tau herunterlassen ‘) < ndl. afhalen , bélandre (‚Kahn ‘) < ndl. bijlander , bélître (veraltet für ‚Bettler‘) < Bettler ,88 bismuth < Wismuth , bouquin (‚altes Buch‘, ‚umg. ‚Buch‘) < mndl. boecskijn , coche < Kutsche 89 , colza (‚Raps‘) < ndl. koolzaad , cravate < Kroate ,90 driver (‚stromabwärts treiben ‘) < ndl. drijven (oder engl. to drive ), drôle (‚Schalk‘, ‚lustig‘) < vermutl. mndl. drol(le) , elfe < Elf(e) , flûte (‚Kriegsschiff ‘) < ndl. fluit , frelater (‚fälschen‘, ‚panschen‘) < mndl. verlaten , gueuse (‚Massel‘) < ndt. göse , (Pl. von gos ), hase (‚Häsin ‘) < Hase , homard < vermutl. ndt. hummer , hutte < Hütte , manne (‚großer Korb ‘) < mndl. manne , mannequin (‚Rückenkorb ‘) < mannekijn , mannequin (‚Figur ‘) < mndl. mannekin , raban (‚Reep‘, ‚Zeising‘) < ndl. raa (‚Rahe ‘) + band , renne < Ren(tier) , trôler (noch dial. für ‚herumlungern‘, ‚bummeln‘) < trollen , ( en ) vrac (‚ungeordnet‘, ‚lose‘) < ndl. wrac/wraec (‚schlecht gesalzen ‘, ‚schlecht ‘), yacht < ndl. jacht (oder engl. yacht , vgl. ja- gen ). Das heute noch geläufige Adjektiv espiègle (‚schelmisch‘) geht auf die Geschichte des Till Eulenspiegel zurück, die 1532 ins Französische übersetzt wurde. Die Bezeichnung huguenots , die nach der Reformation gebräuchlich war, hat man in der Vergangenheit häu- fig auf Eidgenossen zurückgeführt. 91 Manche dieser Wörter, z. B. arriguet , buchetallon , waren nur vorübergehend in Ge- brauch; andere wie rhingraf und lansquenet werden heute nur noch fachsprachlich verwendet. Dagegen sind Wörter wie espiègle , reître und bouquin noch heute in der Gemeinsprache gebräuchlich. Der Vollständigkeit halber 92 sind hier noch einige Entlehnungen zu erwähnen, die nur regional gebräuchlich waren. Die deutschsprachigen Bergwerkleute, die unter der franko- phonen Bevölkerung in Giromagny, Auxelles, Le Puix und Plancher-les-Mines (Ostfrank- reich) lebten, haben den Franzosen zahlreiche Fachausdrücke vermittelt, zum Beispiel Bruderrechnungsbuch , das als Bezeichnung für die Rechnungsbücher dieser Ortschaften für das gesamte 17. Jh. belegt ist. In Giromagny gab es ab 1596 bis zum 18. Jh. ein Brue- derhaus , 1663 auch eine Bruederschaft . Deutsche Fachausdrücke wie rein, schleif, schacht

88 Dem TLF zufolge fraglich. 89 Dem TLF zufolge ursprünglich ungarischer oder tschechischer Herkunft. 90 Ausführlicher zur Herkunft des Wortes siehe TLF. 91 So bemerkt bereits Gaspard de Saulx, nachdem er andere abwegige Etymologien verworfen hatte: ‚Der eigentliche Ursprung dieses Namens ist in der Schweiz zu suchen, wo sich die ersten Teilnehmer der Volkserhebung gegen die österreichische Herrschaft Eidgenossen nannten: und da die ersten Pfarrer, die nach Frankreich kamen, dort einen Volksstaat errichten wollten, verwendeten sie diese Bezeichnung Eidgenossen unter den Hugenotten, damit sie nicht von allen verstanden wurde ‘ (1838: 321). – Vgl. weiter Bloch (1932: I, 371) und (1932: II, 190) zur Lehnübersetzung protestant nach dem Deutschen. – Littré spricht sich gegen die Annahme aus, dass huguenot auf Eidgenosse zurückgeht. (B.K.) 92 Dauzat (1938) verzeichnet noch gut vierzig weitere Entlehnungen aus dem Deutschen, die erstmals für den Zeitraum 1500-1650 belegt sind, darunter fachsprachliche Wörter, insbesondere aus dem Seewort- schatz. Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 85 und stollen wurden häufig verwendet, selbst ein des himmlischen heers erbstollen ist 1595 belegt. Auch einige Ortsnamen sind deutsch, z. B. Rossepach bei La Croix und Kemberg in der Nähe von Saint-Dié (Lévy 1929: I, 201). Manche Entlehnungen gingen endgültig in die ostfranzösischen Mundarten ein; dazu gehören nach Bloch für die Vogesen unter anderem soger, seger, sogar, sagar < Saeger, wet (‚böse‘) < wüst, vep/wes < Wespe, clit < Schlitten, marquaire (‚Milchmann‘) < Melker, cheyt (‚Stelle, an der das Holz gespalten wird‘) < Scheide, koklot (‚Kochtopf‘) < Kachel, chob/chab (‚Spundhobel von Küfern‘) < Schaben, fal/fol < Falle, ganza (‚Krug‘) < ganser, ribe/ride (‚den Hanf zerdrücken‘) < reiben, krach (‚Kiepe‘) < kräze, lod (‚Klappe‘, ‚Fall- tür‘) < Laden, grob (‚Graben hinter den Tieren‘) < Graben, chof (‚Küchenschrank‘) < Schaft, bwob < Bube, chmike < schmecken, hota (‚fertigstellen‘) < halten und roçe (‚stark regnen‘) < rauschen.93 Abschließend noch einige Bemerkungen zu den Eigennamen. Die ursprünglichen Na- men von Schomberg und Roquendolf, Schönberg und Roggendorf, sind noch leicht zu er- kennen, ebenso wie die Herkunft der gerade in Lyon sehr häufigen Nachnamen Aleman, Lallemand und l’Allemand. Schwieriger auszumachen ist der deutsche Ursprung von Baptisme, Battasine, Vatisme und Watische; diese Personennamen gehen sämtlich zurück auf Watten-Schnee, den Spitznamen eines Deutschen namens Schabler. Viele Deutsche, die sich in Frankreich niedergelassen hatten, gingen nach einiger Zeit dazu über, ihre Nachnamen einfach ins Französische zu übersetzen: Aus Zimmermann wurde Charpentier, und die Nachkommen des Braunschweigers Nicolaus Woeff, bekannt unter dem Namen Nicolaus Lupi, nannten sich einfach Loup und Leloup. Die Kinder des Lyoner Druckers Glockengiesser nannten sich Campanaire; aus Imhof, dem Namen einer Nürnberger Familie, wurde Encurie, aus Kerker Eglise. Manche nahmen auch den Namen der Stadt an, in der sie lebten; so nannte sich der Mainzer Hans Neumeister Jean d’Albi und später Jean Arby (Mathorez 1919: 150; 1921: 60f., 158). Personennamen wurden in einer Grenzstadt wie Sainte-Marie-aux-Mines, wo zu dieser Zeit ein vollständiger Sprachwechsel erfolgte, bald in französischer, bald in deutscher Form verzeichnet, was zu einem ziem- lichen Durcheinander führte.94

3 Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen

3.1 Flandern Flandern wurde trotz der fortschreitenden Franzisierung im 16. und 17. Jh. von den Franzo- sen noch immer als anderssprachiges Gebiet wahrgenommen: Flandri [...] qui inferioris et maritimae Galliae Aquilonarem oram, dissimuli a ceteris Gallis lingua [...]; Flandri, et inferior seu maritima Britonum portio, velut in Galliae

93 Bloch (1917: 278ff., 305, 317ff.); Kiesel (1918: 134 und Anm. 399-400). – Der anschließende Verweis auf die Revue d’Alsace (1927: 514, 624) und (1928: 85, 415, 519) ist von Lévy (1929: I, 201 Anm. 3) übernommen; auch dort fehlen nähere bibliographische Angaben hierzu. 94 Dies nach Lévy (1929: I, 197f.), wo als Beispiele u. a. „Wilhelm Schira“/„Guillaume Girard“, „Steffan Kremer“/„Estienne Lemercier“ genannt werden. (B.K.) 86 Kapitel III: 1500 – 1650

angulis, a Gallis disiuncti, antiquae linguae usum, in hanc usque diem tenuere. (Bouelles 1533) 95 Die gesamte Gegend westlich der gegenwärtigen Sprachgrenze, zwischen Gravelines und Saint-Omer, war wohl noch ganz überwiegend germanisch. Das Landrecht, das 1586 für die Gegend von Langle mit den Ortschaften Saint-Folquin, Sainte-Marie-Kerque, Saint-Nicolas und Saint-Omer-Capelle niedergeschrieben wurde, zeugt deutlich von der weiten Verbreitung des Flämischen in der Bevölkerung, ebenso das Landrecht von 1589 für die etwas weiter südlich gelegene Gegend um Bredenarde mit den Gemeinden Zutkerque, Nortkerque, Palincove und Andruicq (Brunot 1933: VII, 277). Das Landrecht von Ardres, das weiter von der späteren Sprachgrenze entfernt liegt, ließ im 16. Jh. noch ‚Urteile in flämischer Sprache nach hergebrachter Art ‘ zu (Courtois 1856: 16). Auch die Rechnungsbücher der Gemeinde Saint-Momelin nördlich von Saint-Omer wurden im gesamten 17. Jh. in flämischer Sprache geführt. In Saint-Omer, nur wenige Kilometer weiter, war die Franzisierung dagegen bereits weiter fortgeschritten. Im Gewohnheitsrecht von 1509 war noch vorgesehen, dass die Urteile der Schöffen ‚in flämischer Sprache ‘ niedergeschrieben wurden. 96 Am 9. März 1590 wurde jedoch der Beschluss gefasst, dass künftig ‚sämtliche Verordnungen und Satzungen, die jedes Jahr am ersten Samstag nach dem erneuten Inkrafttreten der Gesetze veröffentlicht werden, aus dem Flämischen ins Französische [zu] übersetzen ‘ waren, und ab 1593 wurden Urteile in Strafsachen nicht mehr auf Flämisch verkündet (Brunot 1933: VII, 365; Courtois 1856: V, 19). Selbst das erwähnte Landrecht von Langle sah bereits vor, dass Gerichtsverfahren stets ‚in französischer Sprache ‘ stattzufinden hatten. Ähnliche Bestimmungen gab es sicher auch für die Rechtsprechung in weiter entfernten Kantonen der rein flämischen Gegenden. Weiter im Osten war die Romanisierung stärker fortgeschritten, auch wenn dort, etwa in Bousbeque und Comines-France, im 17. Jh. verein- zelt noch Flämisch gesprochen wurde. Das gesamte Gebiet um Lille war ansonsten jedoch schon seit dem Ende des Mittelalters frankophon, und sämtliche Einzelbelege zeigen, dass Flämisch weiter an Boden verlor (Kurth 1895-1898; insbes. I: 229ff.).

3.2 Lothringen 97 und Elsass Beide Provinzen gerieten verstärkt unter französischen Einfluss. Metz wurde 1552 einge- nommen; die lothringischen Fürsten herrschten von Nancy und Lunéville aus über einen Teil Lothringens, und das Elsass wurde im Dreißigjährigen Krieg weitgehend von französi- schen Truppen besetzt. In sprachlicher Hinsicht änderte sich allerdings zunächst nur wenig; vor allem die Sprachgrenze blieb erstaunlich stabil. Einige lothringische Ortschaften

95 ‚Die Flamen, die die nordöstliche Küste des niederen und an der See gelegenen Galliens [bewohnten], [verwendeten] eine andere Sprache als die übrigen Gallier; die Flamen, und der niedere oder am Meer gelegene Teil der Bretonen, gleichsam in den Ecken Galliens, von den Galliern getrennt, pflegten den Gebrauch der alten Sprache bis auf den heutigen Tag‘; Bouelles (1533: 10, 12). 96 Vgl. Kap. II, 3.1. 97 Zur Sprachgeschichte Lothringens im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit jetzt auch Herrmann (1995) und Pitz (2007). Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 87

(Chicourt, Bezange-la-Petite, Maizières bei Dieuze und besonders Marsal) wurden franko- phon; andere wie Condé-Northen, Thicourt und Vic gingen in unterschiedlichem Ausmaß zum Deutschen über. Im Elsass veränderte sich die Lage etwas stärker. Im 17. Jh. drängte das Französische die deutsche Sprache im oberen Bruche-Tal bis hinter Schirmeck zurück und setzte sich im gesamten Steintal (Ban de-la-Roche) 98 durch. Im benachbarten Lièpvre- Tal war es umgekehrt, denn die französischen Hugenotten, die sich in Sainte-Marie-aux- Mines und Umgebung niedergelassen hatten, waren gegenüber den aus Deutschland zuge- wanderten Bergleuten und anderen Arbeitern in der Minderheit. 99 Auch im Hinterland blieben die sprachlichen Verhältnisse weitgehend unverändert. Nach der Annexion lebten in Metz, das von Anfang an eine romanische Stadt gewesen war, auch einige deutschsprachige Lothringer aus der Umgebung und deutsche Protestanten. Die Handelsbeziehungen und Erfordernisse der Verwaltung führten dazu, dass manche alteingesessenen Einwohner der Stadt sich Deutschkenntnisse aneignen mussten. Insofern kann man sagen, dass Metz im 16. und 17. Jh. zu den französischen Städten gehörte, deren Einwohner noch am ehesten Deutsch konnten. In Thionville war dagegen zu dieser Zeit selbst die Verwaltungssprache deutsch. Meh- rere hundert deutschsprachige Ortschaften im Gebiet der Deutschen Ballei („bailliage d’Allemagne“) 100 waren französischsprachigen Prinzen unterstellt. Und doch gab es gerade dort die erste Verwaltungsmaßnahme, die sich gegen die Verwendung des Deutschen rich- tete. Mit seinem Erlass vom 26. Januar 1481, und damit fast 60 Jahre vor der Verordnung von Villers-Cotterets (!), verfügte Herzog René II. von Lothringen, ‚von nun an seien Abrechnungen für die Deutsche Ballei den Vorsitzenden und Rechnungsführern des Herzogtums Lothringen nicht mehr in deutscher, sondern in französischer oder lateinischer Sprache vorzulegen, und zwar ab dem ersten Tag des laufenden Monats Januar ‘. Umgekehrt bestand Maximilian I. darauf, dass französische Schriftstücke aus dem frankophonen Lothringen ins Deutsche zu übersetzen waren. Lange Jahre waren die Franzosen genötigt, in wichtigeren Verwaltungs- und Justizangelegenheiten das Deutsche zu verwenden; noch 1625 beklagten sich die weltlichen Untertanen der Bischöfe von Metz bitter über diesen Zustand. Für die Geschichte der deutschen Sprache ist die Entwicklung im Elsass von besonderer Bedeutung: In Straßburg erschien 1574 die erste Deutschgrammatik für Franzosen, 1609 die erste deutschsprachige Zeitung. Die ersten Bemühungen um Deutschunterricht gab es in Lothringen und im Elsass. Nirgends wurde die Einführung der Volkssprache im Gottes- dienst so umfassend durchgesetzt wie in Straßburg; auch um die ‚Reinigung ‘ der deutschen Sprache war man dort besonders bemüht. Die Einheit von Nation und Sprache gehörte zu den Leitgedanken der Humanistenschule in Schlettstadt. 101

98 Protestantische Enklave im Bruche-Tal (B.K.). 99 Die Hugenotten, die infolge der Glaubenskriege in Frankreich zu Tausenden nach Lothringen und ins Elsass gekommen waren und etwa in Lixheim, Phalsbourg, Bischwiller und Straßburg größere ge- schlossene Siedlungen bildeten, wurden dort überall rasch germanisiert. 100 Bezeichnung für den deutschsprachigen Teil des Herzogtums Lothringen, der bis 1766 unabhängig war (B.K). 101 Vgl. hierzu im einzelnen Lévy (1929: I, 190-262). 88 Kapitel III: 1500 – 1650

3.3 Das Herzogtum Alençon und die Grafschaft Mömpelgard/Montbéliard Das Herzogtum Alençon war von 1605 bis 1612 unter württembergischer Herrschaft, nach- dem Heinrich IV. bei Friedrich I. von Württemberg Anleihen getätigt hatte, die er nicht zurückzahlen konnte. Nach Mathorez (1921: 122) sind in der Sprache noch einige Spuren der schwäbischen Besiedlung aus dieser Zeit erhalten. Viel tiefgreifender war indessen der sprachliche Einfluss des Schwäbischen in Mont- béliard (Mömpelgard), 102 das fast vierhundert Jahre unter württembergischer Herrschaft stand. Bereits ab dem frühen 15. Jh. kamen zahlreiche Württemberger ins Land, als Beamte oder auch nur, um die Sprache zu erlernen. Unter den Beamten und Freischülern waren etliche Deutsche, darunter Zorn, Voglmar, Spingler, Stoffel, Oswald, Macler, Wolff, Bon- sen, Hillmann und Günter. Wer eine gute Stellung in Montbéliard anstrebte, musste in Tü- bingen zur Schule gehen. 1478 war der Stiftsherr Jean Bückard, dessen Name auf deutsche Abstammung hindeutet, an der neu gegründeten Tübinger Universität eingeschrieben. 1557 stiftete Georg von Württemberg dem Tübinger Seminar 10.000 Florin für die Un- terbringung und Verpflegung sechs junger Leute aus der Grafschaft Montbéliard. In einem ‚Bericht über den Ursprung und das ehrwürdige Alter der Stadt Montbéliard ‘ aus dem Jahr 1600 ist von Freischülern die Rede, die nach Tübingen geschickt werden und ‚sich auf diese Weise auch in der deutschen Sprache ausbilden können ‘. Weiter heißt es, ‚der Deutsche könne [in Montbéliard] Französisch lernen, und der Franzose Deutsch ‘. Auch aus einem etwas späteren Beleg geht hervor, dass Montbéliard damals zweisprachig war. Henri de l’Hermine, 103 der 1674 auf der Reise ins Elsass in Montbéliard Halt machte, berichtet: ‚Es sind hier offenbar Leute aus verschiedenen deutschen Gegenden versammelt, und deshalb sprechen alle hier Deutsch und Französisch, und dazu noch diese üble Mundart, die sie Romain nennen ‘. Da infolge der politischen Lage auch Franzosen, die nicht Beamte werden wollten oder nicht bis ins weit entfernte Tübingen reisen konnten, Deutschkenntnisse haben mussten, schickten viele Eltern ihre Kinder zum Spracherwerb in das nahe gelegene Elsass. De l’Hermine berichtet hierzu: ‚Sie schicken ihre Kinder nach Mülhausen ins Elsass, damit sie dort Deutsch lernen, und im Zuge dieses Austauschs kommen Kinder aus Mülhausen nach Montbéliard, um Französisch oder besser gesagt, die dortige Mundart zu lernen ‘ (de l’Hermine 1886: 224). Einige junge Mömpelgarder studierten in Straßburg Medizin und die Rechte; im Zeitraum 1621-1650 waren es 40. Deutsch lernen konnte man allerdings auch vor Ort; so ist belegt, dass es in Montbéliard 1583 einen ‚deutschen Schullehrer ‘ namens Johann Seefus gab. Im Sprachunterricht an der Lateinschule wurden die mehrsprachigen Colloquia von Mathurin Cordier eingesetzt (siehe oben 2.2.3). Einige deutsche Wörter gelangten dort in die französische Umgangssprache;

102 Hierzu jetzt Kirchmeier (1973). 103 Lazare La Salle de l’Hermine reiste unter dem Pseudonym Henri de l’Hermine (B.K.). Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 89 die Mömpelgarder Währung nannte man batze , das Marktgebäude Kauffhaus , und ein 1594 erbauter Bauernhof hieß Schwabhof .104 Um 1650 war die Bevölkerung von Montbéliard weiter im Wesentlichen frankophon, doch hatte das Deutsche nach 250 Jahren deutscher Herrschaft dort eine bedeutendere Stellung als in irgendeiner anderen Stadt Frankreichs; nicht einmal in Belfort, das näher an der Sprachgrenze gelegen war und unter österreichischer Verwaltung stand, kam dem Deut- schen eine solche Bedeutung zu. 105

104 Angaben nach Godard (1893: 10, 32, 38ff., 69, 238). 105 Ausführlicher zu Belfort Lévy (1929: I, 200f.); zu Montbéliard jetzt auch Glück (2002: 240).

Kapitel IV: 1650-1750

Nach dem Dreißigjährigen Krieg kamen weniger deutsche Studenten, Kaufleute, Hand- werker und Arbeiter nach Frankreich; selbst die Zahl der deutschen Soldaten im Land nahm in dieser Zeit ab, da die Kriege nun im wesentlichen im Deutschen Reich geführt wurden. Anlass zu Deutschlandreisen hatten die Franzosen in dieser Zeit kaum, wenn man vom Militär absieht. Die geringe Zahl von Entlehnungen aus dem Deutschen in diesem Zeitraum ist nicht zuletzt auf die feste Überzeugung der Franzosen von der Überlegenheit ihrer Spra- che zurückzuführen. 1 Aus praktischen Gründen bestand weiterhin Interesse am Deutschen, was auch an der beachtlichen Zahl von Deutschgrammatiken für Franzosen abzulesen ist, die bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jh. vorlagen; hundert Jahre später setzten dann auch Bemühungen um einen regulären Fremdsprachenunterricht ein.

1 Die Deutschen in Frankreich

1.1 Adlige Auch in dieser Zeit gab es Eheschließungen von Bourbonen mit Prinzessinnen aus deut- schen Königshäusern; so heiratete Henri Jules de Bourbon 1663 Anna von Bayern. Der Kronprinz Ludwig ehelichte 1680 Maria Anna Christine Victoria von Wittelsbach; sie wäre beinahe Königin Frankreichs geworden, obwohl sie anfangs kaum Französisch konnte und es auch später nie perfekt beherrschte. Als sie in Châlons beichten wollte, musste sie geste- hen, dass sie nicht in der Lage war, dies in französischer Sprache zu tun, so dass man einen Domherrn aus Lüttich herbeirufen musste. Nachdem ihr Beichtvater Pater Freys 1687 zu ihren Füßen gestorben war, während er ihr die Beichte abnahm, kommentierte Dangeau dies mit den Worten: ‚Sie kann nur auf Deutsch beichten. Deshalb wird sie Pater Adelmann zum Beichtvater nehmen ‘ (zit. n. Brunot 1933: V, 325, Anm. 1). Nach Adelmann war der Jesuitenpater Wolff ihr Beichtvater. Nicht nur die Schwiegertochter Ludwigs XIV., auch seine Schwägerin war Deutsche: Elisabeth Charlotte von Orléans, besser bekannt unter dem Namen Liselotte von der Pfalz, die Mutter des späteren Regenten. Keine andere französische Prinzessin deutscher Herkunft brachte so viele Landsleute nach Frankreich, keine zeigte so deutlich ihre Vorliebe für ihre Muttersprache, keine äußerte sich mit so entwaffnender Offenheit. Selbst in Versailles hielt Liselotte von der Pfalz an ihrer Muttersprache fest, indem sie mit ihrer Oberhofmeisterin, Fräulein von Rathsamhausen, die ebenso deutsch geblieben war wie ihre Herrin, mit den deutschen Bediensteten und ihren vielen Besuchern aus Deutschland Deutsch sprach. „ Ich sehe gern gutte ehrliche Teutschen, sie hab en einen freyen zutritt bey mir“ , schrieb sie am 26. Januar 1719 an den Rat von Harling (1907: 61). In einem anderen Brief berichtete sie mit einigem Stolz, bei ihr hielten sich gerade sechs Prinzen, vier Grafen und mehrere Ad-

1 Vgl. Brunot (1933: IV.1, 516): ‚das Bewusstsein dieser ganzen Generation von der Schönheit ihrer Sprache erzeugte einen Stolz, der Übernahmen aus anderen Sprachen grundsätzlich ausschloss‘.

92 Kapitel IV: 1650-1750 lige, insgesamt 21 Deutsche, auf (Cabanès 1916: 32). Die Deutschen, die am französischen Hof ihre Sprache vergessen 2 oder sie nicht verwenden, 3 weist sie zurecht. Sie empfängt gern Briefe in deutscher Sprache: Ich lesse Euere liebe schreiben von hertzen gern undt Ihr schreibt recht woll. Dass erhellt mir auch die sprach, viel teutsch zu lessen, welche ich woll sonst vergessen müste, schreibt sie am 30. März 1709 an ihre Freundin, die Raugräfin Luise. Weiter betont sie: Nichts wirdt mich hindern, meine teutsche Bibel zu lessen [...] Ich werde die consti- tution folgen und kan woll versprechen, die Bibel nicht auff frantzösch zu lessen; den ich lesse sie allzeit in teutsch.4 Nicht minder aufschlussreich sind zwei ihrer Briefe in französischer Sprache an Sophia Dorothea von Preußen, die Mutter Friedrichs des Großen: ‚Ich muss gestehen, dass ich stets schockiert bin, wenn ich höre, dass man nicht einmal in Deutschland Deutsch spricht; unsere Sprache ist doch so schön und so gut: Weshalb sollte man sich ihrer schämen? Ich fürchte auch, dass man durch den Ge- brauch fremder Sprachen die gute alte Aufrichtigkeit, Treue und Glauben verliert, derer sich doch jeder echte Deutsche schmeicheln sollte. ‘ In dem zweiten Schreiben ist zu lesen: ‚Am Hofe Ihrer Majestät wird nur Französisch ge- sprochen. Warum nur? Das entsetzt mich als noch immer aufrechte Deutsche. ‘5 Liselotte von der Pfalz, die zu diesem Zeitpunkt seit 48 Jahren Herzogin von Orléans war, trug durch ihre Persönlichkeit und ihre Einstellung gegenüber dem Deutschen erheb- lich dazu bei, dass die Zahl der Deutschsprachigen am Versailler Hof anstieg. Schon bald nach ihrem Tod kamen andere deutsche Prinzessinnen in die königliche Familie. 1724 heiratete Prinz Ludwig von Orléans eine Prinzessin aus Baden. Marie Leczinska, die neue Königin, konnte Deutsch, denn ihr Vater, Stanislas Leczinski, hatte sich 1719 im elsässi- schen Weißenburg niedergelassen, wo sie die Sprache jahrelang gelernt hatte. In einer

2 Siehe unter anderem ihr Schreiben vom 24. Januar 1697 an Frau [Anna Katharina] von Harling: „Ich hoffe – er [Johann Franz Diederich von Wendt] wirdt sein teütsch wider zu Hannover lernen – den er hatte es gantz und gar vergeßen“ (Helfer Hg. 2007: 260); weiter den Brief an die Raugräfin Luise (Eli- sabeth Charlotte von Orléans 1907: 131, 154) sowie ihr nachstehend zitiertes Schreiben vom 1. Dezem- ber 1719 an Königin Sophie Dorothea von Preußen. 3 „Warumb schreibt Euch dass Wilhelmel frantzösisch? Ihr seydt doch beyde Teutschen“; Brief an die Raugräfin Amalia Elisabeth vom 30. März 1704 (1907: 143). 4 Brief vom 22. April 1719 an die Raugräfin Luise (1907: 63). 5 „[...] Si je l’ose dire, je suis toujours choquée quand j’aprend qu’on ne parle plus allement dans l’Allemagne mesme; notre lengue est si belle et bonne: pourquoy en avoir honte? Je crains de plus, Ma - deme, qu’en s’adonnent aux langues estrangères, on ne perde aussi l’ancienne Aufrichtigkeit, Treue und Glauben, dont tout véritable Allement se doit picquer. “ – „[...] à la cour de V.M. on ne parle que fran - çois. Eh, pourquoy cela ? Nostre lengue est si belle et bonne ? Cela me scendalise moy qui me pique d’estre encore frenche allemende“. Briefe vom 9. Februar 1719 und 1. Dezember 1719, zit. n. Brunot (1933: VIII.1, 633; Quellennachweis fehlt). Die Deutschen in Frankreich 93

Übersicht über die in Europa zu verheiratenden Prinzessinnen für das Jahr 1725 ist zu Ma- rie Leczinska vermerkt: ‚Spricht sehr gut Deutsch, und akzentfrei Französisch ‘.6 1747 wurde eine weitere Deutsche, Prinzessin Maria Josepha von Sachsen (1731-1767), Kronprinzessin Frankreichs, als sie den Sohn von Ludwig XV. und Marie Leczinska heira- tete. 7 Nicht nur in der königlichen Familie, auch im französischen Hochadel kam es viel- fach zu Eheschließungen mit Deutschen. Ein Prinz von Tarente heiratete eine Prinzessin von Hessen-Kassel, ein Graf Baudissin eine Zinzendorff. Württembergische Prinzessinnen ließen sich auf ihren Anwesen in der Grafschaft Mömpelgard nieder, so Charlotte Dorothea von Brandenburg, die Nichte Friedrichs des Großen und Gattin des Prinzen Friedrich Eugen von Württemberg, und Herzogin Sybille, Leopold Friedrichs Witwe, die bis 1677 in Héri- court lebte. Botschafter, Offiziere und andere Vertreter der gehobenen Kreise kehrten von ihren Reisen mit deutschen oder holländischen Ehefrauen zurück (Mathorez 1919: 124; 1921: 327f.). Letztere kamen meist in Begleitung von Dienern, Gesellschafterinnen, Kaplanen, Sekre- tären, Ärzten usw. Ausländischen Prinzessinnen, die in Frankreich verheiratet waren, war es eigentlich untersagt, ihre Landsleute bei sich zu behalten; doch offensichtlich wurden zahlreiche Ausnahmen gemacht. So durfte Maria Anna von Bayern, wie bereits erwähnt, deutsche Beichtväter haben. Liselotte von der Pfalz konnte stets ihre Oberhofmeisterin, das Fräulein von Rathsamhausen, ihre Kammerdienerin Bessola, ihren Stallmeister Wendt, ihren Pagen Harling, ihren deutschen Arzt und vor allem deutsche Adlige und Prinzen um sich haben. Landgrafen und Markgrafen, Rheingrafen und Raugrafen, Kurfürsten und andere Prin- zen drängten sich in den Vorzimmern des Versailler Hofes. Dass Liselotte von der Pfalz stolz vermerkte, sie habe 21 deutsche Adlige, u. a. aus den Häusern Fürstenberg und Salm- Salm, gleichzeitig bei sich versammelt, wurde bereits erwähnt. Liselottes Onkel, Landgraf von Hessen-Rheinfels, traf am Hof mit Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg zu- sammen. Auch der Markgraf von Ansbach, ein Prinz von Anhalt, ein Prinz von Friesland, ein Herzog von Zweibrücken, ein Prinz von Nassau, Prinzen von Darmstadt, Hannover und Braunschweig kamen, um ihre Aufwartung zu machen (Cabanès 1916: 32ff.; Mathorez 1919: 124). Nie zuvor hatte man so viele Deutsche am französischen Hof gesehen wie unter Ludwig XIV. Außer den Deutschen, die als Verwandte am Hof in Versailles lebten oder sich zu ihrem Vergnügen dort aufhielten, kamen auch zahlreiche junge Adlige, um ihre höfische Erzie- hung zu vervollkommnen. Préchac führt uns in seinem Roman L’I llustre Parisienne (1679) die deutschen Prinzen und Ritter vor, die ungeduldig auf das Ende des Dreißigjährigen Krieges warteten, um ihre Kinder endlich wieder nach Paris schicken zu können (Brunot 1933: V, 318). Die Kavalierstour, die bis dahin als Luxus galt, wurde nun zu einer Notwendigkeit, denn nach den Worten Friedrichs des Großen ‚galt ein junger Mann, der nicht einige Zeit am Versailler Hof verbracht hatte, als Dummkopf ‘ (1762: I, 155). Deutsche Offiziere, die angesehene Posten in den deutschen Staaten anstrebten, mussten eine Ausbildung in der französischen Armee absolvieren. Viele blieben ganz in Frankreich, manche gelangten dort zu Ruhm.

6 Brunot (1933: VIII.1, 582) mit Verweis auf die Archives des Affaires Etrangères 314, f° 96 f. 7 Königin wurde sie allerdings nicht, ebenso wenig wie zuvor Maria Anna von Wittelsbach. 94 Kapitel IV: 1650-1750

1.2 Soldaten 1656 begründete Wilhelm Ludwig Graf zu Nassau-Saarbrücken das „Régiment d’Alsace“ als erstes ständiges deutsches Regiment; es folgten 1670 das deutsche Regiment des Prin- zen von Fürstenberg und zehn Jahre später das Kavallerieregiment des Grafen Königs- marck, aus dem das berühmte Regiment „Royal Allemand“ hervorging. Der aus Livland stammende Konrad von Rosen (1628-1715) diente zunächst als einfacher Reiter in der französischen Armee, hob später ein Kavallerieregiment aus und führte es an; 1703 wurde er zum Marschall ernannt. Im Jahre 1696 war Christian III. von Bayern, Prinz von Birken- feld-Zweibrücken (1674-1735), Oberst im Elsässischen Regiment, das 1734 von seinem Sohn übernommen wurde. Emanuel Franz Joseph Chevalier de Bavière (1695-1747), ein unehelicher Sohn des bayrischen Kurfürsten Max Emanuel (1662-1726), kam 1709 in französische Dienste und wurde 1738 zum Generalleutnant befördert. Der bekannteste Feldherr deutscher Herkunft in der französischen Armee war zweifellos Her- mann Moritz Graf von Sachsen (1696-1750), der Sieger der Schlacht bei Fontenoy (1745); seit 1720 in französischen Diensten, wurde er 1744 zum Marschall ernannt und zwei Jahre später eingebürgert. An seiner Seite kämpfte Ulrich Friedrich Waldemar Graf von Lowen- dal (1700-1755), der 1743 aus Hamburg nach Frankreich gekommen war. 8 Neben den im Wesentlichen aus Deutschen bestehenden Einheiten gab es unter Ludwig XIV. auch mehrere flämische Regimenter. 9 Zudem erfolgten weitere Aushebungen in der Schweiz; so wurden 1671 vier Regimenter mit jeweils 2.500 Mann rekrutiert. Mit Aus- nahme der Schweizer Garde mit 2.500 Offizieren und Soldaten, die sämtlich Schweizer sein mussten, konnten nach einer Verfügung vom 1. Dezember 1696 auch deutsch- sprachige, schwedische und dänische Soldaten in den in der Schweiz ausgehobenen Regi- mentern dienen. In erster Linie wurden Elsässer rekrutiert; als deutschsprachige Franzosen waren sie für den Einsatz in diesen Truppen besonders geeignet. Im Zeitraum 1650-1750 waren ständig 20.000 bis 30.000 Schweizer in französischen Diensten. Auf dem Höhepunkt seiner Macht verfügte Ludwig XIV. in seinem Heer über fast 40.000 Ausländer; die Deut- schen waren deutlich in der Mehrheit.10 Um 1750 standen ihm etwas über 22.000 Schweizer und ungefähr 8.000 deutsche Soldaten zur Verfügung (Fieffé 1854: I, 162ff., 227, 270). Da die deutschsprachigen Truppen nun vielfach außerhalb Frankreichs stationiert waren, war ihr sprachlicher Einfluss natürlich geringer als zuvor, weshalb sich im Franzö- sischen dieser Zeit nur wenige deutsche Fachausdrücke des Militärs erhalten konnten.

1.3 Studenten Die Zahl der deutschen Studenten in Frankreich war deutlich rückläufig. Orléans, Blois, Tours und andere Städte an der Loire verloren zugunsten von Paris etwas an Beliebtheit,

8 Fieffé (1854: I, 180ff., 219, 240, 250, 315). Zu den deutschen Offizieren, die im 18. Jh. in französischen Diensten standen, jetzt auch Kroener (1992). 9 Jean Bart, der berühmte französische Freibeuter (1650-1712), sprach sein Leben lang Flämisch. 10 Ludwig XIV., ansonsten intolerant, gestattete den Lutheranern in der Armee, einen eigenen Seelsorger zu haben. Hambraeus, Pastor an der schwedischen Botschaft in Paris, bezeichnete sich in einem 1655 erschienenen Werk als ‚Prediger der deutschen Armee im Dienste Ihrer sehr ch ristlichen Majestät ‘ (Mathorez 1921: 347). Die Deutschen in Frankreich 95 zogen aber weiter deutsche Studenten an. Im Mémoire sur la Bretagne (1613) ist die Rede von Blois, ‚wo die Deutschen unsere Sprache lernen‘. Du Verdier berichtet in den Voyages de France (1667), an der Universität Orléans gebe es noch deutsche Studenten, und schreibt über Saumur: ‚Die Stadt hat in der Vergangenheit Deutsche, Flamen u nd Engländer angezogen, die auch weiterhin kommen, wegen ihrer Schönheit [...], aber auch wegen der Leh- rer, die die Ausländer in verschiedenen Fächern unterweisen ‘. Als Intendant von Tours schrieb Charles Colbert 11 1664 an seinen Bruder, den Minister Jean-Baptiste Colbert (1619-1683), die Stadt gehöre ‚zu den bekanntesten bei den Ausländern, die aus Deutschland und dem Norden kommen, um die französische Sprache zu lernen und an der Hugenottenakademie zu studieren ‘.12 Ein Lehrer namens Boissié am Collège von Orange gab in der zweiten Hälfte des 17. Jh. Deutschen und Schweizern Französischunterricht (Yrondelle 1912: 24). In Dôle hielten sich weiterhin auch zahlreiche flämische Studenten auf, durchschnittlich 15-20 im Jahr, teil- weise auch mehr (1672: 49); für den gesamten Zeitraum 1651-1674 sind für die flämische ‚Nation‘ 469 Namen verzeichnet (Longin 1891).

1.4 Gelehrte Einige deutsche Gelehrte etablierten sich endgültig in Frankreich. Der Konstanzer Andreas Enguehart lehrte von 1680 bis 1710 am Collège royal und war bis zu seinem Tod Chefarzt des Pariser Krankenhauses Hôtel Dieu; der 1635 in Erfurt geborene Johann Michael Wansleben war als Archäologe für J. B. Colbert tätig (Mathorez 1921: 112, 129). Die meisten hielten sich dagegen nur vorübergehend in Frankreich auf, so der Physiker Huyghens, der Chemiker Wilhelm Homberg (1652-1715) und der Mathematiker Ehrenfried Walther von Tchirnhausen (1631-1708). 13 Auch deutsche Dichter und Schriftsteller besuch- ten Frankreich. Gryphius hielt sich zunächst längere Zeit in Paris auf und reiste dann weiter bis Marseille; Hofmann von Hofmannswaldau blieb lange genug im Land, um Französisch zu lernen. Ihnen folgten im 18. Jh. Barthold Heinrich Brockes, Joachim Christoph Nemeitz (1679-1753) und Emanuel Christoph Klüpfel (1712-1776), der Begründer des Gothaischen Hofkalenders. Auch der dänische Schriftsteller Holberg hielt sich mehrfach in Paris auf (1714, 1716 und 1725). Leibniz, der von einer kurzen Unterbrechung abgesehen von 1672 bis 1676 in Paris lebte, wurde sich (wie Goethe ein Jahrhundert später in Straßburg) bei sei- nem Aufenthalt in Frankreich verstärkt der Bedeutung der Muttersprache bewusst. In einem Schreiben aus Paris äußert er Bedauern darüber, dass die Deutschen ihre eigene Sprache vernachlässigten, die dem Lateinischen und den romanischen Sprachen doch deutlich

11 (1629-1696); er war später auch Intendant von Flandern. 12 Brunot (1933: III, 720, Anm. 1). – Hierzu merkt Forster (1952-53: 314) kritisch an, Lévy habe die Bedeutung religiöser Faktoren in diesem Zusammenhang nicht genügend herausgearbeitet, wie zuvor bereits im Kap. III. 13 Homberg und Tschirnhausen kamen Ende des 17. Jh. wiederholt nach Frankreich. 96 Kapitel IV: 1650-1750

überlegen sei. Seine politischen Schriften aus dieser Zeit sind überwiegend in deutscher Sprache verfasst (Davillé 1912).

1.5 Künstler Maler, Kupferstecher und Bildhauer, auch einige Musiker erhielten ihre künstlerische Aus- bildung zum Teil in Paris: Andreas Schlüter (1660-1714), der bedeutendste deutsche Bild- hauer und Architekt seiner Zeit, der Medailleur Raimund Faltz (1658-1703), der Maler und Kupferstecher Karl Gustav von Amling (1651[?]-1702 od. 1703) u. a. (Dussieux 1876: 99; 218ff.). Zur selben Zeit waren auch die Musiker Froberg 14 und Westhoff 15 in Frankreich. Der große Zustrom deutscher Künstler nach Paris setzte jedoch erst um 1740 ein: Telemann kam aus Hamburg (1736), der Maler Ekhard aus Darmstadt, der Kupferstecher Georg Friedrich Schmidt (1712-1775) aus Berlin und Johann Georg Wille (1715-1808), ebenfalls Kupferstecher, aus der Wetterau (Wille 1857).

1.6 Kaufleute In allen bedeutenden Handelsstädten ließen sich Deutsche nieder, von Anfang an mit Vor- liebe in Bordeaux. Im 17. Jh. erhielten dort zehn deutsche Kaufleute die französische Staatsangehörigkeit. Im 18. Jh. stieg die Zahl der Deutschen weiter an; allein 1731-1740 etablierten sich elf deutsche Kaufleute in Bordeaux, darunter der Bankier und Ge- schäftsmann Johann Jakob Bethmann. Dutzende der dort ansässigen Deutschen traten 1678- 1686 zum Katholizismus über. Holländische Händler in Bordeaux waren gegen Ende des 17. Jh. so zahlreich, dass die Behörden sich gezwungen sahen, am Collège de Guyenne Niederländischunterricht einzurichten und Privatstunden für die holländische Sprache zu genehmigen. Auch viele Seeleute kamen nach Bordeaux; allein im Jahre 1740 lagen im Hafen der Stadt 110 deutsche Schiffe aus Stettin, Bremen, Danzig, Lübeck und Hamburg (Mathorez 1921: 146ff., 310; Leroux 1918: 30ff., 82). Wenn man zehn Mann pro Besatzung rechnet, waren es in diesem Jahr also über 1000 deutsche Seeleute, die sich in Bordeaux aufhielten. Auch in anderen Hafenstädten waren Deutsche gut vertreten; auf Grund des Umfangs der Handelsbeziehungen wurden 1681 eigens brandenburgische Konsuln für La Rochelle ernannt. Auch in Marseille waren deutsche Kaufleute tätig, die überwiegend aus den Hansestädten stammten, etliche auch aus der Deutschschweiz. In Lyon siedelten sich im Laufe des 18. Jh. ebenfalls immer mehr Deutsche an. Auch in Rouen, wo sich zunächst einige Deutsche als Stoffeinkäufer niedergelassen hatten, gab es zahlreiche deutsche Händler, vor allem aus Hamburg; selbst in kleineren Städten wie Nemours, Corbeil und Clermont waren sie anzutreffen (Mathorez 1921: 114, 148f., 160, 162f., 166ff.). Deutsche Handwerker und Arbeiter kamen ebenfalls nach Frankreich. Wie zuvor Hein- rich IV. und Richelieu setzte Colbert holländische Zimmerleute ein, vor allem auf den Werften von La Rochelle, Rochefort, Brest, Toulon und Marseille. Um dem Fachkräfte- mangel abzuhelfen, der durch die Vertreibung der Hugenotten entstanden war, lockerte Ludwig XIV. 1687 die Bestimmungen für die Einwanderung von Holländern. Manche

14 Gemeint ist wohl der Komponist Johann Jacob Froberger (1616-1667), der sich 1651-1653 in Paris aufhielt. 15 Vermutlich der Komponist und Geigenvirtuose Johann Paul von Westhoff (1656-1705). Die Deutschen in Frankreich 97 deutsche Handwerker zogen auch durch Frankreich, so der Schneidermeister Friedrich Georg Goethe (1657-1730), der Großvater des Dichters. 16

1.7 Weitere Hinweise auf die Präsenz von Deutschen in Frankreich Von den deutschen Beichtvätern am Hof oder in fürstlichen Häusern war bereits die Rede. Zu Beginn des 18. Jh. lagen die Geschicke der Abtei des Mont-Saint-Michel in der Hand eines Bayern. 17 Dass auch in diesem Zeitraum Gottesdienste in deutscher Sprache stattfan- den, deutet bereits darauf hin, dass viele Deutsche nach dem Krieg in Frankreich geblieben waren. Die lutherische Gemeinde an der schwedischen Botschaft in Paris war größer denn je zuvor. 18 Joachim Christoph Nemeitz, der sich im Titelblatt seines Séjour de Paris als „Fürstl. Waldeck. Hof=Rath“ ausweist, berichtet hierzu: Bey dem Schwedischen Minister aber ists gar etwas sonderliches / daß der Lutheri- sche Gottesdienst bey demselben in Teutscher Sprache verrichtet wird. Und ist wohl glaublich, daß solches denen Lutheranern zu Gefallen geschicht / welche theils in einem gewissen privilegirten Bezirck der Stadt Paris [...] sich wohnhaft nieder- gelassen / theils unter den Schweizern und andern frembden Regimentern in Franzö- sischen Diensten stehen / theils auch sonsten dahin gereiset kommen / welche / ob sie zwar von unterschiedlichen Nationen seyn mögen / dennoch fast alle die Teut- sche Sprache verstehen. Dahero dann auch diese Versammlungen zuweilen über et- liche hundert Persohnen starck sich befunden / unter denen auch einige Reformirte Bancquiers zu Paris, aus der Schweiz und aus Teutschland gebürtig [...]. (Nemeitz 1728: 373f.) Aus dem Erfolg seines als Ratgeber für deutsche Reisende von Condition konzipierten Werkes lässt sich schließen, dass nach wie vor viele deutsche Adlige nach Frankreich reis- ten. Weitere Ausgaben des zuerst 1718 in Frankfurt am Main veröffentlichten Reisebuchs erschienen 1722, 1728 und 1750; außerdem wurde 1727 ohne Wissen und Zutun des Ver- fassers eine französische Übersetzung in Leiden veröffentlicht. 19 Zumindest zu Beginn des 18. Jh. bestand die Bruderschaft der deutschsprachigen Katholiken in der Gemeinde von Saint-Germain-des-Prés noch; ausländische Priester lasen dort jeden Sonntag die Messe für Deutsche, Holländer und Schweizer. 1701 leitete Pater Krattmann, ein konvertierter Däne, die Bruderschaft (Mathorez 1921: 325, 347). Aufschlussreich sind auch die Remarques sur les germanismes (1747) von Mauvillon, der hierfür auf seine zehnjährige Erfahrung als Französischlehrer von Deutschen, Dänen, Holländern und Engländern zurückgreifen konnte, wie er im Vorwort erläutert. Dass er sich die Mühe machte, so ausführlich 20 auf die typischen Fehler deutschsprachiger Franzö-

16 Vor und nach dieser Zeit gab es allerdings mehr deutsche Handwerker in Frankreich (Mauco 1932: 5, 10; Valkhoff 1931: 32). 17 Der Bamberger Johann Friedrich Karq, Baron von Bebemburg (1648-1719), vormals Dekan von Mün- chen, Rat des Kurfürsten von Bayern und Kanzler des Kurfürsten von Köln, war von 1703 bis 1719 Prior der Abtei (Dupont 1902: 115f.). 18 Vgl. Driancourt-Girod (1992); der Beitrag beruht auf ihrer 1990 vorgelegten Thè se d’Etat , Les luthé- riens à Paris du début du XVIIe siècle au début du XIXe siècle (1626-1809) . 19 Ausführlicher hierzu Kaltz (im Druck). 20 Auf fast 400 Seiten! 98 Kapitel IV: 1650-1750 sischlerner einzugehen, ist als solches schon ein Hinweis auf die erhebliche Zahl der jungen Deutschen in Frankreich. Genaue Zahlen zu nennen ist allerdings auch hier nicht möglich. In der Flugschrift Teutsche, wehrt Euch wider Franckreich! (anon. 1689) ist die Rede von 40.000 Deutschen, die nach Frankreich gegangen seien, sicher mit bewusster Übertreibung, wie auch Brunot (1933: V, 321) annimmt; doch selbst wenn es nur halb so viel waren, so wäre das immer noch eine beachtliche Zahl. Jedenfalls hielten sich im Zeitraum 1650-1750 ständig Tausende von Deutschsprachigen in Frankreich auf. 21

2 Die Franzosen und das Deutsche

2.1 Urteile über die deutsche Sprache

Der Vergleich von Sprachen war vor allem im 18. Jh. bei den Franzosen sehr beliebt: ‚Im ko smopolitischen Milieu des 18. Jh. wird es gewissermaßen zum Gesellschafts- spiel, die Vorzüge der verschiedenen Sprachen mit einander zu vergleichen. Grammatiker, Schriftsteller und Leute von Welt beteiligen sich daran; dass sich auch Voltaires Hurone 22 gleich nach seiner Ankunft an einer solchen Debatte beteiligt, ist nicht weiter verwunderlich ‘ (Baldensperger 1907: I, 18). Gegenstand des Sprachvergleichs, der nicht wie später wissenschaftlich oder im engeren Sinne philologisch, sondern philosophisch und ä sthetisch begründet wird, sind ‚Schönheit‘ und ‚Geist der Sprachen‘; ihre Entwicklung bleibt dagegen noch völlig außer Betracht, und der Sprachbau gerät allenfalls ansatzweise in den Blick. 23

2.1.1 Verachtung Nach wie vor war die deutsche Sprache schlecht angesehen. Immer wieder wurde der alte, schon von Karl V. und Montaigne verbreitete, Topos vom Deutschen als Sprache der Pferde aufgegriffen, gelegentlich in leicht veränderter Form; er geht vermutlich auf die Verachtung der Sprachen Nordeuropas in der Renaissance zurück. Bouhours (1671: 64) beruft sich auf Karl V. und macht sich dessen Ansichten zu eigen: ‚Wollte er mit den Damen sprechen, so spräche er Italienisch; mit den Männern spräche er Französisch; wenn er mit seinem Pferd sprechen wollte, so spräche er Deutsch; wenn er aber zu Gott sprechen wollte, so spräche er Spanisch. ‘24

21 Darunter auch etliche ‚Moskowiten‘, wie man die Deutschbalten seinerzeit nannte (Mathorez 1919: 297). 22 Anspielung auf Voltaires philosophische Erzählung L’Ingénu (1767). (B.K.) 23 Ein typisches Beispiel ist Frain du Tremblay (1703: 8): ‚Einleitend muss ich noch hervorheben, dass ich nur die Natur und die Vernunft zu Rate ziehe, und dass weder das Ohr noch die Einbildung an der Ent- scheidung, die hier zu fällen ist, Anteil haben dürfen, weil beide notwendig für die eine oder andere Sprache voreingenommen sind‘. 24 Vgl. auch d’Argens (1738: III, 331): ‚Karl V. sagte, wenn er zu Gott sprechen woll e, so wäre es auf Spanisch, mit seiner Geliebten spräche er Italienisch, mit seinen Freunden Französisch, und mit seinen Pferden Deutsch‘. Der Topos wird später in leicht veränderter Form von Voltaire wieder aufgegriffen. Die Franzosen und das Deutsche 99

Seine eigene Meinung hatte er kurz zuvor geäußert: ‚Die Chinesen [...] singen, die Deut - schen schimpfen, die Spanier deklamieren, die Italiener seufzen, die Engländer zischen. Eigentlich sprechen nur die Franzosen ‘ (Bouhours 1671: 59). Eine etwas andere Version ist in der Schrift Die neuste Manier Frantzösisch zu reden (1710) nachzulesen: ‚Cum mulieribus loquendum esse Gallice [...], cum hostibus vero loquendum esse germanice ‘.25 Holberg berichtet in einem Brief: ‚Nachdem ich mich sehr bemüht hatte, den Pariser Akzent anzunehmen, machte eine Französin diese Bemerkung über meine Aussprache: Er spricht Französisch wie ein deutsches Pferd ‘.26 Das hört sich fast wie eine sprichwörtliche Wendung an, vielleicht eine Variante der Karl V. zugeschriebenen Bemerkung. Diese durchaus unfreundlichen Urteile beruhen auf der Überzeugung der Franzosen von der Minderwertigkeit des Deutschen, die damals weit verbreitet war, häufig jedoch auf völliger Unkenntnis der Sprache beruhte. Frain du Tremblay gründet seine Beurteilung aller Sprachen allein auf seine Kenntnisse des Lateinischen, Griechischen und Französischen, wie er selbst andeutet (1703: 9). Etwas differenzierter äußert sich Mauvillon (1740: 333): ‚Es gibt viele Ausländer, vor allem Franzosen, die alles Mögliche über die deutsche Sprache sagen, ohne auch nur ein einziges Wort Deutsch zu können. Nie sagen sie etwas Gutes darüber, und gibt man sich die Mühe, nach dem Grund zu suchen, so wird man feststellen, dass sie nach dem Hörensagen urteilen oder diese Sprache nur deshalb verachten, weil es ihnen nicht gelungen ist, sie zu erlernen. ‘ Auf der anderen Seite äußert er sich auch sehr kritisch über das Deutsche, ähnlich wie an- dere Franzosen, die über Deutschkenntnisse verfügten:

Schon zuvor hatte Pierre Bayle die Varianten in seinem Dictionnaire historique et critique s.v. „Charles, oder Carl der V“ ausführlich kommentiert und zunächst Bouhours (1671: 81) zitiert: Karl V. habe „mit dem Frauenzimmer italienisch, mit den Mannspersonen französisch, mit seinem Pferde deutsch; allein mit Gott spanisch reden“ wollen; er fährt dann fort: „Dieß ist von demjenigen sehr unterschieden, was ein Spanier zu einem Deutschen gesaget hat: Die Deutschen reden nicht, sagte er zu ihm, sondern sie donnern; und ich glaube, daß Gott ihre Sprache gebraucht hat, da er über den Adam das Urtheil der Verdammniß ausgesprochen hat [...] Allein hier ist eine andere Meinung, die mit Carls des V, seiner nicht völlig übereinkömmt, und welche einem spanischen Doctor ungemein gefallen hat: die deutsche Sprache ist gut für die Soldaten, die französische für das Frauenzimmer, die italienische für die Prinzen, und die spanische für Gott. De praestantia [...] illarum ( linguarum ) quae Europaeis frequentiores sunt, sic Tympius. In Mensa Theophilos. pag. 2. distinguendum putat: vt si quispiam cum Deo locuturus esset, Hispanice deberet loqui, ob linguae maiestatem; si cum aliquo Principe, Italice propter hujus ele- gantiam; si cum faeminis, Gallice ob suauitatem; si cum militibus, Germanice, quod sit omnium robustis sima [...].“ Bayle (1734: II, 409, Anm. D; hier zit. n. der deutschen Ausgabe (Gottsched 1742: II, 142f.). 25 ‚mit den Frauen müsse man französisch reden […], mit den Feinden aber müsse man deutsch reden‘; zit. n. Brunot (1933: V, 358), der das Werk in der Hamburger Bibliothek entdeckt hat. – Als Verfasser gilt ein Franzose namens Richelet, vermutlich nicht identisch mit dem gleichnamigen Lexikographen Pierre Richelet (1626-1698), wie im GVK angegeben. (B.K.) 26 Holberg, Epîtres IV, 396; zit. n. Brunot (1933: VIII. 1, 417). 100 Kapitel IV: 1650-1750

‚Alle Völker haben Schwierigkeiten beim Erlernen des Deutschen, und dies ist ein Beweis für das Barbarische dieser Sprache. Ich kenne Franzosen, die seit vierzig Jahren hier leben und immer noch keine zwei Worte Deutsch können. Wer trägt die Schuld daran? Sie oder die Sprache? An ihnen kann es nicht liegen: Denn wie ist es möglich, dass sich unter so vielen Leuten niemand findet, dessen Zunge geschickt genug und dessen Auffassungsgabe lebhaft genug ist, um diese Sprache zu lernen, wenn sie denn sprechbar wäre. Ich jedenfalls muss gestehen, dass ich nur mit unendlichen Mühen so weit gekommen bin, Ihre Sprache zu radebrechen. Die Schwierigkeit muss also in der Sprache selbst liegen‘ (Mauvillon 1740: 336). Die Rede v om ‚barbarischen Deutschen‘ wird zum unendlich variierten Leitmotiv. Die deutsche Sprache ist zugleich ‚arm‘ und ‚reich‘, ein nur scheinbarer Widerspruch: ‚Diese Sprache besitzt mehrere Wörter, um dasselbe auszudrücken; aber für unend - lich viele Dinge gibt es kein Wort im Deutschen, und man muss sie mit Fremd- wörtern, Umschreibungen oder Zusammensetzungen ausdrücken ‘ (Mauvillon 1740: 339). Einen weiteren Einwand gegen das Deutsche – es eigne sich nicht zum Ausdruck erhabener Gefühle, noch weniger zur dichterischen Eloquenz – greift der Marquis d’Argens auf, macht ihn sich jedoch nicht ganz zu eigen: ‚Der im allgemeinen wenig lebhafte Geist der Deutschen und ihre Sprache, die bes - ser geeignet ist für die Wissenschaft und die Ethik als für die Rhetorik und die Poe- sie, sind für die vielen deutschen Dichter und Redner offenbar ein Hindernis [...] Mir ist kein deutsches Gedicht bekannt, das in Europa Aufsehen erregt hätte ‘ (d’Argens 1738: III, 329). 27 Bedeutung der Wörter und Wortstellung sind im ‚Teutonischen‘, wie das Deutsche abfällig genannt wird, kaum normiert, während das Französische sich durch Regelhaftigkeit und Genauigkeit auszeichnet. Mauvillon (1740: 337) bemängelt insbesondere die Polysemie der verbalen Präfixe: ‚Der verwickelte Sprachbau [...] ist eine Erschwernis für diejenigen, die sich bemü - hen, Deutsch zu lernen [...]. Weder Griechisch noch Hebräisch weisen vergleichbare Schwierigkeiten für den menschlichen Geist auf. Nennen Sie mir eine Schwierigkeit in diesen beiden Sprachen, die sich mit der Ihrer trennbaren Präpositionen an, zu, auf, durch, aus vergleichen lässt [...]. Bald bedeuten sie dies, bald jenes. Verbindet man zum Beispiel ver mit verschiedenen Verben, so ergeben sich alle möglichen verschiedenen Bedeutungen ‘. Weitere Mängel sind die langen Sätze und der schwerfällige Satzbau. Selbst Fontenelle, der den Deutschen eigentlich überaus gewogen war, bemerkte einmal: ‚Ein Vorwurf gegen Ihre Sprache, den ich von ander en höre und der schwerer wiegt als die Härte der Aussprache, lautet, die Sätze seien im Deutschen häufig äußerst

27 Vgl. Süpfle (1886-1890: I, 126): „Wegen unserer großen Leistungen in der Chemie nannte er [Bayle] unsere Sprache die Sprache der Chemie“. Die Franzosen und das Deutsche 101

lang und der Satzbau sei sehr verwickelt; der Sinn bleibe lange unklar und verworren; doch ist dies eigentlich den Schriftstellern anzulasten ‘ (zit. n. Danzel 1855: 88). Der größte Mangel des Deutschen ist jedoch die Ungeschliffenheit der Laute, die Härte der Aussprache; eine solche Sprache ist für Franzosen nicht ‚sprechbar‘, und daher ‚barba - risch ‘: ‚Das Barbarische einer Sprache liegt genau genommen nur in der Ungeschliffenheit der Wörter und der Schwierigkeit der Aussprache. Der erste Mangel betrifft das Ohr, der zweite die Sprechwerkzeuge. So lange ich auch in Deutschland bin, so haben sich meine Ohren noch immer nicht an die Aussprache der meisten Wörter gewöhnt: und was meine Lungen angeht, so haben Ihre Ks und Hs sie ordentlich ausgetrocknet [...] Nie wird es Ihnen gelingen, mich davon zu überzeugen, dass Wörter auf strif, straf, misch, masch, tisch, tasch, rufft, bufft, lufft, kinn, kan, kom, brick, brack sanft klingen und eine Sprache, die lauter solche Endungen hat, für die Ohren erträglich ist, es sei denn, man hätte diese Laute zuvor geschliffen. [...] Das Deutsche ist rauh und barbarisch ‘ (Mauvillon 1740: 334f.). 28 Fast alle Zeitgenossen teilten Mauvillons Meinung, und schon Bouhours (1671: 650f.) hatte sich ganz ähnlich geäußert: ‚Das Französische ist unendlich weit entfernt von der Rau hheit sämtlicher Sprachen des Nordens, deren Wörter fast alle die Kehle derjenigen, die sie aussprechen, ver- letzen, und die Ohren derjenigen, die sie anhören. Die Verdoppelung von w, f und k, die in all diesen Sprachen herrscht, die Anhäufung von Konsonanten ist fürchterlich auszusprechen und führt zu einem Klang, der Angst erzeugt. ‘ Man denkt hier unwillkürlich an die sprichwörtliche Wendung hacher de la paille [Stroh hacken] in der Bedeutung ‚Deutsch sprechen‘.

2.1.2 Ironische Nachahmung der deutschen Aussprache Der Klang der deutschen Konsonanten, der den Franzosen missfiel, und der typische Ak- zent der Deutschen im Französischen waren beliebte Mittel, um das Publikum im Theater zum Lachen zu bringen (Damm 1911). Molière lässt am Ende seines Stücks L’Étourdi einen Diener namens Mascarille auftreten, der als Schweizer verkleidet ist und auf die Frage von Andrès, wo man denn in diesem Haus wohnen könne, radebrechend antwortet: „Ouy, moy pour d’estrancher chappon champre garny,/Mais ché non point locher te gent méchant vy.“ 29 Nach weiteren Repliken dieser Art („Moy souis ein chant honneur , moy non

28 Vgl. auch Mauvillon (1740: 342): ‚Es ist unangenehm, wenn man seine Brust dermaßen anstrengen muss, um die meisten deutschen Wörter auszusprechen, das bleibt einem nur erspart, wenn man in Deutschland geboren ist. ‘ 29 Adolf Freiherr von Knigge hat dies in seiner Bearbeitung des Stückes ( Der Unbesonnene, Ein Lustspiel in fünf Aufzügen, Nach dem Französischen [...] von A. Freyherrn von K*** . Heidelberg: bey den Ge- brüder [sic] Pfähler, 1785) recht geschickt transponiert. Den Französisch radebrechenden Schweizer (Mascarille) ersetzt er durch Günter, einen Deutschen, der sich als Italiener ver stellt: „Signor mio! – bi- sogna dirle – ieg mus sagen Ihr, das ieg nieg aufnehm in la casa mia persone d’un – come si dice, in lin- 102 Kapitel IV: 1650-1750 point Maquerille: / Chay point fentre chamais le fame ny le fille“; Molière 1949: I, 237, 242) lässt Mascarille endlich die Maske fallen und ‚entschweizert sich‘, wie Molière es ausdrückt, d. h. er spricht wieder ordentlich Französisch. 30 Auch Sbrigani, als ‚flämi scher Kaufmann ‘ verkleidet, spricht schlecht Französisch, immerhin mit weniger deutlichem germanischem Akzent: „Fous connoistre point en sti File un certe Montsir Oronte?“ (Monsieur de Pourceaugnac , 1669; Molière 1949: VII, 342ff.). Im Bourgeois gentilhomme (1670) singt ein Schweizer im „Ballet des Nations“: Mon ’sieur le donneur de papieir,/Quel veul dir sty façon de fifre ?/Moy l’écorchair tout mon gosieir/et crieir,/Sans que je pouvre afoir ein lifre: /Pardy, mon foy ! Mon’ - si eur, je pense fous l’estre ifre . (Molière 1949: VIII, 274) 31 Natürlich fand Molière Nachahmer; so tritt in Poissons Après-Soupé des Auberges ein schlecht Französisch sprechender Flame auf : „Et pon -chour, fou Monser, after vous porte pien?“ (Poisson 1665: 34, 8. Szene). Im selben Jahr wie Molière im Bourgeois Gentilhomme ließ Montfleury im Gentil-Homme de Beauce einen Schweizer auftreten, genauer gesagt, einen als Schweizer verkleideten Diener, der ständig mit starkem deutschem Akzent spricht: serfice, matame, che, pien usw. (Montfleury 1739: II, 208ff.). Die Tradition wurde auch im 18. Jh. fortgesetzt. Im Naufrage au Port-à-l’Anglois ou les Nouvelles Débarquées sagt ein deutscher Baron mit dem bezeichnenden Namen Trinquem- berg etwa: Matamzelle Flaminia ! Oh l’estre point vous que ché voye presentement. L’estre ein sonche! Ein refferie ! Moy dormir encore touchours [...] Chel sens mon coevir [=coeur] que il nache dans le choye par tessus son tete. (Autreau 1718: 69, 91) Auch in Romagnesis Temple de la Vérité gibt es einen Schweizer Diener, der ähnlich spricht wie bei Molière: „Quel diable de tapache faire vous? [...] Foule fous poire encore ein pé tavantache?“ ( Romagnesi 1726: 47ff.).

2.1.3 Wohlwollendere Urteile Immerhin gestanden manche Schriftsteller dem Deutschen auch gute Eigenschaften zu, weniger vielleicht aus wirklicher Überzeugung, sondern eher aus dem Bemühen um ein vorsichtiges Urteil heraus, um Toleranz, wie sie für das 18. Jh. charakteristisch war, und Objektivität. Sie gingen dabei aus vom Postulat der Gleichheit von Sprachen, die für den Abbé Paul Tallemant le Jeune (1642-1712) gottgewollt ist:

gua tedesca? persone von einer böse Ruf – Niegs verdägdig! perche sono io un uomo onorato – ein Mann von Hehr“ (1785: 192; 5. Aufzug, 8. Auftritt). 30 Vergleicht man die verschiedenen Ausgaben des Stückes, so wird deutlich, dass die ‚korrekte‘ Trans- kription von Mascarilles deutschem Akzent ( mariage/mariache; venir/finir/fenir; maison/maisson usw.) schwierig war. 31 Auch dies ist in der Übersetzung von Arthur Luther ( Der Bürger als Edelmann , Stuttgart: Reclam, 2000: 79; Ballett, 1. Szene) recht gelungen transponiert: „Schweizer. Isch denn für mi ka Büechli do?/ Do han i’s aber übel g’troffe!/ I ruef und ruef, der Maa soll choo: /H allo!/Do isch er scho zen andern gloffe!/Parblö, Herr Büechlimann, er het echt z’viel/gesoffe?“ Die Franzosen und das Deutsche 103

‚Jede Sprache hat ihre Schönheiten und Vorzüge, und Gott hat allen Völkern in glei - chem Maße Worte gegeben, um ihre Gedanken mitzuteilen; der Glaube, eine Spra- che sei beredter als andere, entspringt einem ungerechtfertigten Stolz ‘.32 Für Frain du Tremblay und die meisten seiner Nachfolger ist die Gleichheit der Sprachen dagegen naturbedingt: ‚Ich glaube, meine Annahme, dass den Sprachen als solchen und nach ihrer Natur betrachtet nichts eignet, was ihre Überlegenheit anderen Sprachen gegenüber be- gründen könnte, hinlänglich bewiesen zu haben, und ich habe gezeigt, dass man in allen Sprachen mit allen Schönheiten, aller Kraft und der Größe der erlesensten und trefflichsten Eloquenz reden kann ‘ (Frain du Tremblay 1703: 237). Diese konziliantere Einstellung kam zunächst der deutschen Sprache zugute; der Rede vom Deutschen als ‚Sprache der Pferde‘ hiel t d’Argens entgegen: ‚Das is t angesichts der Harmonie und Sanftheit der deutschen Dichtkunst noch ein weiteres Vorurteil. Die Musen meiden eine Sprache, deren Härte sie abschreckt. Da es indessen keine Sprache gibt, die nicht sanft und angenehm wird, wenn sie recht gesprochen wird, so meine ich, die Mängel der deutschen Gedichte rühren viel eher von den Dichtern her als von der Sprache selbst ‘ (d’Argens 1738: III, 331). Und der Dichter Baculard d’Arnaud schrieb an Gottsched: ‚Sie haben den Mut, Ihre Landsleute von einem Vorurteil zu heilen, das ihnen un- recht tat, Sie zeigen ihnen, dass sie selbst reich sind, dass ihre Sprache ebenso ge- schickt ist zu Anmut und Kraft wie die unsere ‘ (Brief vom 20. Februar 1741; zit. n. Danzel 1855: 341). Ähnlich hatte sich auch Fontenelle schon 1728 in einem Brief an Gottsched geäußert: ‚Ich wei ß nicht, ob das Deutsche härter ist als das Französische, denn ich bin immer ein wenig vorsichtig, wenn die Rede ist von Härte oder Sanftheit [...] Doch selbst wenn das Deutsche tatsächlich härter wäre, so wäre das nicht weiter schlimm, und Sie könnten daraus bei den Gelegenheiten, wo Härte angebracht ist, größere Kraft ziehen ‘ (zit. n. Danzel 1855: 88). D’Arnaud spricht von ‚Anmut und Kraft‘, der Abbé Goujet von der ‚Energie‘ des Deut- schen; 33 ähnlich betont Mauvillon, ‚dem Deutschen fehle es weder an Kraft noch an Ener - gie noch an Ausdrücken ‘ (Mauvillon 1740: 345). Alle Franzosen, die die Sprache be- herrschten, waren angetan von dem Reichtum des Wortschatzes, den Wortbildungs- möglichkeiten und der vergleichsweise freien Syntax im Deutschen. So schreibt Mauvillon: ‚Das Deutsche hat wie das Lateinische die Freiheit, den Satzbau unterschiedlich zu gestalten [...]. Zu diesem Vorzug kommt noch der größere Reichtum der deutschen Sprache [...]. Zudem genießt sie das Vorrecht, im Ausdruck weniger eingeschränkt

32 Rede vom 23. Dezember 1676 in der Académie française; zit. in Rivarol (1929: 17f.). 33 Welches Werk von Claude-Pierre Goujet (1697-1767) hier gemeint ist, konnte leider nicht ermittelt werden. 104 Kapitel IV: 1650-1750

zu sein [...]. Und ebenso wie die griechische hat auch die deutsche Sprache die Fä- higkeit, ein Wort aus mehreren Wörtern zu bilden und diese zusammengesetzten Wörter unendlich zu vermehren. Sie verfügt über zahlreiche Verkleinerungsformen, und es gibt wohl kein Substantiv, aus dem man kein Diminutivum machen könnte, indem man gen oder lein anhängt ‘ (Mauvillon 1740: 341f.). Ähnlich ist in einer französischen Deutschgrammatik zu lesen: ‚Es gehört zu den Vorrechten der deutschen Sprache, dass sie die unmittelbare Bil- dung zahlreicher Ausdrücke zulässt, die leicht verständlich sind, auch wenn man sie zuvor weder gelesen noch gehört hat ‘ (anon. 1722: 14). Das Deutsche wird in der Bibliothèque raisonn ée des ouvrages des savans de l’Europe als ‚die älteste und ursprünglichste Sprache Europas ‘ bezeichnet; ihr habe lediglich ein mächtiger Schutzherr gefehlt: ‚um die Verbreitung der deutschen Sprache zu befördern und sie in hellerem Licht erstrahlen zu lassen, hätte es eines großen Herrschers bedurft, der sich ihrer be- diente ‘ (1742: 459f.). 34 Der praktische Nutzen des Deutschen, insbesondere für Offiziersanwärter, wird dagegen im Journal de Trévoux (1728: 1085) betont: ‚Keine andere lebende Fremdsprache ist für die jungen Leute, die für den Kriegseinsatz bestimmt sind, notwendiger als das Deutsche ‘. Dieses Argument hatte schon der berühmte Pädagoge Fleury als einziges gelten lassen. Fleury sprach sich grundsätzlich gegen die Erlernung der modernen Sprachen aus, meinte aber, ‚es sei sehr gut, wenn die Kriegsleute Deutsch könnten, und je früher sie es lernten, desto besser ‘ (Fleury 1686: 282).

2.2 Mittel zum Spracherwerb

2.2.1 Reisen nach Deutschland Nach dem Westfälischen Frieden (1648) reisten wieder mehr Franzosen nach Deutschland; gegen Ende des 17. Jh. setzte dann ‚ein gewaltiger Zustrom von Franzosen nach Deutschland ein. Soldaten, Inge - nieure, 35 Beamte verschiedener Behörden, Künstler und Handwerker, Fabrikanten, Lehrer für Fremdsprachen, Fechten, Tanz und gutes Benehmen, Erzieher, Friseure, Höflinge, Abenteurer, Staatsmänner, die Ludwig XIV. mit seiner Intoleranz vertrie- ben hatte, die von deutschen Fürsten herbeigerufen worden waren oder auch nur ihr Glück in Deutschland suchten, überquerten in großer Zahl den Rhein ‘ (Reynaud 1915: 223). Manche gingen nach Deutschland, ohne an Rückkehr zu denken; die meisten kehrten je- doch nach Frankreich zurück, einige erst nach 20, 30 oder gar 40 Jahren. Einige erwarben

34 Zu dieser Zeit gab es bereits einen solchen ‚gro ßen Herrscher ‘, der aber bekanntlich das Gegenteil tat. 35 Colbert schickte regelmäßig französische Schiffsbauer und Ingenieure zur Erweiterung ihrer techni- schen Kenntnisse nach Holland; sicher lernten sie auf diese Weise für manche Werkzeuge und Verfah- ren zunächst die germanischen Bezeichnungen. Die Franzosen und das Deutsche 105 keinerlei Sprachkenntnisse; 36 die meisten konnten jedoch vermutlich gut Deutsch, als sie zurückkamen. Als repräsentatives Beispiel kann Jean Deschamps aus Bergerac (1667 geb.) gelten, der als reformierter Pastor nach der Widerrufung des Edikts von Nantes nach Preußen fliehen musste und zunächst im mecklenburgischen Butzow, dann in Buchholz bei Berlin als Pfarrer tätig war. Sein Sohn Gabriel (1703 geb.) war Page des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz; später ließ er sich in Rouen nieder und wurde dort Urkundsbeamter (Girard 1921: 4f.); ganz sicher sprach er fließend Deutsch. Von den sehr zahlreichen Franzosen, die sich in deutschsprachigen Ländern aufhiel- ten, 37 seien hier insbesondere genannt: Henri de l’Hermine (er reiste 1674 ins Elsass, ‚ein Land, wo [er] eine Fremdsprache lernen könnte ‘); 38 François Roux (er lehrte ab 1711 Französisch an der Jenaer Universität); Montesquieu (er hielt sich 1728 in Wien auf); Clément (er traf in Norddeutschland, besonders in Hamburg, mit zahlreichen Landsleuten zusammen und hinterließ einen Bericht über seine Reise nach Bremen im Jahr 1676); 39 der Architekt Blondel (er entwarf in seiner Berliner Zeit die Pläne für das Zeughaus); die Bild- hauer René Chauveau, Guillaume Hulot und René Charpentier (sie waren Ende des 17. Jh. ebenfalls lange Jahre in Berlin tätig); der Maler Louis Silvestre (er lebte über dreißig Jahre in Dresden und kehrte dann nach Paris zurück); ein anderer Maler, Nicolas Wibault (er blieb sieben Jahre lang in Dresden); die Künstler Charles Herbel, Louis Dorigny und Ignace Parrocel (sie hielten sich zu Beginn des 18. Jh. in Wien auf). 40 In Frankfurt, München, Bayreuth, Rheinsberg, Stuttgart, Braunschweig, Hannover, in Mecklenburg, Mannheim, Aachen, Berlin, Hamburg, Amsterdam, Den Haag, Delft und anderen Orten waren franzö- sische Schauspieler, oft ganze Truppen anzutreffen (Olivier 1901; Fransen 1925).

2.2.2 Kinderaustausch Franzosen schickten ihre Kinder aus pädagogischen und religiösen Gründen in deutsch- sprachige Länder. So ist bekannt, dass protestantische Eltern aus Bordeaux ihre Kinder in Deutschland erziehen ließen; wenn die Kinder nach einigen Jahren im Glauben und in der Sprache ihrer Vorfahren gefestigt waren, wurden sie zurück nach Frankreich gebracht. Andere Eltern, die eher das Geschäftliche im Blick hatten, schickten ihre Söhne nach Holland, damit sie die Sprache lernten (Leroux 1918: 50, 126). Aus ähnlichen Gründen sandten Familien aus Montbéliard ihre Kinder ins Elsass, in die Schweiz und nach Württemberg; im Gegenzug nahmen sie Söhne von Deutschen auf (Godard 1893: 120, 182).

36 Vgl. etwa die oben zitierte Bemerkung von Mauvillon (1740: 336). 37 Vom Ausmaß der französischen Präsenz in Deutschland zeugen auch die vielen Franzosen am Braun- schweiger Hof in der zweiten Hälfte des 17. Jh., die Brunot (1933: V, 325) namentlich erwähnt. Die be- achtliche Zahl von Reisebeschreibungen (72), die Murris (1925: 261ff.) für den Zeitraum 1600-1750 ermittelt hat, gibt Aufschluss über den Umfang von Reisen nach Holland. 38 Zit. n. Lévy (1929: I, 284). – Vgl. hierzu auch Kap. III, 3.3. 39 Clément (1676); der Name des Verfassers geht aus dem vorangestellten Sonett und dem Epigramm hervor. 40 Vgl. Dussieux (1876: 122, 148-240). 106 Kapitel IV: 1650-1750

2.2.3 Deutschunterricht In diesen Zeitraum fallen auch die ersten Versuche, Deutschunterricht an Schulen einzu- richten. In dem von Richelieu gegründeten Collège royal 41 war der Nachmittag den Spra- chen vorbehalten; unterrichtet wurden vornehmlich die alten Sprachen, doch auch Italie- nisch und Spanisch, hauptsächlich im Hinblick auf den Vergleich mit dem Griechischen, Lateinischen und Französischen (Bossert 1894/95: 902). Einige Zeit später wurde Deutschunterricht für die Pagen und Kadetten der Könige und Fürsten eingeführt. Am bekanntesten ist das Beispiel der Kadettenkompagnie am Hof von Stanislas in Lunéville, wo jeweils 24 französische und polnische Kadettenschüler mili- tärisch ausgebildet und darüber hinaus in verschiedenen Fächern unterrichtet wurden, insbesondere im Französischen und Deutschen (Brunot 1933: VIII. 1, 468). Am Collège de Guyenne in Bordeaux gab es noch keinen Unterricht im Deutschen, doch immerhin im Englischen und Holländischen. 1692 wurde dort ein Holländischlehrer namens Seyzes wegen Unzuverlässigkeit von den Stadträten entlassen. Überliefert ist auch ein Bericht vom 6. Oktober 1708, in dem der Leiter des Collège angesichts der geringen Schülerzahl vorschlug, die ‚beiden fremdsprachlichen Klassen, eine für Englisch und eine für die holländische Sprache ‘ zu schließen und die Bezüge (bislang 800 livres) der beiden Lehrer um 600 livres zu kürzen. Aus religionspolitischen Gründen entschied der König jedoch gegen die Schließung der beiden Klassen und die einschneidende Gehaltskürzung, so dass die beiden Lehrer weiter unterrichten und ihr Gehalt beziehen konnten. Nachdem der Holländischunterricht am Collège 1717 dann doch eingestellt wurde, gestatteten die Stadträte einigen Lehrern, Privatunterricht zu erteilen, denn Kenntnisse des Niederlän- dischen waren in Bordeaux nach wie vor unumgänglich. Ende des 17. und im 18. Jh. wur- den Englisch und Holländisch auch an mehreren Privatschulen der Stadt unterrichtet (Gaul- lieur 1874: 461, 512; Leroux 1918: 252, 594; Mathorez 1921: 310). Privatunterricht in germanischen Sprachen gab es auch in anderen Städten. Von den namentlich bekannten Deutschlehrern seien hier Pierre Deschamps, ‚Lehrer für Sprachen‘, Leopold und Jean Perger erwähnt. Leopold weist sich auf dem Titelblatt seiner Deutsch- grammatik selbst als ‚Dolmetscher des Königs und Lehrer für die deutsche, französische, italienische und spanische Sprache ‘ aus; Perger spricht in seinem Widmungsschreiben von der ‚Ehre, Sie [die Edelleute, denen die Grammatik gewidmet ist] die deutsche Sp rache zu lehren ‘ (siehe unten, 2.2.4).

2.2.4 Lehrwerke Für den nachstehenden Überblick über die deutschen Grammatiken, die in diesem Zeitraum für Franzosen veröffentlicht wurden, wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben; wir beschränken uns hier auf eine kurze Beschreibung einiger wichtiger Werke. 42 1° Perger (1665). Die Grammatik ist einigen seiner Schüler gewidmet: „à Messeigneurs de Coislin, le marquis de Pont-Chasteau, et le comte de la Roche-Bernard“. Perger, der aus Deutschland stammte, führt, wie damals üblich, zahlreiche Regeln an und nennt noch mehr

41 Es wurde 1640 gegründet, bestand jedoch nur kurze Zeit. 42 Die Titel sind vollständig in der Bibliographie nachgewiesen; siehe jetzt auch Kaltz (2000: 5f.); Glück (2002: 242-244). Die Franzosen und das Deutsche 107

Ausnahmen von den Regeln. Das Werk enthält auch ausführliche Wortlisten sowie ‚Dialoge‘ und ‚Lieder‘, die Perger selbst verfasst hat. 43 2° Heim (1673). In seinem Widmungsschreiben an „Monseigneur le marquis de Ram- bouillet“ erläutert Heim, die Grammatik ‚solle in Regeln fassen, was Sie bereits durch Übung so gut erlernt haben ‘. Das Werk ist ähnlich angelegt wie Perger (1665). 3° Martin (1674), leicht veränderte Neuausgabe seines Acheminement von 1635 (siehe Kap. III, 2.2.3). 4° Thomasini (1680). Eine für die damalige Zeit erstaunlich gut gelungene Grammatik, die allerdings einige sprachliche Mängel aufweist. Den Grammatikteil ergänzen viersprachige Wortlisten (lateinisch, französisch, deutsch und italienisch), einige Dialoge, kurze Geschichten und Briefe (72 u. 144 S.). 5° La Grue (1684). Das Werk wurde vielfach neu aufgelegt, vor allem in Amsterdam, 1728 auch in Rouen. 6° de la Champagne (1689). 44 7° Deschamps (1690), mit zahlreichen Deklinations- und Konjugationstabellen, Regeln, Wortlisten und einigen Dialogen (241 S.). 8° anon. (1703). Grammaire Allemande Nouvelle et Curieuse [...] pour apprendre très faci- lement la Langue Allemande par une Métode [sic] nouvelle et facile [...]. Angaben zu Er- scheinungsort und Verlag fehlen; der Titel ist irreführend: Nichts an dieser Grammatik ist besonders ‚bemerkenswert‘, und die Methode ist keineswegs ‚neu‘.45 9° anon. Nouvelle méthode complette (1711; 61747). Die Regeln sind auf Französisch er- läutert, die deutschen Beispiele gut gewählt, allerdings nicht immer korrekt. 46 10° de Landase (1722). Eine weitgehend in deutscher Sprache verfasste Grammatik, die Ludwig XV. und Angehörigen des Königshauses gewidmet ist. 11° Leopold (1744). Zuerst 1690 in Paris erschienen, weitere Ausgaben 1728 und 1738. Im ersten Band (328 S.) steht wie bei den anderen Grammatiken die Behandlung der Wortarten im Anschluss an die lateingrammatische Tradition im Vordergrund; für das Deutsche wird ein Ablativ angesetzt (Präpositionalfügung mit von ). Der zweite Band (319 S.) enthält lange Substantivlisten in der traditionellen thematischen Anordnung; die Listen der Adjektive und Verben sind dagegen alphabetisch geordnet. Zu den Auswahlkriterien erläutert Leopold: ‚Wo immer m ir dies möglich war, habe ich Wörter und Wendungen ausgewählt, die mit dem Krieg zu tun haben, denn diese erachte ich als die wichtigsten ‘ (Avertis- sement , S. II). Wie alle anderen Verfasser von Deutschgrammatiken im 17. und 18. Jh. hatte Leopold mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen. Es gab seinerzeit, wie er selbst ausführt, ‚keine deut - schen Buchstaben in diesem Land, und ich war gezwungen, das Deutsche in französischen

43 Auf 47 von insgesamt 119 Seiten. Ausführlicher zu Perger vgl. Kaltz (2000), (2006). 44 La Grue (1684) und de la Champagne (1689) sind in der BNF nicht vorhanden. – Trotz eingehender Recherchen in Bibliothekskatalogen konnte für den zweiten Titel auch kein anderer Nachweis ermittelt werden. (B.K.) 45 In dem dazu gehörigen Vocabulaire François et Allemand ist vermerkt: Straßburg 1704. Umfang des Werks: 182 + 48 + 100 S. 46 Lévy beruft sich hier auf Süpfle (1886-1890: I, 111). 108 Kapitel IV: 1650-1750

Buchstaben drucken zu lassen ‘ (ebd., S. IV). 47 Zudem konnte die Aussprache der deutschen Wörter mit den technischen Mitteln, die französischen Druckern damals zur Verfügung standen, nicht genau wiedergegeben werden. Mit einer ansatzweise phonetischen Trans- kription versuchten die Grammatiker dieser Zeit, diese Schwierigkeiten zu umgehen; bei Leopold sieht das etwa so aus: Der allgemeine feindt der Christenheit ginge im jahr ein tausent sechshundert drey und achtzig, mit stücken, Cartaunen, feuermörseln, äxten, schauffeln, und viel Centnern pulver, und bley, vor die Stadt Wien, willens sie unversehens zu überfallen und zu belagern, [...]. Der algue-ma-ine fa-in-t der Cristen-ha-it guing im j-ahr a-in tausent, sechs houdnert, dra-j-ount-achtzich, mit chtiken, Carta-unen, fa-i- ermeercheln, eexten, cha-uffeln, ount fyl poulfer, ount bla-y, for dy chtat Vin, villens sy ounferse-ens tsou iberfallen, ount tsou belajern, [...]. (Leopold 1744: 27f.) Verglichen mit dem großen Angebot an Grammatiken überrascht der Mangel an deutsch- französischen Wörterbüchern. In Frankreich selbst wurde erst Mitte des 18. Jh. ein zweisprachiges Wörterbuch veröffentlicht, doch standen den Franzosen natürlich die in anderen Ländern erschienenen Wörterbücher zur Verfügung. 48 Seine Entscheidung, auch den Wortschatz zu behandeln, begründet der unbekannte Verfasser der Nouvelle méthode complette (siehe oben, 9°) wie folgt: ‚Die Franzosen haben noch kein Wörterbuch gesehen, das eigens für diese Sprache gemacht wurde und in dem diese in ihrer eigenen Sprache erläutert ist; auch ist es nahezu unmöglich, ein Wörterbuch zu machen, das umfassend und ausführlich ge- nug wäre, um jedes Wort vollständig oder doch wenigstens eindeutig, ohne Um- schreibungen, zu erläutern ‘.49 Dass gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jh. in Frankreich so viele Deutsch- grammatiken veröffentlicht wurden, die zum Teil mehrfach wieder aufgelegt wurden (Mar- tin, La Grue, Leopold), ist nur durch einen deutlichen Anstieg der Nachfrage zu erklären. Es ist wohl ausgeschlossen, dass sie sämtlich nur zum persönlichen Vergnügen der Autoren oder zum Gebrauch der in den Widmungsschreiben genannten Prinzen verfasst wurden; von wem die verstärkte Nachfrage ausging, ist allerdings weitgehend ungeklärt.

2.3 Deutschkenntnisse Immerhin wissen wir von manchen Franzosen, die Deutsch lernten. Im Journal de Trévoux wird sogar berichtet, dass ‚die meisten Edelleute, denen die Erziehung ihrer Kinder am Herzen liegt, diese zugleich im Lateinischen und im Deutschen unterweisen [ließen], soweit sie für den Kriegsdienst bestimmt sind ‘.50

47 Bei den im Elsass gedruckten Grammatiken entfiel dieses Problem. 48 Süpfle (1886-1890: I, 109); Kaltz (2000: 6f.). 49 Lévy zitiert hier nach Süpfle (1886-1890: I, 267f.; Anm. 253). 50 Das Zitat ist bei Lévy nicht näher nachgewiesen. Die Franzosen und das Deutsche 109

In manchen Fällen traf dies tatsächlich zu, wie die bereits erwähnten Widmungsschreiben zeigen. Racine legte seinem Sohn Jean-Baptiste, der Diplomat werden wollte, 1698 ans Herz, den Aufenthalt in Holland zum Spracherwerb zu nutzen. 51 Die Marquise du Châtelet, die mit Voltaire befreundet war, bat Christian Wolff 1741 um Übersendung eines Exemplars der von ihm gefertigten Übersetzung ihrer Ab- handlung über die ‚Forces vives‘, welche sie auch ihrem Sohne zur Befestigung in der deutschen Sprache, welche sie ihn lehren ließ, vorlegen wollte. (Süpfle 1886- 1890: I, 135) In einigen Fällen erfolgte der Spracherwerb eher beiläufig. So berichtet der Kupferstecher Wille über seine Arbeit bei einem Uhrmacher zu Beginn seiner Pariser Zeit (1736): ‚Der Neffe des Meister s fragte mich ständig: wie heißt dieses oder jenes Werkzeug, dieser Teil der Uhr auf Deutsch? ‘ Wille, der vom Uhrmacherhandwerk nichts ver- stand, erfand einfach Wörter dafür, doch ‚der teure Jüngling schrieb sie auf, lernte sie auswendig und bedankte sich bei mir ‘ (Wille 1857: 68). In welchem Umfang seinerzeit tatsächlich Deutschkenntnisse vermittelt wurden, ist schwer zu sagen; jedenfalls sollte man die Aussagen mancher Grammatiker nicht allzu wörtlich nehmen. Perger und Heim äußerten sich lobend über die Fortschritte ihrer Schüler; bei Perger liest sich das so: ‚zu sehen, dass in der kurzen Zeit, in der ich die Ehre habe, Sie in der deutschen Sprache zu unterweisen, Sie bereits mehr gelernt haben als erwachsene Männer in einem Jahr ‘; und Heim schreibt über seinen fünfjährigen Schüler: ‚in einem Alter, wo andere gerade die Sprache ihrer Ammen zu sprechen gelernt haben, sind Sie in der Lage, sich in der ganzen Reinheit der deutschen Sprache auszudrücken ‘52 – Schmeicheleien, denen immerhin zu entnehmen ist, dass manche Adlige schon im Kindesalter Deutsch lernten. Auch französische Beamte, die im Elsass tätig waren, lernten Deutsch oder verbesserten dort bereits vorhandene Sprachkenntnisse, so de Laloubère als französischer Resident in Straßburg, und der Intendant Ch. Colbert (Lévy 1929: I, 284). Mauvillons bescheidene Bemerkung, nach zehn Jahren in Deutschland habe er ‚die Sprache radebrechen‘ können (Mauvillon 1740: 336), entspricht nicht ganz den Tatsachen, denn er konnte sehr ordentlich Deutsch. Auch Clément kam auf seinen Reisen in Norddeutschland mit der Sprache gut zurecht; er berichtet von einem Gespräch mit einem Wirt (‚er fragte, was ich wolle / ich habe ihm in seiner Mundart geantwortet ‘) und ‚vom Ende dieser Rede / die ich in seiner Sprache hielt‘ (Clément 1676: 22). 53 Fontenelles Schreiben an Gottsched vom 16. Oktober 1732 zeugt davon, dass auch in Paris manche Franzosen Deutsch konnten: ‚Ich habe Ihre

51 Brief vom 24. März 1698; vgl. Brunot (1933: VI.2, 1226, Anm. 3); ausführlicher hierzu Kap. V, 2.2.5. 52 Die Zitate aus Perger und Heim sind bei Lévy (1950: 132) nicht nachgewiesen. 53 Hinzuweisen ist weiter auf einige französische Übersetzer: A. de Wicquefort übersetzte die Vermehrte newe Beschreibung der muskowitischen vnd persischen Reyse (1656) von Adam Olearius. Auszüge aus Samuel von Pufendorfs Werken wurden 1706 von Ch. Rouxel, 1722 von Bruzen de la Martinière über- setzt. Jean Deschamps (siehe oben 2.2.1) und Formey übertrugen Schriften von Christian Wolff ins Französische. – Diese Angaben hat Lévy vermutlich von Rossel (1897: 38, 48) übernommen (B.K.). 110 Kapitel IV: 1650-1750 anderen Übersetzungen einigen Leuten gezeigt, die Ihre Sprache verstehen ‘. In dem selben Brief gesteht Fontenelle, ein angesehener Schriftsteller, zudem ständiger Sekretär der fran- zösischen Akademie der Wissenschaften, dann allerdings, dass er selbst überhaupt kein Deutsch konnte: ‚Ich bin entzückt, dass das, was ich über das Deutsche zu schreiben ge- wagt habe, das ich doch gar nicht beherrsche, nicht ganz unvernünftig ist ‘ (zit. n. Danzel 1855: 342). Bereits einige Jahre zuvor hatte er Gottsched gestanden: ‚Da es [das Projekt einer Deutschen Gesellschaft nach dem Vorbild der Académie française] in der deutschen Sprache verfasst ist, die ich nicht verstehe, musste ich warten, bis eine gekürzte Übersetzung für mich angefertigt worden war. ‘54 Aufschlussreicher noch ist, was Fontenelle anschließend über seine Landsleute im Allge- meinen schreibt: ‚Ich muss gestehen, dass wir Franzosen zugunsten unserer eigenen [Sprache] wo- möglich zu voreingenommen sind [...] Wir haben den Vorzug, überall verstanden zu werden und die anderen nicht zu verstehen, denn unsere Unkenntnis in dieser Hin- sicht gilt gewissermaßen als Ehre. Sie zum Beispiel, mein Herr, können sehr gut Französisch, Sie schreiben es sehr gut, ich dagegen kann kein Wort Deutsch ‘ (zit. n. Danzel 1855: 88). Fontenelle war keine Ausnahme; von hundert französischen Gelehrten jener Zeit verstan- den bestenfalls zwei etwas von der deutschen Sprache. Frain du Tremblay konnte es wagen, seinen Traité des langues : où l’on donne des principes et des règles pour juger du mérite et de l’excellence de chaque langue et en particulier de la langue françoise (1703) ohne ir- gendwelche Deutschkenntnisse zu verfassen (siehe oben 2.1.1). Gaichières (1739) schweigt sich in seinem Vergleich des Französischen mit zahlreichen anderen Sprachen über das Deutsche aus. Baculard d’Arnaud war nicht einmal in der Lage, den N amen seines be- rühmten Korrespondenten richtig abzuschreiben: Er ließ „Madame Gotescheid“ grüßen. Selbst die hohen Beamten, die im Elsass besonders günstige Voraussetzungen antrafen, lernten meist nur wenig Deutsch. 1675 äußerte die Frau eines Ratsherrn im Breisacher Conseil Souverain , in ihrem ganzen Leben sei sie nur zwei Franzosen begegnet, die genü- gend Deutsch gelernt hatten, um sich an Gesprächen zu beteiligen. 55 Eigentlich war man in Frankreich überhaupt kaum am Deutschen interessiert, erst recht nicht in gebildeten Kreisen. Generell wurden lebende Fremdsprachen wenig gelernt; die Franzosen hielten es für völlig überflüssig, ihr Gedächtnis zu belasten mit einer Sprache, die außer für Kriegsleute keinerlei Nutzen hatte, mit der Sprache eines schwachen, uneinigen, verarmten Volkes, einer schwierigen, wirren Sprache, in der es obendrein keinerlei ernstzunehmende Literatur gab.

54 Schreiben an Gottsched vom 24. Juli 1728. – Bedarf an Übersetzern und Dolmetschern gab es überall in Frankreich; im Regiment der Schweizer Garde wurde stets ein truchement (Dolmetscher) beschäftigt, in Bordeaux waren vereidigte Dolmetscher tätig, über deren Besoldung eine Kommission aus je drei Deut- schen, Holländern und Engländern entschied. 55 Lévy (1929: I, 283). – Unmittelbar danach bemerkt Lévy indessen, das sei ‚wohl etwas übertrieben‘, es habe einige andere namentlich bekannte Franzosen gegeben, die Deutsch konnten. Die Franzosen und das Deutsche 111

Fleury kommt in seinem umfangreichen Traité du choix et de la méthode des études (Fleury 1686; 365 S.), der lange Zeit als Standardwerk der Pädagogik galt, nur am Rande auf die lebenden Fremdsprachen zu sprechen und erwähnt Italienisch und Spanisch kurz unter den ‚merkwürdigen Studien‘; das Deutsche wird nur für einige Soldaten empfohlen. An der damals renommiertesten Schule von Port-Royal konnte man Italienisch und Spa- nisch lernen, nicht dagegen Deutsch (Compayré 1885; Lantoine 1874; Vial 1936). In der Bedeutungserläuterung der Entlehnung tastigoter 56 eines zeitgenössischen Lexikographen – ‚ein erfundenes Wort, das bedeutet: ‚eine unbekannte, unverständliche Sprache sprechen, radebrechen wie im Deutschen ‘ (Le Roux 1750: 286; zuerst 1718) – kommt die ganze Verachtung und Unwissenheit des 17. und 18. Jh. zum Ausdruck. Auch bei der Durchsicht von Buchhandelskatalogen und Verzeichnissen der Bestände von Privatbibliotheken jener Zeit fällt die Gleichgültigkeit gegenüber allem, was mit dem Deutschen zu tun hat, ins Auge, ebenso die nahezu vollständige Unkenntnis der Sprache. Die Buchhändler richteten sich natürlich nach den Wünschen und Vorlieben ihrer Kund- schaft und machten sich nicht die Mühe, ihre Läden mit unverkäuflicher Ware zu füllen. Der Catalogue de livres [...] apportez d’Alemagne, Holande, Flandres, Angleterre et d’autres places des Londoner Buchhändlers Adrian Vlac (17. Jh.) 57 enthält lange Listen italienischer und spanischer Titel, jedoch keinen einzigen deutschen. Im Catalogus libro- rum facultatum omnium qui venales reperiuntur in officina Petri Borde [...] Lugduni MDCC (BNF, Q 8597) 58 sind auf langen Spalten italienische und spanische Titel ver- zeichnet; insgesamt sind es rund tausend, darunter auch einige in Deutschland erschienene Titel in lateinischer Sprache. 59 Beide Kataloge erwecken den Eindruck, es seien in Deutsch- land damals überhaupt keine deutschsprachigen Bücher erschienen. Wörterbücher der italienischen und spanischen Sprache sind in dem umfangreichen Sammelband Pariser Buchhandelskataloge aus dem frühen 18. Jh. zu Dutzenden ver- zeichnet, dagegen nur eines für das Sprachenpaar Französisch/Deutsch (mit Lateinisch). 60 Der Catalogue des livres qui se vendent à Paris chez Imbert de Bats, imprimeur et libraire, rue St-Jacques (1707; BNF, Q 8567) enthält einige englische Titel, aber keinen einzigen deutschen. Im Catalogus librorum ex Italia, Germania, Anglia et Hollandia quos Gerardus Iollain, Parisiensis Bibliopola, summa cura collegit, in nundinis Franco-Furtensibus et Lipsiensibus et secum adduxit, anno 1733 61 sind zahlreiche Titel aus Deutschland ange- führt, auch von Werken angesehener Verfasser, sämtlich jedoch in lateinischer Sprache. Auch in der Rubrik ‚Literatur‘ fehlen deutsche Werke, so dass wiederum der Eindruck entstehen könnte, eine deutsche Sprache gebe es nicht. 62

56 Siehe auch unten, 2.4 und Kap. III, 2.3. 57 Ohne Ort und Jahr; BNF, Q 9312. 58 ‚Katalog der Bücher aller Fächer, die zum Verkauf stehen im Geschäft des Pierre Borde ‘. – Tausende dieser Kataloge sind in der BNF erhalten (Signatur Q). 59 Vermutlich waren es in lateinischer Sprache verfasste Schriften. 60 Der Band (BNF, Q 2426-2465) umfasst insgesamt 39 Kataloge. 61 Katalog der Bücher aus Italien, Deutschland, England und Holland, die Gerard Jollain, Buchhändler in Paris, mit höchster Sorgfalt auf der Frankfurter und Leipziger Büchermesse zusammengetragen und mitgebracht hat, im Jahre 1733 ‘; BNF, Q 732. 62 Wenn man absieht von der Erwähnung einer Grammaire allemande et françoise par P ierre l’Ermite, nommé Dubuisson (Hannover 1724) und der Grammatik von Leopold (Wien 1728). 112 Kapitel IV: 1650-1750

Nicht viel besser sah es in den großen Privatbibliotheken aus. Unter den 3.816 Einträ- gen im Catalogue de la Bibliothèque de feu Monsieur C. 63 sind ganze vier deutsche und vier flämische Titel aus dem Bereich der Medizin, der Biologie und der Jagd. Kein einziges deutsches Buch enthielt die überaus reichhaltige Bibliotheca Fortiana seu Catalogus libro- rum bibliothecae illustrissimi DD Henrici [...] ducis de la Force ; der Katalog verzeichnet Wörterbücher und Grammatiken des Italienischen, Spanischen, Lateinischen und Griechi- schen, selbst einen Titel zu r „aegyptica lingua restituta“, jedoch keine n zum Deutschen oder Englischen; dagegen gibt es einige Reisebeschreibungen in niederländischer Sprache. 64 Unter den mehreren tausend Büchern, die im Catalogus librorum bibliothecae [...] D. Caroli Le Goux de la Bouchere, archiepiscopi et primatis narbonensis (Toulouse 1747) 65 verzeichnet sind, ist nicht eines in deutscher Sprache. Kaum besser sieht es im Catalogue des livres de la Bibliothèque de Messieurs Bossuet, anciens évêques de Meaux et de Troyes, Paris 1742 aus (BNF, Q 7804), in dem 1.470 Werke angeführt sind, darunter auch etliche in Deutschland gedruckte (etwa Luthers Opera omnia in 7 Bänden, Wittenberg 1582), doch keines in deutscher Sprache. Der Katalog enthält zwar fremdsprachige Titel zu Literatur und Geschichte anderer Völker, sämtliche Titel zur Geschichte der Deutschen sind aber in französischer und lateinischer Sprache. Auch viele Grammatiken des Italienischen und Spanischen sind darin angeführt, aber keine der deutschen Sprache. Etwas mehr Berücksichtigung findet das Deutsche im Catalogue des livres de la Biblio- thèque de feu M. Larchevêque, Docteur en médecine (Rouen 1749; BNF Q 8133). Unter den 5.000 Titeln sucht man zwar noch immer vergebens nach literarischen oder wissen- schaftlichen Werken in deutscher Sprache, doch sind neben etlichen englischen Büchern auch ein Dutzend Grammatiken und Wörterbücher des Deutschen verzeichnet, darunter der Guidon von Martin (1674) und Leopolds L’art de parler allemand (1744), ebenso wie zwei flämische Grammatiken.

2.4 Deutsche Wörter im Französischen Deutsche Wörter tauchen in französischen Schriften nur vereinzelt auf, so gelt in einem Vers bei Clément („Ainsi fûmes -nous sur le Belt – Avec nos cofres pleins de gelt“), der auch von einem Gespräch mit seinem „gaste“ berichtet und den Preis für seine Unterkunft angibt: „De bons écus une dizaine – Ou sept marques lubsch [Lübsche Ma rk] par semaine“ (Clément 1676: 11, 29, 62). Insgesamt wurde vom Ende des 17. Jh. bis 1750 kaum aus anderen Sprachen ins Französische entlehnt, besonders wenig aus dem Deutschen. Die Ursachen sind in Brunots Geschichte der französischen Sprache meisterhaft analysiert (Brunot 1933: IV.1, 516; VI.1, 227; VI.2, 1220f.). Zunächst einmal genoss das Franzö- sische ein so großes Prestige, dass man es für überflüssig hielt, die Sprache durch Ent- lehnungen zu bereichern. Dazu kamen Vorurteile gegenüber anderen lebenden Sprachen, besonders der deutschen, und die starke Abneigung der Franzosen, die kaum Umgang mit

63 Die Büchersammlung stand am 3. September 1708 in Paris zum Verkauf (BNF, Q 8533). 64 ‚Bibliotheca Fortiana oder Verzeichnis der Bücher der Bibliothek des hochwohl geborenen Henri Duc de la Force ‘; Paris 1727, BNF, Q 7845. 65 ‚Verzeichnis der Bücher der Bibliothek von Charles Le Goux de la Bouchere, Erzbischof und Primas von Narbonne ‘; 2 Bde. (283 u. 234 S.), BNF, Q 4453-54. Die Franzosen und das Deutsche 113 lebenden Fremdsprachen hatten, gegenüber der Aussprache und Rechtschreibung fremder Wörter. Davon waren die romanischen Sprachen und auch das Englische, das allmählich in Mode kam, vermutlich in geringerem Maß betroffen als das Deutsche. Selbst im Bereich des Kriegswesens, der zuvor eine unerschöpfliche Quelle von Entlehnungen gewesen war, hinterließ das Deutsche nun kaum noch Spuren im französischen Wortschatz. Es besteht ein bemerkenswerter Zusammenhang zwischen Größe und Niedergang des Militärs einerseits und Anziehungskraft und Verachtung der Sprache andererseits. Im Zuge des Niedergangs der deutschen Armeen wurden französische Fachausdrücke in den deutschen Militär- wortschatz übernommen; dagegen blieb der Wortschatz des nunmehr an Stärke überlegenen französischen Volkes weitgehend vom Deutschen unberührt. Dennoch gelangten einige deutsche Wörter seinerzeit in den französischen Militär- wortschatz, aller Wahrscheinlichkeit nach über den Sprachgebrauch der Schweizer Trup- pen: 66 capout mac (1718) < kaputt machen , chenapan 67 (1653) < Schnapphahn , schlague 68 < Schlag, sabretache < Saebeltasche, feldmaréchal, havresac (‚Tornister‘, 1672) < Haber- sack, das noch heute gebräuchliche loustic (‚Witzbold‘) < lustig , das ursprünglich den Spaßmacher in den Schweizer Regimentern bezeichnete, und ranz de vache .69 Über das Deutsche kamen auch zwei slawische Lehnwörter, steppe (1752) und uhlan (1748), 70 ins Französische. Ansonsten wurden nur wenige Wörter aus dem Deutschen (bzw. dem Niederländischen und Flämischen) übernommen: berline < Berlin (1721), calèche < Kalesche (aus dem Sla- wischen entlehnt), cliver [‚ein Metallstück spalten‘] < ndl. klieven , épisser [‚zwei Schnüre an den Enden miteinander verknüpfen ‘] < ndl. splissen , dt. spleißen , édredon (‚Federbett‘) < ndl. eiderdun, gui [‚Rahe‘] < ndl. giek / gijk, polder < ndl. polder , prame [‚Boot‘] < ndl. praem , ramequin [‚Käsegebäck‘] < fläm. rammeken (vgl. dt. Rahm ), ringard [‚Schürha - ken ‘] < dial. Rengel (zu rangeln 71 ), rogue (‚Fischrogen‘, vgl. dt. Rogen ), troussequin [Tischlerwerkzeug] < ndl. cruuskijn od. fläm. kruisken [‚kleines Kreuz‘], vandale [bei Voltaire] < Vandale , vasistas (‚Oberlichtfenster‘) < was ist das? , yole < dän., vielleicht auch ndl. jolle , zigzag < zick-zack, zinc < Zink. 72 Bei Dauzat (1938) sind für den Zeitraum 1650-1750 noch weitere, meist auf fachsprach- lichen oder regionalen Gebrauch beschränkte, 73 Entlehnungen verzeichnet: anspect

66 In diesen Truppen diente als Kommandosprache häufig die Muttersprache. Manche Ausdrücke ge- langten auch in andere Einheiten; so berichtet Brunot (1933: IX.2, 986), wieder zourouk sei um 1750 als Rückzugsbefehl in der Kavallerie von den Schweizer Regimentern auf französische Einheiten über- gegangen und dort allgemein gebräuchlich geworden. 67 Noch heute gebräuchlich (vgl. TLF). 68 Nach Baldinger (1954: 214) erst viel später, 1828, belegt; dagegen verzeichnet das TLF einen Erstbeleg von 1765. 69 Vermutlich ranz des vaches , ‚Kuhreihen‘, Mu sikstück für Alphörner (B.K.) 70 Das erste preußische Ulanenregiment wurde 1741 von Friedrich II. gegründet. 71 Vgl. den Eintrag rangeln bei Grimm („das entfernen der schlacke im schmelzofen mit einem eisernen haken“); dort auch westfäl. rängeln. (B.K.) 72 Es würde hier zu weit führen, die Wortgeschichte dieser Entlehnungen im Einzelnen darzustellen. Fest- gehalten sei lediglich, dass einige der genannten Wörter noch heute gebräuchlich sind, so chenapan (u. a. in der Bedeutung von ‚Nichtsnutz‘), calèche, édredon, vandale, zinc (u. a. für ‚Theke‘); vgl. die entsprechenden Einträge im TLF. (B.K.) 73 Auch hier sei nur kurz darauf hingewiesen, dass manche Wörter noch heute allgemein gebräuchlich sind 114 Kapitel IV: 1650-1750

[Seewort schatz, ‚Handspake‘] < ndl. handspecke , asticoter (1747) < dasticoter (1642) < dass dich Gott, berce (‚Bärenwurz‘) < Bartsch, blague (‚Tabaksäckchen, 1721) < ndl. bla- gen [‚sich aufblähen‘], bouquette (‚Pfannkuchen aus Buchweizenmehl‘) < ndl. bockweit (vgl. Kap. II, 2.3), bouterame (‚mit Butter bestrichene Scheibe Brot‘) < ndl. boter , boyer (‚Kahn‘) < ndl. boyer , brandebourg < Brandenburg (vgl. Kap. III, 2.4) , broquanter (‚mit Trödel handeln ‘) < brocko (‚Brocken‘) caler (‚mit einem Keil stützen‘) < keilen, colichemarde (eine Art Schwert) < Königsmark, cromorne < Krummhorn, crône (‚Kran‘) < kraan, dame (‚Deich‘) < Damm, dogre (‚kleines Segelboot für den Fischfang‘) < ndl. dog- ger, doguer (‚schlagen‘) < docken , drègue (‚eiserner Kamm‘) < Dresche, estompe (‚Wi - scher ‘) < stomp (vgl. stumpf ), étangue (‚Bei ßzange ‘) < ndl. tang, flibustier (‚Freibeuter‘) < ndl. vrijbuiter, foc (‚Focksegel‘) < ndl. fok, fuchsia < Fuchs (nach dem Botaniker Leonhart Fuchs), gangue (Bergwerk: ‚Flöz‘) < Gang, gibelot (Seewortschatz: ‚gebogenes Holzstück, das die Ramme mit dem Schiff verbindet ‘) < Gibelholz , glass(e) < Glas, lège (Seewort- schatz: ‚zu leicht befrachtet‘) < leeg (‚leer‘), loch (Seewortschatz: ‚Log‘) < log , merlin (Seewortschatz: ‚Marlleine‘) < marling, moque (‚Schmerle‘, Name eines Fischs) < ndl. mok , nable (Seewortschatz: ‚Leckloch‘) < Nagel, pleutre (‚Feigling‘) vermutlich aus fläm. pleute, raguer (Seewortschatz: ‚durchscheuern‘) < ndl. ragen, (faire des) rigoles (‚Ab - flussrinnen anlegen ‘) < ndl. richelen, risban (‚Befestigung mit Kanonen zur Verteidigung eines Hafens ‘) < ndl. rijsbank, rocambole (‚Knoblauchart‘) < Rockenbolle, tarteifle (Inter- jektion: ‚Teufel !‘) < der Teufel, velte (‚Messgefä ß‘) < Vertel (Viertel), vidrecome (‚großes Trinkglas ‘) < wiederkommen. Manche Entlehnungen waren nur regional gebräuchlich. So gab es im bellod/bellaud , der Sondersprache der Hanfkämmer im Jura (Michat 1905), einige Ausdrücke, die sehr wahrscheinlich deutscher Herkunft sind, zumal die Handwerker bis ins Elsass und nach Lothringen reisten, um ihre Ware zu verkaufen: ménèt < Monat, flocca (‚Schnee‘) < Flo- cken, biano (‚Bein‘) < Bein, capuce (‚Hut‘) < Kapuze, bronsa (‚Urin‘, ‚urinieren‘) < brun- zen . Andere deutsche Wörter begegnen im mormé , der Sprache der Glockengießer in Lothringen, und in den Sondersprachen der vogesischen Bergarbeiter und Holzfäller. Fé- chenots und féchenottes 74 < fassenotte (‚Fastnacht‘) waren nur im äußersten Osten Frank- reichs gebräuchlich (Bilfinger 1903); schlitteur, schlitter und schlittage < Schlitten gingen dagegen in die Literatursprache ein. 75

3 Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen

3.1 Flandern Das Flämische trat dort zugunsten des Französischen weiter zurück. Erstmals erfolgten staatliche Eingriffe in die sprachliche Entwicklung; bald nach den Eroberungskriegen Lud-

(z. B. caler ), andere noch fachsprachlich verwendet werden (z. B. colichemarde, cromorne, fuchsia, merlin ), während etwa crône oder tarteifle verschwunden sind; vgl. TLF. (B.K.) 74 Bezeichnung für junge Paare, die in der Fastnachtszeit zusammenfinden. (B.K.) 75 Nach den Angaben im TLF sind das (seltene) Verb schlitter und seine nominalen Ableitungen nur regional gebräuchlich. Die frühe Datierung der Entlehnung bei Lévy, die schon Baldinger (1954: 214) bemängelt hatte („erst 1870“), ist im TLF erneut revidiert; demnach wurde das Wort 1860 entlehnt. Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 115 wigs XIV. gab es in den Grenzgebieten des Königreichs Ansätze einer Sprachpolitik, die sich auf den Pyrenäenfrieden (1659) datieren lassen, mit dem Thionville an Frankreich abgetreten wurde (Lévy 1929: I, 287f.). Die ersten Auswirkungen waren in Nordfrankreich schon bald zu spüren. Am 26. März 1663 schrieb Macquart als zweiter Gesandter des Inten- danten von Dünkirchen an Colbert: ‚Es wäre gut, wenn der König anordnete, dass künftig in französisch er Sprache Recht gesprochen wird; die Richter beherrschen sämtlich Französisch, und wenn sie auf Flämisch Recht sprechen und ein Dolmetscher ein Wort anders wiedergibt oder falsch versteht, ist das, wie Sie, mein Herr, wohl wissen, ein großes Ärgernis ‘. Mit Schreiben vom 26. Mai 1663 76 wurde der Staatsanwalt angewiesen, bei Gericht die französische Sprache zu verwenden; begründet wurde dies mit dem Wunsch des Königs, dass in Dünkirchen die selbe Sprache gesprochen werden sollte wie in den anderen Städten seines Reichs. 77 In dem Maße, wie Ludwig XIV. seine Macht in den flämischen Provinzen weiter aus- baute, wurde eine umfassendere Regelung erforderlich. Ende 1684 78 verfügte der König in einem Erlass, ‚in der Stadt Ypres [sei] künftig ebenso wie in den anderen Städten Westflan- derns nur noch in französischer Sprache zu verhandeln ‘. Dieser Erlass galt für die Gegend zwischen Dünkirchen, Saint-Omer und La Lys; die weiter westlich gelegenen flämischen Gebiete des Artois und der Gegend um Guines, wo das Französische offenbar bereits die Amtssprache war, sind darin nicht erwähnt. Obwohl die Bestimmungen zügig und gewis- senhaft umgesetzt wurden, führte die Einsetzung des Französischen als Amtssprache nicht dazu, dass das Flämische vollständig verdrängt wurde. Die Rechnungsbücher der Gemeinde Saint-Mommelin etwa wurden bis 1697 in flämischer Sprache geführt. Ähnlich sah es in sämtlichen an der Sprachgrenze gelegenen Ortschaften aus; in den Dörfern Grande Synthe und Petite Synthe zum Beispiel wurde damals nur Flämisch gesprochen. In Mardick domi- nierte das Flämische bis ins frühe 18. Jh.; wohl verbreitete sich dort das Französische durch die Ansiedlung französischer Matrosen 1670, doch der eigentliche Niedergang des Flämi- schen erfolgte erst 1718-1725. Um diese Zeit war das Flämische aus der Gegend von Langle und Bredenarde wohl endgültig verschwunden, in größeren Ortschaften wie Dünkirchen, Saint-Omer, Bailleul, 79 Comines-France und erst recht in Westflandern hielt es sich aber noch gut. Es war weiter- hin die Sprache der Predigt, des Katechismus und der Schule. Seit Mitte des 17. Jh. unter- richteten die Jesuitenpater in Dünkirchen ‚in der Volkssprache des Landes, Flämisch‘. Selbst in der Gemeinde Sainte-Marguerite in Saint-Omer wurde im 18. Jh. auf Flämisch gepredigt. In den ‚Kammern für die Redekunst‘ (Rederyke Kunst, Kunst van Rhetoryke ) wurden die schöngeistige Literatur und die Wissenschaften gepflegt; die Gespräche und Debatten, zu denen die flämische Elite sich dort zusammenfand, wurden fast ausnahmslos

76 Vermutlich die Antwort auf Macquarts Schreiben. 77 Brunot (1933: V, 92). Einige Jahre danach legte Colbert seinem Bruder, der Intendant im Elsass war, seinerseits nahe, die Provinz zu franzisieren (Schreiben vom 12. März 1666; Lévy 1929: I, 288f.). 78 Edit du Roy vom Dezember 1684, registriert am 4. Januar 1685; Recueil des Edits [...] (1785-1788); ohne nähere Nachweise. 79 In Bailleul wurden Verhandlungen der ‚gewöhnlichen städtischen Abgeordneten‘ in den amtlichen Registern bis um 1750 in flämischer Sprache protokolliert. 116 Kapitel IV: 1650-1750 in flämischer Sprache geführt. Eine flämische Buchhandlung verlegte in Dünkirchen bis 1734 religiöse Erbauungsliteratur, in Bergues bis 1712 und in Saint-Omer bis 1772. 80 Zehntausende von Flamen verwendeten weiter die Sprache ihrer Vorfahren, die noch durchaus lebendig war.

3.2 Lothringen und Elsass Die Annexion des Elsass in der zweiten Hälfte des 17. Jh. 81 und die stärkere politische Einflussnahme in Lothringen in der ersten Hälfte des 18. Jh. hatten die größten sprachlichen Veränderungen in Frankreich seit der Völkerwanderung zur Folge. Die Zahl der Deutsch- sprachigen in Frankreich stieg mit einem Schlag um mehrere Hunderttausend; die Verschie- bungen der Sprachgrenze waren dagegen vergleichsweise geringfügig. In Lothringen verlor das Deutsche infolge der Ausrottung der Bevölkerung im Dreißigjährigen Krieg und der Ansiedlung von Frankophonen, die vornehmlich aus der Picardie stammten, ein Gebiet von etwa 60 km Länge und 5-25 km Tiefe, das die gesamte Gegend zwischen Arriance, Mor- hange, Albestroff, Sarrebourg, Le Donon, Réchicourt, Marsal und Château-Bréhain, mit insgesamt rund hundert Gemeinden und mehreren zehntausend Einwohnern umfasste. Im Elsass ging unter ähnlichen Umständen das obere Bruche-Tal bis nach Lutzelhausen verlo- ren, insbesondere das Steintal (Ban-de-la-Roche; siehe Kap. III, 3.2). Im Lièpvre-Tal ka- men die Kriegsfolgen dem Deutschen dagegen zugute; Sainte-Marie-aux-Mines und Um- gebung wurden durch die Ansiedlung von Bergleuten und Webern aus der Schweiz, dem Elsass und Deutschland verstärkt germanisiert. Der Westfälische Friede (1648), die Annexion Straßburgs (1681) und die Übernahme des deutschsprachigen Teils des Herzogtums Lothringen durch Frankreich (1733 bzw. 1766) hatten zur Folge, dass größere Städte wie Straßburg, Colmar, Hagenau, Zabern und Saargemünd sowie hunderte fast rein deutschsprachige größere und kleinere Dörfer unter französische Herrschaft kamen. Die zahlreichen frankophonen Zuwanderer wurden in Bischweiler, Lixheim, Pfalzburg und anderen Ortschaften mühelos sprachlich assimiliert. Von wenigen Ausnahmen abgesehen konnte in sämtlichen Bevölkerungsschichten niemand Französisch. Hier versuchten die Vertreter des Königs nun einzugreifen, zunächst vorsichtig und auch erstaunlich inkonsequent. In Lothringen machten 1659 die Einwohner von Thionville den Anfang; im Elsass sprach Ch. Colbert sich 1666 als Intendant für staatliche Eingriffe in der Sprachenfrage aus. Kurz nach dem Erlass für die flämischsprachigen Gebiete ‚ordnete Seine Majestät an [...], ab dem Tag der Veröffentlichung dieser Ver ordnung [30. Januar 1685] [seien] alle Verhandlungen vor den Richtern der Provinz, alle Urkunden, Verträge und andere Ausfertigungen [...] in französischer Sprache nieder- zuschreiben ‘. Eine ähnliche Verfügung erließ Stanislas am 27. September 1748 für jenen Teil seines lothringischen Herzogtums, ‚den man Deutschland nannte‘. 82

80 Angaben nach Kurth (1895: 229ff.), (1898: 76ff.); vgl. auch Brunot (1933: VII, 268-277). 81 Hierzu jetzt auch Sittig (2010). 82 Siehe Kap. III, 3.2. – Ausführlich zu diesem Erlass vom 27.09.1748 Lévy (1929: I, 350f.). Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 117

Dessen ungeachtet blieb die Amtssprache nahezu sämtlicher Verwaltungsbehörden, Gemeinden und Gerichte Deutsch. Allen Versuchen, den Gebrauch der deutschen Sprache einzuschränken, wurde deutlicher Widerstand entgegen gesetzt. Gesellschaften wurden gegründet, die sich für den vollständigen Erhalt der deutschen Sprache einsetzten; in den Schulen wurde weiter Deutsch gesprochen, ebenso wie im Gottesdienst; 83 es gab eine deutsche Bühne und gelegentliche Gastspiele angesehener deutscher Ensembles; es gab – im bescheidenen Rahmen jener Zeit – eine deutschsprachige Presse, eine literarische und wissenschaftliche Produktion in deutscher Sprache und einen blühenden Handel mit deut- schen Büchern. Kurz, in einem erheblichen Teil des französischen Königreichs herrschte das Deutsche noch nahezu uneingeschränkt. 84

3.3 Mömpelgard/Montbéliard Über Montbéliard berichtet H. de l’Hermine 1674, ‚alle‘ sprächen dort Deutsch und Franzö sisch (de l’Hermine 1886: 224), was sicher übertrieben war; doch hatten viele Be - wohner damals zweifellos gute Deutschkenntnisse, und die Stadt war noch weitgehend zweisprachig. Studienaufenthalte in deutschsprachigen Ländern galten dort weiterhin als weitgehend unumgänglich. Die besten Anwärter auf Pastoren- und Lehrämter wurden als Stipendiaten nach Tübingen geschickt, in der Regel für fünf Jahre. 85 Pastor J. J. Duvernoy, der ab 1737 am Gymnasium von Montbéliard unterrichtete, hatte sechs Jahre als Student in Tübingen verbracht und war anschließend einige Zeit Lektor am Hof von Baden-Durlach gewesen. Andere gingen in die Schweiz, viele auch ins Elsass. 86 Mömpelgarder Familien schickten ihre Kinder zu protestantischen Familien in den Nachbarländern; diese wiederum sandten ihre Kinder nach Montbéliard, damit sie dort Französisch lernten. ‚Enge Verbin - dungen ‘ bestanden zwischen Familien aus Mülhausen und Montbéliard; ‚sie schicken sich gegenseitig ihre Kinder für drei Jahre im Austausch‘, ‚ein sehr nützlicher Brauch‘, wie de l’Hermine meinte (1886: 73). Von den Deutschen, die in Montbéliard zum Teil wichtige Ämter bekleideten, 87 konnten manche nur ungenügend Französisch. So war 1709 ein Erzieher an der Lateinschule kaum in der Lage, sich verständlich zu machen; 1729 konnte Megerlin, der aus dem württem- bergischen Maulbronn stammte, sich als Rektor des Gymnasiums nicht mit den Schülern

83 In ihrer Sitzung vom 21.10.1737 vertraten die Straßburger ‚Oberkirchenpfleger‘, die für das Steintal zuständig waren, die Meinung, „dass es zu wünschen wäre, dass die Einwohner des Steinthals sich in der Teutschen Sprache übten, damit der Gottesdienst alld a in solcher könnte gehalten werden“; von Lévy hier in deutscher Sprache ohne Angabe der Quelle zitiert; den genauen Nachweis findet man in seiner Sprachgeschichte (Lévy 1929: I, 363). – Der Französischunterricht am protestantischen Gymnasium in Straßburg, dem größten der Provinz, war nicht obligatorisch, sondern blieb „der Privat - Sorge überlassen“; genauer Nachweis des Zitats, das einem Bericht in deutscher Sprache über das Gymnasium (nach 1730) entnommen ist, in Lévy (1929: I, 374). 84 Siehe hierzu im einzelnen Lévy (1929: I, 263ff.). 85 Manche blieben nur vier, andere sechs Jahre. 86 Einige übten dort einen Beruf aus. So war Jean Barbant 1673 Sprachmeister in Straßburg, und Georges Adam Nigrin aus Montbéliard ersuchte 1716 (vergeblich) um die Genehmigung, dort für die Kinder der frankophonen Lutheraner eine Schule zu eröffnen, an der Französisch unterrichtet werden sollte (vgl. Lévy 1929: I, 363, 372). 87 Wie bereits erwähnt, waren auch deutsche Herzöge und Prinzen samt Ehefrauen in Montbéliard ansäs- sig. 118 Kapitel IV: 1650-1750 verständigen. Der Aufsichtsrat der Schule war der Meinung, Megerlin sei aufgrund seiner ungenügenden Französischkenntnisse nicht in der Lage, ordnungsgemäß Religions- unterricht zu erteilen. Sein Nachfolger Leopold Eberhard Bonsen (1699-1788) war der Sohn eines Schneiders, der aus dem Fürstentum Waldeck stammte und erst im Geburtsjahr seines Sohnes Bürger von Montbéliard wurde. L. E. Bonsen leitete das Gymnasium von 1735 bis 1769; zuvor hatte er viele Jahre in deutschsprachigen Gebieten verbracht, 1718 in Straßburg studiert, und bis 1728 als Erzieher der Söhne des Rheingrafen von Stein-Salm auf Schloß Grehweiler gearbeitet. Auch Bonsen schickte drei seiner Töchter zum Deutsch- lernen nach Straßburg; 1754 fragte er an, ob er ‚im Austausch‘ eine weitere Tochter schi- cken dürfe. Deutsch wurde nicht nur am Gymnasium, sondern auch in den unteren Schulen von Montbéliard im selben Umfang unterrichtet wie Französisch. Ansprachen bei Schulfesten wurden in beiden Sprachen gehalten, gesungen wurde ebenso in beiden Sprachen. Gepre- digt wurde weiter auf Deutsch, selbst für die Pastoren der französischen Kirche blieben deutsche Lehrbücher die Quelle ihrer Doktrin. Auf diese Weise wurde die Grafschaft Montbéliard, obwohl sie mitten in einem rein frankophonen Gebiet lag, immer stärker germanisiert. 88

88 Godard (1893: 40, 48, 58, 69ff., 85f., 182); Viénot (1895: 7, 66, 97, 197).

Kapitel V: 1750-1789

1750 schrieb Voltaire an Graf d’Argental: ‚Glauben Sie nur nicht, dass ich ernsthaft Deutsch lerne; ich beschränke mich vor - sichtig darauf, von der Sprache gerade genug zu wissen, um mit meinen Leuten und meinen Pferden zu reden ‘. Die wenigen Stunden, die er mit Deutschlernen verbracht hatte, hielt er für ‚verlorene Zeit ‘.1 ‚Wir haben womöglich nicht einmal drei [französische Schriftsteller], die Deutsch können ‘, meinte der Abbé Raynal 1754 (Brief vom 6. August 1754; Correspondance litté- raire 1877ff.: II, 169). Einige Jahre später hörte sich das schon ganz anders an: ‚Wie die englische Literatur seit einigen Jahren sind nun auch die deutsche Dichtkunst und Literatur Mode in Paris. Deutsch wird bereits als Sprache der Ge- lehrten gelernt, und manche Literaturliebhaber haben schon große Fortschritte darin gemacht. Da man sich derartigen Moden in Paris feurig hingibt, sage ich voraus, dass sich in drei oder vier Jahren niemand mehr in der guten Gesellschaft zeigen kann, ohne Deutsch zu beherrschen und die deutschen Dichter gelesen zu haben. Meinem Ruf zuliebe beeile ich mich daher, erneut zu lernen, was ich womöglich vergessen habe, um nicht als Barbar zu gelten, der die Sprache nicht kann, die gera- de im Schwange ist ‘ (Brief vom 1. Januar 1762, Correspondance littéraire 1877ff.: V, 11f.). 1764 hieß es anlässlich des Erscheinens von Junckers Deutschgrammatik: ‚Da Kenntnisse dieser Sprache und ihrer Literatur jetzt in Mode sind, wird Junckers Werk auf jeden Fall Erfolg haben ‘ (Brief vom 15. Februar 1764, Correspondance littéraire 1877ff.: V, 454). Diese Bemerkungen aus der Feder von Friedrich Melchior Grimm (1723-1807), dessen Berichterstattung oft nicht eben sachlich ausfiel, werden durch andere zeitgenössische Quellen bestätigt. 2 So war Dorat (1769) der Meinung, ‚heutzutage hätten die deutschen Musen obsiegt, und der Blick unserer Schriftsteller sei nun auf sie gerichtet ‘; er berichtet auch von den ‚hübschen Frauen‘, die sich bemühten, Namen wie Rost, Schlegel, Karsch, Cronegk und Klopstock auszusprechen‚ ‚soweit es ihnen möglich war‘.3 In diesem Jahr- zehnt war das Interesse an der deutschen Sprache und Literatur deutlich gestiegen. 1786 musste Grimm dann allerdings eingestehen:

1 Briefe vom 28. November 1750 bzw. 24. Oktober 1750; Voltaire (1818: XXXII, 427, 413). 2 Andere Deutsche, etwa Juncker, äußerten sich ähnlich, und in einer Anzeige für Deutschunterricht war zu lesen: ‚Lange Jahre hatte man das Studium der lebenden Fremdsprachen zu sehr vernachlässigt. Es bildet nunmehr einen wesentlichen Teil der Erziehung; vor allem Soldaten brauchen Kenntnisse der deutschen Sprache ‘ (L’Année littéraire 1765, VIII: 140). 3 Idée de la Poésie allemande ; Einleitung zu Dorat (1769: 9). 120 Kapitel V: 1750-1789

‚Die einzige Fremdsprache, die man mit einiger Sorgfalt pflegt, die einzige, die hauptsächlich in die derzeit modischen Entwürfe einer angemessenen Erziehung eingeht, ist das Englische; und nur englische Bücher hält man für würdig übersetzt zu werden ‘ (Correspondance littéraire 1877ff.: XI, 424f.). Die Begeisterung für das Deutsche ging in der zweiten Hälfte des 18. Jh. wohl zurück; doch immerhin gab es nun mehr Franzosen mit Deutschkenntnissen, mehr positive Aussagen über das Deutsche, mehr deutsche Sprachmeister, von denen einige sehr bekanntwurden. Innerhalb eines einzigen Jahrzehnts erschienen mehr Übersetzungen deutscher Werke als im ganzen Jahrhundert zuvor, 4 und mehr deutsche Literatur als je zuvor, auch Theater- stücke. Viele Deutschgrammatiken wurden veröffentlicht, es wurde öffentlicher Unterricht in der deutschen Sprache angeboten, im Schulwesen gab es erste Ansätze eines Fremdsprachenunterrichts, und einige Privatbibliotheken enthalten nun deutsche Werke in größerer Zahl. Das Deutsche war also ‚modern‘ geworden, wie Grimm wiederholt berichtet. So widersprüchlich es klingen mag, Friedrich der Große, der den Gebrauch des Franzö- sischen in Deutschland propagierte, war auch einer der bedeutendsten Wegbereiter des Deutschen in Frankreich. Friedrichs Siege und seine Reformen lenkten die Aufmerksamkeit der Franzosen auf Preußen, das sie bislang so sehr verachtet hatten. Am Potsdamer Hof lebten bedeutende Franzosen. Nie zuvor hatte man so viele ausgezeichnete Deutsche in Frankreich gesehen; Grimm, 5 Meister, Huber, 6 Juncker, Wille 7 und viele andere nahmen teil am geistigen und gesellschaftlichen Leben in Paris und machten sich dort zu Fürspre- chern ihres Heimatlandes; dank ihrem Einfluss wurde der gewaltige Aufschwung der Lite- ratur in Deutschland und in der Schweiz allmählich auch von den Franzosen wahrge- nommen. 8 Gessner, später auch Goethe waren bald in aller Munde, und wenn man ihre Werke in den stets unzulänglichen Übersetzungen gelesen hatte, wollte man sie auch im Original lesen können. Erstmals wurde Deutsch von den Franzosen nicht nur wegen seines militärischen und wirtschaftlichen Nutzens, sondern auch aus Interesse an der Literatur gelernt: ‚Bislang wurde es [das Deutsche] nur gelernt, weil es notwendig war; wir zweifeln nicht daran, dass es nunmehr gelernt wird, weil es gefällt und weil es Freude macht, die ausgezeichneten Werke, die es heutzutage verschönern, im Original zu lesen ‘ (Juncker 1762).

4 Als Beispiel sei hier nur Karl von Mosers Der Herr und der Diener genannt, das innerhalb von zwei Jahren dreimal übersetzt wurde, von P. Roques (1760), de Champigny (1760) und de Verdier (1762); vgl. Rossel (1897: 39). 5 Zur Rolle Grimms als Kulturvermittler jetzt Schlobach (1992). 6 Zur Bedeutung Hubers als Übersetzer vgl. von Stackelberg (1992). 7 Zu Johann Georg Wille jetzt auch Braun (2008: 395f.) mit weiteren Hinweisen zur neueren Forschung; Décultot, Espagne & Werner (2009). 8 Huber veröffentlichte 1760 eine vierbändige Auswahl deutscher Gedichte ( Choix de poésies alle- mandes ).

Die Deutschen in Frankreich 121

1 Die Deutschen in Frankreich

Für die zweite Hälfte des 18. Jh. verfügen wir über mehr zuverlässige Quellen, so dass wir die Faktoren, die zum weiteren Eindringen des Deutschen in Frankreich beitrugen, genauer erfassen können – die Rolle der verschiedenen Gesellschaftsschichten, den jeweiligen Bei- trag der deutschsprachigen Länder und Gebiete (man denke etwa an die relativ große Be- deutung der Deutschschweiz gegen Ende des Ancien Régime) und den Zeitfaktor (Deutsch- sprachige, die Frankreich lediglich bereisten, hatten natürlich geringeren sprachlichen Ein- fluss als die Einwanderer, die sich endgültig in Frankreich niederließen, und vor allem die Deutschen, die jahrelang in Frankreich ihren Beruf ausübten oder sich dort beruflich weiterbildeten und in dieser Zeit an ihrem Deutschtum festhielten).

1.1 Prinzessinnen Eine der wichtigsten deutschen Grammatiken jener Zeit, der Maître de la langue allemande (anon. 1754), ist der deutschsprachigen Königin und der deutschen Kronprinzessin, die Mitte des 18. Jh. die beiden höchstrangigen Frauen in Frankreich waren, gewidmet. Auf dem Titelbild ist die Königin zu sehen, wie sie den Kronprinzen zu einem Tisch führt, auf dem die Grammatik liegt; darunter steht: „Hier zeigt die Königinn dem Königs -Prinzen an, / Wie man die deutsche Sprach ‘ in Frankreich lernen kann“. Im Vorwort wendet sich der Verfasser unmittelbar an die Kronprinzessin Maria Josepha von Sachsen: Alle Vorurteile, die man sonst von der Rauhigkeit derselben [der deutschen Sprache] geheget, sind ja völlig verschwunden, seitdem E. Königl. Hoh. von dero Lippen, darauf alle Gratien ihren Sitz haben, mitten in Paris, und selbst bei Hofe, bisweilen das Deutsche reizend haben hören lassen, dass dessen Anmuth aller Ohren fast be- zauberd hat. Das Sächsische galt damals bekanntlich als die reinste deutsche Mundart mit dem ange- nehmsten Klang. Ob die Schutzherrschaft der beiden Prinzessinnen zur Verbreitung des Lehrwerks und damit auch der deutschen Sprache in Frankreich beitrug, sei dahingestellt; jedenfalls erlebte es in weniger als 25 Jahren acht Auflagen, fünf davon zu Lebzeiten der Kronprinzessin und der Königin. 9 Marie-Antoinette, ‚die Deutsche‘, wie sie bald genannt wurde, war anfangs fest ent- schlossen, alle Spuren ihrer deutschen Herkunft zu verwischen. Als sie 1770 in Straßburg die Grenze überschritt, glaubte man, mit ihr Deutsch sprechen zu müssen; sie habe jedoch ‚den Redner voller Liebreiz und mit unglaublicher Geistesgegenwart [unterbrochen] und gesagt: Sprechen Sie nicht Deutsch, meine Herren, ab heute verstehe ich keine andere Sprache mehr als Französisch ‘.10 Zwölf Jahre später bat die Königin die Baronin d’Obe rkirch dann allerdings:

9 Einen derartigen Erfolg hatte zuvor keine deutsche Grammatik in Frankreich gehabt. – Hierzu jetzt auch Kaltz (2002). 10 d’Oberkirch (1853 : I, 33). Ob die Geschichte der Wahrheit entspricht, ist allerdings umstritten (Lévy 1929: I, 350). 122 Kapitel V: 1750-1789

‚Sprechen Sie doch ein wenig Deutsch mit mir, damit ich wei ß, ob ich mich noch daran erinnere. Ich kann nur noch die Sprache meiner neuen Heimat. – Ich [d’Oberkirch] sagte einige Worte auf Deutsch zu ihr; sie verharrte einige Sekun den lang wie im Traum, ohne zu antworten. – Ach, sagte sie schließlich, wie gern höre ich doch das gute alte Deutsch [...]. Es ist eine schöne Sprache ‘ (d’Oberkirch 1853: I, 265f.). Tatsächlich pflegte die Königin weiter ihre Muttersprache. Friedel,11 den sie zu ihrem Vorleser ernannt hatte, kam täglich nach Versailles, um ihr eine Stunde lang auf Deutsch vorzulesen (Eggli 1927: I, 67). Zudem befolgte sie den Rat ihrer Mutter Maria Theresia: ‚Nehmen Sie die Deutschen gut auf, bleiben Sie eine gute Deut sche ‘.12 Viele ihrer Lands- leute kamen nach Frankreich und beriefen sich auf sie; so kam im November 1773 auf ihre Einladung ihr ehemaliger Lehrer Gluck in Begleitung seiner Frau, seiner Adoptivtochter, einer Kammerfrau und eines Dieners nach Paris. Der s prachliche Einfluss der ‚Deu tschen ‘ reichte jedoch weiter: Um der Königin zu schmeicheln, bemühte man sich, mehr über ihr Herkunftsland zu erfahren. Im Prospectus der Bibliothèque du Nord (1778) ist die Rede von Deutschland als ‚diese [r] Nation, der wir eine Königin verdanken, die uns Glückseligkeit schenkt ‘. 1777 war im Esprit des Journaux zu lesen: ‚Die Franzosen, die ihre deutsche Königin und alles, was mit ihr zu tun hat, anbeten, beklagen, dass sie nur unzulänglich über die guten Werke unterrichtet werden, die täglich in der Sprache ihres Landes erscheinen ‘.13 Um hier Abhilfe zu schaffen, tat Friedel sich einige Jahre später mit dem französischen Schriftsteller Nicolas de Bonneville (1760-1828) zusammen und übersetzte zahlreiche deutsche Theaterstücke ins Französische (Friedel & Bonneville 1782-1785). Bonneville hatte sich zuvor als Übersetzer englischer Theaterstücke betätigt und sich dann, offenbar durch Vermittlung Marie-Antoinettes, auch der deutschen Sprache zugewandt.14

1.2 Adlige Gegen Ende des Ancien Régime kamen deutsche Adlige in so großer Zahl nach Frankreich, dass es unmöglich ist, hier auch nur die bekanntesten Namen anzuführen; wir nennen hier nur einen Teil der deutschen, österreichischen und baltischen Adligen, die sich im Zeitraum 1750-1790 in Paris aufhielten und in Wille (1857) erwähnt sind: 15 Herzog von Pfalz- Zweibrücken (1760), Graf Reuss (1765), Fürst von Starhemberg (1766), Herzog von Holstein (1771), die Barone Krufft (1760), Behr (1760), Palm (1762), Bosse (1763), Dal-

11 Adrian Christian Friedel (1753-1786), der aus Berlin stammte, übersetzte auch deutsche Literatur ins Französische (siehe unten) und führte ein deutsches Lesekabinett in Paris (siehe unten 2.2.4.2). 12 Maria-Theresia und Marie-Antoinette. Ihr Briefwechsel , hg. von Alfred Ritter von Arneth. 2. vermehrte Aufl. Leipzig: Köhler, Paris: Jung-Treuttel & Wien: Wilhelm Braunmüller, 1866; zit. n. Mathorez (1921: II, 116). – Der gesamte Briefwechsel ist in französischer Sprache (B.K.). 13 Esprit des Journaux (1777: 385f.); beide Zitate nach Tronchon (1920: 92). 14 Eggli (1927: I, 68). De Bonneville übersetzte u. a. Werke von Goethe, Lessing und Schiller. – Weitere genaue Einzelstudien würden vermutlich ergeben, dass der sprachliche Einfluss der Königin noch weiter reichte. 15 Zahlreiche weitere Quellen müssen hier unberücksichtigt bleiben. Die Deutschen in Frankreich 123 berg (1764), von Hammerstein (1765), Graf Dohna (1766), Graf Zinzendorf (1767), Baron Beust (1767), Graf Wilseck (1770), Herr von Knebel (1775), die Barone Seckendorf (1770), Krüdener (1770), Hardenberg (1773), Bock (1773), Haugwitz (1775), Herr von Stein, der Stallmeister des Herzogs von Sachsen-Weimar (1775), Graf Baudissin (1776), der Sohn des Dichters von Haller aus Bern (1785) und Graf Moltke (1766). Viele waren von ihrer Familie begleitet (so der Markgraf von Baden-Durlach 1771 und Graf Harach 1766), andere von Erziehern und Bedienten. Fürst von Nassau-Saarbrücken, die Barone Dalberg und Palm und weitere Adlige hielten sich wiederholt in Paris auf. Selbst Vertreter der bedeutendsten Herrscherhäuser besuchten Frankreich; 1777 und 1781 reiste Kaiser Josef II. unter dem Pseudonym Graf Falkenstein bis nach Bordeaux. Als Graf von Oels reiste Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder Friedrichs des Großen, der sich bekanntlich seinerseits in Frankreich aufgehalten hat; auch Karl August von Weimar, der Herzog von Braunschweig und andere kamen nach Frankreich. F.M. Grimm war in Frankreich zunächst als Erzieher des Grafen Schönberg, Vorleser des Erbprinzen von Sachsen-Gotha und Sekretär des Grafen von Friesland tätig. Die meisten hielten sich nur ein oder zwei Jahre in Frankreich auf, doch einige wie Graf Schmettau blieben endgültig dort. Graf Christian IV. von Zweibrücken etablierte mitten in Paris einen regelrechten deutschen Hof mit zahlreichen Malern, Musikern, Schriftstellern, Bediensteten usw. 16 Obwohl diese deutschen Adligen großenteils Französisch sprachen und sich im Allge- meinen für eine begrenzte Zeit im Land aufhielten, sollte man ihren sprachlichen Einfluss insofern nicht unterschätzen, als sie in großer Zahl kamen und sprachlichen Kontakt mit Franzosen sowie anderen Deutschen, Reisenden und Einwanderern, hatten. Wille (1857) erwähnt auch Dutzende Diplomaten oder hohe Beamte, die zum Gefolge der Prinzen gehörten oder in deren Diensten standen. Da natürlich nicht alle deutschen Botschafter und Minister in Willes Salon verkehrten, ist von einer weitaus höheren Gesamt- zahl auszugehen.

1.3 Soldaten Deutsche Truppen kämpften glücklicherweise nicht mehr in Frankreich, doch die deutschen und Schweizer Regimenter in französischen Diensten waren mindestens ebenso zahlreich wie zuvor. Dank dem bedeutenden Historiker und Statistiker August Ludwig Schlözer verfügen wir über genaue Angaben zu den deutschen und Schweizer Einheiten im Dienst Frankreichs für das Jahr 1776: 17 Cent Suisses; 18 Offiziere, 104 Mann; Schweizer Garde (mit 4 Bataillonen): 126 Offiziere und 2.124 Mann; Schweizer Garde des Grafen d’Artois: 8 Offiziere und 50 Mann; Schweizer Infanterie (mit 11 Regimentern): 671 Offiziere, 17.369 Mann; deutsche Infanterie (8 Regimenter): 488 Offiziere, 12.632 Mann; deutsche Kavalle- rie: 35 Offiziere, 835 Mann; insgesamt 1.354 Offiziere und 33.064 Mann. 18 Wohl waren die Soldaten und vor allem die Offiziere dieser Regimenter nicht alle deutschsprachig; für manche Einheiten, etwa die deutsche Kavallerie, die gewöhnlich aus drei Regimentern

16 Mannlich (1910), (1949); Seillière (1912). 17 Die Zahlen sind im Einzelnen nicht unbedingt zuverlässig, geben aber insgesamt doch ein recht genaues Bild der Lage. 18 Der Vergleich von Lévys Angaben mit der Aufstellung in Schlözer (1780: Theil III, Heft IV, 99-108) ergibt, dass einiges nicht ganz korrekt wiedergegeben ist. 124 Kapitel V: 1750-1789 bestand (Fieffé 1854: I, 271), liegen Schlözers Angaben jedoch unter der tatsächlichen Zahl. Zudem gab es Deutschsprachige auch in anderen Einheiten, etwa den Artillerie- regimentern. In anderen Truppenteilen dienten Deutsche als Generäle oder in einem anderen hohen Rang, etwa die Prinzen zu Salm-Salm und Hessen, Baron Saiffert und Friedrich Hermann Prinz von Anhalt-Köthen, der 1757 im Alter von 26 Jahren zunächst als Oberst eines Infanterieregiments in französische Dienste trat und 1765 zum Generalleutnant befördert wurde. Der aus Cham (Oberpfalz) gebürtige Nikolaus Graf von Luckner (1722-1794) wurde 1763, nachdem er in der bayrischen, holländischen und hannoverschen Armee ge- dient hatte, zum General der französischen Armee ernannt; später wurde er Kommandant der Armee und Marschall von Frankreich. In sprachlicher Hinsicht ist nicht nur die Zahl der deutschsprachigen Soldaten, die durchgängig bei 30.000-40.000 lag, sondern auch die Dauer ihres Aufenthalts in Frankreich von Bedeutung. Viele blieben nach Ableistung ihres Dienstes im Land; so waren die Por- tiers der vornehmen Hotels am Faubourg Saint-Germain in der Regel ehemalige Angehö- rige der Schweizer Garde. 19

1.4 Gelehrte Schriftsteller und Lehrer kamen in großer Zahl aus Deutschland nach Frankreich, Studenten nun eher weniger. 20 Einige deutsche Intellektuelle hatten bedeutenden Anteil am Geistesleben ihrer neuen Heimat. So wurden F. M. Grimm und der als Paul Heinrich Dietrich von Hol bach geborene Baron d’Holbach (1723 -1789) bekannte Enzyklopädisten, die über ihre freundschaftlichen Beziehungen mit Diderot, d’Alembert, Raynal, Helvétius, Condorcet, Rousseau und Buffon vielleicht auch sprachlichen Einfluss ausgeübt haben. Auch Übersetzer wie Friedel und der Schweizer J. H. Meister 21 spielten eine wichtige Rolle in Frankreich. Paul-Jérémie Bitaubé (1732-1808), der als Sohn französischer Emigranten im ostpreußischen Königsberg geboren wurde und viele Jahre in Frankreich lebte, übertrug die Ilias ins Französische. 22 Zahlreiche Deutsche auf der Durchreise trafen seinem Haus mit aufgeschlossenen Franzosen zusammen. Berühmte Deutsche förderten das Ansehen der deutschen Sprache und Kultur in Frankreich: Herder war 1769 bei Wille zu Gast war 23 und machte Diderot seine Aufwartung; vor ihm war Gellert 1755 nach Paris gekommen; Christian Felix Weiße hielt sich dort von November 1759 bis Mai 1760 auf. Später reisten Sophie La Roche nach Bordeaux, Friedrich von Matthisson (1761-1831) nach Lyon, Moritz August von Thümmel (1738-1817) in die Provence. Weiter sind hier vor allem Helfrich Peter Sturz (1736-1779), Johann Heinrich Campe und Friedrich Maximilian Klinger zu nennen. Wille berichtet von Schriftstellern und Lehrern, auch von Äbten und

19 Deutsche Offiziere kamen auch als Touristen oder Gesandte nach Frankreich (Wille 1857). 20 Zu den Sprachlehrern wie Huber, Juncker und Quandt siehe unten 2.2.2.2. – In den Quellen sind noch viele andere, heute vergessene Deutsche erwähnt, auf die hier angesichts der großen Zahl berühmter Deutscher in Frankreich in dieser Zeit nicht näher eingegangen werden kann. 21 Meister war als Sekretär für Grimm tätig und setzte dessen Werk später fort; er gehörte zum Kreis um Diderot. 22 Die erste Übersetzung erschien 1764 in Berlin, eine weitere 1780 in Paris. (B.K.) 23 Wille (1857: 420): ‚Herr Herder aus Riga ‘ [...] der Geist dieses Gelehrten gefiel mir sehr ‘. Die Deutschen in Frankreich 125

Stiftsherren, Gelehrten, Architekten, Sekretären und anderen hohen Beamten aus Deutschland, die sich in Frankreich aufhielten.

1.5 Ärzte Auch deutsche Ärzte waren recht zahlreich; bei der Ausübung ihres Berufs kamen sie unmittelbar in Kontakt zu sehr unterschiedlichen Kreisen der französischen Gesellschaft. Der Arzt und Botaniker Friedrich Kasimir Medikus (1736-1808), der Hamburger Dr. Bausch und einige andere Mediziner, deren Namen bei Wille überliefert sind, kamen als Reisende und blieben nur kurze Zeit. Wichtiger im Rahmen unserer Untersuchung ist Jo- hann Gottfried [Jean-Geoffroy] Saiffert; er stammte aus Leipzig und praktizierte zunächst einige Jahre im Gâtinais und der Champagne als Arzt, bevor er sich 1777 in Paris nieder- ließ, wo er sich rasch einen so guten Ruf als „médecin saxon“ (‚sächs ischer Arzt ‘), wie er sich selbst nannte, erwarb, dass Philipp von Orléans und die Prinzessin von Lamballe ihn konsultierten; auch Beaumarchais ließ sich von ihm behandeln (Chuquet 1904: 7-13). 24 Franz Anton Mesmer (1733-1815), der 1778 nach Paris gekommen war, betreute dort noch mehr Patienten als Saiffert. Andere weniger berühmte deutschsprachige Ärzte versorgten ihre Landsleute in verschiedenen Stadtvierteln. 25

1.6 Künstler Der Kupferstecher und Maler Wille empfing in seiner Werkstatt jahrzehntelang Besuch von hunderten deutscher Künstler, die zum Teil mehrere Jahre in Paris blieben. Nach den (unvollständigen) Registern der Académie royale de peinture wurden in der Zeit von 1738 bis 1787 insgesamt 275 ausländische Schüler aufgenommen, darunter 76 aus deutschen Staaten, 62 aus Flandern bzw. den Niederlanden und 35 aus der Schweiz (Dussieux 1876: 79; Réau 1938: 235ff.). Zusammen mit den Balten und anderen Nordeuropäern ergibt dies für den genannten Zeitraum eine Gesamtzahl von fast 200 Deutschsprachigen. Tatsächlich kamen weitaus mehr deutschsprachige Künstler, auch Architekten und Musiker, zum Stu- dium nach Frankreich. Aus den Berichten von Wille (1857) und Mannlich (1910) geht hervor, dass viele Künstler auch in Werkstätten tätig waren, ohne an der Académie royaleeingeschrieben zu sein. Gegen Ende des Ancien Régime hielten sich jährlich fast hundert deutsche Maler, Kupferstecher, Bildhauer in Paris auf, was Réau (1938: 250) zu

24 Saiffert (1747-1810) [auch: Andreas Seifert] gab später den Pariser Laufbericht heraus; vgl. Kotzebue (1804: 321): „So hie ß eine schlechte teutsche Zeitung, die bis zu Anfang dieses Jahres in Paris heraus- kam, und, wie man sagt, von einem gewissen Doctor Seyffert, einem Sachsen geschrieben ward, der vormals Leibarzt des Herzogs von Orleans war, und sich während der Revolution durch gemäßigte Ge- sinnungen empfohlen (Andere behaupten, nicht empfohlen) haben soll. Doch das könnte uns jetzt gleichviel gelten, wenn er nur unsere Muttersprache nicht revolutioniren, und den Parisern weiß machen wollte, er schreibe eine teutsche Zeitung für die Franzosen. Sie ist nun zwar schon zu Grabe gegangen, diese drollige Mißgeburt, aber es verlohnt der Mühe, sie noch einmal aus der Vergessenheit hervor zu ziehen, damit sie den einzig möglichen Nutzen stifte, nemlich unser Lachen errege.“ Vgl . auch Depping (1832: 365). (B.K.) 25 Nemeitz (1728: 397f.) empfiehlt im Kap. 33 „Von Conservirung der Gesundheit zu Paris“ einige deutsche Ärzte, darunter „ Mons. Grossen , Lutherischer Religion / aus Quedlimburg gebürtig / welcher schon bey die etlich und zwanzig Jahr stetig zu Paris practiciret / und also das Temperament der Fremden mit dem Französischen Climat in seinen Kuren wohl zu überlegen weiß“. (B.K.)

126 Kapitel V: 1750-1789 der treffenden Bemerkung veranlasste, es habe damals in Paris mehr deutsche Künstler gegeben als in Berlin. Die Frage ist nun, wie man sich in diesen Kreisen verständigte und in welcher Sprache der Unterricht stattfand, denn fast keiner der Künstler konnte bei der Ankunft in Paris Französisch. So berichtet Johann Georg Wille, er habe 1760 den Koblenzer Mathias Halm, ‚der kein Wort Französisch spricht‘, als Schüler in seiner Werkstatt aufgenommen. Zehn Jahre später notierte er: ‚M. Halm, der mehr als neun Jahre mein Schüler war und aus Koblenz gebürtig ist, ist zum Zeichenlehrer an der Ecole Militaire ernannt worden ‘ (Wille 1857: I, 146, 457). Wille selbst ‚konnte sehr wenig [Französisch]‘, als er im Juli 1736 nach Paris kam (Wille 1857: I, 49). Sein Reisegefährte Georg Friedrich Schmidt hatte gar keine Französischkenntnisse, sondern musste auf Lateinisch nach dem Weg fragen, was ihm allerdings auch nicht weiterhalf, denn wegen seiner deutschen Aussprache des Lateinischen verstand ihn der Abt, den er auf der Straße ansprach, nicht (Wille 1857: I, 60). Der Kupferstecher Franz Edmund Weirotter (1733-1771) ‚konnte überhaupt kein Französisch‘, als er aus Innsbruck nach Paris kam, um in Willes Werkstatt zu arbeiten (Wille 1857: I, 233); der junge Straßburger Miniatur maler M. Metzger‚konnte nur sehr wenig Französisch‘ (Wille 1857: I, 485). Auch wenn Wille dies nicht jedes Mal ausdrücklich vermerkt, war das sehr wahrscheinlich der Fall bei den meisten Künstlern, die zu ihm kamen. Von den zahlreichen deutschen Künstlern, die im Zeitraum 1750-1789 in Frankreich lebten, können wir hier nur die berühmtesten nennen. Außer dem bereits mehrfach er- wähnten Wille, der später zum „graveur du Roi“ ernannt wurde und sich sehr für die Belange seiner Landsleute in Paris einsetzte, ist der ebenfalls schon kurz erwähnte Georg Friedrich Schmidt aus Berlin (1712-1775) zu nennen, der 1742 zum Mitglied der Académie des Beaux-Arts ernannt wurde. Der Stuttgarter Kupferstecher Johann Gotthard von Müller (1747-1830) hielt sich von 1770 bis 1776 in Paris auf, Johann Carl Teucher, der ebenfalls Kupferstecher war, von 1759 bis 1771. Von den Bildhauern sei hier nur Johann Heinrich Dannecker (1758-1841) genannt, der von 1783 bis 1785 in Paris wohnte, von den Malern Schlegel, Tischbein, 26 Krause, J. L. Tietz, Schubert und Büttner. Dutzende weiterer Maler, Architekten, ‚Künstler de r sächsischen Porzellanfabrik ‘, Schriftsteller und einige Musiker sind bei Wille erwähnt, der etwa über Glucks Besuch 1764 berichtet (‚der Ritter von Gluck, dieser berühmte Komponist ‘; Wille 1857: I, 249). Gluck, der Schützling der Königin, war mehrmals zu Gast bei Christian IV. Herzog von Zweibrücken in Paris. Mozart hielt sich wiederholt in der französischen Hauptstadt auf, so 1763, 1766 und 1778. Auch zahlreiche andere deutsche Musiker, Komponisten und Musiklehrer, kamen nach Paris: Köpfer, der mit Wille befreundet war, Sieber,der erster Hornist an der Oper war, der Pianist Johann Schober, der Fagottvirtuose Ritter, der Harfenlehrer Hinner, die Geiger Stanitz und J. J. Kreutzer sowie der berühmte Kapellmeister und Komponist Johann Friedrich Reichardt. 27 Weiter sind zu nennen der Komponist Franz Xaver Richter (1709-1789), die Pianisten Eckardt, Schobert und Streibelt (Moser 1937: 45f.) und zahlreiche andere Musiker, die vor allem in Orchestern und Militärkapellen spielten. 28

26 Johann Heinrich Tischbein der Ältere (1722-1789). (B.K.) 27 Mathorez (1921: 139ff.); vgl. hierzu auch Reichardts Vertraute Briefe aus Paris (Reichardt 1804). 28 Lévy (1950) verweist hier auch auf Seillière (1912: 217), der berichtet, ein junger Deutscher namens Bemetzrieder habe Diderots Tochter Musikunterricht gegeben. Die Deutschen in Frankreich 127

1.7 Handwerker 29 und Arbeiter Dazu kamen noch etliche Musikinstrumentenbauer, die nicht nur erstklassige Arbeit als Handwerker leisteten, sondern auch Musikliebhaber und -kenner waren, etwa Johann(es) Heinrich Hem(b)sch (1700-1769) und sein Bruder Wilhelm, Heinle, Josef Treger, Hart- mann, P. Krupp und die drei Brüder Holtzmann, die als Harfenbauer tätig waren. Als Klavierbauer wurden später vor allem Sebastian Erard, der 1770 aus Straßburg nach Paris gekommen war, und Ignaz Pleyel aus Rupperstal (Österreich) bekannt, der sich 1783 zunächst in Straßburg niedergelassen hatte. Auch ein Uhrmacher aus Zürich, ein Buchbinder aus Wien, mehrere Kunsttischler aus Dresden und Eichstädt und ein weiterer aus Neuwied namens Röntgen besuchten Wille. Unter den Gesellen, die durch Frankreich reisten, waren stets zahlreiche Deutsche, und manch einer blieb im Land, wenn er eine Frau und Arbeit gefunden hatte. Für Mme de Genlis arbeiteten ein deutscher Gärtner und ein deutscher Kammerdiener. Eine Eisenwaren- fabrik in der Nähe von Nevers verfügte 1763 über zwei Gebäude, in denen die aus Sachsen und der Pfalz gekommenen Arbeiter untergebracht waren (Mathorez 1921: 98). Zur selben Zeit entstanden an verschiedenen Orten regelrechte deutsche Siedlungen. Um Guyana zu besiedeln, ließ Choiseul in Deutschland fast 9.000 Auswanderer rekrutieren, die 1763 zur gemeinsamen Ausreise in der Nähe von Rochefort zusammentrafen; nur we- nige verließen das Land tatsächlich. Einige kehrten wohl in die Heimat zurück, doch mehr als zwei Drittel blieben in Frankreich und ließen sich in der Gegend von Rochefort, in der Bretagne, der Gironde und den Landes nieder. Zwei Jahre später bot ein gewisser Girard als Sprecher von rund fünfzig deutschen Familien, die in Saint-Jean d’Angély in Kasernen wohnten, die Mitarbeit bei der Rodung der Heide in der Nähe von Bordeaux an (Mathorez 1921: 149ff.; Leroux 1918: 89; Mauco 1932: 12).

1.8 Kaufleute Wille hatte selbst keine näheren Beziehungen zu Geschäftsleuten, erwähnt jedoch zahlrei- che Buchhändler, Kaufleute, die mit Grafiken h andelten, sowie weitere ‚Händler‘ und Ban- kiers aus Berlin, Breslau, Frankfurt, Wien, Hamburg, Leipzig, Nürnberg, Zürich, Riga, Dresden und anderen Städten. 30 Die meisten hielten sich nur kurze Zeit in Frankreich auf, doch manche etablierten sich dort, so Riederer in Bordeaux und Eberts in Paris als Bankiers , Lienau, Overmann, Zimmermann und Meyer ‚aus Hamburg‘. J. J. Bethmann, der 1740 aus Frankfurt nach Bordeaux gekommen war, war dreißig Jahre später der größte Reeder der Stadt. 31 Er war dort bei weitem nicht der einzige Deutsche in diesem Gewerbe; so waren 1777 fünfzig Deutsche unter den insgesamt 450 Reedern und Händlern. Kurz vor der Revolution lebten mehr Deutsche ständig in Bordeaux als 1914. Leroux (1918) nennt mehrere hundert Namen von Personen deutscher Herkunft in Bordeaux, 180 allein für den Zeitraum 1700-1789. 32 Über die Händler, die jedes Jahr so zahlreich zu den beiden großen

29 Voss (1992: 10) betont, „sogar die Encyclopédie [sei] im Nachtragsartikel ‚ouvriers étrangers‘“ (Bd. XVII, 1765: 804f.) auf die deutschen Handwerker im Frankreich des 18. Jh. eingegangen. Ausführlicher hierzu Pallach (1992). 30 Zu den deutschen Händlern im Frankreich des 18. Jh. siehe jetzt Meyer (1992). 31 Zu Bethmann vgl. auch Kapitel IV, 1.6. 32 Einige Namen in einer Bittschrift der Protestanten von Bordeaux aus dem Jahre 1765 deuten auf elsäs- 128 Kapitel V: 1750-1789

Messen kamen, dass ihre Schiffe einige Wochen lang zu hunderten im Hafen der Stadt lagen, ist kaum etwas bekannt. Im Übrigen lebten in Bordeaux in der zweiten Hälfte des 18. Jh. auch Deutschschweizer und rund vierzig ‚germanische und deutsche Juden‘ (Mathorez 1921: 146; Leroux 1918: 56ff., 73f., 97ff.). Dass die Zuwanderung so vieler Deutschsprachiger und die Handelsbeziehungen mit Deutschland auch sprachliche Auswirkungen hatten, liegt auf der Hand. In der Stadtbiblio- thek von Bordeaux waren nun einige deutsche Werke vorhanden. Anders als für Englisch und Italienisch wurde für Deutsch noch kein Unterricht angeboten, vielleicht, weil es genü- gend andere Möglichkeiten gab, Deutsch zu lernen. Deutschkenntnisse waren in Bordeaux unumgänglich, denn mit den norddeutschen Städten wurde viel geschäftlich korrespondiert, häufig tauschte man sich auch über rechtliche oder politische Fragen aus, und die Briefe, die aus den Hansestädten in Bordeaux eintrafen, waren gewöhnlich in deutscher Sprache abgefasst. 33 In anderen großen Städten wie Nantes, Angers und Lyon gab es neben deutschen auch zahlreiche holländische Händler und Fabrikanten; die meisten ließen sich endgültig in Frankreich nieder, auch schon vor 1787, als mehr als 4.000 Gegner des stadhouder aus Holland nach Belgien und Frankreich emigrierten (Brunot 1933: VIII. 1, 210).

1.9 Reisende Außerdem gab es noch die ‚Touristen‘, von denen Wille (1857) viele namentlich erwähnt; sie kamen aus sämtlichen deutschsprachigen Gebieten, von den Alpen bis zum Baltikum, von Freiburg bis Breslau, und bereisten ganz Frankreich, übten aber vermutlich kaum sprachlichen Einfluss aus.

1.10 Weitere Hinweise auf die Präsenz der Deutschen Die in Deutschland erschienenen Reisebeschreibungen zeugen vom Ausmaß der Reise- tätigkeit in Frankreich 34 und wohl auch von einem Bedarf an Reiseführern. Johann Peter Willebrandts Historische Berichte [...] auf Reisen in Deutschland, in die Niederlande, in Frankreich [...] erschienen erstmals 1758; 1787-88 folgten die Neuesten Reisen durch Frankreich [...] von Johann Jacob Volkmann, 35 1787 Heinrich Storchs bedeutende Skizzen, Szenen und Bemerkungen auf einer Reise durch Frankreich [...]; im selben Jahr legte So- phie La Roche ihr Journal einer Reise durch Frankreich vor . Thümmel (vgl. oben 1.4) veröffentlichte 1791 den ersten Band seiner Reise in die mittäglichen Provinzen von Frank- reich im Jahr 1785 bis 1786 .36 Die deutsche Gesellschaft in Paris schildert Wille (1857) sehr anschaulich; 1763 notierte er etwa: ‚Ich habe mit Herrn von Glöber, Herrn von Papen, Herrn von Klein - Schmidt und anderen bei Baron von Schlabrendorf zu Abend gegessen ‘ (1857: I, 237). Ein Jahr später berichtet er:

sische Herkunft hin: Hoepffner, Roehrich, Heusler, Lauer, Schnell, Schuler und Kern. – Leroux weist selbst darauf hin, dass diese Aufstellung vermutlich unvollständig ist, da Gehilfen, Diener, Gouver- nanten usw. in den Quellen nicht namentlich genannt sind. 33 Ausführlich zur deutschen Präsenz in Bordeaux jetzt Espagne (1991). 34 Hierzu jetzt auch Grosser (1992). 35 Volkmann (1732-1803) hatte in Orléans studiert und dort 1759 auch promoviert. (B.K.) 36 Babeau (1885). Hierzu jetzt auch Diezinger (1986). Die Franzosen und das Deutsche 129

‚Am 20. [Mai 1764] gab Ritter von Trattner für uns ein Fest im Schloss Madrid, im Bois de Boulogne. Wir waren alle dort, auch Herr und Frau Huber, Herr und Frau Chevillet (Willes Schwager), Herr Zingg, Herr Schmuzzer, Herr Himburg ‘ (1857: I, 256). Weitere Berichte lauten: ‚Am 13. [März 1765] habe ich die beiden Barone von Bremsen, Graf von Podewils, die beiden Barone von Raben, Baron von Liebenheim, Herrn von Saldern, Herrn Schröter und Herrn Rumphe aus Hamburg in unsere Académie Royale geführt ‘ (1857: I, 264). [1765] ‚Ich brach auf, um die Landschaft nach der Natur zu zeichnen. Mein Sohn, die Herren Schmuzer, Weirotter, Kraus, Hackert und Beckert begleite- ten mich zu dem nämlichen Zweck ‘ (1857: I, 300). Am 7. Juli 1766 ‚hatten wir Graf Moltke, die Barone von Fletscher und von Kronstern, die Herren Ferber und Messager, Herrn und Frau Huber und Herrn Hellfried zum Abendessen geladen ‘ (1857: I, 324). 37 Nicht nur bei Wille, auch bei Bitaubé und anderen Deutschen trafen die in Paris ansässi- gen Deutschen mit Landsleuten zusammen, die auf der Durchreise waren. In den Salons von Franzosen (Diderot, Trudaine, Greuze, Helvétius u. a.) verkehrten bekannte Deutsche; Voltaire hatte in Ferney Gäste vom Hof Friedrichs des Großen. All diese Sprachkontakte haben im Stil, im Wortschatz, in den Sprachkenntnissen deutscher und französischer Intel- lektueller vermutlich Spuren hinterlassen.

2 Die Franzosen und das Deutsche

2.1 Urteile über die deutsche Sprache Das bereits erwähnte ‚Gesellschaftsspiel‘, das darin bestand, den ‚ästhetischen‘ Wert der Sprachen zu vergleichen, wurde weiter eifrig betrieben. Angesichts des Aufschwungs der deutschen Literatur wurde die deutsche Sprache nun gerechter beurteilt, doch nach wie vor waren keineswegs alle Franzosen davon angetan (Weidenkaff 1906).

2.1.1 Verachtung Niemand hat unbarmherziger zum Ausdruck gebracht, was französische Schriftsteller des 18. Jh. an der deutschen Sprache auszusetzen hatten, als ausgerechnet Friedrich II. von Preußen: 38

37 Zu Wille siehe jetzt auch Décultot Hg. (1999). 38 Bei Lévy (1950: 157) ist der nachstehende, mir aufschlussreich erscheinende Teil des Zitats ausgelassen: „ce qui met les deu x extrêmités de l’Allemagne dans l’obligation de se parler par interprète: on est dans l’incertitude lequel de ces jargons est le véritable, et j’ose assurer que ce point ne sera jamais décidé.“ – In der deutschen Übersetzung von Friedrich von Oppeln = Bronikowski (Geschichte meiner Zeit. Die Werke Friedrichs des Großen , Bd. 2, hg. von Gustav Berthold Volz. Berlin: Reimar Hobbing, 1913), der die letzte Fassung von 1775 zugrunde liegt, ist das gesamte Zitat leider nicht übersetzt. 130 Kapitel V: 1750-1789

‚Die deutsche Sprache ist ebenso barbarisch wie die Goten und die Hunnen, die sie verdorben haben; die germanischen Freiheiten bestehen großenteils darin, dass jeder kleine Staat, jedes kleine Gebiet seine eigene Sprache pflegt, wodurch so viele ver- schiedene und voneinander abweichende Arten zu sprechen entstanden sind, dass die selben Ideen in Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart, Köln und in Holstein mit anderen Wörtern und Redewendungen ausgedrückt werden [...] Es mangelt überhaupt an Akademien, die den Gebrauch der Wörter festhalten, deren wahre Bedeutung und Verwendung genau festlegen, und daher rührt es, dass die Schriftsteller, die weder Regeln noch Sprachgesetze kennen, sich ihren Launen hingeben und ohne Reinheit, Eleganz und Klarheit in einer rohen Sprache und in einem unebenen, ungeschliffenen Stil schreiben ‘ (Histoire de mon temps ; Friedrich II. 1879: 198). Als die Schrift 1746 erschien, war der junge König in Frankreich noch kaum bekannt, so dass sie wenig Beachtung fand, anders als sein Urteil von 1780: 39 Ich finde eine halb = barbarische Sprache, die in ebensoviel verschiedene Dialekte zerfällt, wie Deutschland Provinzen hat. Jeder Kreis redet sich ein, seine Mundart sei die beste. Es giebt noch keine von der Nation anerkannte Sammlung, in der man eine Auswahl von Wörtern und Wendungen fände, die die Sprachreinheit feststellt [...] Es ist also thatsächlich unmöglich, daß selbst ein mit dem größten Talent be- gabter Schriftsteller diese rohe Sprache ausgezeichnet handhaben könne. [...] ich höre einen aller Anmut baren Jargon reden, den jeder nach seiner Laune behandelt; ohne Wahl werden die Ausdrücke verwendet, die passendsten und bezeichnendsten Wörter vernachlässigt [...]. [...] mit der Vervollkommnung der Sprache muß begon- nen werden; sie muß gefeilt und gehobelt [...] werden. Weiter bemängelt Friedrich II. die fehlende Klarheit des Deutschen: „oft findet man erst am Ende einer vollen Seite das Verb, von dem der Sinn des ganzen Satzes abhängt“. Insgesamt wirft er derdeutschen Sprache vor, „da ß sie weitschweifig, schwer zu behandeln und wenig klangvoll ist“ und es ihr „überdies an jenem Reichtum bildlicher Ausdrücke fehlt, die so notwendig sind, um gebildeten Sprachen neue Wendungen zu liefern und Anmut zu ge- ben.“ 40 Nur allzu gern wurde diese unbarmherzige Kritik in Frankreich aufgegriffen, zumal sie von einer Autorität vorgebracht worden war, die aus der Ferne besonders kompetent er- scheinen mochte. Jedenfalls trug sie das Ihre dazu bei, die wohlwollendere Einstellung, die sich um die Mitte des 18. Jh. durchzusetzen begann, gegen Ende des Jahrhunderts wieder zu erschüttern. Rivarol (1784) machte sich ein Vergnügen daraus, die Kritik Friedrichs II. in extenso zu zitieren, zumal sie seine eigenen Thesen untermauerte. 41 Selbst wenn Rivarol

39 Friedrich II. (1780: 6, 8, 18, 29); hier zit. n. der deutschen Übersetzung von H. Simon (1885: 21, 27). 40 Zit. n. der deutschen Übersetzung von H. Simon (1885: 28, 32). 41 Rivarol (1784/1929: 45). Auf der Werteskala des Autors rangiert das Deutsche an letzter Stelle der europäischen Hauptsprachen (Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch), was zweifellos der Meinung fast aller Franzosen jener Zeit entspricht. Wenn vom Erlernen der lebenden Fremdsprachen die Rede ist, wird das Deutsche meist gar nicht erwähnt. So empfiehlt Faignet in der Encyclopédie (Eintrag Etudes) den jungen Franzosen, ‚eine moderne Fremdsprache wie Italienisch, Spanisch oder besser Englisch ‘ zu lernen. Vom Deutschen ist gar nicht die Rede, bei Voltaire ebenso wenig (vgl. unten Die Franzosen und das Deutsche 131 im eigenen Namen spricht (1784/1929: 27ff.), macht er offensichtlich Anleihen bei dem preußischen König und übernimmt dessen Ansichten schon deshalb nur allzu bereitwillig, weil er selbst überhaupt kein Deutsch konnte. In dem nachstehenden Überblick sind die Gründe zusammengefasst, die Rivarol anführt, um zu begründen, weshalb das Deutsche keinen Anspruch auf Universalität erheben kann:

A) in der Vergangenheit 1. Fehlen bedeutender Literatur; 2. Unbedeutende politische Macht des Deutschen Reichs; 3. Hindernisse, die in der Natur der deutschen Sprache selbst liegen: Sie ist einerseits ‚zu wortreich‘, andererseits ‚zu hart‘; 4. Fehlende Verwandtschaft mit den alten Sprachen; gerade durch ihren Überfluss schreckt sie diejenigen ab, die vom Latein- und Griechischstudium bereits ermüdet sind; 5. die Völker des Nordens lernen die Sprachen des Südens, umgekehrt ist dies nicht der Fall; 42 6. zu zahlreiche Dialekte; Schaffung einer Literatursprache, die das Volk nicht ver- steht; B) in der Gegenwart 1. die gutturale Aussprache des Deutschen verletzt die Ohren der Völker des Sü- dens, 43 deutsche Schriften in Frakturdruck sind abstoßend in den Augen der Franzosen, die an Antiqua gewöhnt sind; 2. der gegenwärtige Aufschwung der deutschen Literatur kommt zu spät; 3. diese Literatur ist nur für das deutsche Volk geeignet; 4. selbst deutsche Fürsten treten für die Verbreitung des Französischen ein.

Die Anspielung auf Friedrich II. ist hier ebenso offensichtlich wie in den Observations sur la langue et sur la poésie françoises , deren Verfasser, Pierre-Laurent de Belloy, nacheinander die englische, italienische, spanische und deutsche Sprache untersucht, um die Überlegenheit des Französischen nachzuweisen.Über das Deutsche schreibt er: ‚Die deutsche Sprache, zu sehr gespickt mit Konsonanten, ist von einer Härte, die sich nie zur Modulation der schönen Dichtkunst fügen wird, es sei denn, diese Völ- ker änderten ihre holprige Aussprache. Man denke in diesem Zusammenhang nur an einen Großen, der als Deutscher in seiner Muttersprache wie Klopstock schreibt, und in unserer Sprache wie Voltaire [...] Es wird versichert, dass seine empfindsamen

2.2.2). 42 Auf dieses ‚Argument ‘, das von der Verachtung der Franzosen für die deutsche Sprache zeugt, griffen nach ihm u. a. auch Voltaire und Mirabeau zurück. 43 In einer Anmerkung gibt Rivarol (1784/1929: 113f.) immerhin zu: ‚Wir folgen in dieser Hi nsicht dem Vorurteil, das sich für die deutsche Sprache herausgebildet hat. Eigentlich ist deren Aussprache fast ebenso labial wie unsere; da jedoch die Konsonanten überwiegen und kraftvoll ausgesprochen werden, glaubte man zunächst, die Deutschen sprächen aus der Kehle. Für das Deutsche gilt wie für das Engli- sche und selbst das Französische: ihre Aussprache wird von Tag zu Tag weicher, und da die Rechtschreibung sich nicht ändert, hat dies angenehm klingende, aber für das Auge harte Sprachen zur Folge. ‘ 132 Kapitel V: 1750-1789

Ohren den Schock der harten Klänge nicht ertragen können, die ständig großartige oder auch heitere Bilder verderben oder zunichte machen, die sich die deutschen Dichter zu zeigen bemühen. Gessner empfindet dieser gekrönte Horaz nur in franzö- sischer Übersetzung als angenehm ‘ (de Belloy 1787: VI, 73). Ähnlich äußert sich Mirabeau im Vorwort seiner Untersuchung Sur la réforme politique des Juifs (1787): 44 ‚Sie werden doch nicht abstreiten, dass die deu tsche Sprache bislang nicht geregelt ist und dass sie nur schwer in Regeln zu fassen sein wird, solange jeder Schriftsteller und seinem Beispiel folgend jeder Leser sich erlaubt, die selben Wörter willkürlich in unendlich verschiedenen, wo nicht gar einander widersprechenden Bedeutungen zu verwenden oder neu einzuführen; solange man nicht davor zurückschreckt oder gar bestrebt ist, einen erhabenen Ausdruck neben einem ganz und gar unschick- lichen zu verwenden; solange man des festen Glaubens ist, man könne die Sprache bereichern, indem man sich bemüht, Erhabenes mit niedrigen Vergleichen dar- zustellen; solange man von überall her einzelne Wörter, Wendungen aller Stilebe- nen, Sprichwörter aus allen Ländern zusammensucht und sie unterschiedslos in Schriften aller Art aufeinander häuft, was notwendig zu einem so barbarischen Stil- gemisch führt, dass der Inhalt vielfach beeinträchtigt und stets fragwürdig wird. Ich behaupte gewiss nicht, ein solches Stilgemisch sei auch bei Ihren großen Schrift- stellern zu finden. Wie hätte dieser jämmerliche Reichtum unklarer, neu geprägter, pleonastischer Ausdrücke denn die Entstehung Ihrer guten Schriften befördern kön- nen? ‘ Mirabeaus Kritik an der deutschen Sprache gilt mithin dem Mangel an Geschmack, Maß, Klarheit und Regelhaftigkeit, ihrer Armut, die nur scheinbar im Widerspruch zu ihrer Nei- gung zum Überfluss steht, und der ‚bald niedrigen, bald geschwollenen Art‘.45 Selbstverständlich wurden derartige Vorwürfe sämtlich in unterschiedlichem Ausmaß von anderen Schriftstellern aufgegriffen. Louis-Théodore Hérissant meinte, die deutsche Sprache sei zur Zeit der Minnesänger schöner und ‚sanfter‘ gewesen; ihre Verwendung als Kanzleisprache unter Otto IV. habe ihr eher geschadet, weil sie dadurch ‚umständlichere Wendungen ‘ erhalten habe. Vor allem aber hätten die Deutschen im 17. Jh. ihre Sprache aus Eitelkeit mit einer Unmenge fremder Wörter beladen und ein regelrechtes Kauder- welsch daraus gemacht. Im Übrigen

44 Vorwort zu Mirabeau (1787: s.p.); der Kolumnentitel lautet: Sur Moses Mendelssohn . In einer anderen Ausgabe von 1787 fehlt dieses Vorwort. 45 Es ist schon bemerkenswert, dass Herder an verschiedenen Stellen, unter anderem im Journal meiner Reise im Jahre 1769 (Werke IV, 422ff.) und den Fragmenten (Werke I, 194), nahezu die selben Ein- wände gegen das Französische formuliert. – In den Fragmenten (I, 194) liest sich das so: „Aber für das Poetische Genie ist diese Sprache der Vernunft [das Französische] ein Fluch, und diese schöne Bücher- sprache hat, um im Reden nicht zu schleppen, den flüchtigen und ungewissen Tritt annehmen müssen, der für die hohe Deklamation diese galante Sprac he Nervenlos macht“. (B.K.). – Selbst den Vorwurf der mangelnden Musikalität, den die französischen Autoren mit Vorliebe gegen das Deutsche erhoben, übernimmt Herder. Ausführlich zu Herders Kritik an der französischen Sprache Brunot (1933: VIII.1, 648-641) und Frank (1933: 26, 36). Die Franzosen und das Deutsche 133

‚ist die deutsche Sprache noch ungeregelt und wird es noch lange Zeit bleiben, ob nun wegen ihres außerordentlichen Reichtums oder vielleicht eher als Folge der Ver- fassung eines Landes, das in so viele verschiedene Höfe aufgesplittert ist, dass eine Hauptstadt, die den Ton angeben könnte, fehlt ‘.46 Auch viele andere Autoren erklärten die mangelnde Normierung der Sprache mit dem Fehlen eines politischen Zentrums in Deutschland. Sablier ‚störte‘ sich daran, wie er selbst sagt, dass die Deutschen ‚das Vorwort von ihren zusammengesetzten Verben abtrennen und an das Ende des Satzes stellen ‘ (Sablier 1777: 56). Wie die meisten seiner Zeitgenossen war Cartaud de la Vilate abgestoßen von der rauhen deutschen Aussprache: ‚Die Menschen im Norden verstehen es nicht, die Stimmorgane zu nutzen. Abgese - hen von diesen rauhen Konsonantenverbindungen, die ihre Sprache mit erzwungener Behauchung beladen, nehmen sie die unschönen Klänge ihrer Kehle für die Melo- dien, die sie ohne Worte singen, für die einfachsten Silben, selbst für die Buch- staben, die sie einzeln aussprechen; und obendrein machen sie noch allerlei Grimas- sen. Die Engländer machen den Mund nicht auf; die Deutschen öffnen ihn, als wollten sie einen Berg verschlucken ‘ (de la Vilate 1751: 277, 283f.).

2.1.2 Ironische Nachahmung der deutschen Aussprache Cartaud de la Vilates Bemerkungen über die ‚Engländer‘ und die Deutschen sind nicht eben freundlich; immerhin hatte er den Anstand zuzugeben, dass ‚die Rauhheit der Sprachen des Nordens nur von fremden Ohren wahrgenommen wird ‘. Für französische Ohren waren sie zugleich abstoßend und lächerlich, weshalb die Verfasser von Komödien und Vaudevilles auch in dieser Zeit zu dem billigen Mittel der Nachahmung deutscher Laute griffen, um ihr Publikum zum Lachen zu bringen. Vermeintliche Schweizer, Deutsche oder Elsässer, die das Französische ganz fürchterlich verunstalteten, wurden zu diesem Zweck als Figuren eingeführt. De Boissy (1753) erheiterte sein Publikum in der Komödie La Frivolité mit einem ‚ divertissement allemand nach einem Text des Herrn Favard ‘, in dem ‚deutsche Männer und Frauen in verschiedenen Haltungen auftreten, die Männer mit Bierseideln, die Frauen mit ‚Wuiderkome‘47 in der Hand. Die erste Strophe lautet: Ah! que c’est un blesseir télectaple / Quand on unit Bachis et l’Amour. Ah ! qu’il est toux te poufoir a taple / Trinqueir et zoupirer tour à tour. L’Amour vainqueir, De ma catin / Coule en zon keir / Afec le fin. In der 1760 aufgeführten komischen Oper Les Nouveaux Calotins werden Aussprache und Überheblichkeit von Deutschen gleichermaβen gegeißelt: „Moi, j’y affre fait tout exprès le

46 Hérissant (1781: 27ff., 52f.). Die Schrift erschien zuerst 1774 als Anhang zu einer französischen Aus- gabe von Gessners ausgewählten Werken: Salomon Gessner, Oeuvres choisies , Zürich, Paris 1774, mit einer Notice raisonnée de la vie et des ouvrages de M. Gessner von Hérissant. Ob diese Ausgabe die von Lévy zitierten Observations historiques enthält, wäre noch zu klären. (B.K.) 47 Die Bedeutung des Wortes erläutert de Boissy in einer Anmerkung: ‚eine Art Glas, aus dem die Deut - schen trinken ‘. Vgl. hierzu auch Kap. IV, 2.4 ( vidrecome ). 134 Kapitel V: 1750-1789 voyage d’Allemagne et l’y être venu à Paris pour y apprendre à la Français comment l’y doive parler son langue“. 48 Auch Beaumarchais greift in seinem Theaterstück L’autre Tartuffe zu diesem bewährten Mittel. ‚Wilhelm, ein Deutscher, der Diener des Herrn Bégearss, viel zu einfältig für einen solchen Herrn ‘, sagt darin unter anderem: Meissieir Bégearss, ché vois qu’il est pas pour ici! [...] Meingoth, ch’attendrai pas, Meissieir, en gombagnie té vous [=Figaro]. Mon maître, il voudrait point, je chure 49 [...] O tiaple! il voutra pientôt me jasser [...] Ein fort choli maison, partie ! tes chens trés [...] beaucoup gratieux, si chosse dire [...] Chaurais pas du [parler], Tertaïfle! (Beaumarchais 1793: 28ff.) Wie man sieht, begnügte Beaumarchais sich nicht mit der Nachahmung der deutschen Aussprache, sondern verwendete auch deutsche Wörter wie Tertaïfle , die natürlich kein Deutscher je so aussprechen würde. Ähnlich hatte ein Schweizer in dem Stück von Ro- magnesi (1726) von lustik Lansmann und tastitonder [‚dass dich der Donner‘] gespro- chen. 50 Nicht auszuschließen ist, dass diese Beispiele nur auf mangelnden Deutsch- kenntnissen der Autoren beruhen. Das gilt vermutlich auch für die langen Passagen in fragwürdigem Deutsch in Sedaines Félix, ou l’Enfant trouvé , darunter den nachstehenden Dialog zwischen einem ‚königlichen Minister an ausländischen Höfen ‘ namens de Gour- ville und seiner ehemaligen Amme, die ‚als deutsche Bäuerin gekleidet ist‘: Amme: Je crois oui [que je vous connaîtrais]. Abre her, mais Monsieur, n’est -ce pas vous ? [...] Vous aviez un habit [...] Blao ein Grosses chorcels psuaé bedinté. / Gourville: Ia ein Blaoes Clae psuaé bedinté. / Amme: Aein houd mitt colt bordiret ound, ound, ound, Knop flecher ibrol to, ibrol to, îa her, dar sind sie, dar sind sie, ich bins Guéviss. / Gourville: Ound disers ist der ïongué mennch ter nem lié denn isch aïch ivre guem habé dernem lié? / Amme: dernem lié, ïa her, ïa, ïa, dernem lié der- nem lié. 51 Sollte unter den Zuschauern jemand gewesen sein, der Deutsch konnte, so erzielte Sedaine damit gewiss einen Lacherfolg, wenn auch einen anderen als den erhofften.

2.1.3 Wohlwollendere Urteile Von den Franzosen, die die deutsche Sprache insgesamt negativ beurteilten, gestanden einige ihr auch gute Eigenschaften zu. Cartaud de la Vilate verstand sehr wohl, dass für Muttersprachler keineswegs störend sein musste, was für Ausländer befremdlich war. Ähn- lich argumentiert der Verfasser des Maître de la langue allemande (anon. 1753: III) in seinem Vorwort: N ur Unwissende sprechen der deutschen Sprache ‚eine Grobheit und

48 Zit. n. Mathorez (1921: 138). 49 Beaumarchais verfährt bei der Transkription dieser beiden Wörter nicht eben konsequent. 50 Vgl. hierzu Damm (1911: 178). 51 Sedaine (1777: 79), III. Akt, 12. – ‚Blau, ein großes schwarzes Pferd, zwei Bediente. – Ja, ein blaues Kleid, zwei Bediente. – Ein Hut mit Gold bordiert, und, und, und Knopflöcher überall da, [...] ja Herr, das sind Sie [...], ich bins gewiss. – Und dies ist der junge Mensch, der nämliche, den ich euch über- geben habe, der nämliche.‘ Die Franzosen und das Deutsche 135

Härte ‘ zu, ‚die sie gewiss nur im Munde derjenigen hat, die es versäumt haben, sie richtig zu lernen ‘.52 In dem ‚Gespräch zwischen einem Deutschen und einem Franzosen, der die deutsche Sprache lernen will ‘, das Quandt in seine Grammatik (1753: 133ff.) eingerückt hat, werden Vorzüge und Nachteile des Deutschen genau erwogen. So fragt B (der Deutsche): Was halten Sie von dieser Sprache? Und A (der Franzose) antwortet: Ich finde sie sehr schwie- rig, und ich mache kaum Fortschritte darin. B: Diese Schwierigkeit ist nur ein Vorurteil. Denn könnten Sie mir sagen, worin sie besteht? – A: Die Aussprache erscheint mir sehr hart und schwierig. Darauf antwortet B, ein Deutscher habe ebenso Schwierigkeiten mit der französischen Aussprache. Die Diskussion wird dann noch über mehrere Seiten fort- gesetzt. 53 Andere Autoren waren bestrebt, die gegen das Deutsche vorgebrachten Argumente zu entkräften. So meinte Grimm 1781 in einem Schreiben an Friedrich den Großen, die Weit- schweifigkeit, die noch vor fünfzig Jahren in der deutschen Sprache geherrscht habe, sei nun daraus verschwunden ( Correspondance littéraire 1877ff., XVI: 465). Und Sablier (1777: 57) schrieb, die Rede von der vermeintlichen Armut des Deutschen sei frei erfunden, mehr noch: ‚diese Sprache ist reicher als unsere, wir verfügen nur über die im Sprachgebrauch zulässigen zusammengesetzten Verben, während die Deutschen sie nach Bedarf bilden können ‘. Im Maître de la langue allemande (anon. 1754: IX) heißt es, besonders im Bereich der Wissenschaften und Künste sei ‚die deutsche Sprache erheblich reicher als etwa die lateinische, französische und englische, und sie lasse sich in gewisser Hinsicht mit dem Griechischen vergleichen, da sie alle Fachausdrücke mit ihren eigenen Wörtern bilde ‘. Die deutsche Sprache hat bereits im 15. Jh. ‚den ganzen Reichtum, die Genauigkeit und den Schwung erworben, die sie heute auszeichnen [...] Es ist nicht zu leugnen, dass diese Sprache seit jeher sehr reich, überreich an Wörtern ist ‘. Sie wurde ‚gepflegt, verziert und bereichert inmitten der unglaublichen Verfolgung, der sie ausgesetzt war ‘, und allen Hindernissen zum Trotz, die ihr die deutsche Geschichte entgegensetzte, zeigt sie heute ‚die ganze Kraft, die ganze Reife und die ganze Eleganz, die die französische Sprache unter Ludwig XIV. erworben hatte ‘. (Hérissant 1781: 207, 213) Aus der ‚Kraft‘ und dem Schwung des Deutschen, seiner Freiheit, Wörter nach Bedarf zu bilden und zusammenzusetzen, resultiert nach Meinung zahlreicher Franzosen eine beson- dere politische Disposition. In der Encyclopédie (Eintrag Langue ) untersucht Beauzée diese Frage aus philosophischer Sicht, geht ansonsten jedoch kaum auf die deutsche Sprache ein: ‚Die Verbindung mehrerer Wörter zu einem Wort oder d er häufige Gebrauch zusammengesetzter Adjektive zeugt in einem Volk von großer Tiefe, lebhafter

52 Der Abbé Batteux führt zur angeblichen Dunkelheit des Deutschen in seiner Schrift De la construction oratoire (1763) aus: ‚Unsere Sprache erscheint uns als die klarste aller Sprachen; das ist nicht über - raschend; es ist die Sprache, die wir am besten können‘ (zit. in Rivarol 1784/1929: 24). 53 Juncker preist in seiner Grammatik eingehend die Vorzüge der deutschen Sprache, deren Reize, Vollkommenheit und Nutzen (Juncker 1762: 306-340); ausführlicher hierzu siehe unten, 2.2.2.3. 136 Kapitel V: 1750-1789

Auffassungsgabe, Ungeduld und machtvollen Ideen: So sind die Griechen, die Engländer, die Deutschen ‘ (Encyclopédie 1765: IX, 262). De Bonneville spricht von dem ‚kraftvollen Mut der Sprachen des Nordens, deren mi ßtö- nender Klang die Stürme der großen Leidenschaften ankündigt ‘.54 Nach Hérissant (1781: 66f.) ‚besitzt diese Sprache unbestreitbar eine Menge Metaphern und Redensarten, denen sie ihren Schwung verdankt. Zudem hat sie die Freiheit, zusammengesetzte Wörter zu bilden, sie hat zahlreiche Verkleinerungsformen, die sie ohne allzu große Ge- ziertheit verwenden kann, und sie hat eine sehr ausgeprägte Prosodie, die es den Deutschen eher als anderen Ländern ermöglicht, auf den Reim zu verzichten. Ihre Sprache ist für sämtliche Versmaße des Altertums geeignet und beugt sich diesen: Sie hat Trochäen, Jamben, Daktylen, so dass sie die alten Dichter im selben Versmaß übersetzen können ‘. Ähnlich heißt es im Esprit des Journaux vom 6. August 1773, ‚ früher habe man in Frankreich geglaubt, die deutsche Sprache eigne sich nicht für die Dichtkunst, sei nun aber von diesem Vorurteil abgekommen ‘ (zit. n. Tronchon 1920: 76). Auch Turgot, der erst spät zum Deutschen fand, war voll des Lobes (Turgot 1810f.: IX, 211, 242): ‚Die deutsche Sprache ist sehr reich; und angesichts der ungeheuren Vielfalt der Wörter, über die sie verfügt, und der teilweise freien Wortstellung müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn der Dichter, indem er das Nomen, den Artikel, das Pronomen, das Adjektiv, das Adverb, das Hauptverb, sein Hilfsverb und die dazu- gehörige Präposition aneinander fügt, nicht in der Lage wäre, den Trochäus, Jambus oder Daktylus zu finden, den er braucht. [...] Die deutsche Sprache hat gegenüber der französischen den Vorzug, den prosodischen Rhythmus, insbesondere den des Jambus und des Trochäus, dank der langen und kurzen Silben, die etwa in gleicher Zahl sind oder sich durch ihre Stellung ausgleichen, besser nutzen zu können. ‘ Es bedurfte nur noch eines weiteren Schrittes, um das Deutsche als Vorbild anzusehen, dem man in mancher Hinsicht nacheifern sollte, oder gar als einen möglichen Konkurrenten des Französischen. Eben diesen Schritt unternahm Charles Pougens 55 mit seinem Vocabulaire de nouveaux privatifs français (1794), in dem er für die Bildung französischer Wörter nach deutschem Muster eintrat (z. B. invigilant zu unwachsam ). Roland de la Platière sah voraus, dass Deutsch und Englisch eines Tages der französischen Sprache ihre Vorrangstellung streitig machen könnten. 56 Ganz offensichtlich hatte der Aufschwung der deutschen Lite-

54 Er übersetzte deutsche Theaterstücke ins Französische (Friedel & Bonneville 1782-1785); zit. n. Eggli (1927: I, 71). 55 Marie-Charles-Joseph de Pougens (1755-1833) übersetzte auch Forsters Reiseberichte ins Französische (B.K.). 56 Rolland de la Plattière, Aperçu des causes qui peuvent rendre une langue universelle, et observations sur celle des langues vivantes qui tend le plus à le devenir . Ms. de l’Académie de Lyon, n° 151 du cata - logue Molinier, fol. 175 [1789], zit. in Baldensperger (1907: 42). – Tatsächlich schreibt Baldensperger: „Pour le futur ministre Roland, c’est à l’anglais des Etats -Unis qu’est prédite l’hégémonie“; und er- gänzend in Anm. 1 : „Il va sans dire que l’anglais d’Angleterre, et même l’allemand, sont déjà consi - dérés comme des concurrents possibles du français ; cf. l’ Esprit des journaux , fév. 1785 “ (B.K.). Die Franzosen und das Deutsche 137 ratur in Frankreich zur Folge, dass man das dichterische und ‚universelle‘ Potential der deutschen Sprache nun anders einschätzte. Toussaint, der lange Jahre am Berliner Hof lebte, hat die Vorzüge und guten Eigen- schaften des Deutschen, die die Franzosen gegen Ende des Ancien Régime allmählich ent- deckten, wohl am besten zusammengefasst: ‚Die deutsche Sprache, die systematischste von allen, die am wenigsten mit fremdartigen Wörtern vermischte, ist von all jenen Sprachen, die ich ein wenig kenne, auch die am besten erhaltene, diejenige, die weniger unter Veränderung und Entstellung zu leiden hatte. Sie kündet von kräftigen und verständigen Männern, de- nen die Wechselhaftigkeit der Moden und der Einfluss des Umgangs mit Fremden nichts anhaben konnte. Man erahnt noch das Deutsche, das vor sieben oder acht Jahrhunderten gesprochen wurde; es wurde seitdem eher bereichert denn entstellt. Doch sein Reichtum kommt nicht von außen: Den gewaltigen Ausbau verdankt es seinen fruchtbaren Wurzeln, in unterschiedlicher Zusammensetzung oder Verbin- dung. Anders als alle anderen europäischen Sprachen hat es nicht einmal aus dem Griechischen und Lateinischen geschöpft, um Fachausdrücke zu prägen: Sie wurden aus eigener Kraft geschaffen. – Und damit kein Zweifel daran besteht, dass es zwi- schen der Sprache jedes Landes und dem Charakter seiner Bewohner stets eine Analogie gibt, so hat jede Provinz, jedes Herrschaftsgebiet in Deutschland einen eigenen Dialekt; und dieser Dialekt charakterisiert den Genius des Ortes, wo er ge- sprochen wird. In der Schweiz und im Elsass ist er rauh und nachlässig, in Schwa- ben plump, in Sachsen ein wenig geziert, und in Brandenburg sanft, natürlich und angenehm. ‘ (Toussaint 1765: 500f.).

2.1.4 Wo wird das beste Deutsch gesprochen? Toussaint berührt hier eine Frage, die seine Landsleute, die sich für das Deutsche interes- sierten, damals sehr beschäftigte: In welchem Teil Deutschlands wird das reinste Deutsch gesprochen? Gewiss waren damals nur sehr wenige Franzosen in der Lage, sich selbst ein begründetes Urteil zu bilden. In der Regel wiederholten sie nur, was sie darüber von Deut- schen gehört hatten, die besser Bescheid wussten; manche waren auch der Meinung, die Frage lasse sich nicht eindeutig beantworten. Auch Friedrich II. war ‚sich ungewiss, welche dieser Mundarten die eigentliche ist ‘; er ging so weit zu ‚versichern, dass dies nie entschie - den werden wird ‘ (Friedrich II. 1879: 198). Ähnlich meinte Hérissant (1781: 53), ‚die deutsche Sprache sei noch nicht geregelt und werde es für lange Zeit auch nicht sein ‘, vor allem, weil es keine ‚Hauptstadt gebe, die den Ton angeben könne‘. Am stärksten verbreitet war die Überzeugung, das beste Deutsch werde in Sachsen, insbesondere in Leipzig, gesprochen. Diese Meinung beruht darauf, dass Gottscheds Sprachkunst die Grundlage sämtlicher Grammatiken des Deutschen war, die nach 1750 den französischen Markt beherrschten. Während Quandt sich darauf beschränkte, lediglich zu bemerken, ‚Mei ßen, eine sächsische Provinz in Deutschland, [habe] die beste Art Deutsch zu sprechen festgelegt ‘ (Quandt 1753: Vorwort, I), befasste der unbekannte Verfasser des Maître de la langue allemande sich gründlicher mit dieser Frage (anon. 1754: X, 333): ‚Die Franzosen beschuldigen die Deutschen, aus der Kehle zu sprechen, was für die Grenzgebiete zu Frankreich zutreffen mag, nicht aber für die guten Provinzen 138 Kapitel V: 1750-1789

Deutschlands, schon gar nicht Obersachsen [...] Man muss sich nach der Mundart des Dresdner Hofs richten und die Regeln und kritischen Ausführungen zum Bau der deutschen Sprache berücksichtigen, die die Deutsche Gesellschaft in Leipzig uns seit einigen Jahren gibt. ‘ Der Maître de la langue allemande war mit rund zehn Auflagen weit verbreitet; insofern ist es nicht weiter erstaunlich, dass diese Auffassung lange Jahre in Frankreich dominierte. Ähnlich war 1755 im Journal étranger zu lesen: 57 ‚Es nimmt also nicht Wun der, dass Leipzig seit langem von den Deutschen wie auch von den Ausländern als der Sitz der besten deutschen Sprechweise angesehen wird. 58 Die gelehrtesten Kritiker der deutschen Sprache haben dort studiert oder ge- lebt. Leibniz wurde in Leipzig geboren. [Johannes] Schilter, nicht weit von dort ge- boren, studierte dort. Die Herren [Johann Georg] Wachter und Gottsched leben noch dort. ‘ Eher schon verwundert das Lob, das Marie- Antoinette als gebürtige Wienerin der Baronin d’Oberkirch erteilte: ‚Sie sprechen wie eine Sächsin, ohne elsässischen Akzent, was mich wundert ‘ (d’Oberkirch 1853: I, 266).

2.1.5 Praktischer Nutzen des Deutschen In Frankreich erkannte man nun den praktischen Nutzen des Deutschen, nicht nur für Sol- daten, auch für Gelehrte, Dichter und Leute von Welt. Bereits um die Mitte des Jahrhun- derts verkündete Diderot, zu einer umfassenden Bildung gehörten Französisch, Italienisch, Englisch und Deutsch. Diese Argumente wurden von den Verfassern der beiden franzö- sischen Ausgaben von Gottscheds Grammatik 59 aufgegriffen. So heißt es im Maître de la langue allemande , das Deutsche werde für die Franzosen ‚täglich notwendiger, sei es in Absicht der vielen schönen Werke der Gelehrsamkeit, der Wissenschaft und der Künste, die in dieser Sprache erscheinen, sei es in Absicht der vielfältigen Verbindungen zwischen Frankreich und Deutschland ‘ (anon. 1754: IIIf.). Für Quandt (1753: IV) ist ‚die deutsche Sprache die natürliche Spr ache der meisten Herrscher Europas, und wer verhandeln will, kann ohne sie nicht auskommen. Dass auch Soldaten diese Sprache beherrschen müssen, ist hinlänglich bekannt. Durch die guten Werke, die

57 In einer Besprechung mehrerer Leipziger Neuerscheinungen; Journal étranger (April 1755, 158f.). 58 Hier liegt – wie bei vielen anderen französischen Kritikern – eine Verwechslung von ‚Sprechweise ‘ und ‚Stil‘ vor. Dass man dem Sächsischen in stilistischer Hinsicht den Vorzug gab, mochte noch angehen; für die Sprechweise konnte dies allerdings nicht gelten. Schon Mauvillon hatte das schärfer gesehen: ‚Es ist unbestreitbar, dass tiefe Sprachen wie das Deutsche langsam und deutlich ausgesprochen werden müssen: die Sachsen sprechen es aber so rasch aus, dass es fast wie Gestotter klingt, und sie werden von den anderen Deutschen nicht verstanden. Sie tun das nur, um ihrer Sprache eine Sanftheit zu geben, die sie nicht hat und die sie entstellt ‘ (Mauvillon 1740: 344). 59 Die beiden hier von Lévy genannten französischen Ausgaben von Gottscheds Sprachkunst sind nicht die einzigen; vgl. Kaltz (2000: 10f.). Die Franzosen und das Deutsche 139

seit Anfang unseres Jahrhunderts in deutscher Sprache erschienen sind, ist sie ebenso würdig, von den gebildeten Franzosen gelernt zu werden, wie die englische Sprache. ‘ Als in der Zeitschrift L’Année littéraire (1759: VII, 353) die dritte Auflage des Maître de la langue allemande angezeigt wurde, hieß es ähnlich: ‚die Kenntnis der deutschen Sprache [ist] für unsere Offiziere unumgänglich, und die Bücher, die das Erlernen des Deutschen erleichtern, sind wertvoll; für den Nach- druck einer Grammatik des Deutschen konnte man kaum günstigere Umstände wählen als die gegenwärtigen [den Siebenjährigen Krieg] ‘. Und einige Jahre später: ‚die Kenntnis der deutschen Sprache ist vor allem für Soldaten erforderlich ‘ (L’Année littéraire 1765: VIII, 140). Dagegen unterstreicht Beauzée bei seiner Untersuchung ‚der Vor züge der verschiedenen Sprachen ‘ die Bedeutung des Deutschen als Sprache der Wissenschaft: ‚Zahlreiche gute Werke im öffentlichen Recht, in der Medizin und allen dazugehörigen Wissenschaften, der Naturgeschichte und vornehmlich der Hüttenkunde ‘ seien in deutscher Sprache erschienen ( Encyclopédie IX: 263).

2.2 Mittel zum Spracherwerb

2.2.1 Reisen nach Deutschland Weshalb die Franzosen nach Deutschland reisten, ist natürlich im Einzelnen nicht immer zu klären; wir können aber davon ausgehen, dass der Anlass der Reise in vielen Fällen allein der Spracherwerb war. Wille erwähnt zwei solcher Fälle aus seinem Bekanntenkreis. Um 1769 besuchte ihn ‚Herr Martel, ein junger Franzose aus Cognac, der einige Zeit in Frank - furt gewesen ist, um Deutsch zu lernen, und es recht ordentlich spricht ‘ (Wille 1857: I, 378). Etwa zwei Jahre später notierte er: ‚Herr Vadier, der Erzieher des jungen Thellusson, Sohn des gleichnamigen Ban - kiers, ist zu mir gekommen und brachte mir aus Leipzig und Dresden Briefe und Bücher von meinen Freunden. Sie haben zwei Jahre in der ersteren Stadt verbracht, um die deutsche Sprache zu lernen, und es ist ihnen sehr gut gelungen ‘ (Wille 1857: I, 476). Auch der damals vierzehnjährige Benjamin Constant reiste wohl nur zum Spracherwerb nach Bayreuth und Erlangen, wo er von Februar 1782 bis Mai 1783 an der Universität eingeschrieben war (Rudler 1908: 117, 162); später kehrte er noch mehrmals nach Deutschland zurück. Andere Studenten begnügten sich mit einem Aufenthalt in Straßburg, das damals noch im Wesentlichen deutschsprachig war; rund 1.200 frankophone Studenten waren einer Schätzung zufolge im Zeitraum 1756-1790 an der dortigen Universität einge- schrieben (Lévy 1929: I, 337f.). François Cacault (1742-1805), der aus Nantes stammte, lehrte an der Ecole militaire; er war Wille zufolge ein ‚gebildeter‘ Mann und auch als Diplomat tätig, vor allem aber als Übersetzer aus dem Deutschen. 60 Seine Deutschlandreise

60 Cacault übersetzte Lessings Hamburgische Dramaturgie und Oden von K.W. Ramler. 140 Kapitel V: 1750-1789

1774 unternahm er vermutlich nicht, um die Sprache zu erlernen, sondern um bereits beste- hende Kenntnisse zu vervollkommnen.61 Tausende französische Soldaten hielten sich in der Zeit vor dem Siebenjährigen Krieg, während des Krieges und vor allem danach in Deutschland auf. Allein in der preußischen Armee dienten 1774 25.000 Franzosen, 600 davon im 7. Infanterieregiment (Thiébault 1804). Diesem Regiment gehörte Augereau, der später Marschall wurde, von 1777 bis 1780 an; danach diente er in Österreich. 62 Von den Offizieren erwähnt Thiébault (1804) neben vielen anderen den Vicomte Louis de Noailles, Baron Rodes und Hauptmann Masson. ‚Ritter‘ vom Schlag eines Riccaut de la Marlinière, wie Lessing sie in Minna von Barnhelm so wenig vorteilhaft, doch treffend gezeichnet hat, gab es vermutlich viele; immerhin konnten sie sich offenbar auf Deutsch verständigen. Manche Offiziere nutzten den Aufenthalt in Deutschland auch gezielt, um Deutsch zu lernen; einige hörten Vorlesungen an der Göttinger Universität, als sie während des Siebenjährigen Krieges im Königreich Hannover im Quartier lagen (de Pange 1929: 12). In deutschen Städten, vor allem in Berlin, lebten zahlreiche Franzosen aller Stände. Thiébault erwähnt in seinen Erinnerungen (5 Bände; 1804) so viele französische Namen, dass man meinen könnte, es sei von Paris oder Versailles die Rede, nicht von Berlin und Potsdam. Neben berühmten Namen wie Voltaire, Maupertuis, d’Argens und La Mettrie nennt Thiébault (1804: III, 132) Diplomaten (Marquis de Bouillé, de Guines, Marquis de Pons Saint-Maurice u. a.), Reisende (Duc de la Rochefoucauld, Duc de Lauzun, de la Ri- vi ère, einen Anwalt namens Bir, ‚der gekommen war, um den König von Preu ßen zu se- hen ‘) und ‚zahlreiche junge Adlige, die nach Abschluss ihrer Erziehung offenbar hierher kommen, um ihren ersten Auftritt in der Gesellschaft zu erleben ‘. Andere Quellen belegen den – zuweilen sehr ausgedehnten – Deutschlandaufenthalt weiterer Diplomaten: Louis Gabriel de Buat-Nancay lebte als Minister Frankreichs in Regensburg und Dresden und heiratete eine Deutsche; Bezon, ein ehemaliger Sekretär an der Botschaft in Koblenz, ver- brachte elf Jahre in Deutschland (Wille 1857: I, 458). Auch Gelehrte sind zu nennen, etwa der Archäologe Pierre-Jean Mariette 63 und der Gräzist Anse de Villoison, der von Mai 1782 bis März 1783 in Weimar wohnte (Heiss 1907: 17; Joret 1899: 5). Der 1728 geborene J. P. Fresnais war Schüler am Collège von Vendôme; vermutlich verbrachte er 1748-1758 meh- rere Jahre in Deutschland (Bonhoure 1912: 191f;); er übersetzte Werke von Wieland. J. A. H. de Guibert, reiste als junger Mann nach Deutschland und verfasste einen ausführlichen Bericht über seinen Aufenthalt (Guibert 1803). In den größeren Städten wimmelte es von französischen Künstlern – Malern, Kupfer- stechern, Architekten, Musikern, Schauspielern – und Lehrern für Tanz, Fechtkunst und feine Manieren. 64 Einige Künstler gingen nur zur Weiterbildung nach Deutschland; so verbrachte der Pariser Kupferstecher Nicolas Colibert, ein Schüler Willes, ein Jahr in Berlin (Wille 1857: II, 259f.). Viele waren jedoch langfristig in Deutschland tätig und lebten jahrelang dort – man denke nur an die Zahl der deutschen Schlösser, die im 18. Jh. von

61 Wille (1857: II, 13); Brunot (1933: VIII.1, 669, Anm. 8); Reynaud (1922: 32). 62 Weitere Beispiele bei Chuquet (1904: 52). 63 Gemeint ist vermutlich der Kunsthistoriker und –sammler Pierre-Jean Mariette (1694-1774). (B.K.). 64 Dussieux (1876: 122, 154, 162, 168, 186, 210, 240) nennt zahlreiche Namen, die wir hier nicht im Einzelnen anführen; siehe auch Réau (1948: 399ff.), Fransen (1925) und Olivier (1901-1905). Die Franzosen und das Deutsche 141

Franzosen erbaut oder umgebaut wurden. Nun waren die deutschen Höfe jener Zeit, vor allem der Hof Friedrichs des Großen, nicht eben Orte, an denen die deutsche Sprache gepflegt wurde. 65 Aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass all diese gelehrten und be- rühmten Männer nach Frankreich zurückkehrten, ohne die Sprache ein wenig gelernt zu haben, die sie zum Teil viele Jahre lang gehört und vermutlich wohl oder übel auch verwendet hatten. Selbst Voltaire konnte sich dem nicht ganz entziehen. Man hielt sich ja nicht nur in Salons, Akademien und am Hof auf; nicht einmal der eifrigste Höfling ver- brachte den größten Teil seiner Zeit bei Hof. Ein so gebildeter Adliger wie Graf de Tho- rane, der als königlicher Leutnant lange bei Goethe in Frankfurt wohnte, muss mit ordent- lichen Deutschkenntnissen heimgekehrt sein.

2.2.2 Deutschunterricht Erstmals in der Geschichte des Deutschen in Frankreich gab es gegen Ende des Ancien Régime ernstzunehmende Bestrebungen, dem Sprachunterricht eine methodische Grund- lage zu geben; erstmals wurde den lebenden Fremdsprachen ein Platz im öffentlichen Schulwesen eingeräumt. Es wurde auch verstärkt für Deutschunterricht plädiert, wobei allerdings auch persönliche Interessen im Spiel waren. So rückte Juncker ‚eine Art Disser - tation zugunsten der deutschen Sprache ‘ in seine Grammatik ein, in der Absicht, ‚die Wahrheit ans Licht zu bringen und den jungen Leuten, die Deutsch lernen sollen, Liebe zu dieser Sprache einzuflößen ‘ (Juncker 1762: V). 1765 erschien in der Année littéraire (1765: VIII, 353) unter dem Titel „Académie des Langues vivantes“ ein Aufruf, der zugleich als Werbung für die Schule dienen sollte: ‚Wenn Wissenschaften, Künste und Handel in einem Staat blühen, ist eines der bes- ten Mittel, diese weiter zu fördern, der Nation, und besonders den jungen Leuten, denen es obliegt, sie zu erneuern und zu bewahren, die Liebe zu den Sprachen der Nachbarvölker einzuflößen; die Sprache ist die notwendige Verbindung zwischen den Bedürfnissen und dem Austausch von Gedanken, die die Nationen einander nä- her bringen, und es liegt in ihrem Interesse, sich miteinander zu verständigen. Zu wünschen wäre daher, dass der Unterricht in den lebenden Fremdsprachen an den öffentlichen Schulen in ganz Europa eingeführt wird. Die Jugend würde auf diese Weise besser vorbereitet auf Tätigkeiten, bei denen sie später mit Ausländern zu tun haben könnten ‘. Nicht alle Lehrenden waren damals dem Fremdsprachenunterricht grundsätzlich gewogen. In einer Schrift, die 1762 auf Veranlassung des Pariser Parlaments verfasst wurde, verwei- gerten die Professoren für Rhetorik der Faculté des Arts den lebenden Fremdsprachen an

65 Einige Franzosen mussten Friedrich II. offenbar versprechen, kein Deutsch zu lernen. So fragte er Thié- bault, der auf den Lehrstuhl für Allgemeine Grammatik an der Berliner Militärakademie berufen wor- den war, bei dessen Antrittsbesuch: ‚Nun, mein Herr, Sie können kein Deutsch?‘ Thiébault antwortete: ‚Nein, Hoheit, aber ich werde es bald gelernt haben, gemäß dem Plan, den ich hierzu entworfen habe. ‘ – ‚Im Gegenteil, mein Herr, ich bestehe darauf, dass Sie es nie lernen. Es ist ein Glück, dass Sie es nicht können. Wenn Sie sich in die Lage versetzten, es zu sprechen, so nähmen Sie alsbald die Gewohnheit an, die selben Germanismen zu verwenden wie wir [...] Und so [...] bitte ich Sie um Ihr Ehrenwort, dass Sie unsere Sprache nie lernen werden. ‘ (zit. n. Brunot 1933: VIII.1, 568). – Brunots Quelle ist der Essai sur l’influen ce française von Lefebvre Saint-Ogan (Paris 1884: L. Cerf, 208-209). (B.K.). 142 Kapitel V: 1750-1789 der Universität ‚die Stellung, die derjenigen entspricht, di e man ihnen in der schulischen Erziehung hatte zusichern wollen ‘ (zit. n. Liard 1888: 86). Voltaire hatte sich wie Faiguet 66 für das Erlernen moderner Sprachen ausgesprochen, das Deutsche dabei aber bewusst über- gangen. Dennoch waren die Befürworter des Fremdsprachenunterrichts in der Überzahl. So trat d’Alembert im Eintrag Collèges der Encyclopédie grundsätzlich für den Unterricht der lebenden Fremdsprachen ein. In Lyon nutzten die Gerichtsbeamten des Seneschalls die Schulreform nach der Vertreibung der Jesuiten (1763), um Lehrer ‚für die lebenden Fremd - sprachen, deren Kenntnis für die Künste und den Handel von Nutzen ist ‘, zu fordern (Liard 1888: 85, 316); Chabot & Charléty 1901: 26). Philipon de la Madelaine plädierte für den Unterricht in Fremdsprachen – je nach der geographischen Lage Deutsch, Englisch oder Italienisch – und erläuterte ergänzend, für alle, die mit den Ländern im Norden und Osten handelten, und ‚für unsere Soldaten [sei] es unumgänglich, Deutsch zu können ‘ (1784: 86f., 130ff.). Mirabeau erklärte unter Berufung auf sämtliche Argumente zugunsten des Fremdsprachenerwerbs im Kindesalter: ‚Ich unterstütze diese Idee [das Erlernen von Fremdsprachen], denn die Franzosen müssen dies, so will mir scheinen, um so mehr anstreben, als sie lange glaubten, es nicht nötig zu haben; zudem sind sie von Natur aus dafür weniger begabt ‘ (Mirabeau 1787: 8ff.). Im Zuge der Schulreform, die infolge der Vertreibung der Jesuiten unumgänglich geworden war, wurden sämtliche Parlamente des Landes vom Pariser Parlament aufgerufen, Vor- schläge einzureichen. Viele sprachen sich für den Unterricht in den lebenden Sprachen aus; so erklärte Guyton de Morbeau im Namen des burgundischen Parlaments: ‚Der Nutzen, den wir aus diesen Sprachen ziehen könnten, besonders dem It alieni- schen, Englischen und Deutschen, ist nicht auf die Erleichterung der Verhandlungen, die Bequemlichkeit des Handels und die Annehmlichkeit der Reisen beschränkt; diese Sprachen bieten auch Liebhabern der schönen Künste, Literaten und Gelehrten eine überaus reiche Ernte ‘ (Clavel 1859: 290). In seinem Abschlussbericht kam der Vorsitzende Rolland d’Erceville zu dem Schluss, für den Unterricht in den verschiedenen Fächern müsse es in den Collèges ‚besondere Lehrer‘ geben; die Fremdsprachen sind in diesem Zusammenhang ausdrücklich erwähnt (Rolland d’Erceville 1769). Auch de Caradeuc de la Chalotais 67 tritt in seinem berühmten Essai d’éducation natio - nale für den Fremdsprachenunterricht ein. Vermutlich ebenfalls im Zuge dieser Schulre- form verfasst, ist das Werk ein Beispiel dafür, dass solche Forderungen vielfach nur halb- herzig erhoben wurden und Wirklichkeit und vermeintlicher Anspruch oft weit auseinander klafften. Die Fremdsprachenfrage wird auf wenigen Zeilen 68 abgehandelt: ‚Ich empfehle auch das Englische, das nun für die Wissenschaften benötigt wird, und das Deutsche für den Krieg; mehr werde ich über diese beiden Sprachen hier je-

66 Joachim Faiguet de Villeneuve, Eintrag Etude (Encyclopédie , Bd. VI); ausführlicher hierzu Caravolas (2000: 95f.). 67 Er war „Procureur Général du Roi au Parlement de Bretagne“ . 68 Das Werk hat insgesamt 153 Seiten. – Vgl. auch Caravolas (2000: 89f.). Die Franzosen und das Deutsche 143

doch nicht sagen. Man behandelt die lebenden Sprachen ein wenig wie seine Zeitge- nossen, mit einer Art Gleichgültigkeit und fast immer zu ihrem Nachteil: Der Zeit- punkt des Fremdsprachenlernens hängt von den Umständen und Vorlieben ab; ge- wöhnlich legt man ihn in die Jahre nach der Erziehung ‘ (de Caradeuc de la Chalotais 1760: 70f.). Genauso war es: Fremdsprachen, insbesondere das Deutsche, wurden damals ‚gewöhnlich‘ nach der Schulzeit erworben, und zwar im Einzel- oder Privatunterricht, der immerhin an Umfang und Bedeutung zunahm.

2.2.2.1 Einzel- und Privatunterricht In der Année littéraire (1765: VIII, 140) wird berichtet von einem ‚Herrn Rhombius, der seit fast zwanzig Jahren die deutsche Sprache unterrichtet ‘.69 Wie viele Schüler musste Rhombius wohl im Jahr unterrichten, um davon leben zu können, und wie viele mögen es in diesen zwanzig Jahren gewesen sein? Außer einigen Namen von Lehrern und Schülern ist wenig Genaues über den privaten Sprachunterricht bekannt; etwas mehr wissen wir über die Sprachkurse, die in Paris und in anderen Städten stattfanden, auch über Lehrkräfte, Methoden, Unterrichtszeiten und Kosten. In der selben Zeitschrift (1765: VII, 351-356) war, wie bereits erwähnt, der Wunsch geäußert worden, dass der Unterricht in den lebenden Fremdsprachen an den öffentlichen Schulen in ganz Europa eingeführt werden sollte. Nach einem Bericht über den Fremdsprachenunterricht an der Ecole Royale Militaire heißt es dort: ‚Indessen bilden die Schüler, die dort aufgenommen werden, nur eine kleine Min - derheit unter den Männern, die Frankreich eines Tages als Politiker oder Händler, als Soldaten oder Seeleute dienen werden. – Aus diesem Grund ist Herr Oreilly [O’Reilly?] zu der Überzeugung gelangt, dass die Öffentlichkeit die Einrichtung ei - ner Akademie begrüßen würde, an der man gegen ein geringes Entgelt Deutsch, Englisch, Italienisch und die Anfangsgründe der Literatur dieser drei Sprachen ler- nen könnte; er hat seine Pläne zwei Männern unterbreitet, die er für geeignet hält, sie zu unterstützen: Einer davon ist Herr Schwarz, der zuvor an der Ecole Royale Mili- taire und anschließend acht Jahre lang im Königlichen Infanterieregiment Deutsch unterrichtet hat [...] Alle Lehrer, vor allem diejenigen, die Deutsch und Englisch unterrichten, werden sich mehr oder weniger an dieser Methode orientieren [d. h. Nebensächliches im Unterricht vermeiden, den Stoff entsprechend der zur Verfü- gung stehenden Unterrichtszeit aufbereiten], um die Bildung der Sprache zu behan- deln und den Schülern einen leichten Zugang zum Verständnis der Wurzeln und Nebensilben, der Analogie in der Grammatik, der Quantität und Qualität der Wörter zu ermöglichen; zudem wird der einfache, gewöhnliche und der figürliche Satzbau erläutert: Nachdem auf diese Weise die jeder Sprache eigenen Wendungen, der besondere Charakter und Genius dieser drei Sprachen deutlich gemacht wurden, gilt es zu entdecken, was sie mit der französischen Sprache gemein haben [...] – Diese Lehrer beabsichtigen, jeweils im Anschluss an den Sprachkurs auch Literatur-

69 Nach Hémeret (1990: 78) führte Rhombius im Pariser Quartie r Latin eine „pension allemande“, in die 1753 der fünfjährige Joseph Thomas d’Espinchal aus der Auvergne aufgenommen wurde. 144 Kapitel V: 1750-1789

unterricht zu erteilen; dabei wird ein Teil der Stunde darauf verwandt, Deutsch, Englisch oder Italienisch zu sprechen [...] Die drei Sprachkurse sollen im Zentrum von Paris unmittelbar nach dem Dreikönigstag des Jahres 1766 beginnen. Herr Schwarz wird seinen Deutschkurs dienstags, donnerstags und samstags jeweils um halb neun abhalten [...]; jeder Kurs wird drei Monate lang dreimal pro Woche je- weils anderthalb Stunden lang stattfinden. Es wird kein Kurs angeboten, wenn es nicht mindestens neun Subskribenten gibt, von denen jeder bei der Anmeldung zwei Louis entrichtet; wer nach dem ersten Sprachkurs bei dem selben Lehrer einen wei- teren nehmen möchte, bezahlt nur einen Louis. Gemäß dieser Regelung kann man die deutsche, englische oder italienische Sprache sechs Monate lang für drei Louis oder ein Jahr lang für fünf Louis lernen. Für die Literaturkurse gelten die selben Preise und Bedingungen. ‘ Ob nun die Nachfrage so groß war, ob ein Lehrer sich rächen wollte, weil man ihn nicht berücksichtigt hatte, oder ob es noch andere Gründe gab, jedenfalls brachte die Zeitschrift bereits im nächsten Heft eine Werbung für einen weiteren Deutschkurs. Rhombius. bot darin ‚der Öffentlichkeit einen Kurs an, dessen Lektionen am 1. Januar 1766 beginnen. Die Stunden finden bis zum ersten Juni jeweils montags, mittwochs und freitags von sieben bis neun Uhr abends statt. Wer daran teilnehmen möchte, wird gebeten, sich bei ihm in der Rue des Mathurins anzumelden [...] Die Kosten belaufen sich auf achtzehn Livres. ‘ (Année littéraire 1765: VIII, 140). Über die Eröffnung einer „Ecole des Langues et Belles Lettres“ durch die „Société philologique“ im Dezember 1785 in Paris berichtet Thiéry (1787: I, 291): ‚In dieser Schule wird ganzjährig Italienisch, Englisch, Deutsch und Spanisch unter - richtet, jeweils dreimal pro Woche; die Schule ist täglich zweimal geöffnet, von zwölf bis zwei und abends von sieben bis neun. Sonntags finden Vorträge über ausländische Literatur statt, bei denen die Lehrer aus ausgewählten Stücken der berühmtesten Redner und Dichter jeder Nation lesen und dazu kritische und grammatikalische Erläuterungen vortragen. Die Schüler haben die Freiheit, sich bei dieser Gelegenheit in der Sprache ihrer Wahl im Gespräch zu üben. Die Subskription beläuft sich für das gesamte Jahr auf 72 Livres [...] Die Subskribenten sind zur Teilnahme an sämtlichen Lektionen und Übungen berechtigt. Für Anfänger werden alle drei Monate Kurse in einem besonderen Raum angeboten. ‘ Im selben Jahr konnten an der Schule, die Urbain Domergue in Lyon eröffnet hatte, monat- lich jeweils 18 Schüler an einem Englisch-, Deutsch- oder Italienischkurs teilnehmen (Journal de la langue française 1785: I, 43). Deutsch gelernt wurde jedoch nicht nur in privaten Institutionen; so berichtet Bécourt (1891: 5) über Belfort, dass ‚dort [an einer höheren Schule] Französisch und Deutsch unter - richtet wurde ‘, was angesichts der geographischen Lage der Stadt nicht weiter erstaunlich ist. Eher schon überrascht, dass im tiefsten Süden des Landes, noch dazu an einer kirchli- chen Schule, 1759 der Unterricht in einer lebenden Fremdsprache eingeführt wurde: Am Die Franzosen und das Deutsche 145

Collège von Sorèze 70 wurde von den Benediktinern die erste höhere Schule gegründet, an der statt Lateinisch Deutsch gelehrt wurde. 71 Ansonsten wurde Deutsch vor allem an den Militärschulen gelernt; angesichts der häufi- gen Kriegszüge jenseits des Rheins war man sich in den Kreisen, die mit der Armee zu tun hatten, des Nutzens der Sprache durchaus bewusst. Dies wurde in der Année littéraire (1765: VII, 353) als ‚ein sehr vernünftiger Grund [erachtet], der zur Gründung der Ecole Royale Militaire erheblich beigetragen hat ‘. Nach der Eröffnung der Militärakademie 1751 wurde dort jedenfalls von Anfang an Deutsch unterrichtet, während das Italienische erst später hinzukam, das Englische nicht, weil sich der König dagegen ausgesprochen hatte. Dass der Deutschunterricht ernsthaft betrieben wurde, ist schon an der vergleichsweise großen Zahl von Deutschlehrern abzulesen, die dort von Anfang an unterrichteten. Einige Namen sind überliefert; so war Gobelius 1756 hauptamtlich tätig, und Capler d.Ä., Capler d.J. und Rapp waren als Hilfslehrer angestellt. 72 Auch viele Namen von Lehrern, die später an der Schule unterrichteten, sind überliefert; einer von ihnen war G. A. Juncker, der seiner Grammatik den bezeichnenden Titel Nouveaux principes de la langue allemande pour l’usage de l’ Ecole royale militaire gab (Juncker 1759, 21762). Die Pariser Militärschule war bald nicht mehr die einzige ihrer Art; 1776 wurden ein Dutzend weiterer Kriegsschulen gegründet, die deren Lehrplan weitgehend übernahmen. 1782 boten die Schulen in La Flèche und Vendôme Deutschunterricht an, nicht dagegen die Schule von Effiat [Auvergne] (Brunot 1933: VII, 116, Anm. 2). Napoleon nahm be- kanntlich am Deutschunterricht in Brienne teil, ohne allerdings großen Nutzen daraus zu ziehen. Das Fach Deutsch hatte an den Militärschulen durchaus Gewicht; so wurde ein Schüler der Kriegsschule in Vendôme 1787 trotz vergleichsweise schwacher Leistungen in Mathe- matik dank seiner Note ‚sehr gut‘ im Deutschen in die angesehenere Pariser Schule aufge- nommen (Bonhoure 1912: 99). Neben den staatlichen Schulen gab es auch zahlreiche private Anstalten für die militä- rische Erziehung, an denen fast ausnahmslos Deutsch- und Englischlehrer tätig waren (Thiéry 1787); 73 sie wurden wie ‚die Lehrer für [...] Gesa ng, Violine, Waffenkunde, Zeich- nen, Tanz und Übungen in der Handhabung der Waffen ‘ gesondert entlohnt. Deutsch- unterricht gab es auch im Militärdepot des französischen Garderegiments; im „Musée de Monsieur et Monseigneur le Comte d’Artois“ konnte man nebe n Deutsch auch Englisch, Italienisch und Spanisch lernen.

70 Vgl. Encyclopédie , Supplément Bd. IV, Eintrag Sorèze . – Der Ort Sorèze liegt in der Nähe von Toulouse (B.K.). 71 An anderen Orten, wo man auf Grund einer langen Tradition besonders intensiven Deutschunterricht vermuten könnte, wurde in dieser Zeit offenbar nicht mehr Deutsch unterrichtet. So gab es in Bordeaux öffentlichen Unterricht in englischer und italienischer Sprache und Literatur, nicht aber in Deutsch. In Orléans unterrichtete von den vielen Privatlehrern keiner mehr Deutsch (Leroux 1918: 149; Tranchau 1893: 170f.). 72 Verzeichnis vom 1. Juli 1756; de Montzey (1866: I, 332). 73 Eine Ausnahme nennt Thiéry (1787: II, 154): In der „Maison et Cours d’Education de M. Verdier“, die für eine ausgewählte Klientel einen sehr umfassenden, besonders gut organisierten Unterricht anbot (die Pension kostete 800 bis 1.200 Livres), gab es überhaupt keinen Unterricht in lebenden Fremdsprachen. 146 Kapitel V: 1750-1789

‚Die Sprachen werden dort von Ausländern unterrichtet, die unsere Sprache sehr gut beherrschen: ein Vorzug, der den Zugang zu ihrer eigenen Sprache erleichtert [...]. Jeder Kurs dauert mindestens drei Monate ‘. An Rollins 74 „Institution militaire pour la jeune Noblesse“, einer exklusiven Anstalt für 30 Schüler, gab es ‚Lehrer für Tanz, Fechtkunst, Deutsch und Zeichnen‘, für die zusätzlich zum Schulgeld von 1.000 Livres noch jeweils 12 Livres pro Monat zu entrichten waren. Ganz ähnlich sah es an der „Institution pour la jeune Noblesse“ des Abbé Moret aus (Thiéry 1787: I, 56, 147, 233f.; II: 154ff., 560, 562). Wie zuvor die Pagen am Hof von Stanislas in Lunéville erhielten wohl auch die Pagen am Hof des Königs Deutschunterricht. 75

2.2.2.2 Lehrer Zu den rührigsten Deutschlehrern seiner Zeit gehört der unter 1.1 bereits erwähnte Friedel; er lebte viele Jahre in Paris und erteilte nicht nur den Pagen am Hof Deutschunterricht, sondern hielt auch in der Stadt einen Deutschkurs, wie aus einer Anzeige im Mercure de France vom Februar 1776 hervorgeht. Friedel war nicht nur Sprachlehrer, sondern verfasste auch Lehrwerke und Übersetzungen, mit gelegentlicher Unterstützung durch Pierre Thomas d’Antelemy, eine n seiner ehemaligen Schüler, der ebenfalls Deutsch an der Militärschule unterrichtete. Weiter ist hier G. A. Juncker aus Hanau zu nennen, der sich in seiner Gram- matik selbst als ‚Doktor der Philosophie, Lehrer der deutschen Sprache an der Ecole Royale Militaire , ordentliches Mitglied der Königlichen Akademie zu Göttingen ‘ vorstellt (Juncker 1762). Als der dritte bedeutende Mittler und Deutschlehrer ist der 1727 im bayrischen Loi- tersdorf geborene Michael Huber zu nennen,76 der von ca. 1750 bis 1766 in den besten Pariser Kreisen Deutsch unterrichtete; unter anderem lernten mehrere Hofdamen und Turgot bei ihm Deutsch. Huber war befreundet mit Diderot, Marmontel, Fréron und dem Abbé d’Arnauld und hatte ganz sicher einen gewissen sprachlichen Einfluss. 77 Quandt ( vgl. oben 2.1.3) erläutert im Vorwort seiner Deutschgrammatik, er ‚habe Gele - genheit gehabt, mehrere Edelleute in dieser Sprache zu unterrichten ‘. Offenbar war sein Unterricht erfolgreich, denn einer seiner Schüler, Boulenger de Rivery, machte sich später einen Namen als Übersetzer von Gellerts Fabeln. Von Rhombius, der viele Jahre lang Deutsch in Paris unterrichtete, war bereits die Rede (vgl. oben 2.2.2.1). Weitere Deutschlehrer in Paris waren Schwarz, der zunächst an der Ecole Royale Militaire, dann im Königlichen Infanterieregiment und schließlich an der Lehranstalt von O’Reilly tätig war, Capler d.Ä., Capler d.J., Gobelius, Rapp (1756), Roberts und Marterer (1787), die an der Militärschule unterrichteten. 78 Auch Robert de Hesseln, der Verfasser des Dictionnaire universel de la France , wies sich als ‚ehemaliger Lehrer der deutschen Sprache‘ aus. 79

74 Nach Huguet (2001) wurde die Anstalt 1770 gegründet. 75 Friedel verweist selbst auf seine Tätigkeit als ‚Lehrer der Pagen des Königlichen Marstalls ‘ (Vorwort zu Friedel & Bonneville; 1782: I). 76 Hierzu jetzt auch Espagne (1996). 77 Zu seiner Übersetzertätigkeit siehe unten 2.2.4 und bes. 2.2.4.5. 78 Angaben nach Süpfle (1886-1888: I, 119, 159, 170, 185, 557); Reynaud (1922: 20, 22 u. ö.); Heiss (1907: 1, 5 u. ö.); Thiéry (1787: I, 719). 79 Lévy (1929: I, 323). – Mathias Robert de Hesseln, 1733 in Lothringen geboren, war, wie aus dem Die Franzosen und das Deutsche 147

Einige Sprachlehrer, die in der Provinz tätig waren, sind ebenfalls namentlich bekannt; so unterrichteten Droeling (1777-1782) und Kirschbaum (1783-1784) an der Militärschule von Vendôme Deutsch, ein Lehrer namens Sommer (1783-1784) Englisch. Für den Zeit- raum 1740-1790 lassen sich die Spuren des Trierers Jean Hileken verfolgen, der in Salins (Jura) Deutsch unterrichtete. 80 In Lyon gab e s am Rande der ‚Schulmeister‘-Gilde Lehrer für Holländisch, Flämisch, Englisch und Deutsch. 81 Die bisher genannten Deutschlehrer waren sämtlich deutscher Herkunft, abgesehen vielleicht von d’Antelemy. Die Bezeichnung Deutschlehrer ist allerdings vielleicht etwas hochtrabend: In einem Lehrplan aus der Feder des Grafen Saint-Germain, der als Staats- sekretär und Kriegsminister für die Organisation der Militärschulen zuständig war, ist zu lesen, dass ‚die französische und die deutsche Sprache durch Dienstboten dieser Nation ‘ unterrichtet werden (de Montzey 1866: I, 220). Nicht nur hier ist die Rede von ‚Dienst - boten ‘; in zahlreichen vornehmen Häusern wurden Lehrkräfte tatsächlich aus der Diener- schaft rekrutiert, mit anderen Worten, die Dienerschaft stellte zugleich die Lehrkräfte. René Girardin stellte für seinen Sohn Stanislas deutsche Erzieher und Bedienstete ein, mit denen dieser nur Deutsch sprechen durfte. Mme de Genlis gab ihrem Théodore e inen ‚sächsischen Lakaien, der nie Französisch mit ihm spricht ‘.82 Über die Lehrkräfte der Kinder in ihrer Obhut schreibt sie in ihren Mémoires (1857: 189, 193): ‚Ich gab meinen jungen Prinzessinnen eine englische Kammerzofe und eine andere, die perfekt Italienisch konnte [...] Ich ließ für jede meiner Schülerinnen ein Gärtchen anlegen [...] Ich hatte einen deutschen Gärtner eingestellt, der mit ihnen nur in seiner Sprache redete; er folgte ihnen auf ihren morgendlichen Spaziergängen mit dem deutschen Kammerdiener, und bei diesen Spaziergängen wurde nur Deutsch gespro- chen; bei den abendlichen Spaziergängen und beim Essen wurde nur Englisch ge- sprochen, beim Souper dann Italienisch. ‘ Ein weiterer Indikator für den niedrigen sozialen Status der damaligen Deutschlehrer ist die schlechte Bezahlung: W ie bereits erwähnt, waren sie in Rollins „Institution militaire pour la jeune Noblesse“ mit den Tanz -, Fecht- und Zeichenlehrern gleichgestellt und wurden mit 12 Livres monatlich entlohnt; Geigen-, Musik- und Reitlehrer erhielten das Doppelte (Thiéry 1787: II, 560).

2.2.2.3 Lehrmittel und Unterrichtsmethoden Die wichtigsten Deutschgrammatiken jener Zeit beruhen auf Gottscheds Grundlegung einer deutschen Sprachkunst (zuerst 1748). Die beiden Bearbeitungen für das französische Publi- kum erschienen fast gleichzeitig (Quandt 1753); anon. 21754) und waren mit doppelt so viel Ausgaben in den ersten 25 Jahren nach ihrem Erscheinen 83 deutlich erfolgreicher als das

Untertitel seines Dictionnaire universel de la France [...] (6 Bde. Paris: Desaint, 1771) hervorgeht, in der Tat Deutschlehrer und ‚inspecteur‘ für die Schüler der Ecole Royale Militaire. (B.K.) 80 Der Maler Jean Jacques Hileken (auch: Hilliken), geboren in Trier um 1720, 1799 in Salins gestorben, lebte ab 1740 in Salins; 1765 erhielt er das Bürgerrecht der Stadt. (B.K.) 81 Bonhoure (1912: 133), Mathorez (1921: 168); Chabot & Charléty (1901: 6f.). Sicher gab es auch an anderen Orten Deutschlehrer. 82 Anspielung auf ihre Erziehungsschrift Adèle et Théodore (B.K.). 83 Weitere Auflagen 1758, 1760, 1763 (vgl. hierzu Pitrou 1934), 1766, 1769, 1773, 1778 und 1782. 148 Kapitel V: 1750-1789 deutsche Original. In der Année littéraire (1759: VII, 353) wurde der umfangreiche Maître de la langue allemande (XVI + 592 S.) wärmstens empfohlen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Werk in der Pariser Buchhandlung Duchesne (rue Saint-Jacques, Temple du Goût) erhältlich war. Weniger umfangreich ist die Grammaire allemande de M. Gottsched, contenant les meilleurs principes de la langue allemande, dans un ordre nouveau et mise en François (Quandt 1753; VIII + 198 S.). Entsprechend den pädagogischen Ansichten seiner Zeit empfiehlt der Verfasser: ‚Vermeiden Sie vor allem den Fehler der meisten, die unsere Sprache lernen, näm - lich sprechen lernen zu wollen, bevor sie auch nur einen einzigen Buchstaben ken- nen; als ob die Kenntnis einer Sprache darin bestünde, dass man Guten Tag, Guten Abend und dergleichen sagen kann; ebensoviel kann man auch einem Papagei bei- bringen. – Bemühen Sie sich, einen geschickten Lehrer zu finden, der seine Sprache von Grund auf beherrscht [...] Lassen Sie sich vor allem anderen eine Vorstellung von den allgemeinsten Grundsätzen der Sprache vermitteln, die Sie erlernen wollen. Gehen Sie dann zur Lektüre der besten in dieser Sprache geschriebenen Werke über, sie sind stets verständlich und leicht zu lesen. Ihrem Lehrer obliegt es, Sie bei der gemeinsamen Lektüre auf die Fälle aufmerksam zu machen, auf die sich die Regeln anwenden lassen, die Ihnen solchermaßen besser verständlich werden und sich um so tiefer in Ihrem Gedächtnis einprägen werden. Beginnen Sie gleichzeitig, aus dem Deutschen ins Französische zu übersetzen, versuchen Sie dann auch, in unserer Sprache zu schreiben. Erst wenn das alles genügend geübt wurde, ist es an der Zeit, die Sprache auch zu sprechen und im Gebrauch diese letzte Fähigkeit zu erwerben, die uns in die Lage versetzt, unmittelbar all das auszudrücken, was man sagen will. Kurz gesagt, beginnen Sie nicht mit dem Schritt, den Sie erst zum Schluss unter- nehmen sollten ‘ (Quandt 1753: 137). Quandt, der zu den angesehensten Deutschlehrern in Paris gehörte, erweist sich hier als überzeugter Anhänger der grammatischen Methode, als Fachmann, der sich gegen die di- rekte Unterrichtsmethode der ‚Dienstboten‘ ausspricht. 84 Auch seine Kollegen Friedel, Huber, Rhombius und Juncker haben vermutlich nach der grammatischen Methode unterrichtet. Juncker hat seine pädagogischen Ansichten auch explizit dargelegt. Seinen Nouveaux principes de la langue allemande (Juncker 1759-1762) folgte 1763 eine Introduction à la lecture des auteurs allemands .85 Im ersten Teil der genannten Grammatik behandelt er die ‚Etymologie‘, d. h. die Wortartenlehre (278 S.), im zweiten die ‚Syntax‘ (405 S.); zudem enthält das Werk unzählige endlos lange Listen von (teilweise wenig gebräuchlichen) Wörtern, die auswendig gelernt werden sollten; insgesamt ist es aber nicht schlecht ge- macht. In der Introduction bietet Juncker ausgewählte Prosastücke mit Anmerkungen (S. 1- 201), Fabeln (S. 205-288) und Gespräche (S. 289-340); die Unterrichtsmethode wird bereits im ersten Satz deutlich: ‚Madam, ich (1) habe (2) vorige (3) Nacht (4) einen (5) traurigen

84 Mme de Genlis hatte dagegen stolz verkündet: ‚Ich verfiel als erste Erzieherin von Prinzen in Frank - reich auf den Gedanken, die ausgezeichnete Sitte anderer Länder nachzuahmen, Kindern die lebenden Sprachen durch den Gebrauch beizubringen ‘ (1857: 189). 85 Zu Juncker (1763) jetzt auch Caravolas (2000: 93f.). Die Franzosen und das Deutsche 149

(6) Traum (7) gehabt (8) = 1) ich je; 2) haben avoir; 3) vorig passé; 4) die Nacht la nuit; 5) ein, eine, ein un, une; 6) traurig triste; 7) der Traum le rêve; 8) gehabt eu. Construction: Ich habe gehabt einen traurigen Traum vorige Nacht. ‘ So lernte man in den letzten dreißig Jahren des 18. Jh. an der Ecole Royale Militaire Deutsch, und vermutlich nicht nur dort. Auf andere Deutschgrammatiken aus dieser Zeit können wir an dieser Stelle nicht ein- gehen. 86 Zu erwähnen ist jedoch noch, dass Mitte des 18. Jh. das erste rein zweisprachige deutsch-französische Wörterbuch in Frankreich, der Dictionnaire à l’usage des deux na - tions , bei dem Straßburger Verlagsbuchhändler König erschien (Süpfle 1886-1888: I, 110). 87

2.2.3 Deutschkenntnisse Die deutsche Sprache wurde in dieser Zeit in Frankreich weiter verbreitet: Zahlreiche Leh- rer gaben Deutschunterricht, es wurden viele Sprachkurse eingerichtet und viele Gramma- tiken veröffentlicht; die deutsch-französischen Kontakte wurden verstärkt. Wie die Mehr- zahl der Franzosen Deutsch lernte, geht aus den Quellen nicht hervor; über den Sprach- erwerb von Hofleuten, Diplomaten, Offiziere, Gelehrte und Literaten ist dagegen einiges bekannt. Als Turgot 25 Jahre alt war, begann er unter Michael Hubers Anleitung, mit Be- geisterung Deutsch zu lernen, und kam über Anfängerkenntnisse weit hinaus; seine Schrift über den deutschen Versbau (Turgot 1808-1811, IX: 185-259) zeugt von ungewöhnlicher Kenntnis und tiefgehendem Verständnis der Sprache. 88 Trudaine, ein anderer Staatsmann jener Zeit, 89 lernte Deutsch, weil er Haller verehrte. 90 C. A. Gérard beeindruckte als Prätor 91 die Straßburger mit seinen fließenden Deutschkenntnissen (Lévy 1929: I, 345, Anm. 1). Mirabeau veröffentlichte mehrere Schriften über deutsche Fragen; seine achtbändige Geschichte ( De la Monarchie prussienne sous Frédéric le Grand , 1788) hätte er ohne hin- reichende Sprachkenntnisse wohl kaum schreiben können. Dass er selbst mit Feinheiten der deutschen Sprache vertraut war, hat er wiederholt bewiesen. 92 Wille berichtet voller Bewunderung über seine französischen Besucher, die zum Teil erstaunlich gut Deutsch konnten: ‚Am 17. [Februar 1760] kam der Viztum von Amiens zu mir [...]; dieser Herr spricht sehr hübsch Deutsch ‘; ‚Herr Beson, vormals Sekretär der

86 Wir verweisen hierzu auf die Angaben in Süpfle (1886-1890: I, 118) sowie Lanson (1931: 555; N° 7644 ff.). – Zu den Grammatiken von Gerau de Palmfeld (1766, 1768), Adelung (in der französischen Über- setzung von 1789) und Nicolas Adam (1779-1787) siehe Kap. VI, 2.2.2.4. 87 Gemeint ist der zuerst 1762 anonym erschienene Nouveau dictionnaire allemand-françois et françois- al lemand, à l’usage des deux nations ; siehe hierzu Kaltz (2000: 9f.). 88 Bei der Übersetzung von Werken Gessners war ihm vermutlich Huber behilflich. – Turgot konnte übri- gens auch Lateinisch, Hebräisch, Griechisch, Englisch, Italienisch und etwas Spanisch (Turgot (1808- 1811, I: 14f.). 89 Jean-Charles Philibert Trudaine de Montigny (1733-1777) übersetzte auch Lessings Miss Sara Sampson ins Französische; vgl. Bertrand (1968: 20). 90 Süpfle (1886-1890: I, 151); Rossel (1897: 52, 70). 91 Dem „prêteur royal“ [auch : „préteur“] oblag die Aufsicht über die Exekutive auf Gemeindeebene. (B.K.) 92 So hatte Mirabeau eine Auseinandersetzung mit einem Kritiker, der ihm vorgeworfen hatte, er habe eine Ode von Lavater teilweise ungenau übersetzt (Mirabeau 1787: Vorwort, o.S.). Tatsächlich ist diese Übersetzung insgesamt recht gelungen und jedenfalls besser verständlich als der deutsche Originaltext. 150 Kapitel V: 1750-1789

Königlichen Botschaft in Koblenz, verabschiedete sich von mir mit seinem Sohn [...] Er spricht ganz ausgezeichnet Deutsch, denn er hat elf Jahre in Deutschland gelebt ‘ (1770). Zwei andere Gäste, der junge Thellusson und sein Erzieher Vadier, waren in Deutschland, um die Sprache zu lernen, ‚und es ist ihnen sehr gut gelungen‘. Wille berichtet noch von anderen Fällen; zu Cacault (vgl. oben 2.2.1) notiert er am 7. Mai 1775: ‚Herr Cacau[l]t, ein gebildeter Herr, [...] ist in Deutschland viel gereist [...] Er spricht sehr gut Deutsch ‘ (Wille 1857: I, 130, 458, 476, 497; II: 13). Viele Franzosen verfügten bei der Rückkehr in die Heimat nach ihrem mehr oder weni- ger freiwilligen Aufenthalt in Deutschland über gute Sprachkenntnisse. Hauptmann Duclos übersetzte Gedichte von Haller, nachdem er lange am Hof von Zweibrücken gelebt hatte (Süpfle 1886-1888: I, 298; Anm. 343). Die meisten französischen Übersetzer beherrschten die deutsche Sprache natürlich, so der Abbé Roman (Übertragung von Klopstocks Tragödie Der Tod Adams ; 1762), der Abbé François Arnauld, der die Gazette littéraire de l’Europe begründete und gelegentlich aus dem Deutschen übersetzte, de Boispréaux, der 1754 eine freie Übersetzung von Rabeners Satiren vorlegte, 93 Boulenger de Rivery (siehe oben 2.2.2.2), Marie-Elisabeth de La Fite, die den von J. A. Schlegel und G. L. Heyer heraus- gegebenen Briefwechsel Gellerts ins Französische übertrug, 94 und Nicolas de Bonneville, der ebenfalls schon genannte polyglotte Mitherausgeber des Nouveau Théâtre allemand . Auch Dorat, 95 P. J. Mariette, Hérissant und Sablier (vgl. oben 2.1.1) konnten offenbar recht ordentlich Deutsch, ebenso die Historiker J. B. Lavaux und P. Barre. Charles Pougens lernte mit Hilfe von Gessners Werken schon im Kindesalter Deutsch und verfasste als Achtjähriger ein kleines Gedicht mit dem Titel „Das [!] Morgenröthe“ (Tronchon 1920: 83). Andere, nicht minder bedeutende französische Gelehrte hatten dagegen überhaupt keine Deutschkenntnisse, selbst wenn sie regelmäßig Verbindung zu Deutschen und zu Deutschland hatten wie etwa Diderot, der sich für alle deutschen Literaten in Paris einsetzte. Seine fehlenden Kenntnisse hinderten ihn im Übrigen nicht daran, gelegentlich deutsche Ausdrücke zu verwenden (Diderot 1875-1877, III: 416ff.) und Hubers Übersetzung von Gessners Idyllen zu bearbeiten, die dieser ihm vorgelegt hatte: ‚Obwohl er die Idylle nicht im Original lesen konnte, erkannte er durch seinen Scharfblick und eine geheimnisvolle Ahnung, dass der Text verschiedentlich ent- stellt wiedergegeben worden war ‘.96 Auch Fréron, der als Herausgeber des Journal étranger unmittelbares Interesse an den Ereignissen in Deutschland hatte, ließ sich von seinen mangelnden Deutschkenntnissen nicht davon abhalten, Kritik an der deutschen Literaturproduktion zu üben. Rivarol, außerstande, auch nur einen einzigen deutschen Satz zu verstehen, unterzog die deutsche

93 Satires de M. Rabener. Traduction libre de l’allemand, par M. de Boispréaux , 4 Bd., Paris: P. G. Simon, 1754. de Boispréaux: Pseudonym des Schriftstellers und Übersetzers Bénigne Dujardin (1689-ca. 1770).(B.K.) 94 De La Fite (1775). – M. E. de La Fite (1737-1794) übersetzte 1773 auch La Roches Geschichte des Fräuleins von Sternheim und Schriften von Lavater ; ausführlicher zu ihrem Leben und Wirken jetzt Janse (2010). 95 Vgl. etwa seine Beurteilung von Wielands Selim und Selima (Dorat 1776: 122). 96 Hottinger (1797: 162); dort ist S. 257f. auch ein entsprechendes Urteil von Meister zitiert. Die Franzosen und das Deutsche 151

Sprache einer eingehenden Kritik. Louis-Sébastien Mercier ließ deutsche Theaterstücke ins Französische übersetzen; besonders war er an Schillers Werken interessiert. 1787 reiste er eigens nach Mannheim, um eine Aufführung der Räuber zu sehen, obwohl er kein Deutsch konnte: ‚Ich kann kein einziges Wort Deutsch und war dennoch im deutschen Theater [...] Meine Vertrautheit mit der Bühne und einige hilfreiche Nachbarn haben es mir gleichwohl ermöglicht, mich an der Aufführung der deutschen Stücke zu erfreuen, ohne die Sprache zu beherrschen ‘ (Brief aus Mannheim vom 20. Oktober 1787; zit. in Zollinger 1903: 115f.). Andere mussten sich mit Übertragungen begnügen. So inspirierte sich André Chénier, der des Deutschen nicht mächtig war, an Hubers Gessner-Übersetzung (Baldensperger 1903: 453). Als der Bildhauer E. M. Falconet Lessing lesen wollte, wurde ihm bewusst : ‚Es ist schade, dass ich kein Deutsch verstehe ‘ (Tronchon 1920: 97). Manche schwiegen auch beredt; so fallen Beauzées Bemerkungen zum Deutschen in der Encyclopédie (vgl. oben 2.1.3) dermaßen vorsichtig und knapp aus, dass daraus wohl auf unzulängliche Kenntnisse des Deutschen zu schließen ist. Wo in französischen Theaterstücken deutsche Ausdrücke verwendet werden, geschieh t dies ungeschickt und fehlerhaft: „lustik lansmann“ (Romagnesi) oder „Grosse dank, Yonfrau“ (Piron) würde natürlich niemand, der die deutsche Sprache beherrscht, je sagen. 97 Auch an den vielen falsch geschriebenen deutschen Namen lässt sich ablesen, wie fragwürdig die Deutschkenntnisse selbst in Kreisen waren, die vorgaben, mit deutscher Sprache und Literatur vertraut zu sein. So stellte Herder schon nach wenigen Wochen in Paris fest: 98 Man weiß nichts als verstümmelte Namen, etwannige Brocken, [...] und kennet den innern Zustand u. das Gehalt der Deutschen Litteratur wenig [...] Klopstock wird nicht goutiert: sein Name u. sein Werk sind nicht für die Französische Nation, u. ich erinnere mich mit Beschämung, was ein Pansoph einen ganzen Abend lang durch von Deutschland u. von Klo pstock den er mit dem garstigsten Namen Klopf ... nannte, oder Französisch radebrechte, urtheilte. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an Dorats Bemerkung, das Deutsche bereite ‚den hübschen Frauen‘ Schwierigkeiten, weshalb sie sich bemühten, Namen wie Rost, Schlegel, Karsch, Cronegk, Klopstock ‚soweit als eben möglich ‘ auszusprechen (Dorat 1769: 9). Klopstock war nicht der einzige bekannte Deutsche, dessen Name mehr oder weniger verunstaltet wurde. So verwandelte Gottsched sich unter Voltaires Feder in „M. Godheit“ oder „Godtheit“, und aus dem berühmten Buchhändler Breitkopf wurde bei der Gelegenheit „Bretkof“ und „Breitkoph“. 99 Auch Wielands eigentlich doch recht einfacher

97 Zu Romagnesi (1726) vgl. oben 2.1.2. Die Worte „Grosse dank, Yonfrau“ legt Alexis Piron (1689 - 1773) einem Schweizer in den Mund; vgl. dessen Oeuvres complètes , Paris: Lambert, 1776: V, 144 [online]. (B.K.). 98 Schreiben an Nicolai aus Paris, 30. November 1769; hier zitiert nach Herder (1977: 176); vgl. auch Tronchon (1920: 79); Frank (1933: 50). 99 Zit. n. Danzel (1855: 64f.). – Voltaires Brief an Gottsched vom 19.Apri l 1753, adressiert an „Monsieur Godheit“; in dem Schreiben selbst wendet sich Voltaire, möglicherweise ironisch, an „Mr. Godtheit“ 152 Kapitel V: 1750-1789

Name erfuhr allerlei Veränderungen: „Vieland“ in Frérons Année litteraire (1760: V, 7), „Wielland“ bei Bernard, dem Übersetzer des Agathon (1777), und „Weiland“ im Journal Encyclopédique vom 15. Februar 1770.100 Aus dessen Freund Herder wurde in der Gazette de Deux-Ponts (1771: 416) ‚Herr G. Hender [...] in Buckenbourg‘, aus seinem Kontrahenten Süssmilch „Sussemilch“, „Saslmilch“, Süslmilch“ und „Sulmish“.101 Nicht besser erging es deutschen Toponymen; allein bei Voltaire finden sich, wie wir noch sehen werden, falsch geschriebene Ortsnamen in Hülle und Fülle. Umgekehrt hatten in Frankreich ansässige Deutsche wohl wegen ihrer Nachnamen Schwierigkeiten, weshalb manche dazu übergingen, anstelle ihrer deutschen Namen französische Entsprechungen zu verwenden. So berichtet Wille (1857: I, 552) von einem Offizier aus Landau, der ‚sich Klein oder Petit nennt, wie er sich unrechtmäßig auf Französisch nennt‘. Hauptmann unter- zeichnete seine Übersetzung von Zachariae mit „Capitaine“;102 der Elsässer Schwinden- hammer, der 1792 Schillers Räuber übersetzte, nannte sich de la Martelière.103 Wenn auch die Deutschkenntnisse selbst gebildeter Franzosen eher bescheiden waren, so traf die eingangs zitierte Einschätzung des Abbé Raynal, es gebe womöglich keine drei Schriftsteller in Frankreich, die Deutsch könnten, natürlich schon 1754 nicht mehr zu. Den- noch hieβ es im Journal de Politique et de Littérature noch zwanzig Jahre später, die deutsche Sprache sei in Frankreich ‚bei weitem‘ nicht so bekannt wie die englische oder italienische (1774: I, 41ff.; zit. n. Tronchon 1920: 85).

2.2.4 Bedeutung des Deutschen in der französischen Gesellschaft

2.2.4.1 Am Hof Es war bereits die Rede davon, dass die deutsche Sprache am Versailler Hof dank der Herrscherinnen deutscher Herkunft eine Stellung einnahm, die man in jener Zeit, wo das Französische selbst an deutschen Höfen dominierte, nicht ohne weiteres vermutet hätte (vgl. oben 1.1); Maria Josepha von Sachsen als Dauphine104 und Marie Leczinska105 und

(B.K.). 100 Zu ihrer Entlastung sei daran erinnert, dass Friedrich II. von dem größten Philosophen seines König- reichs als „le célèbre Quant“ sprach (Friedrich II. 1780: 10). 101 Vgl. Süpfle (1886-90: II, 35, 42, 46); Tronchon (1920: 50, 62ff.). 102 Lévy (1950: 183) nennt hier seine Quelle nicht; im Katalog der BNF ist keine französische Über- setzung eines Werkes von Zachariae durch einen ‚Hauptmann‘ oder ‚Capitaine‘ nachgewiesen. 103 Jean-Henri-Ferdinand Lamartelière (1761-1830) übersetzte auch andere Theaterstücke Schillers (B.K.). 104 Vgl. hierzu die „Antrittsrede Sr. Wohlgebohrnen, Herrn Pierre de Pascal, Hauptmanns beym königl. französischen Regimente Piemont, Ritters des königl. Militärordens St. Ludwigs, in der Gesellschaft der freyen Künste zu Leipzig, abgelesen den 6 des Christmonds 1758“, in: Gottsched Hg. (1758), Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit (12/1758), S. 886-887: „Ich sehe es mit einer patrio- tischen Freude an, daß man heut zu Tage in Frankreich ihren [d. h. der deutschen Sprache] Nutzen und Vortheil einsieht. Unsere verehrenswerthe Dauphine spricht sie bey Gelegenheit mit allen denen Annehmlichkeiten, welche Sie von einem gesitteten und erleuchteten Hofe mitgebracht hat. Sie ver- nichtet durch ihre angenehme Rede die ungegründeten Vorurtheile einer vermeynten Härtigkeit der Aussprache. So hart diese bey etlichen Schweizern, wie auch bey mir selbst wirklich lautet; so ge- linde klingt sie in dem Munde eines Sachsen. Die jungen Edelleute aus der Kriegsschule in Frank- reich, haben ihren deutschen Lehrer; die Edelknaben des Königs und der Fürsten haben deren schon längst gehabt; man suchet sie sowohl in Paris, als in den Provinzen. Die gottschedische Sprachkunst Die Franzosen und das Deutsche 153

Marie-Antoinette als Königinnen sprachen Deutsch und förderten die Sprache; die Pagen und die Hofdamen lernten Deutsch. Als Kardinal de Rohan, der letzte Fürstbischof von Straßburg, 1785 wegen seiner Verwicklung in eine Betrugsaffäre am französischen Hof verhaftet wurde, erteilte er geheime Anordnungen in deutscher Sprache (Hottinger 1797: 155f.; Brunot 1933: VI.2, 1226). Das zahlreiche Gefolge der Herrscherinnen war deutscher Herkunft, und die Garde der Tuileries bestand fast nur aus Schweizern; es dürfte seinerzeit also recht einfach gewesen sein, am Hof nur mit Deutsch durchzukommen. Gewiss hatte das Deutsche in Versailles nicht die Bedeutung des Französischen in Potsdam, doch die Parallele ist augen fällig, ein eigenartiger ‚Treppenwitz der Weltgeschichte‘.

2.2.4.2 Lesekabinette Um dem gestiegenen Interesse an deutschsprachigen Werken Rechnung zu tragen, be- schloss die „Société philologique“, ein Übersetzungsbüro für fremdsprachliche Werke einzurichte n. ‚Dieses „Bureau académique“, dem die Öffentlichkeit täglich ihr Vertrauen schenkt, wird von einer Gesellschaft fähiger Männer geführt ‘; der Leiter war Valentin Haüy. 106 Außerdem stand Liebhabern deutscher Literatur das Lesekabinett zur Verfügung, das Friedel 1782 in der rue Saint-Honoré, Ecke rue de Richelieu gegründet hatte. Es bot für einen Jahresbeitrag von 30 Livres dienstags, donnerstags und samstags Zugang zu mehr als 2000 deutschsprachigen Büchern und war bis zu Friedels frühem Tod 1786 offenbar recht erfolgreich. 107

2.2.4.3 Buchhandlungen und Bibliotheken Auch andernorts konnte man in Paris gegen Ende des Ancien Régime deutsche Bücher finden; so waren Gessners Werke bei dem Verleger Hardy nicht nur in Übersetzung, son- dern auch im deutschen Originaltext erhältlich. In einer Anzeige für neu erschienene Werke

ist in jedermanns Händen: man wünschet nur ein eben so l ehrreiches Wörterbuch.“ (B.K.) 105 Am Hof ihres Vaters, König Stanislas, wurde zuweilen auch Deutsch gesprochen. – Ergänzend zu den Ausführungen in Lévy (1950: 184, Anm. 1 mit Verweis auf Süpfle 1886-1890: I, 264; Anm. 241) wird Gottscheds Aussage hier ausführlicher im Zusammenhang wiedergegeben: „Frankreich selbst fängt itzo an, Deutsch zu lernen! Die Ursachen davon mögen nun in Staats= oder Kriegsabsichten, oder in litterarischen Bewegungsgründen verborgen liegen; oder es mögen auch alle diese drey Stü- cke gleichen Antheil daran haben: so ist doch einmal die Sache gewiß, und außer Zweifel. (...) Aus dem Munde unsers neuaufgenommenen Ehrengliedes, eines gebohrnen Franzosen, haben sie es selbst gehöret, hochgesch. Anw., daß sein Vaterland itzo begierig wird, Deutsch zu lernen. Nach seiner vollkommenen Kenntniß der Hauptstadt desselben, hat er uns versichert, daßsowohl den jungen Edelleuten in der Kriegsschule, als den Edelknaben bey Hofe, Lehrer der deutschen Sprache gehalten werden: unzähliger anderer Sprachmeister zu geschweigen, die sich in Paris befinden. Und ich selbst könnte Briefe aufweisen, daß in des Königs Stanislaus Vorzimmern zu Lüneville, bisweilen Leute vom höchsten Stande, und zwar gebohrne Franzosen, sich mit deutschen Gesprächen unterhalten können. “ („Bewillkommungsrede des Hochgeb. Hrn. Duc de Galeand, Prince du St. Siege, Baron des Issards, in die Gesellschaft der freyen Künste“, in: Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit 1758.12, 924f.). 106 Er war ‚Dolmetscher des Königs und der Admiralität Frankreichs‘ und erwarb sich große Verdienste um die Erziehung der Blinden. 107 ‚Die Büchersammlung besteht aus mehr als zweitausend Bänden mit den besten Werken, die Deutschland hervorgebracht hat ‘ (Thiéry 1787: I, 221, 291, 433, 828). – Vgl. hierzu auch König (2007: 7). 154 Kapitel V: 1750-1789

Wielands wurde darauf hingewiesen, dass die fünfbändige Ausgabe seiner sämtlichen Werke bei dem Buchhändler Humblot erhältlich war, desgleichen die Werke von Haller, Hagedorn, Gellert, Gessner, der Karschin, Schlegel, Cronegk, Weiße, Kleist, Gleim, Rost, Rabener und anderen Deutschen (Gazette littéraire de l’Europe 1765: V, 331; Ausgabe vom 1. Juni 1765). Manche ließen sich deutsche Bücher auch aus Deutschland schicken oder mitbringen, wie etwa aus w iederholten Vermerken in Wille (1857) hervorgeht: ‚Herr Schlütter hat mir viele deutsche Bücher gebracht, die ihm Herr Weiss in Leipzig für mich übergeben hat ‘.108 Etliche Bibliotheken, etwa an der Ecole Royale Militaire, hatten deutsche Bestände, ebenso manche Privatsammlungen. Unter den deutschen Büchern im Katalog der Biblio- thek von Baron d’Holbach sind unter anderem eine Ausgabe der Luther -Bibel von 1538, Werke der Rechtswissenschaften, Geschichte und Geographie, die Theaterstücke von Gel- lert, Schlegel und Gottsched, und Jahrgänge deutschsprachiger Zeitschriften. 109 Turgot besaß insgesamt rund 3.000 Bücher, darunter auch etliche in deutscher Sprache: Bibeln und Gebetbücher, philosophische Untersuchungen, rund ein Dutzend deutsche und flämische Grammatiken und Wörterbücher, Klopstocks Messias , Lichtwers Fabeln, die Gedichte von Uz, die Werke von Gessner und Cronegk, die Gedichte der Karschin, der Brüder Stolberg, von Haller, Zachariae und anderen. 110 Zwar sind in dem Katalog seiner Bibliothek weitaus mehr Titel in englischer, italienischer und spanischer Sprache verzeichnet, doch im Ver- gleich zu früheren Bibliothekskatalogen liegt die Zahl deutscher Bücher erheblich höher. Mirabeaus 111 Interesse an der deutschen Kultur geht aus dem Verkaufskatalog seiner Bibliothek hervor. Leider fehlen in dem in der BNF erhaltenen Exemplar 112 die ersten acht Seiten, auf denen laut Inhaltsverzeichnis ‚flämische, deutsche und Schweizer Grammatiken und Wörterbücher ‘ verzeichnet waren, so dass leider nicht mehr zu ermitteln ist, um welche Titel es sich handelte und wie viele es waren. Der Katalog enthält zahlreiche Titel engli- scher, italienischer, spanischer, selbst orientalischer Dichtung, aber keine Ausgaben deutscher Poesie. Schöne Literatur in deutscher Sprache kannte Mirabeau nicht; dagegen findet man deutsche Werke unter der Rubrik ‚Wissenschaften‘, vor allem Titel zur Geogra- phie, Geschichte und Physik, insgesamt weniger als englische, aber doch eine beachtliche Zahl. Nennenswerte deutsche Bestände gab es auch in einigen anderen Privatbibliotheken. So waren in der Sammlung des Ratsherrn Jean-François de Senicourt neben einem Dutzend deutscher Grammatiken und Wörterbücher auch eine größere Zahl wissenschaftlicher, besonders historischer Schriften zu finden, jedoch kein einziges Werk eines deutschen Dichters. 113 Die Bibliothek des Fürsten von Soubise 114 enthielt ein halbes Dutzend deutsche

108 Vgl. Wille (1857: I, 215, 341, 476); von dem Straßburger Buchhändler Marbach ließ er sich auch deutsche Zeitungen schicken. 109 Catalogue des livres de la Bibli othèque de feu M. le baron d’Holbach , Paris 1789 (BNF Q. 8047); die deutschen Titel sind in einem gesonderten Abschnitt verzeichnet (S. 274-288). 110 Catalogue des livres de la Bibliothèque de feu M. Turgot, ministre d’Etat , Paris 1782 (BNF Q. 8479). 111 Zu seiner Kritik an der deutschen Sprache vgl. oben 2.1.1; zu seinen Deutschkenntnissen 2.2.3. 112 Catalogue des livres de la Bibliothèque de feu M. Mirabeau l’aîné, député et ex -Président de l’Assemblée Nationale Constituante , Paris 1791 (BNF Z Payen 1932). 113 Bibliotheca senicurtiana sive Catalogus librorum quos collegerat Joan. Franc. de Senicourt, in Suprema Curia Parisiensi Patronus , Paris 1766 (BNF Q. 8409). Die Franzosen und das Deutsche 155

Bibeln, zahlreiche Werke über germanisches Recht, Grammatiken und Wörterbücher, Hal- lers Gedichte, jeweils im Originaltext, sowie einige Werke von Klopstock, Lichtwer und Gessner in französischer Übersetzung. Auch hier war die englische, italienische und spani- sche Literatur ungleich besser vertreten. Noch weniger deutsche Werke besaß Graf Rosen, obwohl er deutscher Herkunft war; unter den 1.300 Einträgen des Bibliothekskatalogs fin- det man ‚Dienstvorschriften für die dänische Infanterie‘ in deutscher Sprache und einige Geschichtsbücher, Gessner, Haller und einige andere deutsche Schriftsteller dagegen nur in Übersetzung, während englische, italienische, spanische, selbst portugiesische Dichter im Originaltext vertreten sind. 115 Aus der Zusammensetzung solcher Privatbibliotheken kann man schließen, dass Persön- lichkeiten wie Mirabeau, Senicourt, Soubise und Rosen wohl Deutschkenntnisse hatten, sich gelegentlich auch anhand deutscher Quellen informierten, deutsche Schriftsteller aber wenig schätzten und deren Werke nur selten anschafften. Das galt auch für manche Buchliebhaber, die über erhebliche finanzielle Mittel verfügten. Im Übrigen ist zu bedenken, dass auf eine Bibliothek mit deutschen Beständen jeweils mindestens fünf an- dere kamen, die kein einziges deutsches Buch enthielten. So sucht man unter den 2.000 Einträgen im Katalog von Richelieus Bibliothek vergeblich nach deutschen Titeln. Im Ab- schnitt ‚Spanische, englische, deutsche Dichter‘ sind lediglich spanische und englische Werke, aber kein einziges deutsches genannt. 116 Nur wenige der 1.300 Einträge im Katalog der Bibliothek des Grafen d’Artois gelten deutschen Werken in Übersetzung, Original - ausgaben dieser Werke fehlen ganz; selbst in der Rubrik ‚Geschichte Deutschlands‘ er- scheint kein einziges deutsches Buch. 117 Ungeachtet ihrer Verbindung zum Elsass bzw. zu Lothringen zeigten auch Fürst François-Camille von Lothringen (er war erster Dechant der Kirche von Straßburg, wohnte aber in Paris, in der Rue du Bac) und der Marquis de Pange als „Grand Bailli d’Epée“der Stadt Metz 118 keinerlei Interesse an deutschen Büchern. 119 Der umfangreiche 120 Katalog der Bibliothek von d’Aguesseau (er war Dekan des Con- seil d’Etat ) enthält in der Abteilung Öffentliches Recht zwei deutsche und vier flämische Werke sowie einige Titel deutscher Veröffentlichungen, die jedoch in französischer Spra- che angegeben sind; deutsche Wörterbücher fehlen völlig. Dagegen sind darin mehrere

114 Charles de Rohan, Fürst von Soubise, 1715-1787. Im Vorwort des Catalogue des livres, imprimés et manuscrits de la Bibliothèque de feu Monseigneur le Prince de Soubise, maréchal de France , Paris 1788 (BNF Q. 8419) heißt es: ‚Es handelt sich um eine Bibliothek, die im Verlauf zweier Jahr- hunderte von Richtern, Prälaten, Edelleuten und Gelehrten zusammengetragen wurde [...] Bereits 1679 hatte sie Berühmtheit erlangt [...] Sie war im Besitz des Président de Menars und später des Kardinals Armand-Gaston de Rohan, der sie um zahlreiche fremdsprachige Bücher bereicherte ‘. – ‚Président de Menars‘: der Bibliophile Jean-Jacques Charron, marquis de Ménars (1643-1718) (B.K.). 115 Catalogue des livres de la Bibliothèque de feu M. le Comte de Rosen, Maréchal de Camp , Paris 1775 (BNF Q. 8252). 116 Catalogue des livres de la Bibliothèque de feu M. le Maréchal, Duc de Richelieu , Paris 1788 (BNF Q. 8353). 117 Catalogue des livres du Cabinet de Monseigneur Comte d’Artois , Paris 1783 (BNF Q. 1814). 118 Etwa: ‚oberster Richter ‘ (B.K.) 119 Notice des livres de feue son Altesse Mgr le Prince François-Camille de Lorraine , Paris 1788 (BNF Q. 8830). – Catalogue des livres [...] de la Bibliothèque de feu M. De Pange , Paris 1781 (BNF Q. 8289). 120 Er enthält 5.583 Einträge auf 367 Seiten. 156 Kapitel V: 1750-1789 hundert spanische, italienische, portugiesische und vor allem englische Werke verzeich- net. 121 Der Marquis de Cambis-Velleron besaß in seiner umfangreichen Bibliothek kein einziges deutsches Buch, ebenso wenig wie Adhenet, ‚Doktor und ehemaliger Bibliothekar der Sorbonne ‘, und Fréron, Herausgeber der Année littéraire und ‚Mitglied mehrerer Aka - demien des Königreichs ‘.122 Zur selben Zeit, als Grimm und andere verkündeten, das Deutsche sei ‚in Mode‘, hatte die Buchhandlung Prault le Jeune, die auf den Handel mit ausländischen Büchern spezia- lisiert war, kein einziges deutsches Buch auf Lager. 123 Schlimmer noch: In der Bibliothek der Académie Royale de Marine, in der die lebenden Fremdsprachen ansonsten gut vertreten waren, gab es lediglich ein französisch-deutsches Wörterbuch; Grammatiken, wissenschaftliche und literarische Werke in deutscher Sprache und in Übersetzung fehlten ganz, mit Ausnahme von Büschings Neuer Erdbeschreibung .124

2.2.4.4 Theater Schlechter noch als dem deutschen Buch erging es dem deutschen Theater. Koberwein, der Direktor des deutschen Theaters in Straßburg, unternahm 1783 einen Versuch, mit seiner Truppe in Paris deutsche Stücke aufzuführen; das Vorhaben scheiterte trotz der Un- terstützung durch Marie-Antoinette, obwohl damals Tausende von Deutschen in Paris leb- ten (Eggli 1927: I, 67). Mehr Erfolg hatten dagegen zwei Publikationen, mit denen deutsche Bühnenstücke in französischer Übersetzung bekannt gemacht werden sollten ( Théâtre alle- mand ; Juncker & Liébault 1772, 21785, 4 Bände; Nouveau théâtre allemand ; Friedel & de Bonneville 1782-1785, 12 Bände). Sainte-Beuve (1862: 455) hat diese Übersetzungen als ‚herb und rauh, doch stolz und kraftvoll‘ beschrieben; die Bände enthalten unter anderem die erste französische Fassung der Räuber (1785) und Theaterstücke von Wieland, Goethe und Leisewitz.

2.2.4.5 Übersetzungen Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der französischen Übersetzungen der Meisterwerke der deutschen Literatur ausführlich zu behandeln; hier soll lediglich das Ausmaß der Übersetzungstätigkeit in der zweiten Hälfte des 18. Jh. kurz umrissen werden. 125 Der Schweizer Salomon Gessner war der erste deutschsprachige Schriftsteller, der mehrfach ins Französische übersetzt wurde. In Untersuchungen zur Rezeption seiner Werke in Frankreich wird Gessners bedeutender Beitrag zur Aufwertung der deutschen Literatur und damit auch der deutschen Sprache in den Augen der Franzosen immer wieder

121 Catalogue des livres [...] de feu Monseigneur d’Aguessau , Paris 1785 (BNF Q. 7725). 122 Catalogue des livres [...] de feu M. le Marquis de Cambis-Velleron , Avignon 1774 (BNF Q. 7841). – Notice des livres du catalogue de feu M. Adhenet , Paris 1787 (BNF Q. 8672). – Notice des principaux livres qui composent le cabinet de feu M. Fréron , Paris 1776 (BNF Q. 7981). Zu Frérons mangelnden Deutschkenntnissen vgl. oben 2.2.3. 123 Catalogue des livres de langues étrangères qui se trouvent à Paris chez Prault le Jeune, libraire , 1765 (BNF Q. 9206). 124 Catalogue des livres de la Bibliothèque de l’Académie Roya le de Marine, fait en 1781 , Brest 1781 (BNF Q. 9496). 125 Die meisten der rund 70 Übersetzungen deutscher Werke, die bei Lanson (1931: 570ff.) für das 18. Jh.verzeichnet sind, erschienen 1760-1775. Die Franzosen und das Deutsche 157 hervorgehoben. Der Tod Abels erschien 1759, die Idylle 1762, Daphnis 1764 in der französischen Übersetzung von M. Huber; 1777 legte Meister eine Übersetzung von Gessners Werken vor. Auch Klopstock wurde viel übersetzt; 1762 erschien Der Tod Adams in der französischen Fassung des Abbé Roman, sieben Jahre später Der Messias in der Übersetzung von d’Antelemy; Turgot hatte bei seinem Versuch, das Werk zu übersetzen, angesichts seiner Schwierigkeit schon nach dem ersten Gesang aufgegeben. Von Lessing wurden die Fabeln (d’Antelemy), Miss Sara Sampson (Trudaine), Emilia Galotti (Friedel), die Hamburgische Dramaturgie (Cacault und Juncker) übersetzt, von Wieland die Romane Agathon (Bernard und Fresnais), Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva und Die Grazien . Allein Goethes Werther wurde im Zeitraum 1776-1797 achtzehn Mal ins Französische übertragen, zuerst von Graf Schmettau; 126 die Räuber waren in Frankreich, wie unter 2.2.4.4 erwähnt, seit 1785 bekannt. Auch etliche zweitrangige deutsche Schriftsteller wurden ins Französische übersetzt. Gellerts Fabeln erschienen 1750 in Straßburg und 1754 in Paris, in der Übersetzung von Quandt und Boulenger de Rivery; Gellerts Briefwechsel wurde von Marie-Elisabeth de La Fite (1775) 127 und M. Huber (1777) übertragen. Mme Faber veröffentlichte 1777 ihre Über- tragung von Lichtwers Lehrgedicht Das Recht der Vernunft u. d. T. Le droit de la nature . Pfeffel 128 legte 1763 eine freie Übersetzung von Lichtwers Fabeln in Paris und Straßburg vor. J. A. Schlegels Hermann wurde von Bauvin (1769) übersetzt, Lavaters Ode Empfin- dungen eines Protestanten in einer katholischen Kirche von Mirabeau (1787), Zachariaes Metamorphosen von Müller (1764), Rabeners Satiren von de Boispréaux 129 und Sellius (1754), Hallers An Doris (in drei verschiedenen Fassungen) und weitere Werke Hallers durch Trudaine und vor allem Tcharner, Ramlers Gedichte von Cacault (1777) und Auszüge von Winckelmanns Geschichte der Kunst des Altertums 1764 durch Huber sowie 1781 durch Sellius und Robinet. Huber veröffentlichte auch einen sehr erfolgreichen Auswahlband mit Gedichten aller damals bekannten deutschen Dichter ( Choix de poésies allemandes , 1766, 4 Bände); ähnliches gilt für Junckers Choix varié de poésies, philosophiques et agréables, traduits de l’anglois et de l’allemand , der 1772 in Avignon erschien. Welche deutschen Schriftsteller besonderen Anklang beim französischen Publikum fanden, lässt sich den genannten Titeln entnehmen. Neben Franzosen wie Trudaine, Turgot, Mirabeau, d’Antelemy, Boule nger de Rivery, de Boispréaux, de La Fite, Bauvin, Cacault, Abbé Roman, Abbé Arnaud oder Fresnais betätigten sich auch zahlreiche Deutsche und Schweizer als Übersetzer (Huber, Juncker, Schmettau, Quandt, Sellius, Cappler, Müller, Meister, Tcharner, Friedel, Cramer u. a.); einige gehörten zu den eifrigsten Verfechtern des Deutschen in Frankreich. Dass so viele deutschsprachige Zuwanderer damals als Übersetzer tätig waren, ist wohl nur durch den Mangel an potentiellen französischen Übersetzern mit hinreichenden Deutschkenntnissen zu erklären. 130 Nicht selten waren Übersetzungen aus

126 Vgl. hierzu jetzt Helmreich (1999); tatsächlich verfasste Woldemar Graf von Schmettau nur die Vorrede zu der 1777 in Paris erschienenen Übersetzung. 127 Vgl. oben 2.2.3. 128 Gottlieb Konrad Pfeffel (1735-1809) (B.K.). 129 Vgl. oben 2.2.3. 130 Selbst wenn ein Franzose als alleiniger Übersetzer angegeben ist, bedeutet das noch nicht unbedingt, dass er tatsächlich Deutsch konnte. So wird als Übersetzer der Règlemens pour l’Infanterie Prus - 158 Kapitel V: 1750-1789 dem Deutschen das Ergebnis einer deutsch-französischen Zusammenarbeit, die gelegentlich merkwürdige Formen annahm. Der Année littéraire (1754: V, 98) verdanken wir einen Bericht über eine solche Zusammenarbeit bei der Übertragung von Rabeners Satiren : ‚Da er [Sellius] noch nicht in der Lage ist, in unserer Sprache zu schreiben, übersetzt er deutsche Texte Wort für Wort, und Herr de Boispréaux übersetzt, so gut es geht, die Übersetzungen seines Freundes aufs neue ‘. Ähnlich gingen Huber, dessen Französischkenntnisse noch sehr unzulänglich waren, und Turgot, der wenig Deutsch konnte, bei der Übersetzung von Gessner vor; ihre Aufgabe wurde noch erschwert durch die Mitwirkung Diderots, der in Ermangelung von Deutsch- kenntissen allein seiner Eingebung und seiner dichterischen Intuition folgte. 131 Um Winckelmanns Sendschreiben ins Französische zu übertragen, tat Huber sich mit P. J. Mariette zusammen. Die Übersetzung des Messias erarbeitete Juncker gemeinsam mit d’Antelemy, seinem Kollegen, die Übertragung der Hamburgischen Dramaturgie mit Ca- cault, einem anderen Kollegen; die Herausgabe des Théâtre allemand besorgte er zusam- men mit Liébault. Sellius unterstützte nicht nur de Boispréaux bei der Übertragung von Rabeners Satiren , sondern auch Robinet bei der Übersetzung von Winckelmanns Ge- schichte der Kunst des Altertums . Cappler und Bauvin taten sich für die Übersetzung von J. A. Schlegels Hermann zusammen, Quandt übertrug gemeinsam mit Boulenger de Rivery Gellerts Fabeln und Erzählungen; Friedel gab mit N. de Bonneville (vgl. oben 1.1 und 2.2.3) das Nouveau théâtre allemand heraus. 132

2.2.4.6 Voltaire Allgemeine Aussagen über die Stellung des Deutschen in der französischen Gesellschaft des Ancien Régime zu machen, ist schwierig, da es in allen Bereichen unterschiedliche, teilweise einander widersprechende Tendenzen gab: Echte Begeisterung, aber auch tiefe Abneigung, gewaltiger Fortschritt, aber auch unüberwindlicher Stillstand, erstaunliche Kenntnis und nicht minder erstaunliche Unkenntnis der Sprache. Auch in dieser Hinsicht erweist Voltaire sich als repräsentativ für seine Zeit, denn in seiner Einstellung gegenüber dem Deutschen sind all diese Gegensätze vereint, die instinktive Abneigung des Franzosen und die zwingenden Bedürfnisse des Gelehrten und Reisenden, 133 die bewusste Missach- tung der Sprache, die durch die Umstände allerdings zwangsläufig abgemildert wurde. Seine Verachtung der deutschen Sprache ist bekannt, jener Sprache, in der man mit dem

sienne (Graf Rosen besaß ein Exemplar dieser Schrift; vgl. oben 2.2.4.3) ein ‚H err du Gourlay de Ke- ralio, vormals Adjutant im Infanterieregiment der Aquitaine ‘ genannt; die französische Fassung be- ruht indessen nicht auf dem deutschen Originaltext, sondern auf einer englischen Übersetzung; vgl. Journal étranger (1757: 50, 72). 131 Vgl. Turgot (1808-1811: I, 16f.; IX, 152; weiter Hottinger (1797: 162, 257f.) und Ernst (1930: 198ff.). 132 Nicht immer geht die Zusammenarbeit aus den Titeln hervor. So ist die Übersetzung des Messias nur von Huber unterzeichnet, weil Turgot mit Rücksicht auf seine Stellung von der Nennung seines Namens absah. Cacault ist in der gemeinsam mit Juncker angefertigten Übersetzung nicht namentlich genannt; umgekehrt sind Quandt, Sellius und Juncker in den gemeinsam mit Boulenger de Rivery, de Boispréaux und d’Antelemy erarbeiteten Übertragungen nicht erwähnt. 133 Voltaire reiste bekanntlich nicht nur nach Deutschland; er hielt sich wiederholt auch länger in Holland auf (1713, 1722, 1736, 1740 und 1743). Die Franzosen und das Deutsche 159

Postkutscher, der Bedienung in der Schenke, den Soldaten, den eigenen Dienstboten und den Pferden 134 spricht, der Sprache von Leuten, denen man mehr Verstand und weniger Konsonanten wünscht. Am 24. August 1750, kurz nach seiner Ankunft in Potsdam, schrieb er: ‚Deutsch ist die Sprache, die bei Hof am wenigsten gesprochen wird. Ich habe noch kein einziges Wort Deutsch gehört ‘. Einige Wochen später, am 24. Oktober 1750, notierte er: ‚Ich bin hier in Frankreich. Man spricht nur unsere Sprache. Deutsch ist für die Sol - daten und die Pferde; notwendig ist es nur unterwegs. Als guter Patriot fühle ich mich ein wenig geschmeichelt über diese kleine Ehre, die man unserem Heimatland hier, dreihundert Meilen von Paris entfernt, erweist ‘ (Voltaire 1829ff.: XXXII, 387, 414). Zwei Jahre später, am Vorabend seiner Abreise nach Leipzig, fand Voltaire in einem Brief an den Dichter Christoph Otto von Schönaich indessen ganz andere Worte: Mais je ne me pardonnerai jamais d’ignorer une langue que les Gottscheds, et vous, rendez nécessaire à tous les amateurs de la littérature. Ich bin ohne umstand sein gehorsamer diener Voltaire.135 Voltaire missfielen die deutschen Konsonanten; doch war ihm bewusst, dass man über die Muttersprache anders urteilt: ‚Ich habe mehr als einen Engländer und mehr als einen Deutschen gekannt, die nur in ihrer eigenen Sprache Harmonie fanden. Für russische Ohren ist die russische Sprache [...] wohlklingend ‘ (Voltaire 1829 ff.: XXXIV, 109). Zu der Frage, ob man Deutsch lernen sollte oder nicht, äußerte Voltaire sich unter- schiedlich, zunächst ablehnend:136 ‚Glauben Sie nur nicht, dass ich ernsthaft Deutsch lerne; ich beschränke mich vor- sichtig darauf, nur so viel zu können, dass ich mit meinen Leuten und meinen Pfer- den reden kann. Ich bin nicht in einem Alter, um in alle Feinheiten dieser so sanften und harmonischen Sprache einzudringen; aber mit dem Postkutscher muss man sich verständigen können. ‘ Auf dieses Argument, besser gesagt diesen Vorwand, griff er in seinem Brief an Gottsched vom 25. April 1753 aus Gotha noch einmal zurück: Monsieur, er habt mir ein geschench wereheret, welches ich nicht werth bin. ich bin zu alt um zu lern eine sprache welche sie so gut lehren mais je serai en français reconnaissant toute ma vie des bontez que vous m’avez témoignées da ns mon séjour à leipsick. [...].137

134 Voltaire (1829ff.: XXXII, 413f., 427). 135 ‚Doch werde ich es mir nie verzeihen, eine Sprache nicht zu beherrschen, die durch Dichter wie Gottsched und Sie selbst nun für alle Liebhaber der Literatur unverzichtbar ist ‘; zit. n. Süpfle (1886: I, 290; Anm. 307). 136 Voltaire (1818: XXXII, 427). – Der erste Satz ist bereits zu Beginn des Kap. V zitiert (B.K.). 137 Zit. n. Danzel (1855: 339), der hierzu anmerkt: „ Das Geschenk wird die Grimmsche Uebersetzung von Gottscheds deutscher Grammatik gewesen sein“. Seine Transkription wird hier übernommen 160 Kapitel V: 1750-1789

Und in seinem Schreiben an den Marquis de Thibouville vom 24. Oktober 1750 gestand er, Deutsch zu lernen sei ‚in [s]einem Alter recht schwierig. Sie werden es ebenso lächerlich finden wie ich selbst, dass der Verfasser der Henriade im Alter von sechsundfünfzig Jahren be- schließt, mit der Bedienung in der Schenke Deutsch reden zu wollen ‘ (Voltaire 1818: XXXII, 413). Trotz dieser Bedenken ging Voltaire offenbar daran, Deutsch zu lernen; kurz zuvor sprach er auch von ‚der Zeit, die man damit verliert, gerade so viel Deutsch zu lernen, um auf Reisen nicht in Verlegenheit zu kommen ‘. Ein Schreiben vom 28. November 1750 zeugt ebenfalls von seinen kaum ‚ernstzunehmenden‘, ‚vorsichtigen‘ Bemühungen, Deutsch zu lernen. Und Schönaich spricht von „Voltairen, der nun deutsch lernt“ (Brief vom 2. Sep - tember 1752 an Gottsched; zit. n. Danzel 1855: 381). Demnach hätte Voltaire fast zwei Jahre lang Deutsch gelernt, jedoch mit fragwürdigem Erfolg, wie schon die oben zitierten, keineswegs einwandfreien Sätze zeigen. Gelegentlich verwendete er auch deutsche Ausdrücke wie batz oder bache (vgl. seinen Brief an Cramer vom 26. Dezember 1755); aus Gottsched machte er allerdings, wie bereits erwähnt, ‚Godheit‘ oder ‚Godtheit‘, aus dem Verleger Breitkopf ‚Bretkof‘ und ‚Breitkoph‘ (zit. n. Danzel 1855: 64f.), und aus Bayreuth wiederho lt ‚Bareith‘ (Voltaire 1818: XXXII, 385ff.). Wenn deutsche Ortsnamen in den Annales de l’Empire gehäuft auftreten, wird es nachgerade grotesk: Alberstad (Hal- berstadt), Oested (Höchstädt), Weismar (Wismar), Donavert (Donauwörth), Leck (Lech); aus dem Personennamen Goetze wird Goeuts usw. (Voltaire 1753: II, 294, 327 u. ö.). In seinen knappen Äußerungen zum ‚Genius der Sprachen‘ beschränkte er sich auf Lateinisch, Griechisch, Italienisch und Französisch und hüllte sich hinsichtlich des Deutschen in vor- sichtiges Schweigen, was wohl als weiteres Indiz für seine mangelnde Sprachkompetenz zu deuten ist (Voltaire 1829 ff.: XXXIV, 103). Die in diesem Zusammenhang geäußerte Be- fürchtung, sein Stil könne womöglich unter dem Einfluss des Deutschen leiden, entbehrte ebenso jeder Grundlage wie die ängstliche Frage an Graf d’Argental: ‚Sagen Sie mir, ob das Deutsche mein Französisch verdorben hat ‘ (Voltaire 1818: XXXII, 427).

2.2.5 Deutsches im Französischen Voltaire war übrigens nicht der einzige, der sich mit der Frage, ob das Französische durch den Kontakt mit dem Deutschen ‚verdorben‘ werden könnte, auseinandergesetzt hat.138 Er war auch der Meinung, die französischen Schriftsteller, die ihre Werke im Ausland verfassten, trügen ebenfalls zum ‚Verderb‘ der Sprache bei, indem sie ‚fast ständig fremde Ausdrücke mit ihrer Muttersprache vermengen ‘ (Voltaire 1829ff.: XXXIV, 118). Friedrich II. riet Thiébault davon ab, Deutsch zu lernen: ‚Sie nähmen alsbald die Gewohnheit an, die

(B.K.). 138 Schon Racine hatte diese Gefahr erkannt. Seinem Sohn Jean-Baptiste erteilte er am 24. September 1691 den Rat, die Nachrichten nicht in der Gazette de Hollande zu lesen: ‚Sie könnten darin manche Ausdrücke lernen, die nichts taugen, wie etwa recruter , das Sie verwenden; stattdessen sollte man faire des recrues sagen. ‘ Am 16. Mai 1698, als der Sohn sich in Den Haag aufhielt, bemängelte er dessen Gebrauch des Wortes tentatif , ‚das Sie von einigen Holländern gelernt haben‘ (zit. n. Brunot 1933: VI.2, 1223). – Vgl. auch Kap. IV, 2.3. Die Franzosen und das Deutsche 161 selben Germanismen zu verwenden wie wir ‘.139 Zu dieser Frage äußerte sich 1759 auch André-Pierre Le Guay de Prémontval (1716-1764) in seiner Schrift mit dem bezeichnenden Titel Préservatif contre la corruption de la langue française .140 Benjamin Constant ist dieser Gefahr nicht entgangen, als er in Deutschland lebte. Gele- gentlich verwendete er sogar rein deutsche Wörter in seinen Schriften: „J’avais été depuis dix heures du matin en staat “ oder „quelque fräulein ou quelque Hofdame “. Dies brachte ihm später den Vorwurf von Madame de Charr ière ein, er habe in Braunschweig ‚einen deutschen Stil ‘ angenommen, der ‚weitschweifig und schwerfällig‘ sei (zit. n. Rudler 1909: 162, 310, 315, 498). Selbst in Paris konnte man diese Germanismen hören; so berichtet Rousseau von Mahl- zeiten in seinem Haus, die „durch [...] die scherzhaften Germanismen Grimms gewürzt [wurden], der noch nicht Purist geworden war“. 141 Vom Scherz über Germanismen zum scherzhaften Gebrauch von Germanismen, von diesem zu den Germanismen aus Gewohn- heit und Unaufmerksamkeit, oder auch Bequemlichkeit, ist nur ein kleiner Schritt. Voltaire, Rousseau und Friedrich II. hatten durchaus konkrete Beispiele vor Augen. Jedenfalls gelangten recht zahlreiche deutsche Ausdrücke ins Französische; gerade solche wie ja, ach, herr, fräulein, mein Gott oder tartaifle , mit denen man sich in Komö- dien lustig machte über die Deutschen, hatten im französischen Theater Bestand. Auch einige Wörter nicht deutscher Herkunft, die von Deutschen geprägt wurden, kamen in dieser Zeit in die Fachsprache der Philosophie. So geht frz. esthétique (zunächst in der Schreibung aesthétique ) auf dt. Aesthetica zurück, das im Titel eines Werkes von A. G. Baumgarten (1750-1758) erscheint; ontologie (bei d’Alembert) und téléologie gehen ebenso wie der moderne Begriff von psychologie auf den Philosophen Christian Wolff zurück. Das zuerst 1699 von Bayle verwendete piétiste ist dt. Pietist nachgebildet; später prägte Madame de Staël die Ableitung piétisme . Auch harmonica , im Dt. nach lat. harmonicus gebildet, gehört hierher. Die meisten Entlehnungen des 18. Jh. erfolgten im Bereich der Naturwissenschaften, insbesondere der Mineralogie. 142 Von jeher waren Fachleute für den Bergbau aus Deutsch- land nach Frankreich gekommen, und mit ihnen die entsprechenden Fachausdrücke. Gan- gue (vgl. Kap. IV, 2.4) ist in Furetières Wörterbuch (zuerst 1690) verzeichnet; quartz ver- wendet Buffon 1749, und spath erscheint 1753 bei d’Holbach. Die Termini feldspath und schorl (‚Schörl‘) waren 1773 und 1779 den französischen Naturforschern bekannt. 143 1784 führte Guyton de Morveau nickel sowie das zu Tungstein gebildete tungstène im Französi- schen ein und übernahm die Fachwörter mispickel (als Bezeichnung für Arsenopyrit) und

139 Vgl. oben, Anm. 65. 140 In dieser 1759-1761 in zwei Bänden erschienenen Schrift wird das Französisch der Berliner Hugenot- ten kritisiert; der genaue Titel lautet: Préservatif contre la corruption de la langue françoise en France, & dans les pays où elle est le plus en usage, tels que l’Allemagne, la Suisse&la Hollande: ouvrage périodique utile aux personnes de l’un & de l’autre sexe (B.K.). Hierzu auch Glück (2002: 192). 141 Rousseau (1844: 2. Teil, Buch VIII, 331); hier zit. n. der deutschen Ausgabe (1978: 349). 142 Einer der berühmtesten Mineralogen der Zeit, der Abbé René Haüy, war übrigens der Bruder des königlichen Dolmetschers Valentin Haüy, der das unter 2.2.4.2 erwähnte Übersetzungsbüro leitete. 143 Dies geht aus einer Bemerkung von Saussure hervor. Der Versuch, schorl durch ein Wort romani- schen Ursprungs zu ersetzen, misslang. 162 Kapitel V: 1750-1789 eisenmann (für ‚Eisenglimmer‘), die sich jedoch nur langsam durchsetzten. 1771 griff er auf das bereits 1723 entlehnte cobolt zurück, das sich jedoch erst ab 1782 in der leicht integrierten Form cobalt weiter verbreitete. Abgesehen von tungstène , das in den Stahlwer- ken mit der Zeit etwas gebräuchlicher wurde; blieben diese Ausdrücke auf die Wissen- schaftssprache beschränkt. Nickel gelangte dagegen in die Gemeinsprache, allerdings erst in unserer Zeit. Hierher gehören weiter gneiss (1779), bocambre < Pochhammer , bocard < Pochwerk , rustine < Rückstein ,144 castine < Kalkstein , pechblende < Pech + Blende , potasse < Pottasche , schlich < Schlich (,Schlamm ‘), talc < Talk , wolfram . Die fuchsia ist benannt nach dem Botaniker Fuchs (vgl. Kap. IV, 2.4); glaçure kommt von Glasur, das zu Glas gebildet ist, und gland (‚Zange aus Holz‘, vgl. Littré) von ndl. klamp (vgl. dt. klemmen ). 145 Aus dem Bereich der Lebens- und Genussmittel stammen unter anderem das kurz vor der Revolution entlehnte choucroute , das bei Diderot noch als saurcroute und bei La Pérouse als sauerkraut erscheint.146 Pougens gibt das Wort 1794 in seiner französischen Übersetzung von Forsters Reisebericht mit „feuille de choux“ (‚Kohlblatt‘) wieder, kannte es also wohl noch nicht. 147 Vor ihm hatte Mercier die noch heute gebräuchliche Form choucroute schon 1788 verwendet. Durch den engeren Sprachkontakt mit dem Elsass gelangten um dieselbe Zeit auch kirsch (‚Kirschwasser‘), quetsch (‚Zwetschgenwasser‘), schnaps, schnick / schnouff < Schnupftabak ins Französische. Aus Deutschland kamen vermout < Wermut und seltz < Selters , aus der Schweiz amman (‚Amtmann‘), schapsigre (Name einer Käsesorte) und hemwé (‚Heimweh‘). 148 In Rousseaus Schriften finden sich weitere Germanismen der romanischen Schweiz, etwa écrelet (‚Gewürzbrot‘), légrefass (eine Art Fass) , teutsche, tringuelte (‚Tr inkgeld ‘), crutz / creutzer , die ebenso wenig Bestand im Französischen hatten.149 Andere Entlehnungen aus der zweiten Hälfte des 18. Jh. hielten sich dagegen länger: blague (‚Tabaksäckchen‘) < ndl. blagen (vgl. Kap. IV, 2.4), came (‚Zahn eines Zahnrads‘) < Kamm , hère (‚Kitzbock‘) < ndl. hert , laste (‚Gewicht‘) < Last , rune, runique < norw./dt.

144 ‚Teil des Hochofengestells‘; vgl. den Eintrag in Grimm (B.K.) 145 Lévy nennt hier auch bure (‚Bergwerkschacht‘), die etymologischen Angaben hierzu sind jedoch überholt (vgl. den Eintrag im TLF). 146 Brief Diderots vom 24. September 1767 an Sophie Volland, in: Diderot (1875-1877: Bd. III, 95). – Eintrag vom 7. Februar 1788, [Jean-François de Galaup] La Pérouse, Voyages IV, 236. Der genaue Titel lautet: Relation abrégée du voyage de La Pérouse, pendant les années 1785, 1786, 1787 et 1788 (Leipzig 1799; zahlreiche Neuausgaben). (B.K.). 147 Vgl. Tronchon (1920: 84). – Die Rede ist hier von dem Titel Voyage philosophique et pittoresque sur les rives du Rhin, fait en 1790 par George Forster[...], traduit de l'allemand... par Charles Pougens [...], Paris: F. Buisson. (B.K.). 148 Sie erscheinen in Rousseaus Schreiben vom 30. Januar 1763 an den Marschall de Montmorency- Luxembourg. 149 Brunot (1933: VI.1, 600 Anm. 3; 619f.; VI.2, 1239); vgl. auch die etymologischen Wörterbücher von Bloch (1932) und Dauzat (1938) sowie Süpfle (1886: I, 91f.). – Die in der Nähe der Sprachgrenze gesprochenen französischen Mundarten waren natürlich weiter besonders empfänglich für Ent- lehnungen aus dem Deutschen. J. J. Oberlin stellte in seiner Untersuchung der Mundart des Steintals (Ban-de-la-Roche) mit Erstaunen fest, wie sehr diese sich durch den Kontakt mit Schweizern und Elsässern verändert hatte. Er bemerkte unter anderem, viele Wörter wiesen das Genus der deutschen Entsprechungen auf, und selbst die Satzstruktur folge zuweilen den syntaktischen Regeln des Deut- schen (Oberlin 1775: 84, 102, 118). Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 163

Rune , cambuse (‚schlechte Wohnung‘, ‚Bude‘) < ndl. kombuis (‚Küche‘), und schließlich die beiden Adjektive kaiserlick < kaiserlich und velche < welsch , die sicher infolge der Kriegswirren jener Zeit ins Französische gelangten. Mehr als fünfzig Wörter wurden in dieser Zeit entlehnt; davon hatten letztlich nur knapp zwanzig Bestand und wurden in ihrer deutschen Form ins Französische integriert.

3 Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen

3.1 Flandern In den flämischsprachigen Gebieten veränderte die sprachliche Lage sich im Zeitraum 1750-1789 kaum; das Flämische dominierte noch eindeutig. Der Engländer Arthur Young hatte bei seinen Erkundungen kurz vor der Revolution große Mühe, Auskünfte über die Landwirtschaft einzuholen: „Inde ß nehmen die Schwierigkeiten, Erkundigung einzuziehen, bei jedem Schritte zu. Unter zwanzig Landwirten spricht nicht ein einziger Französisch [...].“ 150 Selbst in Dünkirchen sprachen Ende des Jh. nur die Regierungsangestellten und die Soldaten Französisch; in der Kammer für die Redekunst (vgl. Kap. IV, 3.1) wurde weiter die flämische Kultur gepflegt (Kurth 1895-1898: II, 82). Vor allem in den unteren Schulen, die den Kirchen angegliedert waren, wurde weiter auf Flämisch unterrichtet; nur ganz selten war Französisch die Unterrichtssprache. In Bergues gab es erst 1781 eine französischsprachige Schule. An den höheren Schulen sah es kaum besser aus; in Westhoek mussten die Absolventen der Oberschulen erst auf ir- gendeine Weise Französisch lernen, um ihre Ausbildung in Douai fortsetzen zu können, wie es damals üblich war. An der Dünkircher Schule für Gewässerkunde war die flämische moedertaal Unterrichtssprache; anders hätten die Lehrer sich nicht verständlich machen können. Andererseits gab es gerade in Dünkirchen erste Bemühungen, auch Unterricht in franzö- sischer Sprache einzuführen. In einem Gesuch an das Pariser Parlament wurde beantragt, den Unterricht am Collège neu zu gestalten und in beiden Sprachen zu unterrichten, vor- mittags in flämischer, nachmittags in französischer Sprache. Die Lehrer mussten beide Sprachen beherrschen. 1769 wurden in Dünkirchen Lehrerstellen mit einem öffentlichen Aushang ausgeschrieben, in dem es heißt: ‚Geistliche oder andere Personen, die die französische und flämische Sprache be - herrschen und in der Lage sind, beide Sprachen zu lehren, und die Lehrerstellen am hiesigen Collège [in Dünkirchen] bekleiden möchten, können sich bis zum ersten September 1769 im Verwaltungsbüro melden, um Übersetzungstexte in flämischer Sprache zu verfassen, diese ins Französische zu übertragen und anschließend eine Prüfung zur Feststellung ihrer Fähigkeit, in französischer und flämischer Sprache gut zu unterrichten, abzulegen ‘ (Peter 1912: 29; vgl. auch Brunot 1933: VII, 269ff.). Ausgehend von seiner eigenen Erfahrung berichtet de Baecker (1850: 19):

150 Young (1793: II, 234); hier zit. n. der deutschen Übersetzung, Young (1794: II, 46). 164 Kapitel V: 1750-1789

‚Es ist noch keine achtzig Jahre her, dass die ersten französischen Priester und Schullehrer in der Gegend von Bredenarde ankamen. Ich selbst habe von alten Leu- ten gehört, sie hätten an flämischen Predigten in Saint-Omer 151 teilgenommen, und ich habe eine Menge flämischer Bücher gesehen, die dort im letzten Jahrhundert ge- druckt worden waren ‘. Weiter schreibt er, vor der Revolution seien flämische Bücher auch in Lille gedruckt worden, und in einigen Gemeinden sei dort in flämischer Sprache gepredigt worden.

3.2 Lothringen und Elsass Auch hier veränderte sich die Lage der Sprachen im Ancien Régime nicht wesentlich. Wohl interessierte man sich erstmals ernsthaft, gewissermaßen wissenschaftlich, für die Sprach- grenze; doch blieb diese nahezu völlig stabil, insbesondere im lothringischen Bereich. So ging das Deutsche im Tal der Bruche, im Steintal, zwar etwas zurück; dieser Verlust wurde jedoch mehr als ausgeglichen durch seine Verbreitung in dem wenige Kilometer entfernten Ort Sainte-Marie-les-Mines und dessen Umgebung. Selbst im Landesinneren verlor das Deutsche nicht nur an Boden, wenn das Französische auch unstreitig auf dem Vormarsch war. So verschwanden um 1770 die letzten Spuren der französischen Siedlungen, die im Elsass und in Lothringen nach der Widerrufung des Edikts von Nantes entstanden waren, in Lixheim und Bischwiller. Goethe war eigentlich ins Elsass gekommen, um seine Französischkenntnisse zu vervoll kommnen; doch musste er dort feststellen: „Deutschheit emergierend“, 152 was er mit der Bemerkung ergänzte: „in Strassburg wenig französisch unter uns gesprochen“ 153. In dieser Hinsicht stimmte Goethe völlig überein mit der Einschätzung des Prätors Gérard: ‚Die deutsche Sprache ist in Straßburg die einzige, die von der Mehrheit der einfachen Leute gesprochen und verstanden wird ‘.154 Sämtliche Beobachter, woher sie auch kamen, haben sich in diesem Sinne geäußert. Und was für das vergleichsweise kosmopolitische Straßburg galt, traf erst recht auf kleinere Orte und das Land zu. „Sobald man in dieser Gegend aus einer großen Stadt kommt, ist alles Deutsch“, schreibt Arthur Young, der auch das Elsass bereist e: „In Elsas -Zabern befand ich mich, allem Ansehen nach, wirklich in Deutschland [...]; hier ist nicht einer von Hundert, der Französisch spricht“. 155 Das im Elsass gesprochene Deutsch missfiel allerdings den Deutschen, die sich dort aufhielten; Laukhard, einer der berühmtesten Reisenden jener Zeit, notierte sogar: Die Sprache der Straßburger ist deutsch; aber das jämmerlichste Deutsch, das man hören kann, in der allergröbsten, widerlichsten, abscheulichsten Aussprache [...]. Auch Vornehme sprechen so, und der Pfaffe auf der Kanzel predigt vum Herr Jesses

151 Nach Courtois (1856: 64) wurde der Stadtteil Haut-Pont auf dem linken Aa-Ufer im Laufe des 18.Jh. französischsprachig, während in den anderen Stadtteilen von Saint-Omer weiter Flämisch gesprochen wurde. 152 Vgl. Neuhaus (2007: 85): „In einem Schema zu Dichtung und Wahrheit heißt es lapidar: ‚Deutschheit emergierend ‘.“ 153 Zit.n Lévy (1929: I, 332). 154 Nachweis des Zitats in Lévy (1929: I, 332): Gérard, Mémoire au garde des sceaux (1783); Archives municipales de Strasbourg AA 2298. 155 Hier zit. n. der dt. Übersetzung (Young 1794: I, 263, 269). Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 165

Kreschtes [gesperrt]. Die Sprache ist hier noch zehnmal gröber als in der Pfalz, sehr viel Französisch wird indes da auch gesprochen, besonders beim Militär. Das sonstige Strassburger Französisch taugt eben nicht viel [...].156 Ähnlich äußerten sich andere Deutsche. 157 Wenn das für Straßburg galt, wo es eine Univer- sität und zahlreiche Schulen gab, wie musste es dann erst in der übrigen Provinz aussehen, wo der Dialekt uneingeschränkt herrschte! Das elsässische Deutsch war wohl etwas entfernt von der Quelle, doch für Erhalt und Erneuerung der Sprache sorgten die recht zahlreich zugewanderten Deutschen, die Kirche durch ihr Festhalten am Deutschen (90 % der Predigten und des Religionsunterrichts fanden noch auf Deutsch statt), und der Unterricht, der in allen Schulstufen und selbst an der Universität Straßburg nur in Ausnahmefällen in französischer Sprache erfolgte. Unter diesen Umständen nimmt es nicht wunder, dass auch in der Gemeinde- und Justizverwaltung noch Deutsch gesprochen wurde, dass die wenigen Zeitungen, Zeit- schriften und Almanache, die im Elsass erschienen, deutschsprachig waren, ebenso wie die Bücher, die dort gedruckt wurden, und dass die deutschsprachige Bühne, die sich an die breite Öffentlichkeit richtete, als einzige der beiden Straßburger Bühnen in finanzieller Hinsicht Bestand haben konnte; auch die elsässischen Dichter verwendeten noch fast aus- schließlich die deutsche Sprache. Erinnert sei auch daran, dass Straßburg um 1770 mit Goethe, Lenz und L. Wagner 158 gewissermaßen ein Zentrum des Sturm und Drangs dar- stellte und Colmar in Pfeffel einen Fabeldichter hatte, der gern mit Gellert verglichen wurde. An der Straßburger Universität wurde zudem im ganzen 18. Jh. Forschung zur deut- schen Sprache betrieben, die mit denWeg bereitete für die Arbeit der Brüder Grimm, von Bopp u. a. Kurz vor der Revolution waren das Elsass und ein größerer Teil Lothringens also noch weitgehend deutschsprachig; im Frankreich Ludwigs XV. und Ludwigs XVI. bildeten sie eine deutsche Enklave. Bei genauerer Betrachtung lassen sich indessen bereits zahlreiche Anzeichen für Veränderungen erkennen. So kam die Zuwanderung nicht nur dem Deut- schen zugute, sondern verstärkt auch dem Französischen, mit dem Unterschied, dass die frankophonen Migranten sich nicht in geschlossenen Gruppen niederließen, sondern über das ganze Gebiet verstreut siedelten. Offiziere und hohe Beamte, die in der Verwaltung und in den Garnisonsstädten tätig waren, hatten Kontakt mit dem Adel und dem gehobenen Bürgertum, so dass sich das Französische weiter verbreitete, selbst in den unteren Schichten. 159

156 Hier ausführlicher zit. n. der Ausgabe von Viktor Petersen, Magister F. Ch. Laukhards Leben und Schicksale . 2 Bde. Stuttgart: Lutz ( 21908: I, 181). 157 Vgl. hierzu Lévy (1929: I, 332). – Jakob Michael Reinhold Lenz, Goethes Freund und Tischgenosse, gründete 1775 in Straßburg die „Gesellschaft zur Ausbildung der deutschen Sprache“, deren Ziel es war, die deutsche Sprache zu reformieren und zu verbessern; die Gesellschaft hatte 32 Mitglieder, fast ausschließlich Straßburger Intellektuelle. Sie bestand nur kurze Zeit; doch sind daraus bedeu- tende kürzere Texte von Lenz hervorgegangen, darunter der Aufsatz „Über die Bearbeitung der deutschen Sprache im Elsaß [, Breisgau, und den benachbarten Ge genden.]“. – Zuerst 1776 in: Flüchtige Aufsätze von J.M.R. Lenz , hg. von Kayser. Zürich, 55-69; Nachdruck in Lenz, Werke in 3 Bänden , Hg. Sigrid Damm. Leipzig: Insel, 1987: II, 770-777). Hierzu jetzt Scharloth (2002/03). 158 Heinrich Leopold Wagner (1747-1779), Dramatiker des Sturm und Drangs (B.K.). 159 Die sprachlich bedingte Differenzierung der gesellschaftlichen Schichten, die die elsässische Ge- 166 Kapitel V: 1750-1789

Wirtschaftliche Faktoren und nachbarschaftliche Beziehungen spielten ebenso eine Rolle wie das gezielte Eingreifen des Staates, der sich seiner Pflichten und Vorrechte nun immer stärker bewusst wurde. Als erster äußerte d’Angerviliers 1752 als Intendant des Elsass den Gedanken, das Französische werde sich nie durchsetzen, ‚wenn man sich nicht entschließt, den Gebrauch der deutschen Sprache auszurotten und sie durch unsere zu er- setzen ‘.160 1749 hatte König Stanislas in einem Edikt verfügt, in seinem lothringischen Reich sei in allen amtlichen Schriftstücken von nun an nur noch das Französische zu ver- wenden; damit war das Schicksal der alten Deutschen Ballei, in der die Verwaltungssprache Deutsch war, obwohl sie zu Frankreich gehörte, praktisch besiegelt. 161 Das Deutsche wurde in verschiedenen Bereichen und bei zahlreichen Gelegenheiten allmählich durch das Französische ersetzt; insgesamt gefährdeten die Neuerungen auf französischer Seite seinen Weiterbestand jedoch noch nicht. Noch erfolgten die Veränderungen allmählich und nahezu friedlich; das sollte sich mit der Revolution sehr bald ändern (Lévy 1929: I, 322-391).

3.3 Mömpelgard/Montbéliard Von 1769 bis 1791 regierte Fürst Friedrich Eugen von Württemberg das Herzogtum Mömpelgard. Der ehemalige General der preußischen Armee war verheiratet mit Friederike Dorothea Sophia, der Tochter des Markgrafen von Brandenburg-Schwedt und der Prinzes- sin Sophie Dorothea Marie von Preußen. Die fürstliche Familie residierte im Schloss von Mömpelgard und pflegte dort mitten in Frankreich ein deutschsprachiges Hofleben. 1769 kam Henriette-Louise de Waldner, die spätere Baronin d’Oberkirch, als Vorleserin an den Hof; wie sie selbst berichtet, wurde sie beauftragt, der Fürstin ‚in französischer und deutscher Sprache vorzulesen ‘ (d’Oberkirch 185 3: I, 23). Zwischen Montbéliard und den deutschsprachigen Ländern gab es auch weiterhin einen Austausch von Studenten und Beamten. So lebte Pastor J. J. Paur, 1737 in Montbéliard geboren, von 1755 bis 1759 in Tübingen und unterrichtete danach Französisch im Kloster Bergen bei Magdeburg und am Königlichen Pädagogium in Halle; 1769 kehrte er in seine Heimatstadt zurück. Nach vierzehn Jahren in Deutschland galt für Paur natürlich, was Vié- not für die Pfarrer des 18. Jh. insgesamt feststellt (1895: 158f., 371 ): ‚Unsere Geistlichen [...] sprachen fast alle beide Sprachen, Deutsch und Französisch. Viele konnten in jeder dieser Sprachen predigen ‘. Ersetzt man ‚predigen‘ durch ‚unterrichten‘, so trifft das ebenso auf die Lehrer zu, zu- mal das Lehramt damals noch weitgehend mit dem Amt des Pfarrers zusammenfiel. Der Rektor Bonsen schrieb 1756 in einem Gesuch, Lehrer an seinem Gymnasium müssten ‚Französisch, Deutsch, Lateinisch und Griechisch gleichermaßen‘ beherrschen. Schon wegen des relativ hohen Anteils von Schülern (etwa ein Drittel) aus dem Elsass, der Schweiz und Württemberg, die anfangs kein Französisch konnten, mussten alle Lehrer über Deutschkenntnisse verfügen. Unterrichtsfach war Deutsch am Mömpelgarder Gymnasium nicht, ebenso wenig wie seinerzeit an vielen Schulen in Deutschland. Kurz bevor die Stadt wieder an Frankreich fiel,

schichte im gesamten 19. Jh. prägte, nimmt hier ihren Anfang. 160 Nicolas Prosper Bauyn d’Angervilliers (1675 -1740) war von 1716-1724 Intendant des Elsass; die angegebene Jahreszahl ist daher vermutlich falsch (B.K.). 161 Vgl. hierzu Kap. III, 3.2. Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 167 wurde eine Stelle für einen Deutschlehrer eingerichtet, weil es nun infolge der politischen Entwicklung keine Möglichkeit zum Austausch mit Stuttgart und Tübingen mehr gab. ‚Diese Sprache [Deutsch] ist notwendig, wie die ‚Kontrolleure‘ des Gymnasiums ausführten; es ist die Sprache der Nation, für die Studenten ist sie unumgänglich, denn Theologie wird überall auf Deutsch gelehrt; Rechtsgelehrte und Theologen be- nötigen diese Sprache für ihre Studien; und schließlich müssen die Eltern dann kein Geld mehr ausgeben, um ihre Kinder zu den Deutschen zu schicken ‘ (Godard 1893: 114, 120, 204). Unmittelbar danach wurde die Stadt von französischen Truppen besetzt; wohl hielt sich die deutsche Sprache noch einige Zeit in Montbéliard, doch ihre Einwirkung unterschied sich nun nicht mehr von der Lage in anderen französischen Städten.

Kapitel VI: 1789-1800

Mehr denn je ist die sprachliche Lage in Frankreich nun von politischen Faktoren bestimmt. Die gesamte Sprachpolitik der französischen Revolution beruht auf wenigen einfachen Postulaten, die recht unterschiedliche, teilweise auch widersprüchliche Auswirkungen hatten. Das Postulat der Freiheit führte dazu, dass die Franzosen gegen diejenigen Sprachen eingenommen waren, die von den noch unterdrückten Völkern gesprochen wurden; dies betraf insbesondere das Deutsche, das in ihren Augen die Spuren des Feudalsystems und der Unterdrückung trägt. Freiheit setzt die Kenntnis der Gesetze voraus; Dialekte fördern jedoch die Unwissenheit und tragen zum Erhalt der Privilegien der Revolutionsgegner bei. 1 Der Fortbestand der Dialekte war unvereinbar mit dem Prinzip der Gleichheit. Der Adel war in ganz Frankreich zum Französischen übergegangen, doch in den unteren Schichten wurde weiter Dialekt gesprochen. Die unterschiedliche Sprache bildete eine Schranke zwi- schen den gesellschaftlichen Klassen und somit ein Hindernis auf dem Weg zur Gleichheit und Brüderlichkeit der Bürger. Ebenso stand sie der Einheit der Nation entgegen; ganze Provinzen waren der Nation durch ihre Dialekte weiter entfremdet und damit dem Prozess entzogen, der sämtliche Teile des Landes miteinander vereinen sollte. Die Dialekte sind mit dem Konzept eines einzigen unteilbaren französischen Staates nicht vereinbar. Zudem wurde der Erhalt der im Grenzgebiet gesprochenen Sprachen als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen. Sprecher von Dialekten galten nun als verdächtig: Das Herz eines Menschen, der eine fremde Sprache spricht, kann nicht ganz für Frankreich schlagen, er neigt dazu, sich mit dem Fremden zu verbünden. Zum Französischen überzu- gehen ist ein Akt staatsbürgerlicher Gesinnung; durch die weitere Verbreitung des Franzö- sischen trägt man zur Größe Frankreichs bei. Die Sprache ist das äußere Zeichen der Zuge- hörigkeit zur Nation. Dass diese Ansichten Auswirkungen auf die Lage des Deutschen in Frankreich haben mussten, liegt auf der Hand; in erster Linie erfolgte die landesweite sprachliche Einigung auf Kosten der germanischen Dialekte im Norden und Osten der Nation. Im romanischen Teil des Landes bestimmten im Wesentlichen zwei gegenläufige Migrationsbewegungen das Schicksal des Deutschen in dieser Zeit. Zum einen kamen zahl- reiche deutsche Anhänger der französischen Revolution nach Frankreich, was unmittelbare Auswirkungen hatte; zum anderen emigrierten zahlreiche Franzosen nach Deutschland, was sich natürlich erst bei deren Rückkehr in die Heimat auswirkte (siehe Kap. VII). Schließlich ist zu erwähnen, dass im Zuge der Neuordnung des gesamten Verwaltungssystems auch erste Schritte für die Einrichtung eines öffentlichen Schulwesens erfolgten, die den späteren Ausbau und die bessere Koordinierung des Fremdsprachenunterrichts vorbereiteten.

1 Diese Leitgedanken hat Barère besonders eindrücklich in seiner Rede vor der Konvention am 27. Januar 1794 vorgetragen; Réimpression (1841: 19, 317-320); Lévy (1929: II, 6ff.). 170 Kapitel VI: 1789-1800

1 Die Deutschen in Frankreich 2

Mit der Revolution änderte sich der Charakter der deutschen Immigration grundlegend. Es kamen nun keine Prinzessinnen mehr, um die Ehe mit einem Bourbonen einzugehen, auch keine Prinzen, um sich in Versailles zu vergnügen, mit Ausnahme einiger weniger, die mit Talleyrand über ihr politisches Schicksal verhandeln wollten. Auch Studenten kamen nicht mehr, um ihr Studium in Frankreich fortzusetzen, ebenso wenig wie Arbeiter, Kaufleute und Handwerker in nennenswertem Umfang; mit anderen Worten, aus praktischen oder beruflichen Gründen kamen nun relativ wenige aus Deutschland. Die Deutschen, von denen in diesem Kapitel die Rede sein wird, hatten sich zumeist schon vor 1789 in Frankreich aufgehalten.

1.1 „Politiker“ Aus ‚‘ ideologischen ‘ Gründen, wie man heute sagen würde, als ‚Politiker ‘ im weitesten Sinne des Wortes begaben sich dagegen viele Deutsche nach Frankreich, wie der junge Enthusiast in Goethes Hermann und Dorothea (Werke Bd. I, 50; Gesang 9: Urania). Der erste Verlobte seiner Heldin gibt alles auf, seine Liebe und die Heimat, „... als rasch die Liebe der Freiheit,/ Als ihn die Lust im neuen veränderten Wesen zu wirken / Trieb nach Paris zu gehen, dahin, wo er Kerker und Tod fand.“ Goethe wollte hier sicher keinen Einzelfall, sondern eine zeittypische Erscheinung schildern. Im Übrigen wissen wir, dass etliche deutsche Patrioten eigens nach Frankreich kamen, um an den Geschehnissen teilzuhaben oder zumindest das Land der Freiheit aus der Nähe zu sehen. Zu nennen ist hier in erster Linie Georg Forster, der bedeutende Reisende und Geograph. Er wurde 1754 in Nassenhuben bei Danzig geboren und 1788 zum Bibliothekar in Mainz ernannt. Ende 1792 führte er eine Delegation an, die nach Paris kam, um den Anschluss der Stadt Mainz an Frankreich zu fordern; 1794 starb er in Paris an einer Lungenentzündung. Ähnlich kam 1799 der Koblenzer Josef Görres als Mitglied der Depu- tation, die den Anschluss des linksrheinischen Rheinlands an die französische Republik forderte. Baron von Cloots (gen. Anarchasis Cloots), 1755 bei Kleve geboren, war schon als Elfjähriger erstmals in Paris; nach ausgedehnten Weltreisen kam er zurück und fiel bald als besonders feuriger Revolutionär auf; am 24. März 1794 wurde er guillotiniert. 3 Weniger tragisch war das Schicksal eines anderen deutschen Adligen: Graf Gustav von Schlabren- dorf, 1750 als Sohn eines hohen Beamten in Stettin geboren und Minister Friedrichs II., eilte schon zu Beginn der Revolution aus nach Paris, wo er bis zu seinem Tod 1824 lebte. Franz Michael Leuchsenring, 1746 in Langenkandel (Pfalz) geboren, verließ Berlin, wo er sich in literarischen Kreisen einen Namen gemacht hatte, und lebte ebenfalls bis ans Ende seiner Tage in Paris (von 1792 bis 1827). Zu nennen ist weiter der 1752 in Quedlinburg geborene Carl Friedrich Cramer, dem man 1794 wegen seines Eintretens für

2 Hierzu jetzt auch Ruiz (2007). 3 In sprachlicher Hinsicht war Cloots übrigens eher Franzose als Deutscher. Als Absolvent der Berliner Militärschule, an der die Schüler bestraft wurden, wenn sie eine andere Sprache als Französisch spra- chen, beherrschte er seine Muttersprache nie richtig; Mathiez (1918: 48f.). Die Deutschen in Frankreich 171 die Revolution den Lehrstuhl an der Universität Kiel entzogen hatte; auch er starb in Paris (1807). Erwähnt werden sollten auch Adam Lux, der zu Forsters Mainzer Delegation gehörte, sowie Dorsch und Hoffmann, ebenfalls aus Mainz. Kurz nach ihnen kamen mehrere Rheinländer, denen Repressalien drohten, weil sie für Frankreich eingetreten waren; weiter Johann Wilhelm von Archenholz, der Herausgeber der Minerva ; der Schlesier Karl Engel- bert Oelsner, Pariser Korrespondent der selben Zeitschrift und Sieyès ’ Vertrauter; der berühmte Buchhändler Johann Friedrich Cotta aus Stuttgart; Friedrich Heinrich Jacobi; Gerhard Anton von Halem aus Oldenburg; der Pädagoge Joachim Heinrich Campe, der am 18. Juli 1789 nach Frankreich aufbrach, um dem ‚Untergang der Tyrannei‘ beizuwohnen; dessen Schüler Wilhelm von Humboldt, der sich wiederholt (unter anderem von 1797 bis 1801) in Paris aufhielt, und der Journalist Georg Friedrich Rebmann, der 1796 von Altona nach Paris kam. 4 Auch viele andere Deutsche mit weniger klangvollen Namen, doch nicht minder ausgeprägter Begeisterung und Neugierde kamen nach Frankreich. Die meisten zog es nach Paris, doch gingen etliche auch in die Provinz. Viele machten Halt in Straßburg, wie Dorsch und Cotta, manche blieben dort, so Georg Koerner, ein Arzt aus Württemberg, und vor allem Eulogius Schneider, ein ehemaliger Franziskaner, der die Revolution im Elsass anführte. Einige Deutsche gingen auch nach Bordeaux und Lyon. Manche Holländer, die 1787 durch den Aufstand der Orangisten vertrieben wurden, ließen sich im Norden nieder, etwa in Saint-Omer; namentlich bekannt sind insbesondere die großbürgerliche Familie de Witt, die Bankiers van den Yver und de Kock, die Obersten Daverhoult und Daendels und der Hochschullehrer Walckenaer. 5 Ob die Deutschen nun in erster Linie aus politischen Gründen oder zu Studienzwecken nach Paris reisten, ist nicht immer eindeutig zu klären. Häufig traf beides zu, wie bei Wilhelm von Humboldts Reise im Jahre 1789; die erste Parisreise seines Bruders Alexander 1798 war dagegen ganz sicher nicht politisch motiviert. Zur selben Zeit kamen auch Johann Georg Heinzmann und Ernst Moritz Arndt, der sich 1798-1799 in Paris aufhielt; damals war er noch nicht der „Franzosenfresser“. August von Kotzebue hielt sich dort 1790 und 1804 auf; der Dichter F. von Matthisson war von 1788 bis 1793 als Erzieher in Lyon tätig. Ab 1795, als wieder etwas Ruhe eingekehrt war, reisten erneut mehr Deutsche nach Frankreich.

1.2 Künstler und Intellektuelle Auch bekannte deutsche Künstler und Musiker hielten sich in Paris auf, etwa der begabte Komponist Johann Friedrich Reichardt in den Jahren 1785, 1786 und 1792. Ignaz Joseph Pleyel kam von Straßburg aus 1795 nach Paris. In der Kapelle der Nationalgarde waren ebenso wie an dem 1795 gegründeten Konservatorium viele deutsche Musiker tätig. Um 1800 hatte David d’Angers zahlreiche deutsche Schüler. 6

4 Vgl. die ausführliche Einleitung von Hedwig Voegt zur Neuausgabe von Rebmanns Werken und Brie- fen (1990: I, bes. 33). 5 Mathiez (1918: 14f., 32, 41, 48, 188). Vgl. auch Mathorez (1919: 48); weiter Holzhausen (1914: 3ff.) und Bianquis (1939: 385ff.). 6 Vgl. Mathorez (1921: 48); Dussieux (1876: 95f.). 172 Kapitel VI: 1789-1800

Manche Deutsche waren in der Verwaltung tätig, auch in gehobener Stellung. Karl Friedrich Reinhard, 1761 in Schorndorf (Württemberg) geboren, war ab 1787 zunächst als Hauslehrer in Bordeaux tätig. Ab 1791 lebte er in Paris und machte eine glänzende Karriere im Außenministerium; unter dem Direktorium war er Außenminister, 1800 wurde er zum Mitglied des „Institut“ ernannt. Bis 1823 diente er als Botschafter an mehreren deutschen Höfen; er starb 1837. Ein anderer Deutscher namens Winkler war von 1798 bis 1804 am Pariser Medaillenkabinett tätig. Auch manche ausländische Diplomaten trugen zur Verbreitung des Deutschen und zur Förderung seines Ansehens bei, so Baron Erik Magnus Staël von Holstein, seit 1786 der Ehegatte von Germaine Necker, und Karl Gustav Freiherr von Brinckmann, der 1764 in der Nähe von Stockholm geboren wurde, in Halle, Jena und Leipzig eine rein deutsche Erzie- hung erhielt und als deutscher Schriftsteller bekannt wurde. Ab 1799 war er als schwe- discher Gesandter in Paris tätig und dort regelmäßig zu Gast bei Madame de Staël, Wilhelm von Humboldt und anderen Vertretern der deutschen Kultur. Weniger gut meinte es das Schicksal mit Friedrich Freiherr von der Trenck; 1726 in Königsberg geboren, kam er erstmals 1788 nach Paris, kehrte 1791 zurück und wurde am 25. Juli 1794 als ver- meintlicher Agent einer fremden Macht guillotiniert.

1.3 Ärzte Unter den Deutschen, die zur Zeit der Revolution in Frankreich ihr Geld verdienten, waren auch etliche Ärzte. Kotzebue (1805: II, 254) verdanken wir die folgende Schilderung ihrer offenbar eher unerfreulichen Lebensumstände: Ein deutscher [gesperrt] Arzt ist in Paris eben nicht in einer beneidenswerthen Lage. Die Einkünfte sind gering. Man muß fodern [sic; gesperrt], und dazu kann der bescheidene Deutsche sich anfangs nicht entschließen. Viele Reiche machen Ban- querout. Ueberdies kommt eine Menge deutsches Gesindel nach Paris, in der Hoff- nung, Glück zu machen, findet sich getäuscht, erkrankt durch Mangel und Kummer, wendet sich an den deutschen Arzt, und kann oft von diesem nur durch Wein und nahrhafte Speisen, die er selbst bezahlen muß, geheilt werden. 7 Johann Georg Heinzmann, wie Kotzebue Frankreichkenner, bestätigt seinerseits, dass man- che seiner Landsleute in einer misslichen wirtschaftlichen Lage waren. Am 14. Juli 1798 schreibt er aus Paris: „Ich habe viele Deutsche und Schweizer getroffen, die hier leben; ich glaube aber, dass nur sehr wenige ihr Auskommen finden“. Am 3. September äu ßert er sich allerdings ganz anders: Ich habe mehrere Deutsche kennengelernt, die hier zu Wohlstand gelangt sind; durch ihren Akzent, ihr ehrliches und offenes Gesicht, ihr bescheidenes Auftreten,

7 Anderes berichtet Reichardt (1804: III, 324f.): „Unter den jungen deutschen Aerzten, die hier Glück machen [sic] und sehr geachtet sind – unter denen ich Dir auch wohl schon den braven, verständigen Doctor Arbauer nannte – ist auch ein Doctor Löschen aus Hannover, dessen ausgebreiteter Be- kanntschaft mit Gelehrten und allen wissenschaftlichen Anstalten, und dessen überaus freundlicher Ge- fälligkeit ich schon manche interessante Bekanntschaft verdanke.“ (B.K.)

Die Deutschen in Frankreich 173

ihre Liebe zur Arbeit, ihre Zuverlässigkeit haben sie sich bei den Parisern beliebt gemacht. Weiter führt er aus: Ich habe einen Schneider getroffen, der aus Hessen stammt und hier seit mehr als dreißig Jahren ansässig ist. Er besitzt mehrere Häuser und ein großes Geschäft für Waren und Kleidung. An der Sprache erkennt man noch seine Herkunft. Ich habe ihn einmal gefragt, wie es möglich sei, dass er nach so langjährigem Aufenthalt in Paris nicht besser Französisch gelernt habe. Er antwortete: Gerade dadurch war ich vertrauenswürdig. Ich wurde als Ausländer und Deutscher bekannt; ich bin zwar nie auf meine Herkunft stolz gewesen, aber hier in Paris war sie mir nach meiner Erfah- rung von Nutzen. Von Anfang an wurde mir größeres Vertrauen entgegengebracht als ich erwartet hatte. (Heinzmann 1800a: 16, 102f.; ähnlich 1800b: 16, 76)

1.4 Handwerker und Kaufleute Viele deutsche Handwerker und kleine Geschäftsleute hielten es wohl für vorteilhafter, ihre Muttersprache so weit wie möglich zu bewahren, statt zur Sprache des Gastlandes über- zugehen; vor allem der deutsche Akzent galt als nützlich, er diente ihnen gewissermaßen als Aushängeschild. Auch in mehreren Provinzstädten waren deutsche Kaufleute in größerer Zahl zu finden; so waren von den zwanzig Mitgliedern des Versorgungs- und Handelsausschusses der Stadt Bordeaux fünfzehn Deutsche. Mit den deutschen Häfen bestand weiterhin reger Schiffs- verkehr. Auch in Lyon, Marseille und Nantes, ganz zu schweigen von den Städten im Os- ten, hatten Deutsche zur Zeit der Revolution verschiedene Ämter inne (Mathorez o. J.: 10f.; Leroux 1918: 165ff.).

1.5 Frauen Unter den damals in Frankreich ansässigen Deutschen spielten die Frauen wohl eine beson- ders wichtige Rolle, weniger durch ihre bloße Anwesenheit als dadurch, dass es manchen offenbar besser gelang als den Männern, ihre Sprache bei den Franzosen zu verbreiten. Zu denken ist hier zunächst an die Ehefrauen, Mütter und Töchter der deutschen Einwanderer, deren Aufgabe es war, den Gebrauch der Muttersprache in der Familie aufrecht zu erhalten und dafür zu sorgen, dass dies auch in der folgenden Generation so blieb. Weiter waren es hochgestellte Damen, die häufig in literarischen Kreisen verkehrten, und schließlich die Gruppe der deutschen Prostituierten. Die Prostitution war in Paris bald nach dem Ende der Schreckensherrschaft sehr verbreitet und wurde zu einem erheblichen Teil von Auslän- derinnen betrieben, wie aus Heinzmanns Bericht vom 1. September 1798 hervorgeht: „Un - ter den Freudenmädchen sind zahlreiche Schweizerinnen, Italienerinnen, Spanierinnen, Deutsche, Holländerinnen und Engländerinnen“ (1800a: 100). 8 Von den Damen der guten Gesellschaft seien bereits hier einige erwähnt, auf die wir im folgenden Kapitel noch näher eingehen werden: Minna von Cramm und Charlotte von Hardenberg, die beiden Gattinnen von Benjamin Constant, weiter die Holländerin Madame de Charrière, die Livländerin Freifrau von Krüdener und die Elsässerin Annette von

8 Natürlich ist es unmöglich zu ermitteln, welchen sprachlichen Einfluss sie auf die Freier hatten. 174 Kapitel VI: 1789-1800

Rathsamhausen, die ihrem künftigen Gatten Joseph-Marie de Gérando 1798 Deutsch- unterricht erteilte. In diesem Jahr hielt sich auch die 1771 in Berlin geborene Rahel Levin einige Zeit in Paris auf, wo sie bei Henriette Mendelssohn (1775-1831) wohnte, die in der rue Richer ein Mädchenpensionat leitete (Blennerhassett 1887-1889 II: 454). Deren Schwester Dorothea Veit kam etwas später nach Paris und heiratete dort 1804 in zweiter Ehe Friedrich Schlegel. Wilhelm von Humboldt traf in Henriette Mendelssohns Pensionat mit Rahel Levin zusammen, die ihrerseits bei Humboldt Madame de Staël begegnete (Blennerhassett 1887-1889 II: 455). Um die Jahrhundertwende entstand so ein Kreis von Liebhabern der deutschen Sprache und Literatur um Madame de Staël, in dem die Frauen eine bedeutende Rolle spielten. Aus einfacheren Verhältnissen stammte die Münchnerin Maria Josepha Kreslin; sie heiratete einen Diener aus der rue Mouffetard und brachte ihrem Sohn, Pierre-François- Charles Augereau, dem späteren Herzog von Castiglione, Deutsch bei (Chuquet 1904: 380). Zu erwähnen ist weiter, dass zahlreiche Frauen französischen Emigranten Deutsch- unterricht erteilten, allen voran Dorothea Schlözer aus Göttingen, Charles de Villers ‘ Muse.

1.6 Soldaten Infolge der Revolutionskriege und Invasionen bildeten die Soldaten zahlenmäßig das bedeutendste Kontingent Deutschsprachiger; in den ersten Jahren wurde es weiter verstärkt durch zahlreiche Schweizer Truppen, die in der mündlichen und schriftlichen Kommu- nikation stets die deutsche Sprache verwendeten. Die Bastille wurde im Juli 1789 von 92 Invalides und einer Abordnung der Schweizer Garde mit 32 Soldaten bewacht; das Kommando führte Leutnant Ludwig von Flüe, der aus Sachseln (Kanton Unterwalden) stammte. Seinen gewissermaßen amtlichen Bericht über die Ereignisse von der Ankunft bis zur Erstürmung der Bastille verfasste er in deutscher Sprache. 9 Wille (1857: II, 230) berichtet von einem Vorfall, der sich kurz nach der Revolution ereignete: Am 11. Oktober gingen Herr Daudet und ich in die Tuilerien; da nun aber der Zutritt zum Schloss verboten war, wandte ich mich auf Herrn Daudets Rat hin an einen Schweizer Soldaten, der den Eingang bewachte, und bat ihn auf Deutsch um die Er- laubnis, mit meinem Freund einzutreten; sogleich öffnete er uns höflich die Tür, und ich dankte ihm als Landsmann. Wie man sieht, fungierte die deutsche Sprache zuweilen geradezu als „Sesam, öffne dich“. Am 20. August 1792 wurden die Schweizer Regimenter als Sondereinheiten aufgelöst, und den Soldaten wurde nahe gelegt, sich den Infanteriebataillonen anzuschließen, die neu gebildet wurden; eine größere Zahl Offiziere und Soldaten folgte diesem Aufruf. 1798 wurden erneut Schweizer Spezialeinheiten gebildet, die helvetischen Legionen mit 18.000 Mann in sechs Halbbrigaden (Fieffé (1854: I, 380ff. und II, 36ff.). Da man Zweifel an der Einstellung der deutschen Regimenter hegte, verfügte die Nationalversammlung mit dem Dekret vom 21. Juli 1792 deren Auflösung, was dem Ge- brauch des Deutschen in der Armee allerdings keineswegs sogleich ein Ende setzte. Gene-

9 Französische Übersetzung in Fieffé (1854: I, 349ff.); vgl. auch Funck-Brentano (1900: 1). Die Deutschen in Frankreich 175 ral Marbot berichtet in seinen Mémoires (1891: I, 59), man habe ihm bei seinem Eintritt in die Armee einen Unteroffizier als Mentor zugewiesen, der ‚ein äu ßerst ungehobeltes Gemisch aus Französisch und Elsässisch sprach, was mei- nen Vater nicht weiter überraschte, da er wusste, dass das erste Husarenregiment das ehemalige Regiment des Grafen Bercheny war, dem ursprünglich nur Deutsche angehörten. Die Befehle wurden dort bis 1793 in deutscher Sprache erteilt, die unter den Offizieren und Husaren, die fast alle in den rheinischen Provinzen geboren waren, am stärksten verbreitet war. ‘ Die Soldaten der deutschen Regimenter blieben im Dienst Frankreichs und wurden anderen Einheiten zugeführt, in denen sie geschlossene Gruppen bildeten, wie aus P. M. Gillets Bericht aus dem Hauptquartier von Arlon vom 27. April 1794 hervorgeht. Demnach hatten deutschsprachige Soldaten der 173. Infanterie-Halbbrigade ein regelrechtes Komplott zur Fahnenflucht geschmiedet. Sie waren aufgebracht wegen der Anwendung des Gesetzes, das Soldaten, die Französisch weder lesen noch schreiben konnten, von der Beförderung ausschloss, und verlangten, das Gesetz müsse weniger strikt ausgelegt werden, damit Beförderungen auch für Soldaten, die Deutsch lesen und schreiben konnten, möglich waren (Brunot 1933: IX, 235). Zur selben Zeit, als die deutschen Regimenter aufgelöst wurden, bildeten deutsche Ein- wanderer, unter ihnen Anacharsis Cloots und Saiffert, eine neue deutschsprachige Einheit. Ihre Gründung wurde von staatlicher Seite mit dem Gesetz vom 4. September 1792 bestätigt. In kurzer Zeit kamen in dieser Einheit, die zunächst preußische, später vandalische und schließlich germanische Legion genannt wurde, etwa tausend Mann zusammen; am Ende bestand die germanische Legion aus mehreren Schwadronen Kürassieren und Dragonern, zwei Bataillonen Jägern zu Fuß und einer Abteilung Artillerie. Nicht nur Deutsche, Holländer, Schweizer, Elsässer und Lothringer dienten in dieser Legion, sondern auch Franzosen, darunter Augereau als Offizier. Befehligt wurde sie von den „vier Kommandeure n“, d.h. dem preußischen Oberst Dambach als Oberbefehlshaber, dem holländischen Oberst van Heuden, dem Hauptquartiermeister Schwartz aus Österreich und dem elsässischen Verwaltungsoffizier Beaufort-Schoenburg. Von den Kommandeuren konnte nur Oberst Dambach überhaupt kein Französisch, sondern sprach und schrieb nur Deutsch; die anderen beherrschten beide Sprachen. Nicht nur diese, auch andere wichtige französische Einheiten wurden von rein Deutschsprachigen befehligt; nicht viel anders sah es bei den von Kléber angeführten Truppen aus. Die deutsche Legion pflegte auf dem Weg in die Schlacht einen deutschen Marsch mit mehreren Strophen über die Menschenrechte zu singen. Sie bestand nur ein knappes Jahr, doch wurden die deutschen Soldaten in andere Spezialeinheiten integriert, darunter das Kasseler Jägerbataillon (1793), die nordfränkische Legion (1799) und die batavische Le- gion (1794). Der Blick auf die Namen der Offiziere und Soldaten vermittelt einen Eindruck von dem sprachlichen Durcheinander, das in der Legion geherrscht haben dürfte. Außer dem ehemaligen preußischen Offizier Oberst Dambach und dem Wiener Schwartz, der vor der Revolution fast zwanzig Jahre lang als „Dolmetscher im Parlament und im Châtelet“ gedient hatte, sind insbesondere zu nennen der in Dresden geborene preußische Deserteur Oberfeldwebel Dentzler, zuvor Unteroffizier im Regiment der Schweizer Garde, Hauptmann Klauprecht aus Mainz und Hauptmann Velauer aus Zweibrücken, die Offiziere 176 Kapitel VI: 1789-1800

Kock aus Neu-Breisach, Haindel aus Straßburg, Hille aus Colmar, Baur aus Altkirch, Paul aus Saarlouis und Nordon aus Metz. 10 Deutsche Offiziere in der französischen Armee gab es damals nicht nur in der germa- nischen Legion. Über den Oberkommandeur der Nordarmee Luckner, der 1791 zum Marschall von Frankreich ernannt worden war, sagte Minister Narbonne am 26. Februar 1792 in der Nationalversammlung, sein ‚Herz sei französischer als sein Akzent‘, was ihn allerdings nicht vor der Enthauptung am 4. Januar 1794 bewahrte. Kléber, 1753 als Sohn eines Straßburger Maurers geboren, hing in seiner Jugend und auch später als General sehr an seiner Muttersprache; am 21. November 1794, kurz bevor er seine im Westen kämpfenden Landsleute verlassen musste, um den Dienst in der Rheinarmee anzutreten, schrieb er an den Volksvertreter P.M. Gillet: ‚Zu meinem Trost wünsche ich, von Oberfeldwebel Ney begleitet zu werden, damit ich bei der Ankunft in dieser neuen Truppe wenigstens einen Menschen habe, der meine Sprache versteht. ‘11 Erwähnt werden sollten auch Prinz Karl Konstantin von Hessen-Rheinfels-Rothenburg, der als „Citoyen Hesse“ der Französischen Revolution d iente, sowie Heinrich Christian Michael von Stengel, 1744 in Neustadt an der Weinstraße geboren, der ab 1760 in französischen Diensten beim Regiment Elsass stand, 1795 zum Divisionsgeneral ernannt wurde und im Jahr darauf fiel; weiter Ehrmann, der aus dem Elsass stammte, und Denzel, der nach seiner Schulzeit in Dürkheim (Pfalz) Theologie in Halle studiert hatte; beide waren Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung. 12 Dass von diesen Offizieren und Soldaten der germanischen Legion und ähnlicher Trup- penteile etliche 13 dauerhaft in Frankreich ansässig wurden, überrascht nicht weiter. Erstaun- licher ist, dass möglicherweise auch tausende Soldaten der feindlichen Armeen in Frank- reich blieben. Überall im Südosten Frankreichs hielten sich zahlreiche deutsche Deserteure und Gefangene auf, 14 unter anderem in Dijon, Lyon und Avignon. Nach Laukhart (1796- 1802: IV. 1, 439) lagen im März 1794 „wenigstens 5000 Deserteurs und gewiß 6 bis 7.000 Kriegsgefangne“ in Dijon. Weiter berichtet Laukhard, er habe den Ärzten im Hospital, wo er selbst wegen einer Verwundung gepflegt wurde, als Dolmetscher bei der Versorgung der deutschen Kranken gedient (ebd., 441ff.). An anderer Stelle ist die Rede von einem deut- schen Deserteur, der in Dijon eine Französin heiratete (Laukhard 1786-1802: IV.I, 472). Heinzmann (1800a: 106) berichtet Ähnliches: Auf meiner Reise in Frankreich habe ich auch erfahren, dass mehrere Preußen, die bei dem Feldzug in der Champagne zurückgeblieben waren, dort geblieben sind und geheiratet haben. Schöne Handwerksbetriebe, die die jungen Franzosen zurücklassen mussten, als sie einberufen wurden, sind nun im Besitz von Deutschen [...] Ich habe

10 Vgl. Chuquet (1904: bes. 13, 28, 33f., 39ff., 60f.; Fieffé (1854: II, 21f.); Mathiez (1918: 67). 11 La révolution française V (1884: 76); zit. n. Brunot (1933: IX, 258). 12 Ausführlich zu Denzel siehe Laukhard (1796-1802: IV.1, 5ff.) 13 Auch nur annähernde Angaben zu ihrer Zahl zu machen, ist unmöglich. 14 Vgl. Laukhard (1796-1802: 2.1, 337f.): „Bey dieser ‚Armée révolutionnaire ‘ waren [1793 im Süden Frankreichs, B.K.] mehrere Bataillons, welche aus ausländischen Deserteurs und Kriegsgefangenen zusammengesezt waren, und sich den Ruhm der Tapferkeit miterwarben. “ Die Deutschen in Frankreich 177

Deutsche gesehen, die Schmieden, Wirtshäuser und Anwesen bewirtschafteten, die sie entweder gepachtet oder durch Heirat erworben hatten. Schon daraus erhellt, dass das Militär nicht unerheblich zur Verbreitung des Deutschen in Frankreich beitrug.

1.7 Weitere Hinweise auf die Präsenz der Deutschen Dass die genaue Zahl deutscher Migranten kaum zu ermitteln ist, liegt nicht nur am Fehlen statistischer Daten, sondern auch daran, dass viele der gerade in Frankreich angekommenen Deutschen nichts Eiligeres zu tun hatten, als ihren deutsch klingenden Namen zu ändern, der ihre Herkunft verriet. Chuquet (1904) nennt zahlreiche Beispiele; so änderten die Generäle Neuhaus und Hausner ihre Namen in Maisonneuve bzw. Ménageur, Cloots von Gnadenthal nannte sich Cloots du Val-de-Grâce, ein Speditionsangestellter namens Gross änderte seinen Namen zu Legrand. Jaeger, der aus Masevaux stammte und Soldat im Regiment Saintonge war, wurde Chasseur genannt. Andere Deutsche schrieben ihren Na- men nach der französischen Aussprache: Scheidhauer wurde so zu Chaidor, Weigand, der als Leutnant im Regiment Austrasie diente, zu Vainquant; Klinger, der Name eines Leut- nants im 107. Regiment, wurde gekürzt zu Klin oder Clain; Klauprecht und Velauer wurden von ihren Kamaraden Cloprec bzw. Velor genannt. In manchen Fällen lässt sich nicht mehr ermitteln, ob aus einem deutschen Namen ein französischer wurde oder umgekehrt. So wissen wir nicht, ob der aus dem damals franzö- sischen Landau stammende Zahlmeister der germanischen Legion ursprünglich Beaufort hieß und sich in Schönburg umbenannte, um in die Legion einzutreten (Chuquet 1904: 30), oder ob er den Namen Beaufort annahm, als er seinen Dienst antrat (Mathiez 1918: 67). Ebenso unklar ist dies bei einem anderen Offizier der Legion mit dem nahezu gleichlauten- den Namen Schönberg bzw. Beaumont. Am bekanntesten ist der Fall von Schwinden- hammer (1761-1830), der aus dem elsässischen Ferrette [Pfirt] stammte; er ersetzte seinen etwas schwerfälligen deutschen Namen durch La Martelière und ging unter diesem Namen als erster Übersetzer von Werken Schillers in die Literaturgeschichte ein. 15 Im Zuge der Revolution kamen so viele Deutsche nach Frankreich, dass sie eigene Klubs gründeten. Georg Forster versammelte seine Landsleute in der rue de la Jussienne; dem Klub der Mainzer Patrioten traten bald auch andere Deutsche bei. Der Klub der Schweizer Patrioten wurde am 6. Juni 1790 gegründet. Die Gründung einer Gesellschaft holländischer Sansculotten in Saint-Omer wurde im Moniteur vom 12. Dezember 1793 angezeigt (Mathiez 1918: 33, 38, 41). 1790 war das Café de Chartres, in dem man deutsche Zeitungen lesen konnte, ein Treff- punkt der in Paris lebenden Deutschen. Deutsche Lutheraner konnten zumindest in den ersten Jahren nach der Revolution noch den deutschsprachigen Gottesdienst von Pastor Christian Karl Gambs in der schwedischen Botschaft besuchen. 16 In einer der 75 freien Schulen in Paris und Umgebung fand der Unterricht in deutscher Sprache statt; es war

15 Hierzu ausführlich Doberenz (1883). (B.K.) 16 Chr. K. Gambs stammte aus dem Elsass; in Sessenheim hatte er Goethe kennengelernt (Wille 1857: II, 248). 178 Kapitel VI: 1789-1800 vermutlich die erste Schule für deutschsprachige Kinder im Pariser Großraum (Brunot 1933: IX, 467). Von einigen Deutschen, die sich während der Revolution und unmittelbar danach in Frankreich aufhielten, sind Reiseberichte erhalten, die ihren Landsleuten auch als Reise- führer dienen konnten. 17 Von den Reiseberichten im engeren Sinn seien hier Arndts Bruch- stücke einer Reise durch Frankreich (Arndt 1802) genannt, weiter Campes Briefe aus Paris (Campe 1790), Halem (1791),18 Schulz (1791), 19 Meyers Fragmente aus Paris (1798), 20 Oelsners Bruchstücke (Oelsner 1794) und vor allem Forsters Ansichten (Forster 1794) In der Zeitschrift Minerva erschienen Georg Kerners „Briefe eines Deutschen aus Paris“. 21

2 Die Franzosen und das Deutsche

2.1 Urteile über die Sprache

2.1.1 Ablehnende oder abwertende Urteile Nach Barère (1794) haben bestimmte ‚Idiome‘, allen voran das Flämische und Deutsche, ‚zum Erhalt des Fanatismus und des Aberglaubens beigetragen, die Herrschaft der Priester, der Adligen und Ärzte gesichert ‘; ‚diese Sprachen könnten den Feinden Frankreichs nüt- zen ‘; ‚die Einwanderung und der Hass auf die Republik sprechen Deutsch‘.22 Andere Revolutionäre sahen im Deutschen eine ‚Sklavensprache‘. In einem Bericht von 1794 schreibt F.R.A. Mallarmé, ‚das deutsche Idiom entehre weiterhin die S prache der Republikaner ‘, und die Franzosen im Dep. Mosel sollten ‚diese grobe deutsche Sprache‘ hassen, ‚da sie andernorts von Sklaven gesprochen werde‘ (zit. n. Lévy 1929: II, 10). Rousseville war der Ansicht, ‚der harte und schwierige Klang des Deutsche n sei allein geeignet, Sklaven Befehle zu erteilen, Drohungen auszusprechen und Stockschläge zu zählen ‘.23 Monet, Goujon, Saint-Just und andere Revolutionäre schlossen sich dieser Auffassung an (Lévy 1929: II, 7-17). So lautete also das gewissermaßen offizielle Urteil

17 Vgl. die unter 1.3 bzw. 1.6 erwähnten Titel von Kotzebue, Laukhard und J. G. Heinzmann. Letzterer ist auch der Verfasser des Nouveau Parlement français et allemand à l’usage des deux nations (o. J., um 1800). Das Lehrwerk war zugleich für den Deutschunterricht an Franzosen und den Franzö- sischunterricht für Deutsche gedacht, vermutlich aber eher für Deutsche geeignet, die Französisch ler- nen wollten; es enthält ein französisch-deutsches Vokabular und eine Auswahl von Briefen in beiden Sprachen. 18 Eine französische Übersetzung von A. Chuquet erschien 1896 u. d. T. Paris en 1790 . 19 Nur der erste Band ist erschienen; 1801 legte Heinrich B. eine Fortsetzung u. d. T. Neues Paris, die Pariser vor (B. 1801). 20 Im selben Jahr erschien die französische Übersetzung von General Dumouriez, ebenfalls in Hamburg. 21 „Zwei Briefe eines Deutschen aus Paris“, in: Minerva , Bd. 3 (1792), 453-502; „Geschichte des 10ten August, in Briefen geschrieben in Paris“ in: Minerva , Bd. 4 (1792), 89-132; „Folgen des 10ten Augusts. In Briefen aus Paris“, in: Minerva , Bd. 4 (1792), 67-84. (B.K.) 22 Barère, Discours-programme vor der Konvention am 27.Januar 1794 ( Réimpression de l’Ancien Moni - teur XIX: 317-32); zit. n. Lévy (1929: II, 7f.). 23 Rousseville, Dissertation sur la francilisation de la ci-devant Alsace, Strasbourg, ce 1 er Ventôse (an II); zit. n. Lévy (1929: II, 10). Die Franzosen und das Deutsche 179

über das Deutsche, genauer gesagt über die deutschen Dialekte im Norden und Osten Frankreichs. In zeitgenössischen Schriften wird das Deutsche häufig als Kauderwelsch bezeichnet, nicht nur von Politikern, die von Sprachen nicht viel verstanden. Oehlenschläger, der lange in Paris lebte, berichtet, ein Franzose habe um 1790 auf die Frage eines Landsmanns, ob die Deutschen eigentlich eine Sprache hätten, mit Nein geantwortet und erläutert: ‚sie sprechen nur eine Mundart, verstehen sich aber untereinander ‘.24 Ähnlich schreibt Laukhard, der allerdings die französischen Emigranten nicht ausstehen konnte: Diese elenden Menschen verachteten uns Deutsche mit unsrer Sprache und unsern Sitten ärger, als irgend ein Türk die Christen verachtet. [...] Unsre Sprache verstan- den sie nicht, und mogten sie auch nicht lernen: sie nannten sie ‚jargon de cheval, de cochons ‘ – Pferde= und Schweinesprache, u.s.f. 25 Viele französische Emigranten legten keine derartige Geringschätzung der deutschen Spra- che an den Tag, hatten jedoch auch keinerlei Interesse daran, insbesondere wenn sie nie in Deutschland gewesen waren. Mit dieser Missachtung und Unkenntnis der Sprache ging ihre Missachtung der deutschen Literatur einher. Dagegen war im Magasin encyclopédique (1797: V, 439) zu lesen: ‚Die deutschen Werke sind zu wenig bekannt, leider sind nur wenige übersetzt wor- den, so dass viele Leute glauben, es sei nicht wichtig, diese Sprache zu lernen, und annehmen, es gebe nicht genug deutsche Schriftsteller, die zu lesen sich lohne‘.26 Als ein entscheidendes Argument gegen die Erlernung des Deutschen wird immer wieder die vermeintliche Schwierigkeit der Sprache angeführt, wobei es nicht so sehr um den Er- werb von Anfangskenntnissen ging als vielmehr um die Beherrschung der Sprache auf einem höheren Niveau. Als besonders schwierig galt die Übersetzung aus dem Deutschen ins Französische. F. Daniel de Pernay, der nach Weimar emigriert war, rechtfertigte sich Goethe gegenüber für seinen missglückten Versuch, Teile des Wilhelm Meister ins Franzö- sische zu übertragen: ‚Wohl bin ich gescheitert, doch gewiss werden Sie die gute Absicht erkennen und bedenken, wie schwierig Ihre Sprache für den Kopf und mehr noch den Mund eines Franzosen ist, und dass es mir schwer fällt, sie zu beherrschen, weil ich sie erst seit

24 Oehlenschläger (1850: II, 56). – Im Original lautet der Text: „ [...] ich entsinne mich auch der Anecdote von einem F ranzosen, der seinen Landsmann fragte: ‚Les allemands, est ce qu’ils ont une langue?’ ‚Non‘, entgegnete dieser, ‚ils parles [sic] seulement un patois [gesp.]; mais ils se comprennent entre eux [gesp.].“ (B.K.) 25 Hier zit. n. der Originalausgabe (1796-1802: III., 35). 26 Das Zitat ist der Rezension eines Deutschlehrwerks für Franzosen (Samuel Heinrich Catel, Exercices de prononciation, de grammaire et de construction pour faciliter aux Français l’intelligence et l’usage de la langue allemande entnommen, die in der genannten Zeitschrift (1797: V, 432-441) erschien. Der Rezensent, Th. Fr. Winckler, nutzt die Gelegenheit, um die Vorurteile der Franzosen gegenüber der deutschen Sprache ausführlich zu widerlegen und ihre Vorzüge hervorzuheben. Interessant ist in dieser Besprechung auch der abschließende Hinweis auf die Ähnlichkeit des Deutschen mit dem Englischen, die die Erlernung der deutschen Sprache erleichtere (B.K.). 180 Kapitel VI: 1789-1800

ungefähr drei Jahren lerne, seit ich in Deutschland bin. ‘ (Brief vom 15. Februar 1796; zit. in Baldensperger 1911: 16). Ähnlich bemerkte Baudus, einer der Herausgeber des Spectateur du Nord :27 ‚der Genius des Deutschen ist so andersartig, so weit entfernt von dem unserer Spra- che, dass es unter den toten und lebenden Sprachen [...] keine gibt, die schwieriger zu übersetzen ist ‘ (Le Spectateur du Nord 1797: I, 205). Er selbst hatte diese Erfahrung bei dem Versuch gemacht, eine Ode von Klopstock zu über- setzen. Gabriel Sénac de Meilhan, der ehemalige Intendant des Aunis, der Provence und des Hennegau, der ebenfalls nach Deutschland geflüchtet war, geht in seiner Lettre à Mon- sieur Klopstock ausführlich auf die Schwierigkeiten ein, die ihm die Übersetzung von Klopstocks Gedichten bereitete: ‚In der deutschen Nation herrscht eine Tiefe des Gefühls, die sich stark auf die Spra - che auswirkt. Auch religiöse Ideen haben hier größeren Einfluss, und aus diesen beiden Befindlichkeiten der Seele ergeben sich notwendig zahlreiche Verände- rungen der Gedanken, und sprachliche Wendungen und Ausdrücke, die sich im Französischen womöglich gar nicht wiedergeben lassen. Zu dieser Einsicht bin ich, verehrter Herr, gelangt, als ich Ihre Elegie übersetzt oder besser gesagt paraphrasiert habe ‘ (Sénac de Meilhan 1795: II, 73-101; Zitat S. 87).

2.1.2 Wohlwollendere Urteile Die französischen Übersetzer klagten zwar über die Schwierigkeit der deutschen Sprache, betonten jedoch auch deren Schönheit. Baudus führte im Spectateur du Nord (1797: I, 208f.) aus, ‚die Genauigkeit der deutschen Sprache, die Kühnheit der Wortstellung, die Fülle und der Reichtum ihrer Eigenschaftswörter verliehen der deutschen Dichtkunst unnachahmliche Schönheit ‘. Ähnlich spricht Adrien de Lezay-Marnésia (1769-1814) im Vorwort seiner Übersetzung des Don Carlos von dem Reichtum und der ‚Geschmeidigkeit ‘ der deutschen Sprache: ‚Wer einen Deutschen und einen Franzosen ansieht, würde wohl kaum vermu ten, dass von den beiden Sprachen die deutsche die geschmeidige ist, die französische dagegen die starre ‘ (Lezay o. J. [1799]: V). Cabanis preist das Deutsche in seinen Mélanges de littérature allemande : ‚nicht nur ist es reich und fruchtbar ‘, es ist zudem die Sprache, die ‚nicht nur zu Recht als die am meisten verbreitete Sprache Europas gilt ‘, sondern auch ‚den Anschein erweckt, sie sei in der selben Form gegossen wie das Griechische ‘ (Cabanis 1797; zit. n. Eggli 1927: I, 172). Dieser Vergleich mit dem Griechischen taucht in zeitgenössischen Schriften wiederholt auf; so betont Boulard in seinem Essai d’un nouveau cours de langue allemande , ‚die

27 Zu den französischen Zeitungen, die bereits vor der Französischen Revolution in Hamburg erschienen (und allgemein zu den französisch-hanseatischen Beziehungen im Zeitraum 1685-1789), siehe jetzt Ko- pitzsch & Stephan-Kopitzsch (1992) mit Hinweisen auf die neuere Forschung. Die Franzosen und das Deutsche 181 deutsche Sprache habe den Vorzug der griechischen, zusammengesetzte Wörter zu besit- zen, die mehrere Gedanken miteinander verknüpfen ‘ (Boulard 1798: 3; ausführlicher hierzu siehe unten 2.2.2.4). Portalis (1820; zit. n. Tronchon 1920: 205) verweist auf die beson- deren Vorzüge des Deutschen bei der Übersetzung griechischer Werke und meint, die Zeit, in der man Deutsch ‚nur für den Krieg‘ gelernt habe, in der Französisch die Universal- sprache Nordeuropas und Englisch die Sprache der Wissenschaft gewesen sei, sei nun vor- über. De Meilhan gesteht ‚der deutschen Sprache gro ßen Reichtum ‘ zu und hebt hervor, Klopstock habe durch ‚die Erfindung etlicher Wörter und den neuartigen Gebrauch man - cher Ausdrücke ‘ zur weiteren Bereicherung des Deutschen beigetragen (Sénac de Meilhan 1795: II, 97). Am Ende seines Schreibens äußert er den Wunsch, die deutsche Sprache möge ebenso beständig werden wie die französische, was jedoch angesichts der politischen Verhältnisse ausgeschlossen sei: ‚Ist ein Land in mehrere Regierungen aufgeteilt, so kann die Sprache keine Beständigkeit erlangen ‘ (Sénac de Meilhan 1795: II, 101). Auch Charles de Villers wägt Vor- und Nachteile des Deutschen ab. Seine Aussage, Deutschland sei ‚inmitten Europas durch eine schöne, aber schwierige Sprache‘ isoliert (de Villers 1798: VII, 10), wird später durch den Hinweis darauf relativiert, dass die deutsche Sprache für ihre Dichter keineswegs schwer und unflexibel ist: ‚Für sie ist ihre Sprache nicht schwer, denn sie sind seit ihrer Kindheit damit ver - traut; schwierig erscheint das Deutsche nur im Vergleich mit anderen Sprachen, schwierig klingt es nur für die Ohren derjenigen, für die es eine Fremdsprache ist ‘ (de Villers 1799: XII, 18). Franzosen, die Deutschland bereist hatten, empfanden besonders die süddeutschen Mundarten als eher hart, waren sich jedoch einig in der (im Übrigen schon zuvor vertre- tenen) Ansicht, das Sächsische klinge besonders oder doch vergleichsweise angenehm. Nach Meinung der Emigranten ‚fallen die Sachsen und Sächsinnen durch ihren besonders angenehmen und kulti - vierten Geist auf. Vor allem die Frauen besitzen für jeden, der in Süddeutschland gelebt hat, eine unsagbar reizende Sprache und Aussprache ‘ (zit. n. Baldensperger 1924: I, 65).

2.2 Mittel zum Spracherwerb

2.2.1 Reisen, Emigration Infolge der politischen Ereignisse sahen zehntausende Franzosen sich zur Flucht nach Deutschland gezwungen. Diese Emigrationsbewegung setzte unmittelbar nach dem 14. Juli 1789 ein und nahm in den folgenden Jahren immer größere Ausmaße an. Von den rund 150.000 französischen Revolutionsflüchtlingen etablierten sich die meisten in deutsch- sprachigen Ländern. Nicht einmal zur Zeit der Hugenottenvertreibung waren so viele Franzosen nach Deutschland ausgewandert. Die Hugenotten hatten ihr Land endgültig verlassen, so dass sie zur Kenntnis des Deutschen in Frankreich kaum beitrugen; die Revolutionsflüchtlinge waren dagegen von dem Wunsch beseelt, so rasch wie möglich wieder heimzukehren. Wohl blieben einige in Deutschland, so Adalbert von Chamisso, der 182 Kapitel VI: 1789-1800 seine Heimat in der Champagne als Zehnjähriger verlassen hatte; 28 die meisten kehrten jedoch zurück nach Frankreich, manche schon zur Zeit des Direktoriums, viele nach der großen Amnestie vom 9. Dezember 1799, die unversöhnlichsten erst nach dem Sturz Napo- leons. Viele Franzosen lebten also fast ein Jahrzehnt, manche sogar ein Vierteljahrhundert in Deutschland. Im Hinblick auf das Eindringen des Deutschen in Frankreich wirkte die Emigration sich natürlich erst nach der Rückkehr der Flüchtlinge, zur Zeit des Empire, in vollem Umfang aus (siehe Kap. VII). Auf den sprachlichen Einfluss der Emigranten, ihre Kontakte zu Deutschen und einzelne Persönlichkeiten soll jedoch schon hier eingegangen werden. Im Übrigen gab es neben den Revolutionsflüchtlingen nach wie vor Franzosen, die aus wirtschaftlichen Gründen oder aus Interesse an der deutschen Literatur nach Deutschland kamen. 29 Benjamin Constant und Adrien de Lezay-Marnésia, die infolge der Revolution länger als geplant in Deutschland bleiben mussten, waren keine Emigranten im engeren Sinne. Constant kehrte nach seinem ersten Aufenthalt zu Studienzwecken in Erlangen (1782-1783) 1787 nach Deutschland zurück. Im Frühjahr 1788 kam er in Braunschweig an, wo sein Vater ihm eine Stellung als Edelmann am Hof verschafft hatte; im Jahr darauf heiratete er. Bei der Rückkehr nach Frankreich sechs Jahre später besaß er umfassende Deutschkenntnisse (Rudler 1909). Adrien de Lezay-Marnésia begab sich 1790 zum Studium der Rechte nach Göttingen; angesichts der politischen Ereignisse in Frankreich zog er es vor, bis nach dem 9. Thermidor [d.i. dem 27. Juli 1794] zu bleiben. In Göttingen wurde er mit Bürger bekannt und lernte so gut Deutsch, dass man ihm später verschiedentlich die vermeintlichen Germanismen in seiner Übersetzung des Don Carlos vorhielt. Seinen guten Sprachkenntnissen verdankte er auch die spätere Berufung an die Koblenzer Präfektur für das Rhein-Mosel-Gebiet und an die Präfektur des Unterelsass. Camille Jordan (1771 geb.) und Joseph-Marie de Gérando (1772 geb.), die beide aus Lyon stammten, erwarben ihre Deutschkenntnisse auf sehr ähnliche Weise. Gemeinsam traten sie die Flucht über die Schweiz an und ließen sich in Tübingen nieder, um Deutsch zu lernen. In Weimar lernte Jordan dann Herder, Wieland, Schiller und Goethe kennen und begeisterte sich für Klopstock, dessen Werke er nach seiner Rückkehr nach Frankreich übersetzte. De Gérando verbesserte seine Deutschkenntnisse, während er im Elsass als Offizier stationiert war. Dort verlobte er sich mit Anna von Rathsamhausen, die sich ebenso für die deutsche Literatur begeisterte wie er; sie unterstützte und ermutigte ihren Verlobten nach Kräften, indem sie ihm etwa am 17. Februar 1798 aus Colmar schrieb: ‚Ihre Fortschritte in der deutschen Sprache erstaunen uns, sie sind wirklich ganz außerordentlich ‘. Und weiter: ‚Ich komme zurück auf Ihr Studium der deutschen Sprache, das mich überaus erfreut; es wird Ihnen gewiss allerlei Vergnügen verschaffen ‘ (de Gérando 1880: 45ff.). Der Dichter Charles-Julien de Chênedollé lebte jahrelang in Deutschland, davon zwei Jahre in Hamburg; er pflegte hauptsächlich Umgang mit Emigranten, lernte aber dennoch wohl ein wenig Deutsch, wenigstens nach Ansicht seiner Biographin (de Samie o. J.

28 Auch er kehrte jedoch für einige Zeit nach Frankreich zurück, wie wir noch sehen werden. 29 Brochant de Villiers studierte damals Mineralogie im sächsischen Freiberg; französische Künstler hiel- ten sich weiterhin in Deutschland auf, ebenso wie Soldaten und Diplomaten. Die Franzosen und das Deutsche 183

[1920]: 56ff.). Auch er verkehrte mit Klopstock, Gessners Werke waren ihm eine Quelle der Inspiration, und Goethe ein Vorbild; möglicherweise war er es, der seinem Freund Châteaubriand die Beschäftigung mit der deutschen Kultur nahe legte. Von allen Emigranten hatte zweifellos Charles de Villers die umfassendsten Deutsch- kennntnisse. 1765 in Boulay geboren, im deutschsprachigen Teil Lothringens, dürfte er mit der Sprache bereits recht vertraut gewesen sein, als er 1791 nach Deutschland kam. Nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst studierte er zunächst in Münster (Westfalen), dann ab 1796 in Göttingen, wo ihm Dorothea Schlözer, die Tochter eines seiner Hoch- schullehrer, Unterricht in deutscher Sprache und Literatur erteilte. Er machte so gute Fortschritte, dass er selbst für einige Zeit auf einen Lehrstuhl in Göttingen berufen wurde. Franzosen, die die sprachlichen Voraussetzungen für eine Universitätsprofessur in Deutschland mitbrachten, waren damals sehr selten. Charles de Vanderbourg, ein ehemaliger Marineoffizier, reiste nach Holstein zu Jacobi und den Stollbergs; er lernte dort so gut Deutsch, dass er nach der Rückkehr in die Heimat 1802 einen Teil seines Lebensunterhalts mit Übersetzungen und Studien zur deutschen Literatur bestreiten konnte. Graf Narbonne, der in Straßburg schon vor der Revolution in Berührung mit dem Deutschen gekommen war, floh 1792 in die Schweiz, ging dann nach Schwaben und schließlich nach Sachsen; erst 1800 kehrte er nach Frankreich zurück. Er hatte in diesen Jahren so gut Deutsch gelernt, dass er Schiller den Vorschlag unterbreiten konnte, Wallensteins Tod ins Französische zu übersetzen. Auguste Duvau, 1771 in Tours geboren, lebte von 1792 bis 1802 in Deutschland; zunächst verbrachte er zwei Jahre mit einem Freund in Bocholt, um gründlich Deutsch zu lernen. Er machte so rasche Fort- schritte, dass er bei seiner Ankunft in Weimar im Frühjahr 1795 überaus wohlwollend empfangen wurde, da ‚schon seine ungewöhnlichen Deutschkenntnisse für ihn einnahmen‘. In Weimar lernte er Wieland und Goethe kennen; der Briefwechsel mit Goethe erfolgte stets in deutscher Sprache. Nach der Rückkehr in die Heimat veröffentlichte Duvau 1803 seine Erfahrungen in deutscher Sprache ( Wie fand ich mein Vaterland im Jahre 1802 wieder? ). Der 1758 geborene Jean-Joseph Mounier, mit dem er im Exil befreundet war, kam 1794 nach Weimar und gründete dort eine Schule im herzoglichen Schloss Belvedere. Er kam in Begleitung seines damals zehnjährigen Sohnes Edouard, der das Deutsche dank seines jugendlichen Alters ebenso gut wie seine Muttersprache zu beherrschen lernte; in der Zeit des Empire und der Restauration spielte er eine bedeutende Rolle in der Verwaltung. Sophie von Schardt schrieb in einem Brief an Madame de Staël, E. Mouni er sei ‚ganz voller deutscher Bücher ‘.30 Bescheidenere Deutschkenntnisse hatte der Schriftsteller Louis de Fontanes (1757- 1821),31 der sich 1797, zur selben Zeit wie Chênedollé, in Hamburg aufhielt, aber immerhin Interesse an Kants Philosophie bekundete. Bei Villèle 32 hinterließ ein Aufenthalt in

30 Am 8. August 1808; diese beiden Zitate ohne Nachweis in Lévy (1950: 218). 31 Als erster „Grand maître de l’université“ erledigte er später die deutsche Literatur in Stapfers Anwe- senheit mit einem Scherz. Stapfer berichtet in einem Brief, er ‚habe ihn in Verlegenheit gebracht, indem er ihn unverblümt fragte, ob er die deutsche Sprache beherrsche; er konnte kein Wort Deutsch.‘ (Bibliothèque Universelle de Genève , August 1848; zit. n. Duméril 1933: 69). – Zur Bedeutung von Philipp Albert Stapfer (1766-1840) für das Deutsche in Frankreich siehe auch Kap. VII, 2.2.1, 2.3.1 und 2.4.5 (B.K.). 32 Wohl der Politiker Joseph de Villèle (1773-1854) (B.K.). 184 Kapitel VI: 1789-1800

Wolfenbüttel offenbar keine bleibenden Erinnerungen an die deutsche Sprache. Der Abbé Delille hatte sich in Darmstadt, Frankfurt, Göttingen, Braunschweig und Hamburg aufgehalten und stand in Verbindung mit Heyne und Klopstock; seinen Versuch, die Messiade zu übersetzen, gab er bereits nach den ersten Versen entsetzt auf. Von Rivarol war auf Grund seiner Geringschätzung des Deutschen ohnehin nicht zu erwarten, dass er sich in irgendeiner Form um den Erwerb der Sprache bemühen würde; er konnte ebenso wie Baudus und viele andere Franzosen kaum Deutsch. Dagegen lernte der 1753 in Montpellier geborene General Mathieu Dumas, der erstmals 1793 und erneut nach dem 18. Fructidor [d.i. dem 4. September 1797] emigrierte, in Ham- burg geradezu leidenschaftlich Deutsch. Jacobi berichtet 1799 in einem Brief von Dumas ‘ erstaunlichen Fortschritten in der Sprache. De Pernay wagte sich nach dreijährigem Aufenthalt in Deutschland an die Übersetzung des Wilhelm Meister , musste sein Vorhaben jedoch schon bald wieder aufgeben (vgl. oben 2.1.1). In Westfalen übersetzte der aus Dijon stammende Abbé Denis Robelot Schwabs Preisschrift von 1784 über die Universalität der französischen Sprache (Robelot 1803). Der Marquis de Tresne, der zuvor Vertreter des Generalstaatsanwalts am Parlament von Toulouse gewesen war, lebte von 1793 bis 1797 in Hamburg; ähnlich wie Sénac de Meilhan scheiterte er bei dem Versuch, Klopstocks Mes- siade zu übersetzen. Ganze Familien gingen dazu über, Deutsch zu lernen. Im Spectateur du Nord (1797: III, 49) wird über eine Emigrantenfamilie mit fünf Töchtern im Alter von 16 bis 24 Jahren berichtet: ‚Entgegen den sonstigen Gepflogenheiten ihrer Landsleute sind sie von dem Wunsch beseelt, Deutsch zu lernen, und haben bereits große Fortschritte gemacht ‘. Ähnlich sah es bei der Familie Fouquet in Weimar aus. Die Eltern widmeten sich mit Goethe der Insektenkunde; dieser schenkte ihrer Tochter Renée ein Buch, für das sie sich brieflich bedankte: Ich kann nicht sagen, wie mich Ihr liebenswürdiges Geschenk glücklich gemacht hat, mit welchem Fleisse will ich die deutsche Sprache lernen, weil Sie mir eine sol- che Belohnung geben, die ich doch noch nicht verdiene; verzeihen Sie mir meine Verwenheit [sic], Ihnen deutsch schreiben zu wagen, aber bald hoffe ich das Lesen von Ihren bewundernswürdigen Schriften wird mich verbessern.33 Auch andere Flüchtlinge befassten sich mit dem Deutschen: Madame de Beaumont interes- sierte sich für Kant; 34 Madame de Genlis, Madame de Montagu und Madame de Noailles gehörten zum Kreis um Klopstock. Andere adlige Damen mussten sich wohl oder übel der Alltagssprache zuwenden. Madame de Milon betrieb in Hamburg eine Herberge, die Gräfin d’Astfeld handelte mit Le bensmitteln, Madame de Bermond mit Modewaren. Daudet (1904-1907: I, 132f.) zeichnet ein bemerkenswertes Bild all dieser Damen, die mit Kurz- waren oder Parfüm handelten, Obst und Gemüse auf der Straße verkauften, als Näherinnen, Flickerinnen, Verkäuferinnen, Lehrerinnen, Krankenpflegerinnen, Blumenhändlerinnen und zuweilen auch in eher anrüchigen Berufen tätig waren. Sie alle mussten bei ihrer Tätigkeit

33 Zit. in Baldensperger (1911: 21). Renée de Fouquet lebte später als Gattin des Grafen Bertier von 1803 bis 1845 im Schloss von Lagrange bei Thionville, genau an der Sprachgrenze, und konnte dort ihre Deutschkenntnisse nutzen. 34 Die Schriftstellerin Pauline de Montmorin, comtesse de Beaumont (1768-1803) (B.K.). Die Franzosen und das Deutsche 185 ständig Deutsch sprechen, lernten aber vermutlich weder eine perfekte Aussprache noch ein besonders gepflegtes Deutsch. Diese Sprachkenntnisse blieben ihnen wohl auch nach der Rückkehr in das Schloss der Familie oder das herrschaftliche Stadthaus am Faubourg Saint- Germain erhalten. 35 Manche Emigranten zogen in sprachlicher Hinsicht keinen Nutzen aus ihrem Aufenthalt in Deutschland; viele lernten jedoch recht ordentlich Deutsch, was sich noch bis Mitte des 19. Jh. auf die Verbreitung der Sprache in Frankreich auswirken sollte. Insgesamt waren Deutschkenntnisse zu Anfang des 19. Jh. weniger verbreitet, als man dies angesichts des Ausmaßes der Emigration vermuten könnte [...]. Die genannten Beispiele vermitteln insofern ein verzerrtes Bild der Lage, als wir viel mehr über jene Emigranten wissen, die großen sprachlichen Gewinn aus ihrem Zwangs- aufenthalt in Deutschland zogen, als über die anderen, die die Sprache kaum lernten. Die Wirklichkeit sah anders aus. 36 Die Emigranten, über die wir berichtet haben, gehörten fast alle der gesellschaftlichen und geistigen Elite an, die grundsätzlich eher geneigt, interessiert und geeignet war, eine zweite oder dritte Sprache zu lernen. Unter den weitaus zahlrei- cheren kleinen Leuten wurde vermutlich weniger Deutsch gelernt als in den privilegierten Kreisen. Im Übrigen war die Lage der französischen Flüchtlinge dem Erwerb von Deutsch- kenntnissen nicht eben förderlich; es fehlte an Mitteln und Zeit für einen geregelten Unter- richt über längere Zeit. Die besser gestellten Emigranten hatten Umgang mit den entspre- chenden deutschen Kreisen, in denen Französisch gesprochen wurde, und lebten vielfach isoliert in geschlossenen Kolonien 37 am Rande der deutschen Gesellschaft, in der steten Hoffnung auf baldige Rückkehr in die Heimat, was für viele Grund genug war, sich gar nicht erst um Spracherwerb zu bemühen. Manche gaben sich wirklich nicht die geringste Mühe, um die Sprache des Landes zu erlernen, das sie aufgenommen hatte. Die Einstellung gegenüber dem Deutschen reichte von völliger Gleichgültigkeit bis zu offener Feindseligkeit. Laukhards bereits zitierte Aus- sage über die Emigranten mag voreingenommen sein; objektiver ist vermutlich der Bericht

35 Weitere Namen mehr oder weniger bekannter Emigranten nennen Daudet (1904-1907), Dupouy (1913: 36ff.), Reynaud (1922: 93, 97, 99), Joret (1899: 265ff., bes. 278, 283f., 288) und (1900: 1ff.), Joret (1907: 503, 505, 534, 537, 551), Texte (1898b: 8ff.), Baldensperger (1913: 6ff., 14ff., 17), (1924: I, 262f., 280), (1911: 14, 16, 21), Seillière (1921: 133, 138) und Süpfle (1886-1890: I, 209, 215f., II: 75f., 91). 36 Der sprachliche Nutzen eines Auslandsaufenthalts hängt im Übrigen nicht unbedingt vom gesell- schaftlichen Status der Person ab. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war uns ein Berliner Arbeiter bekannt, der nach nur einjähriger Kriegsgefangenschaft sehr gut Französisch sprach, weiter ein franzö- sischer Volksschullehrer, der ohne Grundkenntnisse des Deutschen in den Krieg zog und bei der Rück- kehr aus der Gefangenschaft so gut Deutsch konnte, dass er einige Jahre später die Agrégation [Prüfung für das Lehramt Deutsch] bestand. Umgekehrt gab es auf deutscher wie auf französischer Seite ver- meintlich Gebildete, die keinerlei sprachlichen Nutzen aus ihrem Aufenthalt im anderen Land zogen. 37 Der Koblenzer ‚Hof ‘ ist fraglos d as bekannteste Beispiel; solche Kolonien entstanden auch in Hamburg, im Umfeld des Spectateur du Nord (dazu gehörten u. a. Baudus, Rivarol, Madame de Genlis, Abbé Delille, Abbé Louis, Abbé de Pradt; de Villers, Chênedollé, Sénac de Meilhan), in Göttingen (Lezay- Marnésia, Norvins, de Launay, Livron, Laboulay und wiederum de Villers), in Heidelberg, Weimar und anderen Orten. 186 Kapitel VI: 1789-1800 des Weimarer Gymnasialdirektors Karl August Böttiger 38 über den Gräzisten Jean-Baptiste Gaspard d’Anse de Villoison (1750 -1805), wonach dieser einen jeden mit einer Fluth von Worten [überschwemmte], […] in 2 Jahren, daß er sich hier aufhielt, kein Wort Deutsch [lernte] (worüber Wielanden mehr als einmal die Galle gewaltig überlief) [...]. (Böttiger 1838/1998: 38) Dass die bereits erwähnte Mutter mit ihren fünf Töchtern so eifrig Deutsch lernte, entsprach eben nicht „den sonstigen Gepflogenheiten ihrer Landsleute“, wie es der Spectateur du Nord ausdrückt. Das Bild des liebenswürdigen, frivolen Grafen d’Erfeuil, das Madame de Staël in ihrem Roman Corinne zeichnet, beschreibt die Haltung eines bestimmten Typs von Emigranten wohl recht gut. Der Graf gesteht freimütig: Ich bin Ihnen sehr verbunden, Mylord, [...] daß Sie mich aus diesem Deutschland wegbringen, wo ich vor Langeweile vergehe [...], denn die Menschen in diesem Lande sind die besten der Welt; aber ich kann nicht ein Wort Deutsch, und Sie werden zugeben, daß es etwas langwierig und mühsam wäre, wenn ich es jetzt lernen wollte. (de Staël 1838: II, 430f., dt. 1979: 11f.) Zum Glück gab es auch Emigranten, die anders dachten. So wandte sich Charles de Villers an seine Landsleute im Exil mit dem dringlichen Aufruf: ‚Lasst uns ihre Sprache lernen!‘ (1798: 9). In unzähligen Fällen bedurfte es keines solchen Aufrufs, denn viele Franzosen waren auf Grund wirtschaftlicher Notwendigkeit gezwungen, die Sprache zu erwerben, wenn sie nicht verhungern wollten. All die Grafen, Vicomtes und Barone, die sich nun als Laufburschen, Schriftsetzer, Schuster, Buchhalter, Lastträger, Hausierer betätigten, hatten gar keine andere Wahl. Über die Emigranten, die durch die Umstände genötigt waren, mit den Einheimischen in engeren Kontakt zu treten, schreibt Georg Brandes: ‚Diese Auslandsaufenthalte hatten besonders tiefgreifende Auswirkungen in den Fällen, wo die Umstände zu einem mehrjährigen Aufenthalt fern der Heimat zwan- gen. Auf die Soldaten übte die Fremde nur für kurze Zeit oberflächlichen Einfluss aus, auf die Emigranten war dieser dagegen stark und dauerhaft. Die französischen Emigranten sahen sich genötigt, die Fremdsprachen etwas gründlicher zu erlernen, und sei es nur, um Unterricht in der eigenen Sprache geben zu können ‘.39 Das ist jedoch eine ebenso unzulässige Verallgemeinerung wie die Behauptung, die Emigranten hätten überhaupt kein Deutsch gelernt; im Hinblick auf die Lage der Emigran- ten muss stets differenziert werden. Zudem ist auch hier entscheidend, was man jeweils unter Sprachbeherrschung versteht – nur die Fähigkeit, sich nach dem Weg zu erkundigen oder um ein Glas Wasser zu bitten? Dafür reichten die Deutschkenntnisse vermutlich bei fast allen Emigranten aus. Oder sind Hör- und Textverständnis gemeint, die Fähigkeit, den Gang der Gedanken zu erfassen, darüber zu diskutieren und sie gegebenenfalls in der Mut-

38 Böttiger lebte von 1760 bis 1835. Vgl. jetzt auch das Vorwort von René Sternke in Böttiger (1838/1998: 5-24). 39 Das Zitat ist nicht „Joret, Les origines de l’influence allemande “ entnommen, wie in Lévy (1950: 221, Anm. 4) angegeben, sondern Texte (1898b: 9), der leider keine genaueren Angaben zu seiner Quelle macht. Die Franzosen und das Deutsche 187 tersprache wiederzugeben? Dann ist nicht zu bestreiten, dass viele Emigranten, auch die aus besten Kreisen, bei ihrer Rückkehr in die Heimat nicht besser Deutsch konnten als bei der Flucht. Zu bedenken ist auch, dass es unzählige Abstufungen zwischen völliger Unkenntnis und perfekter Beherrschung einer Sprache gibt. Insofern ist es schwierig, den Beitrag der Emigration zur Verbreitung des Deutschen in Frankreich genau zu ermessen. Ohne die Emigration wären jedenfalls kaum so viele Franzosen in unmittelbare Berührung mit dem Deutschen gekommen.

2.2.2 Deutschunterricht Die Revolutionäre waren sich der Bedeutung des Unterrichts für die Bildung der Menschen und Staatsbürger durchaus bewusst, verfügten jedoch nicht über genügend Zeit, Ruhe und konkrete Mittel, um eine solide Infrastruktur zu schaffen. Ihre pädagogischen Maßnahmen hatten daher keine dauerhaften Auswirkungen, wie der Fall des Deutschunterrichts besonders deutlich zeigt.

2.2.2.1 Zielvorstellungen Schon vor 1789 war die Forderung nach Unterricht in den lebenden Fremdsprachen in einigen Eingaben, die vom Dritten Stand ausgegangen waren, erhoben worden.40 Kurz nach der Revolution stellte die Universität Toulouse einen Antrag auf ‚einen Lehrer für Spanisch und Italienisch, und wenn möglich, auch einen für die englische Sprache, die für die schöne Literatur und die Wissenschaften so hilfreich ist ‘ (Liard 1888-1894: I, 405). Hier ist zwar nicht die Rede vom Deutschen, 41 doch zeugt der Antrag immerhin von einem gestiegenen Interesse an lebenden Fremdsprachen. In einem Lyoner Projekt zur Neuordnung des Unterrichtswesens aus dem Jahr 1790 wurde Unterricht in zwei lebenden Fremdsprachen gefordert (Chabot & Charlety 1901: 27). Vor allem aber zeigte sich dieses Interesse in Paris, wo ständig neue Wünsche und Vor- schläge geäußert wurden. Als stellvertretender Direktor des Collège des Grassins legte der Abbé Audrein der Nationalversammlung am 11. Dezember 1790 ein Mémoire sur l’éducation nationale française vor, in dem er sich für den Unterricht ‚de r wichtigsten Sprachen Europas ‘ an der Universität aussprach. Ein halbes Jahr später, am 11. Juni 1791, unterbreitete Dom Ferlus vom ehemaligen Orden Saint-Maur der Nationalversammlung sein ‚Projekt für das Unterrichtswesen‘, in dem er insbesondere für den Deutschunterricht an sämtlichen Universitäten eintrat; selbst Studenten der Rechtswissenschaften sollten neben ihrer fachlichen Ausbildung Deutsch lernen (Liard 1888-1894: I, 126ff.). Andere Projekte sind mit berühmten Namen verbunden: Lacépède, Kurator des Naturalienkabinetts am Jardin du Roi, sprach sich für Englisch- und Deutschunterricht im fünften Schuljahr aus (Lacépède 1790: 29); Talleyrand entwarf 1791 eine Verordnung, 42 nach der in Paris ein großes Nationalinstitut entstehen sollte, als ein im wesentlichen naturwissenschaftlich aus-

40 In Bordeaux, Essonnes und Vouvant [Kleinstadt in der Vendée]; Champion (1884: 13f.). Gemessen an der großen Zahl der Eingaben waren solche Forderungen insgesamt eher selten. 41 Was sich aus der Lage der Stadt im Süden hinreichend erklärt. 42 Der Entwurf ist auf den 10.-19. September 1791 datiert. 188 Kapitel VI: 1789-1800 gerichteter Zweig der Universität; die bestehenden Fakultäten sollten die berufsvorberei- tenden Studiengänge übernehmen. An diesem Nationalinstitut war auch Deutschunterricht vorgesehen. Condorcet legte am 20.-21. April 1792 ein Projekt vor, nach dem die ‚Klasse für die Einbildungskraft ‘ (d.h. für Literatur und schöne Künste) in lebenden Fremdsprachen und moderner Literatur unterrichtet werden sollte. Gedacht war an drei Fremdsprachen, die nach der geographischen Lage der Schulen ausgewählt werden sollten (Liard 1888-1894: I, 139ff., 159). Bereits hier zeichnet sich die Tendenz ab, das Unterrichtsangebot in den lebenden Fremdsprachen an den örtlichen Gegebenheiten auszurichten: Spanisch und Italienisch im Süden, Englisch im Westen, Deutsch im Osten. Das steht in dieser Form zwar nicht mehr in den Lehrplänen, ist aber de facto weitgehend so geblieben. Trotz des häufigen Wechsels von Regierungen und Staatsformen in diesem Zeitraum wurde grundsätzlich an dem Vorsatz festgehalten, dem Fremdsprachenunterricht mehr Bedeutung einzuräumen; entsprechend äußerte sich etwa Lakanal 1795 in seinem Bericht über die Ecoles Centrales. J. J. Lalande setzte sich nach seiner Rückkehr aus Gotha (1798), wo er die deutsche Sprache und Wissenschaft kennen und schätzen gelernt hatte, für die Errichtung eines Lehrstuhls für Deutsch am Collège de France ein (Eggli 1927: 172; Tronchon 1920: 84). Politiker, Pädagogen, aufgeklärte Bürger waren sich der Notwendigkeit bewusst, das Unterrichtswesen nach dem Zusammenbruch des Ancien Régime neu zu gestalten. Anträge zu entwerfen und Wünsche zu äußern ist indessen weitaus einfacher, als sie tatsächlich umzusetzen.

2.2.2.2 Neugestaltung Die zahllosen Beschlüsse und Projekte führten kaum zu greifbaren Ergebnissen, die Be- stand hatten. Lalandes Bemühungen trugen erst etwa 45 Jahre später Früchte, doch es gab nach wie vor nicht genügend geeignete Kandidaten. Ausländer waren als Lehrer nicht erwünscht, und hinreichend qualifizierte Franzosen gab es nicht. In diesem Mangel an geeigneten Kandidaten für den Fremdsprachenunterricht ist die wesentliche Ursache für das Scheitern der Bemühungen zu sehen. Zudem erhoben manche auch grundsätzliche Einwände, so 1796, als der Rat der Fünfhundert über den Gesetzesentwurf zur Einführung der lebenden Fremdsprachen im Schulwesen beriet. In der Sitzung vom 3. September 1796 war Lamarque engagiert und überzeugend für den Fremdsprachenunterricht eingetreten: ‚Ich denke, ein Gesetz, das die Fremdsprachen von unseren öffentlichen und natio - nalen Schulen fernhielte, würde unseren Handelsbeziehungen schaden, es stünde dem Fortschritt der Wissenschaften, der Erforschung der Geschichte, der Kenntnis der Völker und damit dem Erhalt der wahren Moral und der Freiheit entgegen, die nur Bestand haben können, wenn sämtliche Mittel zur Verbreitung der Aufklärung zusammenwirken [...] Es wird eingewendet, dass zu weitgehende Fremdsprachen- kenntnisse zur Verbreitung der politischen Ideen unserer Nachbarn führen könnten. Ebenso gut könnte man aber auch sagen, dass unsere politischen Ideen dadurch eher bei den ausländischen Völkern bekannt würden und sich durchsetzen könnten. Knechtschaft wird allein durch Unwissenheit begünstigt. ‘ Der Rat der Fünfhundert war jedoch der Meinung, ‚wer Fremdsprachen erlernen wolle, solle in die Länder reisen, wo sie gesprochen werden ‘. Daraufhin unternahm Lamarque Die Franzosen und das Deutsche 189 einen weiteren Vorstoß, indem er beantragte, für die Ecoles Centrales des Dep. Seine je- weils einen Lehrer für Deutsch, Englisch und Russisch einzustellen (F.M. 1947: 12).

2.2.2.3 Schulen In anderen Fällen scheiterten ähnliche Versuche daran, dass Neugründungen von Schulen sich nicht halten konnten. An dem Ende 1792 in Lyon gegründeten Institut pour l’éducation publique wurde Spanisch, Italienisch und Deutsch unterrichtet – allerdings nur für kurze Zeit, denn das Institut bestand nicht lange. Auch am Lycée de la ville, das nach der Abschaffung der Ecole Centrale gegründet wurde, wurden keine Fremdsprachen unterrichtet (Chabot & Charlety 1901: 31, 96). Nicht einmal am renommierten Pariser Athénée, wo Italienisch und Englisch gelehrt wurden, gab es Deutschunterricht.43 Über konkrete Ergebnisse ist mithin kaum etwas zu berichten. Die Dekrete von Talley- rand und Condorcet blieben Entwürfe; zwei andere wurden verabschiedet, blieben aber folgenlos. Am 15. September 1793 erschien ein Erlass über die Einführung von Fremdsprachen in der 4. Sektion (Literatur und schöne Künste) an einigen Schulen. Romme 44 setzte sich für den Unterricht der Fremdsprachen ‚in ihrer Verbindung zu den Wörtern, der Geschichte, unseren Beziehungen zu unseren Nachbarn ‘ ein (Erlass vom 20. Oktober 1793; Beauchamp 1880-1898: I, 37). Lakanal und Daunou erließen Dekrete für die Ecoles Centrales, die große Neuerung der Revolution im Sekundarschulwesen. Lakanals Erlass vom 25. Februar 1795 enthält eine Liste der Lehrkräfte an diesen Schulen; an allerletzter Stelle steht ‚ein Lehrer für die jeweils örtlich angemessene Fremdsprache ‘. Daunous Erlass vom 25. Oktober 1795 sieht für die erste Sektion (der 12- bis 14jährigen Schüler) der Ecoles Centrales vor : ‚4° Einen Lehrer für lebende Fremdsprachen, wenn die Verwalter des Departements dies für angemessen halten und sie vom Gesetzgeber dazu ermächtigt wurden ‘ (Gréard 1887: III, 238ff.; Beauchamp 1880-1898: I, 37). 45 Besser erging es dem Deutschen in Metz, in unmittelbarer Nähe der Sprachgrenze.Während der Revolution war dort eine Schule mit Deutsch als Unterrichtsfach gegründet worden; als sie 1796 durch die Ecole Centrale ersetzt wurde, blieb die Deutschlehrerstelle auf Antrag der Stadtverwaltung erhalten (Lévy 1929: II, 54, Anm. 2). In Lille wurde dem Fremdsprachenunterricht schon bei der Gründung der Ecole

43 Kotzebue (1805: II, 82f .) berichtet Näheres über dieses Institut: „Das Athenäum von Paris ist ein seit 19 Jahren bestehendes vortreffliches Institut, zu welchem sich die Herren jährlich mit 96 Franken, und die Damen mit 48 Franken abonniren. Dafür erhalten sie nicht allein das Recht, täglich von 9 Uhr Morgens bis 11 Uhr Abends, in den schönen Sälen des Athenäum [sic] unter gewählter Gesellschaft zuzubringen, und alle daselbst befindliche periodische Schriften zu lesen, ferner, den gutbesetzten Concerten beizu- wohnen, die monatlich zweimal gegeben werden, sondern – was die Hauptsache ist – sie können dafür auch fast alle Wissenschaften und Sprachen bei den besten Lehrern und Meistern erlernen; denn Mon- tags lesen Fourcroy und Mirbel daselbst über Chemie und Botanik; Dienstags Biot, Cüvier, Boldoni, Physik, Naturgeschichte, italiänische Sprache; Mittwochs Lavit, Sicard, Roberts, Perspective, Gramma- tik, englische Sprache, auch ist derselbe Tag musikalischen Unterhaltungen bestimmt. Donnerstag Garat und Thenard, Geschichte und Chemie; Freitag Hassenfratz, Guingené, Boldoni, Technologie, Literar- geschichte, italiänische Sprache; endlich Sonnabends, Biot, Süe, Vigée und Roberts, Physik, Anatomie, schöne Literatur, und englische Sprache.“ (B.K.) 44 Charles Gilbert Romme (1750-1793), Mitglied des Unterrichtsausschusses. (B.K.) 45 Diese beiden Bedingungen sollten sich später als sehr wirksam herausstellen. 190 Kapitel VI: 1789-1800

Centrale ein eigener Raum zugewiesen und sogar ein Lehrstuhl für Englisch vom Verwaltungsrat ausgeschrieben; mangels Kandidaten fand offenbar jedoch weder ein Berufungsverfahren noch Unterricht statt (Peter 1912: 136, 151f.). Wenn so etwas in Flandern möglich war, erstaunt es nicht weiter, dass es keinen Fremdsprachenunterricht an der Ecole Centrale von Angoulême (Boissonnade & Bernard 1895: 266f.) gab, ebenso wenig wie in Tulle, Brive (Clément-Simon 1892: 192f.) und vermutlich an fast allen anderen Schulen in Mittelfrankreich. Das lag nicht an mangelndem Interesse seitens der Behörden vor Ort, die sich durchaus für die Einstellung von Fremdsprachenlehrern einsetzten. So hatte die Verwaltung des Departements Lehrer für die Ecole Centrale von Grenoble bei dem Gesetzgebenden Corps beantragt, eingestellt wurde jedoch niemand (Chuquet 1902: 22). Besonders interessant ist der Fall der Militärschule von Vendôme, an der Deutsch und Englisch unterrichtet wurde (vgl. Kap. V, 2.2.2.2). Obwohl mit dem Dekret vom 9. September 1793 die Abschaffung sämtlicher Militärschulen verfügt wurde, fand der Unterricht in beiden Fremdsprachen in Vendôme weiter statt, mit den selben Lehrern, die zuvor an der Militärschule tätig gewesen waren. Unmittelbar nach dem Dekret vom 25. Oktober 1795 ersuchte das Direktorium des Departements auf Antrag der Gemeindeverwaltung von Vendôme das Gesetzgebende Corps um die Genehmigung, Lehrerstellen für lebende Fremdsprachen einzurichten. Die Begründung lautete, ‚lebende Fremdsprachen seien in Vendôme von jeher mit Erfolg gelehrt worden, es habe stets Nachfrage nach diesem Unterricht gegeben, und die Schüler ersuchten derzeit mit Nachdruck darum ‘. Hier wäre es ein Leichtes gewesen, die beantragte Genehmigung zu erteilen, da geeignete Lehrkräfte zur Verfügung standen. 46 Ob der Antrag bewilligt oder abgelehnt wurde, ist nicht bekannt; jedenfalls hat es an der Ecole Centrale von Vendôme keine Fremdsprachen- lehrer gegeben. Hier führte die Gründung einer Ecole Centrale eigenartigerweise nicht nur nicht zu dem von Lakanal geforderten Fremdsprachenunterricht, sondern setzte dem bereits bestehenden ein Ende. Dass sich die Schüler ‚mit Nachdruck ‘ für die Unterweisung in Fremdsprachen aussprachen, darf vielleicht bezweifelt werden, doch bestand in Vendôme, wo schon seit langem Deutsch- und Englischunterricht angeboten wurde, wohl durchaus Interesse am Erlernen lebender Fremdsprachen. Auch waren die Direktoren des Internats, das der Schule angeschlossen war, bemüht, den Wünschen der Eltern und der Schüler entgegenzukommen. Aus der Liste der besten Schüler geht hervor, dass dort Englisch- und Deutschunterricht angeboten wurde (Bonhoure 1912: 259). Auch an anderen Orten wurde der Deutschunterricht in die Lehrpläne aufgenommen. So ist einer Aufstellung vom 1. Juni 1796 zu entnehmen, dass rund fünfzig Schüler am Institut für Gewässerkunde in Dünkirchen Italienisch, Spanisch, Englisch oder Deutsch lernten (Peter 1912: 48).

46 Auf den Listen der Lehrer an mehreren Sekundarschulen von Vendôme im Zeitraum 1792-1810 er- scheint auch ein Deutschlehrer namens Fischer. Die Franzosen und das Deutsche 191

2.2.2.4 Lehrkräfte und Lehrwerke Am ‚republikanischen Gymnasium‘ in Paris gab es um die Jahrhundertwende fakultativen Deutschunterricht. Er wurde von Matthias Weiss 47 gehalten, der zunächst von einer geringen Interessentenzahl ausging; tatsächlich meldeten sich jedoch ebenso viele Schüler wie für den Englisch- und Italienischunterricht. Winckler beabsichtigte, an einer Ecole Centrale oder einer anderen öffentlichen Schule kostenlosen Deutschunterricht anzubieten (Tronchon 1920: 84, Anm. 4). Die Tätigkeit der uns namentlich bekannten Lehrer (Fischer in Vendôme; Weiss, Winckler und Huguet 48 in Paris) beweist eindeutig, dass man auch außerhalb des eigentlichen Schulbetriebs Deutsch lernen konnte. Die Namen der Deutsch- bzw. Englischlehrer (Fischer, Weiss und Winckler bzw. Crook und Thomas in Vendôme) zeigen zudem, dass der Fremdsprachenunterricht meist in den Händen von Muttersprachlern lag. Winckler war Deutscher, Weiss Ungar mit deutscher Muttersprache. Fischer, über dessen Herkunft leider nichts Näheres bekannt ist, stammte möglicherweise aus dem Elsass; er bezog übrigens, wie sein englischer Kollege in Vendôme, ein relativ gutes Gehalt in Höhe von 1.500 Livres, was dem Gehalt der Lehrer für die sechste bis dritte Klasse entsprach (Bonhoure 1912: 225). Dass ein Sprachlehrer ebenso viel verdiente wie ein Lehrer der dritten Klasse, war in jener Zeit äußerst selten und verdient daher besondere Erwähnung. Bemerkenswert ist weiter die relativ große Zahl von Deutschlehrwerken, die im Zeit- raum 1789-1800 erschienen. Sobald sich die politische Lage etwas beruhigt hatte, wurden mehr Lehrwerke veröffentlicht als je zuvor; allein im Jahr 1798 erschienen sechs Titel, darunter der Essai d’un nouveau cours de langue allemande (Boulard 1798), in dem laut. Untertitel ‚die besten Gedichte von Zacharias, Kleist und Haller in Auswahl‘ enthalten waren, ‚samt zweier Übersetzungen ins Französische, deren eine ganz wörtliche das Erlernen des Deutschen erleichtern soll ‘.49 Ähnlich verfuhr Boulard bei seiner Ausgabe von Lessings Fabeln (Lessing 1799): Der deutsche Text wird zunächst mit einer wörtlichen Interlinearübersetzung, dann mit der Übersetzung in gutem Französisch und schließlich nur im Original wiedergegeben; ‚auf diese Weise [kann] ein jeder den deutschen Originaltext mit oder ohne Hilfestellung lesen, je nach Sprachbegabung ‘.50 Boulard (vielleicht war es auch sein Verleger) nennt in der Einleitung zu seinem Essai sämtliche Deutschlehrwerke, die den Franzosen Ende des 18. Jh. zur Verfügung standen; die Konkurrenz schien er demnach nicht zu fürchten: ‚Der Citoyen Koenig hat kürzlich (1798) eine 12. Auflage von Gottscheds Gramma - tik veröffentlicht, die allgemein sehr geschätzt wird. Deutschlernende können zudem mit Gewinn die Grammatiken von Kern, Catel und Goebel zu Rate ziehen, ferner

47 Weiss war vermutlich durch die Hintertür als Lehrer an diese Schule gekommen und bot seinen Deutschunterricht auf eigene Verantwortung an. Er veröffentlichte auch eine Auswahl deutscher litera- rischer Texte ( Choix de différens morceaux de littérature allemande ; Weiss 1798; XXIX, 322 u. 60 S.) und übersetzte Werke von Kotzebue. 48 Boulard (1798: III) nennt Huguet, ‚Lehrer der deutschen Sprache, wohnhaft in Paris, rue d’Argent euil ‘, als einen seiner Gewährsleute. 49 Weiter dankt der Verfasser dem Verlagsbuchhändler Koenig ‚für seine Bereitschaft, die Druckfahnen des deutschen Textes durchzusehen‘. 50 So die Besprechung des Werks im Magasin Encyclopédique XXIX (1799), 366. 192 Kapitel VI: 1789-1800

das bei Collignon in Metz erschienene Grammatiklehrbuch des Citoyen Fontallard, das Deutschlehrwerk von Gerau de Palmfeld, 51 Junckers Introduction à la lecture des auteurs allemands , den Auszug von Adelungs Grammatik, der von dem Citoyen Fuchs verlegt wurde, 52 die 1787 bei Benoît Marin erschienene deutsche Grammatik des seither verstorbenen Adam und Junckers Pensées libres sur l’art de la guerre ‘ (Boulard 1798: III). 53 Eines der genannten Lehrwerke, Goebel ( 21798; zuerst 1796), liefert uns ein gutes Beispiel für die Konzeption der Deutschgrammatiken jener Zeit. Es bietet außer einer analytischen Grammatik in drei Teilen (Wortartenlehre, Morphologie und Syntax; S. 5-200) im ‚An - hang ‘ eine ‚praktische Grammatik‘ mit Übungen zur Übersetzung, Aussprache und Konver- sation sowie eine kleine Chrestomathie in deutscher Sprache (S. 201-348). Die Beispiel- sätze sind zum Teil albern, das Deutsche ist keineswegs einwandfrei; dennoch war das Lehrwerk seinerzeit offenbar sehr beliebt. 54 Heinzmanns Nouveau Parlement (Heinzmann o. J.; vgl. oben Anm. 17) ‚enthält die Grundlagen der Aussprache, der Deklinationen und Konjugationen, ein Vokabular, eine Dialogsammlung, einen Briefsteller etc. ‘; auch von der Auswahl literarischer Texte mit französischer Übersetzung (Weiss 1798) war bereits kurz die Rede. Erwähnenswert ist weiter, dass einige Buchhändler nun dazu übergingen, sich auf den Druck und Verkauf deutschsprachiger Werke zu spezialisieren; immer häufiger begegnen ab dieser Zeit die Namen der Buchhändler Koenig, Treuttel & Würtz und Levrault, die Niederlassungen in Straßburg und in Paris hatten, und des Verlegers Collignon in Metz.

2.2.3 Deutschkenntnisse So ist einiges bekannt über die Lehrwerke und Lehrkräfte, auch über den Erwerb von Deutschkenntnissen durch französische Emigranten (Duvau, Jordan, de Gérando, de Villers, de Vanderbourg, Narbonne, Lezay-Marnésia u. a.), recht wenig dagegen über den Spracherwerb in Frankreich selbst. Winckler, der die Fortschritte des Deutschen in Frank- reich begrüßte, berichtet , ‚viele Leute lernten die Sprache und bedauerten, es nicht schon früher getan zu haben ‘; Namen nennt er allerdings nicht. Überliefert ist dagegen, dass Jean- Victor Moreau, der spätere Sieger der Schlacht von Hohenlinden (1800), damals Deutsch lernte, und dass Prony 55 sich zumindest mit dem Gedanken trug, die Sprache zu lernen (Tronchon 1920: 84, Anm. 4). Auch Madame de Staël begann gegen Ende des 18. Jh., sich für das Deutsche zu interessieren. Andere mehr oder weniger bekannte Franzosen, die zu jener Zeit Deutschkenntnisse besaßen, sind General Augereau (vgl. oben 1.5), der Gefreite Ouy von der berittenen Garde

51 Kern (1789; 21796); Catel (1798); Goebel (1798); Pontallard (1797) – in der von Lévy (1950: 228) zitierten Quelle wohl irrtümlich: Fontallard – ; Palmfeld (1768). Palmfeld hatte 1766 auch eine Über- setzung von Gottscheds Grammatik vorgelegt. 52 Boulard bezieht sich hier vermutlich auf Adelung (1789), d.i. Reichels 1789 erschienene französische Übersetzung der Deutschen Sprachlehre von 1781. 53 Juncker (1763), (1764); Adam (1779-1787). 54 Zu Goebel (1798) siehe Caravolas (2000: 94f.). 55 Vermutlich Gaspard de Prony (1755-1839), ab 1794 Professor für Mathematik an der Ecole Polytechnique. (B.K.) Die Franzosen und das Deutsche 193 in Paris, der aus der Franche-Comté stammte, zuvor in Deutschland gedient hatte und ‚etwas Deutsch sprach‘ (Chuquet 1904: 53), der Mineraloge Brochant de Villiers, der Astronom J. J. Lalande, der Mediziner Cabanis, der Jurist A. G. Camus und der Abbé Gré- goire (Eggli 1927: I, 172). Über Cuvier, der die deutsche Sprache ebenfalls beherrschte, schreibt Ch. de Villers, er habe ihn eines Tages dabei überrascht‚ wie er ‚Schellings Ge - danken zur Naturphilosophie entzifferte ‘. Wilhelm von Humboldt berichtete Goethe 1798 aus Paris: „Der gefälligste und tätigste Mensch in dieser Anstalt [d. h. im Museum des Jardin des plantes] ist Cuvier, der zugleich volkommen gut deutsch weiß“. 56 Aubin-Louis Millin (1759-1818), Kustos des Medaillenkabinetts und Herausgeber des Magasin encyclopédique , hatte sieben Jahre Deutsch gelernt. 57 An Böttiger schrieb er eines Tages: ‚Ich kenne Bruckmanns und Lessings Werke nicht nur vom Namen; ich habe sie gelesen und zitiert ‘.58 Nur vor der Frakturschrift schreckte er zurück und bat seine deutschen Korrespondenten, die lateinische Schrift zu verwenden. 59 Natürlich beherrschten auch Schriftsteller, die aus dem Deutschen übersetzten, wie Auguste-Simon d’Arnay, André Chénier, Louis-Sébastien Mercier und Auguste Creuzé de Lesser, 60 die Sprache mehr oder weniger gut; doch nicht alle Übersetzer hatten ausreichende Sprachkenntnisse. So musste Delille bei seinem Versuch, Klopstocks Messias zu übertragen, den Text zunächst wörtlich ins Französische übersetzen, bevor er an die eigentliche Übertragung gehen konnte. Nachdem Ch. de Villers die Geschichte von Abbadona für ihn übersetzt hatte, gab er sein Übersetzungsvorhaben ganz auf (Baldensperger 1913: 17). Creuzé de Lesser musste für seine französische Nachdichtung der Räuber die Übersetzung von Friedel und Bonneville heranziehen; selbst die Stellen, an denen er Schiller genau folgt, hatte er offenbar nicht im Originaltext eingesehen. 61 Französische Gelehrte, die sich mit Kants Philosophie befassen wollten, mussten dafür zumeist französische oder auch lateinische Übersetzungen heranziehen. So berichtet Garat, der kein Deutsch konnte, wie Jules Simon bezeugt: ‚Ich las ihn in einem fremdartigen Latein voller eigenartiger Wendungen, offenbar Germanismen ‘. Auch Destutt de Tracy, Garats Kollege am Institut de France, hatte Kant zunächst in lateinischer Sprache gelesen, hielt sich dann aber an den Auszug von Kants Schriften des Niederländers Kinker, der wiederum Lefèvre als Grundlage für seine französische Übersetzung diente.62 Ähnlich

56 Schreiben vom Anfang April 1798; hier zit. n. der Hamburger Ausgabe der Briefe an Goethe (Mandel- kow 1965: I, 309). 57 Im Kontext lautet das Zitat von Hase (1894: 70): „Hier kennt kein Mensch Schillern oder seine Werke; Millin, der sieben Jahre deutsch gelernt hat, spricht beständig von Utz, Hagedorn, Zacharias, Gellert als unsern besten Köpfen.“ 58 Zit. n. Tronchon (1920: 143). – Zu Millin und Böttiger vgl. jetzt Espagne & Savoy Hg. (2005). 59 Auch für J. de Maistre war die Frakturschrift ein Albtraum (Tronchon (1920: 472). 60 A.-S. d’Arnay übersetzte u. a. auch Werke von Campe, Haller und Heinzmann ins Französische. André Chénier (1762-1794); Louis-Sébastien Mercier (1740-1814); Auguste Creuzé de Lesser (1771-1814). (B.K.) 61 Vgl. Eggli (1927: I, 167). Der genaue Titel von Creuzé de Lessers Nachdichtung lautet: ‚Les Voleurs‘, tragédie en prose en cinq actes par Schyller [sic]. Imitée de l’allemand par A.C.D.P . Paris: Toubon, an III (1794/95). 62 Lefèvre, Essai d’une exposition s uccincte de la [Critique de la] raison pure , 1801. – Vgl. auch Blennerhassett (1887-1889: II, 450): „‚Was liegt daran‘, sagte de Tracy, ‚ob ich Kant oder Kinker widerlege, so lange ich augenscheinliche Irrthümer bekämpfe‘“. (B.K.) 194 Kapitel VI: 1789-1800 musste La Romiguière sich bei seinem Versuch, Kant zu widerlegen, auf die lateinische Übersetzung von Schmidt-Phiseldek und auf französische Fassungen stützen. 63 Dass Kants Philosophie seinerzeit von keiner einzigen französischen Zeitschrift behandelt wurde, wird im Magasin encyclopédique (1796: IX, 159f.) wohl zu Recht auf Unkenntnis der deutschen Sprache zurückgeführt. In der selben Zeitschrift war, wie bereits bemerkt (vgl. oben 2.1.1), ein Jahr später zu lesen: ‚Die deutschen Werke sind zu wenig bekannt; leider sind nur wenige übersetzt wor - den, weshalb viele Leute glauben, es sei nicht wichtig, diese Sprache zu erlernen ‘ (1797: V, 439). Ähnlich heißt es in einer anderen Zeitschrift: ‚Die meisten, die glauben, sie könnten sich ein Urteil erlauben [über den Wert der deutschen Werke], können kein Deutsch ‘ (La Dé- cade philosophique 1800: XXVII, 415; 1. Dezember 1800). De Villers brachte es auf den Punkt: ‚Ein deutsches Buch in Paris, Madrid oder Rom ist ungefähr so viel wert wie ein arabisches ‘ (Le Spectateur du Nord 1798: VII, 11). Sieyès erlernte die deutsche Sprache nie; auch die beiden Generäle Delmas und Laubadère beherrschten sie nicht, wie Laukhard berichtet : „Wir sprachen, wie sichs denken läßt, französisch, denn weder Laubadere noch Delmas verstanden deutsch ‘ (Laukhard 1796-1802: IV.1, 10). Ebenso wenig konnte Anna von Rathsamhausens Mutter Deutsch, obwohl sie lange im Elsass gelebt hatte: ‚Meine Mutter, deren Erziehung in Saint-Cyr und anschließend in Paris erfolgte, hatte nicht die geringste Kenntnis dieser Sprache; so kam es, dass ich sie zunächst ebenso wenig erlernte. Durch Lesen konnte ich mir immerhin einige Kenntnisse aneignen ‘ (A. von Rathsamhausen, Brief an ihren Verlobten de Gérando vom 8. Juni 1798). Anna von Rathsamhausen betonte im Übrigen, ihre Deutschkenntnisse seien bei weitem nicht so gut, wie manche meinten (de Gérando 1868: 79). Deutsche Namen wurden von den Franzosen vielfach falsch ausgesprochen oder geschrieben, was ein weiterer Hinweis auf mangelnde Deutschkenntnisse ist. Am ärgsten wurde Schiller mitgespielt. Selbst die Übersetzer schrieben seinen eigentlich doch recht einfachen Namen nicht immer richtig: A. Creuzé de Lesser machte ‚Schyller‘ daraus (vgl. oben Anm. 61), und im Moniteur vom 12. Februar 1792 wurde „Monsieur Scheller“ als Autor des Fiesko „dem französischen Publikum [...] a ls der Held des Tages und echter Girondist vorgeführt“ (Blennerhassett 1887 -1889: II, 447). Am bekanntesten ist wohl die Geschichte des Dekrets der Gesetzgebenden Versammlung vom 26. August 1792, mit dem ‚sieur Gille‘ die französische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. In einer Meldung der Zeitung L’Assemblée Nationale wurde daraus am folgenden Tag ‚Gisller‘; im Moniteur war ‚Gilleers‘ zu lesen, in La Chronique du Mois ‚Gillies‘, im Auditeur stand ‚Gisler‘, im Thermomètre du Jour ‚Gillers‘ und im Patriote Français ‚Schyller‘. So nimmt es nicht Wunder, dass die Ernennungsurkunde erst fünf Jahre später den Weg zu Schiller fand (Schmidt 1905; Eggli 1927: I, 159f.).

63 Picavet in Kant (1902: XXXI). Die Franzosen und das Deutsche 195

Schneller erreichte der Teil des Dekrets über den ‚sieur Clovestoque‘ seinen Empfän- ger; dennoch blieb Klopstocks Name weiterhin ein Albtraum für die Franzosen. Selbst der Name Goethes, der durch Werther in Frankreich berühmt geworden war, wurde ver- unstaltet, wie etwa Hase (1894: 70) berichtet: „Die Buchhändler selbst kennen Wieland nicht und erinnern sich blos [sic], einige Traditionen [sic] von monsieur Schéet (Göthe) gehört zu haben [...].“ L. S. Mercier sprach bei vier Sitzungen am Institut de France von dem ‚berühmten Can‘ [Kant] und dem ‚berühmten Fischt‘ [Fichte] (Wittmer 1908: 109). Weitere Beispiele sind Scheidhauer, dessen Name zu Chaidor wurde, Weigand/Vainquant, Kliner/Klin/Chlarin, Klauprecht/ Cloprec, Velauer/Velor. Selbst im Magasin encyclopé- dique , deren Herausgeber der deutschen Literatur besonders aufgeschlossen gegenüberstan- den, wurden nicht einmal die Titel deutscher Werke fehlerfrei wiedergegeben. 64

2.2.4 Bedeutung des Deutschen in der französischen Gesellschaft

2.2.4.1 Dolmetscher Unter diesen Umständen waren Übersetzer und Dolmetscher unverzichtbar. Im Zuge der Zentralisierung der Verwaltung und im Zusammenhang damit der engeren Bindung der anderssprachigen Landesteile an die zentralen Dienststellen, die während der Zeit der Revolution ins Werk gesetzt wurde, wurde der Einsatz von Übersetzern vollends unumgänglich. Schon am 14. Januar 1790 beschloss die Konstituierende Versammlung, dass Gesetzestexte künftig in alle in Frankreich verwendeten Sprachen übersetzt werden sollten. Die Umsetzung des Beschlusses ließ allerdings zu wünschen übrig. So mussten die Behörden der Dep. Unterrhein, Oberrhein und Mosel die deutschen Übersetzungen in Paris erst anmahnen und am Ende selbst dafür sorgen. Bereits wenige Jahre später, am 20. Juli 1794, verabschiedete die Pariser Regierung dann ein Gesetz, das die amtliche Verwendung anderer Sprachen untersagte. 65 In der Praxis ließ die Verwaltung ständig Übersetzer für sich arbeiten, auch für das Deutsche. Weiss (vgl. oben 2.2.2.4) nannte sich auch ‚Übersetzer von Gesetzen‘. Im September 1792 war J. F. Simon der ‚Leiter des Übersetzungsbüros ‘ in Paris; 66 im Novem- ber d.J. wurden im Justizministerium Dienststellen für die Übersetzung von Gesetzestexten ‚in die deutsche, italienische, katalanische, baskische und niederbretonische Sprache‘ eingerichtet. Goebel (vgl. oben 2.2.2) zeichnete als Dolmetscher für Fremdsprachen am Militärdepot. 1795 war der elsässische Dichter Auguste Lamey als Übersetzer für das Bulletin des Lois [Gesetzesblatt] bei der staatlichen Druckerei tätig, und noch 1801 wurden amtliche Übersetzungen angefertigt. 67

64 So wird in Band IX (1796) S. 566 angezeigt: „Attische n Museum herausgegeben von C.-M. Wieland, I Band es “. 65 Das Gesetz war im Übrigen nur sehr kurze Zeit in Kraft; es wurde bereits am 2. September 1794 bis auf weiteres außer Kraft gesetzt, und endgültig wurde die Frage nie entschieden. 66 Zwei Jahre später gründete er in Straßburg die erste Ecole Normale – ohne Schüler. 67 Siehe Lévy (1929: II, 17f.). Dazu kommt noch, dass die Revolutionäre die deutsche Sprache durch- gängig zu Propagandazwecken im Ausland einsetzten (Chuquet 1904; Reuss 1922, 1924). 196 Kapitel VI: 1789-1800

2.2.4.2 Übersetzungen Auch zahlreiche literarische Werke wurden aus dem Deutschen übersetzt. In der Hambur- ger Redaktion des Spectateur du Nord entstand ein regelrechtes Übersetzungsbüro, in dem französische Emigranten tätig waren, und in der Zeitschrift wurde genau erläutert, wie man deutsche Gedanken im Französischen angemessen wiedergeben könne (1797: I, 204ff.). Diesen Idealvorstellungen wurden die tatsächlich angefertigten Übersetzungen allerdings bei weitem nicht gerecht; das trifft in erster Linie auf die eigenen Arbeiten der Hamburger Emigranten zu. Nach und nach wurden fast alle Werke der Klassik übersetzt, allen voran Schillers Dramen, die dem Zeitgeist entgegen kamen. La Martelière legte 1793 zunächst seine Nachdichtung der Räuber vor, 1799 erstmals eine Bearbeitung des Fiesko . Die Bearbeitungen erschienen 1799 in einer zweibändigen Ausgabe (La Martelière 1793, 1799, 1824). 68 Die Übersetzung des Don Carlos von Lezay-Marnésia (1799) kann trotz einiger falsch interpretierter Stellen insgesamt als recht gelungen gelten. L. S. Mercier übertrug Schillers Jungfrau von Orléans ins Französische; die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges wurde erstmals 1794 von A. G. d’Arnay übersetzt; auch andere Werke Schillers wurden ins Französische übertragen. Nachdem sich die durch Werther ausgelöste Begeisterung gelegt hatte, wurde Goethe in den Jahren nach der Revolution relativ wenig gelesen. Pernay übersetzte Teile des Wilhelm Meister (vgl. oben 2.1.1); Bitaubé legte 1800 eine schwerfällige Prosafassung von Her- mann und Dorothea vor, und im selben Jahr übertrug Madame de Staël, zunächst noch etwas unbeholfen, einige Gedichte Goethes ins Französische. Der Hamburger Kreis der Emigranten unternahm wiederholt Anstrengungen, den französischen Lesern das gewaltige Werk des von ihnen verehrten Klopstock näher zu bringen; die meisten Versuche scheiterten jedoch. Sénac de Meilhan, Baudus, André Ché- nier und C. Jordan übersetzten einige seiner Oden; Marquis de La Tresne und Abbé Delille, genauer gesagt Ch. de Villers, nahmen sich die Übertragung des Messias vor; über fünf Gesänge kam de La Tresne jedoch nicht hinaus. 1799 legte der aus Kiel eingewanderte Buchhändler K. F. Cramer in Paris eine Übersetzung der Hermannsschlacht vor. 69 J. Ch. Laveaux, 70 der spätere Direktor des Courrier du Bas-Rhin , hatte bereits einige Werke von Wieland übersetzt, als A. Duvau die Übertragung des Gesamtwerkes in Angriff nahm, die er nach vielversprechenden Anfängen jedoch aufgab. Laveaux übersetzte auch Romane von Lafontaine und Hufeland ins Französische. Weiss legte 1799 zusammen mit Jauffret eine zweibändige französische Ausgabe von Kotzebues Theaterstücken vor (Théâtre de Kotzebue ); Ch. de Vanderbourg übersetzte Schriften von Jacobi, Wieland und Lessing, und um die Jahrhundertwende wagte sich ein nicht genannter Übersetzer gar an die erste Übertragung des Nibelungenlied s ins Französische (Küpper 1934: 9). Die sprach- lich überaus anspruchsvolle Aufgabe der Übertragung von Kants Werken weckte den Ehr-

68 Zu der 1795 erschienenen Bearbeitung durch Creuzé de Lesser siehe oben, 2.2.3. 69 Seine Muttersprache beherrschte er natürlich, Französisch dagegen weniger gut als die Hamburger Emigranten. 70 Jean-Charles Thibault de Laveaux (auch : La Veaux ; 1749-1827) lebte längere Zeit in Deutschland und betätigte sich dort auch als Herausgeber von Erziehungsschriften (u.a. von Mme Le Prince de Beaumont und Mme de Genlis); weiter gab er ein deutsch-französisches Wörterbuch und ein Lehrbuch der französischen Sprache und Literatur heraus. (B.K.) Die Franzosen und das Deutsche 197 geiz mehrerer Übersetzer. Im August 1796 wurde in der Décade die Übersetzung der Beo- bachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen durch Hercule Peyer-Imhoff angezeigt. Kurz danach fasste de Gérando den Plan, Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und seine Prolegomena zu übersetzen. P. Huldiger [d.i. P. Tranchant de Laverne] übersetzte in Auszügen Kants Schrift über Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (Huldiger 1800). 71 Hier geht es in erster Linie darum, einen kurzen Überblick über die Sprachkenntnisse der Übersetzer, die Unwissenheit der Leserschaft und das sich weiter verstärkende Interesse des gebildeten Publikums an der deutschen Literatur in der Zeit der Revolution zu geben. 72 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang wohl noch, dass Duvau als Franzose den Mut fand, französische Werke ins Deutsche zu übertragen: In seiner Weimarer Zeit übersetzte er Demoustiers Le Conciliateur ou l’Homme aimable ins Deutsche und schenkte seine Über- tragung Goethe, der ihm allerdings antwortete, ‚ohne grö ßere Änderungen in Inhalt und Form könne das Stück auf der deutschen Bühne nicht aufgeführt werden ‘. Das hielt Duvau indessen nicht davon ab, weitere französische Werke ins Deutsche zu übersetzen und nach der Rückkehr in die Heimat seine Erinnerungen in deutscher Sprache zu veröffentlichen (vgl. oben 2.2.1). 73

2.2.4.3 Deutsche Buchhandlungen und Bücher Deutschsprachige Titel wurden in Frankreich abgesehen vom Elsass nur selten ver- öffentlicht; zu nennen sind hier vor allem Cramers deutsche Übersetzungen von Rousseaus Emile 74 und von Ch. de Villers ‘ Geschichte der Reformation. 75 Cramer übersetzte und ver- legte auch Sieyès ’ berühmte Broschüre Qu’est -ce que le Tiers Etat? (Eggli 1927: 187). 76 Auch andere revolutionäre Schriften erschienen in deutscher Übersetzung für elsässische Leser und deutschsprachige Truppen in französischen Diensten. 77 Die Marseillaise wurde mehrfach übersetzt, unter anderem von den Elsässern Lucé und Pfeffel. Auguste Lamey und J. G. Saiffert veröffentlichten Gedichte in deutscher Sprache zum Lob der Revolution (Fieffé 1854: II, 21f.; Chuquet 1904: 7f.).

71 Lévy (1950: 234) beruft sich auf Picavet in Kant (1902: V, VII, XXVIII); vgl. jetzt den genauen Nach- weis dieser Übersetzungen in Azouvi & Bourel (1991: 10, Anm. 1). 72 Weitere Übersetzungen aus dem Deutschen könnten hier mühelos angeführt werden; allein bei Lanson (1931: 945) sind für den Zeitraum 1789 bis 1815 gut 50 Übersetzungen nachgewiesen. 73 Duvau (1803); vgl. Joret (1907: 520f., 537); Baldensperger (1911: 13). 74 Emil oder über die Erziehung ; Braunschweig: Schulbuchhandlung, 1789-1791 (B.K.). 75 Gemeint ist Karl Friedrich Cramers Übersetzung von de Villers‘ Essai sur l’esprit et l’influence de la réformation de Luther (Paris: Henrichs; Metz: Collignon, 21804), die 1805 in Hamburg bei Hoffmann unter dem Titel Versuch über den Geist und den Einfluss der Reformation Luthers erschien (B.K.). 76 Wie Eggli weiter (1927: 188) ausführt, war Cramer nicht der einzige deutsche Buchhändler in Paris. Dennoch war es seinerzeit offenbar nicht leicht, sich dort deutsche Bücher zu beschaffen; Pougens rechtfertigt jedenfalls das Fehlen deutscher Quellen in seinem Vocabulaire de nouveaux privatifs (1794) mit einem Hinweis im Vo rwort: ‚Ein besonderes Verzeichnis deutscher Autoren fehlt, weil es mir un - möglich war, deutsche Titel in großer Zahl zu beschaffen‘. 77 Zur germanischen Legion vgl. oben 1.6. 198 Kapitel VI: 1789-1800

2.2.4.4 Zeitschriften Die deutschen Einwanderer lasen gern Zeitungen in ihrer Muttersprache, die kurz nach der Revolution noch ungehindert nach Frankreich gelangten. Wie Campe (1790: 194, 202) berichtet, konnte man damals im Palais Royal unter anderem die Mannheimer Zeitung und die Kayserliche privilegierte Reichs- oder Postamtszeitung im Café de Chartres lesen. Später wurden in Paris auch deutschsprachige Zeitungen begründet, von denen jedoch keine Bestand hatte, wenn man Maximilian Schölls 78 Bericht Glauben schenken kann: In Weimar hat Jemand versichert, dass in Paris acht deutsche Zeitungen erschienen [...] Nur eine erscheint in Paris, „ Der Pariser Zuschauer “; weil ihn einige Mainzer Emigranten schreiben, so hat es der grosse Beschützer dieser Art von Schurken Rewbel 79 dahin gebracht, dass das Direktorium auf eine Partie derselben subskribiert hat. Dies und die übrigen Mainzer sind ungefähr die einzigen Abonnenten dieser Zeitung. Alle übrigen sieben erscheinen oder erschienen , denn einige haben schon aufgehört, im Elsasse. Nur eine oder zwei davon sind lesbar [...]. (zit. in Geiger 1896b: 495) Tatsächlich war der Pariser Zuschauer nicht die einzige deutschsprachige Zeitung, die damals in Paris erschien. Auch Rebmann (vgl. oben 1.1) gab zwei Zeitschriften heraus; er begründete kurz nach seiner Ankunft in Paris im August 1796 Die Schildwache ,80 und im Jahr darauf Die Geißel .81 Beide Zeitschriften richteten sich natürlich in erster Linie an Deutsche, wurden vermutlich aber auch von einigen französischen Lesern gelesen, um ihre Deutschkenntnisse aufzufrischen oder zu verbessern.

3 Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen

Die allgemeinen Richtlinien der Zentralmacht führten wohl zu einer gewissen Vereinheit- lichung der Sprachpolitik innerhalb Frankreichs, nicht jedoch zur sprachlichen Vereinigung der Nation. Die Provinzen, die vor der Revolution deutsch- bzw. flämischsprachig waren, hielten auch nach der Revolution an ihrer Sprache fest. Lediglich in Montbéliard, wo das Deutsche ohnehin nie recht Fuß gefasst hatte, ging man rasch zum Französischen über, hielt aber dennoch an manchen jahrhundertealten Gewohnheiten fest. 82

78 Schreiben des Diplomaten Maximilian Samson Friedrich Schöll (1766-1833) an Weyland vom 11. Juni 1797. 79 Jean-François Rewbel, Mitglied des Direktoriums von Ende 1795 bis Mai 1799 (B.K.). 80 Die Schildwache , keine Zeitschrift im engeren Sinne, sondern eine Sammlung kürzerer politischer Artikel, ist in keiner der Pariser Bibliotheken nachgewiesen; der Band der BNU Straßburg, Sign. D 110 429 enthält zwei „Stücke“ mit 154 bzw. 160 S. (auch MF -Ausgabe Hildesheim: Olms, 1996). 81 In drei Jahrgängen mit jeweils zwölf Heften (1797-1799); BNU Straßburg, Sign. D 106 614; anders als von Lévy angegeben lt. Katalog: Jahrgang 2 (1798) und 3 (1799). – Von den zahlreichen neueren Unter- suchungen zu Rebmann sei hier besonders auf Walde & Sauder Hg. (1997) hingewiesen. 82 1798/99, d. h. fast zehn Jahre, nachdem Montbéliard wieder zu Frankreich gekommen war, sah der Lehrplan des Gymnasiums für die première ‚deutsche Sprache für französische Schüler‘ und für die se- conde ‚französische Sprache für deutsche Schüler‘ vor, jeweil s eine Stunde von 11 bis 12 (Godard 1893: 230). Zudem waren zahlreiche Wörter deutscher Herkunft noch lange Zeit im Dialekt von Mont- béliard gebräuchlich. Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 199

3.1 Flandern In Nordfrankreich behauptete sich das Flämische auch nach der Revolution; es verlor wie schon seit Jahrhunderten weiter an Boden gegenüber dem Französischen, wozu die Sprach- gesetzgebung erheblich beitrug, dennoch blieb der Norden insgesamt flämisch. Die Cahiers de doléances wurden 1789 in mehreren Gemeinden auf Flämisch verfasst, die anderen in französischer Sprache zeugen von sehr unzulänglichen Sprachkenntnissen. In der Folgezeit wurde wiederholt die Forderung nach einer flämischen Übersetzung der Gesetzestexte und anderer amtlicher Veröffentlichungen erhoben. Am 14. Januar 1790 brachte Bouchette als Abgeordneter von Bailleul die Anliegen seiner Mitbürger bei der Nationalversammlung vor; verschiedene Gesetze wurden daraufhin ins Flämische übersetzt. Im Juli 1793 übertrug der Citoyen Vanheeghe, der Verwalter des Distrikts Saint-Omer, die Verfassung vollständig ins Flämische. 1795 gab der ehemalige Jesuit Antoine Cauche, der zuvor das Priesterseminar in Bergen geleitet hatte, dort eine Zeitlang den Nederlandschen Mercuer heraus und übersetzte dafür selbst die Nachrichten des Tages und die Dekrete der Convention ins Flämische. Im Mai 1797 machte der Drucker Brassart aus Dünkirchen das Angebot, die Dekrete der Pariser Regierung in flämischer Sprache zu drucken, da ‚die Be - völkerung dieses weitläufigen Departements mit der flämischen Sprache besser vertraut ist ‘. Aus diesen Beispielen erhellt, dass ein nennenswerter Teil der Bevölkerung damals nicht in der Lage war, sich in französischer Sprache zu informieren. Allerdings wurde dieses Festhalten an ihrer Sprache den Flamen auch vorgehalten; so schrieb Isoré 83 am 2. Dezember 1793 aus Kassel: ‚Wenn das Volk von Französisch - Westhoek nicht Schritt hält mit der Revolution, dann liegt das an der Sprache, die man dort insgeheim weiter pflegt ‘. Ähnliche Argumente waren auch im Elsass zu hören.84 In der Praxis war das Flämische jedoch stärker als alle Drohungen. In den flämischsprachigen Gebieten sprachen die Priester, selbst der Bischof, bei ihren Amtshandlungen Flämisch, und erst recht im persönlichen Umgang mit der Bevölkerung. An die Gläubigen im frankophonen Teil seiner Diözese wandte sich der Bischof von Ypern auf Französisch; doch war dem französischen Text stets auch der flämische beigegeben. Ein Schreiben des Bischofs an den Schulleiter und einige Lehrer der Sekundarschule von Bergen wurde 1790 ins Deutsche übersetzt, ebenso eine Eingabe an die Administratoren. Im selben Jahr wurde in manchen Gemeinden von Lille noch auf Flämisch gepredigt. Der Sprachwechsel im Schulwesen erfolgte zügiger und umfassender, doch war die Umstellung auch hier nicht vollständig. Die Schulen, die besonders in den unteren Klassen mit am besten zum Erhalt des Flämischen beigetragen hatten, wurden nach der Revolution zerstört oder aufgelöst. Die flämische Sprache wurde verdrängt, jedoch nicht sofort durch- gängig durch die französische ersetzt, vor allem, weil es an geeigneten Lehrkräften fehlte. Am 24. September 1791 wandte die Stadtverwaltung von Dünkirchen sich in Plakaten an ‚geistliche oder andere Personen, die zugleich des Französischen, Flämischen un d Lateinischen mächtig und befähigt sind, die humanistischen Fächer in diesen Spra- chen zu unterrichten; sie mögen sich bei der Verwaltung des genannten Collège vor- stellen ‘.

83 Jacques Isoré (1758-1839), damals Abgeordneter des Dep. Oise (B.K.). 84 Vorwürfe und Drohungen dieser Art waren vermutlich nicht die Ausnahme. 200 Kapitel VI: 1789-1800

Die Convention verpflichtete sämtliche Gemeinden mit einem Dekret vom 27. Januar 1794, binnen zehn Tagen einen Lehrer für die französische Sprache zu ernennen; dies führte in Flandern, und nicht nur dort, zu unüberwindlichen Schwierigkeiten. Nach reiflicher Überlegung reichte die Bergener Société populaire am 24. September 1794 beim Ausschuss für das öffentliche Schulwesen ein ‚Projekt zur Errichtung eines staatlichen Instituts für den Unterricht der französischen Sprache im Gebiet des ehemaligen Französisch-Westhoek ‘ ein; es sah die Gründung einer Ecole Normale für Grundschullehrer vor , weil es ‚in den beiden Distrikten (Bergen und Hazebroek) kaum sechs Bürger gebe, die befähigt sind, die französische Sprache zu unterrichten ‘. Bedenkt man, dass die erste Ecole Normale im Dep. Niederrhein erst sechzehn Jahre später gegründet wurde, kann man sich unschwer vor- stellen, was aus dem Projekt in Flandern wurde. Bereits zu Beginn des Direktoriums fand der Schulunterricht in Flandern erneut in flämischer Sprache statt: ‚Wenn Sie bei den Behörden des ehemaligen Französisch -Westhoek nachfragen, wird man Ihnen sagen: Solange wir keine Bücher in flämischer Sprache haben, kön- nen wir nichts ausrichten ‘.85

3.2 Lothringen 86 und Elsass Sprachliche Experimente der Revolutionäre erfolgten vorzugsweise in den beiden ostfranzösischen Provinzen. Dass die meisten Vorschläge und Initiativen, die später auch in anderen Teilen des Landes übernommen wurden, aus dem Elsass kamen, ist nicht weiter überraschend. 87 Für den Zeitraum 1789-1800 ist festzuhalten, dass die Cahiers de doléances in Lothringen von wenigen Ausnahmen abgesehen in französischer Sprache, im Elsass dagegen in deutscher Sprache verfasst wurden. 88 In beiden Fällen ist eine bemerkenswerte Sprachmischung festzustellen: Die deutschsprachigen Texte enthalten zahlreiche franzö- sische Wörter, was vom Ausmaß des Eindringens französischer Fachausdrücke ins Elsäs- sische zeugt; 89 die französischen Schriftstücke sind durchsetzt mit deutschen Wendungen. Einige davon waren in manchen romanischen Mundarten Ostfrankreichs bereits gebräuch- lich, andere wurden später übernommen. 90 Von deutschem Einfluss zeugt verschiedentlich

85 Bericht des Kommissars François; zit. n. Brunot (1933: IX, 351); vgl. dort auch S. 25, 45, 160, 176, 243, 281; weiter Peter (1912: 69) und Kurth (1898: 80). 86 Zur Sprachgeschichte Lothringens im Zeitraum 1789-1940 jetzt auch Berschin (2006). 87 Vgl. den chronologischen Überblick über die wichtigsten in sprachlicher Hinsicht bedeutsamen Ereignisse zur Zeit der Revolution in Lévy (1929: II, 73-79). 88 In den Cahiers des Straßburger Dritten Standes werden beide Sprachen verwendet. – Hierzu jetzt auch Hafner (2006: 114-118) mit Hinweisen auf die neuere Forschung, in der Brunots Bewertung einiger elsässischer Quellen z. T. kritisch gesehen wird. 89 Beispiele sind Ackig (zu acquit , ‚Quittung‘), Ankloen (enclos , ‚eingezäuntes Grundstück‘), Collecteur (‚Steuereinnehmer‘), Döhmen (domaine , ‚Gut‘), Grâff (greffe , ‚Gerichtsschreiberei‘), Griery (gruerie , ‚Gerichtsbezirk für Wald und Wasser‘), Huissigen (huissier , ‚Gerichtsvollzieher‘, ‚Amtsdiener‘), Kreffmetris (greffe de la maîtrise , ‚Gerichtsschreiberei für das Handwerk‘), Pontechossegeld (zu Ponts et Chaussées , ‚Tiefbaubehörde‘) Sabelland (‚Grundstück mit Sandboden‘), Simissiohn/Siemisiohns (soumission , ‚Unterwerfung‘, ‚Gebot‘); vgl. Lévy (1929: II, 4). 90 Darunter brandviniers (‚Brandweinbrenner ‘), frohngeld (‚Geld, mit dem man sich von der Fron freikaufen konnte‘), grinbirs (‚ Grundbirne ‘, ‚Kartoffel‘), la herde (‚Herde‘ ), trengueltes (‚Trinkgeld ‘) und vingertsfrongeld (zu ‚Wingert‘, Weingarten); vgl. Lévy (1929: II, 3). Zur besonderen Lage in einigen Landesteilen 201 auch die Rechtschreibung, etwa bei crasse (für grâce ), echarbe (écharpe ), exembles (exemples ), noul (nul ), peuble (peuple ) und schemin (chemin ) (Brunot 1933: X, 412- 415). Auffallend ist weiter die verschwindend geringe Zahl der Beschwerden zu sprachlichen Fragen in den Cahiers de doléances; 91 offensichtlich war man im Osten des Landes recht zufrieden mit dem Status quo. In den ersten Jahren nach der Revolution änderte sich die Lage zunächst kaum; die vorsichtigen Bemühungen um Franzisierung, die vor 1789 erfolgt waren, wurden als ‚despotische Unterdrückung‘, ‚Maximen einer rein monarchistischen Regierung‘, Auswir- kungen einer ‚Art Leibeigenschaft‘, einer ‚Art Aristokratie‘ angeprangert. Ab 1793 wurde jedoch, in einer merkwürdigen Umkehrung der Bewertung, die ‚Aristokratie der Sprache‘ – bis dahin die Beherrschung des Französischen, das im Elsass als die Sprache der privile- gierten Klassen galt – zu einem Ziel erklärt, das von allen anzustreben war; ‚Gleichheit‘ könne erreicht werden, indem alle Bürger zur Hochsprache übergingen. Das Deutsche, zur ‚Sklavensprache‘ herabgestuft, sollte nur noch dazu taugen, ‚Sklaven zu befehligen‘.92 Wohin eine solche Auffassung führen konnte, zeigt ein Schreiben des Direktoriums für das Dep. Niederrhein, das am 11. Juni 1794 an den Ausschuss für das öffentliche Schulwesen gesandt wurde; darin ist die Rede von ‚der dringlichen Erfordernis, unsere Mitbürger zu franzisieren, sie ihrer Gewohnheit einer Sklavensprache zu entreißen, die sie ihren Brüdern im Landesinnern entfrem- dete und ihnen die Verbindung mit den Vasallen des Despotismus wohl erleichterte ‘ (zit. n. Lévy 1929: II, 11). Zu denken gibt hier vor allem der Ausdruck ‚Vasallen des Despot ismus ‘, mit dem die Deutschen als die Feinde des Vaterlands gemeint waren; wer deren Sprache sprach, stand im Verdacht, nicht auf der Seite der Revolution zu stehen und Verrat an der Nation zu begehen – Elsässern, die ihre eigene Sprache sprachen, fehlte es vermeintlich an Bürgersinn und Vaterlandsliebe. Am 7. Juni 1794 schrieb Hentz als beauftragter Volksvertreter an den Wohlfahrtsausschuss: ‚Der gesamte Ober - und Niederrhein und die Distrikte des Depar- tements Mosel, in denen nur Deutsch gesprochen wird, sind schlimmer als der Feind ‘ (zit. n. Lévy 1929: II, 12). Rousseville, einer der eifrigsten Propagandisten in Straßburg, unterstellte allen Deutschsprachigen mangelnde Loyalität und führte dazu weiter aus: ‚Wer sich nicht genügend bemüht, Französisch zu lernen, oder das Erlernen der Sprache behin- dert, würde als Verdächtiger behandelt, als böswilliger Konterrevolutionär ‘.93 Vor dem Hintergrund der Terrorherrschaft und der kriegerischen Auseinandersetzungen wird die Härte solcher sprachpolitischer Aussagen vielleicht eher verständlich. Nach dem Sturz Robespierres reagierte die Opposition im Elsass umgehend, und das Elsässische eroberte die meisten Gebiete, in denen es unter dem Druck der Ereignisse hatte weichen müssen, rasch wieder zurück; auch diese Reaktion ist verständlich. 94

91 Weniger als 10 von den über 500 eingesehenen Cahiers. 92 Zit. n. Lévy (1929: II, 10); hierzu jetzt auch Hartweg (2003: 2783) mit weiteren Hinweisen auf die neuere Forschung. 93 Zit. n. Lévy (1929: II, 11); Brunot (1967: IX, 190-192) und jetzt auch Hafner (2006: 119-121). 94 Zu den heftigen Auseinandersetzungen unter den Anhängern der verschiedenen Lager im Elsass und in Lothringen und zu den Maßnahmen, die in der Verwaltung, der Justiz, der Wirtschaft, der Kirche und dem Schulwesen ergriffen wurden, vgl. ausführlich Lévy (1929: II, 7-71). 202 Kapitel VI: 1789-1800

Der Weiterbestand eines deutschsprachigen Gebietes im neuen vereinten, unteilbaren Frankreich hatte schwerwiegende Konsequenzen; am folgenreichsten war die Annahme der Revolutionäre, Deutschsprachige seien grundsätzlich entweder Reaktionäre und Sklaven oder aber Germanophile und Feinde des Vaterlands. Sprache und Nationalität wurden von den Revolutionären gleichgesetzt, und sämtliche zeitgenössische französische Theoretiker vertraten diese Auffassung von Sprache als Wesensmerkmal der Zugehörigkeit zur Nation, die es nur noch in anderen Ländern durchzusetzen galt. Während der Befreiungskriege ver- breitete sie sich auch in Deutschland, so dass ihr nun auch eine internationale Dimension zukam. Mit dieser Konzeption von Sprache als Zeichen der Zugehörigkeit zur Nation, zu- nächst Bestandteil der revolutionären Politik, die auf die nationale Organisation zielte, wurde nun auch im Hinblick auf internationale Forderungen argumentiert. Das Elsass stellte den Schauplatz dieser Entwicklung dar.

Kapitel VII: 1800-1830

Als Schlüsselfigur für die Einwirkung des Deutschen in Frankreich während des Empire und der Restauration kann Madame de Staël gelten, wohl die erste französische Germa- nistin, wenn darunter jemand zu verstehen ist, der sich mit deutscher Sprache, Literatur und Kultur befasst und sein Wissen an seine Landsleute weitergibt. Sie versammelte einen regelrechten ‚Hof‘ um sich, und ihr Werk machte trotz seiner offenkundigen Schwächen Schule. Napoleon versuchte, Madame de Staëls Aktivitäten zu unterbinden, indem er ihr Buch De l’Allemagne verbieten und sogar Teile der Auflage einstampf en lieβ . Am Ende siegte dennoch die Germanophilie der Schriftstellerin über den Deutschenhass des Kaisers, und zwar für lange Zeit. Die meisten Franzosen, die damals aus Interesse an der deutschen Wissenschaft oder Literatur Deutsch lernten, waren ihre geistigen Zöglinge. Napoleon trug seinerseits unfreiwillig zur Förderung des Deutschen in Frankreich bei, indem er die Grenzen für die Emigranten öffnete und Krieg in Deutschland führte, vor allem aber, indem er das französische Hochschulwesen organisierte und vereinheitlichte. Lebende Fremdsprachen spielten an den Universitäten zwar noch eine sehr bescheidene Rolle, aber immerhin waren nun die Strukturen geschaffen, die einen Ausbau des Fremdsprachenunterrichts ermöglichten.

1 Die Deutschen in Frankreich 1

Es ist völlig unmöglich, zwischen dauerhafter Einwanderung und vorübergehenden Aufenthalten von Deutschen zu unterscheiden; deshalb lässt sich nichts Genaues aussagen über den Beitrag der Deutschen, die in dieser Zeit nach Frankreich kamen. Die Brüder Humboldt kamen mehrfach nach Frankreich und hielten sich dort insgesamt jahrelang auf; obwohl sie später in die Heimat zurückkehrten, war ihr Einfluss in Frankreich besonders groß. Ab Anfang des 19. Jh. stieg die Zahl der Deutschen, die dauerhaft in Frankreich blieben, an (Mathorez o. J.); für den Zeitraum 1795-1802 ist auch eine große Zahl deutscher Frankreichreisender nachgewiesen, doch größere deutsche Ansiedlungen gab es in dieser Zeit kaum. Schon für das Jahr 1802 nennt das Journal politique de Hambourg eine Zahl von mehr als 20.000 Ausländern, überwiegend Engländer (Mathorez o. J.: 14), doch sicher waren darunter auch zahlreiche Deutsche.

1.1 Intellektuelle Erstaunlich viele Deutsche, die sich in ihrer Heimat als Schriftsteller oder Künstler einen Namen gemacht hatten, hielten sich im Zeitraum 1800-1830 mehr oder weniger lang in Frankreich auf; manche kehrten mehrfach dorthin zurück. Selbst die Befreiungskriege nahmen Frankreich nichts von der Anziehungskraft für deutsche Intellektuelle. Aus politi- schen Gründen emigrierten Deutsche in dieser Zeit nicht, aus wirtschaftlichen noch eher

1 Hierzu jetzt auch Ruiz (2007) mit Hinweisen auf einschlägige neuere Forschung. 204 Kapitel VII: 1800-1830 selten. Von Deutschland aus gesehen stand die Wissenschaft in Frankreich zur Zeit der Restauration eigentlich nicht besonders gut da. Dennoch kamen die Deutschen in großer Zahl (Holzhausen 1900: 1-17). Besonders die Vertreter der Romantik fühlten sich von Paris geradezu angezogen. Es kamen August Wilhelm Schlegel und sein Bruder Friedrich, 2 Arnim und Brentano, Kleist, 3 Chamisso, Jacob Grimm, der Rechtsgelehrte Savigny und der Sprachwissenschaftler Bopp (1812-1816). Auch Uhland, Zacharias Werner, Seume, Jacobi, Varnhagen von Ense, der Pädagoge Pestalozzi, der Philosoph Fries und Johanna Schopenhauer, die nicht unmittelbar zum engeren Kreis der Romantiker gehörten, hielten sich in Paris auf. Hegel kam 1827, Börne kehrte nach einem ersten kürzeren Aufenthalt zurück und verbrachte den Winter 1822-1823 in Paris. Loeve-Veimars war dort überaus aktiv, 4 ebenso wie der dänische Baron Eckstein (er selbst schrieb seinen Namen gern Exten), dem der Literaturkritiker Philarète Chasles manche Anregung verdankt. Kotzebue und Campe kamen wiederholt; andere wie Gustav Graf von Schlabrendorf, 5 Adam Oehlenschläger und Karl Friedrich Graf von Rein- hard, die im Zuge der Revolution gekommen waren, hielten sich weiter in Paris auf. Nach mehreren Aufenthalten in den Jahren 1789 und 1798 bis 1801 kam Wilhelm von Humboldt 1814 und 1815 erneut nach Paris; der damalige Krieg zwischen Frankreich und Preußen störte ihn offenbar nicht im Geringsten. Sein Bruder Alexander, der erstmals 1798 nach Paris gekommen war, lebte von 1807 an zwanzig Jahre lang fast ununterbrochen dort. Man- che kamen in Begleitung von Freunden und Familienangehörigen; 6 so brachten die Brüder Humboldt Wilhelm von Burgsdorff mit. Von den in Paris ansässigen Familien sind insbe- sondere Schlegel-Mendelssohn, 7 Pestalozzi, Cramer, Popechheim 8 und Hinrichs bei Rei- chardt (1804: III, 63ff.) erwähnt, 9 der auch von einem jungen Mediziner namens Arbauer berichtet, der „hier, wie mancher andre geschickte und thätige deutsche Arzt, schnell sein Glück machen wird und gewissermaßen schon macht“. 10 Georg Bernhard Depping, dessen

2 Am 10. November 1806 schreibt A.W. Schlegel aus Paris an Madame d e Staël: „Beim Essen sind wir eine geschlossene Gesellschaft von fünf Deutschen [...] Heute früh war ich auf der Bibliothek. Dort sind zwei Deutsche angestellt, die denkbar höflich zu mir waren;“ zit. n. der deutschen Ausgabe von Pange (1940: 132f.). 3 Er bereiste in diesem Jahr (1801) auch weite Teile Nordfrankreichs. 4 François-Adolphe Loeve-Veimars, 1801 in Paris geboren, entstammte einer jüdischen Familie aus Hamburg und übersetzte unter anderem Werke von Wieland, E.T.A. Hoffmann und Heine ins Franzö- sische. (B.K.) 5 Tatsächlich kam er schon vor der Revolution nach Paris, wo er fortan lebte und 1824 starb. (B.K.) 6 Lévy (1950: 243) verweist hier auf Depping (1832: 202), der über Zacharias Werner berichtet: „Er hatte einen deutschen Bedienten bei sich, den er kurzweg das Rindvieh nannte, und bei welchem wirklich kein Überfluß des Verstandes vorherrschte. Dieser Bediente mußte hinter ihm hergehen, wenn des Abends der Verfasser der „Weihe der Kraft“ seinen Spaziergang unter den Bogengängen des Palais Royal begann und die herumwandelnden Mädchen in Augenschein nahm.“ (B.K.) 7 „Auch unser geistreiches Ehepaar, Schlegel=Mendelsohn versammelt oft einen kleinen, ächtdeutschen Cirkel um ihren freundlichen Theetisch“ (Reichardt ebd.). (B.K.) 8 „Popechheim, ein deutsches Banquierhaus, das sehr gute, gescheite Gesellschaft zu versammeln und erfreulich zu bewirthen versteht“ (Reichardt ebd.). (B.K.) 9 „[...] Buchhändler Hinrichs, der eine sehr eifrige Musikerin – Chenards Stieftochter – zur Frau, und die angene hme, gebildete Frau von Hastwehr, Enkelin unserer Karschin zur Kostgängerin im Hause hat“ (Reichardt ebd.). (B.K.) 10 Reichardt (1804: III, 251); hier nach dem Originaltext zitiert. Vgl. dort auch S. 324. Die Deutschen in Frankreich 205

Erinnerungen eine sehr wichtige Quelle für unsere Untersuchung sind, erwähnt einen Dr. Seyffert, der die „wunderlichen Pariser Laufberichte “ herausgab , „übrigens ein geschickter Mann“ , der „als Arzt eine ziemlich ausgebreitete Praxis“ habe.11 Auch über Dr. Friedländer, der lange in Paris praktizierte, ist einiges bekannt. 12 Franz Joseph Gall, der Begründer der Phrenologie, gehört zu den berühmtesten deutschen Medizinern in Paris; er stammte aus dem badischen Pforzheim, wurde 1819 naturalisiert und lehrte in Paris. 13 Nach seinem Studium etablierte sich auch der Arzt und Schriftsteller David Ferdinand Koreff (1783-1851) in Paris; nachdem er Hardenberg in Berlin gedient hatte, kehrte er 1822 nach Paris zurück und fand bald Aufnahme in den Intellektuellenkreisen.

1.2 Beamte Deutsche bekleideten auch angesehene Stellungen im öffentlichen Dienst. Depping kam 1803 als Neunzehnjähriger nach Paris; zwanzig Jahre später wurde er zum Professor an der Militärhochschule ernannt. Ebenso bemerkenswert war die Hochschullaufbahn von Karl Benedikt Hase. 14 Er war es übrigens, der Anatole France in der mündlichen Prüfung für das Baccalauréat fragte, ob denn die Rhône nicht in den Ontariosee münde; aus Höflichkeit wagte der Kandidat dem Prüfer nicht zu widersprechen und schwieg, worauf Hase ihm mangelhafte Geographiekenntnisse vorhielt. 15 Auch Winkler (vgl. Kap. VI, 1.2) und Karl Friedrich Reinhard sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Als Diplomat im Dienst Frankreichs stand Reinhard in ständiger Verbindung mit dem preußischen Minister Lucchesi, dem preußischen Konsul Henry, dem Legationsrat von Eckardtstein und Freiherr von Brinckmann, der im Juni 1799 die Nachfolge des Barons von Staël als schwedischer Gesandter angetreten hatte. Sie alle führten ein großes Haus, interessierten sich für deutsche Literatur und sprachen Deutsch, ebenso wie ihre Gattinnen.

1.3 Frauen Reinhard war in erster Ehe mit der Hamburgerin Christine Reimarus, in zweiter Ehe mit Virginia von Wimpfen verheiratet; sein Sohn Karl Albert heiratete Amalia von Lerchen- feld, die aus Bayern stammte. Dorothea Veit geb. Mendelssohn, seit 1804 die Ehefrau Friedrich Schlegels, stand im Mittelpunkt eines Kreises von Liebhabern deutscher Kultur, dem unter anderem Henriette Mendelssohn, Rahel Levin, Freifrau Juliane von Krüdener 16 und die Brüder Humboldt sowie Friedrich Schlegel und Varnhagen von Ense angehörten. Insofern könnte man sagen, dass die bedeutenden literarischen Berliner Salons

11 Depping (1832: 365f.); hier nach dem Originaltext zitiert. 12 Über Madame de Staëls Tod berichtet Blennerhassett (1887-1890: III, 492): Dr. Friedländer, „der die Leiche einbalsamirte, fand alle Organe gesund, das Gehirn auffallend entwickelt, Muskeln und Nerven schwach.“ (B.K.) 13 Depping (1832: 201f.): „ Dr. Gall* erregte großes Aufsehen durch seine Schädellehre [...] Er bekam eine ausgebreitete Praxis, besonders unter den Deutschen in Paris; durch sein großes Werk über das Gehirn setzte er sich bei den Ärzten und Physiologen in den Ruf eines gründlichen Anatomen, und er blieb von nun an in Paris, wo er auch in der Folge starb.“ (B.K.) 14 Hase wurde 1816 Professor für Griechisch an der Ecole des Langues Orientales, 1830 Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Ecole Polytechnique und 1852 Professor für vergleichende Grammatik an der Universität. (B.K.) 15 Wie A. France (1925-1935; Bd. 23 [1932], 415) selbst berichtet; vgl. auch Pitollet (1922: 5). 16 Frau von Krüdener kam 1802 nach Paris. 206 Kapitel VII: 1800-1830 gewissermaßen in Paris entstanden sind. Zur selben Zeit lebten auch namhafte deutsche Schriftstellerinnen in Paris: Caroline von Wolzogen, deren Roman Agnes von Lilien damals sehr erfolgreich war, Helmina de Chézy geb. von Klencke, die Gattin des Orientalisten, die sich mit dem deutschen Volksliedgut befasste, und Frau von Hastwehr, die die Veröffentlichung deutscher Schriften förderte. Andere deutsche Frauen, die in Frankreich lebten, wollten weniger hoch hinaus; etliche hatten während der Besatzungszeit französische Beamte geheiratet und waren mit ihren Ehemännern nach Frankreich gezogen (Mathorez o. J.: 15ff.). Depping 17 (1832: 158) berichtet noch über eine weitere Kategorie von Frauen: Sogar weibliche Glücksritter aus Deutschland trifft man in Paris an. So habe ich eine Baronesse von Det** gekannt, deren Leben ein wahres Spinngewebe von Schlauheit und Unverschämtheit war. 18

1.4 Künstler Unter den Deutschen, die im gesellschaftlichen Leben Frankreichs bzw. in den Kreisen ihrer Landsleute in Paris eine Rolle spielten, waren auch zahlreiche Künstler, vor allem Musiker. Reichardt berichtet in seinen Vertrauten Briefen , er habe überall in Frankreich deutsche Musiker angetroffen, bei dem Klavierbauer Erard etwa viele brave deutsche Künstler, als unsern vortrefflichen Violoncellisten Romberg, dessen großes Talent auch bei uns bekannt genug ist, und der sich hier noch sehr vervollkommnet hat; die braven Clavierlehrer und Componisten, Adam, Wieder- kehr, Pfeffinger u.a.m. (Reichardt 1804: I, 153f.) Weiter erwähnt er, im Hause des deutschen Musikverlegers Sieber sei er dem Komponisten Ehler und dem Violinisten Rudolf Kreutzer 19 begegnet. Kreutzer war erster Geiger im Hoforchester, später auch Dirigent an der Königlichen Musikakademie und Komponist; er vertonte Gessners Tod Abels .20 Auch der „brave Landsmann“ Kalkbrenner, der Chorleiter

17 Depping berichtet, er sei ab 1803 in Paris als Erzieher in verschiedenen „Erziehungsinstituten“ tätig gewesen und habe 1807 beschlossen, sich „nun von schriftstellerischen Arbeiten und vom Privat - unterrichte zu nähren“ (1832: 140). Er unterrichtete zunächst den Sohn eines reichen Bankiers. S eine wirtschaftliche Lage schildert er sehr anschaulich: „Ich bekam noch einige andere Unterrichtsstunden und konnte davon leben, aber weiter nichts. Auch setzten mich die Leute manchmal in Verlegenheit, in- dem sie, an Überfluß und stetes Einkommen gewöhnt, nicht vermutheten, daß der Lehrer seines Geldes bedürfe, und es mir oft ziemlich lange vorenthielten, ja es vielleicht ganz vergessen haben würden, wenn ich mir nicht zuletzt, aus Noth gedrungen, das Herz genommen hätte, sie darum wie um eine Gunst anzusprechen. Ich habe überhaupt in meinem ganzen Leben bemerkt, daß die Reichen sich selten die Mühe geben, sich in die Lage der Minderbegüterten, welche ihnen ihre Zeit und ihr mühsam er- worbenes Talent widmen, hineinzudenken und ihnen mit der schuldigen Beza hlung zuvorzukommen“ (1832: 147). (B.K.) 18 Weiter heißt es bei Depping (ebd.): „Sie hatte während der Auswanderung dem Prinzen von Condé Gott weiß was für Dienste geleistet und ließ sich dafür von der königlichen Familie Geld geben. Hatte sie etwas vom Hofe erwischt, so erwachte ihr Adelstolz [sic], und sie lebte dann vollauf. War das Geld auf- gezehrt, so erfand sie allerlei Mittel, um sich durchzuhelfen.“ (B.K.) 19 Kreutzer wurde 1766 in Versailles als Sohn deutscher Eltern geboren, 20 Reichardt (1804: I, 2 69): „Der vortreffliche Violinist und Instrumentalkomponist Kreuzer besuchte mich eines Morgens, und lud mich zu einem Quatuor bei dem wackern Musikhändler Sieber ein, den Die Deutschen in Frankreich 207 an der Pariser Oper war, ist bei Reichardt (1804: III, 334) kurz erwähnt. J. N. Hummel, der von Goethe sehr geschätzte Hofkapellmeister des Großherzogs von Sachsen-Weimar, er- teilte 1817 Musikunterricht in Paris. In den Jahren vor 1830 machte Habeneck 21 sich um die Verbreitung der Werke Beethovens in Frankreich verdient. Meyerbeer, der wohl be- deutendste aus Deutschland eingewanderte Musiker, lebte ab 1826 fast ständig in Frank- reich. Zahlreiche deutsche Musiker spielten in den Militärkapellen, darunter der bayrische Kapellmeister und Komponist Georg Jakob Strunz, der 1800, gerade siebzehnjährig, als Regimentkapellmeister in die französische Armee eingetreten war (Baldensperger 1927: 112). In allen berühmten Pariser Werkstätten arbeiteten auch deutsche Künstler, u. a. bei dem Bildhauer François-Joseph Bosio, dem Maler Antoine-Jean Gros und vor allem bei dem Bildhauer David d’Angers. Zu nennen sind hier der Dresdner Maler Franz Gareis, der Stuttgarter G.F.E. von Waechter, der vierzehn Jahre lang in Paris lebte, ein anderer Stutt- garter Künstler namens Schick, Wilhelm Wach aus Berlin, Karl Josef Begas aus Köln; weiter der Berliner Medaillenstecher Brandt, die Bildhauer Ludwig Wichmann 22 und Fried- rich Tieck, 23 der um die Jahrhundertwende Davids Schüler war. 24 Die deutschen Intellek- tuellen gaben meist Paris den Vorzug, doch manche reisten auch in die Provinz. So verbrachte Uhland längere Zeit im Süden des Landes auf der Suche nach provenzalischen Texten; Kleist hielt sich unter anderem in Dijon auf, und Hölderlin war zu Beginn des 19. Jh. einige Monate als Erzieher in Bordeaux tätig. Im Frühjahr 1804 kam auch die Familie Schopenhauer nach Bordeaux, und nach ihnen Alexander von Humboldt auf der Rückreise von Amerika (Leroux 1918: 210ff.). Reichardt berichtet, in Lyon habe es damals ebenfalls viele Deutsche gegeben. 25

1.5 Kaufleute und Handwerker In der Provinz waren auch deutsche Kaufleute, Handwerker und Arbeiter zahlreich ver- treten. Nach 1800 kamen viele besonders in die Hafenstädte. Im Oktober 1806 beschlag- nahmte die französische Regierung allein in Bordeaux 113 preußische Schiffe, die auf Reede lagen. Mathorez (o. J.: 21) nennt zahlreiche Namen deutscher Händler, die damals in Bordeaux tätig waren, darunter J. J. Bethmann, Delbrück und Gaden; dazu kamen noch

ich gar nicht mehr am Leben glaubte; sonst hätt’ ich ihn, meinen alten Musikverleger , längst besucht. Ich kam eben zu einem gutgearbeiteten Quartett von dem braven deutschen Tonkünstler Ehler, den ich da auch kennen lernte, und hörte hernach einige treffliche Quartetten und Quintetten von Kreuzers Ar- beit [...]“. (B.K.) 21 Der Vater des französischen Violinisten und Dirigenten François-Antoine Habeneck stammte aus Mannheim. (B.K.) 22 Wichmann lebte von 1807 bis 1813 in Paris. 23 Vgl. Dussieux (1876: 95f., 218ff.); der Autor nennt noch ein gutes Dutzend weitere deutsche Künstler, die sich Anfang des 19. Jh. in Paris aufhielten. – Oehlenschläger (1850: II, 137) berichtet von seinem häufigen Umgang mit dem Maler Olivier aus Dessau und dem „geniale[n]“ Musiker Kienlen im Jahre 1807. 24 Vgl. Blennerhassett (1887-1889: III, 252): „Im Herbst von 180 8 traf der Bildhauer Friedrich Tieck, ein Bruder des Dichters, in Coppet ein und modellirte die Büste von Frau von Staël, welche diese der Herzogin Luise zum Geschenk machte.“ (B.K.) 25 Ausführlicher zur Präsenz der Deutschen in Coppet vgl. unten, 2.4.7. Der Ort liegt nicht in Frankreich, gehört aber in kulturgeschichtlicher Hinsicht dazu. 208 Kapitel VII: 1800-1830 deren Dienstboten sowie Angestellte, Arbeiter und Kleinhändler.1808 lebten dort auch etwa fünfzig ledige oder verheiratete Juden, die aus Deutschland oder Nordosteuropa stammten und gewöhnlich Jiddisch sprachen (Mathorez o. J.: 21; Leroux 1918: 165ff.). Im Hinblick auf Lyon spricht Arndt gar von dem „germanisierten Karakter“ der Stadt, was natürlich stark übertrieben ist, jedoch von der Bedeutung der deutschen Präsenz zeugt: Die Ursache dieses germanisierten Karakters hat vielleicht seinen [sic] Grund in den vielen Schweizern und Teutschen, die hier zum Theil ansässig, zum Theil als zeitli- che Arbeiter wohnten. Man rechnet vielleicht nicht zu viel, wenn man annimmt, daß ein Vierteil, ja vielleicht ein Drittel der Einwohner Teutsche, oder Schweizer von Geburt waren. Manche Fabriken und Gewerbe endlich, die bloß teutschen Landes und Bedürfnisses sind, haben diese Fremdlinge hier auch wohl zuerst in den Gang und endlich zum Indigenatrecht gebracht. So werden z. B. fast alle Gerbereien und Bierbrauereien, deren hier sehr viele sind, von Teutschen besorgt. Man trinkt hier endlich auf gut teutsch außerordentlich viel Bier, und führt es weit und breit ins Land als einen köstlichen Trunk aus [...]. 26 Auch Deutsche, die nach Paris kamen, fanden rasch Anschluss bei ihren Landsleuten. Wie Hase berichtet, wurde er nach seiner Ankunft im Oktober 1801 zu „einige[n] deutsche[n] Drechsler[n] und Schneider[n]“ geführt (1894: 48) ; sein „Wirth [sei] ein Deutscher aus Luxemburg, ein Fleischer und Traiteur, eine sehr gutherzige Se ele“ gewesen (1894: 50). Selbst in entlegenen Gegenden arbeiteten Deutsche: Sachsen und Tiroler für einen deut- schen Unternehmer im Dep. Ariège, deutsche Bergleute und Metallarbeiter im ganzen Land, auch im Süden (Mathorez o. J.: 20). Einige deutsche Bauern dienten in der franzö- sischen Armee.

1.6 Soldaten Zahlreiche Deutsche, die gefangen genommen worden waren, und ebenso viele deutsche Soldaten, die im französischen Heer dienten, blieben nach ihrer Entlassung aus der Gefangenschaft bzw. dem Militärdienst endgültig in Frankreich. Entgegen den Bestimmungen, die die Rekrutierung ausländischer Truppen untersagten, wurden 1789-1830, vor allem während des Empire, doch auch noch später ausländische Soldaten rekrutiert, besonders Schweizer; um 1800 dienten 18.000 Schweizer in sechs Halbbrigaden. Laut Artikel 1 des Kapitulationsvertrags vom 27. September 1803 zwischen Frankreich und der Schweiz sollten ‚16.000 Mann aus Schweizer Truppen im Dienst der französischen Republik stehen ‘. 1804 wurde eine ‚Hannoveraner Legion‘ gebildet, in der auch Deutsche aus anderen Tei len des Landes dienten, zwei Jahre später das ‚Westfälische Regiment ‘ unter dem Kommando von Oberst Prinz Karl Friedrich von Hohenzollern- Sigmaringen. 1807 entstand ein ‚Regiment von Hessen-Kassel ‘ in Weißenburg (Elsass) und ein zweites in Pfalzburg (Lothringen). Zudem mussten sämtliche Staaten des Rheinischen Bundes Kontingente stellen; dazu kamen zeitweilig noch größere holländische und selbst preußische Einheiten (Fieffé 1854: II, 120, 130ff., 168ff.). Aus strategischen und Sicherheitsgründen wurden anderssprachige Soldaten bei sämt- lichen Feldzügen stets zusammen mit den französischen Truppen eingesetzt, so dass es

26 Arndt (1802: III, 96f.); von Lévy (1950: 246) gekürzt zitiert. Die Deutschen in Frankreich 209 innerhalb der Einheiten zwangsläufig zu Sprachaustausch und Entlehnung kam. Tausende deutsche Soldaten kamen zudem in Kontakt mit der Zivilbevölkerung, als sie, etwa während des Spanienfeldzugs 1809, auf französischem Gebiet stationiert waren. Nach Beendigung ihrer Dienstzeit dachten viele nicht an eine Rückkehr in ihr Heimatland. Sie am Verbleib in Frankreich zu hindern, war jedoch nicht ganz einfach, denn manche hatten sich um das Land sehr verdient gemacht, 27 andere hatten geheiratet. Viele deutsche Soldaten und Offiziere blieben daher endgültig in Frankreich, besonders nach dem Sturz Napoleons. Namentlich bekannt sind insbesondere General Geither, der letzte Gouverneur Frankreichs in Landau, und die Offiziere Hendsch, von Maltzen, Daicker, von Dalberg und Hottinguer mit ihren Familien (Mathorez o. J.: 18f.). Von den zwanzig Deutschen und fünf- zehn Schweizern, 28 die in der Republik und unter Napoleons Herrschaft zu französischen Generälen ernannt wurden, haben vermutlich nur wenige die Rückkehr in ihr Heimatland erwogen. Die französischen Truppen und die Bevölkerung hatten darüber hinaus auch Kontakt zu den alliierten Heeren, die nach den Schlachten in Leipzig und Waterloo in Frankreich ein- drangen und viele Monate lang nahezu die Hälfte des Landes besetzten. Wie Depping (1832: 362) berichtet, lagerten westfälische Truppen 1814 einige Tage auf der Place du Carrousel, die „vom westfälischen Plattdeutsch widerhallte“, so dass ihm der Gedanke kam, „über dieses Plattdeutsch, welches man mitten in der verfeinertsten Hauptstadt des franzö - sischen Reiches sprechen hörte, einige Nachforschungen anzustellen“. 29 Im Übrigen ist hinlänglich bekannt, dass Besatzungsoffiziere in manchen Pariser Salons gern gesehene Gäste waren. Auch der sprachliche Einfluss der Kriegsgefangenen ist nicht zu unterschätzen. Kaum waren die Gefangenen eines Feldzugs entlassen, brachte der nächste Feldzug wieder neue ins Land. Zehntausende gefangene Soldaten lebten jahrelang überall in Frankreich, in engem Kontakt und oft bestem Einvernehmen mit den Einheimischen. Auf seiner Schiffs- reise von Lyon nach Paris sah Arndt an den Ufern der Saône zahlreiche österreichische Offiziere und Soldaten, die nahezu in Freiheit lebten. Über das Anlegen des Schiffs in Macon berichtet er: Die ganze Brücke stand voll Ungern und Oesterreicher, Officiere und Gemeine, die gestern der schnelle Le Courbe aus der Schweiz gesandt hatte. Kaum konnte ich mich vor Freuden halten, als ich die süße Sprache des Vaterlandes, selbst im Oester- reichischen und Mährischen Dialekt noch süß, nach langer Zeit wieder vernahm. Man hatte die Gefangnen nemlich fast in alle Städte des schönen Burgundischen Landes vertheilt. Sie sahen munter und wohlgemuth von der Brücke auf den von Böten und Fahrzeugen wimmelnden Strom und in die schöne Landschaft hinein, und schienen guter Dinge zu seyn. (Arndt 1802: III, 100) 30

27 Als Beispiel sei hier nur Jakob Franz Marulaz gen. Marola (1769-1842) aus Zeiskam (Pfalz) genannt, der zunächst als Husar, dann ab 1792 als Leutnant in der französischen Armee diente, 1809 wurde er zum Divisionsgeneral ernannt und ingesamt neunzehn Mal verwundet; 26 Pferde starben bei seinen Ein- sätzen. Einem solchen Mann konnte man die Bitte um Verbleib in Frankreich kaum abschlagen. 28 Angaben nach der (noch unvollständigen) Statistik in Fieffé (1854: II, 346ff.). 29 Hier wörtlich nach dem Originaltext zitiert. 30 Hier vollständig nach dem Originaltext zitiert. 210 Kapitel VII: 1800-1830

Vom Ausmaß des sprachlichen Einflusses der deutschen Gefangenen und der Intensität ihres Kontaktes mit der Zivilbevölkerung zeugt die folgende Begebenheit. Carl von Clausewitz, der spätere General und Verfasser militärischer Schriften, stattete Madame de Staël während seiner zehnmonatigen Kriegsgefangenschaft 1806-1807 einen Besuch in Coppet ab. Über das Gespräch mit der Schriftstellerin berichtete er seiner Braut in einem Brief: Ich sprach mit ihr über die herrliche Eigentümlichkeit unserer Sprache, dass sie in ihrem Reichtume und ihrer Freiheit auch dem mittelmässigen Menschen erlaubt, originell zu sein, während man in der französischen Sprache lauter gemachte Ge- danken findet und sich also mehr oder weniger immer der Form Anderer bedienen muss. Darauf zitierte sie mir einen Einfall von Friedrich Schlegel, der drollig ist. Es ist unglaublich, sagt er, wie splendid die Natur in Frankreich ist; sie hat von einem einzigen Originalmenschen 30 Millionen Exemplare aufgelegt. 31 Geringer war der Beitrag des Militärs zur Verbreitung des Deutschen in der friedlicheren Zeit der Restauration, wenn man davon absieht, dass während der Herrschaft der Hundert Tage 32 acht deutsche Regimenter aufgebracht wurden. Mit den Soldaten, die weiter in französischen Diensten blieben, wurde eine ‚Königliche Fremdenlegion‘ mit drei Bataillo- nen gebildet, die bald nach ihrem Kommandanten, Fürst zu Hohenlohe-Waldenstein-Bar- tenstein, 33 das ‚Hohenloher Regiment‘ genannt wurde. Nach der Rückkehr der Bourbonen standen auch wieder Schweizer Truppen in Frankreich. Am 1. Juni 1816 wurde in einem Kapitulationsvertrag festgelegt, dass die Kantone Soldaten für zwei Garderegimenter und vier Kampfregimenter zu stellen hatten; ‚Befehle an die Truppe [waren] in d eutscher Spra- che zu erteilen ‘. Die beiden Garderegimenter mit jeweils 2.290 Mann und die vier anderen Regimenter mit jeweils 1.950 Mann, somit insgesamt über 12.000 Soldaten, wurden erst am 11. August 1830 aus französischen Diensten entlassen (Fieffé 1854: 378ff.). Infolge dieser Sprachkontakte fanden manche deutsche Wörter und Wendungen Ein- gang in französische Mundarten und auch die Hochsprache; dies ist eindeutig belegt und vergleichsweise leicht auszumachen. Weit schwieriger ist es, Genaueres zu ermitteln über das Ausmaß der praktischen Deutschkenntnisse, die zahlreiche Franzosen in dieser Zeit erworben haben müssen. Doch ist wohl anzunehmen, dass zumindest die klügeren Franzosen, die längeren Sprachkontakt mit Deutschen hatten, deren Sprache schließlich verstehen und sprechen konnten.

1.7 Weitere Hinweise auf die Präsenz der Deutschen Die Zahl der Deutschsprachigen, die zu Beginn des 19. Jh. in Frankreich lebten bzw. sich dort endgültig niederließen, auch nur annähernd zu ermitteln, ist ein Ding der Unmöglich- keit. Ausgehend von der im Journal politique de Hambourg (1802) genannten Zahl der Ausländer kann man annehmen, dass es damals 6.000-7.000 Deutschsprachige in Paris gab. Dazu kamen noch die deutschen Truppen, die in Frankreich stationiert waren und zeitweise

31 Das in Lévy (1950: 248) gekürzte Zitat n. Raif (1911: 113, Anm. 3) ist hier vollständig wiedergegeben. 32 D. h. Anfang 1815 (B.K.). 33 Fürst Hohenlohe diente von 1816 bis 1829 im französischen Heer; zuvor hatte er im Dienst der Öster- reicher und der Emigranten gestanden. Die Deutschen in Frankreich 211 allein schon diese Zahl überschritten. Für die Pariser Gegend, in der es natürlich am meis- ten Deutsche gab, ergäbe sich daraus eine Gesamtzahl von rund 20.000. Abgesehen von den deutschsprachigen Gebieten in Nord- und Ostfrankreich hielten sich im übrigen Frank- reich vermutlich mindestens ebenso viele Deutsche auf, darunter auch Kriegsgefangene. Insgesamt lebten also zu Beginn des 19. Jh. mehrere zehntausend Deutschsprachige im frankophonen Teil des Landes. Als weitere Anhaltspunkte für das Ausmaß der Migration können die Existenz des deut- schen Cafés im Palais Royal (vgl. Kap. VI, 1.7; 2.2.4.4) und die deutschsprachigen protestantischen Gottesdienste an der Schwedischen Botschaft gelten. Dorothea Veit berichtete Freunden von ihrer Heirat mit Friedrich Schlegel, die dort 1804 stattfand: ‚Wir wurden in kleinem Kreise in der Kapelle der schwedischen Botschaft von Pas - tor Gambs, 34 dem Pfarrer der Botschaft getraut [...] Die Trauung wurde in deutscher Sprache vorgenommen, was mir sehr lieb war ‘ (Schreiben vom 6. April 1804; zit. n. Pange 1938: 37). Die wiederholten Versuche von Pariser Buchhändlern, eine deutsche Zeitung heraus- zubringen, sind ein weiteres Indiz für die bedeutende Präsenz der Deutschen in der Stadt, vor allem angesichts der damals noch geringen Zahl der Zeitungsleser. 35 Viele Deutsche verkehrten regelmäßig in Pariser Salons, nicht nur in den Salons deutscher Diplomaten; manchmal waren sie sogar in der Überzahl. Sie verkehrten bei Pougens, dem Direktor der Bibliothèque française , bei Sieyès und Millin, dem Herausgeber des Magasin encyclo- pédique : In seiner Mittwochs=Abendgesellschaft, die sich von sieben bis zehn Uhr zu ver- sammeln pflegt, bietet er [Millin] Reisenden und auch pariser Literatoren einen an- genehmen Versammlungspunct dar. [...] Auf einem großen, langen Tische, der die Mitte des Zimmers einnimmt, findet man die neuesten Stücke vieler in= und ausländischen wissenschaftlichen Journäle, und mancherlei Blätter und Broschüren des Tages. Unter jenen findet man mehrere deutsche, und dies mag denn auch wohl ein Grund seyn, daß der größte Theil der Fremden, welche diese Gesellschaft besu- chen, aus Deutschen besteht. (Reichardt 1804: I, 66f.) 36 Etliche deutsche Einwanderer oder Reisende haben ihre Erinnerungen und Eindrücke in Werken geschildert, die vermutlich auch als Reiseführer für Deutsche dienen konnten: Arndt (1802), Schlegel ( Reise nach Frankreich ; in der Zeitschrift Europa , 1803), Fischer (1805f.), Pinkerton, Mercier & Cramer (1807f.), Schultes (1815) und Hase (1894). Für die spezielle Zielgruppe der Besatzungsoffiziere brachte Galignani 1815 einen englisch- deutschen Paris-Führer heraus. 37

34 Zu Gambs vgl. Kap. VI, 1.7. 35 Ausführlicher hierzu siehe unten, 2.4.3. 36 Hier ungekürzt zitiert. 37 Der auf englische Literatur spezialisierte Pariser Buchhändler Galignani. Bei dem Titel handelt es sich vermutlich um Galignani (1815); der von Lévy (1950: 250, Anm. 6) genannte deutsche Titel ( Kurze Be- schreibung von Paris zum Gebrauch der Herrn Offiziere der alliierten Truppen ) der von ihm eingese- henen Ausgabe (mit dem englischen Text jeweils auf der linken, dem deutschen auf der rechten Seite) ist in dieser Form nicht in den einschlägigen Bibliothekskatalogen nachgewiesen. Der Reiseführer ver- 212 Kapitel VII: 1800-1830

2 Die Franzosen und das Deutsche

2.1 Urteile über die deutsche Sprache Wenn die Franzosen nun auch etwas mehr über die deutsche Sprache wussten, waren sie doch weiterhin geteilter Meinung. Madame de Staël bemühte sich als erste um eine genaue und unparteiische Beurteilung des Deutschen (ausführlich hierzu siehe 2.4.7). Viele Franzosen, die über einen längeren Zeitraum entweder Sprachkontakt mit Deutschen hatten oder doch hätten haben können, empfanden nichts als Verachtung für die deutsche Sprache. Graf Louis de Bonald, dem Inbegriff des Emigranten, miβfiel am Deutschen alles, was nicht vollkommen in sein monarchistisch und katholisch geprägtes Weltbild passte; er war der Meinung, von allen Sprachen Europas, auf die die unselige Revolution sich ausgewirkt habe, sei das Deutsche diejenige, in der ‚das Kind des Atheismus und der Philosophie ‘ die größten Fortschritte gemacht habe. 38 Die deutsche Sprache besitze zwar zahlreiche Komposita und sei an Wörtern ‚reich‘, der Satzbau sei jedoch schwerfällig, die Aussprache hart. Sein Urteil war natürlich sehr oberflächlich; er soll, als er Deutschland verließ, zynisch geäußert haben, in Heidelberg habe er sich eher an die Mundart des Rouergue erinnert als Deutsch gelernt.39 Noch negativer über das Deutsche äußerte sich Henri Beyle, der sich als Schriftsteller nach dem deutschen Ortsnamen Stendhal nannte; aus Niedersachsen schrieb er Ende 1807 an seine Schwester Pauline: ‚Diese deutsche Sprache ist wie das Krächzen der Raben; heute morgen habe ich begonnen, sie zu lernen, damit ich mich auf Reisen verständigen kann ‘ (Stendhal 1892: 236), und mehr als dreißig Jahre später an Balzac: ‚Ihre Sprache [die der Deutschen] habe ich aus Verachtung vergessen ‘ (Brief vom 30. Oktober 1840, Stendhal 1908: III, 262). Benjamin Constant wiederum sprach sehr abfällig über das Schweizerdeutsche; am 25. Juli 1804 notierte er über seine Ankunft in Bern: ‚[Ankunft in Bern. Bad. Abendessen in Gesellschaft anderer Gäste.] ein Wesen von einer anderen Gattung als der unseren, das uns ebenso wenig kennen würde wie wir die Tiere, könnte die Sprache all jener Teile der Menschheit, deren Formen noch nicht verfeinert, deren Bewegungen durch Erziehung noch nicht verlangsamt wur- den, durchaus für unartikuliertes Geschrei halten. Bei den Schreien, die mehrere Gäste bei Tisch in ihrer Heiterkeit oder im Streit ausstießen, konnte ich mir leicht vorstellen, ich befände mich plötzlich inmitten einer Büffelherde, und wenn man über einen Markt geht, auf dem Frauen Gemüse oder Blumen verkaufen, so besteht kaum ein Unterschied zwischen diesem Lärm und dem Geschnatter von grasenden Gänsen ‘.40

kaufte sich offensichtlich gut; noch 1827 erschien eine 15. Auflage u. d. T. Galignani’s new Paris guide, or, stranger’s companion through the French metropolis . 38 Immerhin ein gewisser Fortschritt im Vergleich zu 1793, als Deutsch in den Augen der Revolutionäre als die Sprache von Rückständigen, als Sklavensprache galt. 39 Lévy verweist hier (1950: 251) auf Tronchon (1920: 476), der sich seinerseits auf die Histoire littéraire de la France sous la Restauration von Alfred Nettement (2 Bde.; Paris 1853: I, 48) beruft. 40 „[arrivée à Berne. bain. diner à table d’hôte.] un etre d’une espèce étrangère à la notre et qui ne la con - noîtroit pas plus que nous ne connaissons les animaux, pourroit bien prendre pour des cris inarticulés le langage de toute la partie du genre humain dont les formes n’ont pas été adoucies et les mouvemens r a- Die Franzosen und das Deutsche 213

Unartikulierte Laute, Muhen von Büffelherden, Geschnatter von Gänsen – so beschreibt Constant als ein Franzose, der fließend Deutsch sprach, den Berner Dialekt. Die französische Aussprache von Deutschsprachigen war weiterhin ein beliebtes Mittel, um komische Effekte auf der Bühne zu erzielen. Scribe verwendete es bereits in seinen frühen Stücken; so tritt in seinem Vaudeville Thibault ein Schweizer Soldat Dagobert auf, der die französische Sprache ständig malträtiert. 41 Ähnlich verfuhr er auch in den späteren Stücken Les vélocipèdes (1818) und Le mal du pays (1827). Selbst L.-S. Auger hielt es als Mitglied der Académie française nicht für unter seiner Würde, dieses Mittel einzusetzen. In der Sitzung der Académie vom 24. April 1824 entstellte er den Namen Götz von Berlichingen dermaβen , dass er bei seinen Zuhörern einen besonders gelungenen Lacherfolg erzielte (Texte 1898b: 210). Insgesamt wurde das Deutsche jedoch ab Anfang des 19. Jh. allmählich weniger negativ beurteilt. Reichardt führt diese Wendung hin zu einer positiveren und besser begründeten Einschätzung der Sprache auf das gestiegene Ansehen der deutschen Literatur bei den französischen „Literatoren“ zurück: In diesem Verlangen, den Deutschen bekannt, und auch in ihre Sprache übertragen zu werden, äußert sich jetzt die größere Achtung der französischen Literatoren für unsre Literatur und Sprache am häufigsten und sichersten. Ich habe sonst wohl man- chen vor der Idee zusammenschaudern sehen, daß sein Werk, bei welchem ihm selbst weise Anordnung in der Composition und Klarheit und Eleganz der Sprache über alles wichtig war, in eine Sprache übertragen werden sollte, von deren Natur und Ausbildung sie fast alle einen so höchst unvortheilhaften Begriff hatten. Jetzt scheinen die meisten französischen Literatoren schon recht ordentlich daran zu glauben, daß unsere Sprache auch einer gewissen feinen und zierlichen Ausbildung fähig sey, und daß wir selbst wohl nicht ganz ohne Sinn und Gefühl für die Kunst seyn möchten. 42

lentis par l’éducation. aux cris que poussoient plusieurs de mes convives, dans leurs gaités ou dans leurs Disputes, je me serais facilement cru transporté au milieu d’un troupeau de buffles et lorsqu’on traverse un marché ou des femmes vendent des légumes ou des fleurs, il y a peu de différence entre ce bruit, et les conversations des oyes qui paissent.“ - Die hier zitierte kritische Ausgabe (2002: 174) weicht nicht unerheblich von dem in Lévy (1950: 251f.) zitierten Text (Constant 1928: 61) ab; insbesondere ist im Zusammenhang mit dem Geschnatter der Gänse darin nicht die Rede von Deutschland. 41 Scribe & Delavigne (1813: 9); vgl. dort auch 10f., 16. – Hier ein Beispiel aus seinem Monolog in der 3. Szene: „Serfiteur ... Cette cabane a été abandonnée ... J’hafre bien fait d’y cacher mon feuillette de pon fin fieux ! Quoique ça, j’avais eu une bonne idée ... Me faire fifantier ! J’aurais gagné de l’argent assez plus que beaucoup ... Ch’être toujours sür d’afoir de la pratique ; les chours qu’il ne viendrait personne, che vendrais mon vin à moi-même. Ah, fi donc, Tagobert, quelle idée ... toi fifantier ... Che pourrais chamais faire payer un camarade“. – Wie man sieht, ist hier nicht nur die Aussprache fehlerhaft. (B.K.) 42 Reichardt (1804: III, 38f.), hier vollständig zitiert. Vgl. dort auch (1804: III, 39): „Suard, der sehr viel Achtung für deutsche gelehrte Literatoren im Kunstfache hat, war sehr begierig nach Notizen von den neuesten deutschen Schriften, durch welche das Kunstfach in der letzten Zeit bereichert worden, und ich mußte ihm manchen Titel von Götheschen, Wolffschen, Chladnischen und Forkelschen Schriften auf- schreiben.“

214 Kapitel VII: 1800-1830

1800 nahm Ch. de Villers, der beide Sprachen so gut beherrschte wie sonst nur sehr wenige Zeitgenossen, im Spectateur du Nord einen sehr eingehenden Vergleich des Deutschen und Französischen vor. Er argumentierte, der Reichtum einer Sprache lasse sich nicht an der Zahl der Wörter messen und sei für den Vergleich beider Sprachen keine geeignete Grund- lage: ‚Ich sehe wohl, dass e s tausend Wörter im Deutschen gibt, die man nicht auf Franzö- sisch übersetzen kann, die keine genaue Entsprechung im Französischen haben: Es ist aber ebenso leicht, tausend französische Wörter zu finden, die man nicht ins Deutsche übersetzen kann ‘ (de Villers 1800: 21). Sinnvoller sei es, die Sprachen unter anderen Gesichtspunkten zu vergleichen: Dem Deutschen mangele es an unterschiedlichen Formen für Adjektive und Adverbien, oder besser gesagt, es habe keine Adjektive, sondern nur Adverbien (1800: 24). Auch der Aorist fehle im Deutschen; im Französischen werde zwischen Imperfekt und Passé simple unterschieden, im Deutschen gebe es nur eine Form (1800: 25). Dagegen sei die Deklination im Deutschen vielfältiger, besser ausgebildet und markiert als im Französischen; weiter gebe es im Deutschen ein neutrales Genus, ein Possessivpronomen für Maskulinum und Femininum und mehr Diminutive (1800: 26). Die Verbpartikeln würden vom Verb abgetrennt und an das Ende des Satzes gestellt, was bedauerlich sei, weil der Sinn des Satzes erst am Ende deutlich werde (1800: 29). Doch spreche zugunsten des Deutschen, dass es ‚keinerlei Hilfe oder Entlehnungen benötigt‘; es sei in der Lage, seinen Wortschatz aus eigener Kraft zu vervollständigen, und man könne ihm den Rang einer ‚Ursprache ‘ zusprechen (1800: 30f.). Um neue Begriffe auszudrücken, habe das Deutsche die Möglichkeit, Zusammensetzungen wie Sauerstoff oder Wasserstoff zu bilden, während das Französische auf Entlehnungen angewiesen sei (1800: 37). Da das Deutsche über eigene Mittel zur Bereicherung des Wortschatzes verfüge, sei ihm ‚der Vorzug zuzusprechen, als eine echte Sprache zu gelten, was auf das Französische nicht zutreffe ‘ (1800: 41). De Villers verwendet in diesem Zusammenhang eine überaus pittoreske Metapher. Das Französische sei im Vergleich zu den anderen Sprachen ein Maulesel, ein zwar sehr schöner, kraftvoller und anmutiger Maulesel, aber eben doch ein Bastard. Zum Deutschen schreibt er dagegen: ‚Das Deutsche ist wie ein Hengst, noch ein wenig wild, manchmal widerspenstig gegen die Hand, die ihn führt; ein kräftiges Pferd mit rauhem Fell, vielleicht noch nicht hinlänglich dressiert für die Arbeit, doch hat es den freien, unabhängigen Gang eines echten Tieres; es trägt in sich die Mittel, weiter zu bestehen, sich zu ver- mehren; oder endlich, um es ohne Umschweife zu sagen, Deutsch ist eine Sprache, Französisch ist es nicht ‘ (de Villers 1800: 45). Als guter Franzose beschließt de Villers seinen Beitrag indessen nicht mit einer so wenig schmeichelhaften Aussage über seine Muttersprache, sondern mit einem Vergleich der Musikalität beider Sprachen: ‚Das Französische klingt besser und sanfter als das Deutsche. Die Kehlkopflaute, die Anhäufung von Konsonanten in den deutschen Wörtern führen dazu, dass sie schwer auszusprechen und unangenehm anzuhören sind. Das ist ganz unbestreitbar. Deutsch Die Franzosen und das Deutsche 215

ist von Natur aus der Feind der schönen Klänge, die den südlichen Sprachen eignen [...] Manche sagen, die deutsche Sprache sei nicht hart, wenn sie vollkommen aus- gesprochen werde: die Vollkommenheit kann hier jedoch nicht den Ausschlag ge- ben ‘ (de Villers 1800: 46). Diese Auffassung vom Deutschen als einer ‚Ursprache‘ vertrat auch Catteau-Calleville, der zu Beginn des 19. Jh. fast ganz Deutschland bereiste. Der Sprache ist in seinem Reisebericht ein ganzes Kapitel ge widmet, das in der Behauptung gipfelt, das ‚Deutsche gelte zu Recht als eine der bemerkenswertesten Ursprachen ‘. Zehn Jahre vor dem Erscheinen von Bopps Vergleichender Grammatik wies Catteau-Calleville auf Ähnlichkeiten zwischen germanischen und lateinischen, auch persischen Wurzeln hin; er führte aus, das Niederdeutsche sei sanfter und klarer als das Hochdeutsche und habe einen einfacheren Satzbau; womöglich wäre es für die Entwicklung der Literatur von Vorteil gewesen, wenn Niederdeutsch die Schriftsprache geworden wäre (Catteau-Calleville 1810: 175ff.). Andere Franzosen haben die deutsche Sprache vor allem unter dem Gesichtspunkt der Übersetzung betrachtet. So schrieb ein Autor namens D.G. in der Décade philosophique (1800/01: XXVII, 416): ‚Wir müssen zugeben, dass der deutschen Sprache, der die Franzosen so häufig vorwerfen, sie sei langsam und verwickelt, weil sie sie nach dem Sprachgebrauch mancher Schriftsteller beurteilen, doch das Verdienst eignet, kraftvoll und einfach zu sein, was ihr eine große Schönheit verleiht, die der Übersetzer gewöhnlich in den Formen der französischen Sprache nicht wiedergeben kann. ‘ Einige Jahre später verwies Benjamin Constant in der Vorrede zu seiner Wallenstein - Bearbeitung auf den freieren Gang der dichterischen Sprache: ‚Die Sprache des deutschen Dramas ist nicht so heiklen, herablassenden Regeln unterworfen wie die französische ‘ (Constant 1809: XVII). Eben diese Freiheit in der Sprache der deutschen Schriftsteller kritisierte dagegen Henri Coiffier in der Vorrede zu seiner Wieland-Übersetzung: ‚Wenn eine Wendung ihren Gedanken mit einiger Kraft auszudrücken vermag, so kümmert es sie wenig, dass sie ansonsten gegen die Harmonie oder die Regeln ver- stößt‘ (Coiffier in Wieland 1802: XLIII). Im Übrigen teilte er nicht die Meinung der meisten Zeitgenossen, die das Deutsche als kraftvoll beschrieben: ‚Mir scheint, die deuts che Sprache wird nicht richtig beurteilt. Aus ihrer Härte schließt man, dass sie kraftvoll sein muss, was, wie ich meine, nicht zutrifft. Mit ihrer Fülle von Artikeln und den zahllosen Hilfsverben ist sie weitschweifig, oft langatmig, ihr fehlt es insbesondere an Würde, und sie ist unfähig, Leidenschaften oder doch heftige Leidenschaften vorteilhaft auszudrücken. Wohl bietet sie mannig- faltige sehr kraftvolle Ausdrücke, aber sie sind von jener Kraft, die das Wirkliche schildert, ohne in Umrissen zu malen, ohne Adel. Ausgezeichnet vermag sie dank ihrer Verkleinerungsformen und Zusammensetzungen dagegen zarte Gefühle, sanfte Empfindungen, häusliche oder ländliche Szenen zu schildern, mit einem Wort, alle 216 Kapitel VII: 1800-1830

jene kleinen Details der Natur, die die Franzosen von allen Völkern womöglich am schlechtesten erfassen ‘ (Coiffier in Wieland 1802: VIIf.). Ähnlich bemerkte Elise Voïart, die Schillers Ballade Fridolin 1829 ins Französische über- setzte, ihre Übertragung verdanke das meiste der ‚rührenden, naiven Schlichtheit, d ie dem deutschen Volk und seiner Sprache ‘ eigneten (zit. n. Duméril 1933: 352). Auch Sainte- Aulaire, einer der ersten Faust -Übersetzer, hielt es für angebracht, seiner Übertragung Bemerkungen über die deutsche Sprache voranzustellen; vor allem lag ihm daran zu erläutern, dass er einige Szenen infolge der mangelnden Genauigkeit und des verwickelten Satzbaus des Deutschen nicht richtig übersetzen konnte. Er meinte, deutsche Dichter strebten gewissermaßen nach Undeutlichkeit: ‚Der Charakter der deutschen Sprache trägt weiter bei zu der Undeutlichkeit, 43 für die man diese Schriftsteller lobt oder tadelt. Der Reichtum der Sprache, die Freiheit der Wortstellung, die größere Freiheit bei der Bildung neuer Wörter, deren Bedeu- tung mithin noch nicht genau bestimmt ist, all diese Möglichkeiten, aus denen das Genie einen solch großen Nutzen zu ziehen vermag, sind gelegentlich auch eine ge- fährliche Versuchung für das Genie. – Der deutsche Satz, von unverhältnismäßiger Länge, ist gewissermaßen dehnbar; er nimmt alles auf, was man hineinlegen will. Wenn man den Satz mit Adjektiven bereichert, die Feinheiten vermehrt, ihn mit Ein- schüben befrachtet, so kann es geschehen, dass Wortstellung und Klarheit be- einträchtigt sind. Die Fülle der Wörter tut der Genauigkeit der Bedeutung Abbruch. ‘ Unter dem Eindruck dieser erdrückenden ‚Überfülle‘ beruft Sainte-Aulaire sich dann sogar auf den Staatsmann, der im Hinblick auf diplomatische Schriftstücke gesagt haben soll: ‚Deutlich ist alles, was Französisch ist, undeutlich alles, w as Deutsch ist ‘ (Sainte-Aulaire in Goethe 1827: 27f.). Selbst die 1829 gegründete Nouvelle Revue Germanique , die dem Deutschen natur- gemäß wohlwollend gegenüberstand, schrieb: ‚[...] der ganz eigene Genius der deutschen Sprache, der sich wesentlich von dem Genius der französischen unterscheidet, so dass man häufig darauf verzichten muss, die Ausdrücke der einen Sprache durch entsprechende oder auch nur ähnliche in der anderen wiederzugeben. So groß sind der Reichtum, die Fülle dieser Sprache, die unendliche Vielfalt ihrer Wörter und ihrer Zusammensetzungen, die Mannig- faltigkeit ihrer Wendungen und der Wortstellung, die Freiheit ihrer Bewegungen, dass man vergleichsweise mühelos aus allen anderen Sprachen ins Deutsche über- setzen kann, während die deutsche Sprache selbst oft unübersetzbar wird. Die Frei- heit im Ausdruck grenzt in Deutschland an Zügellosigkeit, die Unabhängigkeit an Anarchie. Es gibt dort kein Wörterbuch der Académie, das die Wörter auf ihre Zulässigkeit prüft und diejenigen festhält, die im bon usage gebräuchlich sind [...] Es gibt dort weder eine orthodoxe Doktrin noch Häresie, allein Ansichten und Sprachgewohnheiten, die miteinander im Widerstreit liegen. ‘ (Nouvelle Revue germanique 1830: IV, 2).

43 Auch Lamartine betont das Nachdenkliche, Lyrische, Mystische in der deutschen Sprache; er spricht sogar von ‚tiefer Undeutlichkeit‘. Die Franzosen und das Deutsche 217

Die Tradition des 18. Jh., das Französische mit den wichtigsten anderen Sprachen zu ver- gleichen, die ihm seine Vorrangstellung streitig machen könnten, wurde weiter fortgeführt. Allou vertrat in seinem umfangreichen Essai sur l’universalité de la langue française (1828) die Ansicht, das Deutsche habe nicht zur Universalsprache werden können, zum einen, weil es ihm lange an Einheit gefehlt habe, zum anderen, weil ‚diese Häufung von Konsonanten, diese beinahe durchgängig harte, gutturale, ein wenig ungeschliffene Aussprache des alten Deutschen, aus dem die gesitteten Wey- marer [sic] Schriftsteller noch nicht das ‚Italienisch des Nordens‘ gemacht hatten, besonders für die empfindlichen Ohren der südlichen Völker sehr abstoßend waren ‘. Wohl gesteht er der deutschen Sprache zu, sie könne es seit einiger Zeit ‚dank ihrer zahlreichen Vorzüge mit den anderen Universalsprachen aufnehmen. Sie wird in sehr vielen Ländern gesprochen, besonders wenn man die aus ihr hervor- gegangenen Sprachen, Holländisch, Flämisch, Dänisch und Schwedisch, mit berück- sichtigt; die deutsche Literatur hat einen bemerkenswerten Aufschwung genommen; die Sprache ist reich, biegsam, sie hat in unserer Zeit eine Anmut und Reinheit er- halten, von der sie bis dahin weit entfernt gewesen war [...]. Doch eben wegen ihres Reichtums und ihrer Eigentümlichkeit stellt diese Sprache die Ausländer vor Schwierigkeiten, die oft abstoßend auf sie wirken und die allein schon verhindern, dass sie zur Universalsprache werden könnte. ‘ Dazu kommen noch die harte Aussprache, die regionalen Verschiedenheiten und der unge- wöhnliche Satzbau des Deutschen, der ‚sich mehr als in jeder anderen Sprache manchmal auf geradezu anstö ßige Weise von der natürlichen Ordnung entfernt. Das geht so weit, dass Adjektive und Substan- tive oder auch Nominative und Verben durch einen vollständigen Satz voneinander getrennt werden; Präpositionen, die den Sinn von Verben vollständig verändern, werden an das Ende eines oft sehr langen Satzes gestellt, dessen Sinn man deshalb erst versteht, wenn man ihn bis zum Ende gelesen hat. Und dann die uneinheitliche Rechtschreibung [...], die Mühe beim Lesen der gotischen Schrift [...], das ist mehr als hinreichend, um zu begründen, dass die Sprache Goethes und Wielands künftig wohl aus Neugier von einigen wenigen Ausländern gelernt werden wird, aber nie den Anspruch erheben kann, eine Universalsprache zu werden ‘ (Allou 1828: 280, 307ff.). Die meisten seiner Zeitgenossen waren in dieser Hinsicht allerdings insofern schon etwas weiter, als sie Deutschkenntnisse für unumgänglich hielten. In den Debatten, die der Neuordnung des Schulwesens vorausgingen, wurde die Frage nach dem Nutzen von Fremdsprachenkenntnissen für die französische Jugend lebhaft erörtert (Tronchon 1920: 85). Manche, noch geprägt vom Geist der Revolution, hielten das Erlernen von Fremdsprachen um der Brüderlichkeit unter den Völkern willen für unumgänglich; andere hatten in erster Linie den kommerziellen Nutzen im Auge. Auch mit dem Aufschwung der deutschen Literatur wurde argumentiert. Vor allem für gebildete Franzosen galten gute 218 Kapitel VII: 1800-1830

Deutschkenntnisse nun als unumgänglich. De Villers legte in seinem Appel aux officiers de l’armée du Hanovre (1803) 44 den französischen Offizieren ans Herz, sich ein Beispiel an ihren Vorgängern im Siebenjährigen Krieg zu nehmen und den Aufenthalt in Deutschland zum Erlernen der Sprache zu nutzen. Wohl sei dies ‚ein schwieriges Unterfangen, doch bedenken Sie, dass das Deutsche heutzutage die gelehrteste Sprache Europas ist und Sie für die Dornen der Grammatik mit reichem Lohn entschädigen wird ‘. Auf den wissenschaftlichen Nutzen von Deutschkenntnissen verwies auch Lalande in seiner Ankündigung der Gründung der Société de Statistique im Journal de Paris : Lalande hat [...] in öffentlichen Blättern daran erinnert, daß man nicht vergessen möchte, wie die Deutschen in der Statistik das meiste gethan haben, und die meisten Werke in dieser Wissenschaft besäßen. Er sagt bei der Gelegenheit noch manches zur Ehre der Deutschen. Seine Anzeige im Journal de Paris lautet wörtlich so: [...] „In dem Jahrbuche vom achten Jahre gab ich ein Verzeichnis von Büchern, die da - von handelten, aber die meisten sind in deutscher Sprache geschrieben. Ich halte es für nützlich, an jene Anzeige zu erinnern, damit man nicht vergesse, daß man die deutsche Sprache verstehen muß, um Statistik zu wissen; das ist übrigens auch der Fall mit allen andern Wissenschaften. Ich würde auch nicht die Sternkunst verste- hen, wär ’ ich nicht in steter Verbindung mit den deutschen Astronomen gewesen “.45 Dass Lalande die Lage richtig einschätzte, zeigt schon die Entlehnung von Fachwörtern aus dem Deutschen zur Genüge.46

2.2 Mittel zum Spracherwerb

2.2.1 Reisen und Bücher über Deutschland Angesichts des unbefriedigenden Zustands des Fremdsprachenunterrichts an den öffentlichen und privaten Schulen blieben Reisen nach Deutschland die beste Möglichkeit zum Spracherwerb. Nur selten reiste man allerdings allein zu diesem Zweck; so verfolgte Madame de Staël stets auch das Ziel, ihr Deutsch auf ihren Reisen weiter zu verbessern, und nahm aus eben diesem Grund ihren Sohn mit. Alexandre-Charles Perrégaux hielt sich als Student von 1803 bis 1805 in Leipzig auf; er war begleitet von Auguste Duvau, der bereits zehn Jahre in Deutschland als Flüchtling gelebt hatte (Joret 1907: 538). Der Berner Philipp Albert Stapfer lebte viele Jahre lang in Paris (vgl. auch Kap. VI, 2.2.1); zuvor hatte er in Göttingen studiert. Benjamin Constant kehrte wie Duvau in das Land zurück, in dem er fast zehn Jahre seiner Jugend verbracht hatte; 1803-1804 hielt er sich in Weimar, 1811- 1814 im Hannoverschen auf (Rudler 1909: 162). Catteau-Calleville reiste nach Deutschland und Schweden, vermutlich zu wissenschaftlichen Zwecken. Die allermeisten Franzosen, die sich seinerzeit in Deutschland aufhielten, waren indes- sen aus anderen Gründen gekommen. Im Zeitraum 1800-1815 zogen mehrere hundert-

44 Lübeck, 20. Juni 1803; abgedruckt in Wittmer (1908: 173f.). 45 Hier ausführlich zitiert nach Reichardt (1804: III, 45f.). 46 Ausführlicher zur Bildung von statistique nach deutschem Vorbild siehe unten, 2.4.6. Die Franzosen und das Deutsche 219 tausend Offiziere und Soldaten durch ganz Deutschland, zehntausende hielten sich nahezu ständig dort auf, als Besatzungstruppen in den Garnisonsstädten oder als Kriegsgefangene. Die Soldaten, die einigermaßen intelligent oder aufgeschlossen waren, haben durch den ständigen intensiven Sprachkontakt zur Zivilbevölkerung sicher ordentlich Deutsch gelernt. G. de Nerval war in der Lage, den Faust zu übersetzen, weil er von seinem Vater, der als Militärarzt bei den Feldzügen in Deutschland sehr gute Sprachkenntnisse erworben hatte, Deutsch gelernt hatte. Ein anderer Militärarzt berichtete nach seiner Rückkehr stolz, er habe mit deutschen Schriftstellern verkehrt (vgl. Reichardt 1804: I, 174). Baron de Mortemart-Boisse erinnerte sich viele Jahre nach seiner Zeit in Deutschland an die Ge- dichte, die er dort gelernt hatte: ‚[Bürgers Ballade Lenore ] hatte mich in meinen Quartieren während der Kriege in Deutschland traurig berührt, und ich hatte sie fast auswendig gelernt, ebenso wie das Lied Guter Mond, du gehst so stille , das ich in Pommern sang, als ich nachts im Mondschein auf der zugefrorenen Ostsee die Meerenge überquerte, die Stralsund von der Insel Rügen trennt ‘ (Revue des Deux Mondes 1830: IV, 195). Stendhal zog als Beamter der Intendantur in den Feldzügen 1806-1809 und 1813 durch weite Teile Deutschlands und Österreichs und lebte fast zwei Jahre in Braunschweig; aller Wahrscheinlichkeit nach wäre er sonst nie in Berührung mit der deutschen Sprache gekommen. Auch andere Franzosen waren längere Zeit in der Zivilverwaltung der besetzten deut- schen Gebiete eingesetzt. In Paris war man klug genug, nach Möglichkeit Leute zu ent- senden, die die Sprache bereits beherrschten, häufig Elsässer oder nach Frankreich einge- wanderte Deutsche, die bei dieser Gelegenheit ihre Sprachkenntnisse auffrischen oder ver- tiefen konnten. Andere nutzten die Gelegenheit, um Deutsch zu lernen, so Prosper de Ba- rante, der lange als Auditor des Staatsrats im besetzten Breslau tätig war. Bescheiden no- tiert er hierzu in seinen Erinnerungen: ‚Die Verwaltung Schlesiens lie ß mir sehr viel freie Zeit [...]; ich habe sogar ein wenig Deutsch gelernt ‘ (de Barante 1890: I, 259). Edouard Mounier, der als Sohn des Emigranten J. J. Mounier im Wesentlichen in Deutschland auf- wuchs, wurde 1806 von Napoleon zum Intendanten von Sachsen ernannt. Ein anderer ehe- maliger Emigrant, Adrien de Lezay-Marnésia, war nach seiner Rückkehr Präfekt der Depar- tements Rhein-Mosel und Niederrhein. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege nahm die Zahl der Deutschlandreisen von Franzosen einige Zeit ab. Zur Zeit der Restauration reisten viele, die später, im zweiten Drittel des 19. Jh., eine wichtige Rolle spielten, nach Deutschland. Châteaubriand hielt sich vom 10. Januar bis zum 19. April 1821 dort auf und unternahm insgesamt vier Reisen nach Deutschland. Saint-Marc Girardin war 1827 drei Monate lang in Berlin. J. J. Ampère reiste nach Weimar, Sainte-Beuve 1829 an den Rhein, wo Ph. Chasles bereits vor ihm gewesen war, und verbrachte danach lange Zeit in der Schweiz. Die Schriftstellerin Marie de Flavigny, die spätere Madame d’Agoult, besser bekannt unter dem Pseudonym Daniel Stern, lebte 1814-1816 und 1820-1821 in Frankfurt am Main. Lerminier bereiste nach fünf Jahren in Straßburg wiederholt Teile von Deutschland. Von dem späteren Napoleon III. ist bekannt, dass er seine Jugend großenteils in Süddeutschland verlebte. 47

47 Lévy (1950: 260) erwähnt in diesem Zusammenhang auch Hortense Lacroix, die Tochter der Amme des 220 Kapitel VII: 1800-1830

Nach einer Reise in verschiedene Gegenden Deutschlands 1817 kehrte der Philosoph Victor Cousin später noch mehrmals dorthin zurück; seinem Beispiel folgten die Historiker Michelet (1825, 1828) und Edgar Quinet (1826). Nachdem David d’Angers zum ersten Mal 1829 nach Deutschland gereist war, um Goethes Büste zu formen, führten ihn vier weitere Aufträge wieder dorthin.

2.2.2 Deutschunterricht

2.2.2.1 Organisation und Lehrpläne Regulären Unterricht im Deutschen bzw. allgemeiner in den Fremdsprachen gab es in die- sem Zeitraum eigentlich noch kaum. Die lebenden Fremdsprachen wurden bei der Gymnasialreform unter Napoleon nicht berücksichtigt und fehlen insbesondere in fast allen Schulordnungen von 1800 bis 1830. Auf den Gedanken, Lehrerstellen für Deutsch, Englisch, Italienisch und Spanisch einzurichten, wie es sie etwa für Französisch, Latein und Mathematik bereits gab, verfiel keiner, nicht einmal in Paris. In einem Gesetz vom 1. Mai 1802 waren wohl ‚Fremdsprachenlehrer an mehreren Gymnasien ‘ vorgesehen; genauere Angaben über Aufgaben, Stellung und Berufung dieser Lehrer fehlten jedoch. Mit dem Erlass vom 10. Dezember 1802 wurde der Lehrplan im Einzelnen geregelt; darin war ein ‚vom Gymnasium entlohnter Tanzlehrer‘ vorgesehen, von den Fremdsprachen war dagegen nicht die Rede. Der mit dem Erlass vom 19. September 1809 verfügte ausführliche Lehrplan sah sogar ‚einen Fechtlehrer für jedes Gymnasium‘ vor; die Fremdsprachen werden auch hier mit Stillschweigen übergangen. Der Lehrplan, der zunächst nur für Gymnasien bestimmt war, wurde im August 1812 auch für die Collèges verbindlich. Fremdsprachenunterricht war wiederum nicht vorgesehen. Eine Änderung brachte erst die Verordnung vom 28. September 1814, in der es heißt: ‚Besondere Lehrkräfte für Fremdsprachen und die Künste können eingestellt werden; sie sind von den Familien zu bezahlen ‘.48 Einen nennenswerten Fortschritt gab es auch in der Folgezeit nicht; die Erlasse vom 15. Mai 1818 bzw. 31. Oktober 1820 und die Verordnung vom 27. Februar 1821 gingen über die Verordnung von 1814 nicht hinaus. Am 4. September 1821 wurde immerhin beschlos- sen, in allen königlichen Collèges Fremdsprachenlehrer einzusetzen; Fremdsprachen- unterricht wurde allerdings nur für die Schüler der letzten vier Klassen, und nur auf Antrag der Eltern angeboten, während für die Schüler der 8. bis 5. Klasse der Tanzunterricht zum Pflichtfach wurde. Eine wirkliche Änderung der Lage zeichnete sich erst in den letzten Monaten der Restauration ab. 49 An welchen Gymnasien wurden nun tatsächlich Fremdsprachen unterrichtet, wie im Erlass vom 10. Dezember 1802 vorgesehen? Am Pariser Gymnasium Louis-le-Grand, an einigen Schulen in Bordeaux, Vendôme, Nancy und Metz, aber das dürfte auch schon alles

späteren Napoleons III, die unter dem Pseudonym Sébastien Albin einen Band mit Ballades et chants populaires de l’Allemagne (1841) veröffentlichte. 48 Diese Bestimmungen sind hier zitiert nach Gréard (1887: III; Anhang: Les plans d’études de 1791 à 1886 , 238ff.). 49 Ausführlicher zu den Verordnungen und Erlassen vom 26. März 1829 und vom 15. September 1829, die eine neue Phase in der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in Frankreich einleiteten, siehe Lévy (1952: Kap. VIII). Die Franzosen und das Deutsche 221 sein, und selbst diese Schulen verdankten ihren Deutschlehrer nicht unbedingt jenem Erlass. An den zahlreichen anderen Sekundarschulen, deren Geschichte wir untersucht haben, gab es dagegen so gut wie keinen Unterricht in Fremdsprachen, schon gar nicht im Deutschen – keine Spur davon in Tulle, Brive, Pamiers, Avesnes, Abbeville, auch nicht am Athénée in Paris. Die Verzeichnisse der Lehrkräfte in Tulle und Brive für das Schuljahr 1823 nennen jeweils einen Lehrer für Musik, Tanz und Fechtkunst, jedoch keinen für Fremdsprachen. In Abbeville erteilte seit Beginn des 19. Jh. der Schulleiter höchstpersönlich Englischunterricht, vermutlich zwanzig Jahre lang. ‚Neben den Schülern des Collège [durften den Unterrricht] auch andere Personen besuchen, die daraus Nutzen ziehen wollten ‘ (Schulprospekt für das Jahr 1814). Durch diesen Erfolg ermutigt, bot die Schule ab 1818 auch einen Italienischkurs an,50 Deutschunterricht dagegen erstmals 35 Jahre später! Nicht viel besser sah es an den Hochschulen aus. In den ersten Lehrplänen der Ecole Polytechnique waren als Pflichtfächer nur Mathematik und Naturwissenschaften vorge- sehen. Ab 1806 wurden für die mündliche Zulassungsprüfung ‚ausreichende Latein - kenntnisse [verlangt], um Ciceros De officiis zu übersetzen ‘; 1816 kamen Grammatik, schöne Literatur und Geschichte dazu, 1831 Aufsatzschreiben. 51 Von den lebenden Fremd- sprachen war darin nicht die Rede, ebenso wenig wie im Lehrplan der Ecole Normale Supé- rieure vom 5. Dezember 1815. 1814 wurde beschlossen, am Collège de France Lehrstühle ‚für das Chinesische und das Tatarische der Mandschurei‘ sowie ‚für Sanskrit‘einzurichten (Verordnung vom 29. November 1814; Beauchamp 1880: I, 383, 391ff.). Man sollte mei- nen, dass es an dieser renommierten Hochschule schon seit langem Lehrstühle für Deutsch oder zumindest für germanische Sprachen hätte geben müssen, wenn dort selbst Chinesisch und Tatarisch gelehrt wurde; dem war jedoch nicht so. Dass die Lage des Deutschunterrichts sehr unbefriedigend war, geht auch aus anderen Quellen hervor. So enthält das ‚Verzeichnis der Bücher, die gemä ß Art. 27 des Erlasses vom 19. Frimaire an XI [10. Dezember 1802] in Gymnasialbibliotheken vorhanden sein müssen ‘ unter rund 600 Titeln keinen einzigen in deutscher Sprache; 52 von drei Über- setzungen aus dem Deutschen abgesehen ist Deutsch lediglich mit einem französisch- deutschen Wörterbuch vertreten. Die Generation der Romantiker, die zu Beginn des 19. Jh. die Schule besucht hatte, hatte somit im Gymnasium überhaupt keinen Kontakt zum Deut- schen. Ebenso wenig spielten lebende Fremdsprachen eine Rolle, als das Baccalauréat als Abschlussprüfung für die Sekundarschulen geschaffen wurde: Gegenstand der Prüfung war schlicht ‚alles, was in den höheren Klassen des Gymnasiums unterric htet wird ‘.53 Die Lage des Fremdsprachenunterrichts in dieser Zeit ist sehr unübersichtlich; wenn überhaupt, wurden Fremdsprachen nur als Wahlfach angeboten. Wir beschränken uns hier auf die wenigen Schulen, von denen bekannt ist, dass dort Deutschunterricht stattfand.

50 Dem Englischen und Italienischen erging es auch an anderen Orten etwas besser als dem Deutschen. So fanden sich unter den ersten Lehrern des 1803 gegründeten Gymnasiums von Orléans ein Englisch- und ein Italienischlehrer; ähnlich war es in Vannes. 51 Verordnung vom 4. September 1816 bzw. 13. November 1831. Pinet (1887: 366, 416, 428, 434). 52 Catalogue des livres qui doivent composer la Bibliothèque d’un lycée, conformément à l’art. 27 de l’arrêté du 19 frimaire an XI , Paris: Impr. de la République, an XII (Signatur BNF: Q 6462). 53 Vgl. die Dekrete und Statuten vom 17. März 1808 (Art. 19), 16. Februar 1810 (Art. 17) und 13. Septem- ber 1820 (Art. 3); Piobetta (1937). 222 Kapitel VII: 1800-1830

Ungeachtet anderslautender Bestimmungen erging es dem Englischen und Deutschen am Pariser Gymnasium Louis-le-Grand vergleichsweise gut (Dupont-Ferrier 1921-1925). Am 2. November 1800 wurden dort erstmals Lehrer für die deutsche, englische und italienische Sprache ernannt; Deutsch und Englisch konnten bis zum Ende des Empire unterrichtet werden. 54 Leider war der Fremdsprachenunterricht jedoch unbeliebt und genoss nur geringes Ansehen bei den Schülern, zumal er in den Freistunden, zwischen zwei Unterrichtsstunden, stattfand; 1815 wurde er ganz eingestellt und erst 1822 wieder aufgenommen (Dupont-Ferrier 1921-25: I, 470; II, 310f.). Auch an der Militärschule Prytanée fand der Unterricht im Deutschen und Englischen außerhalb der eigentlichen Unterrichtsstunden zu einer sehr ungünstigen Zeit statt, zunächst täglich von halb eins bis viertel vor zwei, ab Juli 1801 jeden zweiten Tag von halb sechs bis halb acht. 55 Ansonsten wurde der Fremdsprachenunterricht an den Militärschulen traditionsgemäß ernster genommen als an den Gymnasien, wie schon an der ver- gleichsweise hohen Stundenzahl abzulesen ist. Recht genaue Bestimmungen zum Fremdsprachenunterricht enthält der Erlass vom 16. Juli 1801 über den ‚allgemeinen Lehr - plan des Prytanée ‘: ‚Au ßer den im Lehrplan näher bezeichneten Fächern ist für die Schüler der zivilen und der militärischen Sektion Unterricht in der deutschen und englischen Sprache vorgesehen. Schüler der zivilen Sektion lernen zwei Jahre lang als erste Fremd- sprache Deutsch, die Schüler der militärischen Sektion Englisch. Danach lernen die Schüler der zivilen Sektion Englisch, die der militärischen Sektion Deutsch. Der Sprachunterricht dauert jeweils eine Stunde und findet nur jeden zweiten Tag statt, in Gruppen von 25 Schülern ‘ (zit. n. Gréard 1887: III, 238ff.). Die besten Absolventen des Prytanée setzten ihre Deutschstudien an der Ecole d’Etat Ma - jor, der Generalstabsakademie, fort. Depping, der dort von 1823 bis 1825 Deutsch unter- richtete, verdanken wir die nachstehenden Angaben über die Organisation, den Ablauf und die Ergebnisse des Deutschunterrichts. 56 Für jede Sektion mit jeweils 20 Schülern war ein Deutschlehrer zuständig; während des zweijährigen Vorbereitungsdienstes lernten die Offi- ziere dreimal wöchentlich zwei Stunden Deutsch. Zwei Lehrer für 40 Schüler; sechs Stun- den Deutsch pro Woche, das klingt sehr vielversprechend, doch Depping (1832: 459f.) berichtet von eher mageren Ergebnissen: Ich prüfte meine Schüler [die jungen Offiziere] und merkte bald, daß es mit ihren Kenntnissen des Deutschen im Allgemeinen schlecht stehe, und daß sie auch keine große Lust bezeigten, es weit darin zu bringen. [...] Das Deutsche war ihnen zu

54 Der Erlass vom 16. September 1803 gestattete dies an den Schulen, wo es bereits Stellen für Fremd- sprachenlehrer gab. 55 Auch in Abbeville fand der Unterricht abends statt, täglich von 18 bis 19 Uhr (Prarond 1888: 432). 56 Depping (1832: 462) berichtet auch, wie er die Stelle durch eine Intrige wieder verlor. Man habe ihm vorgeworfen, „daß die Zöglinge keine großen Fortschritte machten und auch keine große Lust zum Deutschlernen bezeigten; [...] dies müsse an der Kunst des Unterrichts und des Vortrages liegen, welche nicht Jedermann zu Gebote stehe; man müsse seine Schüler zu elektrisiren verstehen [...] Ich gestand, daß ich nicht die Kunst verstände, vermittelst der Declinationen und Conjugationen junge Leute zu elektrisiren [...]“. (B.K.) Die Franzosen und das Deutsche 223

Saint=Cyr schon zwei Jahre lang gelehrt worden; Einige hatten es schon zuvor zu Laflèche angefangen; dennoch wußten sie kaum zu decliniren und zu conjugiren, und anstatt das Deutsche mit ihnen zu lesen und sie in Stand zu setzen, deutsche strategische Schriften zu verstehen, mußte man zu den Anfangsgründen mit ihnen herabsteigen und sie wie kleine Kinder unterweisen.57

2.2.2.2 Unterrichtsmethoden Am Gymnasium von Bordeaux wurden im Deutschunterricht Gellerts Fabeln (im Schuljahr 1805) und Idyllen (1806), im selben Jahr auch das [Göttingische] Historische Magazin und Kotzebues Lustspiel Armut und Edelsinn (1807) gelesen; die besten Schüler erhielten fremdsprachige Bücher als Preise.58 Allerdings wählten nur sehr wenige Schüler Deutsch; während ab 1805 etwa zehn Schüler Englisch lernten, nahmen am Deutschunterricht, der ab 1804 stattfand, nie mehr als drei Schüler teil, und 1808 wurde er ganz eingestellt. 1809 richtete die Société philomatique von Bordeaux Fremdsprachenunterricht ein; ihren Mitgliedern wurden Kurse für Englisch, Spanisch und Italienisch, nicht aber für Deutsch angeboten (N.M. 1908: 246ff.; Leroux 1918: 205; 604). Sehr weit war es mit dem Ansehen der deutschen Sprache in Bordeaux also damals nicht her. Bei der Preisverleihung für den concours der Pariser Schulen an der Schule Sainte- Barbe 59 im Schuljahr 1801/02 erregte der junge Alexandre Beaurepaire aus Caen allge- meine Bewunderung durch seine hervorragenden Sprachkenntnisse: Er war in der Lage, Gespräche in englischer, lateinischer und deutscher Sprache zu führen und Gellert, Haller, Klopstock und andere deutsche Schriftsteller vom Blatt zu übersetzen (anon. 1801: 400). Er muss indessen ein ungewöhnlich sprachbegabter Schüler gewesen sein; wie er seine Sprachkenntnisse erlangt hatte, ist leider nicht bekannt (Tronchon 1920: 85). 1805 wurde Deutsch ‚an einer der vier Privatschulen von Verdun ‘ unterrichtet (Brunot 1933: IX, 461); Näheres ist auch dazu nicht bekannt. Im Osten des Landes sah es mit dem Deutschunterricht natürlich etwas besser aus. Ab 1805 unterrichtete Blau, der eigentlich Griechisch- und Lateinlehrer war, Deutsch am Gymnasium von Nancy (Blanc 1879: 34f.; 53). In Metz blieb der Lehrstuhl für Deutsch, der an der Ecole Centrale eingerichtet worden war, auch nach der Schließung der Hochschule erhalten. Jean-Victor Colchen äußerte sich dazu 1802 als Präfekt des Dep. Mosel: [dieser Lehrstuhl] ‚besteht weiterhin mit großem Erfolg; wegen unserer ständigen Beziehungen zu Deutschland ist er wichtig und notwendig ‘.60 Selbst in Vendôme gab es erste Ansätze zu einem Fremdsprachenunterricht:

57 Hier nach dem Originaltext zitiert. – In La Flèche (Dep. Sarthe) gab es seit 1764 eine Militärschule, die 1808 in eine Militärakademie umgewandelt wurde. (B.K.) 58 So 1804 einen Band mit deutschen Gedichten, der 10 Franken kostete. 59 Aus dem Collège de Sainte-Barbe, später Collège Rollin, ging 1919 das Lycée Rollin hervor, an dem Paul Lévy ab 1933 als Deutschlehrer tätig war. Zur Umbenennung der Schule nach der Libération siehe oben, Einleitung zur deutschen Ausgabe, Anm. 40. 60 Zit. n. Lévy (1929: II, 54); dort der genaue Nachweis des Zitats: Mémoire statistique du Département de la Moselle, adressé au Ministre de l’Intérieur d’après ses instructions, par le Citoyen Colchen, préfet de ce Département ; Paris: Imprimerie Nationale (an XI: 98). 224 Kapitel VII: 1800-1830

‚Der Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte und den Fremdsprachen ist ein ange- messener Teil der Zeit zu widmen, damit ein gutes Abschneiden der Schüler in all diesen Bereichen gewährleistet ist; sie sollen dadurch jedoch nicht von den wichti- geren Fächern abgelenkt werden ‘ [!] (Lehrplan der Schule von 1805). Anlässlich der Preisverleihung vom 5. September 1805 führten die Schüler sogar ein Stück von Kotzebue auf, Die beiden Klingsberg , natürlich in französischer Übersetzung. 1820 warb die Schule damit, dass ihre Schüler ‚Französisc h, Lateinisch, Englisch oder Deutsch lernen [...], Englisch oder Deutsch ab der vierten Klasse. Das Erlernen dieser beiden Sprachen wird den Schülern um so leichter fallen, als sie bereits über Grundkenntnisse der Grammatik verfügen. Da- nach wird der Fremdsprachenunterricht bis zur letzten Klasse fortgesetzt ‘ (Bonhoure 1912: 278, 282, 302ff.). Im ansonsten so weitgehend zentralisierten und vereinheitlichten Kaiserreich Napoleons mangelte es dem Fremdsprachenunterricht an Einheitlichkeit; die Lehrpläne waren von Schule zu Schule, von Lehrer zu Lehrer unterschiedlich. Einig war man sich nur in einer Hinsicht: Einige wenige Schülern sollten Grundkenntnisse in Fremdsprachen erhalten, ohne ‚dadurch von den wichtigeren Fächern abgelenkt‘ zu werden, wie man es in Vendôme so unverblümt formuliert hatte. Diese zaghaften Ansätze wurden während der Restauration teilweise wieder zunichte gemacht. In den Verzeichnissen der Lehrkräfte in Nancy für die Jahre 1815 bis 1829 ist kein einziger Deutschlehrer erwähnt; der Deutschunterricht wurde dort erst 1830 wieder aufgenommen. Am Gymnasium Louis-le-Grand konnte man 1815-1822 nur in Privatstunden Deutsch lernen; in Bordeaux wurde 1808-1831 überhaupt kein Deutsch angeboten; im Zeitraum 1810-1826 ist für Vendôme kein einziger Deutschlehrer verzeichnet. Die Unterrichtsmethode lässt sich am ehesten aus den damaligen Lehrbüchern und Grammatiken erschließen. Gottscheds Grammatik wurde seinerzeit noch durchaus ge- schätzt, wie etwa Hases Bemerkungen zu den Deutschstunden zeigen, die er der Tochter der Herzogin von Breteuil erteilen sollte: „Ich verordnete frisch von der Leber weg die erste deutsche Grammatik, die mir einfiel, die von Gotsched“ (Hase 1894: 63). Der Stra ßburger Buchhändler Eck warb 1802 in einem Prospekt unter anderem für die Grammaire abrégée de la langue allemande, extraite de celles de Gottsched, Juncker et Adelung (anon. 1796), das Parlement français von Heinzmann (o. J.), 61 eine Ausgabe der Nouvelle et parfaite grammaire royale françoise et allemande (Des Pepliers 1719), ein französisch-deutsches Wörterbuch nach den Wörterbüchern von Adelung und der Académie française in acht Bänden, den zweibändigen Petit Dictionnaire des voyageurs 62 und Meidingers ‚neuartige [s] und unterhaltsame[s] Lehrbuch ‘ (1802). Dem Verfasser ging es darum, ‚die Grundsätze mit Klarheit und Genauigkeit dar [zu]stellen, statt sie in einer Unzahl oft überflüssiger und stets lästiger Einzelheiten zu versenken, wie das die meisten Grammatiker getan haben; die Beispiele durchgängig neben die Regeln [zu]

61 Vgl. Kap. VI, 1.7. 62 Vermutlich Heinzmann (1795). (B.K.) Die Franzosen und das Deutsche 225

stellen, damit sich die Anfänger frühzeitig und ohne Mühe an deren Anwendung gewöhnen ‘ (Meidinger 1802: V, Vorwort). Dennoch rückte er genau wie seine Vorgänger endlose Listen von Substantiven, Verben, Wendungen u.dgl. in sein Lehrbuch ein. Meidingers ‚Sammlung der wichtigsten Wörter, um sprechen zu können ‘ ist über 70 Seiten lang, wobei er wohlgemerkt darauf verzichtete, ‚die Wörter anzuführen, die in der Grammatik ansonsten bereits mehrfach erwähnt sind‘.63 Jedenfalls wurde sein Lehrwerk von mehreren Schülergenerationen verwendet; erschien 1832 in 16. Auflage und wurde noch bis etwa 1870 nachgedruckt bzw. nachgeahmt. Auf zwei weitere Deutschlehrwerke aus dieser Zeit, Simons Grammatik (1802) und Ermelers Deutsches Lesebuch für Frankreichs Schulen (1826), das es bis 1863 auf insgesamt 12 Auflagen brachte, sei hier lediglich kurz hingewiesen. Fremdsprachenlehrer waren zu Beginn des 19. Jh. nicht in einer beneidenswerten mate- riellen Lage; ihr Ansehen war gering, und mit den Lehrern, die ‚ernsthaftere Fächer lehr - ten ‘, konnten sie sich natürlich nicht messen. Dass Blau besser gestellt war und im Unter- schied zu den anderen Deutschlehrern Karriere machte – er wurde 1825 zum Schulrat für die Akademie ernannt und war sogar stellvertretender Rektor in Nancy –, liegt daran, dass er Deutsch nur nebenher unterrichtete. Nach den Gymnasialschulordnungen von 1802 und 1809 gehörten Tanz- und Fechtmeister zum Lehrkörper, Sprachmeister sind dagegen nicht einmal erwähnt. In den Statuten von 1814 wurden ‚Privatlehrer für die Fremdsprachen und die Künste ‘ immerhin auf eine Stufe gestellt, was schon ein Fortschritt war. Das geringe Ansehen der Fremdsprachenlehrer wird besonders deutlich in einer Verordnung vom 31. Mai 1803: ‚Der Schulleiter ernennt die Hilfslehrer, die die Schüler bei den Hausaufgaben beaufsichtigen, sowie die Lehrkräfte für die Fremdsprachen, den Zeichen- und Kunstunterricht; er kann sie auch durch andere ersetzen. Er sucht die Dienstboten aus und entlässt sie, wenn er dies für erforderlich hält ‘. Nicht minder aufschlussreich sind in dieser Hinsicht die Statuten vom 4. September 1821 (vgl. oben 2.2.2.1); wie die Stunden der Musik- und Fechtmeister mussten die Eltern der Schüler auch den Unterricht der Sprachmeister bezahlen, abgesehen von Ausnahme- regelungen in manchen Orten, falls diese die Zustimmung des Conseil royal erhalten hatten. Nach den Statuten mussten die Räume, in denen Privatunterricht erteilt wurde, stets von den Hilfslehrern, denen die Aufsicht bei den Hausaufgaben oblag, beaufsichtigt werden, und der Privatunterricht in Fremdsprachen, Musik, Tanz, Fechten und Schwimmen musste während der Freistunden stattfinden. Diese Bestimmungen wurden streng eingehalten, was das Ansehen dieser Fächer und Lehrer nicht eben förderte. Für Fremdsprachenlehrer waren demnach keine Planstellen vorgesehen; wer Englisch oder Deutsc h unterrichtete, stand lediglich ‚im Dienst des Gymnasiums‘. Sprachmeister wurden nicht ernannt, sie waren abhängig vom Wohlwollen des Schulleiters und schlimmer noch, vom Wohlwollen der Eltern und der Schüler: Die Familien bezahlten die Stunden für ihre Kinder, wenn sie das für angemessen hielten, und erwarteten ein entsprechendes Entgegenkommen von Seiten der Lehrer. Sprachmeister wurden wie Musiklehrer direkt von

63 Meidinger (1802: 281-353); mit jeweils 50 Wörtern pro Seite (zweispaltig). 226 Kapitel VII: 1800-1830 ihren Schülern entlohnt, und zwar nicht gerade fürstlich: In Abbeville kostete eine Stunde Englischunterricht 20 Franken pro Jahr, und das, obwohl der Unterricht vom Schulleiter erteilt wurde! Die Sprachmeister in Bordeaux hatten allen Grund, den Tanzmeister um sein festes Gehalt von 1500 Franken zu beneiden. Mariaval, der erste Deutschlehrer am dortigen Gymnasium, musste dagegen auskommen mit dem, was er von seinen drei Schülern erhielt. Er gab dazu noch Englisch- und Italienischstunden und hätte wohl auch Spanisch unter- richtet, wenn er Schüler gefunden hätte; auch in der Stadt bemühte er sich um zusätzliche Einnahmen durch Privatstunden (N.M. 1908: 247). Wie weit es mit Marivals Kenntnissen in diesen Fremdsprachen her war, wissen wir nicht; dass er die deutsche Sprache wirklich beherrschte, darf füglich bezweifelt werden. Ansonsten war eher die mangelnde Beherrschung der französischen Sprache bei den frühen Deutschlehrern ein Problem; das gilt allerdings nicht für Simon, der an der Pariser Generalstabsakademie lehrte, für Blau, der von 1805 bis 1825 in Nancy tätig war, und für Fischer, der von 1792 bis 1810 in Vendôme Deutsch unterrichtete. Sie waren wohl elsässischer Herkunft und beherrschten daher beide Sprachen, ebenso wie vermutlich Vogel, bei dem Marie de Flavigny Deutsch lernte. Andere Deutschlehrer waren dagegen wohl noch nicht lange im Lande. 64 Depping wurde bereits 1823 an der Generalstabsakademie ernannt; Hase wurde für die besonders wichtige Stelle des Deutschlehrers an der Militärschule Prytanée ernsthaft in Erwägung gezogen, obwohl er erst wenige Jahre in Frankreich lebte. Fest steht, dass er schon früh eine Anstellung im öffentlichen Dienst erhielt. Wie schon seinen Vorgängern im 18. Jh. (etwa Huber und Juncker) lag Hase die Verbreitung des Deutschen in Frankreich am Herzen: „Leugnen will ich es nicht, daß es mich freut, auch durch meine Existenz den Geschmack für deutsche Sprache und Literatur sich hier immer weiter verbreiten zu sehen“ (Hase 1894: 79). 65

2.2.2.3 Privatunterricht Wie viele seiner Landsleute in den ersten Jahren ihres Frankreichaufenthalts war Hase zunächst vornehmlich als Privatlehrer tätig. Nachdem es ihm sehr rasch gelungen war, bei der Herzogin von Breteuil eingeführt zu werden, erteilte er deren Tochter täglich eine Stunde Deutschunterricht; Hase las mit ihr, offenbar mit bemerkenswertem Erfolg, Schillers Gedichte, den Wallenstein und Gessners Idylle : Mademoiselle Breteuil, die mit unglaublicher Leichtigkeit lernt, und jetzt (in der dritten Lection) Geßner ’s Idyllen übersetzt, hat die Kühnheit gehabt mir zu sagen: ‚mais ce monsieur est un peu fade avec ses moutons et ses toits de paille ‘.66 Warten

64 Wie etwa aus dem Verzeichnis der Lehrkräfte am Gymnasium Louis-le-Grand hervorgeht (Dupont- Ferrier 1921-1925: III, 185f.). Das trifft im Übrigen auch für die Lehrer der anderen Fremdsprachen zu; so zeugen die Namen der Englischlehrer meist von ihrer britischen Herkunft. 65 Über seine damals noch sehr bescheidenen Französischkenntnisse schreibt Hase anschließend (1894: 79) : „Bekannt unter dem mythischen Namen ‚le jeune Saxon‘ habe ich ob meiner sogenannten ‚mé - thode philosophique‘ eine Art von Reputation erworben, die mir zwar unbegreiflich ist, denn ich spre - che noch jetzt nicht 10 Worte französisch ohne Sprachfehler und bleibe zuweilen ganz stecken, die mir aber doch interessante Bekanntschaften die Menge und Lectionen, mehr als ich geben kann, verschafft. Ich gebe einem der schönsten Weiber in Paris Stunde, der Witwe des Revolutionärs Condorcet.“ (B.K.) 66 ‚Dieser Herr ist doch ein wenig fade mit seinen Schafen und seinen Strohdächern‘. Die Franzosen und das Deutsche 227

Sie, meine Theuere, wir wollen mit dem schweren Geschütz unserer Nation vor- fahren. (Hase 1894: 70) Hase erhielt 30 Sous pro Stunde, was für die damalige Zeit recht ordentlich war. 67 Bald darauf verschaffte Villoison ihm freien Mittagstisch im Hause eines französischen Arztes, der beim Essen Deutsch lernen wollte, indem er sich mit einem Muttersprachler unterhielt.68 Auch in diesem Fall nahm Hase seine Aufgabe nicht besonders ernst: Der deutschlernende Doctor Jauffret setzt mic h heute Mittag hinter eine ‚petite soupe de riz ‘, ein ‚bouilli ragoûté‘, ein ‚petit morceau d’anguille fricassé‘, einen ‚petit canard‘ und ein ‚petit dessert de raisins, de bonbons‘, etc., lauter herrliche Sa- chen, wovon ich aber vor Angst kaum einen Bissen habe essen können, weil ich be- ständig sagen sollte, wie all das Zeug, das ich in meinem Leben nicht in Deutschland gesehen habe, deutsch heißt. Da habe ich entsetzliche Mythen gemacht, zum Theil recht boshaft, und Doctor Jauffret lallt jetzt von gepreßten Enten und gehißten Paste- ten, daß es eine Lust ist. (Hase 1894: 72f.) Auch Depping (1832: 268f.) berichtet, er habe rasch Schüler gefunden, unter anderem die besonders begabte Tochter „eines reichen Kaufmannes aus dem mittäglichen Frankreich“, die „Lus t [bekam], Deutsch zu lernen, was bei Französinnen etwas Seltenes ist, wenn sie nicht besondere Beweggründe haben, sich diese Sprache zu erwerben.“ Weiter schreibt er über seine Schülerin: Als ich das Deutsche mit ihr anfing, behauptete sie lächelnd, solch eine schwere Sprache werde sie nimmer lernen. Sie brauchte aber nur wenige Monate Unterricht, um die ältern classischen Schriftsteller Deutschlands zu verstehen, und wir konnten nun ziemlich rasch die besten Werke zusammen lesen. (Depping 1832: 271) Selbst A. von Chamisso betätigte sich als Deutschlehrer, indem er Prosper de Barante auf Empfehlung Madame de Staëls von Oktober 1810 bis April 1811 Privatunterricht in der deutschen Sprache und Literatur in Napoléonville (Pontivy) erteilte. Später vermerkte sein dankbarer Schüler bescheiden, er ‚verdanke ihm die geringen Kenntnisse, die [er] von dieser Sprache je erwerben konnte. Damals ging [er] daran, Schiller zu übersetzen ‘.69 Söhne aus den besten Kreisen erhielten Privatstunden im Deutschen. So lernte der junge Louis-Napoléon täglich von 13 bis 14 Uhr Deutsch; Simon erteilte einigen Angehörigen des Hauses Orléans Deutschunterricht. Weiter sind in diesem Zusammenhang Friedrich

67 Hase (1894: 63): „Hier bei Breteuil’s wissen sie wahrscheinlich recht gut, daß mir das Feuer auf die Nägel brennt [sic], dem ungeachtet thut man, als wenn man mir auf’s höchste verbunden wäre. ‚Vous pouvez demander tout ce que vous voulez, monsieur le professe ur‘, sagte die Mutter; ich habe 30 Sous für die Stunde gefordert, und man bat mich, jeden Morgen zum Dejeuner eine Viertelstunde vor der leçon zu kommen ‚pour causer un peu‘.“ (B.K.) 68 Hase (1894: 67): „Villoison ist für mich durch die Stadt gelaufen; er h at mir bei einem Doctor der Medicin, Jauffret, der einen Deutschen bei sich haben will, mit dem er zu Mittag essen kann, freien Mittagstisch ausgemacht. Ich habe heute zum erstenmale dort gegessen, bin noch ganz trunken von der Freundlichkeit der Leute und ihrem Wein. Es lebe Paris, es leben die Pariser.“ (B.K.) 69 de Barante (1890-1897: I, 323). Blennerhassett (1887-1889: III, 265) berichtet, Chamisso habe „auf Wunsch seiner Eltern wieder im Vaterland Wurzel fassen und als Lyceumsprofessor nach Napoléonville in die Vendée gehen“ sollen. – P. de Barante war seit 1809 Präfekt des Dep. Vendée. (B.K.) 228 Kapitel VII: 1800-1830

Schlegel, Wilhelm von Humboldt und Zacharias Werner als Mentoren der Madame de Staël zu nennen. Abschließend ist festzuhalten, dass nur wenige Schüler damals Deutsch lernten, während dies bei Erwachsenen, vor allem in den besten Kreisen, vergleichsweise häufig der Fall war. 70

2.3 Deutschkenntnisse Nicht nur in Paris, auch in der Provinz gab es im frühen 19. Jh. Gruppen und Zirkel, in denen deutsche Sprachkenntnisse recht verbreitet waren. Über die Besucher des Salons von Pougens berichtet F. Johannet aus Paris: ‚Fast alle können Deutsch und Englisch lesen, viele auch sprechen ‘ (Brief vom 4. März 1806 an Sophie La Roche; zit. n. Eggli 1927: I, 275). Zu dem Lyoner Kreis von Kennern der deutschen Sprache und Kultur gehörten insbesondere C. Jordan, de Gérando und Claude Fauriel, die die Sprache als Emigranten in Deutschland gelernt hatten. Benjamin Constant hielt stets enge Verbindung mit ihnen und konnte so seine Deutschkenntnisse verbessern. Hatte er 1787 noch ‚ein ziemlich schlechtes, [...] nahezu unverständliches Deutsch ‘ gesprochen, so beherrschte er die Sprache nun per- fekt. Das bestätigen alle, die ihn nach 1800 kannten; der aus Deutschland eingewanderte Michael Berr berichtet etwa von einem Gespräch in deutscher Sprache mit B. Constant, der ‚ebenso anmutig und mühelos‘ Deutsch spreche wie Französisch. 71

2.3.1 Zurückkehrende Emigranten Wie viele andere Franzosen, die während der Revolutionswirren nach Deutschland ge- flüchtet und Anfang des 19. Jh. in die Heimat zurückgekehrt waren, war auch Graf Breteuil mit seiner Familie nach Frankreich zurückgekommen; die Familie blieb der deutschen Sprache auch nach der Rückkehr dauerhaft verbunden.72 Um 1800 kamen unter anderem auch Graf Narbonne, Ch. de Vanderbourg, Lezay-Marnésia und A. Duvau, die alle Deutsch konnten, in die Heimat zurück. Duvau stand weiter brieflich in Verbindung mit Böttiger, der ihm eines Tages schrieb, er habe ‚wundervolle Kenntnisse der deutschen Sprache und Kultur ‘ (zit. n. Joret 1907: 529). Die Übersetzer beherrschten die deutsche Sprache mehr oder weniger vollkommen; ordentliche Kenntnisse hatten Graf Champfeu, der 1803 Schil- lers Dreißigjährigen Krieg übertrug, Charles-François de Ladoucette, der ehemalige Präfekt des Dep. Hautes Alpes (Wieland, Agathon , 1802), Henri Coiffier (Wieland, Aristipp ), Madame de Montolieu (Tieck, Sternbald , 1823) und Madame Molé (Theaterstücke von Kotzebue). Schon mit sechzehn Jahren war die spätere Dichterin Louise Ackermann in der Lage, fließend Deutsch zu lesen (1829). Emilie Maillocheau, die Gattin von David d’Angers, konnte im Unterschied zu ihrem Mann Deutsch sprechen und lesen. Im Hinblick auf die Begründung der Bibliothèque germanique erstellten Ch. de Villers und Philipp A. Stapfer 1805 ein

70 Für Erwachsene bestimmt war vermutlich auch die ‚Institution des cours de langues vivantes moder - nes‘, über die Le Globe am 21. Dezember 1826 berichtete. 71 „Eloge de B. Constant“; z it. n. Eggli (1927, I: 359). – Vgl. auch Oehlenschl äger (1850: II, 173): „ Wie gut Benjamin Constant Deutsch verstand, merkte ich späterhin einmal an einem Abend, wo er uns eine französisch=racinisirte Bearbeitung von Schiller’s Wallenstein zur Vergeltung dafür vorlas, daß Göthe den Mahomed u nd Tancred göthisirt und Schiller die Phädra schillerisirt hatte.“ (B.K.) 72 Lévy (1950: 270, Anm. 2) verweist in diesem Zusammenhang auf Reichardt (1804: II, 4) und Hase (1894: 62). Die Franzosen und das Deutsche 229

‚alphabetisches Verzeichnis derjenigen Personen, die zur Mitarbeit an einer Zeit - schrift geeignet wären, die die deutsche Literatur in Frankreich bekannt machen soll ‘. Das Verzeichnis enthält die Namen von 86 Personen aus der Schweiz, Deutschland, Nordeuropa und Frankreich, u.a. von Laverne, Oelsner, Silvestre de Sacy, Cramer und Berr (Paris); Dorsch (Quimper), L. de Joubert (Metz), C. Jordan (Lyon), Blessig, Haffner und Schweighäuser 73 (Straßburg). 74 Auch einige Franzosen, die in der Verwaltung und in der Armee der Republik und des Empire tätig waren, konnten ausgezeichnet Deutsch, manche sogar besser als Französisch. Barante berichtet von zwei besonders bemerkenswerten Fällen: Mounier, der spätere Sekre- tär Napoleons, der zusammen mit Barante als Auditor in Schlesien war, unterhielt sich mit den Einheimischen in so flüssigem Deutsch, dass diese ihn für einen Landsmann hielten und ihm versicherten, sie seien überaus erfreut über den Frieden und den bevorstehenden Abzug der Franzosen. Im Herbst 1806 kam General Vandamme, der die Vorhut von Mar- schall Ney befehligte, als Verhandler nach Magdeburg; ‚er sprach Deutsch wie seine Muttersprache ‘ und beschwor Friedrich von Kleist mit flammenden Worten zu kapitulieren, worauf sich dieser tatsächlich einließ. Ähnlich gelang es Vandamme ein halbes Jahr lang, sämtliche Stellungen in Schlesien einzunehmen (Barante 1890-1897: I, 184ff., 246f.). Auch tausende Soldaten und Offiziere elsässischer und lothringischer Herkunft be- herrschten die deutsche Sprache; von den bekannteren Marschällen und Generälen seien hier genannt: François-Christophe Kellermann (1735 in Straßburg geboren) und sein Sohn François-Etienne (1770 in Metz geb.), Marschall François-Joseph Lefebre (1755 in Rouffach geb.), Jean Rapp (1772 in Colmar geb.), Michel Ney (1769 in Saarlouis geb.), Paul Grenier (1768 in Saarlouis geb.), Marschall Georges Mouton Graf von Lobau (1770 in Pfalzburg geb.), Louis-Jacques de Coehorn (1771 in Straßburg geb.), Baron Sigismond- Frédéric de Berckheim (1775 in Ribeauvillé [Rappoltsweiler] geb.), Gabriel Molitor (1770 in Hayange geb.), Jean-Baptiste Eblé (1758 in Saint-Jean les Bitche geb.). Diese Offiziere leisteten dem Kaiser gute Dienste, indem sie deutsche Einheiten befehligten oder Feldzüge in Deutschland anführten; etliche dienten auch noch unter der Bourbonenherrschaft.

2.3.2 Stendhal Ob Stendhal, der 1813 nach einem ersten Aufenthalt (Oktober 1806-Dezember 1809) nach Deutschland zurückkehrte, Deutschunterricht nahm und Kontakt zu Deutschen hatte, 75 die deutsche Sprache tatsächlich beherrschte, ist umstritten. An der Ecole Centrale des Dep. Isère hatte er jedenfalls nicht Deutsch lernen können, denn dort wurde es nicht angeboten.

73 Vermutlich Johann Gottfried Schweighäuser (1776-1844), der von 1798 bis 1801 Hauslehrer im Hause W. von Humboldts in Paris war und 1812 zum Professor in Straßburg ernannt wurde. (B.K.) 74 Angaben nach Wittmer (1908: 265). Im Bereich der Literatur und der Wissenschaft könnte man natür- lich noch weitere Namen nennen. Es sei in diesem Zusammenhang auch an Catteau erinnert, der dank seiner ausgezeichneten Deutschkenntnisse selbst feine Unterschiede bei niederdeutschen Wörtern er- kannte (vgl. oben 2.1), und an Alexandre Beaurepaire, der sich auf Deutsch, Englisch und Latein unter- halten konnte und Gellert, Haller und Klopstock aus dem Stegreif übersetzte (vgl. oben 2.2.2.2). – Wittmer erwähnt hier auch de Gérando und Madame de Staël. (B.K.) 75 Vgl. Stendhal (1925: I, XL). – Diese Ausführungen zu Stendhal beruhen auf Lévy (1938: 239-242). 230 Kapitel VII: 1800-1830

Zunächst lernte er andere Sprachen, 1802 ‚ausschließlich Englisch ‘, 1806 kam Italienisch dazu. Im selben Jahr kam er durch den Krieg und die Besatzung in Berührung mit dem Deutschen und sah sich schon bald gezwungen, sich mit der Sprache des Landes, in dem er stationiert war, vertraut zu machen: ‚Heute morgen habe ich angefangen, Deutsch zu ler - nen, um mich auf Reisen verständigen zu können ‘, schrieb er 1807 aus Niedersachsen (Stendhal 1892: 236). Am 16. März 1807 berichtete er aus Braunschweig, wo er erkrankt war, von ‚dem Vorhaben, in dieser Einsamkeit gro ße Fortschritte im Deutschen zu machen ‘ (Stendhal 1892: 191). Tatsächlich kam er nur langsam voran; im Mai 1807 war er noch nicht in der Lage, die Ballade Lenore zu verstehen, wie aus einem Bericht an seine Schwester hervorgeht: ‚Mein Freund, Herr von Str., von dem ich Dir bereits geschrieben habe, hat für mich eine Romanze wörtlich übersetzt, die aus meiner Sicht das Verdienst hatte, Deinen Namen zu tragen, Lenore , das heißt Eleonore. Diese Romanze [...] ist teils im engli- schen, teils im französischen Stil. Der Schleier, der mir den Genius der deutschen Sprache verhüllt, ist noch zu dicht, als dass ich meine Gedanken genauer fassen könnte ‘ (Brief vom 12. Mai 1807; Stendhal 1892: 205f.). 1808 fasste er den Entschluss, Deutschunterricht zu nehmen: ‚Herr Koechi kommt, Deutschstunde, ich erläutere drei Seiten der Geschichte des grosses Friederich . Diese drei Wörter, in denen ich bestimmt mindestens drei Fehler gemacht habe, zeugen von meinen Fortschritten in dieser Sprache, die von Lang- weilern gesprochen wird, und die einige ausdrucksvolle Wörter besitzt ‘ (Journal ; Eintrag Braunschweig, 3. Mai 1808). Am 28. Oktober 1808 notierte er: ‚Ich habe zum ersten Mal aus dem Deutschen übersetzt‘ (Stendhal 1914: 585, 593). Eigentlich hätte Stendhal nach so langer Zeit in Deutschland ordentliche Sprachkenntnisse haben müssen, doch bereits 1803 hatte er seiner Schwester Pauline mit schöner Offenheit gestanden: ‚Ich glaube, es gibt wenig Menschen, di e so wenig Begabung haben wie ich, um Sprachen zu lernen ‘ (Brief vom 19. März 1803; Stendhal 1908: I, 55). Wenn ihm dies schon bewusst wurde, als er anfing, Englisch und Italienisch zu lernen, so musste ihm der Erwerb des Deutschen erst recht mühselig erscheinen. Mit seinen Deutschkenntnissen kann es jedenfalls nicht weit her gewesen sein. Als Stendhal in Begleitung einiger anderer Offiziere in Altötting versuchte, mit dem städtischen Wachtposten zu sprechen, ‚antwortete dieser, wenn wir Deutsch redeten: M onsieur, pas comprendre le français ‘.76 Weiter berichtet Stendhal, wie er sich im Haus einer Gräfin verhielt, wo er Unterkunft gefunden hatte : ‚Ich gab mich sanft und brachte meine schönsten deutschen Sätze an, so wurde ich nach einer halben Stunde angebetet‘. Allerdings erfährt man dann, dass die Gräfin und ihre Tochter Französisch sprachen; sicher waren sie sehr belustigt über diese ‚schönen deutschen Sätze‘. Im Juli 1809 gab er bei einer Aufführung der Wiener Oper vor , nun allmählich den ‚Don Giovanni, der auf Deutsch gesungen wurde ‘, zu verstehen; tatsächlich ging es nur um das Mitlesen der Partitur. Stendhal gestand unumwunden, man könne

76 Brief aus Burghausen vom 29. April 1809 in Stendhal (1892: 259); vgl. auch Stendhal (1908: I, 336). Die Franzosen und das Deutsche 231

‚durchaus mit Vergnügen eine gut gesungene Oper [anhören], auch wenn in einer fremden Sprache gesungen wird; es genügt, wenn ein anderer Besucher in der Loge einem die wichtigsten Arien kurz erläutert ‘ (Stendhal 1925: I, XL). Erst recht wird seine mangelnde Sprachbeherrschung offenkundig, wenn er unvorsichtig genug ist, deutsche Wörter zu verwenden; dafür gibt es zahlreiche Beispiele. So berichtet er in einem Brief vom September 1807, die Wiener hätten bei einem Scharmützel, an dem er beteiligt war, ständig gerufen: ‚Fer -flou-ke-ta Françause, das heißt, verfluchte Franzosen‘ (Stendhal 1892: 216). Die Wörter sind in seinen Notizen über die Reise nach Braunschweig meist falsch wiedergegeben (Stendhal 1897: 103ff.). So schreibt er butterbrod , schnaps (S. 103) und stouve (S. 108) und erläutert: ‚der ker -haus (das bedeutet Kehrbesen, glaube ich) am Ende jedes Balls besteht aus einer Folge von bestimmten Tanzfiguren ‘ und übersetzt den Namen der sächsischen Kleinstadt Eckartsberga mit „la montagne d’Hercate“ (Stendhal 1897: 115). 1817 schreibt er „Hinter -Linden“ statt Unter den Linden, obwohl er dem Einzug Napoleons in Berlin beigewohnt hatte. Stendhal zog also nur geringen Nutzen aus seiner Zeit in Deutschland. Später sollte sich herausstellen, dass ihm von seinen Deutschkenntnissen nichts geblieben war: In Triest musste er 1831 feststellen, dass er die vielen deutschen Zeitungen nicht lesen und die deutsche Familie, mit der er verkehrte, nicht verstehen konnte. An Baron Mareste schrieb er am 23. Februar 1831, er wolle das Deutsche wieder aufnehmen: ‚Ich lese wieder Deutsch. Wenn ich hier geblieben wäre, hätte ich mich ins Zeug gelegt [...] und mich in den Stand gesetzt, die Prosa zu verstehen ‘. Er blieb jedoch nicht, und so wurde nichts daraus. Einige Jahre später schrieb er Balzac (vgl. oben 2.1), die Sprache der Deutschen habe er vergessen, und setzte noch hinzu, er ha be sie ‚aus Verachtung‘ vergessen (Stendhal 1908: III, 26, 262). Anderen Franzosen erging es offenbar ähnlich; auch sie vergaßen mit der Zeit, was sie in ihrer Jugend an Deutsch gelernt hatten. Sismondi, der bei seinem Aufenthalt in Deutsch- land Deutschkenntnisse erworben hatte, legte eine Übersetzung von Herders Romanze Der Cid vor, die ernste Mängel aufwies. Immerhin traute er es sich zu, einen so anspruchsvollen und schwierigen Text aus dem Deutschen zu übertragen. Oehlenschläger stellte bei seiner Begegnung mit Sismondi um 1808 in Coppet fest, dass dieser wohl Deutsch verstand, es aber nicht sprechen konnte (Oehlenschläger 1850: II, 173). Zwanzig Jahre später schrieb Sismondi an Quinet, er sei unfähig, Herders Gedanken [zur Erziehung und Bildung ] zu folgen: ‚Ich werde Ihnen sehr verpflichtet sein, wenn ich durch Sie Herder kennen lerne, denn obwohl ich ein wenig Deutsch kann und sogar einige Gedichte von Herder ge- lesen habe, fehlt mir doch die Kraft, ihm zu folgen, wenn ich zugleich mit den Schwierigkeiten der Sprache und jenen der Philosophie zu ringen habe ‘ (Tronchon 1934: 217).

2.3.3 Fehlende Kenntnisse Manche aufgeklärte Franzosen beklagten die Gleichgültigkeit ihrer Landsleute gegenüber dem Deutschen. In seinen Réflexions sur le théâtre allemand bedauert Constant die ‚sehr geringe Zahl französischer Literatoren, die die deutsche Sprache beherrschen ‘ und führt weiter dazu aus: 232 Kapitel VII: 1800-1830

‚Die Missachtung der Nachbarländer, und ganz besonders eines Landes, dessen Sprache man nicht kennt, und das mehr als alle anderen in seinen dichterischen Werken Originalität und Tiefe zeigt, ist, wie mir scheint, ein Fehler ‘ (Constant 1809: I f.). Ähnlich warf Madame de Staël die Frage auf: „Warum lassen die Franzosen der deutschen Literatur nicht Gerechtigkeit widerfahren ?“ 77 Sie setzte hinzu: „Ich könnte auf diese Frage sehr leicht antworten: weil nur wenige Personen in Frankreich Deutsch verstehen [...]“. 78 Ch. de Villers, mit dem sie befreundet war, schrieb ihr 1802: ‚Ich kenne einige Personen, die ebenso mutig waren [wie Sie]; einige haben die Sprache tatsächlich gelernt, doch keiner hat erfasst, was sich hinter den Formen der Sprache verbirgt. Sie haben mit deutschen Wörtern weiter auf Französisch ge- dacht ‘.79 M. Berr machte ‚die Feststellung, dass von all denen, die täglich die deutsche Philosophie und vor allem die deutsche Literatur mit Sarkasmen aller Art überziehen, nicht einmal zwei die Sprache einigermaßen gründlich erlernt haben ‘ ( La Décade philosophique 1804: XLII, 476). Selbst viele Franzosen, die die Sprache bei ihren unterschiedlich langen Deutschland- aufenthalten durchaus hätten lernen können, konnten kein Wort Deutsch. Grand-Carteret (1886: 54) zitiert unter Berufung auf C. J. Weber die Aussage eines Emigranten: ‚Ich habe zwölf Jahre unter den beschränkten Deutschen gelebt, und noch immer versteht mich kei- ner ‘. Die Bemerkung war gewiss scherzhaft gemeint, ist jedoch bezeichnend für die Einstellung vieler Emigranten. 1803 beklagte Ch. de Villers in seinem Aufruf an die französischen Besatzungsoffiziere die ‚Trägheit der gro ßen Mehrheit unserer Emigranten, die so lange Zeit in lächerlicher Untätigkeit im Zentrum der Aufklärung in Sachsen dahinvegetierten und bei der Rückkehr in die Heimat ebenso unwissend waren wie vor ihrer Ausreise ‘ (zit. n. Wittmer 1908: 174). Jérôme Bonaparte, König von Westfalen (1807-1813), lernte während seiner gesamten Herrschaft kein Deutsch. Napoleon hatte an der Militärschule von Brienne ein wenig Deutsch gelernt, beherrschte die Sprache, die Muttersprache von Millionen seiner Untertanen, aber ebenso wenig. Selbst in den germanophilen Lyoner Kreisen verkehrten Franzosen, die nicht die geringste Ahnung vom Deutschen hatten; so vertrat ein Gast bei Jordan die Ansicht, Preußisch sei eine andere Sprache als Deutsch. 80 Jean-François Joseph

77 So lautet der Titel des ersten Kapitels von de Staël (1814, dt. 1985, 2. Teil). 78 de Staël (1814); hier zit. n. der deutschen Übersetzung (1985: 135). 79 Brief vom 1. Oktober 1802, hier übersetzt nach Kloocke Hg. (1993: 25). 80 Lévys Vermutung, es habe sich um Delandrine gehandelt, wird durch den entsprechenden Eintrag Constants (vom 8. Dezember 1804) bestätigt: „Soirée chez les Jordan. ridicules provinciaux. M. Delan- dine. excessive ignorance de cet homme. il croyoit que le Prussien était une autre langue que l’allemand. l’ignorance de mes chers compatriotes est un sujet continuel de surprise“; hier zit. n. der kritischen Aus- Die Franzosen und das Deutsche 233

Dussault, Mitbegründer des Journal des Débats und allgemein anerkannter Literatur- kritiker, war nicht in der Lage, sich selbst ein Bild über die deutsche Literatur zu machen; er begnügte sich mit dem, was darüber bei Madame de Staël nachzulesen war (Henning 1929: 57). Gegen Ende der Restauration hatte sich die Lage kaum verändert. Manche hielten wei- ter an der Auffassung vom Französischen als Universalsprache fest (Allou 1829); Fremdsprachen gründlich zu erlernen galt noch immer als überflüssig: ‚Unsere Auffassungen sind nun wieder etwas weniger ausschlie ßlich; der Krieg hat uns andere Nationen und andere Sitten aus der Nähe gezeigt, und ihre Sprache ist uns nun weniger fremd [...] Doch geht unsere Duldsamkeit noch nicht so weit, dass wir die Sprachen gründlich lernen, um tiefer in die Geheimnisse ihres Aufbaus ein- zudringen ‘ (Drapeau blanc vom 11. Juni 1826; zit. n. Henning 1929: 304f.). Die Franzosen, die während der Restauration aufwuchsen, lernten daher ebenso wenig Fremdsprachen wie die Generationen vor ihnen. Zu den seltenen Ausnahmen gehört G. de Nerval, der in der Vorrede zu seinen Poésies allemandes (1830) bedauert, dass ‚Deutsch eine so wenig verbreitete Sprache‘ sei. Chasles berichtet von einigen seiner ‚jungen Zeitge - nossen ‘ und ‚Kam eraden ‘, die ‚sämtlich ordentliche Schüler der lateinischen Universität‘ seien, jedoch ‚nicht die geringste Ahnung von Fremdsprachen haben‘ (Chasles 1876-1877: I, 241f.). Selbst von den zahllosen Übersetzern und Bearbeitern deutscher Gedichte machten sich nur wenige die Mühe, die Sprache von Grund auf zu lernen. Ernestine Panckoucke wurde von allen Seiten Hilfe zuteil; dennoch unterliefen ihr bei der Übersetzung von Goethes Ge- dichten schwerwiegende Fehler. 81 Marceline Desbordes-Valmore versuchte deutsche Werke nachzudichten, obwohl sie kein Deutsch, sondern nur Englisch und Spanisch konnte. Die Schweizer Schriftstellerin Isabelle Morel bekannte, sie habe bei der Übertragung von Gedichten Schillers ‚die Ratschläge, die ihr ein deutscher Lehrer freundlicherweise erteilt habe, aufs Genaueste befolgt, um die Deutschen nicht zu verstimmen ‘. Weiter schrieb sie: ‚die Prosaübersetzung durch Herrn C. J. [...] leistete mir oft sehr gute Dienste, indem sie mir Wörter und Wendungen bot, die mir der Originaltext nicht nahe legte ‘.82 Der Romantiker Antoine Fontaney (1803-1837), dem wir die erste Nachdichtung der Lenore verdanken, konnte wahrscheinlich überhaupt kein Deutsch. Léon Halévy, der Bruder des Komponisten, musste 1827 für seine Übersetzung deutscher Gedichte vermutlich Prosafassungen heranziehen. 83 Pierre Leroux schickte der zweiten Ausgabe der Werther -Übersetzung (1839) Betrachtungen zur Dichtkunst der Zeit voraus

gabe (2002: 272). [‚Abendgesellschaft bei den Jordans. Lächerliche Provinzler. Herr Delandine. äu- ßerste Unwissenheit dieses Mannes. Er glaubte, Preußisch sei eine andere Sprache als Deutsch. Die Unwissenheit meiner lieben Landsleute ist ein immerwährender Anlass zur Verwunderung‘.] 81 Die Poésies de Goethe (Panckoucke 1825), erschienen in der Reihe Les chefs d’oeuvre étrangers . Süpfle (1886-1890: II, 166) nennt ein Beispiel einer falschen Übersetzung im Erlkönig : „Meine Töchter sollen dich warten schön = mes filles t’attendent.“ 82 Morel (1825: 6f.). – Zu den französischen Übersetzungen deutscher Gedichte in diesem Zeitraum jetzt auch Lombez (2009). 83 Halévy deutet dies im Vorwort an (Duméril 1933: 115, 135, 304; 1934: 29, 190, 193). 234 Kapitel VII: 1800-1830

(Considérations sur Werther et, en général, sur la poésie de notre époque ); 84 fast vierzig Jahre später gestand er in einer Auseinandersetzung mit Renan: ‚Ich habe in meiner Jugend eine Übersetzung des Werther angefertigt, die als die beste gilt und zu der Goethe mich persönlich beglückwünscht hat. Ich konnte damals kein Deutsch, ich war im Begriff, es zu lernen, und ich habe es nie gekonnt; aber ich liebte dieses Buch und verstand es ‘. Das war vermutlich etwas übertrieben; sein Werther war ohnehin eher eine Bearbeitung bereits vorliegender Übertragungen (insbesondere der von Sevelinges, 1804) als eine eigene übersetzerische Leistung; dennoch brachte er es auf immerhin 24 Auflagen. 85 Sainte-Au- laire, an dessen Deutschkenntnissen kein Zweifel bestehen kann, gibt im Vorwort zu seiner recht fehlerhaften Faust -Übersetzung (Langkavel 1902: 35) ganz offen zu: ‚Ich musste davon absehen, mehrere Stellen und insbesondere zwei längere Szenen zu übersetzen, weil ich sie nicht verstehen konnte. Der Sinn zahlreicher Sätze er- schloss sich mir nicht, und auch die allgemeine Absicht der Szene konnte mir nicht weiterhelfen, da ich sie ebenso wenig verstand ‘ (Sainte-Aulaire in Goethe 1823: 29). Auch Quinet konnte nicht besser Deutsch, als er 1824 an die Übersetzung von Herder ging, ebenso wenig wie Cousin, der Borns lateinische Übersetzung heranziehen musste, um Kants Hauptwerke zu lesen, oder Sainte-Beuve, Musset, David d’Angers, Alfred de Vigny, Charles Nodier, Lamennais und viele andere, auf die wir noch zurückkommen werden. Ebenso ist bekannt, dass Chateaubriand trotz wiederholter, zum Teil längerer Aufenthalte in deutschsprachigen Ländern kaum Deutsch konnte. 86 Auf Reisen ließ er sich stets von einem Dolmetscher begleiten: ‚Der Oberkellner besorgte mir einen Bedienten namens Schwartz, der aus Basel stammt; er soll mir in Böhmen als Dolmetscher dienen ‘ (Mémoires d’Outre - Tombe ). 87 Zu den Bekanntschaften, die er in Deutschland machte, vermerkte er jeweils ausdrücklich, wer Französisch sprach. Er war unfähig, auch nur einen einfachen Brief auf Deutsch zu verfassen; 1821 schrieb er an die Herzogin Duras: ‚Ich möchte gern genug Deutsch können, um Lady Clara mein Bedauern auszudrücken ‘. Und nach einer Berliner Aufführung der Jungfrau von Orléans berichtete er der Herzogin: ‚Gestern habe ich Schillers Jungfrau von Orléans gesehen. Es ist ein wunderbares Melodram [...] ich habe geweint, ohne auch nur im Geringsten zu verstehen, was da auf der Bühne gesprochen wurde ‘ (zit. n. Diem 1935: 17, 31f., 73).

84 Einleitend zur zweiten Auflage seiner Werther -Übersetzung (zuerst 1829); die Ausgabe von 1839 trägt den Titel Werther par Goethe. Traduction nouvelle, précédée de Considérations sur la Poésie de notre époque ; par M. P. Leroux . Paris: Charpentier, 1839 [auch online]. Zur Geschichte der französischen Werther -Übersetzungen jetzt auch Helmreich (1999). 85 Thomas (1904: 155); Evans (1938: 312ff.). – Von Leroux’ Übersetzung ist noch 1999 eine Taschenbuchausgabe erschienen. 86 Als Emigrant (1791); als Minister Frankreichs in Berlin (10. Juni 1820-19. April 1821); Reise nach Prag im Mai 1833; Aufenthalt in Prag im September 1833 und in der Schweiz im August 1832. 87 Hier übersetzt n.d. krit. Ausgabe (Chateaubriand 1969: II, 632). Das Zitat ist Kap. 5 des 37. Buchs entnommen; worauf sich die Angabe „VI, 20“ in Lévy (1950: 277) bezieht, war leider nicht zu ermit- teln. Die Franzosen und das Deutsche 235

Selbst die Namen der großen deutschen Dichter, die in Frankreich inzwischen bekannt waren, wurden von den Franzosen nach wie vor falsch ausgesprochen und entstellt. So fragte Napoleon bei seiner Unterredung mit Goethe in Erfurt 1808 nach fast jedem Satz: „Qu’en dit Mr. Göt?“ 88 Am 24. Mai 1805 gab das Journal de l’Empire den Tod des ‚berühmten Shiller‘ bekannt. 1811 erteilte die kaiserliche Poliz ei einem ‚Herrn Chelègue‘ den Befehl, Genf und Coppet zu verlassen (Eggli 1927: I, 157, 285); es wäre A.W. Schlegel wohl kaum zu verübeln gewesen, wenn er sich nicht angesprochen gefühlt hätte. Dass sein Name immer wieder verunstaltet wurde, verstimmte den greisen Wieland. An Madame de Staël schrieb er am 8. April 1804: ‚Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen danken sollte für die Mühe, die Sie sich gege - ben haben, um meinen doch bereits hinlänglich klangvollen Familiennamen zu ver- schönern oder besser gesagt noch klangvoller zu gestalten, indem Sie Vielande dar- aus machten [...] Es würde zu Ihrem Verdienst gereichen, wenn Sie mir meinen Na- men so wiedergäben, wie ich ihn von meinen Vorvätern vor Jahrhunderten erhalten habe ‘.89 Madame de Staël war nicht die einzige, die Wielands Namen falsch schrieb; 90 im Mercure de France vom Mai 1814 (Bd. LIX, 241f.), im Journal des Débats vom 9. März 1820, und wohl nicht nur dort, wurde ‚Viéland‘ daraus. Selbst sein Übersetzer Frénais schrieb ‚Wié - land ‘, und vermutlich sprachen mindestens neunzig Prozent der Franzosen den Namen auch so aus. Oehlenschläger erzählt (1850: II, 139), seine Wirtin habe ihn ‚Herrn Oehsleng‘ genannt, „denn weder sie noch irgend ein anderer Franzose konnte meinen Namen richtig aussprechen“. Hase (18 94: 63) berichtet von seiner Schülerin, der er Gottscheds Grammatik empfohlen hatte: „Die junge Düchesse schrieb den Namen – Quodechèdt nach ihrer Orthographie – auf einen Zettel [...]“. Und bei Reichardt (1804: I, 174f.) liest man: Sehr lustig ist auch in den öffentlichen Anzeigen oft die Verstümmlung [sic] frem- der Namen. Unsere berühmten Herrn Gelehrte und Künstler müssen auf die Unsterb- lichkeit, die hiesige Blätter ihren Namen geben sollen, eben nicht sehr sicher rech- nen. Ein junger, aus Deutschland zurückkehrender, französischer Chirurgus rühmte sich zum Beispiel letzt in öffentlichen Blättern der guten Zeugnisse unseres Klap- roths und Hermbstädts, und nennt sie Alaprot und Kerremstaat. 91 Ebenso wurden auch die Titel deutscher Werke verstümmelt, etwa im Bulletin bibliogra- phique des Littératures étrangères , das ab 1829 in der Revue de Paris (I, 116, 198; II, 186 u. a.) erschien. Es wimmelt darin von geradezu unglaublichen Fehlern; liest man ein Wort wie ‚Rirchengschicte‘, so versteht man, wie Franzosen ohne Deutschkenntnisse der Ansicht sein konnten, der Sprache eigne eine gewisse Härte.

88 Hier zit n. Goethe, „Biographische Einzelheiten. Unterredung mit Napoleon“; in: Werke, Weimarer Ausgabe I.26 (1893: 275); Eintrag zum 3. Oktober 1808. 89 Pange (1929: 52). – Das Original von Wielands Schreiben ist in französischer Sprache. (B.K.) 90 In ihrem Brief vom 22. April 1797 machte sie aus Wilhelm Meister gar „Williamsmeister“ (vgl. unten, 2.4.7). 91 Hier zit. n. dem Originaltext. 236 Kapitel VII: 1800-1830

2.4 Bedeutung des Deutschen in der französischen Gesellschaft

2.4.1 Vorträge Zunächst sind hier Vorträge und Theateraufführungen in deutscher Sprache zu erwähnen. Über die Vorlesungen, die Friedrich Schlegel 1802 in Paris „ für einige reiche Deutsche [...] über vaterländische Literatur und Kunst“ hielt (Depping 1832: 97), berichtet Hase: Schlegel ist hier und liest in der ‚Rue de Traversière à côté de celle de la Loi‘ Colle- gia über Aesthetik und über den neuesten Zustand der Deutschen Literatur; da gehe ich alle Sonntage hin, setze mich neben Schlegel’s Frau an das lodernde Kaminfe uer und bilde mir ein, ich sei noch Student [...] Ferner ist noch da eine von ihrem Mann geschiedene Berlinerin, die ein dickes Heft nachschreibt [...]; ferner der junge Schweighäuser, ein enragirter Republikaner [...]. 92 Auch de Gérando besuchte diese Vorlesungen: Bei einem sehr splendiden Diner bei Sieyes [...] machte ich auch [...] die angenehme Bekanntschaft des feinen, jungen Gelehrten, Degerando, der sich sehr viel um deutsche Literatur und Philosophie bekümmert hat. Er sprach mir auch mit Achtung von unsers Schlegels philosophischen Vorlesungen, die dieser hier am Sonntag Vormittag in deutscher Sprache hielt, und die Degerando mit mehreren Deutschen zu besuchen pflegt. Ich konnte noch nicht dazu kommen. (Reichardt 1804: I, 431) Ob Schlegel weitere Zuhörer hatte, ob darunter noch andere Franzosen waren, ist nicht bekannt; dass er seine neue Literaturtheorie erstmals in Paris vortrug, ist immerhin bemerkenswert. Ende 1826 erfolgte auch die Ankündigung einer ‚Vorlesung über deutsche Literatur im Vergleich mit den anderen europäischen Literaturen ‘; sie wurde in insgesamt 20 Stunden von dem Jenaer Professor Christian Müller gehalten, offenbar in deutscher Sprache; der Text dieser Vorlesungen wurde später in französischer Sprache veröffentlicht ( Le Globe vom 21. Dezember 1826).

2.4.2 Theater Die Aufführungen von deutschen Theaterstücken und Opern waren vermutlich eher für den Kreis der deutschen Einwanderer gedacht. Der Schauspieler und Bassist J. B. Elmenreich eröffnete am 16. November 1800 ein deutsches Theater in der Pariser Salle de la Cité, an dem vornehmlich Mozarts Opern in der Originalfassung aufgeführt wurden. Die Abneigung des Pariser Publikums gegen die deutsche Sprache, die es nicht verstand, erwies sich jedoch als stärker als die Beliebtheit von Mozarts Musik, und so musste das Theater bald wieder schließen. 93 Mehr Erfolg war einem späteren Versuch beschieden: 1808 wurde Minna von Barnhelm auf der Bühne von Coppet aufgeführt, im Jahr darauf erstmals Zacharias Werners Melodram Der vierundzwanzigste Februar (Blennerhassett 1887-1889: III, 256ff.; Henning 1929: 145). 1825 führte eine deutsche Truppe unter anderem drei Opern von Mozart in der

92 Hase (1894: 103), Eintrag vom 28. Dezember 1802; hier nach dem Originaltext zitiert. 93 Magasin encyclopédique (1801: XL, 125); Süpfle (1886-1890: II.2, 51f.). Die Franzosen und das Deutsche 237

Salle Favart auf; 1829 wurde Fidelio in deutscher Sprache gesungen, 1830 auch der Frei- schütz , Oberon und Euryanthe .

2.4.3 Zeitschriften Wiederholte Versuche, eine deutschsprachige Zeitung in Paris zu gründen, blieben erfolg- los. Am 1. März 1803 schrieb Hase an Böttiger: Eine Verbindung von Pariser Buchhändlern will eine deutsche Zeitung für die Hauptstadt und die vereinigten Departements erscheinen lassen; es ist möglich, dass ich selbst die Redaktion derselben provisorisch übernehme, bis es sich zeigt, ob die Unternehmung zuverlässig genug ist, um [Johann Gottfried] Schweighaeuser, der dann seine Stelle auf dem Lande aufgeben würde, in Paris eine recht schöne Exis- tenz zu verschaffen. Über einen zweiten Anlauf 1805 meldete M. S. F. Schöll, der sich als Buchhändler in Paris niedergelassen hatte, Weyland nach Weimar: Seit vier Wochen beschäftigt sich das Institut national mit nichts mehr als dem Pro- jekt, ein Journal für teutsche Literatur zu Stande zu bringen [...] Du kannst dir aber nicht denken, welch ein augenblicklicher Enthusiasmus jetzt alle diese Menschen packt, besonders die, so etwas teutsch können. (zit. in Geiger 1896a: 350f.) Die Bibliothèque Germanique ;94 von der hier die Rede ist, scheiterte ebenso, weil sie über 60 Subskribenten nicht hinauskam; nach dem zweiten Band stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein (Wittmer 1908: 265). Zu dieser Zeit entstanden auch die rein deutschsprachigen Pariser Laufberichte , die für die Geschichte der deutschen Sprache, insbesondere für die Frage der Sprachreinigung, von Interesse sind. Depping (1832: 365f.) berichtet darüber ausführlich: [...] kurz nach meiner Ankunft in dieser Hauptstadt begann ein Dr. Seyffert 95 seine wunderlichen ‚Pariser Laufberichte ‘, in welchem die deutsche Sprache noch weit gesäuberter erschien als in Campe’s Wörterbuch. Seyffert hatte es sich nämlich zum Gesetz gemacht, kein fremdes Wort in die deutsche Sprache aufzunehmen; alle fremdartigen Wörter, welche bereits das Bürgerrecht erhalten hatten, wurden von ihm ohne Ausnahme und ohne Barmherzigkeit verworfen, und es wurden dafür neue geschaffen, die freilich ein wunderliches Ansehen hatten und ein eignes Wörterbuch erfodert [sic] haben würden, um verstanden zu werden; für Fremde wäre diese

94 Es folgten mehrere französischsprachige Zeitschriften, die der deutschen Literatur und Kultur gewidmet waren, insbesondere die Nouvelle Revue Germanique (1829-1836); auch Le Globe (1824-1832) brachte Berichte über Deutschland. 95 Lévy vermerkt (1950: 280 Anm. 1), er habe die Pariser Laufberichte nicht einsehen können. – In einer anonymen Rezension ( ALZ 1804: Bd. 1, Nr. 88) wird als Herausgeber des Pariser Laufberichts Andreas Saiffert genannt, als Verlag die Pariser „Druckerei der deutschen Sprachfreunde“ . In der – überaus kriti- schen und ironischen – Besprechung heißt es Sp. 698: „Das Ganze hat ein fremdartiges Ansehn, und möchte wohl wenig dazu beytragen, die eleganten Franzosen auf dieses deutsche Product sehr neugierig zu machen. Noch viel weniger wird aber der Inhalt, weder den Ausländer noch den unbefangenen Deut- schen, befriedigen können, ja Rec. darf wohl dreist behaupten, daß unter zehn Lesern, denen dieses Blatt zu Gesichte kommt, kaum einer mehr als eine Numer [sic] desselben durchlesen wird.“ (B.K.) 238 Kapitel VII: 1800-1830

Zeitung vollends unverständlich gewesen, und keine Sprachlehre, kein Wörterbuch hätte ihnen aus der Noth helfen können. So nannte Dr. Seyffert etwa den Telegra- phen eine Wortschleuder, den Monat Vendémiaire den Träublermonat. Kotzebue hat sich in seinen Erinnerungen aus Paris über diese Sprachreinigung mit Recht lustig gemacht: 96 Auch ist das neue System mit Dr. Seyffert entstanden und eingegangen; Niemand hat Lust gehabt, seine neue deutsche Sprache fortzupflanzen. Dr. Seyffert war übri- gens ein geschickter Mann und hatte als Arzt eine ziemlich ausgebreitete Praxis. Seine Zeitung dauerte einige Monate lang und ging dann unter. Zehn Jahre später unternahm der aus Metz stammende Lamort einen neuen Versuch, der ebenso scheiterte; 1815 gewann er einige Mitarbeiter und Abonnenten für eine neue deutschsprachige Zeitschrift in Paris, deren Erscheinen jedoch schon nach wenigen Mona- ten wieder eingestellt wurde. Depping 97 notierte daraufhin enttäuscht: Wahrscheinlich wird von nun an sobald Keiner mehr Lust haben, sich an einem ähnlichen Unternehmen die Finger zu verbrennen. Wozu soll auch eine deutsche Zeitung in Paris dienen? [...] Sogar im Elsaß haben ganz deutsche Blätter fast nie sich halten können. Eher blühen französische Blätter in Deutschland als deutsche in Frankreich auf. Dennoch gründete etwa zehn Jahre später ein Franzose, „der mit Deutschen und mit Elsas - sern [sic] in Verbindung stand“, eine weitere deutschsprachige Zeitschrift; auch dieser Versuch scheiterte (Depping 1832: 366). Immerhin konnte man in Paris zumindest zu Be- ginn des 19. Jh. deutsche Zeitungen lesen, etwa bei Millin (Reichardt 1804: I, 67). Ein Franzose, der überrascht war, auf seiner Deutschlandreise gleich in der ersten Stadt Zeitungen aus aller Herren Länder vorzufinden, bemerkte indessen schon 1805: ‚Ich bezweifle, dass es in Frankreich viele Städte gibt, wo deutsche Zeitungen in den Lesekabi- netten zur Verfügung stehen ‘.98 Aus wachsendem Misstrauen gegenüber allem Deutschen sorgte Napoleon dafür, dass die Einfuhr deutscher Zeitungen immer weiter erschwert

96 Vgl. Kotzebue (1804: 321-328): „Diese Afterzeitung erschien mehrere Male wöchentlich, nie versäumte ich sie zu lesen, und immer bemerkte ich mir auf ein Zettelchen die auffallendsten Worte. Daraus ent- stand endlich ein drolliges Wörterbuch, welches wohl am meisten unterhalten wird, wenn ich versuche, es in einen Zusammenhang zu bringen. Ich habe daher Briefe im Styl des Pariser Laufberichts und mit dessen eigenen Worten entworfen, die ich zum Scherz hier mittheile. Mein Herr. Ein Hirnfluß (Catharrh), der daher entstanden ist, daß ich im Träubler (Vendemiaire) meine Baarhouke (Perücke) nicht aufgesetzt, und der mir sogar einen Saftkrampf (Fieberparoxysmus) zuzog, hat mich ab- gehalten, Ihnen mein Schätzgefühl (Achtung) zu bezeigen, wie auch Ihnen die Merkgeschichten (Anec- doten) des hiesigen Freithums der Franken (Französische Republik) mitzutheilen [...] Natürlich konnte ein solches dem Unsinn geweihtes Blatt, sich keine lange Dauer versprechen; es ist aber seitdem, durch einen andern Redacteur besser ausgestattet, aus dem Dunkel wieder an’s Licht getreten.“ (B.K.) 97 Depping (1832: 366); hier ausführlicher nach dem Originaltext zitiert. 98 Archives littéraires de l’Europe (1805: VIII, 140); zit. n. Rossel (1897: 154). Die Franzosen und das Deutsche 239 wurde; selbst die politisch völlig unverdächtigen Göttinger Gelehrte [n] Anzeigen waren eine Zeitlang verboten.

2.4.4 Buchhandlungen, Einfuhr und Druck deutscher Bücher Von diesen Verboten waren nun auch Bücher betroffen, und der internationale Buchhandel wurde durch vernichtende Dekrete eingeschränkt. Hase, Depping, Madame de Staël und andere, die deutsche Bücher zu Unterrichtszwecken oder für die Lektüre anschaffen wollten, hatten bislang unbegrenzt über die Möglichkeit verfügt, sich diese schicken zu lassen; nun aber wurde die Einfuhr deutscher Bücher mit sehr hohen Zöllen belegt (Tronchon 1920: 90). Dies hatte zur Folge, dass die großen Pariser Bibliotheken selbst grundlegende deutschsprachige Werke nicht mehr anschaffen konnten, weshalb etwa Quinet den Originaltext von Herders Gedanken zur Erziehung und Bildung erst auf einer Englandreise im Frühjahr 1825 lesen konnte. Michelet beklagte kurz danach, ‚es sei nichts [d. h. keine deutschen Bücher] zu finden ‘; nur mit großer Mühe habe er sich das Nibelungenlied beschaffen können (Monod 1905: 131). Als 1825 die Bibliothèque allemande , die erste französische Zeitschrift zur deutschen Literatur, gegründet wurde, verwies man darauf, dass ‚die deutsche Sprache in Frankreich kaum gepflegt [werde] und deutschsprachige Bücher selten und sehr teuer [seien] ‘.99 Immerhin gab es auch Anzeichen für eine Verbesserung der Lage: ‚Vor zehn Jahren benötigte man noch unendlich viel Zeit und viel Geld, um sich ein deutsches oder englisches Buch zu beschaffen; heute ist ein wichtiges Werk, das in Deutschland oder England erscheint, bei uns sogleich erhältlich, nicht nur auf Be- stellung; es gibt auch Nachdrucke in Frankreich, und manche Ausgaben sind sogar besser und kosten nur die Hälfte oder ein Drittel des Preises. In der Buchhandlung Baudry wird ein vollständiges Sortiment italienischer, englischer, spanischer und deutscher Bücher angeboten ‘.100 Didot verlegte Auszüge aus den besten Schriftstellern Deutschlands (anon. 1824) sowie einen Sammelband mit Fabeln (Lemaire 1826), der neben zahlreichen Auszügen und Zitaten deutscher Autoren über Phaedrus auch einen längeren Text mit dem Titel Aesthe- tische Bemerkungen über die Fabeln der [sic] Phaedrus vom Herrn Professor Jacobs enthält (Lemaire 1826: I, 289-306). Der Band ist insofern eine für die damalige Zeit bemerkenswerte Veröffentlichung, als die deutschen Texte darin nahezu fehlerfrei wiedergegeben sind. Äußerst aufschlussreich ist eine 1829 vorgelegte Statistik der Bücher, die im Vorjahr in Frankreich erschienen waren: Demnach lag die Gesamtzahl der Veröffentlichungen bei 7.616; davon waren 2.015 in der Provinz erschienen. Im Elsass wurden 106 Titel verlegt, überwiegend in deutscher Sprache, davon je vier in Colmar und Hagenau, sieben in Mühlhausen und 91 in Straßburg. Insgesamt 164 Titel haben mit Sprache zu tun; davon betreffen 35 die lebenden Fremdsprachen (Englisch: 16, Deutsch: 8, Italienisch: 7, Spanisch: 4). Insgesamt 80 Romane, darunter 48 englische und 16 deutsche, erschienen in

99 Zit. n. Tibal (1924: 336). Zu den Zeitschriften, die der deutschen Literatur gewidmet waren, siehe auch Lévy (1929: II, 122). 100 Le Globe (1826 III: n° 68, 364) anlässlich des Erscheinens von Ermeler (1826). 240 Kapitel VII: 1800-1830 französischer Übersetzung (Chasles 1829: 197f., 223, 235). Das Englische dominierte also weiterhin, doch das Interesse am Deutschen stieg allmählich an, und es gab nun – womöglich erstmals seit der Renaissance – mehr Veröffentlichungen zum Deutschen als zum Italienischen. Dagegen zeugen die großen Privatbibliotheken, die in diesem Zeitraum zur Verstei- gerung kamen, von zwei Ausnahmen abgesehen, immer noch von mangelndem Interesse an deutschen Büchern und Unkenntnis der deutschen Sprache. Der Katalog der Bibliothek von J. A. Naigeon verzeichnet mehrere tausend Titel, darunter einige Wörterbücher und Bücher in italienischer und englischer Sprache, aber kein einziges deutschsprachiges Werk. 101 Auch in Talleyrands weniger umfangreicher Bibliothek, die eine größere Zahl italienischer, spa- nischer und englischer Bücher enthielt, fehlten deutsche Werke ganz. 102 Unter den rund sechstausend Titeln der Bibliothek von Viollet le Duc sind Bände mit Gedichten von Brant, Haller, Gessner, Lichtwer, Rabener, Klopstock und Wieland, auch eine Ausgabe deutscher Theaterstücke (Friedel & Bonneville 1782-1785) und Winckelmanns Geschichte der Kunst des Altertums , sämtlich jedoch in französischer Übersetzung. 103 Dagegen besaß Millin eine größere Anzahl deutscher Werke, 104 neben etlichen Titeln in Übersetzung auch viele im Original: Gellerts sämtliche Werke in zehn Bänden, eine zwei- bändige Ausgabe von Gessners Werken, Schriften von E. von Kleist und Winckelmann sowie weitere Werke zur Geschichte, Kunst und Naturwissenschaft. Insgesamt waren es mehrere hundert Bände in deutscher Sprache – eine für jene Zeit vermutlich einmalige Sammlung, wenn man von den öffentlichen und privaten Bibliotheken im Elsass und in Lothringen absieht. Madame de Staëls Privatbibliothek in Coppet umfasste über 170 Titel in deutscher Sprache. 105

2.4.5 Übersetzungen Die Werke der deutschen Klassik wurden weiter ins Französische übertragen; Werther , der allein im Zeitraum 1776-1799 bereits achtzehnmal übersetzt worden war, wurde 1829 er- neut von Leroux übertragen; 106 P. J. Bitaubé legte 1800 eine französische Prosafassung von Hermann und Dorothea vor (Baldensperger 1920: 29, 49, 250), B. Constant eine Über- setzung oder besser gesagt eine Nachdichtung von Schillers Wallenstein. Graf Champfeu (1803) und L. Waltmann (1820) übersetzten Schillers Dreißigjährigen Krieg , M. Berr einige seiner Gedichte ( Mercure étranger , 1814 und 1815). 1802 übertrugen H. Coiffier Wielands Aristipp (1802), Ladoucette Agathon , Fresnais den Nachlass des Diogenes von

101 Catalogue des livres de feu M. J.-A. Naigeon (1738-1810), membre de l’Institut d e France et cheva- lier de l’Empire . Paris 1810 (Sign. BNF Z Payen 1137). 102 Catalogue des livres très bien conditionnés du Cabinet de M. [de Talleyrand ]. Paris 1811 (Sign. BNF Q 8894). 103 Catalogue des livres rares et singuliers de M. Viollet le Duc . Paris 1819 (Sign. BNF Q 8901). – Zur Ausstattung der Gymnasialbibliotheken vgl. oben 2.2.2.1; sie enthielten allenfalls einige französische Übersetzungen von Gellert, Gessner und Haller (die beiden letztgenannten von Huber übersetzt). 104 Catalogue des livres de la Bibliothèque de feu M. Millin . Paris 1819 (Sign. BNF Q 8845). 105 Catalogue des livres écrits en allemand ou intéressant l’Allemagne en possession de Mme de Staël et ses enfants au château de Coppet ; Pange (1929: 565-579), Anhang I. 106 Zu Leroux (1829) vgl. oben 2.3.3. Die Franzosen und das Deutsche 241

Sinope .107 Ch. de Vanderbourg übersetzte Lessings Laokoon (1802) und Wielands Roman Krates und Hipparchia (1808), 108 Blau zwei Gesänge von Klopstocks Hermanns Schlacht . Sismondi übertrug Herders Cid und Madame de Staël A. W. Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur .109 Madame de Staël war nicht die einzige französische Schriftstellerin, die auch über- setzerisch tätig war. Elisa Voïart und Elisabeth de Montholon übersetzten zahlreiche Ro- mane von August Lafontaine, 110 Julie Molé übertrug Kotzebues Menschenhaß und Reue , Baronin de Montolieu Tiecks Franz Sternbolds Wanderungen (1823), Pauline de B. die Lenore (1814). I. Morel übertrug 1825 Gedichte von Schiller, im selben Jahr wie E. Panckoucke Gedichte Goethes (siehe oben 2.3.3). Ladvocat brachte ab 1820 die Reihe Chefs d’oeuvre des théâtres étrangers mit insgesamt 25 Bänden heraus, in der u. a. G. de Baers Übertragung des Götz von Berlichingen und Sainte-Aulaires Übersetzungen von Lessings Emilia Galotti , Müllners Die Schuld und Goethes Faust (1823) erschienen. Im selben Jahr legte P. A. Stapfer seine Faust -Übertragung vor,111 fünf Jahre später folgte die Übersetzung durch G. de Nerval. P. de Barante übersetzte Theaterstücke von Schiller für die genannte Reihe (Schiller 1821). Aus dem Umfeld von F.A. Loeve-Veimars stammen eine Wieland-Übersetzung und einige Übertragungen von Gedichten durch E. Panckoucke, Übersetzungen der Erzählungen von Heinrich Zschokke und vor allem von Werken E.T.A. Hoffmanns (ab 1829). In diesem Jahrzehnt erschienen noch viele weniger bedeutende Übersetzungen, die wir hier nicht alle nennen können; 112 Ab dem Ende der zwanziger Jahre betätigten sich unter anderem E. Quinet, G. de Nerval, E. Deschamps und H. Coiffier auch als Übersetzer. 113 Coiffier hat den ‚sprachlichen Wert‘ dieser Übertragungen selbst so eingeschätzt: ‚Diese [Übersetzungs]Versuche veranlassten einige Schriftsteller – einstweilen sind es noch wenige-, sich verstärkt einer Sprache zuzuwenden, die man bislang allen- falls für würdig erachtet hatte, von unseren Soldaten gelernt zu werden ‘ (Coiffier in Wieland 1802: I, IV). Nach einer Erörterung der Vorzüge und Nachteile des Deutschen geht er auf die Schwierig- keiten bei der Übertragung deutscher Gedichte ins Französische ein (ebd., VIII). Immer aufs Neue hat man in der Geschichte der französischen Übersetzungen deutscher Dichtung im 19. Jh. versucht, den Besonderheiten beider Sprachen gerecht zu werden; so kam es gelegentlich auch zu Entlehnungen aus dem Deutschen, die Lücken im Französischen fül-

107 Jean-Charles-François de Ladoucette, Philoclès, imitation de l’Agathon de Wieland . 2 Teile. Joseph- Pierre Fresnais [auch: Frénays, Fresnois], Le tonneau de Diogène, imité de l’allemand de M. Wiéland [sic]. 108 Angaben nach Süpfle (1886-1890: I, 44, 46, 49; II, 19). 109 Sie erschienen u. d. T. Cours de littérature dramatique [repr. Genf: Slatkine, 1971]. 110 Lévy (1950: 284) nennt nur die französischen Titel der Romane: Le Hasard [? wohl irrtümlich für Le Hussard, ou la Famille de Falkenstein , 5 Bde. 1819] und Sylvius et Valeria [, ou le Pouvoir de l’amour , 1819] in der Übersetzung von E. Voïart sowie Les deux ânes (1819), übersetzt von Mme de Montholon. 111 In: Goethe (1821-1825). 112 Vgl. die (unvollständigen) Auflistungen in Dupouy (1913: 80ff.), Rossel (1897: 105ff.), Süpfle (1886-1890: II), Duméril (1933), Reynaud (1922: 180ff., 195) und Baldensperger (1920). 113 Ausführlicher hierzu Lévy (1952: Kap. VIII). 242 Kapitel VII: 1800-1830 len sollten. Unter dem Einfluss des deutschen Vorbilds wurde die französische Sprache der Dichtung geschmeidiger. 114

2.4.6 Deutsches im Französischen In manchen Werken von französischen Schriftstellern, die ihre Jugend zum großen Teil in Deutschland verbrachten, lassen sich vermutlich Spuren von Germanismen finden. Lezay- Marnésia wurde dieserhalb kritisiert; allerdings war er der Meinung, Übersetzer hätten durchaus das Recht, Germanismen zu verwenden. Er begründet dies im Vorwort zu seiner Übertragung des Don Carlos wie folgt: ‚Ich war bestrebt, so weit als möglich den Genius der Sprache und den des Autors gleichermaßen wiederzugeben. Ich habe ungewöhnliche Sätze gebildet, vielleicht auch Wendungen gewagt, die im Deutschen nicht kühn sind, im Französischen aber wohl; und hier wird der Leser mich fragen, mit welchem Recht ich die Bauweisen vermenge und was ich mit diesem Gemisch von Rustikalem und Korinthischem bezwecke? Ich sagte es bereits: so wenig wie möglich zu verlieren ‘ (Lezay-Marnésia in Schiller o. J. [1799]: VI). Wie Eggli (1927) ausführlich nachgewiesen hat, wurde die Bildersprache des französischen Theaters im Zeitraum 1820-1830 durch Schillers Einfluss vollständig erneuert.115 Immer wieder wurde in dieser Zeit auf die Gefahren hingewiesen, die der Reinheit des Franzö- sischen vermeintlich aus dem zu engen Kontakt mit dem Deutschen oder der allzu getreuen Nachahmung der Sprache erwachsen könnten. So schrieb Dussault, ein Anhänger der klas- sischen Theorien: ‚Vom Ufer des Genfer Sees, und mitten aus Deutschland haben neue Doktoren diese [romantischen] Theorien in einem Französisch verkündet, das durchsetzt ist mit Germanismen ‘ (Annales littéraires ; zit. n. Texte 1898: 207f.). Le Globe brachte 1829 eine Besprechung der Gedichte von Alfred de Vigny, in der zu lesen war , der Sprache der Romantik habe man zunächst ‚eine bestürzende Unrichtigkeit‘ zuge- schrieben, bis sie sich als ‚eine neue poetische Sprache‘, und damit als zulässig, erwiesen habe. Im selben Jahr wurde im Hinblick auf Victor Hugos Odes et ballades der Vorwurf erhoben, die französischen Romantiker missachteten den Charakter ihrer eigenen Sprache: ‚Man sieht, wie sie auf Französisch englisch und deutsch reden ‘ (Revue encyclopédique , 1829). Bereits 1825 war ein Spottgedicht über den erheblichen Einfluss erschienen, den die deutsche Literatur in Frankreich schon zu Beginn der Romantik ausübte; in diesem Einfluss sahen manche einen Vorzug, andere einen Nachteil. 116

114 Duméril (1933) hat ausführlich gezeigt, wie die französische Sprache und Prosodie sich allmählich den Erfordernissen der Übersetzung anpassten und welchen Gewinn das Französische daraus gezogen hat. 115 Beispiele für die farbigen, heftigen, kraftvollen Ausdrücke, die Schillers Dialogen Lebhaftigkeit und Würze geben, in Eggli (1927: 388f.). 116 „On rirait d’un auteur, dont les vers trop français / Au lecteur mécontent ne présentent jamais / Ni d’un mot colossal le hardi barbarisme / Ni d’un tour inconnu l’élégant germanisme“ [‚Über einen Dichter, dessen allzu französische Verse dem unzufriedenen Leser nie den kühnen Barbarismus mit einem gewaltigen Wort oder den eleganten Germanismus mit einer unbekannten Wendung bieten, Die Franzosen und das Deutsche 243

Germanismen waren offenbar besonders in den Deutschlehrwerken verbreitet. Nach Meidinger (1802: VI) haben ‚ fast alle deutschen Grammatiken für Franzosen ‘einen Mangel gemein: ‚Es gibt darin zahlreiche Germanismen, die so sehr Ansto ß erregen, dass ein einigermaßen gebildeter Franzose nicht umhin kann, sich abgestoßen zu fühlen ‘.Mit solchen Lehrbüchern lernte wohl so mancher Franzose teilweise fehlerhaftes Deutsch. Auch Sprachkontakte mit Deutschen in den Revolutionskriegen und den Kriegen im Empire hinterließen greifbare, zum Teil dauerhafte Spuren in der französischen Sprache. Etliche deutsche Wörter gelangten in dieser Zeit ins Französische; andere, die schon zuvor eingedrungen waren, wurden um 1800 sehr gebräuchlich, so képi (‚Schirmmütze‘) < kaeppi und sabretache < Säbeltasche (vgl. Kap. IV, 2.4). Dolman und schabraque kamen über das Deutsche ( Dolman , Schabracke ) aus dem Türkischen ins Französische, cravache auf dem- selben Weg (dt. Kurbatsche, Karbatsche ) aus dem Slawischen. Schon lange vor der Revo- lution waren blockhaus und blocus aus dem Niederländischen ins Französische gelangt (vgl. Kap. II, 2.3); das erstgenannte Wort wurde in seiner deutschen Form später recht gebräuchlich. Die ebenfalls bereits vor der Revolution entlehnten Wörter schnick und schnaps (vgl. Kap. V, 2.2.5) gelangten später in den allgemeinen Sprachgebrauch, weil französische Truppen sich mehrfach längere Zeit auf deutschem Boden aufhielten. Auch einige Ableitungen von Toponymen gab es: Coblentziens und Coblenistes zu Koblentz. Or tsnamen waren noch nicht durchgängig franzisiert; so war 1793 die Rede von ‚unserer großen Armee von Weissembourg ‘ (Weissenburg , später Wissembourg ). Eine ähnlich kurze Lebensdauer wie Weissembourg hatten auch Wörter wie stouff (‚Stube‘), wurst (Be- zeichnung für eine Art Lastwagen), vögele (‚Wägele‘), die für jene Zeit schriftlich belegt sind. Nachdem die Söldnerregimente aufgelöst waren und die Soldaten in andere Einheiten aufgenommen worden waren, ging die Verwendung zuvor frequenter Wörter wie caporal schlag/schlagueur (‚Gefreiter, der Schläge verteilt‘)117 und heimweh deutlich zurück. Es gab auch regional beschränkte Entlehnungsprozesse. So sind die Entlehnungen in der Mümpelgarder Mundart durch die ehemalige württembergische Herrschaft und die engen Beziehungen mit dem benachbarten Elsass zur Genüge erklärt, wie etwa enne lade < ein [Fenster] Laden , enne crougue < ein Krug , in raibe < ein Räuber , in stiern < Stirn [band], in mailcoste < Mehlkiste , di quemiesse < [gekochtes] Gemüse , enne chelitte < Schlitten , enne gosse < Gasse , griesse < Gries , enne coppe < Kappe , in broustouk < Brusttuch , enne louedre < Luder , in bouebe < Bube , di brue < Brühe , enne gése / gaise < Geiß, in bock < Bock , chia < ja , se poutsai < sich putzen , vandlai < wandeln , stopfai < stopfen , se chiquai < sich schicken , machai < mischen und souquai < suchen .118 Aus der selben Zeit stammen auch einige Entlehnungen, die nicht nur in Lothringen, der Champagne und der Picardie, wo die Übernahme zunächst erfolgt war, verbreitet waren: chlofe (aller à chlofe, faire chlofe, chloffer ) < schlafen , choumaque < Schuhmacher sowie chouflique < Schuhflicker und chibes < Stiefel , davon abgeleitet enchtiber (‚gefangen neh -

würde man lachen‘]. In Lévy (1950: 286) zit. n. Sattler (1932: 110, 118). 117 Vgl. Kap. IV, 2.4. – Le Caporal Schlag, ou la Ferme de Muldorf , ein Theaterstück von Ch. A. Sewrin, erschien 1809 in Paris. (B.K.) 118 Angaben nach Fallot (1828: 58f.), dessen Untersuchung den wissenschaftlichen Ansprüchen unserer Zeit nicht mehr entspricht, jedoch weiter eine wertvolle Quelle von Belegen ist. – Diese Bemerkung in Lévy (1950: 287) ist insofern interessant, als Fallot (1828) heute durchaus noch von der Forschung herangezogen wird; vgl. hierzu auch Bourquin (2003). (B.K.) 244 Kapitel VII: 1800-1830 men ‘). Weiter frichti < Frühstück , cartofle < Kartoffel , crompire < elsäss. grumbir < Grundbirne (‚Kartoffel‘ ), quenelle 119 < Knödel , nix < nichts , dirlingue (für sou , ‚Pfennig‘ , ‚Heller‘ ) < Dreiling , ringuer (‚schlagen‘ ) < ringen , youte/yit/youtre < Jude, choule (‚Syna - goge ‘) < Schule und schließlich turne nach dem elsäss. turn für Turm . Die deutschen Ele- mente, die sich im Argot eindeutig nachweisen lassen, stammen vermutlich aus den ostfranzösischen Mundarten (Sainéan 1907: 134ff.; 1920: 339ff.). Auch in der gehobenen Sprache wurde entlehnt, wie etwa die Ableitungen werthérisme und werthériser zeigen. Gretchen wurde zum Synonym für eine junge Deutsche; nachdem Goethes Faust in Frankreich besser bekannt geworden war, sprach man gern von Deutsch- land als dem ‚Land der Gretchen‘ . Die Beliebtheit von E.T.A. Hoffmanns Erzählungen spiegelt sich noch heute in dem Ausdruck genre hoffmannesque . Von dem Namen des deutschen Arztes Mesmer wurde mesmérisme abgeleitet. Das Adjektiv romantique erfuhr im Zeitraum 1820-1830 unter dem Einfluss des Deutschen eine Bedeutungs- verschiebung. 120 Valse, valser < Walzer, walzen waren bereits ganz am Ende des 18. Jh. ins Französische gelangt. Dem Wiener Vertrag von 1809 verdanken wir das seitdem unentbehrlich gewordene Wort thalweg . Etwas älter ist banquise , das offensichtlich zu Eisbank gebildet wurde. Auch das erstmals 1823 belegte landau als Bezeichnung für eine bestimmte Art Kutsche wurde bald sehr gebräuchlich. Um 1797 sprach Charles Coquebert de Montbret 121 von dem, ‚was die Professoren in Deutschland als Statistiken bezeichnen ‘; statistique, im Französischen erstmals 1771 belegt, wurde offenbar nach dem Deutschen gebildet, ähnlich wie zuvor esthétique zu Ästhetik . Nach deutschem Muster erfolgten im Französischen auch Neubildungen mit griechisch- lateinischen Elementen, z. B. schéma und subjectivité im Zuge der Kant-Rezeption zu Be- ginn des 19. Jh. Um 1820 wurden ausgehend von Klaproth die Fachwörter tellure und urane gebildet. Auch andere fachsprachliche Termini gelangten ins Französische, so um 1800 (acide) prussique/prussiate (‚Blausäure‘ ) < preußisch , glauberitz (zu dem Eigen- namen Glauber ; vgl. frz. sel Glauber ), fettstein und nadelertz ;122 weiter druse < Druse (Fachwort der Mineralogie), lagre < Lager , tâque (‚eiserne Platte‘ ) < ndd. tâk [?] und cra- miner < ndl. krammen (‚festbinden‘ ). Charles Pougens vertrat sogar die Ansicht, das Französische habe nicht genügend Wör- ter germanischer Herkunft, weshalb er in seiner Archéologie française dafür plädierte, ältere, nicht mehr gebräuchliche Entlehnungen wieder aufleben zu lassen: bigoter (‚so fromm sein, dass es an Bigotterie grenzt ‘) < ahd. bi-god , buquer < pochen , buer (‚Wäsche waschen ‘) < bûkon , dt. bauchen und larris < ndl. laar (‚leeres Feld‘ ), ebenso zahlreiche Ableitungen von germanischen Wörtern wie râpeux (‚rauh‘ ), tourbière (‚Torfmoor‘ ) und trottiner (‚trippeln‘ ), die in einer anderen Form erhalten geblieben waren. 123 In einer weite-

119 Noch heute in der Bedeutung ‚Röllchen‘, ‚Klößchen‘ aus Fisch oder Fleisch (B.K.) 120 Verwendung von romantisch durch die Brüder Schlegel; sehr ausführlich hierzu Brunot (1933: XII, 116-131, bes. 120f.). 121 Biographische Angaben zu Charles Coquebert de Montbret in Brunot (1933: IX, 1, 525f.) und Brumme & Bochmann Hg. (1993: 151); ausführlicher zu dessen Sprachstatistik siehe unten, 3. 122 Die drei zuletzt genannten Entlehnungen erscheinen erstmals in einer Untersuchung von 1809; vgl. zu diesem Abschnitt insgesamt Brunot (1933: VI, 2, 1239; IX, 2, 859, 963, 975, 979, 981, 987, 995, 1061, 1203); Bloch (1932). 123 Pougens (1821-1825: I, 70, 73, 76, 325; II, 177, 242, 249). Die Franzosen und das Deutsche 245 ren Arbeit, die ihn Jahre seines Lebens kostete, hatte Pougens zuvor den Versuch unter- nommen, nach dem Vorbild deutscher Wörter französische Privativa zu bilden (Pougens 1794). Manche dieser Wortschöpfungen gab es nur in seiner Einbildung, viele waren miss- lungen; doch immerhin bemühte er sich nach Kräften um den weiteren Ausbau des franzö- sischen Wortschatzes nach deutschem Vorbild. 124

2.4.7 Madame de Staël und die deutsche Sprache Zu der Frage, in welcher Zeit und mit welchen Mitteln Madame de Staël die Sprache lernte, liegen bereits zahlreiche Untersuchungen vor, die allerdings zu teilweise widersprüchlichen Ergebnissen gekommen sind. Nachstehend wird erstmals der Versuch einer vollständigen Auswertung dieser Studien unternommen.125 Zunächst ist zu klären, ab wann Germaine Necker Deutsch lernte. Wittmer (1908: 139) meint, es sei ihre Mutter gewesen, die dafür gesorgt habe, dass die Tochter Anfangskenntnisse in lebenden Fremdsprachen erhielt; er beruft sich dabei auf einen Brief, in dem sie ihrem Gatten schreibt: ‚Ich habe ihr Sprachen beigebracht ‘.126 Dass Germaines Eltern Grundkenntnisse im Deutschen hatten, ist durchaus möglich; dennoch lernte die Tochter sicher hauptsächlich Englisch, wie es damals Mode war (Wittmer 1908: 139). Grimm, J. H. Meister und andere Deutsche, die wie Bonstetten und Jacobi auf der Durchreise waren, kamen zu Madame Neckers Freitagsempfängen, weshalb Wittmer (1908) und Tronchon (1920: 83f.) offenbar annehmen, dass Germaine schon im Jugendalter in Berührung mit dem Deutschen kam. Dagegen spricht die Aussage ihrer Kusine und Vertrauten Albertine-Adrienne Necker de Saussure: ‚Sie [Germaine] hatte den Mut, in reifem Alter die Sprachen zu lernen, die man sie in ihrer Jugend nicht gelehrt hatte ‘ (Necker de Saussure 1820: 328). Um 1797 gestand Madame de Staël wiederholt, sie habe keinerlei Deutschkenntnisse; Meister und andere unterstützten sie in dem Bemühen, ‚einen Schleier über ihre Unwissenheit zu breiten‘. Wilhelm von Humboldt, der sie gut kannte und ihr nach ihrer Ankunft in Paris im November 1797 die ersten Deutschstunden gab, bestätigte später in einem Schreiben an Charlotte Diede: „Sie hat sogar erst spät Deutsch gelernt, und ich habe sie selber noch in Paris unterrichtet“. 127 Demnach begann sie erst im Alter von mehr als dreißig Jahren, Deutsch zu lernen; die Gründe erläutert sie in ihrem Buch Über Deutschland : Wenn man den Geist und den Charakter einer Sprache studiert, so lernt man die philosophische Geschichte der nationalen Meinungen, Sitten und Gewohnheiten kennen; und der Wandel, dem die Sprache unterliegt, muß über die Bahn des Ge- dankens notwendig sehr viel Licht verbreiten. (de Staël 1814, dt.1985: 86) A. Necker de Saussure führte dazu ergänzend aus:

124 Der deutsche Teil der Arbeit enthält übrigens ziemlich viele (Druck)fehler. 125 Von dem zweiten Kapitel der Dissertation von Madame de Pange (Pange 1938), „Commen t Mme de Staël apprend l’allemand“ [in der deutschen Ausgabe (1940: 16 -28): „Rätsel Deutschland“ (B.K.)] erhielten wir erst nach der Abfassung dieses Abschnitts Kenntnis; einiges haben wir hier nachgetragen, doch weitere Änderungen waren nicht erforderlich. 126 Das gekürzte Zitat in Lévy (1950: 289) ist vielleicht etwas missverständlich, denn der darauf folgende Nachsatz von Germaine Necker relativiert diese Aussage: „et surtout à parler la sienne avec facilité“ [‚und vor allem, ihre eigene Sprache mit Leichtigkeit zu sprechen‘]. 127 Humboldt (1909: II, 249); Brief n° 141 vom 2. August 1832. 246 Kapitel VII: 1800-1830

‚Sie schätzte den Wert solcher Studien [von Sprachen] unendlich hoch ein, da sie der Ansicht war, dass sich dem Denken durch den Wechsel zu einer anderen Spra- che neue Wege eröffnen. Sprachen zu lernen und zu beurteilen war ihrer Meinung nach die heilsamste Übung für den Geist und das einzige Mittel, den Charakter der Völker zu erkennen. Sie zitierte gern die Aussage des alten Dichters Ennius, er habe drei Seelen, weil er drei Sprachen spreche ‘ (Necker de Saussure 1820: 328). Madame de Staël hatte noch andere Gründe, Deutsch zu lernen. Als sie an ihrem Buch De la littérature (1800) arbeitete, musste sie sich auch mit der Literatur Nordeuropas befassen; dabei wurde ihr rasch klar, dass sie für diese Aufgabe nur unzureichend vorbereitet war. Am 27. August 1799 schrieb sie an Meister: ‚Die Bücher, die Sie mir freundlicherweise empfohlen haben, sind fast sämtlich auf Deutsch. Seit Ihrer Abreise habe ich es nicht ge- lernt. ‘ (de Staël 1904b: 161). Zu dieser Zeit war sie sich wohl auch im Umgang mit Benja- min Constant, Wilhelm von Humboldt und anderen ständig ihrer sprachlichen Unterlegen- heit bewusst. Dass sie von der Ausgabe des Wilhelm Meister , die Goethe ihr 1797 geschickt hatte, lediglich den Einband zu würdigen wusste, muss sie in ihrer Selbstachtung tief ge- kränkt haben. 128 Anfang 1797 antwortete sie Meister auf dessen Einladung zu einem Treffen mit Wieland: ‚Nach Zürich reisen für einen deutschen Schriftsteller, so berühmt er auch sein mag, das werde ich nicht tun. Ich glaube bereits alles zu wissen, was auf Deutsch gesagt wird, und selbst das, was man in den nächsten fünfzig Jahren sagen wird. Was ich an ihnen schätze, ist ihr Talent, nicht ihr Esprit, in der Konversation aber zählt allein der Esprit ‘ (Schreiben vom 18. März 1797; de Staël 1904b: 137). Einen Monat später hatte sich an ihrer Einstellung noch nichts geändert: ‚Goethe hat mir ein wunderschön eingebundenes Exemplar seines Romans Williamsmeister gesandt. Da er auf Deutsch ist, konnte ich nur den Einband bewun- dern. Unter uns gesagt, ist Benjamin, der ihn gelesen hat, überzeugt, dass ich den besseren Part habe. Doch müssen Sie die Güte haben, Goethe in meinem Namen ein wunderbares Dankschreiben zukommen zu lassen, das einen Schleier über meine Unwissenheit breitet und in dem viel von meiner Dankbarkeit und meiner Bewun- derung für den Verfasser des Werther die Rede ist ‘ (Schreiben an Meister vom 22. April 1797; de Staël 1904b: 146). K. G. von Brinckmann berichtete Caroline von Wolzogen ausführlich, er habe Madame de Staël kennen gelernt und bewundere ihren Verstand und ihre Talente sehr; einschränkend setzte er lediglich hinzu: [...] um nicht ungerecht zu sein gegen dieses außerordentliche Weib, lassen Sie uns nur darüber seufzen, daß ohne ihre Schuld nur Göthe ihre Schriften, nicht sie die seinigen in ihrer Eigenthümlichkeit zu lesen vermag [...].129

128 Vgl. hierzu auch den nachstehend zitierten Brief vom 28. April 1799. 129 Brief vom 7. Oktober 1798 aus Paris, Wolzogen (1848-1849: II, 267-276); hier S. 276. Die Franzosen und das Deutsche 247

Wenige Wochen später traf Wilhelm von Humboldt ein; er war mit Goethe und Schiller bekannt und daher in Madame de Staëls Augen würdig, sie in die Geheimnisse der deut- schen Sprache und Literatur einzuweihen. Tatsächlich fand er sich bereit, diese nicht eben einfache Aufgabe zu übernehmen. Sie selbst schrieb Goethe am 28. April 1799: ‚Ich lerne seit zwei Monaten Deutsch, um Sie im Original zu lesen. Ich werde Sie dann besser würdi- gen können ‘.130 Doch Humboldt hatte wohl weder Zeit noch Neigung, eine Anfängerin in die deutsche Grammatik einzuführen. Auf der Suche nach einem Hauslehrer, der sie jeweils ein halbes Jahr in Paris und in Coppet unterrichten sollte, wandte Madame de Staël sich an Hase. 131 Dass sie im Begriff war, Deutsch zu lernen, war inzwischen auch in den Hambur- ger Emigrantenkreisen bekannt. Graf Alexandre de Lameth schrieb ihr von dort: ‚Sie kön - nen doch schon fast alle Sprachen, und nun wollen Sie auch noch Deutsch lernen ‘ (Brief vom 4. November 1799; zit. n. d’Haussonville 1925: 114f.). Sie machte nur langsam Fort - schritte im Deutschen, wie sie im letzten Satz des oben zitierten Briefs an Meister vom 27. August 1799 andeutet. Ein Jahr später beklagte sie sich, wieder in einem Schreiben an Meister: ‚Ich lerne weiter ergeben Deutsch, indessen begreife ich nicht, wie Sie es erreicht haben, so gut Französisch zu schreiben und zugleich das Deutsche so gut zu beherr- schen, mir will scheinen, eines schließt das andere aus ‘ (Brief aus Genf vom 24. Juli 1800; de Staël 1904b: 168). Deutsch konnte sie damals noch keineswegs, wie ihre ersten Versuche, einige Worte auf Deutsch zu schreiben, deutlich zeigen: „Vergessen mich nicht!“ (Brief vom 28. Juli 1800 an Meister; de Staël 1904b: 169); ‚Ich l erne Deutsch, wie Sie in Sttutgard [...] ‘ [!] (Schreiben aus Coppet an de Gérando vom 17. August 1800; de Gérando 1868: 40). Drei Wochen später, am 10. September d.J., teilte sie Meister voller Begeisterung mit: ‚Der Schwung des Deutschen reißt mich mit ‘, und bat ihn um deutsche Bücher. Davon waren einige, etwa Campes Werke, für ihren Sohn bestimmt, die meisten aber für sie selbst: Goethes Bühnenstücke, Wallenstein , Agnes von Lilien und ein zweisprachiges Wörterbuch, der Dictionnaire des deux nations (de Staël 1904b: 170). Humboldt berichtete Sophia Reimarus am 25. Dezember 1800 aus Paris: „Die Staël ist seit einigen Tagen wieder hier, und da sie jetzt recht leidlich Deutsch gelernt hat, so hat sie dadurch an Intereße für mich gewonnen“. 132 Er unterrichtete sie damals schon seit längerem nicht mehr im Deutschen. Madame de Staël war im Frühjahr nach Genf und Coppet gereist und erst mitten im Winter nach Paris zurückgekehrt. Bei ihren Deutschstudien unterstützte sie Gerlach, der Hofmeister ihrer Kinder; Chr. K. Gambs (vgl. Kap. VI, 1.7) war jahrelang als Sekretär und Hauslehrer für Deutsch bei ihr tätig. Über ihre Fortschritte im folgenden Jahr ist nur wenig bekannt. 133 Im Juli 1802 begann Madame de Staël mit der Suche nach einem Nachfolger für den inzwischen verstorbenen

130 Übersetzt nach de Staël (1976: 269); demnach wurde der Brief erst am 29. April 1800 verfasst. Lévy (1950: 291) nennt dagegen unter Berufung auf Wittmer (1908: 157) den 28. April 1799. 131 Tronchon (1920: 246). Nachricht von Hase an Böttiger, Juli 1799; Böttiger-Archiv Weimar. 132 Hier zit. n. dem Originaltext in Humboldt (1956: 119). 133 Wenderoth (1906: 43) zitiert einen Brief Madame de Staëls an de Gerando vom 17. August 1801: ‚Ich lerne Deutsch, wie Sie in Stuttgart‘ [„J’apprends l’allemand, comme vous à Stuttgard“]. 248 Kapitel VII: 1800-1830

Gerlach und wandte sich über Schweighäuser an Caroline von Wolzogen mit der Bitte, ihr behilflich zu sein. In dem Brief an Schweighäuser erwähnt sie den Roman Agnes von Lilien als ‚das erste [deutsche] Buch, das sie im Original gelesen habe, und der Geist, der in ihm wehe, habe ihr geholfen, die Sprache zu erahnen ‘.134 Dennoch war es mit ihren Sprach- kenntnissen immer noch nicht weit her. Das Bewerbungsschreiben, das sie von dem jungen Kuhnhardt, der sich auf Empfehlung von Frau von Wolzogen an sie gewandt hatte, erhalten hatte, musste Constant für sie übersetzen; sie könne wohl ‚Gedrucktes ein wenig lesen‘, ‚Handschriftliches aber nur äu ßerst schlecht ‘.135 Damals fasste sie den Gedanken, nach Deutschland zu reisen. Am 25. Juni 1802 schrieb ihr de Villers: ‚Wie glücklich würde ich mich schätzen, wenn es mir die Umstände oder ein regel - mäßiger Briefwechsel ermöglichten, Ihnen diese Deutschen näher zu bringen, die unglücklicherweise in einer Ihnen fremden Sprache denken und sich ausdrücken, je- doch die wahren Griechen des modernen Europa sind [...] ‘.136 Sie antwortete ihm am 1. August d.J. aus Coppet: ‚Ich lerne sorgfältig Deutsch, in der Ge - wissheit, dass ich nur darin neue Gedanken und tiefe Gefühle finden werde ‘.137 De Villers schrieb ihr am 1. Oktober d.J.: ‚Ich begrü ße mit Begeisterung Ihren großmütigen Ent- schluss, die Sprache unserer arbeitsamen Germanen zu lernen. ‘138 Am 16. November d.J. reagierte Madame de Staël auf eine Nachfrage ihres Korrespondenten: ‚Sie fra gen, warum ich nicht nach Deutschland reise; ich kann nicht Deutsch sprechen, und deshalb meine ich, ich würde dabei weniger lernen als aus den Büchern ‘.139 Erst Ende 1803 begab sie sich schließlich auf die Reise nach Deutschland. Nachdem sie die Sprachgrenze in Lothringen überquert hatte, schrieb sie am 9. November d.J. aus For- bach an Ch. de Villers: ‚Gleichwohl finde ich das Deutsche äu ßerlich recht wenig ästhetisch . Bereits hier kündigen mir die Stimme, die Aussprache und Wendungen an, dass Frankreich schwindet ‘.140 Wenige Tage später berichtete sie:

134 Schreiben Madame de Staëls vom 3. Juli 1802 aus Coppet; abgedruckt in Wolzogen (1848-1849: II, 277-279); hier übersetzt nach de Staël (1978: 522) : „Agnes de Lilien est après Verther le roman qui m’a fait le plus de plaisir, c’est le premier livre que j’aye lu dans l’original et l’esprit qu’il y a m’a fait deviner la langue“. Für die falsche Schreibung deutscher Namen finden sich auch in diesem Brief mehrere Beispiele: „Mad. de Wohlzogen“, „Verther“, „Shiller“, „Veimar“, „M. de Humboltz“. – Am 29. Oktober 1802 schrieb sie an Frau von Wolzogen: ‚Was ich an Deutsch kann, habe ich in diesem Werk [ Agnes von Lilien ] gelernt‘. Übersetzt nach de Staël (1978 : 568). 135 Schreiben an Ch. de Villers vom 16. November 1802; hier übersetzt nach de Staël (1978: 575). 136 Übersetzt nach Kloocke Hg. (1993: 18). 137 Übersetzt nach de Staël (1978: 541). 138 Übersetzt nach Kloocke Hg. (1993: 25). 139 In Lévy (1950: 293) wird für dieses Zitat (und die beiden vorausgegangenen) auf Isler (1879: 271, 273, 275) verwiesen; hier übersetzt nach de Staël (1978: 575). 140 Übersetzt nach de Staël (1982: 101). In der Handschrift ist das Adjektiv durch Unterstreichung als Germanismus gekennzeichnet. Die Franzosen und das Deutsche 249

In Frankfurt wurde meine Tochter, damals fünf Jahre alt, gefährlich krank, ich kannte niemand in der Stadt, die Sprache war mir fremd, selbst der Doctor, dem ich mein Kind anvertraute, sprach kaum Französisch. (de Staël 1904a; dt. 1822: 113f.) Sobald die Tochter wieder gesund war, wurde die Reise fortgesetzt. Aus Gotha beklagte Madame de Staël sich bei ihrem Vater über die Schwerfälligkeit der Deutschen: ‚Endlich bin ich von dem G edanken abgekommen, man könne dort leben. Allerdings spreche ich ihre Sprache nicht, und sie nicht die meine, wenn sie auch das Gegenteil behaupten ‘.141 Sie war auf dieser Reise also nicht in der Lage, sich mit den Einheimischen zu verstän- digen. Sie konnte wohl deutsche Bücher, selbst schwierige Texte, lesen, 142 verstand aber nicht, was man ihr sagte, und konnte sich auch nicht auf Deutsch ausdrücken. Am 13. Dezember 1803 erreichte sie ihr erstes, wichtigstes Reiseziel: Ich kam in Weimar an, wo ich wieder Muth faßte, da ich durch die Schwierigkeiten der Sprache hindurch unendlich viel geistige [sic] Reichthümer außerhalb Frank- reich [sic] gewahr wurde. Ich lernte Deutsch lesen,143 ich hörte Göthe und Wieland, welche, zum großen Glücke für mich, sehr gut Französisch sprachen; ich begriff Schillers Genie und Gemüth, ungeachtet der Schwierigkeit, womit er sich in einer fremden Sprache ausdrückte. (de Staël 1904a; dt. 1822: 114f.) Aus Eutin übersandte Jacobi mehrere Empfehlungsschreiben zu ihrer Ankunft in Weimar und versicherte ihr, man werde sie gut empfangen; allerdings setzte er hinzu: ‚Indessen gibt es ein Hindernis, das weder Ihr Ruhm noch Ihr schöner Genius und erst recht nicht meine Unterstützung aus der Welt schaffen können: Sie sind nicht in der Lage, sich in deutscher Sprache auszudrücken, und unsere Schriftsteller können sich nicht auf Französisch ausdrücken. ‘ Jacobi wies sie auch darauf hin, dass etwa Goethe, Wieland und Professor Spalding 144 das Französische beherrschten, während andere Deutsche wie Voß, Fichte, Herder und Schiller kaum Französisch konnten (Pange 1929: 31). Ihrer sprachlichen Schwächen wurde Madame de Staël sich bereits zu Beginn ihres Aufenthalts in Weimar schmerzlich bewusst. Gleich nach der ersten Begegnung mit Schiller 145 am 15. Dez ember 1803 berichtete sie Ch. de Villers: ‚Wir haben uns bereits gestritten, ohne die Sprache des anderen zu sprechen; sein Geist hat mich überaus be- eindruckt ‘.146 Als Dolmetscherin diente zunächst Charlotte Schiller, die besser Französisch

141 Schreiben an Necker vom 10. Dezember 1803; übersetzt nach de Staël (1982: 135). 142 Bereits 1803 begann sie mit der Lektüre von Jean Pauls Romanen in deutscher Sprache (Isler 1879: 291; Wittmer 1908: 357). 143 Gemeint ist hier möglicherweise lautes Lesen mit richtiger Aussprache und Intonation; vgl. in diesem Zusammenhang ihr nachstehend zitiertes Schreiben an Wieland vom 31. März 1804. 144 Vermutlich der Philologe Georg Ludwig Spalding (B.K.). 145 Vgl. hierzu de Staël (1814; dt. 1985: 168-171) und Schillers Brief an Goethe vom 21. Dezember 1803 in Schiller (1984: 94f.). 146 Übersetzt nach de Staël (1982: 148). 250 Kapitel VII: 1800-1830 sprach als ihr Mann; Madame de Staël dankte ihr dafür in einem Brief vom 21. Januar 1804: ‚Ich habe gestern wacker disputiert, nicht wahr? Wie sehr bedauere ich es, nicht die selbe Sprache zu sprechen wie Schiller! Doch sind Sie unsere liebenswürdige Dol- metscherin ‘.147 Bei anderen Gelegenheiten übersetzte Sophie von Schardt. Wie ihr Gatte, Ernst Karl Konstantin von Schardt, berichtet, konnte Schiller einige Fragen Madame de Staëls zu Kant ‚nicht auf Französisch beantworten; schlie ßlich antwortete er in seiner Muttersprache, und meine Frau musste die Antwort alsbald übersetzen, wie viele andere Antworten auch ‘ (Schreiben an Fritz von Stein vom 31. Dezember 1803; zit. n. Seillière 1921: 129). Dass Madame de Staëls Gespräche mit Goethe und Schiller in Weimar in französischer Sprache erfolgten (Engel 1937: 135, 184), ist mehrfach belegt und wird auch durch ihre eigenen Aussagen gestützt. In Weimar klagten viele ihrer Gesprächspartner darüber, dass man mit ihr Französisch sprechen musste (Joret 1899-1900: XXII); beide Seiten hatten Mühe, sich in der Sprache des anderen auszudrücken. Wie Böttiger berichtet, machte Goe- the Madame de Staël auf Fehler aufmerksam, die ihr beim Übersetzen unterlaufen waren: Frau v. Stael hatte in ihrer metrischen Uebersetzung von Goethes „Fischer“ in den Worten: was lockst du meine Brut – hinauf in Todesgluth? das Wort Todesgluth durch air brulant übersetzt. Allein Goethe, als sie ihm ihre Uebersetzung vorlas, be- richtigte sie deswegen und sagte ihr es sei die Kohlengluth in der Küche, an welcher die Fische gebraten würden. Das fand nun Frau v. Stael äuserst [sic] maussade und geschmacklos, sich aus ihren schönen Begeisterungen so auf einmal in die Küche verwiesen zu sehen. 148 Von Gesprächen mit Dichtern, die nicht Französisch konnten, musste sie Abstand nehmen; so gestand sie Jacobi brieflich am 1. März 1804: ‚Da Voß nicht Französisch spricht, konnte ich ihn nicht aufsuchen, was ich bedauere [...] ‘.149 Zuvor hatte sie Wieland in Weimar ge- schrieben: ‚Ich bin untröstlich, mein Herr, das Deutsche nicht zu verstehen, wenn es gespro- chen wird, obwohl ich es beim Lesen recht gut verstehe. Meine Kenntnisse reichen aus, um für Ihre Werke Bewunderung empfunden zu haben, nicht aber, um in den Genuß einer Unterhaltung mit Ihnen zu kommen; doch denke ich, es wird mir gelin- gen, mich halb auf Französisch, halb auf Deutsch mit Ihnen zu verständigen. ‘150 Mehrfach klagte sie bei ihren Gesprächen in Weimar über die besondere Schwierigkeit der deutschen Sprache, sprach von ihrer Trägheit beim Erlernen von Fremdsprachen und

147 Übersetzt nach de Staël (1982: 201). 148 Hier zit. n. Böttiger (1838/1998: 386). 149 Übersetzt nach de Staël (1982: 267). 150 Übersetzt nach de Staël (1982: 146); dort auch die genaue Datierung des Schreibens (15. Dezember 1803). Die Franzosen und das Deutsche 251 davon, dass die Lektüre längerer deutscher Gedichte sie überfordere. Meist begnügte sie sich damit, das Gelesene wenigstens annähernd zu verstehen und sich ansonsten auf ihre Eingebung zu verlassen. 151 In den rund fünf Monaten ihres Deutschlandaufenthalts wusste Madame de Staël, klug und ehrgeizig, wie sie war, ihre Zeit sicher gut zu nutzen. Böttiger berichtet von [ihrem] angestrengten Studium der deutschen Sprache, deren Schätze sie täglich mehr bewundert und deren Härten sie immer mehr ertragen lernt. (Kaiserlich und Kurpfalzbairisch privilegierte Allgemeine Zeitung , 31. Januar 1804; zit. n. Goetze 1928: 52) Sie selbst schrieb ihrem Vater am 10. Februar 1804, sie setze ihre Studien fort, habe mit B. Constant die Luise 152 von Voß und anschließend mit Schlegel andere deutsche Werke gele- sen. Schiller äußerte sich überrascht über ihre raschen Fortschritte im Deutschen während ihres Aufenthalts in Weimar (Henning 1929: 237). Allerdings sprach sie weiter fast ständig Französisch, denn ein Gespräch auf Deutsch zu führen fiel ihr noch immer sehr schwer. Sie selbst war am Ende ihrer Reise nicht eigentlich zufrieden mit ihren Fortschritten. Wie in Weimar nahmen die gesellschaftlichen Verpflichtungen auch in Berlin, wo sie sich ab März 1804 aufhielt, einen erheblichen Teil ihrer Zeit in Anspruch und hielten sie davon ab, ihr Deutsch weiter zu verbessern. Am 31. März 1804 schrieb sie an Wieland, sie könne Unterhaltungen in deutscher Sprache nicht folgen und müsse sich damit begnügen, mit Schlegels Hilfe Deutsch zu lesen, da die vielen Einladungen ihr keine Zeit für Über- setzungen und Sprachstudien ließen (de Staël 1982: 302f.). Am 7. April 1804 berichtete sie Necker, sie habe mit Schlegel zu Abend gegessen und ‚mit Begeisterung‘ Deutsch gelesen (de Staël 1982: 317). Wenige Tage später schrieb sie jedoch in einem anderen Brief: ‚Ich hoffe, bei meiner Rückkehr die deutsche Sprache zu beherrschen, sie ist aber entsetzlich schwer. Auguste [ihr Sohn] tut sich leicht mit dem Sprechen, aber ich kann besser lesen. Kürzlich habe ich bei Wallensteins Tod geweint, wie bei einem französischen Stück ‘.153 Bei ihrer Rückkehr nach Frankreich im Frühjahr 1804 hatte Madame de Staël einige Fortschritte im Deutschen gemacht; sie war sich jedoch im Klaren darüber, dass ihre

151 Lévy verweist hierzu auf Böttigers Memorabilien [i. e. Böttiger 1838/1998]. – In Weimar übersetzte Madame de Staël einige Gedichte von Goethe, insbesondere Der Fischer und Der Gott und die Baja- dere . Ob sie die alleinige Verantwortung trägt für diese Übersetzungen, deren Fehler Goethe später monierte, ist indessen fraglich. – Vgl. hierzu auch den Eintrag zum 8. Februar 1804 in Böttiger (1838/1998: 366f.): „Abends bei der Herzogin. Fr[au] v. Staël übersetzte das Gedicht von Schiller: Rückkehr der Griechen aus dem Taschenbuch für Frauenzimmer (Tübingen, Cotta 1804) und flehte im Scherz heute jedermann um einen passenden Reim in able an. Sie hatte delectable gesetzt. Nun strömten hundert Adjective in able herbei, wovon ein jedes gemustert und belacht wurde. Endlich er- hielt das secourable des Hausfreundes, Benjamin Constant noch vor allen übrigen den Vorzug“. (B.K.) 152 Vgl. d e Staël (1982: 228). Ihr Urteil fiel allerdings nicht besonders günstig aus: „Einzelne Stellen mögten ganz gut seyn [...] Aber das Ganze habe eine langweilige Simplicität“ (Böttiger 1838/1998: 387). 153 Brief vom 14. April 1804; hier übersetzt nach de Staël (1982: 327). Lévy verweist (1950: 296) auf Blennerhassett (1890: III, 108f.) und d’Haussonville 1913: VI, 570, 584). 252 Kapitel VII: 1800-1830

Kenntnisse noch immer unzulänglich waren, und bemühte sich daher, sie weiter zu verbessern. Dabei wurde sie von vielen Seiten unterstützt. A. W. Schlegel unterrichtete sie und ihre Kinder weiter im Deutschen, und Ende 1806 konnte sie de Gérando aus Coppet melden: ‚D ank seiner machen meine Kinder erstaunliche Fortschritte ‘.154 Im Jahr darauf reiste sie für sechs Monate nach Österreich und Süddeutschland, in erster Linie, damit ihr jüngster Sohn Deutsch lernte, wie sie Barante erläuterte. 155 1818 berichtete Oehlenschläger, der zum Kreis ihrer Vertrauten in Coppet gehörte und selbst kaum Französisch konnte, von ihren weiteren Fortschritten im Deutschen: 156 Mit ihr konnte ich übrigens nicht in Betreff der Sprache in Verlegenheit kommen, denn sie verstand vortrefflich deutsch [...] Sie schrieb gerade damals ihr Buch über die deutsche Literatur und las täglich einen Band Deutsch [...] Sie las selbst Deutsch mit größter Leichtigkeit; nur die Aussprache fiel ihr schwer.157 Nachdem Helmina von Chézy ihr eigene Gedichte vorgelegt hatte, schrieb Madame de Staël ihr : ‚Den deutschen Stil bin ich kaum in der Lage zu beurteilen, doch scheint mir, es gibt eine Harmonie der Gefühle, die man in allen Sprachen verstehen kann ‘.158 Ende Mai 1812 brach sie von Coppet zu ihrer dritten Reise auf. Wie ihr Bericht über einen Vorfall auf dieser Reise zeigt, hatte sie in der Zwischenzeit erneut Fortschritte im Deutschen gemacht: Doch hoffte ich noch immer ohne Hinderniß die Grenze zu überschreiten [...] da, o Schreck! höre ich auf einmal in Salzburg, wie ein Mann Herrn Schlegel, der mich begleitete, auf deutsch erzählt: ein französischer Courier habe sich erkundigt, ob noch kein Wagen von Inspruck mit einer Dame und ihrer Tochter angekommen sei [...] Mir entging kein Wort von dieser Rede des Wirthes, und ich erbleichte vor Ent- setzen. (de Staël 1904a: 233, dt. 1822: 261) Ihre Bemühungen um die Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse waren demnach trotz einiger Rückschläge durchaus erfolgreich. Hatte sie der deutschen Sprache zunächst mit Gleichgültigkeit, ja mit Verachtung gegenüber gestanden, so meinte sie im Alter von über dreißig Jahren, Deutsch lernen zu müssen. Anfang 1799 begann sie damit, zuerst ‚ergeben‘, dann ‚begeis tert ‘, und schließlich ‚sorgfältig‘. Ende 1800 sprach Wilhelm von Humboldt von ihren Fortschritten im Deutschen, doch noch Ende 1802 beurteilte sie selbst ihre Sprachkenntnisse noch als unzureichend für eine Deutschlandreise. Erst Ende 1803, als sie

154 Schreiben vom 8. November 1806; in: de Gérando (1868: 69). 155 Brief aus Lausanne vom 3. Dezember 1807. – Darauf spielte Napoleon an, als er im Januar 1808 Auguste de Staël empfing, der ihn ersuchen wollte, die Maßnahmen gegen seine Mutter zurückzu- nehmen: „Nun, dort [in Wien] ist sie am rechten Platz und soll zufrieden sein. Da wird sie Deutsch lernen. Ihre Mutter ist nicht böse; sie hat vi el Verstand, sehr viel Verstand, aber gar keine Disciplin“; hier ausführlicher zit. n. Blennerhassett (1887-1889: III, 269). 156 Vgl. Oehlenschläger (1850: II, 172): „Die witzige Dichterin [...] neckte mich, weil ich noch nicht besser Französisch sprach“ (B.K.). 157 Oehlenschläger (1850: II, 172f., 175). Allerdings ist zu bedenken, dass Oehlenschläger seine Erinnerungen erst viele Jahre nach seinem Aufenthalt in Coppet niederschrieb und als Däne gehalten war, seine eigenen Schriften in deutscher Sprache durchsehen zu lassen. 158 Brief aus Coppet vom 22. Mai 1812; übersetzt nach de Staël (2008: 588). Die Franzosen und das Deutsche 253 sich hinreichend vorbereitet fühlte, brach sie auf, musste aber schon bald enttäuscht feststellen, dass sie zwar deutsche Bücher lesen, nicht aber mit Deutschen reden oder sie verstehen konnte. Ihre Kenntnisse der Sprache waren auf die Literatur beschränkt, und selbst für Gespräche über Literatur in Weimar reichte das nicht aus. Sie sei untröstlich, die gesprochene Sprache nicht zu verstehen, obwohl sie doch gut Deutsch lesen könne, schrieb sie an Wieland; damit dürfte der Stand ihrer Sprachkenntnisse Anfang 1804 ziemlich genau beschrieben sein. Sie verbrachte insgesamt fast ein Jahr in Deutschland und lernte noch einiges dazu, als sie bei der Vorbereitung für ihr Buch Über Deutschland weitere Werke in deutscher Sprache las; viel weiter kam sie wohl dennoch nie im Deutschen. Dass ihre Deutschkenntnisse unzulänglich waren, hat Madame de Staël wiederholt offen und freimü- tig eingestanden. Andererseits hatte sie zwei Jahre, bevor sie Helmina von Chézy schrieb, sie sei kaum in der Lage, den deutschen Stil zu beurteilen, keine Bedenken gehabt, sich in ihrem Buch ausführlich über eben diesen Stil und die deutsche Sprache im allgemeinen zu äußern. 159 Dass sie die Ansicht vertrat, die deutsche Sprache eigne sich nicht zur Konversation, ist möglicherweise auf ihre eigene Unfähigkeit, sich auf Deutsch zu unterhalten, zurück- zuführen. Unbewusst argumentierte sie in gewisser Weise wie ein Kind, das den Tisch schlägt, an dem es sich gestoßen hat: „Das Deutsche eignet sich für die Bestimmtheit und Schnelligkeit der Unterhaltung weit weniger [als das Französische]. Selbst vermöge der grammatikalischen Zusammensetzung wird der Sinn einer Phrase gewöhnlich erst am Schlusse dersel- ben gefaßt. Das Vergnügen zu unterbrechen, welches die Erörterung in Frankreich so sehr belebt, und das, was man zu sagen hat, in möglichst kurzer Zeit vorzutragen nötigt – dies Vergnügen kann also in Deutschland gar nicht stattfinden; denn da die Anfänge der Phrasen ohne das Ende nichts bedeuten, so muß man jedem den Spiel- raum lassen, den er für nötig achtet. Dies leistet viel für die Ergründung der Dinge, dies ist auch höflicher; aber es ist weniger anreizend [...] Das Deutsche paßt mehr für die Poesie als für die Prosa, und mehr für die geschriebene Prosa als für die ge- sprochene [...] [man kann] im Deutschen nicht, wie im Französischen, über ver- schiedene Gegenstände, die sich darbieten, hingleiten. Wollte man deutsche Worte so galoppieren lassen, wie die französische Unterhaltung es erfordert, so würde man ihnen alle Anmut, alle Würde rauben. Das Verdienst der Deutschen liegt in der gu- ten Ausfüllung der Zeit; das Talent der Franzosen besteht darin, daß sie die Zeit ver- gessen machen [...] Selten vernimmt man unter Deutschen sogenannte Bonmots; die Gedanken selbst, nicht den Glanz, der ihnen gegeben wird, muß man bewundern. Die Deutschen finden in dem glänzenden Ausdruck eine Art von Marktschreierei und halten sich an den abstrakten Ausdruck, weil er gewissenhafter ist und dem We- sen des Wahren sich mehr nähert. [...] Die seltsamen Töne der Wörter, ihre altertüm- liche Einfalt, geben der Spötterei etwas Malerisches, womit sich das Volk ebensogut belustigen kann als die Gebildeteren. Die Deutschen sind in der Wahl der Wörter minder gezwungen als wir, weil ihre Sprache, die bei weitem weniger zur Unterhal- tung der Vornehmen gebraucht worden ist, nicht, wie die unsrige, aus Wörtern be-

159 De Staël (1814), dt. (1985: 1. Teil, Kap. 12; 2. Teil, Kap. 9). 254 Kapitel VII: 1800-1830

steht, die ein Zufall, eine Anwendung, eine Anspielung lächerlich machen[...] die Wörter [...] haben noch ihre volle Wahrheit, ihre volle Kraft. Dies ist ein Vorteil mehr; dafür aber kann man im Französischen tausend feine Bemerkungen ausdrü- cken und tausend Kunstwendungen machen, deren die deutsche Sprache bis jetzt un- fähig ist. Im Deutschen muß man sich mit den Ideen, im Französischen mit den Personen messen; mit Hilfe des Deutschen muß man grübeln, mit Hilfe des Französischen zum Ziel gelangen. Mit dem ersteren muß man die Natur, mit dem anderen die Ge- sellschaft malen [...] Das Deutsche ist weniger biegsam, und möge es immer so bleiben! Denn nichts verursacht so viel Abscheu als diese Sprache, wenn sie zu Gleißnereien verbraucht wird, von welcher Beschaffenheit diese auch sein mögen. Ihre schleppende Zusammensetzung, ihre gelehrte Grammatik erlauben ihr keine Anmut in der Kunst sich zu schmiegen; und man möchte sagen, sie sperre sich von selbst gegen die Absicht dessen, der sie redet, und in ihr zum Verräter an der Wahr- heit werden will.“ (de Staël 1814, dt. 1985: 86 -88). Im zweiten Teil ihres Deutschland-Buchs befasst Madame de Staël sich mit der Ästhetik und der Grammatik der deutschen Sprache. Sie übernimmt hier zunächst die verbreitete Auffassung vom Deutschen als einer Ursprache, die mit eigenen Mitteln neue Wörter bil- den könne: Die deutschen Dialekte haben ihren Ursprung in einer Muttersprache, aus der sie alle schöpfen. Diese gemeinschaftliche Quelle erneuert und vervielfältigt die Aus- drücke auf eine dem Genius der Völker stets angemessene Weise. Die Nationen lateinischen Ursprungs bereichern sich, sozusagen, nur von außen; sie müssen zu toten Sprachen, zu den versteinerten Reichtümern ihre Zuflucht nehmen, um ihr Reich zu erweitern. [...] Das Deutsche ist an und für sich selbst eine ebenso ursprüngliche Sprache, und hat fast einen ebenso gelehrten Bau, als das Griechische. [...] wahr bleibt es immer, daß man im Deutschen eine grammatikalische Ähnlich- keit mit dem Griechischen findet, mit welchem es die Schwierigkeit teilt, ohne des- sen Reiz zu besitzen: da die Menge der Konsonanten, aus welchen die Wörter dieser Sprache bestehen, sie mehr harttönend als wohlklingend machen. [...] Dessenungeachtet hüte man sich wohl, die deutsche Aussprache zu sanft machen zu wollen; es entsteht sodann daraus eine gewisse manierierte Ziererei, die ganz und gar unangenehm ist: man hört Töne, die doch im Grunde rauh sind, ungeachtet der Zierlichkeit, die man hineinzulegen sucht, und diese Gattung der Affektation erregt besonderes Mißfallen. Es bedarf nur eines sehr geringen Studiums, um Italienisch oder Englisch zu lernen, das Deutsche dagegen ist eine Wissenschaft. Die deutsche Periode umspannt den Gedanken wie eine Schere, die sich bald öffnet und bald wieder schließt, um ihn zu fassen. Ein fast antiker Satzbau hat in dieser Sprache leichter Platz gefunden als in irgendeinem andern europäischen Dialekte; aber Inversionen passen kaum für neuere Sprachen. Die auffallenden Endungen der griechischen und lateinischen Wörter ließen leicht erkennen, welche unter ihnen bestimmt waren, sich miteinander zu verbinden, selbst wenn sie getrennt dastanden: die Deklinationszeichen bei den Deutschen sind so dumpf, daß man unter diesen eintönigen Zeichen Mühe hat, die- Die Franzosen und das Deutsche 255

jenigen Wörter herauszufinden, die voneinander abhängen [...] Das Deutsche ist vielleicht die einzige Sprache, in welcher Verse leichter als Prosa zu verstehen sind, indem die poetische Phrase, die notwendigerweise durch das Versmaß zerschnitten wird, über dasselbe hinaus nicht verlängert werden kann. (de Staël 1814, dt. 1985: 172-174) Der deutschen dichterischen Sprache eignen jedoch noch andere Vorzüge: Die deutsche Sprache ist die einzige unter den modernen, welche lange und kurze Silben hat, wie die griechische und die lateinische [...] in der deutschen Sprache sind alle Nebenwörter kurz, und die grammatische Würde, das heißt, das Gewicht der Stammsilbe bestimmt die Quantität. (de Staël 1814, dt. 1985: 176) 160 Einen weiteren Vorzug der „deutschen Dialekte“ sieht Madame de Staël in der „Mannig - faltigkeit und Schönheit ihrer Beiwörter“: „man fühlt in einem Worte mehrere Bilder“, man hat die „Freiheit, ein einziges Beiwort aus zweien oder dreien zu bilden“, und die Sprache durch Verwandlung von Zeitwörtern in Hauptwörter zu beleben: das Leben, das Wollen, das Fühlen sind weniger abstrakte Ausdrücke als der Wille, das Gefühl; und alles, was dahin führt, den Gedanken in Tat zu verwandeln, gibt dem Stil immer größere Lebendigkeit. Die Leichtigkeit, nach Belieben die Konstruktion umzustoßen, ist auch der Poesie sehr günstig [...]. (de Staël 1814, dt. 1985: 178) Nur auf den ersten Blick steht diese Bemerkung im Widerspruch zu ihren Ausführungen über die Inversion in der Prosa. Sie ist wohl eher ihrem steten Bemühen geschuldet, Lob und Tadel gleichmäßig auszuteilen: Zunächst wird die mangelnde Eignung der deutschen Sprache für die Unterhaltung kritisiert, dann deren Wahrhaftigkeit gelobt; sie betont ihre Vorzüge als ‚Ursprache‘, stößt sich dann aber an der Härte der Laute; sie spricht von den Schwierigkeiten der deutschen Grammatik, erkennt jedoch auch die Vorzüge der dichteri- schen Sprache. Für ihren Vergleich des Deutschen mit seinen Nachbarsprachen übernimmt Madame de Staël die bekannten Argumente: Die deutsche Sprache ist viel philosophischer als die italienische, viel poetischer in ihrer Kühnheit als die französische, dem Rhythmus der Verse viel günstiger als die englische; aber es hängt ihr noch immer eine Art von Steifheit an, welche vielleicht daher rührt, daß man sich ihrer noch nicht, weder in der Gesellschaft, noch im Publikum, bedient hat. (de Staël 1814, dt. 1985: 173) Es lässt sich endlos darüber streiten, ob es das Deutschland, so wie Madame de Staël es sah, je gegeben hat. Fest steht, dass sie das Deutschlandbild mehrerer Generationen von Franzo- sen prägte und ihr Einfluss in der Rede von ‚dem anderen Deutschland‘ noch heute greifbar ist. Hier geht es uns nur um ihren Beitrag zum Eindringen der deutschen Sprache in Frankreich.

160 Hier irrt Madame de Staël natürlich. 256 Kapitel VII: 1800-1830

In erster Linie nahm sie Einfluss auf ihre Familie; ihren steten Bemühungen ist es zu verdanken, dass beide Söhne und die Tochter fließend Deutsch sprachen. 161 Ende 1798 bat sie Meister, ihr einen Lehrer zu empfehlen, der ihre Kinder in der lateinischen, deutschen und englischen Sprache unterrichten könne (Schreiben vom 8. Dezember 1798, de Staël 1904b: 153). Als sie Bücher für sich selbst bei ihm bestellte, bat sie auch um einige Titel, die für die Kinder geeignet waren. Sie beschäftigte durchgängig einen Hofmeister, in erster Linie für den Deutschunterricht ihrer Kinder. Nach Gerlachs Tod im Jahre 1802 bemühte sie sich, den bekannten elsässischen Philologen J. Schweighäuser für den Posten zu gewin- nen. Vor ihrer Abreise aus Coppet am 16. September 1803 erteilte sie genaue Anweisungen für den Stundenplan ihres Sohnes Alb ert: „Ferner soll er zwei Stunden täglich [...] auf Deutsch [verwenden]“. 162 Die beiden anderen Kinder nahm sie auf die Reise nach Deutsch- land mit; aus Metz schrieb Auguste, der ältere Sohn: „Mama [...] hat mir einen Lehrer für Deutsch gegeben, um mich für die Einreise in Deutschland vorzubereiten.“ 163 ‚Heute gebe ich Auguste für zwei Wochen in eine Weimarer Familie, damit er in dieser Zeit nur Deutsch hört ‘, teilte sie Necker am 18. Dezember 1803 mit. 164 Kurze Zeit danach notierte sie befriedigt: ‚Auguste macht Fortschritte im Deutschen, noch drei Monate in Deutschland, und er wird sein ganzes Leben lang Deutsch können. ‘ Und am 20. März 1804 schrieb sie Necker aus Berlin: ‚Auguste besucht die deutsche Schule und wenigstens das wird ihm von der Reise bleiben, dass er Deutsch spricht; das ist etwas für sein ganzes Leben ‘.165 Als sie wieder in Coppet war, sorgte sie dafür, dass die Kinder unter Schlegels Anleitung weitere Fortschritte im Deutschen machten. Die kleine Albertine lernte sogar Lateinisch mit einer Grammatik in deutscher Sprache. Die zweite Deutschlandreise wurde wie bereits ausge- führt unternommen, damit Albert Deutsch lernte. Von Berlin aus versuchte sie, auch ihre Kusine A. Necker de Saussure zum Deutschlernen zu bewegen: ‚Sie müssen Deutsch ler - nen, damit wir in diesem Sommer gemeinsam Deutsch sprechen und lesen können ‘.166 Größeren Einfluss übte sie indessen mit ihrem Salon aus. Mit Einladungen nach Coppet und Paris dankte sie den deutschen Zuwanderern und ehemaligen französischen Emigran- ten, die sie zuvor in sprachlicher Hinsicht vielfach unterstützt hatten. Die Deutschen konn- ten auf diese Weise unmittelbar sprachlichen Einfluss nehmen, die Emigranten ihre Sprachkenntnisse vertiefen, die sie in den Jahren des Exils erworben hatten. Auf ihrem Schloss in Coppet und an ihrem Pariser Wohnsitz 167 trafen Wilhelm und Alexander von Humboldt, Zacharias Werner, Oehlenschläger, A. W. und F. Schlegel, Chamisso, Brinckmann, Hase, Jacobi, Bonstetten, Meister, Tieck zusammen mit B. Constant, de Gé-

161 Dies berichtet ihr Schwiegersohn de Broglie (1886: I, 268; II, 436); vgl. auch Oehlenschläger (1850: II, 173): „Ihre Kinder [...] sprachen auch gut deutsch“. 162 Pange (1938: 52); hier zit. n. der dt. Ausgabe (1940: 30). 163 Pange (1938: 57); hier zit. n. der dt. Ausgabe (1940: 34). 164 Übersetzt nach der kritischen Ausgabe (1982: 152), der auch die richtige Datierung entnommen ist; Lévy (1950: 301) gibt unter Berufung auf d’Haussonville (1914) den 15. Dezember an. 165 Übersetzt nach de Staël (1982: 282). Bei der erwähnten Schule handelt es sich um das Berlinisch- Cöllnische Gymnasium. 166 Brief vom 1. April 1804; übersetzt nach de Staël (1982: 309). 167 Auch andernorts fanden Begegnungen statt; so hielten sich Madame de Staël, B. Constant, Barante, A. W. Schlegel und Chamisso im Frühjahr und Sommer 1810 im Schloss von Chaumont-sur-Loire auf (de Broglie 1936). Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten 257 rando, Jordan, de Villers, Barante, Lezay-Marnésia, Sismondi, Chênedollé und Suard. Von den Frauen in ihrem Kreis seien hier Charlotte von Hardenberg, Juliane von Krüdener, Caroline von Wolzogen, Rahel Levin, Henriette und Dorothea Mendelssohn genannt, auf französischer Seite Madame de Gérando geb. Rathsamhausen und A. Necker de Saussure. Die deutsche Sprache wurde regelrecht kultiviert; man unterhielt sich auf Deutsch, rezi- tierte deutsche Texte, führte deutsche Stücke auf. P. de Barante, der selbst sehr gut Deutsch konnte, äußerte sein Unbehagen darüber: ‚Ihre ganze Umgebung spricht mit ihr deutsch; und selbst wenn man sich in meiner Gegenwart verpflichtet fühlt, französisch zu sprechen, sind mir die Dinge so unbe- kannt und so fremd, daß ich es lieber sähe, wenn man sie in der Sprache beredete, die zu ihnen gehört ‘.168 Bis zu ihrem Tod kamen bei Madame de Staël Vertreter sehr unterschiedlicher Strömungen zusammen; in ihrem Salon entstanden alle möglichen Projekte. 169 Madame de Staëls Deutschland-Buch hat mit Sicherheit dazu geführt, dass man in Frankreich der deutschen Literatur nun mehr Interesse und Aufgeschlossenheit entgegenbrachte. Die Lektüre ihres Buchs regte einige auch zum Erlernen der Sprache an, so E. Quinet, der 1821 als junger Mann begann, Deutsch zu lernen, und kurze Zeit später auch Michelet dazu bewegte. 170 Aus Genf schrieb Bonstetten Ende 1827 an F. von Matthisson: „Seitdem das Werk der Stael über Deutschland erschienen ist, wollen alle Genfer und Genferinnen deutsch lernen.“ 171 Ihrem Vorbild folgend unternahmen jetzt deutlich mehr Franzosen Deutschlandreisen; auch dass mehr deutsche Werke übersetzt und gelesen wurden, ist teilweise ihr Verdienst. Von den späteren Nachdichtungen deutscher Gedichte durch französische Schriftsteller gehen etliche auf ihre Prosaübersetzungen zurück. So gesteht Chênedollé, die ihm unbekannten Originaltexte der drei von ihm nachgedichteten Goethe-Gedichte habe er ‚lediglich erahnt durch die leichten, flüchtigen Andeutungen, die Madame de Staël in ihrem Buch über Deutschland gemacht hat ‘.172

3 Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten

Anfang des 19. Jh. erfolgte der erste Versuch, eine Sprachstatistik für Frankreich zu erstellen, und zwar auf der Grundlage regionaler Besonderheiten; die Zahl der Sprecher war dabei nicht maβgeblich . Demnach galten sämtliche Bewohner flämisch- oder deutschsprachiger Bezirke als germanophon, und etwaige Frankophone in diesen Bezirken

168 Pange (1938: 251); zit. n. der dt. Ausgabe (1940: 191). 169 Bei seinem zweiten Pariser Aufenthalt 1817 begegnete Oehlenschläger in ihrem Salon A. von Hum- boldt und A. W. Schlegel (Oehlenschläger 1850: III, 124). 170 ‚Ich werde versuchen, mit dem Deutschlernen anzufangen; das Buch der Madame de Staël hat mich dazu bewogen‘ (Brief vom 14. März 1821 in Quinet 1877: I, 118). 171 Bonstetten (1827: 49); hier nach dem Originaltext zitiert. 172 Chênedollé (1820: 215); die französischen Titel der Gedichte lauten: Pêcheur , Jeune femme parmi les ruines de Rome und Violette – Zur frühen Rezeption von Madame de Staëls Deutschland-Buch hat Henning (1929) eine gründliche Untersuchung vorgelegt. Die neuere Forschung ist in der ausführli- chen Bibliographie unter www.delallemagne.de nachgewiesen. 258 Kapitel VII: 1800-1830 blieben außer Betracht, ebenso wie Deutschsprachige in den romanischen Teilen des Landes. Um die nachstehend angeführten statistischen Angaben angemessen zu interpretieren, muss man berücksichtigen, dass das Empire von 1806 ein erheblich größeres Gebiet umfasste als die heutige französische Republik, um die es in der vorliegenden Untersuchung geht. 1809 erschien im Annuaire des Longitudes eine ‚allgemeine Aufs tellung über die Bevölkerung des Empire nach den verschiedenen Sprachen, die von seinen Einwohnern gesprochen werden, wobei die Zahlen aufge- rundet und die Soldaten nicht mit gerechnet sind ‘; sie gibt Aufschluss über die Ergebnisse der Befragung von 1806. Demnach sprachen da- mals 27.926.000 Einwohner Französisch, 4.079.000 Italienisch, 2.705.000 Deutsch, 2.277.000 Flämisch, 967.000 Bretonisch und 108.000 Baskisch. Von den insgesamt 38.062.000 Franzosen galten also 4.082.000 bzw. 13,08 % als germanophon; dieser erstaunlich hohe Prozentsatz ist mit der vorübergehenden Annexion von Gebieten zu erklä- ren, die heute zu Belgien, der Schweiz oder Deutschland gehören. Wenn man von dieser Zahl die Allophonen in den 1814 und 1815 verlorenen Gebieten abzieht, ergibt sich nach den Berechnungen von Coquebert de Montbret 173 für die germanophone Bevölkerung in den weiterhin französischen Departements für das Jahr 1806 eine Gesamtzahl von 1.193.471 Personen (von rund 31 Millionen), also ein Anteil von rund 4%. Dies ist ange- sichts der höheren Geburtenrate in der germanophonen Bevölkerung ein durchaus plausibel erscheinender Prozentsatz, im Verhältnis zu ihrem Anteil im 20. Jh. (Lévy 1934).

3.1 Flandern 1806 hatten die flämischsprachigen Gebiete im Dep. Nord 155.712 Einwohner, weitere 1261 lebten in der Umgebung von Saint-Omer (Dep. Pas-de-Calais); demnach hätten in Nordfrankreich damals insgesamt 156.973 Flamen gelebt. Nach den Angaben, die der Präfekt des Dep. Nord am 13. September 1806 in seinem Antwortschreiben auf die Befragung machte, waren damals 99 der 671 Gemeinden im Wesentlichen flämischsprachig, im Bezirk Dünkirchen sogar alle, abgesehen von Graveli- nes, Loon und Mardicq. Die Gemeinden Grande Synthe und Petite Synthe bewahrten noch ihren flämischen Charakter, obwohl das Französische dort eindrang, im Norden von Dün- kirchen aus, im Süden von Mardicq. Die 50 Gemeinden des Bezirks Bergen waren mit Ausnahme von vier Dörfern sämtlich flämischsprachig. Von den zahlreichen Gemeinden im Bezirk Hazebroek waren nur zehn nicht flämischsprachig. Dagegen dominierte das Französische im Bezirk Lille deutlich, dort wurde nur in Werwick-Sud und Commines Flämisch gesprochen. 1850 berichtete L. de Baecker: ‚Vor nicht einmal fünfzig Jahren wurde in dem Teil des Dorfes Commines, das heute zu Frankreich gehört, nur Flämisch gesprochen; die Grabsteine aus dieser Zeit sind sämtlich in dieser Sprache, die heute vergessen ist ‘ (1850: 19).

173 Hierzu ausführlich Brunot (1933: IX.1, 525-571) und jetzt auch Brumme & Bochmann Hg. (1993: 150ff.). Zur besonderen Lage in den Grenzgebieten 259

Nach Coquebert de Montbret begann die Sprachgrenze damals zwischen Gravelines und Dünkirchen und verlief mit wenigen Ausnahmen um die ehemalige Provinz Französisch- Westhoek herum. In einem Bericht des Unterpräfekten vom 19. Februar 1807 heißt es, in manchen Ortsteilen von Saint-Omer und in den Gemeinden Clairmarais und Ruminghem werde ‚weiter verderbtes Flämisch gesprochen‘. Weiter südöstlich bildete der Wald von Nieppe bei Hazebroek die Sprachgrenze; von dort verlief sie gerade nach Osten bis zur belgischen Grenze, in der Nähe von Bailleul (Brunot 1933: IX, 541f., 598f.; Kurth 1895- 1898: I, 230, II, 82; de Baecker 1850/1972: 19). Über die Lage im Dep. Nord für das Jahr 1804 berichtete der Präfekt, vermutlich etwas beschönigend: ‚Das Volk in den Bezirken Lille, Douai, Cambrai und Avesnes spricht Französisch mit einer schlechten Aussprache; in den Bezirken Hazebroek und Bergen wird Flä- misch gesprochen; doch fast alle Einwohner beherrschen beide Sprachen‘ (Dieu- donné 1804: I, 73).

3.2 Lothringen und Elsass Von 1789 bis 1870 gehörte auch ein Teil des weiter nach Osten reichenden Dep. Meurthe zum heutigen Dep. Mosel; das Dep. Vogesen reichte damals etwas über das Vogesen- gebirge hinaus, das heutige Territoire de Belfort gehörte teilweise zum Dep. Oberrhein. Nach der Umfrage von 1806 lebten in den damaligen Grenzen im Dep. Mosel 218.662 Deutschsprachige, im Dep. Meurthe 41.795, im Dep. Vogesen 609, im Dep. Niederrhein 493.432 und im Dep. Oberrhein 282.000; demzufolge gab es in den derzeitigen Grenzen der drei ostfranzösischen Departements insgesamt 1.036.498 Deutschsprachige. Die Präfekten der Departements im Nordosten legten in diesem Zeitraum Mémoires statistiques vor,174 in denen Zahlenangaben zur sprachlichen Lage jedoch ebenso fehlen wie in den Annuaires départementaux.175 Die einzige Ausnahme ist das Verzeichnis für das Dep. Oberrhein im Jahr 1812; darin ist die Zahl der Deutschsprachigen mit 284.689 angegeben, was in etwa Coquebert de Montbrets Statistik entspricht. Aus sämtlichen Aussagen über die sprachliche Lage im Elsass und in Lothringen, ob sie nun von Deutschen wie J. G. Seume, E. M. Arndt, J. Grimm, von Franzosen aus anderen Teilen Frankreichs oder von Einheimischen stammen, geht hervor, dass das Deutsche als Sprache des Alltags und als Schriftsprache weiter vorherrschte,176 abgesehen von wissen- schaftlichen Schriften, die ab 1830 verstärkt in französischer Sprache erschienen. Die französischen Behörden verstärkten nun ihre Maßnahmen, um das Deutsche zurück- zudrängen; diese waren jedoch insgesamt unzulänglich, wenig systematisch, manchmal auch widersprüchlich. Einige Präfekten erließen Rundschreiben, erteilten Anordnungen, sprachen Drohungen aus und beließen es dann dabei. Eine Ausnahme machte nur Lezay- Marnésia, der sich bis zu seinem tödlichen Unfall in Straßburg wirklich um eine Änderung der Lage bemühte. General-, Bezirks- und Gemeinderäte erteilten großzügig Empfehlungen und Lob, stellten aber nur ungern Mittel zur Verfügung. So gewährte der Generalrat des

174 Laumond (Dep. Niederrhein), an X (1801/02); Colchen (Dep. Mosel), an XI (1802/03); Marquis (Dep. Meurthe), an XIII (1804/05). 175 Die damals eingeführten Annuaires wurden später nach dem Namen des Generalsekretärs für das Dep. Niederrhein bottins genannt (Febvre et al. 1953: 537). 176 So auch Leuilliot (1959-60: III). 260 Kapitel VII: 1800-1830

Dep. Oberrhein 1818 gerade einmal 1.310 Franken für die Gründung einer Ecole Normale, für die er sich zuvor nach Kräften eingesetzt hatte; noch sparsamer begnügte sich der Gene- ralrat des Dep. Meurthe im selben Jahr mit dem Hinweis, die Zeit werde es schon richten. Im Übrigen stand die Bevölkerung der weiteren Verbreitung des Französischen über- wiegend völlig gleichgültig gegenüber oder versuchte gar, sie zu verhindern. Insbesondere Angehörige des Klerus sahen es äußerst ungern, wenn die ‚Sprache Voltaires‘ an Boden gewann. Allenfalls im Unterrichtswesen bemühte man sich ernsthafter und mit mehr Entschlossenheit, die Pläne auch umzusetzen, zumindest an der Spitze der Universitäten. Es mangelte jedoch an zweisprachigen Lehrkräften. Die meisten Volksschullehrer, vor allem auf dem Land, sprachen nur Deutsch, weshalb der Französischunterricht für Lehrer natürlich Vorrang haben musste, bevor man auch an die Schüler denken konnte. 1810 gründete Lezay-Marnésia eine Ecole Normale für die Ausbildung der Volksschullehrer im Dep. Niederrhein; es war die erste in ganz Frankreich. Im Dep. Mosel entstanden solche Schulen erst 1822, im Dep. Oberrhein erst 1833. Nach der Gründung der Kaiserlichen Universität hielten die kaiserlichen und königlichen Collèges ebenso wie die Straßburger Universität sich an die in ganz Frankreich gültigen Vorschriften, nach denen das Französische die Unterrichtssprache war. An den Collèges der Gemeinden in den Kleinstädten (und selbst in Straßburg, an dem berühmten protestantischen Gymnasium) behielt das Deutsche dagegen noch lange Zeit seine Vorrangstellung als Unterrichtssprache und als Lehrfach. Über ihre innerfranzösische Bedeutung hinaus kam der Sprachenfrage im Elsass und in Lothringen nun auch eine internationale Dimension zu. Ab den Befreiungskriegen sahen deutsche Intellektuelle darin eine Angelegenheit, die Deutschland in demselben Maße betraf wie Frankreich. Unter Berufung auf Fichte und Arndt, die Zugehörigkeit zur Nation und Sprache in eins setzten, erhoben sie die Forderung nach Rückkehr der beiden Provin- zen zu Deutschland. Diese Forderung wurde in den Verträgen von 1814 und 1815 noch nicht erfüllt; in der Folgezeit blieb sie Bestandteil des politischen Programms in Deutschland (Lévy 1929: II, 124-134).

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Personenregister

Adam, Nicolas 149, 192, 265 Barante, Prosper Brugière de 219, 227, 229, Adelung, Johann Christoph 149, 192, 224, 241, 252, 256, 257, 266, 275 265 Barère de Vieuzac, Bertrand XXV, 169, 178 Adémar de Chabannes 31, 265 Barthold, Friedrich Wilhelm 65, 80, 82, 278 Adenet le Roi 50, 51, 265 Bartsch, Karl 55, 266 Adigard des Gautries, Jean 32, 278 Basch, Victor XI, XII Agoult, Marie-Catherine-Sophie Comtesse d’ Batteux, Abbé Charles 135, 266 (Daniel Stern) 219, 226 Baudus, Amable de 180, 184, 185, 196, 272 Alembert, Jean Le Rond d’ 124, 142, 161 Bayle, Pierre 99, 100, 161, 266 Allou, Charles-Nicolas 217, 233, 265 Beauchamp, Arthur Marais de 189, 221, 266 Andler, Charles XI, XII, XVII Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de Antelemy, Pierre-Thomas d’ 146, 147, 157, XXVI, 125, 134, 266 158, 272 Beauzée, Nicolas 135, 139, 151, 268 Archenholz, Johann Wilhelm von 171 Bécourt, E. 144, 278 Argens, Jean-Baptiste de Boyer Marquis d’ Beethoven, Ludwig van 207 98, 100, 103, 140, 265 Behaghel, Otto 18, 278 Argental, Charles Marquis de Ferriol 119, Behrens, Dietrich 22, 278 160 Belloy, Pierre-Laurent de XXVI, 131, 132, Arnay, Auguste-Simon d’ 193, 196, 275 266 Arndt, Ernst Moritz XXV, 171, 178, 208,211, Bense du Puis, Pierre 75, 78, 82, 266 259, 260, 265 Bernard, Jean-Marie-Jules 190, 279 Arnim, (Ludwig) Achim von 204 Berr, Michael 228, 229, 232, 240 Arnoldus (Lubecensis) 47, 265 Berschin, Benno Hartmann 200, 278 Augereau, Charles-Pierre-François Duc de Berschin, Helmut 19, 21, 24, 28, 29, 30, 37, Castiglione 140, 174, 175, 192 278 Autreau, Jacques 102, 265 Bertrand, Louis 149, 278 Avaux, Claude de Mesmes 73, 76, 80, 266 Bertrang, Alfred XIV, 264 Aymeri de Narbonne 52, 54 Bethmann, Johann Jakob von 96, 127, 207 Azouvi, François 197, 278 Betz, Louis-Paul 74, 278 Bianquis, Geneviève 171, 278 B., Heinrich 178, 266 Biedermann, Woldemar von 266 Babeau, Albert 71, 128, 278 Bilfinger, G. 114, 278 Baculard d’Arnaud 103, 110 Bitaubé, Paul-Jérémie 124, 129, 196, 240, Baecker, Louis de 14, 163, 258, 259, 278 269 Baer, G. de 241 Blanc, Abbé Jean-Baptiste 223, 278 Baggioni, Daniel XX, 278 Blau 223, 225, 226, 241 Baist, Gottfried 31, 52, 278 Blennerhassett, Lady (Charlotte Julia) 174, Baldensperger, Fernand 98, 136, 151, 179, 193, 194, 205, 207, 227, 236, 251, 252, 181, 184, 185, 193, 197, 207, 240, 241, 279 278 Bloch, Oscar 15, 22, 24, 57, 71, 83, 84, 85, Baldinger, Kurt XIX, XXI, XXII, 3, 7, 15, 17, 162, 244, 279 27, 31, 32, 40, 56, 57, 82, 83, 113, 114, Bochmann, Klaus 244, 258, 279 264 Böhmer, Johann Friedrich 44, 266 Balzac, Honoré de 212, 231, 278 294 Register

Boispréaux, de (d.i. Bénigne Dujardin) 150, Cabanis, Pierre-Jean-Georges 180, 193, 267 157, 158 Cacault, François 139, 150, 157, 158 Boissonnade, Prosper 190, 279 Calvin, Jean 69, 77 Boissy, M. de XXVI, 133, 266 Campe, Joachim Heinrich 124, 171, 178, 193, Bonamy, Pierre-Nicolas 10, 266 198, 204, 237, 247, 267 Bongars, Jacques 76, 77, 82, 266 Capet, Hugo 14, 37 Bonhoure, G. 140, 145, 147, 190, 191, 224, Caradeuc de la Chalotais, Louis-René de 142, 279 143, 267 Bonneville, Nicolas de 122, 136, 146, 150, Caravolas, Jean-Antoine 142, 148, 192, 279 156, 158, 193, 240, 269 Carloix, Vincent 82, 83, 267 Bonsen, Leopold Eberhard 118, 166 Cartaud de la Villate, François 133, 134, 267 Bonstetten, Karl Viktor von 245, 256, 257, Castelnau, Michel de 83, 267 266 Catel, Samuel Heinrich 179, 191, 192, 267 Bopp, Franz 165, 204, 215 Catteau-Calleville, Jean-Pierre-Guillaume Bossert, A. 106, 279 215, 218, 229, 267 Böttiger, Karl August 186, 193, 228, 237, Cayet Palma, Pierre-Victor 82 247, 250, 251, 266 Chabot, Charles 142, 147, 187, 189, 279 Bouelles, Charles de 74, 75, 76, 79, 80, 86, Chambers, W. Walker XIX, XXIII, 264 266 Chamisso, Adalbert von 181, 204, 227, 256 Bougeant, Guillaume-Hyacinthe 80, 266 Champagne, J. de la XXVII, 107, 267 Bouhours, Dominique 98, 99, 101, 266 Champfeu, Comte de 228, 240 Boulard, Antoine-Marie-Henri 180, 191, 192, Champion, Edmé 187, 279 266, 272 Charléty, Sébastien 142, 147, 187, 189, 279 Boulenger de Rivery 146, 150, 157, 158 Charpentier, François 80, 267 Bouquet, Martin Dom 36, 37, 44, 50, 266 Charrière, Isabelle de 161, 173 Bourciez, Edouard XIV, 264 Chasles, Philarète 204, 219, 233, 240, 267, Bourel, Dominique 197, 278 279 Boyé, Pierre 62, 279 Chateaubriand, François-René de 183, 219, Brachet, Auguste 24, 279 234, 267 Brandes, Georg 186 Chatelain, Emile 46, 66, 279 Brant, Sebastian 81 Châtelet, Marquise du (Gabrielle-Emilie Le Braun, Guido 120, 279 Tonnelier de Breteuil) 109 Brethomé, Jacques XIX, 279, 286 Chênedollé, Charles-Julien Lioult de 182, Brinckmann, Karl Gustav von 172, 205, 246, 183, 185, 257, 267 256 Chénier, André 151, 193 Brochant de Villiers, André-Jean-Marie 182, Cherrier, Abbé Sébastien 267 193 Chézy, Helmina von 206, 252, 253 Broglie, Jacques de 256, 279 Chlodwig 9, 11, 13, 20 Brüch, Josef XXVII, 4, 6, 22, 30, 58 Choppin, Alain 279 Brumme, Jenny 244, 258, 279 Chuquet, Arthur 125, 140, 174, 176, 177, Brunot, Ferdinand XII, XIX, XX, 1, 11, 22, 178, 190, 193, 195, 197, 279 24, 28, 31, 37, 64, 67, 77, 80, 86, 91, 92, Clausewitz, Carl von 210 93, 95, 98, 99, 105, 106, 109, 112, 113, Clavel, Charles 142, 279 115, 116, 128, 132, 140, 141, 145, 153, Clément, Pierre [ ?] 105, 109, 112, 267 160, 162, 163, 175, 176, 178, 200, 201, Clément-Simon, Gustave 190, 280 233, 244, 258, 259, 279 Cloots, Anarchasis Baron de (Jean-Baptiste Buchon, Jean-Alexandre-C. 266 du Val de Grâce) 170, 175 Budinszky, Alexander 44, 46, 47, 66, 279 Cnyrim, Eugen 54, 280 Buffon (George- Louis Leclerc,) Comte de Coiffier, Henri 215, 216, 228, 240, 241, 277 124, 161 Colbert, Charles 95, 109, 115, 116 Colbert, Jean-Baptiste 71, 95, 96, 104, 115 Cabanès, Augustin 92, 93, 279 Colchen, Jean-Victor 223, 259

Register 295

Colleville, Maurice XIV, XV, XVI, XIX, 280 Diezinger, Sabine 128, 281 Commynes, Philippe de 51, 56, 81, 267 Doberenz, Heinrich 177, 281 Compayré, Gabriel 111, 280 Dorat, Claude-Joseph 119, 150, 151 Condorcet, Nicolas de Caritat Marquis de Dresch, Joseph XXI, 264 124, 188, 189, 226 Driancourt-Girod, Janine 97, 281 Constant, Benjamin XXVI, 139, 161, 173, Du Clercq, Jacques 49, 268 182, 212, 213, 215, 218, 228, 231, 232, Dudon de Saint Quentin 31, 268 240, 246, 248, 251, 256, 267 Duméril, Edmond 183, 216, 233, 241, 242, Coquebert de Montbret, Charles 244, 258, 281 259 Dupont, Etienne 49, 97, 281 Cordier, Mathurin 78, 88, 267 Dupont-Ferrier, Gustave 222, 226, 281 Courtenay, William J. 47, 280 Dupouy, Auguste 185, 241, 281 Courtois, Aimé 60, 61, 86, 164 Durkheim, Emile XII Cousin, Victor 220, 234, 267 Dussault, Jean-François-Joseph 233, 242 Cramer, Carl Friedrich 157, 160, 170, 196, Dussieux, L[ouis ?] 51, 77, 96, 105, 125, 140, 197, 204, 211, 229, 274, 275 171, 207, 281 Cramm, Minna von 173 Duvau, Auguste 183, 192, 196, 197, 218, 228, Crécy, Marie-Claude de 15, 280 268 Creuzé de Lesser, Auguste 193, 194, 196 Cuvier, Georges 189, 193 Eccard, Frédéric XVI Eggli, Edmond 122, 136, 156, 180, 188, 193, Dam, Jan van XIX, XXI, XXII, 264 194, 197, 228, 235, 242, 281 Damm, Otto 101, 134, 280 Eginhard 13, 268 Danzel, Theodor Wilhelm 101, 103, 110, 151, Ehrenberg, Richard 281 159, 160 Elisabeth Charlotte d’Orléans (Liselotte von Daudet, Ernest 184, 185, 280 der Pfalz) XXVI, 91, 92, 93, 268 Daunou, Pierre-Claude-François 189 Engel, Heinz 250, 281 Dauzat, Albert XIX, 3, 9, 15, 17, 21, 24, 25, Ennodius 10, 21, 268 26, 57, 59, 84, 113, 162, 264, 280 Ermeler, C. F. 225, 239, 268 David, Pierre-Jean (gen. David d’Angers) Ernst, Fritz 158, 281 171, 207, 220, 228, 234 Espagne, Geneviève 193, 281 Davillé, Louis 96, 280 Espagne, Michel XIX, 120, 128, 146, 280, Décultot, Elisabeth XI, XII, XV, XVI, XIX, 281 120, 129, 267, 280 Estienne, Henri 73, 268 Delavigne, Germain 213, 275 Evans, David Owen 234, 281 Delille, Abbé 184, 185, 193, 196 Depping, Georg Bernhard XXV, 125, 204, Faguet, Emile XII 205, 206, 209, 222, 226, 227, 236, 237, Faiguet de Villeneuve, Joachim 142 238, 239, 267 Fallot, Samuel-Frédéric 243, 281 Des Pepliers, Jean-Robert 224, 268 Fichte, Johann Gottlieb 195, 249, 260 Descartes, René 76, 79, 267 Fieffé, Eugène 46, 65, 94, 124, 174, 176, 107, Deschamps, Emile 241 208, 209, 210, 281 Deschamps, Eustache 53 Fischer, Christian August 211, 268 Deschamps, Jean 105, 109 Fleury, Abbé Claude 104, 111, 268 Deschamps, Pierre 106, 268 Flodoard von Reims 40, 268 Desdevises du Dézert, Georges 38, 39, 268 Fontanes, Louis de 183 Dhondt, Jan 5, 280 Fontaney, Antoine 233 Diderot, Denis 124, 126, 129, 138, 146, 150, Fontenelle, Bernard Le Bovier de 100, 103, 158, 162, 267, 268 109, 110 Diem, Heidi 234, 280 Forster, Georg 136, 162, 170, 171, 177, 178 Dieudonné, Christophe 259,280 Forster, Leonard XXI, XXIII, 3, 95 Diez, Friedrich Christian 29, 280 Fournier, Marcel 46, 47, 64, 281

296 Register

Fourquet, Jean XVIII, XXI, XXII, XXIV, 264 Goebel, Jean 191, 192, 195, 269 Frain du Tremblay, Jean 98, 99, 103, 110, Goethe, Johann Wolfgang von XII, XXIV, 269 95, 97, 120, 122, 141, 156, 157, 164, 165, France, Anatole 205, 269 170, 177, 179, 182, 183, 184, 193, 195, Frank, Ruth 132, 281 196, 197, 207, 213, 216, 217, 220, 228, Fransen, Jan 140, 282 233, 234, 235, 241, 244, 246, 247, 249, Franz I. 64, 65, 66, 69, 71, 79, 82 250, 251, 257, 269 Fredegarus 13, 269 Goetze, Alfred 251, 282 Fréron, Elie 146, 150, 152, 156 Gölnitz, Abraham 72, 269 Fresnais (Frénays, Fresnois), Joseph-Pierre Gottsched, Johann Christoph 99, 103, 109, 140, 157, 240, 241 110, 137, 138, 147, 148, 151, 152, 153, Friedel, Adrian Christian (Adrien-Chrétien) 154, 159,160, 191, 192, 224, 235, 265, 122, 124, 136, 146, 148, 153, 156, 157, 270, 273, 274 158, 193, 240, 269 Goujet, Abbé Claude-Pierre 103 Friedrich II. 113, 129, 130, 131, 137, 141, Grand-Carteret, John 232; 282 152, 160, 161, 269 Gréard, Octave 189, 220, 222, 282 Froissart, Jean 53, 58, 269 Gregor(ius) von Tours 6, 10, 270 Funck-Brentano, Frantz 174, 282 Greiling, Werner 281 Grimm, Friedrich Melchior 119, 120, 123, Gaichières, P. 110, 269 124, 135, 156, 159, 161, 245, 267 Galignani, Giovanni Antonio 211, 212, 247 Grimm, Jacob & Wilhelm 113, 162, 165, 204, Gambs, Christian Karl 177, 211, 247 259, 282 Gamillscheg, Ernst 4, 5, 8, 9, 12, 15, 18, 23, Grimmelshausen, Hans Jakob Christoph von 24, 30, 282 64, 79, 80, 270 Gaspard, Michel XII, XIII, XV, XVI, XVIII, Gröber, Gustav 18, 282 XXVII, XXVIII Gröhler, Hermann 5, 6, 7, 15, 18, 21, 32, 282 Gaullieur, Ernest 106, 282 Grosser, Thomas 128, 282 Gautier, Léon 54, 282 Guibert, Jacques-Antoine-Hippolyte de 140, Gazier, Augustin XII 270 Geiger, Ludwig 198, 237, 282 Geizkofler, Lucas XXV, 63, 64, 66, 68, 70, Hafner, Jochen XIX, XX, 200, 201, 283 269 Halem, Gerhard Anton von 171, 178, 270 Gellert, Christian Fürchtegott 124, 146, 150, Haller, Albrecht von 123, 149, 150, 154, 155, 154, 157, 158, 165, 193, 223, 229, 240, 157, 191, 193, 223, 229, 240 271 Halphen, Louis 38, 39, 283 Genlis, Comtesse de 127, 147, 148, 184, 185, Hardenberg, Charlotte von 173, 257 196, 269 Hartweg, Frédéric 63, 201, 283 Gérando, Gustave de 182, 194, 247, 252, 269 Hase, Karl Benedikt XXIV, XXV, 193, 195, Gérando, Joseph-Marie de 174, 182, 192, 205, 208, 211, 224, 226, 227, 228, 235, 194, 197, 228, 229, 236, 247, 252 236, 237, 239, 247, 256, 270 Gérard, Conrad-Alexandre 149, 164 Haubrichs, Wolfgang 35, 59, 62, 283 Gessner, Salomon 120, 132, 133, 149, 150, Haussonville, Gabriel-Paul Othenin d' 247, 151, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 182, 251, 256, 283 206, 226, 240 Heim, D. I. 107, 109, 270 Gillet, Pierre-Mathurin 175, 176 Heinrich der Löwe 44, 50, 51 Girard, Henri105, 282 Heinrich I. 40, 51 Gluck, Christoph Willibald Ritter von 122, Heinrich II. 51, 65, 66 126 Heinrich III. 39, 40 Glück, Helmut XIX, XXI, XXVIII, 63, 69, Heinrich IV. 39, 71, 76, 79, 82, 88 72, 74, 75, 76, 79, 89, 106, 161, 282 Heinrich V. 51, 55 Godard, Charles XXVII, 78, 79, 89, 105, 118, Heinrich VI. 51 167, 198, 282 Heinrich VII. 44

Register 297

Heinzmann, Johann Georg 171, 172, 173, Joret, Charles 31, 32, 140, 185, 186, 197, 218, 176, 178, 192, 193, 224, 270 228, 250, 284 Heiss, Hanns 140, 146, 283 Joubert, André 67, 284 Heitz, Fernand 48, 283 Juncker, Georg Adam 119, 120, 124, 135, Helfer, Hannelore 92, 270 141, 145, 146, 148, 156, 157, 158, 192, Helmreich, Christian 157, 234, 283 224, 226, 271 Helvétius, Claude-Adrien 124, 129 Hémeret, Georges-Léonard 143, 283 Kalbow, Werner 21, 284 Henning, Jan Allan 233, 236, 251, 257, 283 Kaltz, Barbara XIX, 72, 76, 79, 97, 106, 107, Henning, Rudolf XII, XV 108, 121, 138, 149, 284 Henrion, [Charles?] 79, 283 Kant, Immanuel XII, XXV, 183, 184, 193, Hentzner, Paul 71, 270 194, 195, 196, 197, 234, 244, 250, 271 Herder, Johann Gottfried 124, 132, 151, 152, Karl der Große 11, 13, 14, 36 182, 231, 234, 239, 241, 249, 270 Karl II. (der Kahle) 12, 13 Hérissant, Louis-Théodore 132, 133, 135, Karl III. (der Einfältige) 30, 36, 37 136, 137, 150 Karl IV.(der Schöne) 44, 45, 46, 53 Herrmann, Hans Walter 86, 283 Karl V. 45, 53, 65, 79, 98, 99 Hieronymus 6; 270 Karl VI. 44 Hoepffner, Ernest 53, 283 Karl VII. 48 Hoffmann, E. T. A. 204, 241, 244 Karl VIII. 46, 65 Holbach, Paul-Henri Thiry Baron d’ 124, Karl IX. 63, 77 154, 161 Kern, M. 191, 192, 271 Holberg, Ludwig Freiherr von 95, 99, 270 Kiener, Fritz XIII Hölderlin, Friedrich 207 Kiesel, Karl 62, 85, 284 Holzhausen, Paul 171, 204, 283 Kirchmeier, Monika 88, 284 Hopfgarten, Gerhard 22, 23, 28, 58, 283 Klare, Johannes 24, 25, 27, 29, 32, 284 Hottinger, Johann Jakob 150, 153, 158, 270, Kléber, Jean-Baptiste 175, 176 284 Kleist, Heinrich von 154, 191, 204, 207 Huber, Michael 120, 124, 129, 146, 148, 149, Kloocke, Kurt 232, 248, 285 150, 151, 157, 158, 226, 240 Klopstock, Friedrich Gottlieb 119, 131, 150, Hugo Capet 14, 37, 40 151, 154, 155, 157, 180, 181, 182, 184, Hugo, Victor 242 193, 195, 196, 223, 229, 240, 241, 275 Huguet, Françoise 146, 284 Kluge, Friedrich 10, 24, 29, 285 Huldiger, P. (P. Tranchant de Laverne) 197, Knepper, Joseph 47, 285 270 Knigge, Adolf Freiherr von 101, 273 Humboldt, Alexander von 171, 203, 204, 205, König, Mareike 153, 285 207, 256 Kopitzsch, Franklin 180, 285 Humboldt, Wilhelm von 171, 172, 174, 193, Kornmesser, Ernst 18, 285 203, 204, 205, 228, 229, 245, 246, 247, Kotzebue, August von 125, 171, 172, 178, 252, 256, 270 189, 191, 196, 204, 223, 224, 228, 238, 241, 271 Isler, Meyer 248, 249, 271 Kremers, Josef 21, 22, 285 Isoré, Jacques 199 Kroener, Bernhard R. 94, 285 Krüdener, Juliane von 173, 205, 257 Jacobi, Friedrich Heinrich 171, 183, 184, 196, Küffner, Georg M. 54, 74, 285 204, 245, 249, 250, 256 Küpper, Heinz 196, 285 Jacobs, Eduard 14, 284 Kurth, Godefroid 15, 20, 35, 59, 60, 61, 62, Janse, Ineke, 150, 284 86, 116, 163, 200, 259, 285 Joly, Claude 76, 271 Jordan, Camille 182, 192, 196, 228, 229, 232, L’Hermine, Lazare La Salle de 78, 88, 105, 233, 257 117, 272 La Fite, Marie-Elisabeth de 150, 157, 271

298 Register

La Grue, Philippe 107, 108, 271 186, 189, 192, 195, 197, 198, 200, 201, La Martelière, Jean-Henri-Ferdinand 204, 208, 210, 211, 212, 213, 219, 220, (Schwindenhammer) 152, 177, 196, 271 223, 228, 229, 232, 234, 237, 239, 241, La Roche, Sophie von 124, 128, 150, 228, 243, 247, 248, 251, 256, 258, 260, 261, 272 262, 263, 264 La Rue, Abbé Gervais de 6, 285 Lévy-Bruhl, Lucien XII Lacépède, Etienne de 187, 285 Lezay de Marnésia, Adrien de 180, 182, 185, Ladoucette, Jean-Charles-François Baron de 192, 196, 219, 228, 242, 257, 259, 260, 228, 240, 241 275 Lakanal, Joseph 188, 189, 190 Liard, Louis 142, 187, 188, 285 Lalande, Joseph-Jérôme Lefrançais de 188, Lichtenberger, Ernest XI, XII, XVII 193, 218 Liutprand von Cremona 36, 272 Lambertus 60, 279 Lobenstein-Reichmann, Anja XX, XXI, 286 Lamey, Auguste 195, 197 Loeve-Veimars, François-Adolphe 204, 241 Landase, Nicolas de 107, 271 Loisne, Auguste-Charles Henri Comte de 7, Langkavel, Martha 234, 285 286 Langmuth, Friedrich (d.i. Karl Epting) XVI, Lombez, Christine 233, 286 285 Longin, Emile 95, 286 Lanson, Gustave 149, 156, 197, 285 Longnon, Auguste 8, 15, 21, 286 Lantoine, Henri-Eugène 11, 285 Lot, Ferdinand 5, 7, 8, 11, 18, 19, 20, 21, 22, Latouche, Robert 12, 285 24, 33, 37, 40 Laukhard, Friedrich Christian Heinrich 164, Ludwig der Deutsche 12, 13, 36 165, 176, 178, 179, 185, 194, 272 Ludwig der Fromme 14 Laveaux, Jean-Charles 196 Ludwig IV. (der Überseeische) 37, 39, 40 Le Roux, Philibert-Joseph 111, 272 Ludwig VII. 43, 44, 50 Leczinska, Marie 92, 93, 152 Ludwig IX. 49 Leczinski, Stanislas 92 Ludwig XI. 45, 66 Lefebvre, Georges XIII Ludwig XII. 65, 66 Leibniz, Gottfried Wilhelm von 95, 138 Ludwig XIII. 46, 66, 69, 79 Lemaire, Nicolas-Eloi 239, 272 Ludwig XIV. 91, 93, 94, 96, 104, 115, 135 Lenient, Charles 38, 285 Ludwig XV. 93, 107, 165 Lennel, Fernand 285 Ludwig XVI. 165 Leopold, C. 106, 107, 108, 111, 112, 272 Lupus (Servat Loup) XXVIII, 21, 38, 39 Leopold, Werner F. XIX, XXII, XXIII, Luther, Martin 82, 112, 154 XXIV, 264 Le Prince de Beaumont, Jeanne-Marie 196 Mackel, Emil 21, 22, 23, 286 Leroux, Alfred 40, 48, 49, 51, 71, 82, 96, 105, Mallarmé, François-René-Auguste XXV, 178 106, 127, 128, 145, 173, 207, 208, 223, Mannlich, Johann Christian von 123, 125, 285 272 Leroux, Pierre 233, 234, 240, 269 Marbot, Jean-Baptiste-Antoine Marcellin de Lessing, Gotthold Ephraim 122, 139, 140, 175, 272 149, 151, 157 Maria Josepha von Sachsen 93, 121, 152 Leuilliot, Paul XIX, 5, 259, 264, 285 Marichal, Robert XIV, XX, 264 Levin, Rahel 174, 205, 257 Marie-Antoinette 121, 122, 137, 153, 156 Lévy, Henri-Ernest XIII, XIV Mariette, Pierre-Jean 140, 150, 158 Lévy, Paul XI-XXVII, 1, 3, 6, 10, 11, 12, 15, Marot, Clément 67, 272 17, 18, 20, 23, 25, 33, 35, 36, 37, 39, 43, Martin, Daniel 64, 72, 76, 78, 107, 112, 272 47, 49, 52, 55, 57, 58, 61, 62, 71, 76, 77, Martinet, André XIX, XX, XXIII, XXIV, 264 78, 79, 81, 85, 87, 89, 95, 105, 107, 108, Mathiez, Albert170, 171, 176, 177, 286 109, 110, 114, 115, 116, 117, 121, 123, Mathorez, Jules 44, 45, 46, 48, 49, 59, 64, 67, 126, 129, 133, 138, 139, 146, 149, 152, 69, 70, 71, 77, 78, 85, 88, 93, 94, 95, 96, 153, 162, 164, 165, 166, 169, 178, 183,

Register 299

97, 98, 106, 122, 126, 127, 128, 134, 147, Narbonne(-Lara), Louis-Marie-Jacques 171, 173, 203, 206, 207, 208, 209, 286 Comte de 183, 192, 228 Matthisson, Friedrich von 124, 171, 257 Necker de Saussure, Albertine-Adrienne 245, Mauco, Georges 48, 71, 97, 127, 286 246, 256, 257, 287 Maugain, Gabriel XIII, XV Nemeitz, Joachim Christoph 95, 97, 125, 277 Mauvillon, Eléazar XXVI, 97, 99, 100, 101, Nerval, Gérard de 219, 233, 241 103, 104, 105, 109, 138, 272 Neuhaus, Volker 164, 287 Meidinger, Johann Valentin 224, 225, 243, Neumann, Fr. 23, 23, 287 273 Ney, Michel 229 Meillet, Antoine XIV, 264 Nickel, Wilhelm 55, 287 Meister, Jakob Heinrich 120, 124, 150, 157, Nithard 13, 273 245, 246, 247, 256, 267, 270, 284 Nivardus 54, 273 Mendelssohn, Dorothea 204, 205, 257 Nyrop, Kristoffer 29, 32, 287 Mendelssohn, Henriette Maria 174, 205, 257 Mercier, Louis-Sébastien 151, 162, 193, 195, Oberkirch, Henriette-Louise Baronne de 121, 196, 211, 274 122, 138, 166, 273 Merlio, Gilbert XV, 286 Oberlin, Jérémie-Jacques 162, 273 Meyer, Friedrich Johann Lorenz 78, 273 Oehlenschläger, Adam 179, 204, 207, 228, Meyer, Jean 127, 286 231, 235, 252, 256, 257, 273 Meyerbeer, Giacomo 207 Oelsner, Konrad Engelbert 171, 178, 229, 273 Meyer-Lübke, Wilhelm 29, 286 Olivier, Jean-Jacques 105, 140, 287 Michat, Abbé Hippolyte 114, 286 Otto I. 37, 39, 40 Michelet, Jules 220, 239, 257 Otto IV. 32 Millin, Aubin-Louis de Grandmaison 193, 211, 238, 240 Pallach, Ulrich Christian 127, 287 Mirabeau, Honoré-Gabriel Riqueti Comte de Palmfeld, Gerau de 149, 192, 273 XXVI, 131, 132 Panckoucke, Ernestine 233, 241, 273 Molé, Julie de 228, 241 Pange, Pauline-Laure-Marie de 140, 204, Molière XXVI, 101, 102, 273 211, 235, 240, 245, 2249, 256, 257, 287 Mombert, Monique XIX, 286 Pasquier, Etienne 74, 273 Monchamp, Abbé Georges 76, 79, 286 Perger, Jean 106, 107, 109, 273 Monchoux, André 286 Pernay, F. Daniel de 179, 184, 196 Mondot, Jean 287 Perrenot, Th. 8, 287 Monod, Gabriel 239, 287 Peter, Abbé Joseph 163, 190, 200, 287 Montaigne, Michel de 68, 69, 74, 76, 79, 98, Petri, Franz 5, 15, 17, 18, 21, 35, 287 273 Peyer-Imhoff, Hercule 197 Montfleury, Messieurs de XXVI, 102, 273 Pfeffel, Gottlieb Konrad 157, 165, 197 Montholon, Elisabeth de 241 Pfister, Christian XIII, XIV, XV Montolieu, Isabelle Baronne de 228, 241 Philipon de la Madelaine, Louis 142, 274 Montzey, Charles de 145, 147, 287 Picoche, Jacqueline 25, 32, 40, 57, 287 Moreau, Jean-Victor Marie XXV, 192 Pinet, Gaston 221, 287 Morel, Isabelle 233, 241, 273 Pinkerton, John 211, 274 Mortier, Roland 287 Piobetta, Jean Benoît 221, 287 Moser, Hans Joachim 49, 126, 287 Piquet, Félix XVI, 264 Mourreau, Jean-Jacques XIV, XVII Pirenne, Henri 12 Mozart, Wolfgang Amadeus 126, 236 Pisani, Vittore XIX, XXIV, 264 Murris, Roelof 73, 75, 76, 80, 105, 287 Pitollet, Camille 205, 287 Pitrou, Robert 147, 288 Napoleon I. 145, 203, 209, 219, 220, 224, Pitz, Martina 86, 288 229, 231, 232, 235, 238, 252 Platter, Félix 67, 68, 77, 274 Napoleon III. 219, 220 Pleyel, Ignaz Joseph 127, 171 Poisson, Raymond XXVI, 102, 274

300 Register

Polenz, Peter von XIX, 288 Rosenberg, Artur XIX, XXIV, 288 Pontallard, Jean-François 192, 274 Rossel, Virgile 82, 109, 120, 149, 238, 241, Portalis, Jean-Etienne-Marie XXV, 181, 274 288 Pougens, Marie-Charles-Joseph de 136, 150, Rousseau, Jean-Jacques 124, 161, 162, 197, 162, 197, 211, 228, 244, 245, 274 275 Prarond, Ernest 222, 288 Rousseville XXV, 178, 201 Prentout, Henri 7, 288 Rudler, Gustave 139, 161, 182, 218, 288 Ruiz, Alain 170, 203, 288 Quandt, Gottfried 124, 135, 137, 138, 146, Rutebeuf 53 147, 148, 157, 158, 274 Quinet, Edgar 220, 231, 234, 239, 241, 257, Sablier, Charles 133, 135, 150, 275 274 Saiffert, Johann Gottfried (auch : Andreas Seifert) 125, 175, 197, 237 Rabelais, François 74, 75, 76, 79, 80, 81, 83, Sainéan, Lazare 344, 288 274 Sainte-Aulaire, Louis-Clair de Beaupoil Rabener, Gottlieb Wilhelm 150, 154, 157, Comte de 216, 234, 241, 269 158, 240 Sainte-Beuve, Charles-Augustin 156, 219, Racine, Jean-Baptiste 109, 160 234, 275 Raif, August Friedrich 210, 288 Samie, Mme Paul de 182, 288 Rathsamhausen, Anna von 174, 182, 194, Sattler, Gertrud 243, 288 257, 269 Sauder, Gerhard 198, 290 Raynal, Guillaume-Thomas-François Abbé Saulx, Gaspard de 73, 76, 77, 82, 83, 84, 275 119, 124, 152, 267 Scharloth, Joachim 165, 288 Raynouard, François-Just-Marie 55, 274 Schiller, Charlotte von 249, 250 Réau, Louis 125, 140, 288 Schiller, Friedrich von XII, 122, 151, 152, Rebmann, Andreas Georg Friedrich von 171, 177, 182, 183, 193, 194, 196, 216, 226, 198, 268, 274 227, 228, 233, 234, 240, 241, 242, 247, Reboul, Pierre 288 249, 250, 251, 271, 273, 275 Reichardt, Johann Friedrich XXV, 126, 171, Schlegel, August Wilhelm 154, 203, 235, 172, 204, 206, 207, 211, 213, 218, 219, 241, 244, 251, 252, 256, 257 228, 235, 236, 238, 274 Schlegel, Dorothea (D. Veit) 205, 211, 236, Reichmann, Oskar XXI, 286 276 Reinhard, Karl Friedrich 172, 205 Schlegel, Friedrich 119, 151, 174, 204, 205, Remppis, Max XXVI, 43, 52, 53, 288 210, 211, 228, 236, 244 René II. von Lothringen 87 Schlegel, Johann Adolf 150, 157, 158, 271 Reuchlin, Johann(es) 44, 47 Schlemmer, Gerd 22, 30, 288 Reuss, Rodolphe 195, 288 Schlobach, Jochen 120, 289 Reynaud, Louis 1, 39, 40, 47, 51, 77, 104, Schlözer, August Ludwig 123, 124, 275 140, 146, 185, 241, 288 Schlözer, Dorothea 174, 183 Rhenanus Beatus 66 Schmettau, Woldemar Friedrich Graf von Rhombius 143, 144, 146, 148 123, 157 Richelet, Pierre 99, 274 Schmidt, Charles 194, 289 Richer von Saint Remi 36, 37, 274 Schöll, Maximilian Samson Friedrich 198, Rivarol, Antoine de 74, 103, 130, 131, 135, 237 150, 184, 185, 272, 274 Schopenhauer, Johanna 204, 207 Rolland d’Erceville, Barthélémy-Gabriel 142, Schultes, Joseph August 211, 275 275 Schulz, Friedrich 178, 275 Rollo 30, 31, 37 Schwarz 143, 144, 146 Romagnesi, Jean-Antoine de XXVI, 102, Schweighäuser, Johann Gottfried 229, 236, 151, 275 247, 248, 256 Roman, Abbé Jean-Joseph-Thérèse 150, 157, Schweizer, Alois 63, 289 275 Sckommodau, Johann XX, XXIII, 264

Register 301

Scribe, Eugène XXVI, 213, 275 Tranchau, Louis-Hippolyte 145, 289 Sedaine, Michel-Jean XXVI, 134, 275 Tronchon, Henri XXV, XXVI, 122, 136, 150, Seillière, Ernest 123, 126, 185, 250, 289 151, 152, 162, 181, 188, 191, 192, 193, Sellius, Gottfried 157, 158 212, 217, 223, 231, 239, 245, 247, 289 Sénac de Meilhan, Gabriel 180, 181, 184, Trudaine de Montigny, Jean-Charles-Philibert 185, 196, 275 129, 149, 157 Sidonius, Gaius Sollius Apollinaris 10, 275 Turgot, Anne-Robert-Jacques 136, 146, 149, Simon, Jean-Frédéric 225, 226, 227, 275 154, 157, 158, 276 Sincerus, Jodocus (Justus Zinzerling) 67, 68, Turk, Henri-Charles XIX, XXIV, 264 71, 72, 80, 275 Sindou, Raymond XVIII, 264 Uhland, Johann Ludwig 204, 207 Sismondi, Jean-Charles-Léonard de 231, 241, Ulrix, Eugène 24, 289 257 Sittig, Martin 116, 289 Valentin, Jean-Marie 287 Sleidan(us), Johann(es) 66, 69, 81 Valkhoff, Marius 8, 48, 56, 57, 71, 97, 289 Sofer, Johann XX, XXI, XXIII, 264 Vanderbourg, Charles de Boudens Vicomte Spenlé, Jean-Edouard XIII, XV de 183, 192, 196, 228, 241 Stackelberg, Jürgen von 120, 289 Varnhagen von Ense, Karl August 204, 205 Staël von Holstein, Baron Erik Magnus 172, Venantius Fortunatus 4, 6, 10, 276 205 Vermeil, Edmond XIII, XV, XVI Staël, Madame de (Anne-Louise-Germaine de Viénot, John 118, 289 Staël-Holstein) 161, 172, 174, 183, 186, Vigier, Philippe 289 192, 196, 203, 204, 207, 210, 212, 218, Vigny, Alfred de 234, 242 227, 228, 229, 232, 233, 235, 239, 240, Villers, Charles de 174, 181, 183, 185, 186, 241, 245-257, 276 192, 193, 194, 196, 197, 214, 215, 218, Stapfer, Philipp Albert 183, 218, 228, 241, 228, 232, 248, 249, 257, 276 269 Villon, François 56, 83, 277 Stendhal (Henri Beyle) 212, 219, 229, 230, Vincent, Auguste 5, 6, 8, 15, 18, 19, 32, 289 231, 276 Vivre, Gérard de 72, 76, 277, 284 Stephan-Kopitzsch, Ursula 180, 285 Voïart, Elise 216, 241 Stoeckicht, Otto XIV, XXIV, 264 Volcyr de Sérouville, Nicole 77, 277 Storch, Heinrich 128, 276 Volkmann, Johann Jacob 128, 277 Suger(us) 55, 276 Voltaire XXVI, 98, 109, 113, 119, 129, 130, Süpfle, Theodor 9, 24, 48, 67, 71, 77, 79, 82, 131, 140, 141, 142, 151, 152, 158, 159, 100, 107, 108, 109, 146, 149, 150, 152, 160, 161, 260, 277 153, 159, 162, 185, 233, 236, 241, 289 Voss, Jürgen 127, 287, 289

Vossler, Karl 29, 82, 289 Tallemant le Jeune, Abbé Paul 102 Talleyrand (-Périgord), Charles-Maurice de 170, 187, 240 Wace, Robert 31, 55, 277 Texte, Joseph 185, 186, 213, 242, 289 Wailly, Natalis de 44, 52, 277 Thegan 14, 276 Walde, Elmar 198, 290 Thiébault, Dieudonné 140, 160, 276 Waltemath, Wilhelm 23, 290 Thiéry, Luc-Vincent 144, 145, 146, 147, 153, Waltmann, L. 240 276 Warnefridus, Paulus 15, 277 Thomas, P. Félix 234, 289 Wartburg, Walther von XIX, 3, 4, 5, 8, 15, Thomasini, Jean-Baptiste 107, 276 22, 29, 30, 31, 264, 279, 290 Thümmel, Moritz August von 124, 128, 276 Weidenkaff, Klaus 129, 290 Tibal, André 230, 289 Weiss, Matthias 191, 192, 195, 196, 277 Tieck, Ludwig 228, 241, 256 Wenderoth, Oskar 247, 290 Toussaint, François-Vincent XXVI, 137, 276 Werner, Michael 120, 280, 281 Toussaint, Maurice 289 Werner, Zacharias 204, 228, 236, 256 302 Register

Wieland, Christoph Martin 140, 150, 151, Wittmer, Louis 195, 218, 229, 232, 237, 245, 154, 156, 157, 182, 183, 186, 195, 196, 247, 249, 290 204, 215, 216, 217, 228, 235, 240, 241, Wolf, Adam 63, 277 246, 249, 250, 251, 253, 277 Wolf, Siegmund A. XVIII, 264 Wille, Johann Georg 96, 109, 120, 122, 123, Woltmann, Ludwig 22, 24, 290 124, 125, 126, 127, 128, 129, 139, 140, Wolzogen, Caroline von 206, 246, 248, 257, 149, 150, 152, 154, 174, 177, 277 277 Willebrand, Carl August von XXI, 264 Willebrandt, Johann Peter 128, 277 Young, Arthur 163, 164, 277 Willelmus 61, 277 Yrondelle, Antoine 95, 290 Winckelmann, Johann Joachim 157, 158, 240 Winckler 179, 191, 192 Zimmermann, Karl Ludwig 40, 43, 47, 51, Witte, Hans 35, 290 52, 53, 290 Wittenberg, Friedrich 55, 290 Zollinger, Oskar 151, 290 Zumthor, Paul XIX, XXI, XXII, XXIII, 264

Sachregister

Ableitung 22, 24, 56, 57, 58, 71, 83, 114, 161, Deutschlehrer XVIII, 39, 106, 143-148, 152, 243, 244 153, 167, 189, 190, 220-227 Adjektiv 4, 27, 28, 36, 84, 107, 135, 136, 163, Deutschunterricht XIX, XXII, 87, 106-119, 214, 216, 217, 244 141-149, 178, 187-192, 220-230, 256 Adlige (deutsche in Frankreich) 39, 43, 44, Dialekt XX, XXII, 4, 5, 8, 22, 23, 24, 29, 30, 45, 64, 65, 72, 83, 91, 92, 93, 97, 109, 55, 59, 74, 75, 79, 130, 131, 137, 165, 122, 123, 170 169, 179, 198, 209, 213, 254, 255 Adlige (französische in Deutschland) 50, 51, Diplomaten (deutsche in Frankreich) 123, 73, 140, 141, 184 198, 205, 211 Akzent 29, 93, 99, 102, 138, 172, 173, 176 Diplomaten (französische in Deutschland) 73, Alemannen 5, 6, 8, 10, 13, 55 76, 80, 139, 140, 182 Alemannisch 5, 6, 19, 82 Dolmetscher 10, 37, 73, 82, 106, 110, Altfranzösisch (afrz.) XXII, XXV, XXVIII, 4, 115,153, 161, 175, 176, 195, 234, 249 5, 15-30, 56, 58 Drucker (deutsche in Frankreich) 47, 48, 70, Althochdeutsch (ahd.) 16, 23, 24, 25, 26, 27, 85, 237 28, 56, 58, 244 Arbeiter (deutsche in Frankreich) 63, 71, 72, Ecole Polytechnique 192, 205, 221 77, 87, 91, 96, 127, 170, 185, 207, 208 Ecole Royale Militaire 143, 145, 146, 147, Ärzte (deutsche in Frankreich) 45, 68, 69, 93, 149, 154 95, 125, 171, 172, 204, 205, 238, 244 Ecole Centrale 188, 189, 190, 191, 223, 229 Aussprache 29, 54, 74, 75, 99, 100, 101, 108, Ecole Normale 195, 200, 260 113, 126, 131, 133, 134, 135, 152, 164, Ecole Normale Supérieure XI, 221 177, 181, 185, 192, 212, 213, 217, 248, Eheschließungen (deutsch-französische) 39, 249, 252, 254, 259 51, 91, 93 Einwanderer (deutsche) 121, 123, 170, 173, Ballei (bailliage d’Allemagne) XXVI, 87, 166 198, 211, 236 Beamte (deutsche in Frankreich) 45, 88, 105, Elsässisch 17, 78, 138, 162, 164, 165, 175, 123, 125, 205 201, 244 Beamte (französische in Deutschland) 104, Emigranten (französische) 124, 174, 179, 206, 219 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 192, Bergleute (deutsche in Frankreich) 49, 87, 196, 203, 210, 212, 219, 228, 232, 234, 116, 208 247, 256 Bibliotheken (mit deutschen Beständen) 81, Englisch (engl.) 1, 32, 37, 58, 81, 82, 84, 106, 111, 112, 120, 153, 156, 221, 239, 240 111, 112, 113, 119, 120, 122, 128, 130, Buchhändler (deutsche in Frankreich) 48, 69, 131, 135, 136, 138, 139, 142, 143, 144, 70, 81, 127, 153-156, 171, 196, 197, 204, 145, 147, 149, 152, 154, 155, 156, 158, 237 179, 181, 187, 188, 189, 190, 191, 211, Burgunder 4, 6, 7-8, 10, 12, 13, 17 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 228, Burgundisch 8, 12, 19, 23 229, 230, 233, 239, 240, 242, 245, 254, 255 Cahiers de doléances 199, 200, 201 Entlehnung XXII, 4, 11, 12, 22-32, 36, 40, Collège 69, 95, 96, 106, 140, 142, 145, 163, 41, 55, 56, 58, 59, 75, 81-85, 91, 111-114, 187, 199, 220, 221, 223, 260 161-163, 209, 214, 218, 241, 243, 244 304 Register

Fachsprache 26, 31, 49, 56, 58, 84, 94, 113, Germanismus XIII, 97, 141, 161, 162, 182, 14, 135, 137, 161, 200, 218, 244 193, 242, 243, 248 Flamen 48, 53, 60, 61, 66, 68, 79, 80, 86, 95, Gotisch (got.) 16, 23, 26, 58 116, 199, 258 Gottesdienst (in deutscher Sprache) 72, 94, Flämisch (fläm.) XX, 35, 52, 53, 59, 60, 61, 97, 117, 177, 211 62, 65, 78, 79, 80, 82, 83, 86, 94, 112, Grammatik (deutsche) XXII, 63, 75, 76, 78, 113, 114, 115, 116, 147, 154, 155, 163, 87, 91, 104, 106-108, 109, 111, 112, 119, 164, 178, 198, 199, 200, 217, 257, 258, 120, 121, 135, 137, 138, 139, 141, 143, 259 145, 146, 147, 148, 149, 154, 155, 156, Fränkisch (frk.) 4, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 159, 191, 192, 218, 224, 225, 235, 243, 19, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 32, 33, 36, 254, 255, 256 37, 40, 56, 57, 58 Griechisch 99, 100, 194, 106, 131, 135, 137, Franken 4, 5, 6, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 17, 20, 149, 160, 166, 180, 181, 205, 223, 244, 23, 24, 29, 30, 36, 37, 38, 40, 84 254, 255 Französisch 48, 51, 52, 53, 54, 55, 57, 58, 59, Gymnasium 117, 118, 166, 167, 191, 198, 60, 61, 62, 64, 68, 69, 72, 75, 78, 79, 80, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 256, 81, 82-85, 86, 87, 88, 91, 92, 93, 95, 97, 260 98, 99, 100, 101, 102, 103, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112-114, 115, 116, Handwerker (deutsche in Frankreich) 48, 49, 117, 118, 121, 122, 123, 124, 126, 130, 69, 70, 72, 96, 97, 114, 127, 170, 173, 131, 132, 133, 135, 136, 138, 143, 144, 207 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 155, Handwerker (französische in Deutschland) 156, 157, 158, 160-163, 164, 165, 166, 51, 104 169, 170, 173, 175, 177, 179, 179, 180, Hochdeutsch XVII, 52, 79, 215 181, 183, 184, 185, 191, 192, 193, 194, Hochschulwesen 203, 221, 223 196, 197, 198, 199, 200, 201, 210, 213, Hochsprache 201, 210 214, 215, 216, 217, 220, 221, 224, 226, Hof 13, 36, 39, 43, 44, 45, 64, 80, 82, 92, 93, 228, 229, 230, 232, 233, 234, 235, 236, 97, 105, 106, 117, 120, 121, 123, 129, 240, 241, 242-245, 247, 249, 250, 251, 133, 134, 137, 138, 141, 146, 150, 152- 252, 253, 254, 255, 257, 258, 259, 260 153, 159, 166, 172, 182, 206 Französischlehrer in Deutschland 72, 97, 105, Hugenotten 82, 84, 87, 95, 96, 161, 181 186 Frauen (deutsche in Frankreich) 43, 49, 77, Italienisch 144, 145, 147, 149, 152, 154, 155, 93, 173-174, 205-206, 257 156, 160, 187, 188, 189, 190, 191, 195, Fremdsprachenunterricht 91, 110, 111, 119, 217, 220, 221, 222, 223, 226, 230, 239, 120, 130, 141, 142, 143, 145, 169, 187, 240, 254, 255, 258 188, 189, 190, 191, 203, 217, 218, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 233 Juden (deutsche in Frankreich) 128, 208 Friesen 8 Kaufleute (deutsche in Frankreich) 43, 48, 63, Galloromanen 9, 20, 32, 38 69, 70, 72, 91, 96, 127, 170, 173, 207-208 Galloromanisch 5, 11, 12, 13, 15-30, 32 Kaufleute (französische in Deutschland) 77, Gelehrte 68, 74, 76, 79, 80, 95-96, 110, 124- 184 125, 138, 140, 141, 142, 149, 150, 155, Kavalierstour 64, 93 158, 167, 172, 193, 204, 213, 235, 236 Keltisch 9, 11, 19, 32 Germanen 3, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 32, 33, Kinderaustausch 50, 77-78, 105, 117, 118 38, 40 Kirche 11, 20, 70, 38, 48, 51, 72, 118, 155, Germanisch (germ.) XXI, XXII, XXVII, 2, 4, 163, 165, 201 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15-30, 31, Klerus 14, 15, 20, 38, 39, 47, 77, 199, 260 32, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 55, 56, Kompositum 15, 17, 19, 83, 212 58, 59, 60, 61, 62, 84, 86 Kriegsgefangene 3, 176, 185, 208, 209, 210, 211, 219 Register 305

Künstler (deutsche in Frankreich) 45, 49, 96, Nation (deutsche in Frankreich) 46, 48, 67, 104, 125-126, 171, 203, 206-207, 235 68, 70, 81 Künstler (französische in Deutschland) 51, Neologismus 56, 82, 244 105, 140, 182 Neufranzösisch (nfrz.) 3, 4, 16, 22, 25, 26, 27, 56, 58 Lateinisch (lat.) XXV, XXVIII, 3, 4, 9, 10, Neuhochdeutsch (nhd.) 16, 17, 22, 28, 29 11, 12, 13, 14, 15, 16, 19, 20, 22, 23, 24, Niederdeutsch (ndd.) XXII, 17, 46, 52, 56, 26, 28, 29, 31, 33, 37, 40, 47, 51, 52, 53, 57, 58, 75, 79, 82, 83, 215, 229, 244 54, 57, 58, 61, 69, 73, 75, 76, 77, 79, 80, Niederländer 56, 57, 73, 75, 80, 96, 112, 113, 81, 84, 87, 95, 99, 103, 106, 107, 108, 243 111, 112, 126, 131, 135, 137, 145, 149, Niederländisch (ndl.) 24, 26, 28, 56, 57, 73, 160, 161, 166, 193, 194, 199, 215, 220, 75, 80, 83, 84, 96, 112, 113, 114, 162, 221, 223, 224, 229, 233, 234, 244, 255, 163, 243, 244 256 Normannen 6, 28, 30, 31, 32, 35, 37, 43 Lehrer (deutsche in Frankreich) 47, 68, 69, Normannisch XXI, 6, 28, 30, 31, 32, 40, 52 88, 122, 124, 126, 172, 206, 229, 247, Nutzen des Deutschen 38, 39, 73, 75, 104, 256 110, 120, 135, 138-139, 142, 145, 152, Lehrplan 75, 145, 147, 188, 190, 198, 220- 218 222, 224 Lehrwerke (für Deutsch als Fremdsprache) Offiziere (deutsche) 46, 64, 65, 93, 94, 123, 72, 78-79, 106-108, 121, 146, 178, 179, 124, 152, 175, 176, 209, 211 191-192, 224, 225, 243 Offiziere (französische) 80, 93, 104, 139, Lesekabinett 122, 153 140, 149, 165, 175, 182, 183, 218, 219, Literatur (deutsche) 110, 11, 119, 120, 122, 222, 229, 230, 232 129, 131, 143-144, 150, 151, 153, 154, Ortsnamen (Toponyme) XXVII, 5, 6, 7, 8, 9, 155, 156, 159, 174, 179, 182, 183, 195, 12, 15-20, 21, 22, 52, 30, 32, 52, 59, 59, 196-197, 204, 205, 213, 215, 217, 226, 60, 62, 85, 152, 160, 243 227, 229, 232, 233, 236, 237, 239, 241, 242, 246, 247, 252, 253, 257 Personennamen XVI, XVIII, XXV, XXVII, Literatursprache 75, 114, 131 9, 16, 17, 18, 20-22, 32, 85, 160 Lothringisch 17, 29, 62 Philosophen 46, 152, 161, 183, 193, 194, 204, 220 Markomanen 8 Pilger 43, 49 Migration 4, 5, 6, 169, 211 Prinzessinnen (deutsche in Frankreich) 39, Militär 9, 56, 63, 73, 76, 82, 91, 94, 113, 120, 33, 45, 63-64, 91-93, 121-122, 170 126, 141, 145, 146, 147, 165, 170, 177, Prinzessinnen (französische in Deutschland) 183, 190, 195, 205, 207, 208, 210, 219, 39, 51 222, 226, 232 Privatbibliothek 81, 111, 112, 120, 154, 155, Mittelfranzösisch (mfrz.) 24, 25, 26, 27, 28, 240 57, 58 Privatschule 106, 223 Mittelhochdeutsch (mhd.) 16, 26, 27, 28, 30, Privatunterricht 96, 106, 143-146, 224, 225, 56, 57 226-228 Mundart XIII, XVII, 8, 15, 23, 29, 31, 32, 62, 71, 79, 85, 88, 109, 121, 130, 137, 138, Rechtschreibung 113, 131, 201, 217 162, 179, 181, 200, 210, 212, 243, 244 Regimenter (deutschsprachige in Frankreich) Muttersprache 10, 11, 12, 13, 15, 29, 47, 48, 66, 82, 94, 97, 113, 123, 124, 174, 175, 69, 70, 78, 80, 91, 95, 113, 122, 125, 131, 208, 210, 243 134, 159, 160, 170, 173, 176, 183, 191, Reiseführer 71, 78, 128, 211 196, 198, 214, 227, 229, 232, 250, 254 Reisen (von Deutschen nach Frankreich) XXII, 43, 49, 64, 67, 68, 71, 72, 97, 123, Nachahmung der deutschen Aussprache 101- 124, 125, 127, 128, 129, 164, 170, 171, 102, 133-134 176, 178, 203, 204, 209, 211, 244 306 Register

Reisen (von Franzosen nach Deutschland) 155, 156, 187, 188, 189, 190, 220, 223, XXII, 39, 50-51, 63, 75, 76-77, 79, 88, 226, 233, 239 91, 93, 104-105, 109, 139-141, 158, 160, Spracherwerb 38, 50, 76, 88, 104, 109, 139, 181-187, 212, 215, 218-220, 230, 231, 181, 185, 192, 218 234, 238, 246, 248, 249, 251, 252, 256, Sprachgeschichte XII, XIII, XIV, XVII, XIX, 257 XX, XXIII, 1, 33, 48, 55, 86, 117, 200 Restauration 183, 203, 204, 210, 219, 220, Sprachgrenze XXII, 20, 29, 33, 35, 38, 59, 224, 233 62, 86, 89, 115, 116, 162, 184, 189, 248, Revolution 63, 64, 125, 127, 162, 163, 164, 259 165, 166, 169, 170, 171, 172, 173, 174- Sprachinsel 35, 59, 60 175, 176, 177, 178, 180, 181, 182, 183, Sprachkenntnisse 14, 37, 50, 52, 61, 77, 79, 187, 189, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 80, 105, 109, 129, 149, 150, 182, 185, 201, 202, 204, 212, 217, 228, 243 193, 197, 199, 219, 223, 228, 230, 252, Romanisch XXI, 6, 7, 8, 11, 12, 13, 14, 15, 253, 256 18, 20, 21, 22, 25, 28, 29, 31, 35, 36, 37, Sprachkontakt 28, 39, 40, 55, 79, 129, 162, 38, 39, 53, 59, 60, 61, 62, 87, 95, 113, 210, 212, 219, 243 162, 169, 200, 254 Sprachmeister 78, 117, 120, 153, 225, 226 Sprachpolitik XXV, 115, 169, 198 Sachsen 6-7, 8, 30, 35, 47, 51, 65, 71, 93, 94, Sprachstatistik 244, 257, 259 121, 123, 125, 127, 138, 147, 152, 181, Sprachwechsel 60, 85, 199 202, 208 Studenten (deutsche in Frankreich) XXI, 43, Sächsisch 16, 19, 30, 32, 121, 137, 138, 181 44, 46-47, 53, 63, 65, 66-68, 69, 70, 72, Salon 74, 123, 129, 141, 205, 209, 211, 228, 79, 91, 94-95, 124, 170 256, 257 Studenten (französische in Deutschland) 117, Satzbau (Syntax) 30, 78, 100, 101, 103, 143, 139, 166, 218 148, 162, 192, 212, 215, 216, 217, 254, Substantiv 15, 19, 23, 27, 28, 104, 107, 225, 255 266 Schriftsteller 15, 39, 47, 51, 52, 53, 54, 55, Sueben 8 69, 95, 97, 98, 100, 101, 102, 103, 110, Suffix 5, 16, 19, 29, 30, 32, 57, 254 119, 122, 123, 124, 126, 129, 130, 132, 136, 138, 144, 152, 154, 155, 156, 157, Theater 101, 120, 122, 134, 136, 151, 152, 159, 160, 165, 171, 172, 179, 181, 182, 154, 156, 161, 196, 228, 236-237 183, 184, 193, 195, 203, 205, 206, 210, 212, 215, 216, 217, 219, 223, 227,228, Übersetzer XXVII, 81, 109, 110, 120, 122, 233, 235, 239, 241, 242, 146, 249, 250, 124, 139, 146, 150, 152, 157, 177, 180, 252, 257 193, 194, 195, 196, 197, 214, 216, 228, Schulwesen 120, 141, 169, 188, 189, 199, 233, 234, 235, 241 200, 201, 203, 217 Übersetzung XXII, XXIV, XXV, XXVI, 79, Schweizer 46, 56, 65, 66, 67, 68, 72, 73, 81, 81, 82, 84, 97, 109, 110, 120, 124, 132, 82, 83, 94, 95, 97, 101, 102, 110, 113, 146, 149, 150, 151, 152, 153, 155, 156- 123, 124, 128, 133, 134, 151, 152, 153, 158, 161, 162, 163, 178, 179, 180, 181, 156, 157, 162, 172, 173, 174, 175, 177, 182, 183, 184, 191, 192, 193, 194, 195, 208, 209, 210, 212, 213, 233 196-197, 199, 215, 216, 224, 231, 233, Soldaten (deutsche) XXI, 43, 45-46, 63, 65- 234, 240-242, 251, 257 66, 70, 72, 91, 94, 123-124, 159, 174-177, Universität 46, 47, 65, 66, 67, 68, 70, 76, 77, 208-210, 243 88, 95, 105, 139, 140, 142, 165, 171, 183, Soldaten (französische) 76, 77, 80, 104, 111, 187, 188, 203, 205, 233, 260 119, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 163, Unkenntnis des Deutschen 53, 74, 80, 81, 99, 182, 186, 219, 229, 241, 258 110, 111, 158, 179, 186, 194, 240 Spanisch 1, 29, 75, 76, 80, 81, 98, 99, 106, Unkenntnis des Französischen 69, 118, 126, 111, 112, 130, 131, 144, 145, 149, 154, 158, 226 Register 307

Unterrichtsmethode 107, 143, 147-149, 223- Vulgärlateinisch 3, 4, 23, 25, 26, 29, 40, 57 225 Unterrichtssprache 69, 163, 260 Wallonisch 29 Ursprache 214, 215, 254, 255 Wendung 25, 30, 54, 56, 59, 83, 99, 101, 107, Urteile über die deutsche Sprache 73-75, 98- 130, 132, 143, 180, 193, 200, 210, 216, 101, 102-103, 112, 121, 129-133, 134- 225, 233, 242, 248, 254 137, 178-181, 212-218, 252 Wisigoten 10 Wortbildung 18, 19, 103, 136, 216, 218, 244 Verachtung des Deutschen 73, 74, 75, 80, 81, Wörterbuch XXII, 15, 24, 59, 63, 78, 79, 99, 98-101, 111, 113, 129-133, 188, 212, 231, 108, 111, 112, 146, 149, 153, 154, 155, 252 156, 161, 162, 196, 216, 221, 224, 237, Verb 78, 81, 100, 107, 114, 130, 133, 135, 238, 240, 247 136, 214, 214, 217, 225, 255 Wortstellung 100, 136, 180, 216 Verwaltung 14, 24, 28, 45, 63, 87, 89, 117, 165, 166, 169, 172, 175, 183, 189, 190, Zeitschriften 87, 125, 139, 143, 144, 154, 195, 199, 201, 219, 229 165, 171, 177, 178, 179, 180, 194, 196, Völkerwanderung 4-8, 19, 20, 22, 116 198, 211, 231, 237-239 Volkssprache 14, 38, 87, 115 Zweisprachigkeit XVII, 11, 62, 62, 88, 117, 260