Es Muss Nicht Immer Bauhaus Sein

Es muss nicht immer Bauhaus sein Altersheim der Marie-von-Boschan- Aschrott-Stiftung, Kassel 1930 Zeitung oben: Westlicher Kopf und Teilansicht Otto Haesler und die pragmatische Moderne des nördlichen Wohnflügels unten: Haupteingang Fotos: Arthur Köster

Die moderne Architektur der zwan- sierte eigenheim”. Er war zu dieser bei Lübeck. Er war nun eher ein sich ziger Jahre des letzten Jahrhunderts Zeit kein junger, sondern schon ein selbst versorgender Kleinlandwirt als ist hinlänglich erforscht, sollte man etwas älterer “Wilder”. ein Architekt. Zwar erhielt er einige meinen. Aber bis in die Gegenwart Aufträge, beteiligte sich am Wettbe- hinein gab es immer noch große Radikal waren seine programmati- werb für das Eutiner Krankenhaus, Unbekannte in dieser vorbildlosen schen Zeilenbauten der Siedlungen aber erst in der Position des stellver- Geschichte des kompromisslosen Georgsgarten von 1926 und Blumlä- tretenden Leiters des Stadtbauamts Ausbruchs aus allen Bau-Konventi- ger Feld von 1930 mit Wohnungen im von Deutschland besetzten Polen onen. Otto Haesler (1880 - 1962) war für das Existenzminimum, ausge- in Lodz, das nun Litzmannstadt hieß, einer von ihnen, eher ein Praktiker stattet mit Gemeinschaftseinrichtun- ging er wieder seinem Beruf nach. als ein Theoretiker. Mit ihm beschäf- gen, Fernwärme und Nutzgärten von Was genau er dort ab 1941 plante, tat tigt sich seit Jahren die Kunsthisto- Leberecht Migge, dem “Spartakus und sah, ist noch unbekannt. Glei- rikerin Simone Oelker, die dem zu in Grün”. Den flachen Zeilenbauten ches gilt für seine 1943 einsetzenden Unrecht vergessenen Architekten im Blumläger Feld wurde allerdings Planungen für den zerstörten Hafen 2002 eine umfangreiche Monografie durch aktuelle Um- und Erweite- Sewastopols auf der Krim. Ein neu gewidmet und ihn jüngst mit einer rungsbauten der Garaus gemacht. So gegründeter Arbeitskreis bemüht sich informativen und gut gestalteten verständlich es ist, dass heute nie- darum, die für die Generation Haes- Ausstellung an zwei prominenten mand mehr in diesen extrem einfa- lers zwar keineswegs untypische, Orten der Moderne präsentiert hat: chen Standards von 1930 leben will, in der Biografie einer Lichtgestalt in Dessau im Meisterhaus Schlemmer so unverständlich ist die Haltung, der Moderne aber doch erstaunliche und in Celle im ehemaligen, nun mit der dieses erstrangige Baudenk- in Kassel von 1931 verdeutlicht bei- Lücke zu schließen. authentisch renovierten Wohnhaus mal preisgegeben wurde, statt nach spielhaft den umfassenden sozialen eines Schuldirektors, das Haesler besseren Lösungen zu suchen oder Anspruch des modernen Bauens, alle Nach dem Krieg bewarb sich Haesler dort 1931 an zentralem Ort am Rande wenigstens einen Teilbereich authen- neuen Aufgaben auch formal neu zu erfolglos um die Stelle des Kieler eines Parks errichten konnte. In tisch zu erhalten. lösen. Stadtbaurats und ging schließlich ins einer verkleinerten Form wird diese Durch Haeslers Häuser war Celle Auch an der wichtigen Siedlung ostdeutsche Rathenow, wo er bereits Ausstellung dann voraussichtlich in den zwanziger Jahren gleich- Dammerstock in Karlsruhe war er 1929 eine moderne Siedlung gebaut letztmalig und nur für kurze Zeit bedeutend mit Berlin, Frankfurt a. maßgeblich beteiligt, entwickelte hatte. Seine neuen Häuser entstanden im März in der Niedersächsischen M. oder Dessau zu einem Zentrum zusammen mit Walter Gropius den dort nun dank radikaler Rationali- Landesvertretung in Berlin zu sehen des Neuen Bauens aufgestiegen. Lageplan und entwarf neben den sierung so kostengünstig, dass die sein. Haesler wurde der Direktorenposten Gemeinschaftsbauten auch knapp Wohnungen darin die billigsten des Dessauer Bauhauses angeboten, zwanzig zwei- und viergeschos- Mieten in der DDR hatten. Haesler Haesler kam spät zur Moderne. Um was er aber ablehnte, weil er so sige Wohnhäuser von bestechender blieb im Osten des geteilten Landes, 1910 bevorzugte er eine traditions- beschäftigt war. Seine Volksschule Radikalität der Form. Die Siedlungen wurde 1950 zum Professor für sozi- gebundene Architektur, öffnete sich in Celle mit der zentralen, multi- Rothenberg in Kassel und Rathenow alen Wohnungsbau ernannt, in die beginnenden Reformbestrebungen funktionalen Sport- und Festhalle wiederholten im Grunde städtebauli- Deutsche Bauakademie berufen und und schließlich Anfang der 1920er mit eingehängter Projektionskabine che und typologische Muster, die er spezialisierte sich auf die Mechani- Jahre dem Expressionismus, bis er für Filmvorführungen gehörte zu in Celle mit der Siedlung Georgsgar- sierung und Industrialisierung im 1924 mit der farbenfreudig akzen- den meistpublizierten neuen “Bauten ten erstmals erprobt hatte. Wohnungsbau. Im Westen geriet er in tuierten Siedlung Italienischer der Gemeinschaft”, und das Marie- Vergessenheit, und es war ein langer Garten in Celle eines der wichtigsten von-Boschan-Aschrott-Altersheim Während des Nationalsozialismus Weg, ihn und seine Bedeutung für Dokumente der frühen Moderne im war an eine Fortsetzung dieser eine pragmatische Moderne wieder in Wohnungsbau schuf. Bei genauem Literatur: Architektur nicht zu denken. Haes- Erinnerung zu rufen. Hinsehen ist es ein Zeugnis des Simone Oelker: Otto ler wurde öffentlich angefeindet, Übergangs vom Expressionismus zur Haesler. Eine Archi- verließ mit seiner Familie Celle und Ulrich Höhns Moderne, neu vor allem wegen der tektenkarriere in der ließ sich bei Eutin nieder, inspiriert flachen Dächer. Die Staffelung der Weimarer Republik. durch eine Erinnerung an Hugo Kuben verbirgt einen bürgerlichen Dölling & Galitz Verlag, Härings organisch-funktionalisti- Habitus, die Auffälligkeit der Farben Hamburg 2002 schen Kuhstall für das Gut Garkau überdeckt traditionelle Details. Außer im Treppenhaus finden sich hier noch keine Fensterbänder, und die Ver- glasungen sehen wegen geschickter Detailarbeit nur so aus, als würden sie sich über die Ecke hinaus fortset- zen, sind aber traditionell ausge- führt. Überhaupt ist Haesler eher ein Praktiker als ein Visionär, viel näher am wirtschaftlichen Bauen als am unerprobten Detail, was manchmal zum Verzicht auf Eleganz zugunsten von Zweckmäßigkeit führt.

Im Laufe seiner über 34jährigen Tätigkeit als freischaffender Archi- tekt setzte er nun in Celle einen Altersheim der Marie- modernen Bau nach dem anderen von-Boschan-Aschrott- gegen die Fachwerkidylle der Hei- Stiftung, Kassel 1930 destadt, gründete die “heimtyp a.g. oben: Lageplan celle” und entwickelte, leider nicht unten: Grundriss EG wirtschaftlich erfolgreich, “das typi-

4 5 Es muss nicht immer Bauhaus sein Altersheim der Marie-von-Boschan- Aschrott-Stiftung, Kassel 1930 Zeitung oben: Westlicher Kopf und Teilansicht Otto Haesler und die pragmatische Moderne des nördlichen Wohnflügels unten: Haupteingang Fotos: Arthur Köster

4 5 Ende und Aufbruch des souveränen Architekten Research Architecture Zeitung

Mit der These vom Lager als “Matrix Erst wenn man das Lager im Agam- den abgeschlossen Laborbedingungen tur zukünftig zu gestalten seien. Wir müssen uns eingestehen, dass die Verantwortungslosigkeit der Archi- Analyse ist. Architektur hat sich fasst, ist derzeit an der Tate Modern der Moderne” befremdet der Philo- benschen Kontext als einen Ort ernst des Lagers eine “Architektur ohne Dies begründete er damit, dass die Architekturszene von einem Gefühl tekten. Im Angesicht fundamentaler in letzter Zeit, gerade in Reaktion in London zu sehen. Andere Arbeiten soph Giorgio Agamben gegenwärtig nimmt, dessen Zweck einzig die Eigenschaften” für “Menschen ohne Wirtschaft seit dem 11. Jahrhundert der Langeweile befangen ist. Wo alle Veränderungen des Staates und der auf die anfangs skizzierte Ermat- beschäftigen sich mit dem Themen- die internationale Architektenge- Bewahrung oder überhaupt erst die Eigenschaften” in ihrer konsequen- die Voraussetzung für die kulturelle Häuser gebaut wurden, die wir auf Öffentlichkeit flüchteten sie lieber in tung, von einer nur auf Produktion komplex der Migration: Die Künstle- meinde, die die Zeit des “Lagers” Produktion des “nackten” biologi- testen Ausprägung hervorgebracht. Entwicklung der Städte und daher absehbare Zeit benötigen, wo mit eine Belanglosigkeit. Wenn Politik und Formgebung ausgerichteten rin und Filmemacherin Angela Meli- – die “Moderne” – einmal für revolu- schen Lebens seiner Bewohner ist, auch für zukünftige Entwicklungen allen Formen schon gespielt wurde, sich im Räumlichen abspielt, wenn Disziplin zu einer reflexiven und topulous beschreibt mit ihrer Arbeit tionär und sozialkritisch hielt. Nach gewinnt seine phänomenologische Die Absicht, Raum-Bilder lesbar zu maßgeblich sei. die sich der Architekt ausdenken die Ausübung von gesellschaftlich analytischen Diskursplattform die Migrationsbewegung entlang Hannah Arendt und Michel Foucault Indifferenz den Charakter einer machen und sie in einen dialekti- kann, wo jedes herstellbare Material relevanten Prozessen Veränderungen gewandelt, die sich mit sozialen und eines Europäischen Korridors von zwingt er das Phänomen des Lagers Bautypologie. Ornamente, Details schen Zusammenhang zu stellen, Nebeneinander montiert erga- schon irgendwie seine Anwendung in der (urbanen) Landschaft hinter- kulturellen Aspekten auseinander- Klein-Asien nach Deutschland. Mit erneut aus seinem verdrängten und andere spielerische Elemente verband das Symposium der Abtei- ben Läpples Impulsreferat und die in Gebäuden gefunden hat, und sei lässt, ist dann nicht die Disziplin der setzt. Research Architecture bringt dem Konzept der “Balkanisierung” Schattendasein hervor, von dem aus fehlen und legen eine Raumorgani- lung der Bildenden Künste mit einer Ergebnisse des Workshops jedoch sie noch so absurd, hat unter einem Architektur in einer privilegierten Kulturschaffende wie Architekten, als Ordnungsstruktur beschäftigt es bislang in aller Heimlichkeit in sation offen, die bloße ökonomisierte Tagung der Architekturabteilung ein bizarres Bild. Während sich der neo-liberalen Drang unermüdlicher Situation, diese Veränderungen und Filmemacher und Kuratoren aus sich die Arbeit des in Pennsylvania Einrichtungen wie den Abschiebe- Struktur ist. Doßmann und seine bei- der AdK, die unter dem Titel “Ist Vortrag des Hamburger Professors Erneuerung, die in eine strukturelle Konsequenzen eines gesellschaftspo- der ganzen Welt zusammen, um an lehrenden Architekten Srdjan Jova- zentren der Flughäfen, Guantanamo den Co-Referenten legten daher ihr Raum ein soziales oder ideologisches unbeirrt am Primat der Ökonomie Eintönigkeit abzugleiten droht, ein litischen Handelns beschreiben und einer erweiterten Auffassung von novic Weiss. Die Künstlerin Ursula und den “gated communities” seine Augenmerk gerade auf die Analyse Raum-Projekt?” kurz zuvor stattfand. orientierte, verorteten die Studieren- Formalismus der Verzweifelung analysieren zu können? Besitzt die Architektur zu arbeiten, die sich Biemann stellt Warenströme in Bezug Wirkung entfaltete. Die Abteilung der Strukturelemente: der geregelten Mitveranstalter Heiner Molden- den Kreativität und Individualität bedrohliche Ausmaße angenommen. Architektur nicht jene Werkzeuge mit gesellschaftlichen und politi- zu den Wanderungsbewegungen der der Bildenden Künste der Berliner Zugänglichkeit über eine mehr oder schardt stellte Kracauers These – die als Zeichen für Lebensqualität genau Es stellt sich die Frage, ob eine Lehre und Herangehensweisen, um solche schen Fragen, etwa mit Konflikten Menschen, beispielsweise solche, die AdK gab nun diesem wiederholten weniger durchlässige Außengrenze, Raumbilder sind die Träume der in dem Bereich, den die Ökonomie und Forschung der Architektur nicht Entwicklungen präziser beobachten oder Menschenrechten beschäftigt. im Rahmen der Erdölförderung im Drängen der politischen Philosophie der Einlagerung in die Baracke und Gesellschaft. Wo immer die Hierogly- verlassen hatte. grundsätzlich andere Strategien ein- zu können und Möglichkeiten der Die Teilnehmer, darunter Florian Schwarzmeer entstanden sind. mit dem interdisziplinären Sym- vor allem des Rasters, das in der phe irgendeines Raumbildes entziffert schlagen muss, wenn diese Disziplin Reaktion aufzuzeigen? Diese und Schneider, Medienkünstler sowie posium Auszug aus dem Lager_Die Chronologie des Lagers immer mehr ist, dort bietet sich der Grund der Aussagekräftiger wird diese Diskre- noch irgendwie ernst genommen ähnliche Fragen beschäftigen das Gründer der Initiative ‘Kein Mensch Schließlich gibt es eine Gruppe von Überwindung des modernen Raum- an Bedeutung gewinnt. Die räum- sozialen Wirklichkeit dar – in das panz, wenn man sie durch die Matrix werden möchte. Auch nach der x-ten neu geschaffene Centre for Research ist Illegal’, Anselm Franke, Kurator Arbeiten, die sich mit Räumen der paradigmas im Dezember 2005 nach. lich-horizontale Rasterstruktur, mit Zentrum der Veranstaltung, die einen des Lagers betrachtet. Spürbar hat Meisterklasse eines “Star-Archi- Architecture, ein Master- und PhD- der Berliner Kunstwerke, Pip Day, Krise auseinandersetzt: Der am ETH Die Teilnehmer verfolgten vor allem der jeder einzelne Planpunkt bis Vortrag von Dieter Läpple zur “Auf- sich die Architektur spätestens seit tekten” mit immer professionel- Programm, das von Eyal Weizman Kuratorin in Mexico City, Joseph Studio Basel lehrende Architekt John historische, literaturwissenschaftli- zum Barackenschlafplatz genaues- lösung städtischer Strukturen und die der Französischen Revolution unter ler gemorphten Formen bedarf es am Goldsmiths College der University Grima, Mitherausgeber von Domus Palmesino arbeitet mit dem Konzept che sowie kunsthistorische Spuren tens adressierbar wird, erleichtert Neuerfindung des Städtischen” mit dem Primat der Biopolitik der libe- beständig mehr Wohlwollens, den in of London gegründet wurde. Weiz- in Mailand, oder Francesca Ferguson der Neutralität, das beispielsweise und versuchten, “den Begriff des zugleich eine differenzierte hie- der Endpräsentation eines Studieren- ral-ökonomischen Nationalstaaten diesem Kontext entstandenen Arbei- man – Architekt, Kurator und Autor als Kuratorin und Leiterin des Basler in Puffer- und Sicherheitszonen zur Lagers durch ästhetische Sondierun- rarchisch-vertikale Markierung den-Workshops, der die “gesetzlosen” von der romantischen “Mutter der ten eine Relevanz zuzusprechen. – zeigte mit seiner Arbeit zum Isra- Architekturmuseums verdeutlichen Anwendung kommt. Der Israeli- gen zu schärfen”, wie der Mitini- der einzelnen Lagerinsassen. Die Räume der Stadt entziffern sollte, Künste” Raffaels und Michelange- Auch wenn der Bauboom in China elisch-Palästinensischen Konflikt, eine Vielschichtigkeit, die sich auch sche Dokumentarfilmemacher Eyal tiator Ludger Schwarte das Konzept individuellen Kennzeichnungen wie- kombinierte. los zu einer modernen Technik der und Dubai noch einen Bedarfsdruck dass architektonische und raumpla- in den unterschiedlichen Arbeitswei- Sivan thematisiert das Konzept des charakterisierte. derum erlauben die Etablierung eines Massensteuerung entwickelt, die da, vorgaukelt, der jedoch immer stärker nerische Eingriffe kriegerische Akte sen und -Techniken niederschlägt. “Zeugen” im Kontext von Terror und Systems der Gewährung und des Ent- Die Studierenden sondierten mit der wo sie am modernsten und ökono- wie eine Fata Morgana der 90er Jahre sein können, und dass der architek- Verbrechen. Der Autor dieses Textes Die Symposiumsidee – die abstrakte zugs sozialer Minimal-Privilegien, städtischen Brache auch hier einen mischsten war, den fordistischen erscheint, gilt es zu resümieren, dass tonischen Disziplin eine besondere Die Studienarbeiten lassen sich arbeitet über die Räume der humani- und nicht gerade sich selbst erklä- mit dem – als Belohnungssystem “Ausnahme-Ort” der Moderne (oder Städtebau, die Frankfurter Küche, sich dieses Verständnis von Archi- Verantwortung in der Beschreibung in drei Themengruppen einteilen: tären Hilfe und Raj Rana untersucht rende Lagermatrix Agambens am auf gegenseitige soziale Kontrolle Postmoderne). Deren Ausnahme- das Stützenraster und – das Lager tektur erschöpft hat. unseres Umfelds und der Reaktion Eine Gruppe fragt nach dem Raum die internationalen Strukturen von konkreten Objekt zu veranschauli- gestützt – sich die Wachmannschaf- Zustand besteht im Gegensatz zu der generierte. Anti-moderne Tendenzen auf Veränderungen obliegt. zwischen Kunst und Architektur Hilfsorganisationen. chen – folgte dem Prinzip der Benja- ten erheblich reduzieren lassen (Else konsequenten Durchökonomisierung wie die Dekonstruktion der Architek- Architektur ist eine Disziplin, die wie beispielsweise Shuman Bazar in minschen Montage, auf die Georges Rieger, Elissa Mailänder-Koslov). des Lagers darin, dass sie komplett tur und die postmoderne Sehnsucht sich aktuellen Problemen stellt. Sie Research Architecture begreift sich seiner Ausstellung über die Frage, ob Angestoßen wurde Research Didi-Huberman in seinem Eröff- Zudem können mit Hilfe der räumli- aus dem wirtschaftlichen Verwer- nach “Komplexität und Widerspruch” besitzt das Instrumentarium, um als Labor und Wissenschaftskolleg Gebäude kuratieren können, die unter Architecture von Irit Rogoff, Pro- nungsvortrag einging: Erst wenn chen Markierungen imaginäre Wege tungskreislauf herausgefallen ist. lassen sich in diesem Kontext als gesellschaftliche, politische, soziale und verfolgt einen von der Praxis anderem in der Storefront Gallery in fessorin für Visual Cultures, die als eine Darstellung “dialektisch” ist – in und Barrieren festgelegt werden, Trotzdem ist die Brache nicht zur Öde im Kern anti-ökonomische Aufbrü- und ästhetische Situationen zu getriebenen Forschungsansatz mit New York gezeigt wurde. Celine Con- Grande Dame dem Projekt inner- diesem Fall eine Montage von Bild ohne dass bauliche Maßnahmen verdammt. Die Studierenden charak- che verstehen, die die biopolitisch bewerten und Konsequenzen vorzu- dem Anspruch, dass eine praktizierte dorellis Projekt ‘support structures’, halb der Universität eine Deckung und Text – sei sie lesbar und könne eingeleitet werden müssen. terisierten sie im Gegenteil empha- motivierte Reduktion der architek- schlagen. Dass nach der Wiederverei- Raumgestaltung auch Forschung das Architektur als Unterstützer und verschafft hat, und somit dem Kreis ihre Aussagen zu einem “Kristall des tisch als einen Ort von geistiger und tonischen Werke unterlaufen und sie nigung, zu einer Zeit, in der sich die sein kann. Architektur wird in einer Hilfskonstruktion für Künstler auf- der ausgewählten Teilnehmer eine Totalgeschehens” verdichten. Mitspracherechte fallen in der Regel gestalterischer Freiheit, Spontaneität wieder für andere Einflüsse als dem wesentlichsten Prozesse der Bundes- erweiterten Bedeutung verstanden, in Europa sicherlich einzigartige Art als Kollateralschaden dem Ausnah- und lebendiger Vielfalt – vertraten simplen “form follows function” zu republik seit ihrer Gründung abspiel- insofern sie gleichzeitig das Objekt des Austausches ermöglicht. Angesichts der notwendigen Paralle- mezustand zum Opfer – über dessen jedoch zugleich die Meinung, dass öffnen. ten, die Architekten der werdenden der Forschung und die Methode der lität von Bild und Analyse überrascht Berechtigung und Dauer die Lager- sich solche Eigenschaften nicht pla- Hauptstadt über Fensterdetails und Manuel Herz es nicht, dass die beschreibende Son- Exekutive souverän nach sachlichen nerisch, sondern höchstens diskursiv Zu den uneingelösten sozialen Fassadenaufteilungen diskutierten, dierung des materiellen Lager-Raums Zwängen bestimmt. Banalitäten wie erreichen ließen. Die Gegenüberstel- Versprechen der Moderne gehört zeigt in einer erschreckenden Weise allein zunächst kaum aussagekräf- individuell gestaltbarer Freiraum, lung mit der durchkommerzialisierten offensichtlich, Qualitäten wie nicht nur die Ignoranz der architek- tige Merkmale erbrachte; das Lager Spontaneität und Bewegungsmög- und reglementierten Vergnügungs- Spontaneität, Kreativität, Diskur- tonischen Disziplin, sondern auch die lasse “keine verbindliche bauaufga- lichkeiten, die zur Entfaltung der zone des Potsdamer Platzes bot einen sivität und Selbstverwirklichung benspezifische Architekturtypologie” menschlichen Persönlichkeit nötig Kontrast, der kaum schärfer hätte nicht genügend Raum geboten erkennen (Axel Doßmann, Jan u. sind, werden zum wertvollen, aber sein können. Im direkten Vergleich zu haben. Im “Homo Sacer” hebt Kai Wenzel). Ralph Gabriel lehnte knappen Privileg. Nirgendwo sind kristallisierte sich die Brache mit Agamben als mögliche Reaktion auf es sogar für den scheinbar engen Leben und Architektur radikaler ihrem hohen Freiheitsgrad gleichsam die “Matrix des Lagers” Heideggers Bereich des nationalsozialistischen rationalisiert und nirgendwo sonst als substanzieller Prototyp eines Aufforderung, den Lebens-Entwurf Lagers ab, von einem einheitlichen gewinnen Leben und Architektur Agambenschen “Anti-Lagers” heraus. als ein selbstbestimmtes Projekt zu Typus zu sprechen. Es sei so wenig so sehr den Charakter einer “rei- begreifen und anzugehen, hervor Bauform und so sehr Organisation, nen Zweckform” (Gabriel) wie im Im Gegensatz zu Agambens juri- – dieses Vorhaben kollidiert jedoch dass die Form in der Organisati- Lager. Der Architekt verliert jeden disch-philosophischem Ansatz grundsätzlich mit einer Planung, die ons-Struktur nicht als eigenstän- Gestaltungsspielraum und wird analysierte Läpple die Wirklichkeit sich als hierarchisch organisierte, dig wahrnehmbar sei und mit ihr selbst zum bloßen Techniker. Die aus einer ökonomischen Perspektive. unhinterfragte Ökonomisierung aller zusammen falle. Das Lager löse sich Reduktion der Lagerinsassen auf das Juristische, wissenschaftliche oder Lebensprozesse begreift. Eine Lösung ins “Lagerhafte” (Wolfgang Pircher) “nackte” (Über-)Leben wiederholt politische Entwicklungen rechnete er dieses Gegensatzes steht offensicht- auf, dessen Indifferenz es ermög- sich in der rudimentären Bauform – so weit wie möglich – in ebensolche lich noch aus, denn die Analyse der lichte, die KZ nach 1945 nahtlos als – dem “nackten” Kubus von Baracke Daten um. So entstand ein sorg- angehenden Planer führte schließlich Internierungslager für Nazis und oder Container. Als Fazit lässt sich fältig recherchiertes ökonomisches zum resignierten Abschluss-State- Auffanglager für Vertriebene, später mit einer Anleihe an den Titel eines Datenraster, aus dem heraus kultu- ment: “Planen Verboten!” für Gastarbeiter umzufunktionieren. literarischen Schlüsseldokuments, relle Leistungen wie die Architek- das ungefähr gleichzeitig mit dem Bureau Schmitz-Söhnigen Goldsmith College, Centre neuartigen Lagertypus entstand, for Research Architecture, festhalten: Die Moderne hat unter *Ein Sammelband erscheint in Kürze London. www.goldsmiths. ac.uk/architecture

6 7 Ende und Aufbruch des souveränen Architekten Research Architecture Zeitung

6 7 Raum und Vorstellung von Raum Zeitung

Die Geometrie des gebauten Raumes mung des Alltäglichen wird durch so Untersuchungsgegenstand ist die sein Imaginations- und Innovations- Museum widmet sich auch die Tate In den Vereinigten Staaten wurden der neuen Saison zu Werbezwecken und die Geometrie des kognitiven genannte Begriffsdialoge geschärft filmische Gesamtkonstruktion von potential für das architektonische Modern dem Thema. Sie zeigt in einer bereits Ende der 1990er erste Versuche in Übersee veranstaltet und bei denen Raumes sind ihrem Wesen nach unter- und im Sinne der Ästhetik als Theorie David Lynchs erstem Langspielfilm Denken liegt. Statt einer Auflösung großen Retrospektive die Werke der einer Ablösung der kritischen Archi- jeweils zwei amerikanische Teams vor schiedlich. Elemente, Strukturen, Situ- der Erkenntnis erweitert. “Eraserhead”. Als Schlüsselbegriff für des Raums wird seine Zergliederung Bauhäusler Albers und Moholy-Nagy. tektur durch einen “neuen Pragma- einheimischem Publikum gegenein- ationen verdichten sich zu “images” Der inhaltliche Aufbau des Buches die räumliche Analyse der oft düste- in die Komponenten Mensch, Ort, Zeit Die Victoria & Albert Ausstellung tismus” vorangetrieben (archplus ander antreten. unseres Gedächtnisses und verraten entspricht dem einer klassischen ren Filmstimmungen erweist sich die und Handlung vorgeschlagen. Dieser wird von Habitat gesponsort, das für 156, 2001). Die Diskussion um eine uns etwas über die Vorstellung und Aufsatzsammlung und wird mit einer Vorstellung des Unheimlichen, das Ansatz wird durch aufschlussreiche diese Gelegenheit Gunta Stölzs Bau- post-kritische Theorie ist seitdem Dabei lagen gerade einige der inte- Lesbarkeit räumlicher Situationen. weitläufigen Einführung über “Räume, sowohl aus einer psychoanalytischen, Exkurse über Raumbegriffe bei Sem- haus-Teppiche neuauflegt. nicht abgeebbt und wurde spätestens ressanteren Beiträge der Konferenz Mag der abstrakte, d.h. der metrische Medien und Fiktionen” eröffnet. Ohne als auch aus einer filmischen Sicht per und Taut sowie Zusammenhänge So hat die Moderne ihren demo- seit dem Erscheinen des Beitrags außerhalb der spezifischen Regeln oder physikalische Raum unser Denk- nennenswerte Brüche, doch in einer besprochen wird. von Raum und Ort bei Aristoteles, kratischen Anspruch – gutes Design “Notes Around the Doppler Effect” des professionalisierten Theoriedis- raum sein, der für unsere Existenz Reihe von teilweise thematisch isoliert Kant und Einstein vertieft. für die Massen – doch noch verwirk- von Robert Somol und Sarah Whiting kurses. So versuchten die europä- eigentlich bedeutungsvollere Raum wirkenden Beiträgen, strukturie- Das vierte und zugleich letzte Kapitel licht und ist mit fast hundertjähriger (in diesem Heft S. 83ff) in den USA ischen Vertreter der Debatte, den ist jedoch der imaginäre Raum, sprich ren die Begriffsdialoge die einzelne des Buches erörtert die Beziehung In seiner Gesamtheit betrachtet prä- Verspätung im Kapitalismus ange- mit erhöhter Intensität geführt. Themenkomplex in einen weiteren unser Vorstellungsraum. Schwerpunkte des Buches. von “Raum und Metapher”. Elisa- sentiert sich Imaginäre Architekturen kommen. Gerade als Kritiker ihrer eigenen theoretischen Kontext einzubinden. Das klingt erst einmal selbstver- beth Lacks Beitrag “Kafka und der als eine informative und kritische Ausbildung scheint den Architektur- Allerdings wurde schnell deutlich, ständlich und nicht neu, ist aber auf Im ersten Kapitel thematisieren Kreis” untersucht beispielsweise die Aufsatzsammlung über bekannte Julia Bodenstein studenten der TU Delft das Fehlen dass eine Bezugnahme auf tatsächlich die Architektur bezogen folgenreich. Laura Bieger und Annika Reich “Die Verwendung und Bedeutung räumli- und neue Ansichten der aktuellen einer stärker der Praxis zugewand- realisierte Beispiele fehlte. Denn auch Demnach impliziert die Produktion Stadt als Vorstellung”. Eindrucksvoll cher Metaphern in der Literaturwis- Raumdebatte. Es ist ein Lesebuch für Victoria & Albert Museum, London ten Theorie besonders deutlich zu niederländische Praxis-Vertreter wie und Gestaltung von räumlichen wird der faszinierende und zugleich senschaft aus Sicht der kognitiven Raumtheoretiker und solche Archi- Modernism: Designing a New World - 4.6.2006 Kunsthalle Bielefeld vom sein. Also die Vorstellung von einer Kamiel Klaasse von NL Architects und Situationen nicht bloß eine seelenlose desillusionierende Prozess von Linguistik. Als Beispiel dienen die tekten, die sich einen kleinen, aber 1914-1934 vom 6. 4. - 23. 7. 2006 25.6. - 1.10.2006 Architektur, die sich nicht länger als Wouter Vanstiphout bezogen sich nur Bauproduktion, sondern auch das, architektonisch reproduzierbaren Tagebuchaufzeichnungen Franz Kaf- inspirierenden Überblick über kul- autonome Disziplin außerhalb der bedingt auf die “projektive Debatte”. was Gernot Böhme als “Atmosphären” Stadtbildern beschrieben. Anhand kas über die Darstellung von Raum turwissenschaftliche Sichtweisen auf Tate Modern, London Postkartenentwurf für die Spartakiada, Realität begreift, sondern die sich der Lediglich Willem-Jan Neutelings ver- bezeichnet und womit er das flüchtige einer vergleichenden Diskussion des und Imagination. Kafka wählte die dasjenige verschaffen wollen, was sie Albers & Moholy-Nagy: From the Moskau 1928 von Gustavs Klucis (Staatli- umgebenden Gesellschaft verpflichtet mochte zu provozieren, indem er die Verhältnis zwischen teilhabender italienischen Originalbilds der Stadt geometrische Metapher des Kreises, oftmals für sich alleine in Anspruch Bauhaus to the New World vom 9. 3. ches Kunstmuseum, Riga, Lettland) fühlt. Zugleich aber auch eine Archi- Diskussion durch sein Beharren auf Wahrnehmung und gestalteter Umwelt Venedig und der medialen Eindimen- um sein inneres Gedankenbild als zu nehmen glauben – den Raum und tektur, die nicht nur durch die jeweils der grundsätzlich positiven Neutrali- einzufangen versucht. In diesem Sinne sionalität seiner vielen Kopien in den eine bestimmte Ordnung von Raum zu die Vorstellung von Raum. aktuellen Erkenntnisse in Soziologie, tät der Disziplin mehrfach anfachte. ist das Ziel seiner Phänomenologie des USA, wird die Macht und der Einfluss beschreiben. Die Sorgfalt und Genau- Philosophie oder Sozialkritik determi- Die unfokussierten Einzelströmungen Raumes nicht die Frage, wie Raumvor- solcher künstlicher Stadtwelten auf igkeit, mit der Kafka dabei vorgegan- Georg Vrachliotis Delfter Unbehagen niert wird, sondern sich auch auf die bleiben damit wohl vorerst konser- stellungen und Raumwahrnehmungen unser Bewusstsein verdeutlicht: das gen ist, verdeutlicht die Macht räumli- eigenen Stärken zu besinnen vermag. viert. Die Flüchtigkeit des Projektiven zustande kommen, sondern das Auf- “Als-ob-Gefühl” als architektonisches cher Metaphern als strukturgebende Annette Geiger, Stefanie Hennecke, The Projective Landscape Stylos Conference Und nicht zuletzt eine Architektur, blieb ergebnislos, der geradlinigen decken jener Bedingungen, welche die Konzept. Elemente nicht nur in der Literatur. Christin Kempf (Hg.): Imaginäre Archi- die angesichts der Herausforderungen Zukunftsorientierung und Legitimati- Erfahrung des Raumes im allgemeinen tekturen. Raum und Stadt als Vorstel- einer globalisierten Welt nicht nur in onssuche der Studierenden zum Trotz. ermöglichen und welche gewisserma- Ebenfalls in diesem Kapitel setzt In der abschließenden Diskussion um lung. 271 Seiten, Reimer Verlag, Berlin Schon der Vorlauf der Konferenz eine Handvoll Studierende bis zu distanzierter Kritik verharrt, sondern “What is left is just an intention” war ßen für den Raum konstitutiv sind. sich der Beitrag von Annette Geiger, die “Reine Schöpfung der mensch- 2006, ISBN 3-496-01345-1, 39 Euro machte das Anliegen der Organi- einem Jahr unbezahlte Auszeit vom sich jenseits bloßer Affirmation wie- das eilige Fazit von Edwin Gardner, “Atmosphären” werden weniger als “Virus-Metaphern in der Postmo- lichen Phantasie” von Toni Bern- satoren deutlich, zu produktiven Studium. In den letzten 20 Jahren ist der als handlungsfähig begreift. einem der Organisatoren. Erfahrung, sondern vielmehr als phi- derne”, kritisch mit der von Peter hardt betritt der Leser endgültig den Ergebnissen zu kommen. So enthielt die Studentenvereinigung bereits als losophischer Begriff und eigenständige Eisenman ausgerufenen Virus-Meta- architekturphilosophischen Boden. die Februar Ausgabe der Zeitschrift Initiator unterschiedlicher Debatten Eines der Ziele der “Projective In Delft haben mehrere hundert Stu- ästhetische Raumkategorie betrachtet. pher als “Gestaltungsprinzip” für die “Je komplexer man den Raum zu ver- Pantheon zur Vorbereitung die Posi- aufgetreten. Die Projective Konferenz Landscape Stylos Conference” war dierende an der Konferenz teilgenom- Wahrnehmungsphilosophisch rückt Architektur und “zukünftiges Leitbild stehen versucht, desto mehr führt das tionen aller Beteiligten und wurde, stellt sich in eine Reihe mit “The darum nicht weniger, als verschie- men. Unter den deutschen Architek- diese Sicht auf den Raum in die Nähe in der Gestaltung überhaupt” aus- Nachdenken über Raum in die Nähe anders als sonst, auf Niederländisch Invisible in Architecture” (1987) oder dene Entwicklungen der aktuellen turhochschulen sucht man vergeblich von Alexander Gottlieb Baumgartens einander. Die Charakteristik heutiger der Auflösung des Raums.” Genau veröffentlicht. Damit sollten für die “Context and Modernity” (1990). Auch Architekturdebatte in Europa und den nach einer derartigen studentischen Aesthetica. digitaler Entwurfsprogramme sei, dass diesem Dilemma – ein ungewolltes Debatte um eine “Projektive Architek- das zweijährlich stattfindende “Inter- Vereinigten Staaten zusammenzufüh- Debattenfestigkeit und einem entspre- sie in der Formfindung wie ein Virus Ergebnis vieler analytischer Raum- tur” möglichst viele Rezipienten unter national Design Seminar” (INDESEM) ren und in der direkten Konfrontation chenden Engagement. In absehba- Über genau diese Kategorie des Ästhe- agieren und statische Entitäten in theorien –, wird entgegengestellt, dass den Studierenden der TU Delft gewon- konnte seit der ersten Veranstaltung von Befürwortern und Gegnern deren rer Zeit erscheint ein Buch mit den tischen suchen sich die drei Heraus- dynamische Kraftflüsse verwandeln. gerade in der Komplexität des Raums nen werden. Pantheon wird von der mit Vertretern des Team X 1964 konti- Thesen weiter zu entwickeln. Lara nachträglich geordneten Beiträgen der geberinnen Annette Geiger, Stefanie Erneut hat Eisenman damit ein Sinn- lokalen Architekturstudentenorgani- nuierlich wichtige Impulse geben. Schrijver und Jasper de Haan haben Projective Landscape Stylos Confe- Hennecke und Christin Kempf einen bild präsentiert, dessen Relevanz und sation Stylos herausgegeben, welche Die aktuelle Veranstaltung sollte die Studierenden bei der Vorsortie- rence. Die vorliegende archplus 178 Zugang zu der Frage, was die Macht Tragweite für den architektonischen seit 1894 als Stiftung die Interessen vor allem eine Nachfolge der Tagung rung und Konzeption unterstützt. nimmt einige Linien der Konferenz und die Faszination von Räumen aus- Diskurs uns noch beschäftigen wird. Ausstellungsstück Moderne der mittlerweile 3500 Studenten an “The Critical Landscape” (1995) Aus dem deutschsprachigen Raum auf und versucht, sie eigenständig macht. Auf fast 300 Seiten haben sie Den ersten Schritt hat dieser kritische der Fakultät Bouwkunde vertritt und sein, auf die bereits ihr Titel ver- wurden lediglich archplus und Ole W. weiter zu denken. eine Auswahl von kulturwissenschaft- Beitrag geleistet. mit 100 Vollzeitaktivisten zu den weist. Jedoch war den Organisatoren Fischer von der ETH Zürich an dieser lichen und raumtheoretischen Essays größten und aktivsten Studentenver- spätestens zu Beginn der Konferenz Bestandsaufnahme beteiligt. Stephan Becker, Martin Luce zusammengetragen, die aus einem Im zweiten Kapitel diskutiert Christin Die Moderne ist angekommen. Aus- Die wenigen britischen Beispiele der einigungen der Niederlande gehört. bewusst, dass gerade der Begriff interdisziplinären Symposium an der Kempf das “Entwerfen als imaginärer gerechnet in dem Land, wo dieselbe gebauten Moderne wurden maßgeb- Landschaft nicht mehr zeitgemäß Im Verlauf der Konferenz wurde www.projectivelandscape.nl Universität der Künste Berlin hervor- Entwurf”. Der Beitrag “Visionen für in den Zwischenkriegsjahren vom lich von Immigranten konzipiert: den Die unabhängige, rein studenti- ist, deutet er doch auf eine Weite, die jedoch schnell deutlich, dass die hoch mit Stan Allen, M. Christine Boyer, gegangen sind – eine Veranstaltung die Leere” reagiert auf den zum Slogan damaligen Direktor des Königlichen Russen Lubetkin und Chermayeff und sche Organisation initiiert Work- aufgrund der fehlenden Vielfalt an gesteckten Ziele kaum zu erreichen Hans van Dijk, Ole W. Fischer, Arie mit dem enigmatisch klingenden Titel gewordenen Ausdruck Shrinking Instituts der Britischen Architekten dem Ungarn Ernö Goldfinger, dessen shops, Lesungen, Exkursionen und Positionen gar nicht gegeben schien. sein würden, erinnerte doch der Graafland, K. Michael Hays, Kamiel Imaginäre Architekturen – Raum und Cities mit einem eindeutigen Postulat: Reginald Bloomfeld als “alien Plot” modernistisches Haus in Hampstead ist zugleich auch kritische Instanz Damals wurden, nachdem K. Michael selbstbezügliche Diskurs der ameri- Klaasse, Nikolaus Kuhnert, Reinhold Stadt als Vorstellung. Unter Imaginären Mittels unterschiedlicher Raumstrate- dämonisierte wurde, wird sie in seinen Nachbarn Ian Fleming so sehr gegenüber dem Lehrkörper und Ver- Hays 1984 den Begriff der “kritischen kanischen Gäste zeitweise eher an ein Martin, Anh-Linh Ngo, Willem-Jan Architekturen verstehen die Herausge- gien aus der konzeptionellen Grauzone einer großen Retrospektive ausge- degutierte, dass er seinen nächsten waltungsapparat. Für ein Engagement Architektur” formulierte, unter seiner Familientreffen. So blieb auch das Neutelings, Lara Schrijver, Rob- berinnen “keineswegs nur den Bereich von Raumkunst und Architektur wird stellt. Vom 6. April bis 23. Juli zeigt 007-Bösewicht nach ihm benannte. bei Stylos, so auch für die Organisa- Beteiligung Antworten auf die Frage Drängen der ursprünglichen Passgeber ert Somol, Michael Speaks, Naomi der ungebauten bzw. unbaubaren gefordert, den Begriff und das Prinzip das Victoria & Albert Museum in Die groß angelegte Ausstellung zeigt tion der Konferenz “The Projective erörtert: “What should a critical Robert Somol und Sarah Whiting auf Stead, Roemer van Toorn, Peter Utopien, vielmehr sei behauptet, dass der Funktion in Zeiten des architek- London “Modernism: Designing a den Wandel von einer anfänglichen Landscape Stylos Conference” (16. conscious architect, at this moment in neue inhaltliche Positionen erfolglos, Trummer, Wouter Vanstiphout, jede Form der Stadt- und Raumge- tonischen und urbanen Leerstandes New World, 1914-1939”. Der Kurator Feindseligkeit gegenüber der “ersten – 17. März 2006), nehmen im Regelfall history, be doing?” nicht zuletzt auch, weil sie ihre bisher Sarah Whiting staltung – auch die real existierende neu zu überdenken. Die Message ist Christoph Wilk erhebt den Anspruch, Moderne” hin zu einer zunehmenden eher spekulativen Inputs kaum weiter – auf einen fiktiven Anteil reagiert. deutlich: “Es gibt keinen unbrauchba- die Moderne total zu zeigen. Nicht Popularisierung. “Open plan” und entwickelt hatten. Doch auch ihre Konferenzorganisation: Teun van Man mag gerade in diesem imaginären ren Raum, es gibt nur ungebrauchten nur Entwicklungen in allen visuellen “modern” sind in das Vokabular von Kontrahenten, zu vorderst vor allem den Ende, Edwin Gardner, Jas- und damit kontingenten Anteil den Raum”. Künsten werden angerissen, ihre Maklern und Möbelverkäufern über- Reinhold Martin und K. Michael Hays, per de Haan, Barbara Luns, Ruben ästhetischen Charakter von Archi- Geschichte wird auch aus einer inter- gegangen. konnten durch ihre fast ausschließli- Molendijk, Michiel van Raaij, Lara tektur erkennen”. Was nun allerdings Um “Fiktionale Orte” geht es im nationalen Perspektive erzählt. Dafür Die Moderne entwickelt sich che Bezugnahme auf die Thesen der Schrijver, Anselm van Sintfliet, Jouke das Wesen und die Bedeutung dieses dritten Kapitel. Der Beitrag “Die wurden Exponate aus der Tsche- scheinbar weg von einer politischen, amerikanischen Kollegen nur bedingt Sieswerda, Egbert de Warle, Laura fiktiven Anteils genau ist, wird dem Anatomie des Krisenraumes” analy- choslowakei, Deutschland, Rußland, wenngleich auch elitären Position, hin überzeugen. Zeitweise erinnerte die Ubachs Leser an vielen Stellen nicht deutlich. siert die Kinematographie als einen Amerika und vielen anderen Ländern zum allgegenwärtigen Geschmacks- Konferenz so an die Testspiele, die der Der kritische Blick auf die Wahrneh- allgemeinen Ort des Imaginären. zusammengetragen. standard. Neben dem Victora & Albert amerikanische Profisport vor Beginn D.B.S.G. STYLOS www.stylos.nl

8 9 Raum und Vorstellung von Raum Zeitung

8 9 Die Planung des Unmöglichen Die unerträgliche Leichtigkeit der Dachkonstruktion Zeitung Melancholie, Genie, Wahnsinn und die Tränen der Meister

Mit der Ausstellung “Plan the Wirkung seines Werks ging sogar so Die Stadtentwürfe lassen aber Die Schau Melancholie – Genie und einen Augenblick inne und rollte der nach dem Unerreichbaren strebt. Grausamkeit“: “Kästners Lyrik, Impossible. The Work of Architect weit, dass alle Abläufe und Handlun- zugleich erkennen, wie sehr Wijde- Wahnsinn in der Kunst in der Neuen dann wieder unter dem gewaltigen Im Bewusstsein der eigenen End- so Benjamin, wahrt vor allem die Hendrik Wijdeveld (1885-1987)” prä- gen einer strikten Choreographie zu veld durch seine Reisen in die großen Nationalgalerie verspricht die Ver- Stahldach hervor. Eine sentimentale lichkeit ist der Melancholiker dem Interessen einer asthmatischen Zwi- sentiert das NAI die Arbeiten eines folgen hatten. Kurz, was auch immer Städte Europas beeinflusst wurde. So anschaulichung einer “Universalidee Anekdote um dieses Ereignis erzählt, letztendlichen Scheitern geradezu schenschicht: Agenten, Journalisten, Architekten, der vielen als einer im Haus geschah, musste Wijdevelds war er sich schon sehr früh über das der Melancholie”. Auffällig ist in Mies van der Rohe habe in diesem verpflichtet. Ähnliches muss man Personalchefs. Alles Leute, die halb der fantasievollsten der niederlän- hohen Vorstellungen von Kultur künftige Wachstum dieser Städte im erster Linie der Anspruch der Macher Augenblick geweint, berührt von der auch für ein Projekt befürchten, dass hoffnungsvoll, halb verzweifelt in dischen Architekturgeschichte gilt. genügen. klaren und suchte bereits 1918 nach auf Größe. In jeder Hinsicht: Nicht unerträglichen Leichtigkeit seiner sich vorgenommen hat, alles über die dieser Gesellschaft (ja, bis heute!) Kein Wunder, war doch die Welt möglichen Lösungen für die daraus nur die Anzahl der gezeigten Werke Dachkonstruktion. Melancholie zu sagen und zu zeigen. nach Luft ringen. Beim Wahren ihrer für Wijdeveld vor allem ein großes Natürlich versuchte Wijdeveld, diese resultierenden Probleme. Als Ansatz – allein 300 Meisterwerke wurden Für Ungers stellte sich die Frage, Vor allem aber sind die Ausstellungs- Interessen geht sogar die Melancho- Theater für die Inszenierung seiner Regeln auch den Bewohnern seiner wählte er eine Auflösung der Stadt Persönlichkeit als mit seiner Arbeit. zusammengetragen –, sondern auch ob in diesem Moment nicht alles macher bemüht, den spirituellen lie vor die Hunde. Sie kann in der Träume, die er bewusst als visuelles Gesamtkunstwerke vorzuschrei- in der Landschaft, durch die er eine Aber im Kontrast zu diesem Bild von der 512 Seiten umfassende Katalog, gesagt war und ob die Studierenden Geheimnissen des Kunstschaffens Branche, will man Erfolg haben, nur Spektakel gegen die abstrakten, auf ben. Als einer seiner Auftraggeber organische Verbindung zwischen Wijdeveld als Träumer und Visionär der sich “als Standardwerk über die vielleicht Recht behielten: “Hat hier auf die Schliche zu kommen. Zwar unterhaltsam ausgedrückt werden. Wissenschaft und Statistik beruhen- eine Regel brach und Plastikblumen den Gebäuden und der natürlichen ist sein realisiertes Werk alles andere Melancholie in der Kunst” ver- das Konzept der Avantgarde seinen wird in den Vorworten des Kataloges Das bedeutet politisch‚ die Ver- den Entwürfe der Funktionalisten auf dem Flügel platzierte, beendete Umgebung realisieren wollte (Man als vernachlässigbar. Es umfasst steht. Schließlich geht es um große Höhepunkt erreicht und zeigte sich mehrfach nachdrücklich erwähnt, wandlung des Kampfes aus einem stellte. Dementsprechend richtete er Wijdeveld sofort jeglichen Kontakt. beachte auch bei diesem Thema die Ladeneinrichtungen, mehrere große Gefühle. in dem gleichzeitigen Protestschrei wie bravourös Jean Clair diese Zwang zur Entscheidung in einen auch in seinen realisierten Gebäu- Seine persönlichen Vorstellungen enge Verwandtschaft zu Tauts Utopie Wohnungsbauprojekte und einige, der Studenten auch schon wieder ihr Leistung gemeistert habe, doch lässt Gegenstand des Vergnügens, aus den die Aufmerksamkeit eher auf von Schönheit und Ästhetik waren von der “Auflösung der Städte”). Auf teilweise riesige Pavillons für Die Black Box Ende?” sich dem französischen Chef-Kurator einem Produktionsmittel in einen das Subjektive und Individuelle und damit eindeutig der Ausgangspunkt diese Weise hoffte er, sich von den Weltausstellungen wie auch große Unter dem Titel Salon Noir wird die in erster Linie nur attestieren, dass Konsumartikel.” Für Kästners Lyrik verfolgte damit einen völlig anderen für all seine Entwürfe und Projekte Einschränkungen der Straßen und und kleine Landhäuser, die Schule Ausstellung in der Black Box von Die Ausstellung er dem Thema der Melancholie mit und dessen Rezipienten hat Benjamin Ansatz als De Stijl oder die Neue und diesem Ansatz blieb er auch Plätze zu befreien und im Zusam- ‘Elckerlyc’ bei Utrecht und mehrere einem vielfältigen Veranstaltungs- Die Liste der ausgestellten Objekte Bravour sein Lebenswerk gewidmet wenig übrig. Er wirft ihm und ande- Sachlichkeit. Denn die Faszination bis zum Ende treu. Als Wijdeveld menspiel mit der Landschaft eine Ausstellungskonzepte für das Ste- programm begleitet. In der strikten reicht von Schlüsselmomenten der hat. Mehr als zehn Jahre Vorberei- ren Schriftstellern vor, statt Kritik seiner Kollegen für das ‘Existenz- in hohem Alter in ein Wohnheim räumliche Choreographie der Öffent- delijk Museum. formalen Trennung von statischer europäischen Kunst (Melancholia tung für die Ausstellung und drei zu üben die Konsumgesellschaft zu minimum’ teilte er nicht, eher schon umziehen musste, ließ er sofort den lichkeit zu inszenieren. Seine Erfah- Ausstellung im Untergeschoss und I von Albrecht Dürer, 1514), über voluminöse Publikationen sprechen unterhalten. “Sie sprechen zu der waren Luxus und Komfort wichtige Raum nach seinen Vorstellungen rungen mit dem Theater wollte er Wenn sich die Ausstellung des NAI flexiblem Programm im Oberge- moderne Ikonen (Caspar David Fried- für sich. Traurigkeit des Saturierten, der sein Anliegen seiner Architektur. umgestalten und mit einem blauen sich bei der Erschaffung kollektiver stärker auf das gesamte Oeuvre von schoss wird deutlich, wie sehr die richs Mönch am Meer, 1808-1810) Sowohl der Ausstellung als auch Geld nicht restlos seinem Magen Teppich, roten Vorhängen und einer Erfahrungen zunutze machen. Mit Wijdeveld konzentriert hätte, anstatt Ausstellungsmacher darum bemüht bis hin zu zeitgenössischen Arbeiten dem Katalog ließe sich dennoch eini- zuwenden kann. Gequälte Stupidität: Folgerichtig präsentiert das NAI die goldenen Decke ausstatten.(1) seinem Glauben an die Planbarkeit sich auf die üblichen Sichtweisen zu sind, einem zeitgenössischen Dis- (Melancholia von Johannes Geccelli, ges hinzufügen, eine weibliche oder das ist von den zweitausendjährigen Ausstellung hauptsächlich auf einer dieser Erfahrungen war Wijdeveld beschränken, würde deutlich, was kurs nachzukommen. Mit diesem 2001). Von antiken Vasen über eine feministische Perspektive. Die 27 Metamorphosen der Melancholie die großen, kreisförmigen Projekti- In der Ausstellung zeigen animierte auch der heute so orientierungslosen die besondere Qualität von Wijde- schwarzen Ausstellungssatelliten soll Einführung in die mittelalterliche Seiten lange Werkliste führt ganze letzte.” onsfläche als eine Art Multimedia- Projektionen die wichtigsten Ent- Erlebnisökonomie um viele Jahre velds Werk eigentlich ausmacht: Dass nachgeholt werden, was im Katalog Vier Säfte Lehre bis zu zweifarbigen vier Beiträge weiblicher Positionen Spektakel, in dem sich Bild und Ton, würfe wie den geplanten Umbau des voraus, zugleich erscheinen diese er nämlich vor allem ein uneinge- und in der Ausstellung selbst nicht Siebdrucken. Ergänzt von ganz aus auf. Die Ausstellung bleibt einem Da wird auf einmal deutlich, wie Zeichnungen, Animation, Photos, Vondelpark (Amsterdam, 1918-1919) Aspekte seiner Arbeit jedoch auch schränkter Modernist war, der aber erfahrbar wird. Das melancho- dem Leben gegriffenen Exponaten tendenziell männlichen, hetero- das in der Ausstellung idealisierte gelesene Textfragmente und Musik in realistischen Computersimulati- totalitär. zugleich eine völlig andere Idee lisch-kreative Ambiente lädt zum wie Gerätschaften aus dem 19. Jahr- sexuellen und weißen Künstler- und Künstlerbild als die Krücke einer derart überlagern, dass Wijde- onen. Damit wird auch eindringlich Die Ausstellung bietet zwar von Architektur verfolgte als seine Cocktailtrinken ein, etwa bei Musik hundert zur Erforschung psychischer Genieideal verhaftet. nostalgischen und bereits entthron- veld selbst schon fast zu einer Art sichtbar, in welchen Dimensionen gemessen an seiner langen Schaffens- Kollegen von De Stijl und der Neuen von Alexander Hacke (Einstürzende Krankheiten oder Tierpräparate So gut wie unbeachtet bleibt ten Hegemonie der Bildungsbürger Gesamtkunstwerk wird. Ergänzend Wijdeveld seine utopischen Projekte phase nur einen kleinen Einblick in Sachlichkeit. Neubauten), bei einer Kinski Lesung und Schmuckkästchen. Schließlich auch Walter Benjamins Beitrag zur funktionieren soll. Der freie Markt werden außerhalb des Rings, in dachte. So bezieht der Entwurf den Wijdevelds Welt, ein Besuch lohnt von Ben Becker oder bei den großen will der Parcours nichts weniger, Erforschung der Repräsentation hat bereits damit angefangen, thematischen Gruppen angeordnet, gesamten Park mit ein und sieht sich jedoch schon aufgrund der Viel- Mariëtte van Stralen Fragen zu Liebestod, Sehnsucht und als durch 2000 Jahre Geschichte von Trauer und Melancholie in der auch dunkelhäutige, weibliche und auch die originalen Zeichnungen eine monumentale Straßenachse zahl seiner wunderschönen Zeich- Aus dem Englischen: Stephan Becker Wahnsinn, gestellt von Peter Kees. der Melancholie führen, was sich deutschen Kulturgeschichte. Vor homosexuelle KünstlerInnensub- präsentiert. vor, an deren Ende mit dem Großen nungen. Diese werden nicht chro- Besonders traurig wirkt die Black in der losen und unstrukturierten allem seine Beiträge zur Allegorie jekte einzukaufen. Das gefährdet die Volkstheater das wichtigste Gebäude nologisch präsentiert, sondern nach Die Ausstellung wird von einer Box, die den Veranstaltungen den thematischen Bindung der Exponate im Barock sind entscheidend für die “Reinheit” der modernen Kultur. Zum Schnell wird damit in der Aus- stehen sollte. Dies war zugleich auch verschiedenen Schwerpunkten wie Publikation begleitet. Diese enthält architektonischen Rahmen gibt. In ausdrückt. poststrukturalistische Theorie und Schutz (denn auch das Bildungsbür- stellung ersichtlich, was für ein der Geburtsort einer neuen Kultur, ‘Theater und Stadt’, ‘Neue Zentren einen Beitrag von Aaron Betsky über ihrem Streben nach Größe, auch im Auratisch die Exponate und die Entwicklung eines neuen Para- gertum ist vor dem Diktat des freien exzentrischer und theatralischer die dort unter der Führung Gottes für die Wissenschaft’, die ‘Stadtlose utopisches Denken in der Architektur Sinne von Höhe, reicht sie genau bis berührt bis betroffen die Besucher. digmas der Melancholie und ihrer Marktes kaum gefeit) wird Ideologie Mensch Wijdeveld war und welche geboren werden sollte. Im Inneren Stadt’ oder ‘Chaos und Ordnung’ bis heute und einen Essay von Jean- unter die Decke der Nationalgalerie. Die bemerkenswerteste Analogie Bedeutung für die zeitgenössische konserviert – hermetisch von der geradezu unglaubliche Leidenschaft war eine riesige Bühne für Schau- gruppiert. Ein Schwachpunkt der Paul Baeten über die Hintergründe Und damit verwandelt sie das schwe- zwischen Thema und Wirkung der Sprachphilosophie, Kulturwissen- Außenwelt abgeschlossen und am er für seine Arbeit und das Ideal spieler und Sänger vorgesehen, auf Ausstellung ist jedoch, dass von von Wijdevelds theatralischem bende Dach, das als Idealvorstellung Ausstellung vermittelt sich auf einer schaft und Geschlechterforschung. besten im Keller. einer umfassend kulturell gepräg- die durch das farbige Glasdach helles vielen Arbeiten nur Fragmente zu Urbanismus. Außerdem werden die moderner Architektur gefeiert wird, strukturellen Ebene: Der Melancho- Erwähnung findet Benjamin aller- Schade also, aber nicht wirklich ten Welt hegte. So verstand er sich buntes Licht fallen sollte. Inhalt- sehen sind und die Macher sich fast wichtigsten Projekte präsentiert und in einen Sargdeckel. Das Ganze ist liker selbst wird in der Ausstellung dings in der Ausstellung selbst. Eines traurig, dass die Ausstellung sich als “architect of mother earth” lich und formal verrät das Projekt ausschließlich auf die stadtplane- erläutert. (NAI publishers, Rotter- unglücklich geraten und scheint dem dargestellt als oszillierend zwischen von mehreren Kapiteln, die die Schau ihren eigenen Sarg gebaut hat und und richtete seinen gestaltenden eine enge Verwandtschaft der Ideen rischen und utopischen Projekte dam) Bau Mies van der Rohes, wahrschein- Genie und Wahnsinn. Als jemand, gliedern, heißt Linke Melancholie sich darin in Verherrlichung ihrer Sinn für Schönheit und Ritual auf Wijdevelds mit frühen expressionis- beschränken. lich unbeabsichtigt, zu trotzen. und nimmt laut Ausstellungstext eigenen Selbstreferentialität ver- alle Aspekte des Lebens. In diesem tischen Entwürfen wie Bruno Tauts In archplus 161 widmete sich Bezug auf den gleichnamigen Auf- schließt, anstatt die zeithistorischen Sinne war auch das Leben in seinem Stadtkrone. Das NAI präsentiert Wijdeveld auf Anmerkungen Oswald Mathias Ungers einem Gene- satz von Walter Benjamin. Die knapp und architektonischen Umstände, (1) Mariëtte van Stralen, ‘De landhui- eigenen Haus an strikte Regeln eine architekturhistorisch gesehen rationskonflikt, der 1967 in Protesten fünfseitige Rezension von 1930 ist unter denen sie stattfindet, zu reflek- zen van / The country houses of H.Th. gebunden. So mussten Bewohner eher konventionelle Weise und kon- von Studierenden bei einem inter- erschienen anlässlich der Veröffentli- tieren. Wijdeveld, Forum 37/3-4, 1995 wie Besucher makellos, gut und zentriert sich entsprechend seines (2) Giovanni Fanelli, Moderne archi- nationalen Architekturkongress an chung eines Gedichtbandes von Erich elegant gekleidet sein, das Haar guten Rufes im In- und Ausland nur tectuur in Nederland, 1900-1940, ’s- der TU Berlin seinen Ausdruck fand. Kästner. Im nachhinein scheinen sich Susan Sontag bringt es auf den streng gescheitelt und von guter, auf einem kleinen Teil seines viel- Gravenhage 1978, S. 118 und S. 120 “Alle Häuser sind schön, hört auf die Worte Benjamins, ironisch gebro- Punkt: “Seit zweitausend Jahren gilt aufrechter Haltung. Auch war es fältigen Oeuvres. Vorgegeben wurde (3) Nic. Tummers, ‘De mis en scene zu bauen!” hatten die Studierenden chen, gegen die Ausstellung in der bei Christen und Juden das Leiden Frauen verboten, Make-up zu tragen diese Sichtweise von Nic Trummer, van de architectuur – Plan the impos- gefordert. Etwa zeitgleich, erinnert Nationalgalerie selbst zu richten. als das Zeichen geistiger Modernität. oder dick zu sein und bei Krankheit der sich in seinem Artikel aus dem sible’, Bouwkundig Weekblad 19, 24. Ungers, lag die fertige Dachkon- Der Wiener Essayist Franz Schuh Daher ist es nicht die Liebe, die wir oder Schwangerschaft mussten sie Jahre 1965 fast ausschließlich auf September 1965, S. 364 ff., siehe S. struktion der Nationalgalerie auf dem schrieb für die ZEIT (2004/39) überbewerten: wir überschätzen das sich vor den Besuchern verstecken. die utopischen Aspekte konzen- 358 von Mies van der Rohe neu gebauten unter dem Titel “Walter Benjamins Leiden – genauer gesagt, den Wert Selbstverständlich waren Liebes- triert.(3) An diese Interpretation Plateau am Kemperplatz. Unzählige und den Nutzen des Leidens.” (Susan romane ebenso wenig erlaubt wie knüpft 1978 auch Giovanni Fanelli Hydraulikpressen hoben die Stahl- Sontag, Der Künstler als exempla- jegliche Form von Unterhaltungs- an, indem er die Nachkriegsprojekte konstruktion empor, und als diese risch Leidender, 1962) musik. Sein Glaube an die positive im Wesentlichen als rhetorische gerade hoch genug schwebte, rollte Wiederholungen früherer Projekte der betagte Mies im Rollstuhl unter Max Hinderer interpretiert.(2) Und auch der Film die hochgepresste Dachplatte. Er hielt links: Francisco de Goya y Luci- H. Th. Wijdeveld, Zwölf von Hank Onrust zum 90. Geburts- entes, Die Zeit, die Greisinnen, um Hochhäuser für ‘Het Gooi’, tag von Wijdeveld beschäftigt 1808 - 1812, Öl auf Leinwand, 1957, Sammlung NAI sich eher mit seiner theatralischen Palais des Beaux-Arts, Lille

10 11 Die Planung des Unmöglichen Die unerträgliche Leichtigkeit der Dachkonstruktion Zeitung Melancholie, Genie, Wahnsinn und die Tränen der Meister

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Gebäude des Staatlichen Rundfunks in Technische Universität, Almaty oben: Vorraum, Technische unten: Palast der Republik Almaty (Kasachstan) Universität, Almaty (Lenin-Palast), Almaty Lokale Modernen 2: Simulakren des Nationalen Sowjetische Architektur und Städtebau in Zentralasien

Zweiter Beitrag einer mehrteili- Als die Sowjetunion im Jahre 1991 mittelalterlich-islamischen Kultur, um sche Bevölkerung herrschten. Die serreich wurde in einzelne Unions- Dieses Territorialkonzept ver- Die Urbanisierung Zentralasiens setzte Bezirke erweitert. Dies kann gen Reihe über das Recherchepro- endgültig zusammenbrach, erlang- lokale Verwurzelung und nationale politische Loyalität der Untertanen republiken aufgeteilt und zur UdSSR dankte sich nicht nur machtpoliti- Städtebaulich lassen sich bis zur man noch deutlich in Taschkent jekt “Local Modernities”. Ziel des ten auch die fünf zentralasiatischen Eigenheiten zu betonen. Dabei scheint galt den lokalen Clanstrukturen und vereinigt. Im Fall von Zentralasien schen, sondern auch ideologischen Unabhängigkeit der zentralasiatischen oder Samarkand erkennen. Dort Projekts ist es, die Ausprägung Unionsrepubliken ihre vollständige das Vertrauen der postkommunisti- dem Islam. Zudem definierten sich diente dies auch dazu, die Ausbrei- Prämissen. Ethnien, die noch keine Staaten drei Urbanisierungsphasen entstanden mit der Zeit regelrechte von Transformationsprozessen der Souveränität. Erstaunlicherweise schen Staatsführungen in die symbo- die Volksgruppen weniger über ihre tung einer pantürkisch-islamistischen nationale Identität besaßen, mussten ausmachen: “Doppelstädte”. Des Weiteren erfolgte Moderne in anderen als den west- bildeten sie - trotz ihrer starken lische Bedeutung von Architektur und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bewegung zu verhindern, die einen deshalb darin unterstützt werden, - Die feudale Periode der so genann- beispielsweise in Alma-Ata (heute lichen Ländern aufzuzeigen und ethnisch-nationalen Besonderheiten Monument ebenso ausgeprägt zu sein Ethnie, sondern vor allem durch ihre eigenen Turk-Staat forderte. 1924 kam sich zu einer Nation zu formieren, ten orientalisch-islamischen Stadt- Almaty), Bischpek (heute Bischkek) die Vielzahl “lokaler” Modernen in – eines der letzten Bollwerke des Sow- wie ehemals zu Zeiten der UdSSR. Lebensweise als Nomaden oder Oasen- es zur Gründung der Sozialistischen um dann im nächsten Schritt zum kultur: Sie war geprägt von Sack- und Aschchabad neben kleineren ihren unterschiedlichen Differen- jetkommunismus. Heute hingegen ist bewohner. Der zentralasiatische Raum Sowjetrepubliken Usbekistan und Sozialismus weiter voranzuschreiten. gassengrundriss, Moschee, Medrese Marktflecken die Gründung neuer zierungen zu dokumentieren. Bisher überall in Zentralasien das Bestreben Sowjetische Nationalitätenpolitik geriet zwar ab dem 18. Jahrhundert Turkmenistan, 1929 folgte Tadschikis- 1934 wurde schließlich die Dokt- (Koranschule), Bazar und Festungs- Siedlungen mit schachbrettartigem erschienen: Monumentaler und zu verspüren, sich von der sozialisti- Die heutigen Republiken Zentrala- schrittweise unter die Kontrolle des tan und schließlich 1936 Kasachstan rin verkündet, dass man Kulturen anlage. Diese Struktur ist heute noch Grundriss, die zunächst als Garni- minimaler Raum. Die sowjetische schen Vergangenheit zu distanzieren siens sind Produkte der Sowjets. Vor Russischen Reiches, aber die zaristi- und Kirgisien. Die Grenzziehungen fördern müsse, die “national der Form fassbar in Chiwa und Buchara, sowie sonsstädte fungierten. Moderne in Architektur und Städte- und neue nationale Identitäten zu der bolschewistischen Revolution im sche Kolonialverwaltung orientierte zwischen den einzelnen Gebietsein- und sozialistisch dem Inhalt nach” in den Altstädten von Samarkand und - Die sowjetische Periode: In dieser bau, in: archplus 175. entwickeln. Dabei spielt die bauliche Jahr 1917 gab es kein vergleichbares sich weitgehend an den vorgegebenen heiten erfolgten nach dem Prinzip seien. Was damit gemeint war, hatte Taschkent. Epoche entstanden in Zentralasien Umwelt eine wichtige Rolle, und zwar Staatensystem. Die Region war in Territorialstrukturen. der Übereinstimmung von Ethnie, allerdings wenig mit der wirklichen - Die Ära der russischen Kolonial- eine ganze Reihe von neuen Ver- Fotoessay: Markus Weisbeck im doppelten Sinn: Zum einen soll drei Khanate bzw. Emirate aufge- Erst als sich die Bolschewiki nach Sprache, Gebiet und Staat, obgleich Alltagskultur zu tun. Die offizielle zeit: Ab der zweiten Hälfte des 19. waltungszentren und Industrie- eine auffällige Investorenarchitektur teilt: Kokand, Chiwa und Buchara. einem langjährigen Bürgerkrieg die bestehenden ethnischen Identitä- Propaganda betonte vor allem die Jahrhunderts wurden die größeren, standorten. Zugleich veränderte sich den Anschluss an die kapitalistische Sie wurden von Dynastien regiert, durchsetzen konnten, kam es zu einer ten viel durchlässiger und komplexer folkloristischen Elemente, sprich die zu Verwaltungszentren bestimmten auch die Bedeutung vieler Städte. Global-Ökonomie demonstrieren, zum die ihren Ursprung in den Stämmen politischen Neuordnung des russi- waren, als es die sowjetische Nationa- entpolitisierten Formen nationaler Städte durch regelmäßig angelegte, Während die Metropolen der ehema- anderen bemüht man das Erbe der hatten und über eine multiethni- schen Imperiums. Das ehemalige Kai- litätenpolitik unterstellte. Artikulationsweisen. etwas von den Altstädten abge- ligen Vasallenstaaten – Chiwa und

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Buchara – zu Provinzorten verka- aus einem Teil des Emirats Buchara dem Überfall der deutschen Wehr- zum Rohstofflieferant der sowjeti- bad durch ein Erdbeben weitgehend Elemente regionaler Architekturstile von modernistischen Strömungen monumentale Gebäude, die in ihrer men, stieg Taschkent zur Hauptstadt die Republik Tadschikistan. Deren macht auf die UdSSR verlagerten schen Industrien. zerstört. Der Wiederaufbau vollzog ein, so dass das neue Taschkent nicht verschob sich auch der Blick auf Architektur die Idee des Sowjetstaa- der usbekischen Republik auf, verlor Hauptort Duschanbe, gegründet 1926 die sowjetischen Behörden nicht nur Auch im urbanen System kam es sich nach modernen städtebaulichen jene Uniformität aufwies, wie sie für die historischen Bauten. Das “Alte” tes und die jeweilige Tradition der aber seine frühere Funktion als Sitz als Stalinabad (Namensumwandlung kriegswichtige Industrien nach Zen- zu erheblichen Veränderungen. Ein Prinzipien, und schon bald galt die andere sowjetische Städte typisch änderte seine Bedeutung und ging in nationalen Kultur eindrucksvoll zur des Generalgouvernements Turkes- 1961), entwickelte sich ähnlich wie tralasien, sondern evakuierten auch moderner mehrgeschossiger Woh- Stadt als das sowjetische Mekka der war. Auch das Regierungs- und Ver- das Arsenal der sowjetischen Kultur Geltung bringen sollten. tan. Aschchabad blieb Hauptstadt der bei zaristischen Gründungen aus Hunderttausende von Menschen aus nungsbau setzte sich überall durch neuen sozialistischen Architektur. waltungszentrum mit den 17stöckigen ein. Der “Palast”, früher Verkörpe- Im Fall von Zentralasien gab es ehemaligen Provinz Transkaspien, einem Schachbrettsystem heraus. den westlichen Landesteilen. Zu die- und verdrängte zunehmend das Auch in Taschkent nahm man das Hochhäusern der Republikregierung rung der “reaktionären Kräfte”, galt eine ganze Reihe von Bautraditionen, die, wenn auch territorial verklei- Mit dem Ausbau der turk-sibiri- sen Migranten kamen noch mehrere traditionelle, atriumartige Lehmhaus. Erdbeben von 1966 zum Anlass, große und des Sowjets, verbunden durch nun als Symbol des Triumphes der auf die sich der sowjetische Historis- nert, von der Republik Turkme- schen Bahn erfolgte der schrittweise Hunderttausend Deportierte aus der Dieser Gebäudetyp glich einer kleinen Teile der niedrigen, stark durch- eine Fußgängerpassage parallel zur neuen Gesellschaftsordnung. Mit mus beziehen konnte. Dachkuppeln nistan abgelöst wurde. Hingegen Anschluss der zentralasiatischen ganzen Sowjetunion hinzu. Burg, nach außen abweisend gegen grünten altstädtischen Bebauung Wasserwand einer Springbrunnen- diesem Begriff wurden nun viele (in der Form von Halbkugeln, Zwie- stieg Alma-Ata zum Zentrum der Republiken an den sowjetisch-sibi- Nach dem Krieg verstärkte die Hitze und Fremde, nach innen offen abzureißen und eine moderne Stadt anlage, fiel besonders repräsentativ offizielle Einrichtungen identifiziert: bel-, Melonen- oder Rippenkuppeln), weiträumigen Republik Kasachstan rischen Wirtschaftsraum. Diese Ent- Kreml-Führung ihre wirtschaftliche und schattenspendend. Den sowjeti- aus dem Boden zu stampfen. Reste aus. Nun galt Taschkent als die Sowjetpaläste, Kulturpaläste und gebrannte Ziegel, Spitzbögen, Säulen auf. 1926 benannten die Sowjets wicklung ging Hand in Hand mit dem Integrationspolitik. Schwerindustri- schen Urbanisten waren die Altstädte der historischen Bausubstanz blieben sowjetische Musterstadt, die vor allem Pionierpaläste bürgerten sich als und überdimensionierte Tore. Ebenso die Stadt Bischpek nach dem dort Bestreben, diese rückständige Region elle Zentren wurden zur Gewinnung mit ihren engen Gassen und den im Inneren der weitläufig angelegten den Ländern der “Dritten Welt” die Gebäudetyp ein. Die sowjetischen war ein Rückgriff auf die traditionel- geborenen bolschewistischen General zu industrialisieren und zu urbani- von Bodenschätzen und Energie- schlechten hygienischen Verhält- Blockstrukturen erhalten. An dem Überlegenheit des kommunistischen Architekten wurden aufgefordert, len Dekorationstechniken möglich: Frunse um und erklärten den Ort zur sieren. Da Arbeitskräfte gebraucht ressourcen an deren Lagerstätten nissen stets ein Ärgernis gewesen. Großprojekt waren Spezialisten und Systems demonstrieren sollte. das “große Erbe der nationalen türkisblaue Farben, Stuck und Hauptstadt der Autonomen Kirgisi- wurden, kam es in den 1930er Jahren errichtet, um diese besser für die Naturkatastrophen wurden deshalb Baubrigaden aus allen Unionsrepub- Baukunst” zu verarbeiten und weiter Alabaster, Baukeramiken, Stalaktiten schen Republik (1936 Unionsrepub- zu einer großen Einwanderungswelle sowjetische Wirtschaft zu erschlie- zum Anlass genommen, “Tabula rasa” liken beteiligt. In den ihnen jeweils “Nationale Architektur” zu entwickeln. In allen Hauptstädten (eine Art von Zellengewölbe, das aus lik). Neu geschaffen wurde im Süden von Russen und Ukrainern. Nach ßen. Zentralasien entwickelte sich so zu machen. So wurde 1948 Aschcha- zugewiesenen Zonen brachten sie Mit der von Stalin dekretierten Abkehr der Unionsrepubliken entstanden vielen treppenartig übereinander auf-

links oben, rechts unten: Zirkus in Karaganda (Kasachstan) Kaffeehaus in Almaty rechts oben, links unten:Badehaus “Arasan”, Almaty

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links oben, rechts unten: Zirkus in Karaganda (Kasachstan) Kaffeehaus in Almaty rechts oben, links unten:Badehaus “Arasan”, Almaty

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links oben, links unten: Kuppel, Wandabwicklung, Palast der Pupille (Palast der Jungen Pioniere), Almaty. oben: Brunnen vor dem Gebäude des Staatlichen Rundfunks. unten, von links nach rechts: Zirkus, rechts oben: Oberes Plateau, Kaffeehaus, Almaty. rechts unten: Detail, Badehaus “Arasan”, Almaty Bischkek (Kirgisistan). Fassade, Bischkek. Fassade, Bischkek. Ehemalige Lenin-Bibliothek, Bischkek

steigenden und gegenseitig versetzten Die Chruschtschow-Ära mit ihrem Als Prototyp für diese neue Phase gen Dachkonsole erzeugt, die an den Menschen hatten solche Einrichtun- die Wohngebäude weit auseinander sondern fungierten auch als selbst- Wurzeln” verdankte sich aber nicht Bausteinen besteht und die, wie in funktionalistischen Rigorismus kann man den ehemaligen Lenin- Fassaden tiefe Schatten wirft. Damit gen eine wichtige Rolle gespielt. Vom zu stehen hatten, legte man beispiels- ständige architektonische Gestal- nur einer postmodernen Kritik an der einer Tropfsteinhöhle, herabhängen), führte auch in Zentralasien zu einer Palast in Almaty ansehen. Bei diesem griffen die russischen Architekten Aufbau her ähnelten sie sich alle: weise bei dem Wiederaufbau von tungselemente. Um die Monotonie der städtebaulichen Moderne, sondern geometrische Arabesken, Schriftorna- Abkehr von der so genannten Natio- Gebäude, das von einem großzü- auf ein Konstruktionsprinzip zurück, Schwitzzellen und Wasserbecken, Taschkent Plattenbauten um Innen- Lochfassaden abzumildern, kamen hatte auch mit den veränderten mente und Pflanzenmuster. nal-Architektur. Doch bereits in den gigen Platz-Ensemble eingefasst das in der traditionellen Architektur Umkleide- und Aufenthaltsräume. höfe an. Die Architekten griffen damit zudem Silikatstrukturen, Keramik- gesellschaftspolitischen Bedingungen In allen zentralasiatischen Städten 1970er Jahren nahm man sich wieder wird, handelt es sich um eines der Zentralasiens weit verbreitet war. Das Bad war nicht nur ein Ort der die alte Erfahrung auf, dass dichter platten und industriell vorgefertigte in der UdSSR zu tun: dem wachsenden kam ein Typus von Gebäude auf, der des architektonischen Erbes der bedeutendsten Bauwerke der Stadt. In Kombination mit dem warmen rituellen Reinigung, sondern auch der stehende Häuser mehr Schatten wer- Ornamente zum Einsatz. Selbstbewusstsein der intellektuellen in seiner Architektur in irgendeiner orientalischen Stadt an. Die Behör- Im Jahre 1971 von dem russischen Farbton des kasachischen Kalksteins, Kommunikation und der Erholung. fen und entsprechend kühler bleiben. Die dekorative Gestaltung der Eliten in der Peripherie gegenüber dem Weise Elemente der orientalischen den ließen nicht nur bedeutende Architektenkollektiv N. Ripinskii, der bei den Pfeilern benutzt wurde, Entsprechend konnten die Besucher Einige Gebäude wurden zudem mit Fassaden gehörte bald überall im sowjetischen Zentralstaat. Baukunst zitierte. Als exemplarisch Profan- und Kulturbauten histori- L. Ukhobotov, V. Alle und Y. Ratus- und den weißen Marmorrippen, die von “Arasan” verschiedene Saunen Kuppeln versehen, denn diese Dach- zentralasiatischen Raum zu einem kann dafür sicherlich das Alischer scher Altstädte restaurieren, auch im hnyi errichtet, galt es damals in gegen die Sonne schützen, sollte eine benutzen und sich dann anschlie- form lässt die Sonnenstrahlen von wichtigen architektonischen Gestal- Klaus Ronneberger/ Nawoj Theater in Taschkent gelten, modernen Städtebau tauchten wieder seiner monumentalen Gestalt als ein Assoziation von nationaler Architek- ßend in ein ajchana (mittelasiatisches der Oberfläche abgleiten, ohne den tungselement. Ab den späten 1970er Georg Schöllhammer das 1947 unter der Leitung des russi- folkloristische Stilelemente auf. herausragendes Beispiel für einen tur erreicht werden, ohne sich dabei Teehaus) begeben. Die funktional Innenraum übermäßig zu erhitzen. Jahren mehrten sich Entwürfe, in schen Architekten Stschussew errich- In den urbanistischen Disziplinen neuen regionalen Architekturstil. Die wirklichkeitsgetreu auf reale traditio- miteinander verbundenen Innen- Eine städtebauliche Akzentuierung denen das “nationale Erbe” zum tet wurde. Während die Gebäudekom- wuchs die Kritik an der stereotypen seismischen Bedingungen erforderten nelle Formen zu beziehen. räume weisen eine bienenstockartige bestand auch darin, die Wohnhäu- Material fast wörtlicher Zitate wurde. Rechercheteam: Georg Schöllhammer position den Prinzipien der Neoklassik Monotonie der neuen Siedlungen eine klare räumliche Struktur. Ein Ein weiteres Beispiel für den Struktur auf, wobei die kreisrunden ser mit industriell hergestelltem Die Retraditionalisierung der For- (Leitung), Klaus Ronneberger, Markus folgt, sind die Innenräume opulent und dem Fehlen einer Ästhetik, die riesiges Zelt ruht auf acht großen orientalisch-asiatischen Baustil stellt Hauptsäle mit einer Kuppelkonstruk- stationärem Sonnenschutz in Form mensprache wurde von den indigenen Weisbeck, Heike Ander mit folkloristischen Motiven verziert. sich positiv auf die “progressiven Betonpfeilern, den Raum dazwischen das postmodern-dynamisch wirkende tion überdeckt sind. von durchbrochenen Raumgittern Urbanisten und Architekten mit der Genau genommen stellte das Theater Traditionen des Volkes” bezog. Man bilden Wände aus porösem Marmor Badehaus “Arasan” in Almaty dar, das Eine partielle Rückbesinnung auf zu versehen. Solche Klimawände Formel begründet, dass die Archi- Local Modernities wird gefördert von ein Museum der Volkskunst dar, das plädierte nun für eine Synthese von und Muschelkalk. Das fast japanisch 1982 von den kasachischen Architek- regionale Wurzeln fand auch beim dienten nicht nur der Verschattung tektur “national in der Form und der Kulturstiftung des Bundes. auch spätere Arbeiten usbekischer Architektur und “monumental-deko- anmutende architektonische Image ten V. Khvan und M. Ospanov gebaut Wohnungsbau statt. Während nach in den heißen Sommermonaten und sozialistisch im Geist” sein müsse. Architekten beeinflusste. rativer Kunst”. wird vor allem von der schuppenarti- wurde. Im traditionellen Alltag der der offiziellen modernen Baudoktrin der Abdichtung in der Winterperiode, Der Rückgriff auf die “historischen

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16 17 Nachruf auf Simon Ungers T-Haus, Wilton, New York. 1988-1992. Simon Ungers und Thomas Kinslow ∂ Konstruktionsatlanten und

Eine Platte kragt aus einer Wand Platte erfahrbar – das ist alles, was digkeit als Kunstgattung besteht, im ∂ Bücher – jetzt preisreduziert! – und man hält den Atem an. Stahl- ich brauche, und mehr wäre zuviel. ist Simon Ungers’ Architektur nicht balken formen ein großes T im Wald repräsentativ – sie illustriert nicht. – und man kann die Augen nicht Jedes der gebauten Häuser beantwor- Die Ideen, die sie verkörpert, sind abwenden. In einem Vortrag aus den tet auf seine Art die Frage: Was ist ein ihn beauftragt – aus der jeweiligen vielmehr genuin architektonisch und Die Bedeutung des fl achen Eines der Standardwerke Faszination Glas – 328 Seiten letzten Jahren spricht Simon Ungers Haus? Das Kniehaus ist eine Klammer, Bauaufgabe stellen. In Bukarest wird von Anfang an als solche konzipiert. Daches für unter den Ästhetik und von der “Aura” seiner Projekte, und die einen eingefriedeten Garten mit ein protziges Regierungsgebäude in Sie entstehen aus den Fragen, die Bauaufgaben Konstruktions- Technik die besten von ihnen führen in der offenen Umgebung verbindet eine durch ihre Kanten markierte eine gegebene Aufgabe an einem der Tat, wie ein Betrachter einmal und beide Bereiche wechselseitig Vitrine gestellt: Seht, so etwas haben gegebenen Ort aufwirft (wobei sich der Zukunft. atlanten zeigt bemerkt hat, zu einem Erlebnis von erschließt. Die sich im Raum kreuzen- wir uns einmal geleistet! Die gebaute der Ort in den späten Idealarchitek- die heutigen “fast unerträglicher Intensität”. den Balken des T-Hauses definieren Leere des Holocaust-Denkmals ist die turen zunehmend in die Vorstel- Möglichkeiten die Achsen eines Koordinatensystems, architektonische Reaktion auf ein lungswelt des Architekten verlagert). Umso bemerkenswerter ist die das eben diesen Raum aufspannt und Übel, das so ungeheuer ist, dass es Die Realisierung greift auf ein des Mauerwerk- größtmögliche Ökonomie der Mittel, dessen Ursprung das Haus ist. Es wird einem die Sprache verschlägt. Vokabular von Formen zu, das aus baus. mit der Ungers diese Wirkung zum Zeichen: Hier wohnt einer, und den Elementen Euklids besteht. erreicht. Doch die Beschränkung für den, der hier wohnt, ist es der Simon Ungers’ Architektur ist eine auf wenige Formen beruht nicht Mittelpunkt der Welt. Architektur der Ideen. Aber die Ideen Simon Ungers hat dieses architekto- auf Reduzierung, auf Weglassen. werden nicht von außen an sie her- nische Programm mit einzigartiger Sie ergibt sich vielmehr aus der Auch die Wettbewerbe für öffentli- angetragen: Sie verläßt sich nicht auf Klarheit und Unbeirrtheit verfolgt. Fähigkeit, aufhören zu können: Ich che Projekte können als Reaktionen Formen, die irgendwelchen philoso- Mit ihm hat die Architektur ein gro- Atlas Flache Dächer Mauerwerk Atlas Glasbau Atlas habe eine Wand, ich lasse eine Platte auf Fragen verstanden werden, die phischen Begriffen dem Namen nach ßes Talent verloren. Regulärer Preis: € 83,50* Regulärer Preis: € 83,50* Regulärer Preis: € 83,50* herauskragen, und die Wand wird sich dem Architekten – als Stell- oder analog entsprechen. Wie jede Jetzt nur: € 39,90* Jetzt nur: € 54,90* Jetzt nur: € 59,90* so erst als Wand und die Platte als vertreter für die Gesellschaft, die Architektur, die auf ihrer Eigenstän- Ulrich Flemming, 31.03.2006 Für Studenten nur: € 29,90* Für Studenten nur: € 39,90* Für Studenten nur: € 49,90* (Studienbescheinigung erforderlich) (Studienbescheinigung erforderlich) (Studienbescheinigung erforderlich) Alle weiteren DETAIL Atlanten außer Baustoff Atlas für Studenten zum Sonderpreis von € 59,90 (statt € 83,50). 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Das Lesenswert ist auch die Einleitung, die eine Überformung des gesamten Berlin 2006 Schicksal Harry Rosenthals, 1892 in in der man nicht nur Details über Raums anstreben. In ihnen verbin- Posen geboren und bis 1933 vorwie- die Schwierigkeiten einer geregel- det sich eine klassische Strenge der Roger Diener, Jacques Herzog et al. gend in Berlin ansässig und tätig, ten Emigration erfährt, sondern Komposition mit einer eigenwilligen (Hrsg.), Die Schweiz. Ein städtebauli- wird greifbar in einem simplen auch Erkenntnisse aus der positi- Schwere der Möblierung, vermischt ches Portrait, 4 Bd., Birkhäuser, Basel Quellenfund – den Empfehlungs- vistischen Methode des Lexikons mit einer Vorliebe für ausgeprägte 2006 schreiben, die er sich anlässlich gewinnt, die weitere Fragestellungen Farbigkeit und luxuriöse Material- eines Besuchs der Interbau 1957 von zukünftiger architekturhistorischer ästhetik. Hans Ibelings (Ed.), Hans van Heeswijk Wassili Luckhardt und Hans Scha- Forschung anstoßen können, etwa – Architecture 1995–2005, Ernst Was- roun hat ausstellen lassen, um in über die Präsenz und Rolle jüdischer Exemplarisch für Rosenthals Archi- muth, Tübingen/Berlin 2005 Im DETAIL Innenräume Im DETAIL Japan Im DETAIL Solares Bauen Großbritannien als Architekt zuge- Architekten in Werkbund, Bauhaus tekturverständnis ist die pronon- Regulärer Preis: € 65* Regulärer Preis: € 65* Regulärer Preis: € 65* lassen zu werden. Dennoch gelang und Ring sowie über die von ihnen cierte Verbindung von zugleich Angela Lammert et al. (Hrsg.), Topos Jetzt nur € 44,90* Jetzt nur € 44,90* Jetzt nur € 44,90* es dem 65-Jährigen nicht, an seinem bevorzugten Ausbildungsstätten und klassisch und modern gedachter Raum. Die Aktualität des Raumes Lebensende nochmals als freiberuf- Lehrer. 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