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DAS ERSTE HAUS Das Kings-Road- von Rudolph Schindler

Reinhard KÖNIG und Christian BAURIEDEL Dipl. Ing. Reinhard König, Lehrstuhl für Stadtquartiersplanung und Entwerfen, TU Karlsruhe, [email protected], www.entwurfsforschung.de Dipl. Ing. Christian Bauriedel, Fakultät für Architektur, Professur Informatik in der Architektur, Bauhaus-Universität Weimar, [email protected]

Das Kings-Road-House von Rudolph Schindler "Eine kooperative Behausung für zwei junge Paare" in West Hollywood, Californien

Für die Mitwirkung an diesem Beitrag sind wir Frau Beate Brosig für ihre hilfreichen Kommentare und wertvollen Anregungen verpfl ichtet. Inhalt

Vorbemerkung 3

Der Architekt R. M. Schindler Europa und Amerika 4 Architektonische Ansätze Rudolph Schindlers 6

Analyse des Kings-Road-House Die Idee 8 Struktur 10 Systemschnitte 12 Proportionsstudie 13 Raum 14 Einrichtung 17 Konstruktion 18

Interpretation Schindlers Wirkung 19 Resümee 20

Literaturangaben 21 R. M. und Mark Schindler im Kings R. M. und Pauline Gibling Pauline und Mark Schindler, Schindler vor seinem Zelt im Schindler bei einem Ausfl ug Road House, Sommer 1923 Schindler, Sophie und Edmund Sommer 1923 , 1921 des Palette and Chisel Club, Gibling, Dorothy Gibling und Chicago, 1915 Mark Schindler, Sommer 1923

Vorbemerkung R.M. Schindler nimmt als Neuerer in der Architektur des 20. Jahrhunderts einen besonderen Platz ein, und auch heute noch beeinfl usst der energische Experimentalismus Schindlers viele Architekten, besonders der jüngeren Generation, deren Ent- wurfsstrategien eine nahe Verwandtschaft zu Schindler zeigen. Schindler entwarf und baute einige der provokativsten Gebäude des 20. Jahrhunderts, darunter das für seine eigene Familie und die Chasefamilie erbautes Kings Road House oder das Philip , die zu den herausragenden Beispielen der Moderne gezählt werden und als ebenso innovativ wie die Entwürfe seiner europäischen Zeitgenossen, wie beispielsweise Le Corbusier gelten. Was mich zu der Beschäftigung mit Rudolph Schindler veran- lasst hat, ist die Tatsache, dass er sich trotz aller Modernität einen Abstand zum International Style seiner Zeitgenossen und deren kubischer Verherrlichung des neuen Maschinenzeitalters bewahrte. Im Gegensatz zu Le Corbusier oder Marcel Breuer, die bestrebt waren, jedes Projekt auf die Ebene einer allge- meinen Aussage zu heben, ging es Schindler darum, für jeden Entwurf eine spezifi sche, das heißt immer neue und individuelle Lösung zu fi nden. Für ihn bedeutete die Verwendung von Stahls- keletten und Betonrahmen lediglich die Befreiung von statischen Zwängen sowie eine Möglichkeit, seine Entwürfe bautechnisch effi zient realisieren zu können. Seine Entwürfe zeichnen sich Ich bin [...] dir dankbar, r.m.s. [...] für [...] dieses Haus, das mir durch große räumliche Komplexität aus und wirken wie losgelöst so lieb und teuer ist, dass es in gewisser Weise mein Leben von allen Rückbezügen auf früheres Bauen. Ungewöhnlich ist bestimmt hat. auch das betonte Ausgreifen von Schindlers Bauten auf die Pauline Gibling Schindler an R. M. Schindler, 9 Juli 1953 umliegende Landschaft, den umgebenden Raum. Der Architekt R. M. Schindler

Europa und Amerika Das Werk Rudolph Schindlers und dessen architektonische Aus- sage lassen sich auf verschiedene Einfl üsse zurückführen. Seine Ausbildung in Wien absolvierte Schindler bei Otto Wag- ner und seit 1912 in der Bauschule von Adolf Loos. Mit dem „Raumplan" und der Suche nach kultureller und traditioneller Identität wird Loos zum Mentor Schindlers. Schon damals übte das Werk Frank Lloyd Wrights einen gro- ßen Einfl uss auf den jungen Architekten aus. Im Jahre 1910/11 erschien Wrights Portofolio „Bauten und Entwürfe" im Berliner Wasmuth-Verlag und wurde mit großem Interesse in Europa aufgenommen. Auch der Amerikaaufenthalt von Loos 1893-96 stärkte Schindler in seinem Entschluss, Wien zu verlassen und 1914 ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten" aufzubrechen. Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges blieb ihm eine Rückkehr verwehrt. 1917 gelang es ihm, eine Ansstellung bei Fank Lloyd

Wright zu erhalten. Während Wright die Bauarbeiten in Tokyo am Schindler (vordere Reihe, zweiter von links) an Bord der Kaiserin Auguste Viktoria auf dem Weg in die Imperial-Hotel betreute, wurde Schindler sein wichtigster Mitar- USA, März 1914 beiter in „Talisien". Die Erfahrung mit Wrights Arbeit hatte ent- scheidenden Einfl uss auf seine architektonische Entwicklung. Allerdings lässt sich Schindler nicht in die Gruppe der Wright Nachfolger einreihen. Übereinstimmende Punkte fanden kei- ne Nachahmung, sondern eine individuelle Weiterentwicklung. Besonders wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang die Suche nach einer naturverbundenen Lebensform, die Symbiose von Bau- und Umraum, Haus und Mobiliar, sowie die Distanz zur maschinellen Standartproduktion. 1920 betreut Schindler im Auftrag Wrights das Hollyhock-Haus in Los Angeles und macht sich kurz darauf selbstständig. Ka- lifornien wird von nun an Heimat und Ort des Schaffens. Hier erlebt Schindler den Aufbruch Amerikas in eine neue Zeit. „The californian way of life" interpretiert beispielhaft das neue Lebensgefühl. Die Einstellung zur Mobilität, zur Kommunikation und ein ungetrübter Optimismus führen zu einem veränderten Wohnen. Das Einfamilienhaus im Grünen wird en vogue, was zu einer rapiden Expansion der Städte führt. Dabei entsteht allerdings weniger das, was man im hergebrachten Sinne un- ter Stadt versteht, eher ein loses Arrangement verschiedener

Städte, was für L.A. hieß, dass Hollywood, Pasadena und St. Frank Lloyd Wright in Taliesin, Spring Green, Wisconsin, 1924 Monica zusammenwuchsen.

4 Amerika, das unermesslich große Land mit seinen einzigarti- gen Landschaften wird für Schindler Ort der Befreiung von der Tradition der europäischen Architektur. Doch auch hier besteht die Möglichkeit einer neuen, historisch fundierten Architektur aufgrund einer autochthonen Tradition, was Schindler dazu veranlasst, nach einer modernen amerikanischen Architektur zu suchen. Er löst sich jedoch nicht vollkommen von Europa. Die Entwick- lungen dort sind ihm durchaus bekannt. Laut Kenneth Frampton verfolgte Schindler die niederländische Bewegung De Stijl als reinste Verkörperung einer elementaren, rationalen Formen- sprache mit großem Interesse. Der Zeichenraum in Taliesin, 1918. Auf den Tischen liegen Zeichnungen zum Imperial Hotel. Photografi e von R. M. Schindler Hier fi ndet sich auch ein verbindendes Element zwischen ihm und seinen europäischen Kollegen: die Abstraktion. Gleichzei- tig setzt das Paradoxon ein, womit Schindler uns konfrontiert. Der Bezug zum Ort bildet den Gegenpol zur Abstraktion. Die aufrüttelnde Kraft dieses Widerspruchs beschreibt Woods als „Kämpfe mit unentschiedenem Ausgang, die eine innere Spannung erzeugen, welche keine von beiden allein hätte erzeugen können". Diese Synthese fand jedoch nicht überall Zustimmung. Die Anhänger des International Style interpretierten dies als frag- würdige, inkonsequente Provokation, was dazu führte, dass ihm Anerkennung lange verwehrt blieb. Ein Beispiel für diesen offi ziellen Ausschluss stellt die Ausstellung „The International Wrights Mitarbeiter vor dem Eingang zu den Studios in Taliesin, 1918. Von links Style" von 1932 in New York dar. Dort war er nicht vertreten, was nach rechts, Wiliam E. Smith, Schindler, Arato Endo, Goichi Fujikura, und Julius Floto. Floto war der beratende Ingenieur beim Imperial Hotel, die anderen vier auf Johnsons Meinung zurückgeht, Schindler wäre ein Nach- waren Zeichner. folger Wrights. Obwohl sein bedeutendstes Werk, das Lovell Beach House, sehr wohl den Dogmen des International Style entsprechen könnte, wurde dies total ignoriert. Die 5 Punkte von Le Corbusier galten als Muss, um Teil dieser Bewegung zu sein. Rudolph Schindler lehnte es ab, sich dieser „Glaubens- richtung" anzuschließen, da sie allzu sehr vereinfachte und die unterschiedlichen Strömungen und Gruppen nicht einbezog. Er hatte Europa zu früh verlassen, um Anhänger der europäischen Moderne zu sein. Trotz seiner Isolation vom International Style teilte Schindler den gleichen Idealismus, die Aufbruchsstim- mung, von der die Modernen befl ügelt waren.

Philip Lovell Beach House, Newport Beach, Kalifornien, 1922-1926

5 Architektonische Ansätze Rudolph Schindlers

Zu welchen Hauptfragen lässt sich Schindlers Werk aufgrund der formalen, räumlichen und inhaltlichen Analyse einiger seiner wichtigsten Werke zusammenfassen?

„1921, als der Eindruck von Kalifornien noch frisch in meinem Kopf war, baute ich mein eigenes Haus und versuchte dabei, dem Charakter des Ortes zu entsprechen […]. Ich verwendete Merkmale, die für das Leben in Kalifornien notwendig erschie- nen; einen ebenerdigen, offenen Grundriss, Wohnterrassen, Das Schindlersche Patio schließt übergangslos an Pauline Schindlers studio an. Glaswände, lichtdurchlässige Wände, breite Schiebetüren, hochliegende Fenster, Sheddächer mit breiten, Schatten spendenden Überständen. Diese Merkmale sind nun allge- mein akzeptiert und bilden die Basis des zeitgenössischen kalifornischen Hauses." R. M. Schindler, 1952

Raumarchitektur Noch in Europa, 1914 in Wien, schuf er ein Manifest, in welchem er auf die Architektur als Raumkunst hinweist. Er beschreibt das innere Wesen dieser Kunst, das „Er-räumen". Dabei defi nieren Licht, Oberfl äche, Textur und Farbe die Räumlichkeiten. Masse, Form und Bildhauerei sind der Architektur gegensätzlich. Weder R. M. Schindler Studio, mit 'children´s chair', Bank und 'cube chair' Funktion, Konstruktion, noch Technologie bringen sie hervor. Die künstlerische Freiheit und die Autonomie der Raumbildung stehen über wirtschaftlicher und psychologischer Ökonomie, was einen eindeutigen Gegensatz zum International Style Von links nach rechts, Schindler Studios, Chace Studios. Im Vordergrund der darstellt. 'sunken garden'

6 Diese Auffassung veranlasste Schindler, Experimente mit dem Raum durchzuführen. Dazu gehört das Loslösen der Wand von ihren äußeren Raumbegrenzungen, wobei er die Ecken auf- löst und den Raum über seine materielle Begrenzung hinaus expandieren lässt. Ein weiterer Punkt ist die Neudefi nition der Decke. Sie ist viel mehr als die „Abdeckung der Raumschach- „Raumarchitektur. Um sie zu defi nieren, müsste man vielleicht tel", da Schindler Höhendifferenzen und dadurch verschiedene im gleichen Verhältnis zu seinen [Schindlers] Arbeitsmethoden Raumbereiche ausbildet. Besondere Bedeutung kommt der stehen, wie der Betrachter zur Höhe eines Gebäudes in einer Behandlung des Außenraums zu. perspektivischen Darstellung. Um den Raum einzuengen und In seinen frühen Arbeiten Anfang der 20er ist die natürliche zu präzisieren, begann man mit der Höhenlinienkarte und der Umgebung gleichbedeutend mit dem Innenraum. Der Unter- Bauverordnung; entwickelte ihn weiter anhand der Beschaf- schied wird verwischt, da er Bau- und Pfl anzenwände mit der fenheit des Geländes und der Lebensform des Auftraggebers. gleichen geometrischen Präzision behandelt. Sowohl Innen-, als Raumformen hatten dort ihre Wurzeln und standen diesen auch Außenraum sind Teil eines organischen Ganzen. Später Faktoren nicht willkürlich oder fremd gegenüber." bemerkt man einen Prioritätenwechsel in seinen Arbeiten, da Esther McCoy, 1945 aus R. M. Schindler, Bauten und Projekte, der Außenraum vernachlässigt wird und der Innenraum verstärkt Herausgegeben von Elizabeth A. T. Smith und Michael Darling, behandelt wird. Hatje Cantz Verlag, 2001, S. 13

Luftbild von Beverly Hills und West Hollywood, 11 Februar 1922

7 Analyse des Kings-Road-House

Die Idee Mit seinem ersten unabhängig realisierten Projekt, dem Kings- Road-House, gelang R.M. Schindler einer der bemerkenswer- testen Entwürfe unseres Jahrhunderts. Erstmals macht er sich frei von seinen Mentoren F. L. Wright und Adolph Loos und kommt dadurch zu ganz eigenen, unabhängigen Prioritäten ohne jedoch mit dem Gelernten zu brechen. Engverknüpft mit der eigentlichen Idee ist die neue Rolle Hollywoods in den USA. „The Californian way of life", verbunden mit einem ungetrübten Optimismus wurde zum Lebensmotto. Ein gewisser „Lifestyle" etablierte sich. Das drückte sich neben der neuen Einstellung zu Mobilität, Auto und Kommunikation auch im Wohnen aus. Das Haus wurde in seiner Vorstellung zum Kommunikationsfeld und es entwickelte sich eine unerwartete soziale Raumidee. Daher zieht Schindler das Zusammenleben mehrerer Menschen dem des Familienlebens im ursprünglichen Sinn vor. Das Ehepaar Dynamisches Schema "Windrad" Chace wurde nun Teil dieser Kommune, in der jeder Erwach- sene ein eigenes Studio zur individuellen Selbstverwirklichung bewohnte. Jedes Paar hatte einen separaten Hauseingang, die Bäder wurden von den Partnern gemeinsam genutzt. In der Mitte richtete Schindler statt einer gewöhnlichen Küche einen Utility-Room ein, der sowohl von Schindlers als auch von Chaces gemeinschaftlich genutzt wurde.

innen - aussen Bezüge: horizontale Ebenen Proportionen der U-Konstruktionsmodule

8 Grundrissplan des King Road House von 1922

Nicht das Abschotten in eine familiäre Isolation, sondern der normale soziale Kontakt mit Menschen war Schindler wichtig. Doch sollte dies nicht die persönlichen Rechte des einzelnen beschneiden. Der Kontakt zu Phillip Lovell brachte noch einen weiteren Aspekt – das „gesunde" Wohnen – was Schindler vor allem durch das einbeziehen des Außenraums in den Wohn- bereich umsetzte. Zum Beispiel ersetzt er die herkömmlichen Schlafzimmer durch auf dem Dach sitzende „Schlafkörbe", die lediglich überdacht sind und dadurch eine Nachtruhe im freien ermöglichen. Dies alles ermöglicht natürlich nur das phantastische kalifornische Klima. Auch der besondere Bezug King Road House, West Hollywood, Kalifornien, 1921/22 perspektivische Ansicht zum Camping lässt sich daran ablesen. Haus und Grundstück lassen sich als Metapher dessen interpretieren. Schindler schafft alle konventionellen Räume wie Ess- und Wohnzimmer ab. Das radikalste war dabei sicherlich das ersetzen der Familienküche durch einen Allzweckraum, der nicht nur Küche sondern auch Waschküche ist.

9 innen - aussen Bezüge: Räume

innen - aussen Bezüge: Übergänge

Struktur Das Schindler/Chace-Haus verbindet die europäische Nei- gung zur Abstraktion mit amerikanischer Praktikabilität. Die Betonwände sind zu gekürzten U-Förmigen Einheiten gefasst, während die gegenüberliegende Seite offen ist und mit ihren innen - aussen Bezüge: feste Begrenzungen schlanken Redwood-Stützen den Gegensatz bildet. Es entsteht ein ständiger Wechsel zwischen Festem und Leere. Die Tragenden Wände sind mit dem „Tilt-Slab" Gefertigt, einem Präfabrikationssystem für Betonwände entwickelt von Irving Gill, einem amerikanischen Architekten, an dessen Bauten auch Clyde Chace mitgewirkt hatte. Die Wände wurden nach dem heute üblichen System hergestellt, Beton wird in eine Holzschalung gegossen. Die Adhäsion wurde dabei durch die Verwendung von Seife verhindert. Das fertige Betonelement dann von einem Flaschenzug in die entsprechende Position gebracht. Zwischen diesen Fertigteilen wurden 3 Inch Breite Glasstreifen eingesetzt, die einen klaren vertikalen Rhythmus ergeben. Die aus Ortbeton gefertigte Bodenplatte ist gleichzeitig das Fundament. Das machte eine teure Baugrube und zusätz- liche Konstruktionen unnötig. innen - aussen Bezüge: "Schlafkörbe" mit Zugang

10 Die Trennwände und die Rahmen für die Verglasungen sind aus Redwood-Holz gearbeitet. In jedem Studio (außer Gast) lassen sich 2 durch den Raum spannende Doppelbalken bemerken, die ihn in 3 Teile trennen – zumindest optisch. An diesen Balken können auch zusätzliche Wände angebracht werden, was den Grundriss variabel macht. Es zeigt sich im Deckenbereich eine vertikale Organisation mit 2 Ebenen. Alle Räume (außer die Bäder) haben eine Höhe von 8’-8’’. Eine zweite fi nden wir in den Eingangsbereichen mit 6’-3" was ebenfalls das Maß bis zur Unterkante der Doppelbalken ist, die demzufolge frei durch den Raum spannen und somit die tragenden Betonwände mit den nichttragenden Redwood-eingefassten Glasfronten verbinden. An dieser Stelle bildet Schindler fl ache Dachvorsprünge aus, die den Übergang ins freie überdachen. Zwischen eigentlichem Dach und diesen Vorsprüngen sitzen Fensterbänder, die das

Schweben der Doppelbalken in den Innenräumen verstärken. innere Organisation: feste Wände, Trennwände und Glasfronten

„Kings Road wurde aus Protest gegen die Gewohnheiten der Amerikaner gebaut, ihr Leben und ihre Gebäude mit Lagen von Oberfl ächenmaterialien zu verdecken, um den Betrachter von ihrer gewöhnlichen Grundlage abzulenken. Kings Road wurde als Kombination ehrlicher Materialien konzipiert: Beton, Redwood, Glas, die so bleiben sollten, um die innere Struktur und ihre natürlichen Farben zu zeigen." Schindler aus: Noever, Peter (editor): R. M. Schindler, Prestel, Munich and N.Y., 1998, S. 45

Funktionsbereiche: Bäder Funktionsbereiche: private Räume Funktionsbereiche: utility room

11 Systemschnitte Die Systemschnitte stellen die charakteristischen Eigenschaften des King Road House dar, welche in den späteren Arbeiten Schindlers immer wieder auftauchen: große verglaste Flächen und klar gegliederte Fenster, fl ießende Übergänge zwischen innen und aussen, verschiedene Wand- höhen und variable Türhöhen, je nach Raumfunktion.

„Jeder Raum in dem Haus verkörpert die Variation eines kon- struktiven und architektonischen Themas. Dieses Thema erfüllt die Grundanforderungen an einen Camper-Unterstand: eine schützende Rückwand, eine offene Vorderfront, einen Kamin und ein Dach. […] Die Form der Räume, ihre Begrenzung zu den Innenhöfen und den wechselnden Dachhöhen schaffen eine gänzlich neue räumliche Verknüpfung zwischen Innenraum und Garten.“ Dorothy S. Gibling, 30. Juli 1922

Schnittplan

Systemschnitte

12 Proportionsstudie Als Le Corbusier 1948 seinen Modulor veröffentlichte, wurde reason this simplifi cation of designing and building is resisted dieser mit grossem Interesse von der Fachwelt entgegengenom- by almost everyone concerned. I started to use the unit system men. Zwei Jahre zuvor schrieb R. M. Schindler im amerikani- 26 years ago..." Das war ungefähr 1920, als er am Kings Road schen Magazin 'Architect and Engineer': "For some strange House arbeitete.

Ansichten

Proportionsstudie

13 Raum Der Raum im Schindler/Chace-Haus strömt horizontal. Das wie ein Windrad drehbar gelagert Gebäude verbindet sich mit dem Außenraum und wird zu einem dynamischen Gefüge. Innen und Außen greifen ineinander. Alle Räume öffnen sich zum Garten hin. Auch diesen entwirft Schindler wie einen Grundriss. Am direktesten wird der Kontakt zwischen Innen und Außen an den Übergängen zwischen Studios und dem jeweiligen Patio deutlich – diese sind sehr „weich". Schindler zieht einen Teil der Bodenplatte heraus. Darüber schließt der Dachvorsprung diesen Raum, der als Puffer-Zone fungiert. Von der gegenüberliegenden Seite dringt ebenfalls Raum durch die Schlitze. Innen- und Außenräume werden gleichwertig behan- delt. Auch die offenen Seiten haben Anteil an dieser Wirkung. Ein großer Teil kann entfernt werden oder dient mit seiner lein- wandbezogenen Oberfl äche als Schutz. Diese Tafeln Laufen auf Schienen zwischen den Fensterverglasungen. In vier der Studios betonte Schindler die Ecken, was auf die Bedeutung des Glases für die Innen/Außen-Verbindung hinweist. Glas ist für ihn ein Filter, der die Räume nicht trennt, sondern langsam verschmelzen lässt. Eingang zu Schindlers Studios, mit diagonalem Blick durch die Halle in den Innenhof.

Blick vom Dach auf R. M. Schindlers Studio. Links Pauline Schindlers Studio, rechts R. M. Schindlers Studio, darüber der "Schlafkorb".

14 Wichtigste Außenräume sind die Patios sowie die Gästeterras- se. Sie sind, genau wie das Haus über die normale Gelände- höhe angehoben. Die Patios sind durch die Kamine ebenfalls möbliert, was die Gleichwertigkeit unterstreicht. Zwei weitere horizontale Ebenen bestimmen den Außenraum. Neben der normalen Geländehöhe gehört zu jedem Patio ein Garten. In- nen- und Außenräume werden mit der gleichen geometrischen Präzision behandelt, egal ob Bau- oder Pfl anzenmaterial. Im Garten fi nden sich ebenfalls feste Wände, die als Abschirmung dienen oder als Gliederungselement. Alle Ebenen treffen sich im rechten Winkel im Außenraum fällt auf, dass die Hecken oft als sich nicht berührende Einzelelemente verwendet werden, während der Innenraum von U-Formen dominiert wird. Obwohl die ganze Komposition sehr dynamisch ist halten die festen Elemente (Wände und Hecken) das Gefüge am Boden.

Schindlers Studiohalle mit Pauline Schindlers Studio auf den linken Seite und der Treppe zu Schindlers "Schlafkorb" links im Bild. Am zentralen Pfosten eine vertiefte Beleuchtungsvorrichtung hinter undurchsichtigem Glas mit Zugkette.

Blick von Pauline Schindlers Studio in Richtung R. M. Schindler´s Studio. Im Vordergrung "Schindler´s bench"; im Hintergrund sein "Cube Chair" und das Blick von R. M. Schindlers Studio in Pauline Schindlers Studio. Modell vom Wolfe House (1928) Rechts die geschlossene Tür zu Schindlers "Schlafkorb"

15 Clyde Chase Studio. Der Seidenvorhang verdeckt die Toilette. Marian Chase Studio. Links im Hintergrund ist der zentrale Korridor mit geöffneter Türe zu Schindlers Hof.

„Schindlers künstlerische Ambitionen nötigten ihn, sich mit ei- ner ungewöhnlich großen Zahl von Variablen zu befassen und erschwerten es bisweilen, Raum und Form in Übereinstimmung zu bringen […], obgleich er unmissverständlich Einheitlichkeit anstrebte, forderte er keine absolute Widerspruchsfreiheit. Er konnte jegliches Problem ertragen, das seine Ursache in der Kluft zwischen den gesteckten Zielen und den verfügbaren Mit- teln zu ihrer Erreichung hatte, zwischen seinen wie auch immer gearteten Idealvorstellungen und den praktischen Realitäten, die er hinnehmen musste. Schindler ertrug Widersprüchlichkeit und Unvollkommenheit, weil es ihm vor allem um Raum und raumbildende Form ging und erst in zweiter Linie um Materialien,

Kunstfertigkeit, Ausführung oder Konstruktion an sich. Wider- Pauline Schindlers Studio mit geöffneter Tür zum zentralen Korridor; der 'utility room' ist im Hintergrund. sprüchlichkeit, Konfl ikt, Mehrdeutigkeit und Unvereinbarkeit waren, wenn sie auftraten, entweder das Nebenprodukt einer praktischen Notwendigkeit oder eines Wertesystems, in dem Widerspruchsfreiheit nicht als oberstes Gebot galt.“ Barbara Giella 1985

16 Schindlers Cube Chair für das King Road House, entworfen ca. 1920 Pauline Schindler Studio

Einrichtung Der Metapher der Camps entsprechend ist die gesamte Einrich- tung eher spärlich und unkonventionell. Die Möbel defi nieren die Funktion der jeweiligen Zone. In den privaten Räumen befi nden sich Ruhebett ähnliche Couches, mit Schlingen bezogene „Wür- fel“-Stühle, Hocker, jeweils ein Tisch, in einem Studio ein Flügel, welcher wohl als einziges sentimentales Objekt gelten kann. Schindlers Badezimmer. Waschtisch und die Innenauskleidung der Badewanne sind aus magnesit Auch die technische Gebäudeausstattung erfüllt Grundbe- dürfnisse. Die einzige Heizung sind die in jedem Studio und in den von den Flügeln eingeschlossenen Patios befi ndlichen Kamine. Gas- und Wasseranschlüsse versorgen die Bäder und den Utility-Room. Die Elektrokabel für die Lichtquellen in den Studios verlaufen an den Doppelbalken, sind nicht verputzt oder ähnliches, sondern werden nach demselben Vorsatz verwen- det, „ehrlich" zu sein, nichts zu verstecken. Die Lampen lassen sich vor- und zurückschieben und dadurch den Raumeindruck verändern, was ja auch ein bedeutender Aspekt bei modernen Beleuchtungssystemen ist. Die Bäder sind mit kombinierten Duschwannen ausgestattet, deren Wasserleitungen frei durch den Raum gehen und einer

Skulptur ähnlich den Eindruck der Bäder bestimmen. R. M. Schindler Studio

17 Konstruktion Einige Details der Konstruktion des Kings Road House wie die Herstellung der Betonfertigteilelemente für die Wand und die Ausführung der Holzstruktur wurden bereits im Abschnitt ‚Struktur’ beschrieben. An dieser Stelle möchte ich näher auf die Entwicklung des „Schindler Frames“ eingehen, dessen Entstehung mit der Konstruktion des Kings Road House ihren Ausgang genommen hat.

Konstruktionsschnitt Kings Road House Die Problemstellung die zur steten Weiterentwicklung der Kon- Konstruktionsdetail struktionsform geführt hat, ist die Haltung Schindlers, dass Ma- Kings Road House terial und Konstruktion integrale Bestandteile für die Konzeption eines Gebäudes sind. Das Standart System für Holzrahmen- konstruktionen war für die Ausführung eines zeitgemäßen Hau- ses nicht geeignet. Die „balloon frame“-Konstruktion setzt eine quaderförmige Kubatur des Gebäudes und der Räume voraus, mit großfl ächigen Wänden und kleinen Öffnungen, massiven Schindler Frame Trennwänden, geneigtem Dach mit geringer Auskragung, die lediglich einem dekorativen Charakter hat. Der Raumarchitekt Schindler denkt in Form von klaren Raum- beziehungen. Große Öffnungen reduzieren die Wände auf ein Minimum. Die Wandhöhen variieren ohne den Charakter der Durchgängigkeit des Bodens oder der Offenheit zum Himmel zu stören. Die behutsame Orientierung der Räume wird durch Oberlichter und weite schattenspendende Dachüberhänge unterstützt.

Die Auseinandersetzungen mit den traditionsgebundenen Zim- mermännern führte schließlich zur Entwicklung des „Schindler Frame“, der eine Vielzahl der provisorischen Details in der Struktur vermied, welche die „ballon frame“ Konstruktionsart für ein zeitgenössisches Haus mit sich brachte. Beim Bau eines modernen Hauses wird für den „Schindler Frame“ gewöhnliches Konstruktionsholz die etablierte Rahmenbauweise verwendet. Obwohl einige der dargestellten Eigenschaften auf den kalifor- nischen Gesetzten und lokalen Bedingungen basieren, kann der „Schindler Frame“ nach einigen Anpassungen ebenso in anderen klimatischen Regionen verwendet werden.

18 Interpretation

Schindlers Wirkung „Schindlers Architektur erwies sich als beunruhigende Of- fenbarung, die lang gehegte Meinungen über Charakter und Geschichte der modernen Bewegung untergrub. […] Von der gängigen Literatur beharrlich ignoriert, gehört sie zum origi- nellsten und genialsten im Wohnhausbau unseres Jahrhunderts – und zum am besten bewohnbaren.“ Sophie Pauline Gibling Schindler an Edmund J. Gibling 7. Mai 1928

Als 1969 eine Ausstellung von Schindlers Werken im Royal John Lautner, Carling House, Los Angeles, 1949 Institut of British Architects in London gezeigt wurde, äußerte ein Kritiker die Meinung, Schindlers Beitrag läge in der frühen, bereitwilligen Anwendung der von Loos aufgenommenen Ideen, mit denen er von Anfang an kompromisslos moderne Entwürfe schuf. Als dieselbe Ausstellung in den Niederlanden gezeigt wurde, schrieb der Architekt Herman Hertzberger über Schindler: „Es gibt keinen Zweifel, dass es sich bei ihm um einen der frühesten wahren Konstruktivisten handelt, da er alles, was er entwirft, in einer Weise tut, die deutlich erklärt, wie und warum etwas funktioniert. Er beschränkt sich auf das wirklich notwen- dige und entspricht jedem individuellen Bedürfnis; das ganze Bauwerk wird zur vielschichtigen Einheit aller Erfordernisse.“

Frank O. Gehry, Gehry House, Santa Monica, Kalifornien, 1978, Fotografi e: Tim Street-Porter Eine unterschiedliche, jedoch verwandte Bewertung der Bedeu- tung von Konstruktion für Schindler und seine Rolle in dieser Tradition im Rahmen seines Umfeldes in Los Angeles fi ndet sich in einem 1986 erschienenen Aufsatz von Kurt Forster, der bemerkt, „die Eigenschaften der beste kalifornischen Ar- chitekten sind nicht nur oberfl ächlicher Art. Von Gill bis Mack, von Schindler bis Gehry entspringen sie dem Bemühen, der praktischen Seite der Architektur Rechnung zu tragen, ohne die Aspekte der l’art pour l’art zu vernachlässigen.“ Die Frage nach Schindlers Standort in der Geschichte der kali- fornischen Architektur und im Zusammenhang des expressiven Experimentalismus ist äußerst interessant. Wenngleich er selbst nur auf einige wenige Architekten verwies, mit denen ihn ein gewisses Gemeinschaftsgefühl verband, wie beispielsweise Chu + Goodings Architects mit Michael Matteucci, Gabbert House, Santa Monica, und Ed Lind, die bei ihm als Zeichner gearbeitet Kalifornien, 2000; Fotofrafi e: Benny Chan

19 hatten, gibt es Bezüge zwischen Aspekten von Schindlers Werk und dem von Zeitgenossen und Angehörigen einer etwas jünge- ren Generation, wie Frank Lloyd Wright, Harwell Hamilton Harris und dem jungen John Lautner, die alle ebenfalls individuelle Spielarten der Moderne verfolgten, die auf dem expressiv-dy- namischen Umgang mit Form und Raum basierten.

Resümee Schindlers wichtigster Beitrag zur Architektur der Moderne ist sein konsequenter Hinweis auf „Die Architektur als Raumkunst“, Baugelände Kings Road Hoouse vor Beginn der Bauarbeiten, West Hollywood, Kalifornien, 1921; Fotografi e: R. M. Schindler wobei die Qualität der Architektur unabhängig vom Material ist, dass es nur als Hilfsmittel dient, um den Raum zu gestalten, dass Licht und Oberfl äche Räumlichkeit defi nieren. Vor allem im Kings Road Haus bemerkt man sein ständiges be- streben, Landschaft, Gesellschaft und Architektur (Raumkunst) zu einer Resolution zu verhelfen. Es ist klar, dass aus heutiger Sicht Vielfältigkeit und expres- siver Charakter von Schindlers Werk, einst verwirrend für die Anhänger einer strengen Rationalität in der modernen Archi- tektur, ein Publikum gefunden haben, das den gelassenen und doch rastlosen Experimenten dieses Architekten wohlwollend Gleicher Standpunkt wie Bild oben nach den Bauarbeiten. Von links nach rechts, Schindler Studios und Chace Studios, Sommer 1922 gegenübersteht, ja sich sogar von ihm befl ügeln lässt. Die Tatsache, dass Schindler formelhafte Lösungen zugunsten einer pragmatischen Erkenntnisfähigkeit vermied, kann von der heutigen Architektenschaft als Vorzug gewürdigt werden. Selbst Eigenschaften wie ungefügte Detailbehandlung und Nebeneinander „unpassender“ Materialien, vermitteln ein un- gemein befriedigendes Gefühl von Vitalität und Phantasie, das zur architektonischen Kultur Südkaliforniens außerordentlich gut zu passen scheint.

„Meine früh gewonnene Erkenntnis, dass ein Haus kein inter- nationales, sondern ein für den lokalen Gebrauch gedachtes, lokales Produkt ist, führte zur Erforschung des kalifornischen Wesens. Deshalb gab ich die Moderne als etwas aus Europa importiertes auf, und versuchte, einen zeitgenössischen Aus- druck Kaliforniens zu erarbeiten. […] Mit Ausnahme von Frank Lloyd Wright halte ich mich für den einzigen Architekten in den USA, dem es gelungen ist, eine eindeutig lokale persönliche

Formensprache zu entwickeln.“ R. M. Schindler The architect‘s house and studio on Kings Road in West Hollywood, Calif.

20 Literaturangaben

Kathrin Smith, Schindler House, New Photography by Grant Wilson (Author), Michael Darling (Author), Elisabeth A. T. Smith Mudford, Published in 2001 by Harry N. Abrams, New York (Author); Publisher: Hatje Cantz Verlag; (January 1, 2001) ISBN: 377571006X The Architecture of R.M. Schindler, by Elizabeth A.T./Darling Smith (Author), Publisher: Harry N. Abrams; (February 1, 2001), James Steele. R. M. Schindler. Benedikt Taschen Verlag GmbH, ISBN: 0810942232 1999. ISBN 3-8228-7188-5

The Furniture of R.M. Schindler; by Marla C. Berns (Editor), David Gebhard. Schindler. New York: The Viking Press, 1972. David Gebhard, Patricia Gebhard, Santa Barbara University Art ISBN 670-62063-7. LC 71-172899. NA737.S35G382. Esther Museum University of , R. M. Schindler; Publisher: Uni- McCoy. Five California Architects. Los Angeles: Hennessey + versity of Washington Press; (June 1997); ASIN: 0942006305 Ingalls, 1987.

R.M. Schindler: Architect, 1887-1953: A Pupil of Otto Wagner, 2G International Architectural Review; R. M. Schindler, 10 Between International Style and Space Architecture; by August ; N.7 1998/III; nexus Sarnitz, Julius Shulman (Photographer); Publisher: Rizzoli; (December 1988); ASIN: 0847809218 Lionel March, „Rudolph M. Schinder: Space Reference Frame, Modular Coordination, and the ‚Row‘“, Nexus Network Journal, R.M. Schindler (Works and Project Series); by Judith Sheine; vol. 5 no. 2 (Autumn 2003), Publisher: Gustavo Gili; (May 2000); ASIN: 8425217458 http://www.nexusjournal.com/March-v5n2.html

R.M. Schindler. Bauten und Projekte; by Rudolf M. Schindler (Author), Kurt G. F. Helferich (Author), Robert Sweeney (Au- thor), Robert G.

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