Wikinger Und Normannen
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Wikinger und Normannen DEZEMBER 2020 MITTELALTER DIGITAL Einleitung 1 Über Wikinger: Im Interview mit Prof. Dr. Rudolf Simek 2 Ausstellung ›Die Normannen‹: Im Interview mit Dr. Viola Skiba 8 Graphic Novel ›Hammaburg: Im Interview mit Jens Natter 20 Like a Viking: Im Interview mit Steel, Blood and Love‹ 27 Wikinger und Normannen: Eine Einleitung Tobias Enseleit “Wikinger” in der altnordischen Literatur Zuzana Stankovitsová Wikingerschätze – Ein Glücksfall für die Münzgeschichte Sebastian Steinbach Das Mittelalter und seine Rezeption: Medievalism Nicolas Huss Wikinger im modernen Brettspiel Lukas Boch und Anna Klara Falke Lucky Leif und die bärtigen Männer – Wikinger in Rock und Metal Christian Peters Ragnar Loðbrók Isn’t Real: The Limits of Treating Sagas Like History Adam Bierstedt Das Mittelalter im Videospiel: ›Assassin’s Creed: Valhalla‹ Tobias Schade und Tobias Enseleit Mittelalter Digital Themenheft Wikinger und Normannen Einleitung Die Geschichte der Wikinger und Normannen hat nicht nur die mittelalterliche Welt maßgeblich beeinflusst – bis heute haben sie ihre Spuren hinterlassen. Wir widmen uns in den nächsten vier Wochen der wechselhaften Geschichte dieser Menschen aus dem Norden, schauen uns an, auf welche Weise und aus welchen Gründen sie uns bis heute faszinieren, und haben mit Menschen aus Wissenschaft und Popkultur gesprochen, die sich intensiv mit ihnen auseinandersetzen. Am Ende des 8. Jahrhunderts traten die Normannen als Plünderer und Räuber das erste Mal ins Bewusstsein des westlichen Europas. Ihre Raubzüge verheerten Städte und Klöster und lösten eine Zeit kriegerische Auseinandersetzungen aus, die aber schon bald von kulturellem und religiösem Austausch begleitet wurden. Am Ende dieser Entwicklungen standen für die Nordmänner die Annahme des christli- chen Glaubens und die Errichtung von Herrschaftsbereichen in ganz Europa. Von der Norman- die aus, dem Landstrich in Nordfrankreich, der nach ihnen benannt ist, eroberten die Norman- nen nun als christliche Ritter im Laufe des 11. Jahrhunderts nicht nur die englische Insel, son- dern auch weite Teile Süditaliens und ganz Sizilien, bevor sie im Rahmen der Kreuzzüge bis ins Heilige Land zogen. Wie gelang es den Normannen zwischen den Polen kriegerischer Eroberung und kultu- reller Toleranz weit entfernt von ihrer Heimat und vor der eigenen Haustür so erfolgreich Fuß zu fassen? Wie setzten sie ihre Herrschaft durch, auf welche Weise integrierten sie lokale Be- sonderheiten und wie gestaltete sich ihr Umgang mit anderen Kulturen und Religionen? Wie funktionierten Gesellschaft und Herrschaft und welche Weltvorstellungen hatten Wikinger und Normannen? Können wir gar Einblick in ihren historischen Alltag gewinnen? Und welches Bild haben wir heute von ihnen? Also, Hörnerhelme aufgesetzt und ab ins Drachenboot: Die Reise beginnt! 1 Mittelalter Digital Themenheft Wikinger und Normannen Über Wikinger Im Interview mit Prof. Dr. Rudolf Simek Rudolf Simek ist Professor und Lehrstuhlinhaber für Ältere Germanis- tik mit Einschluss des Nordischen an der Rheinischen Friedrich-Wil- helms-Universität Bonn. Als Skandinavist und Germanist hat er sich in den letzten Jahrzehnten wie kaum ein anderer mit Wikingern und Nordmännern beschäftigt. Daneben hat er sich ausgiebig mit der Kul- tur der Germanen und mittelalterlichen Fabelwesen und Monstern aus- einandergesetzt, die bis heute unser Bild eines fantastischen Mittelal- ters prägen. Mittelalter Digital: Lieber Herr Simek, ich glaube, man sagt nichts Falsches, wenn man Sie als Koryphäe auf dem Gebiet der Wikinger- und Normannenforschung bezeichnet. Allein in den letzten Jahren haben Sie rege zu diesem Themenfeld publiziert. Dieses Jahr erscheint noch die mittlerweile achte Auflage Ihres Einführungsbandes ›Die Wikinger‹, 2018 veröffentlichten Sie ›Die Geschichte der Normannen: Von Wikingerhäuptlingen zu Königen Siziliens‹, 2016 die Monographie ›Vinland!: Wie die Wikinger Amerika entdeckten‹ und 2014 ›Die Schiffe der Wikinger‹. Aufsätze, Herausgeberschaften und Editionen sind in dieser Auflistung gar nicht berücksichtigt, die damit nur die Spitze des Eisberges einer mittlerweile Jahrzehnte währenden Forschungstätigkeit abbildet. 2 Mittelalter Digital Themenheft Wikinger und Normannen Eine so tiefgehende Beschäftigung mit einem Thema ist ohne vertieftes persönliches In- teresse gar nicht denkbar; woher kommt Ihre Begeisterung für den Gegenstand, die über Jahr- zehnte hinweg nicht abgeklungen ist? Rudolf Simek: Ursprünglich schon in den frühen 1970er Jahren von der Begeisterung für Wi- kingerschiffe, über die ich dann später auch meine Dissertation geschrieben habe. Ab da hat mich das Thema nie wieder losgelassen. Mittelalter Digital: Spätestens mit dem Erscheinen der Serie ›Vikings‹ (seit 2013) sind die Wikinger wieder in das Bewusstsein einer sehr breiten Öffentlichkeit geraten, wobei das Sujet natürlich auch in den Jahren zuvor regelmäßig Gegenstand von populärkulturellen Inszenierun- gen war. Daneben gibt es auf der Grenze zwischen Living History, Popular History und LARP eine große Reenactmentszene. Zusätzlich beanspruchen die Wikinger auch ihren festen Platz in der Kinderunterhaltung, im historischen Roman, in der Rock- und Metalszene und vielen Be- reichen mehr. Verfolgen Sie als ein Fachvertreter, der in der Vergangenheit regelmäßig auch den außer- akademischen Diskurs gesucht hat, intensiver, wie Wikinger und Normannen gesamtgesell- schaftlich verhandelt werden? Wie gehen Sie als Fachmann mit diesen – nicht selten ja recht stereotypen – Vorstellungen um? Haben Sie in den letzten Jahren, bspw. in der Lehre, festge- stellt, ob durch die erfolgreichen Inszenierungen der jüngeren Vergangenheit von Studierenden ein größeres Interesse an das Thema herangetragen wird? Rudolf Simek: Ja, natürlich verfolge ich das mit Spannung, denn die öffentliche Rezeption spiegelt nicht nur – mit gewisser Verzögerung – den Forschungsfortschritt, sondern wirft auch immer ein Licht auf die allgemeinen Zeitströmungen! Aber so neu ist das Interesse nicht: Seit gut 20 Jahren haben Ausstellungen, Festivals, Dokumentationen und sogar Kinofilme die Wi- kinger in das allgemeine Bewusstsein gerückt – und das Interesse scheint keineswegs nachzu- lassen! Mittelalter Digital: Nun sind die Bezeichnungen Wikinger und Normannen heute in erster Linie nichts Anderes als Sammelbegriffe für eine Gruppe von Menschen, die wir über Jahrhun- derte fassen können, die in sich überaus differenziert war und die uns in ganz unterschiedlichen Quellengattungen begegnet. Wikinger und Normanne werden als Begriffe gemeinhin mal sy- nonym verwendet, mal als chronologisches und kulturelles Distinktionsmerkmal. Hinzu kommt 3 Mittelalter Digital Themenheft Wikinger und Normannen in den Quellen eine ganze Handvoll weiterer, nicht selten synonym verwendeter Bezeichnun- gen wie Dänen (daci, etwa bei Heinrich von Huntingdon oder Dudo von St. Quentin, Danis vel Nortmannis bei Adam von Bremen) oder Heiden (gentib in den Annalen von Ulster), während wir ab einem gewissen Punkt – etwa bei Heinrich von Huntingdon, einem Chronisten des 12. Jahrhunderts – ein durch gemeinsame Geschichte und Abstimmung begründetes „normanni- sches“ Zusammengehörigkeitsgefühl fassen können. Was ist eigentlich ein Wikinger und was ist ein Normanne und inwiefern haben sie sich als Angehörige eines Volkes, einer gens (lat. Geschlecht, gemeinsame Abstammung) empfunden? Rudolf Simek: In verschiedenen Perioden und unterschiedlichen Sprachen sind die beiden Be- griffe jeweils anders besetzt. Aber aus heutiger wissenschaftlicher Sicht sind Wikinger Seeräu- ber aus Skandinavien (allenfalls noch alle Skandinavier der Wikingerzeit), die Normannen aber nur die Skandinavier, die sich in der Normandie niedergelassen hatten. Nach drei Generationen sprachen sie Französisch, waren durchwegs Christen und begannen von hier aus ihre Expansion nach England und Italien im 11. Jahrhundert – also schon gegen Ende der Wikingerzeit. Mittelalter Digital: Die methodischen Herausforderungen, sich dem Thema zu nähern, sind aufgrund der differenzierten Quellenlage, dem Bezeichnungswirrwarr und anderen Gründen mehr recht komplex. Wie haben Sie als Autor von Einführungs- und Überblicksbänden sowohl zu den Wikingern als auch den Normannen diese Schwierigkeiten wahrgenommen und wie haben Sie diesem äußerst heterogenen Gegenstand einen einheitlichen Rahmen gegeben? Rudolf Simek: Die Terminologie ist wichtig und man sollte immer mit den Begriffen beginnen – Eigenbezeichnungen oder Fremdbezeichnungen. Vor den historischen Entwicklungen kom- men für mich die Wörter in den Quellen. Mittelalter Digital: Wikinger bzw. Normannen gehören zu den umtriebigsten Völkern (sofern man diesen Begriff verwenden will) des Mittelalters. Von Skandinavien nach England, Irland und Schottland, über den Atlantik nach Grönland und Amerika, nach Frankreich und Deutsch- land, nach Russland und Byzanz, nach Sizilien und bis ins Heilige Land – Nordmänner haben in der ganzen bekannten Welt und darüber hinaus Handlungsbeziehungen geknüpft und eigene Herrschaften errichtet. Woher kam dieser über Jahrhunderte verspürte Drang, die heimischen Gestade zu verlassen und zu neuen Ufern aufzubrechen? 4 Mittelalter Digital Themenheft Wikinger und Normannen Rudolf Simek: Dafür gibt es ein ganzes Bündel von Gründen, ohne dass man einen davon überbewerten sollte: Klimatische Veränderungen waren es jedenfalls sicher nicht oder jeden- falls nicht allein! Mittelalter Digital: Sehr konkrete Vorstellungen vom Aussehen, Verhalten und den Lebens- gewohnheiten von Wikingern werden uns bereits