Unireport 04-19 Goethe-Universität Frankfurt

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Unireport 04-19 Goethe-Universität Frankfurt UniReport 4.19 UniReport | Nr. 4 | 11. Juli 2019 | Jahrgang 52 | Goethe-Universität Frankfurt am Main Beiträge zum 90. Geburtstag von Jürgen Habermas Suspended Life – Von Birgitta Wolff, Rainer Forst, Klaus Günther und Rolf Wiggershaus 2ff »eingefrorenes« Leben Gesunde Führungskräfte – ein Gewinn Ein Projekt zu Chancen und Risiken für Mitarbeiter und Organisation? der Kryotechnologie Die Sozialpsychologin Antonia Kaluza erforscht den Zusammenhang von Seite 9 Wohlbefinden und Führungsstil. 7 Grenzen überschreiten mit »Imara« Der Wirtschaftsingenieur Baraa Abu El-Khair entwickelt Empfehlungen für Moscheegemeinden. 10 Kunstwerke aus Wachs Die Moulagensammlung des Universitäts klinikums vermittelt einen lebensechten Eindruck von Hautkrank- heiten aller Art. 14 Philanthropie und Macht Der Politische Philosoph Theodore M. Lechterman erforscht, wie Stifterkultur und Demokratie zusammenpassen. Foto: CI Photos, Shutterstock 16 Editorial Philosoph, Aufklärer und Intellektueller Liebe Leserinnen und Leser, nach einem für Sie hoffentlich erfolg­ Jürgen Habermas an der Goethe-Universität reichen Sommersemester startet die Goethe­Uni bald in die vorlesungsfreie ie Goethe­Universität stand an drei europäischen Zusammenarbeit. In einer per­ Zeit. Viele werden dann Frankfurt erst Tagen ganz im Zeichen von Jürgen sönlichen Bemerkung zum Schluss seines mal verlassen; viele von uns werden sich Habermas, der aus Anlass seines Vortrags ließ Habermas seine Erfahrungen in um Arbeiten kümmern, die in der Hektik 90. Geburtstages an seine ehemalige Frankfurt Revue passieren, wo er nach eige­ des Semesters liegen geblieben sind oder DWirkungsstätte zurückgekehrt war. Dem viel ner Aussage insbesondere in den frühen 80er erst jetzt anstehen: Prüfungen oder beachteten Vortrag des wichtigsten deutschen Jahren „die befriedigendste Zeit“ seines aka­ Praktika zum Beispiel, oder der Job für Philosophen der Gegenwart, zu dem rund demischen Lebens verbracht hat. Zugleich den Lebensunterhalt. Was immer Sie in 3000 Menschen in das Hörsaalzentrum auf lobte er das intellektuelle Milieu, das für die den nächsten Wochen und Monaten dem Campus Westend kamen, folgte im Ge­ Goethe­Universität nach wie vor prägend tun (oder auch lassen): Danke für Ihr bäude des Forschungsverbundes Normative sei, „aber seine schützenden Nischen braucht unermüdliches Engagement für die Ordnungen ein zweitägiger Workshop zu – und verdient“. Goethe­Universität oder Ihr Vertrauen, Ehren des Jubilars mit Forscherpersönlich­ Jürgen Habermas folgte bei seinem Vor­ das Sie uns als Lernort entgegenbringen! keiten aus aller Welt. trag in Frankfurt einer Einladung des Exzel­ Wir werden uns weiterhin anstrengen, Die Rede „Noch einmal: Zum Verhältnis lenzclusters „Die Herausbildung normativer dieses Vertrauen auch im kommenden von Moralität und Sittlichkeit“ wurde wegen Ordnungen“ durch seine Sprecher Prof. Rai­ Semester zu rechtfertigen, damit wir alle des großen Interesses aus dem Hörsaal HZ1 ner Forst und Prof. Klaus Günther sowie der als „Goethe­Community“ erfolgreiche in fünf weitere Hörsäle übertragen. Nach von Prof. Forst geleiteten Forschungsgruppe Arbeit leisten können. Das schaffen wir Grußworten der Universitätspräsidentin Prof. „Transnationale Gerechtigkeit“, die aus den nur gemeinsam. Und jetzt wünsche ich Birgitta Wolff und Asye Asar, Staatssekretä­ Mitteln seines Leibniz-Preises finanziert wird. allen Studierenden und Mitarbeitenden rin im Hessischen Ministerium für Wissen­ Rainer Forst hatte für die Tage nach dem der Goethe­Universität eine angenehme schaft und Kunst, betonte der politische Phi­ Vortrag ehemalige Schülerinnen und Schüler Sommerzeit! losoph und Habermas­Schüler Prof. Rainer sowie internationale Kolleginnen und Kolle­ Forst das Leitmotiv im Werk von Jürgen Ha­ gen von Prof. Habermas zu einer Tagung Herzliche Grüße bermas. Es sei die klassische Überzeugung eingeladen, auf der Habermas‘ demnächst Ihre Birgitta Wolff der Aufklärung, für die Immanuel Kant den erscheinendes Werk „Auch eine Geschichte Präsidentin Begriff des „öffentlichen Gebrauchs der Ver­ der Philosophie“ sowie die Krise und die Zu­ nunft“ geprägt habe. Habermas‘ Werk habe, kunft der Demokratie diskutiert wurden. Zu so Forst weiter, eine große Relevanz für die den Teilnehmenden gehörten u. a. Charles an der Goethe­Universität geleistete Arbeit Taylor, Richard Bernstein, Claus Offe, Oskar „über normative Ordnungen, die Zukunft Negt, Andrew Arato, Nancy Fraser, Seyla der Demokratie und den sozialen Zusam­ Benhabib, Jean Cohen, Axel Honneth, Cristina menhalt“. Lafont, Simone Chambers, Peter Gordon und Jürgen Habermas brachte in seinen philo­ Thomas McCarthy. Bernd Frye sophischen Ausführungen Kant, Hegel und Johann Wolfgang Goethe-Universität | Postfach 11 19 32 Marx mit Blick auf aktuelle Anforderungen 60054 Frankfurt am Main | Pressesendung | D30699D Deutsche Post AG | Entgelt bezahlt miteinander ins Gespräch. Er plädierte, nicht Vortragsmanuskripte, Nachberichte zuletzt im Kampf gegen eine wachsende so­ und Fotogalerien unter: www.unireport.info ziale Ungleichheit, für eine Vertiefung der www.normativeorders.net/de Foto: Lecher 2 Aktuell 11. Juli 2019 | Nr. 4 | UniReport ihren Forscherpersönlichkeiten ab. Universität, als Professor für Philo­ Probleme multiperspektivisch zu BIRGITTA WOLFF Das nationale wie internationale sophie mit dem Schwerpunkt Sozi­ reflektieren und die Grenze des Ansehen der Frankfurter Universi­ alphilosophie von 1983 bis 1994, Wissens hinauszuschieben, sondern tät ist nicht nur, aber auch mit den erhielt er 1986 den Leibniz­Preis. auch, dass mit dem an dieser Uni­ Namen Horkheimer und Adorno Mit dessen finanziellen Mitteln rief versität akkumulierten Wissen die Der Arbeiter verbunden; und darüber hinaus – er eine rechtsphilosophische For­ „Praxis“, z. B. die Politik, beraten da Frankfurt das Glück hatte, dass schungsgruppe ins Leben, zu deren werden kann. Durch ihre Mitglie­ Jürgen Habermas einen großen Teil Mitgliedern und regelmäßigen Teil­ der, nicht zuletzt durch die Studie­ seines wissenschaftlichen Lebens hier nehmern der Kolloquien Wissen­ renden, werden gesellschaftliche Jürgen Habermas verbrachte, – eben mit Habermas. schaftler gehörten, die in der Folge Entwicklungen beständig in die Als dieser 2013 den „Kulturel­ selbst für die Goethe­Universität Forschung der Universität impor­ len Ehrenpreis“ der Stadt München prägend waren und sind – u.a. die tiert, mit jedem ausgebildeten Aka­ im »demokratischen erhielt, erwähnte er „eine fast sen­ Rechtswissenschaftler Günter demiker werden die neuesten Er­ timentale Bindung an Frankfurt. Frankenberg und Klaus Günther kenntnisse, mit jeder publizierten Schon anlässlich seiner Rede zum sowie die Philosophen Axel Hon­ Theorie oder lancierten These das 80. Geburtstag führte Habermas neth, Ingeborg Maus und Rainer neueste Wissen in die Gesellschaft Weinberg« aus, dass die Stadt Frankfurt ihr Forst. exportiert. Insofern das jeweils ak­ „scharfes, leicht wiedererkennbares In und mit seiner Arbeit ist es tuell verfügbare Wissen die „Land­ enn der bekannteste Für das Funktionieren einer De­ Profil […] einer herben, einer un­ Habermas gelungen, eine einheitli­ karte“ einer jeden Gesellschaft dar­ Wissenschaftler einer mokratie ist es unabdingbar, die ge­ verschleierten Intellektualität [ver­ che Theorie in der Vielzahl der stellt, ist Wissenschaft alles andere Universität als akade­ sellschaftlichen Herausforderungen danke], die sich den Attraktionen disziplinären Stimmen der Philoso­ denn ein Glasperlenspiel, darf also mischer primus inter zu meistern. Die Arbeit an der soge­ und den Dissonanzen einer span­ phie und der Sozial­ und Rechts­ nicht hinter verschlossenen Türen, Wpares der Goethe­Universität sei­ nannten „freien Welt“ ist dabei so­ nungsreichen Moderne öffnet“. wissenschaften zu schaffen: die darf zumindest nicht nur ars gratia nen 90. Geburtstag feiert, wäre es wohl aus demokratischer wie auch Nicht zuletzt deswegen wird Haber­ Theorie des Diskurses. Sie hat auf artis sein. an und für sich gute akademische aus wissenschaftlicher Perspektive mas immer wieder von anderen vielen Gebieten innovativ und pa­ Exemplarisch zeigt die dritte Tradition, ihm eine Festschrift zu Pflicht wie Privileg. Vielleicht wird Forschungseinrichtungen an die radigmenbildend gewirkt. Das zeigt Rolle von Habermas, als Lehrer, als überreichen. Zudem ist es allgemei­ man dieser Tage aber noch hinzu­ Goethe­Universität in Frankfurt sich nicht zuletzt daran, wie stark Professor, die Konstellation des for­ ner Brauch, dass das „Geburtstags­ fügen müssen, dass es nicht nur der zurückgekommen sein. Gut für die Erkenntnisse auf neuere For­ schenden Lehrens und Lernens, in kind“ sich etwas wünschen darf. Arbeit an sich bedarf, sondern auch Frankfurt. schungsprojekte und ­programme der auch der Lehrer noch dazu­ Doch statt mit einer solchen Gabe eines grundsätzlichen Verständnis­ Man kann drei Frankfurter wirken. Ein besonderes Beispiel lernt, und ist damit wohl ein Bei­ in Form einer weiteren Festschrift ses ob der Notwendigkeit dieser An­ Phasen von Habermas unterschei­ hierfür ist nicht zuletzt der Exzel­ spiel dafür, dass und wie die Idee an ihn heranzutreten, möchte ich strengung, dass die Arbeit also sicht­ den: Zum ersten Mal zwischen lenzcluster zur Herausbildung nor­ der Universität glücken kann. Es ist stattdessen meinerseits einen Wunsch bar und verstehbar geschieht. 1956 und 1959, als er Assistent am mativer Ordnungen der Goethe­ dieses spezifisch universitäre Zu­ an ihn, an sein Werk, an uns alle Gerade die Sichtbarkeit ist in Institut für Sozialforschung
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