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Zeitschrift des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf e.V. Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf 1/2018 28 eue Nr. 28 15. Jahrgang N C horszene - Ausgabe 1 / 18 Januar 2018 THEMEN EDITORIAL: Jugend-Kulturpreis für SingPause! Georg Lauer 3 EIN BLICK ZURÜCK und von dort nach vorn: Das Jahr 1968 Karl-Hans Möller 4 Ute FRAUEN IM HAUSE Büchter-Römer 12 EIN REGERFEST Zum 52. Tonkünstlerfest des Klaus Wolfgang Allgemeinen Deutschen Musikvereins (ADMV)1922 Niemöller 18 „TROST IN LEIDEN“ von F. Lohausen und J. Kreutzer Eine Ausgrabung zum Tag der Archive Udo Kasprowicz 26 DAS FESTIVAL UND SEIN LENKER Prof. Franz Xaver Ohnesorg im Portrait Georg Lauer 30 „EIN KLAVIER! EIN KLAVIER!“ Das Klavierhaus Schröder packt an Georg Lauer 40 DIE FLUT Die Opernmacher - Die Junge Oper und die Chefdramaturgin Dr. Hella Bartnig Karl-Hans Möller 44 DIE DÜSSELDORFER SYMPHONIKER und ihre Instrumente: Die Klarinettengruppe Georg Lauer 54 DIE DÜSSELDORFER MALERSCHULE Künstler zwischen Tradition und Moderne Konstanze Richter 60 „MIT DIESEM NAMEN HIER AM RHEIN....“ Im Portrait: Lorelei Bernadette Walwyn Karl-Hans Möller 62 D A S K R E U Z W O R T - P R E I S R Ä T S E L Karl-Hans Möller 68 THE DÜSSELDORF LYRIC OPERA Ein neues Kulturformat für Düsseldorf Melanie Brell 73

BAYREUTH, BAMBERG UND COBURG Jahresreise Freygerd Baffy 76 der inaktiven, fördernden und auch aktiven Mitglieder Gisela Eitel VOM GUTEN TON UND DER LIEBEN NOT mit dem Rezept: Erdbeerquark mit Ingwer Zimt und Honig Udo Kasprowicz 84 IMPRESSUM / KONZERTVORSCHAU / ANZEIGEN 87 / 88 TITELBILD: TONHALLE MIT SKRIABIN-FARBKLAVIER Georg Toth - Öl auf Leinwand NC28 Seite 2 NC28 Seite 3 Statt eines Editorials Georg Lauer

Der Jugend-Kulturpreis2017 der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland geht an die SingPause Düsseldorf!

Am 15.11.2017 fand das statt, was eini- dazu ausgebildeten und erfahrenen Ge- ge Spatzen schon seit ein paar Tagen von sangslehrerinnen zum Singen bringt. Als den Dächern pfiffen: Die Verleihung des SingPausen-Leiterinnen und -leiter vermit- Jugend-Kuturpreises an das SingPause- teln sie ein basismusikalisches Rüstzeug, Projekt des Städtischen Musikvereins! das die Kinder am Ende des Schuljahres Dr. Michael Meyer, Vorstandsmitglied der in die Lage versetzt, ihre Eltern, Großel- Stadtsparkasse Düsseldorf, Stadtdirektor tern und Verwandten zu einem von ihnen Burkhardt Hintzsche, Michael Breuer, Vor- gestalteten Konzert in die Tonhalle ein- sitzender des Kuratoriums der Sparkassen- zuladen. Das von vielen Kommunen mit Kulturstiftung Rheinland, gratulierten den Interesse verfolgte, von großen Künstlern Initiatoren und Motoren des Projektes Ma- als vorbildlich gepriesene Projekt bedarf rieddy Rossetto und Manfred Hill und spra- eines verstetigten, in die Zukunft weisen- chen ihnen ihren herzlichen und anerken- den Sponsorings. Ein Ausbleiben und damit nenden Dank aus. Insbesondere Dr. Edgar verbundenes Aussetzen dieser zweimal pro Jannott (s. Bild oben) fand als Laudator Woche angesetzten musischen Pause hätte bewegende und zu Herzen gehende Worte erhebliche Auswirkungen auf die musikäs- des Dankes und schloss in diesen auch die thetischen Bildungsangebote der Tonhalle SingPause-Kinder der Sternwartschule und und der Deutschen Oper am Rhein, auf die der St. Bonifatiusschule ein, die unter der wir - wie Sie lesen werden - auch in dieser Leitung ihres Singleiters Martin Lucaß das NC-Ausgabe aufmerksam machen. Festprogramm mit Kostproben ihrer Ge- Bleiben Sie dehalb am (Lese-)Ball und der sangskunst bereicherten. Redaktion gewogen, die Ihnen wie immer Mit dieser Auszeichnung wurde erneut auf beim Lesen und Raten, Singen und Kochen eine Initiative aufmerksam gemacht, die seit durch das ganze Musikvereins-Jubiläums- über 10 Jahren nahezu alle Grundschüler jahr viel Freude wünscht! der Stadt unter der Anleitung von eigens NC28 Seite 2 NC28 Seite 3 1968 - das Musikvereinsjahr 150 Ein Blick zurück und von dort nach vorn von Karl-Hans Möller Folge 4

In Halbjahrhundertschritten begleiteten die zu ihrer Zeit modernsten Rheinschiffe die vier Sta- tionen unseres Rückblicks auf die von den Gene- rationen Düsseldorfer Sangesbrüder und -schwe- stern erlebten und begangenen Jubiläen. Sie, als Leser der Zeitschrift NeueChorszene, erinnern 1818 sich dabei sicher an die Hommage auf das erste Dampfschiff „Defiance“, das 1818 auf dem Rhein fuhr (NC Nr. 25 - 2/16), den Salondampfer „Friede „aus dem Jahr 1868 (NC Nr. 26 – 1/17 und die 1918 an Düsseldorf vorbeidampfende „Goethe“ (NC Nr. 27 – 2/17). Nun beenden wir die kleine Rückschauserie mit einem Schiff, mit dem viele 1868 von Ihnen sicher bereits einen Kurzausflug z. B. nach Kaiserswerth erlebt haben und das jeder schon oft vor dem Schlossturm gesehen hat, manchmal sogar während der Sommerproben durch die großen Fenster des Hentrich-Saales:

1918 Die HEINRICH HEINE

Das kleinste KD-Passagierschiff wurde 1968 bei Peters im holländischen Dedemsvaart gebaut und lief 1969 als „Schouwen-Duiveland“ vom Stapel. 1981 von der Köln-Düsseldorfer Deut- sche Rheinschifffahrt AG erworben, änderte das 1968 36,22 m (L.ü.a.) Ausflugsschiff dem jeweiligen Einsatzgebiet entsprechend seinen Namen: Aus dem Kölner „Domspatz“ wurde dann ab 2001 auf der Mosel die „Treis-Karden“, und seit 2003 fährt das Schiff als „Heinrich Heine“ unter ihrem – der Region um Düsseldorf zugedachten – ehrenvol- 2018 len aktuellen Namen. Maximal 250 Passagiere schippern auf dem 50 Jahre alten, von 460 PS starken Deutz-Dieseln angetriebe- nen Schiff auf dem Rhein vor allem im bogen- und kniereichen Stadtgebiet und in Richtung Niederrhein. NC28 Seite 4 NC28 Seite 5 Beim „Count-up“ erreichen wir nun die Zeit der Zeitzeugen und können damit auch nicht mehr nur das auswählen oder be- haupten, was uns die Geschichtsschreibung erzählt. Einige Mitglieder des Chores haben – als Anfänger – sogar noch Erinnerungen an die Feiern zum 150. Jahrestag des Mu- sikvereins. Bezeichnenderweise gehört neben Monika Greis, Wolfgang Reichard und Hans-Peter Hill dazu unser derzeitiger Vorsitzender Manfred Hill, der schon durch sein Amt auserse- hen ist, auch die stattliche Zahl der inzwischen im Sängerruhe- stand befindlichen Zeitzeugen zu reprä- sentieren, die bei den beiden Festkon- zerten mitgesungen haben, mit denen der Chor an die eineinhalb Jahrhunderte seines Bestehens erinnerte: Am 10. und 11. Oktober 1968 wurde Mahlers 8., die Symphonie der Tausend, gemeinsam mit dem befreundeten New Philharmo- nie Chorus London aufgeführt. Zwei Wochen später hatten der GMD der Hartmut Schmidt Düsseldorfer Symphoni- ker Rafael Frühbeck de Burgos und Chordirek- tor Hartmut Schmidt mit Händels „Ode zum Tag 1968 der heiligen Cäcilia“ und Zoltán Kodalys „Missa Brevis“ ein zweites Jubi- Rafael Frühbeck de Burgos läumskonzert terminiert. Eine Aufführung des Verdi Requiems in Herne mit denBo- chumer Symphonikern und der Städtischen Chorgemeinschaft Herne schloss am 4. November das Jubiläumsjahr ab, das mit Benjamin Brittens „War Requiem“ in der Düsseldorfer Rhein- halle begann. Rafael Frühbeck de Burgos hatte mit Manuel de Fallas „La Vida Breve“ für den Chor noch ein weiteres großes chor- sinfonisches Werk im Konzertplan des Jubiläumsjahres, gro- ße Aufgaben, denen jene im 200. Jahr aber Die Tonhalle vor dem Umbau kaum nachstehen. NC28 Seite 4 NC28 Seite 5 1968: Die „68er“ Das Jahr 150 des Musikvereins ist nicht nur wegen dieses Jubiläums ein be- sonderes, allein schon deshalb, weil noch heute bei einer ganzen Generation von Menschen unterschieden wird, ob sie „Alt-Achtundsechzigern“ sind oder vor 50 Jahren zu deren Unterstützern, sympathisierenden oder skeptischen Beobach- tern oder Adressaten des von der Studentenbewegung ausgelösten Protestes zählten. Unabhängig von der damaligen Positionierung oder der heutigen Erinne- rung bleibt dieses Jahr der Wendpunkt in der bundesdeutschen Geschichte, nach dem sich kaum einer der Beschäftigung mit der jüngeren und vorher gern ausge- blendeten deutschen Vergangenheit entziehen konnte. Ziviler Ungehorsam, außerparlamen- tarische Opposition, das kritische Hinterfragen bürgerlicher Traditionen und Moralvorstellungen, die Emanzipation und antiautoritäre Erziehung sowie die Durchsetzung des Rechts auf gelebte Meinungsvielfalt gehörten ab sofort zum Alltag der Demokratie. Vor allem an der späteren Militanz zur Durch- setzung dieser neuen Prinzipien hat sich die Öf- fentlichkeit unseres Landes gerieben, aber die deutsche Gesellschaft wurde und blieb verändert und lernte aktive Demokratie. Im anderen Teil Deutschlands wurde die Bewe- gung auf sehr unterschiedliche Weise – natürlich nur durch die eigentlich verbote- nen West-Medien – erlebt und gewertet. Viele der sich in der DDR-Diktatur bevor- mundet und unter der parteikontrollierten Kleinbürgerlichkeit gegängelt, manipuliert und kontrolliert fühlenden jungen Menschen hatten große Sympathie für die auf- müpfigen Jugendlichen im Westen, sahen sich aber einer konzertierten Abwehrre- aktion von Partei und Stasi gegen jegliche basisdemokratischen Ideen gegenüber. Selbst Langhaarigkeit, legere Kleidung oder die Affinität zur kurz zuvor die Charts explodieren lassenden Beat-Musik waren Ziel von Aktionen zur Wiederherstellung der staatskonformen Ruhe. Das war insofern besonders schizophren, als natürlich die vermutete Destabilisierung der Bundesrepublik mit Freuden beobachtet und über die DKP unterstützt wurde. Rudi Dutschke galt als antikapitalistischer Held, die Sympathie für sein Aufbegehren unter den nach Freiheit lechzenden Jugendli- chen galt allerdings innerhalb der Mauern als Verbrechen. Ein weiteres Ereignis war für den weiteren Verlauf der Systemauseinanderset- zung herausragend. Der vor allem im Osten viele Hoffnungen auf Demokratisie- rung des Sozialismus auslösende „Prager Frühling“, von dem man ein Übergrei- fen auf andere Ostblockländer erhoffte, wurde blutig niedergeschlagen. Aus der mit dem Namen Alexander Dubcek verbundenen Hoffnung auf Freiheit wurde Verzweiflung, weil der „große Bruder – Sowjetunion“ gezeigt hatte, dass der kom- NC28 Seite 6 NC28 Seite 7 munistische Machtanspruch - unge- stört durch die übrige Welt – jederzeit zementiert werden kann und den Auf- begehrenden auch künftig die Panzer drohen. Für die DDR verschärfte sich die Isolation, nicht nur wegen der nun- mehr bereits am Erzgebirgsrand be- ginnenden Reisebeschränkungen. Die Bürger des eingemauerten deutschen Staates wurden z.B. bei ihren Reisen an den Balaton oder nach Bulgarien wegen der Beteiligung des SED-Regimes an der Niederschlagung des demokra- tischen Sozialismus in Prag auch noch als „Stalinisten“ oder als „Nachfolger der Nazis“ gebrandmarkt. Diese beiden Deutschland unmittelbar berührenden Ereignisse verdrängen an- dere – ebenfalls weltgeschichtlich wichtige – in den Erinnerungshintergrund. 1968 ist der 1963 zum Nachfolger des ermordeten John F. Kennedy vereidigte Lyndon B. Johnson im letzten Jahr seiner Präsidentschaft, Richard Nixon gewinnt die Wahl im November. In Deutschland führt Kurt-Georg Kiesinger die große Ko- alition mit seinem 1969 gewählten Nachfolger Willy Brandt als Außenminister. In Frankreich bereitete sich Premierminister Georges Pompidou auf die Nachfolge Charles de Gaulles als Staatspräsident (1969 - 1974) vor und im Vereinigten Kö- nigreich regiert Harold Wilson. Nur Königin Elisabeth II hätte dem Städtischen Musikverein zu Düsseldorf damals schon zum Jubiläum gratulieren können …

Die Tatsache, dass in allen genannten Staaten zwischen 1968 und 1970 ein Kandidat als Staatsoberhaupt gewählt wird, mit dem sich ein Wille nach Wandel verbindet, kennzeichnet die Zäsur dieses Jahres auffällig. Die Studenten- und Bürgerrechtsbewegung begann in Frankreich mit Unru- hen, die das Pariser Quartier Latin lahmlegten, der Vietnamkrieg nahm durch die Tet-Offensive des Vietcong und das Bekanntwerden des Massakers von My Lai eine entscheidende Wende in seiner kritischen Wahrnehmung durch die US-Öf- fentlichkeit. Durch die Ermordung Martin Luther Kings im April 1968 intensiviert sich die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA. In der Bundesrepublik wird die Notstandsverfassung verabschiedet und die DDR gibt sich eine durch alternativloses „Plebiszit“ bestätigte neue Verfassung, in der das Einheitsgebot aufgehoben und die zwei Teile Deutschlands Staaten als völkerrechtlich anzuerkennende souveräne Staaten verewigt werden. NC28 Seite 6 NC28 Seite 7 Auf dem Parteitag der Polnischen Ver- einigten Arbeiterpartei rechtfertigt der so- wjetische Parteichef Leonid Breshnew die nach ihm benannte Doktrin der be- schränkten Souveränität der Staaten des Warschauer Pakts, zementiert damit das Recht der KPdSU auf Systemerhaltung und ermutigte die Betonköpfe um Walter Ulbricht in der DDR, die Abgrenzung gegenüber der deutschen Kulturnation endgültig zu vollziehen. In der Raumfahrt steuert das Apollo-Programm der NASA auf die erste Mond- landung zu, indem Apollo 8 zu Weihnachten 1968 die erste bemannte Umkrei- sung des Erdtrabanten gelingt. Das erste Überschall-Passagierflugzeug der Welt, die sowjetische TU 144, absolviert ihren Jungfernflug.

1968 war auch das Jahr der XIX. Olympischen Spiele in Mexiko mit Bob Beamons 8,90 m Fabelweltrekord im Weitsprung, mit dem den Hochsprung revolutionierenden Fosbury-Flop-Sieg seines Erfinders und mit den Handschuh-Protesten der farbigen Sprintsieger zur Siegerehrung. Der 1. FC Nürnberg wird Deutscher Fußballmeister und Italien ge- winnt die Europameisterschaft im eigenen Land. Die Bilder dieser Ereignisse konnte man bereits in Farbe sehen, denn das Deut- sche Fernsehen sendete schon seit dem „verspäteten Knopfdruck Willy Brandts im Sommer 1967 „bunt“: Während die großartigen Mimen Senta Berger und Heinz Rühmann 1968 den Bambi erhielten und der harmlos-heitere Streifen „Zur Sa- che Schätzchen“ als deutsches Filmereignis Erwähnung findet, tönt es aus Hollywood laut: „Born to be Wild“ - 1968 drehte Dennis Hopper mit Peter Fonda und Jack Nickolson den ein Jahr später in Cannes uraufgeführten Kultfilm „Easy Rider“, der ein neues Lebensgefühl im Kon- trast zu jenem ländlichen Amerika auf die Leinwand brachte, dessen trotz unge- heure Weiten beherrschende aber engstirnig-konservative Siedlermentalität auch zu den heutigen politischen Verhältnissen MEIN „America first“ beigetragen hat. In New York eröffnet der Madison Square Garden und in Kassel findet die IV. „Dokumenta“, die Weltausstellung der modernen Kunst statt. Bedeutende Filme wie Stanley Kubricks „Odysee im Weltraum“ oder George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ erleben ihre Uraufführung. Übrigens: Seit 1968 heißt es auf jeder Rechnung incl. MwSt. NC28 Seite 8 NC28 Seite 9 Die Welt des Musiktheaters freut sich über die Uraufführung des Flower-Power- Musicals „Hair“ von Galt MacDermot in New York. Weitere Musiktheater-Urauf- führungen erleben Stockholm mit Franz Berwalds Operette „Die Königin von Gol- conda“, mit Boris Blachers Kurz-Drama „Ariadne“ und mit der Oper „Ulisse“ von Luigi Dallapiccola sowie Hamburg mit der Science- Fiction-Oper „Hilfe, Hilfe, die Globolinks“ von Gian Carlo Menotti. 31 Jahre nach seiner „Carmina“ komponiert am Ende seines Opernschaffens Carl Orff ein Werk mit deutlichem Bezug auf die 68er-Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft: „Prometheus“, das auf der Aischylos-Vorlage „Der gefesselte Prometheus“ basiert, wird am 24. März d. J. im Staatstheater Stuttgart unter der Leitung von Ferdinand Leitner uraufgeführt. - Mit einem Grammy Award - dem bedeutendsten amerikanischen Musikpreis - wurden 1968 in der Kategorie „Klas- sik“ als beste Chordarbietung Mahlers 8. Sinfonie mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Leonard Bernstein ausgezeichnet und in der Ka- tegorie „Beste technische Aufnahme“ Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band von den Beatles. Ein Attentat auf Andy Warhol und die Zerstörung eines Rubens-Gemäldes im Louvre sind traurige Daten im nicht sehr prall gefülltem Kultur- und Kunstkalender. Das ist in politisch so aufregender Zeit wahrscheinlich dem Mangel an Ruhe zur Reflexion und einer vorab nicht so zu erwartenden, also auch nicht programma- tisch künstlerisch vorbereiteten Brisanz der Ereignisse geschuldet.

Im Gegensatz zu den weltbewegenden und nachhaltigen Ereignissen verzeich- nen die Chroniken für die Stadt Düsseldorf im „Großen Düsseldorf Lexikon“ keine und online nur wenige bemerkenswerte Ereignisse, sieht man einmal von den ne- ben diversen Stadtblockaden durch demonstrierende Studenten erwähnten Fest- konzerten zur Feier des 150. Bestehens des Städtischen Musikvereins zu Düs- seldorf ab. Allerdings wurden 1968 auch die Weichen für eine Modernisierung der Infrastruktur gestellt: Der Bau von Teil- strecken für die U-Bahn wurde vom Rat der Stadt ebenso beschlossen wie der Neubau der Oberkasseler Brücke, der mit der weltweit beachteten Verschie- bung nur 9 Jahre später realisiert wurde. Für den Neubau der Messe in Stockum wurde ebenso grünes Licht gegeben wie real für die Abfahrt der ersten S-Bahn in Richtung Garath/Langenfeld und für die Benutzung der Autohochstraße am Nordfriedhof. Da das Auto immer noch des „Deutschen liebstes Kind“ ist, werden sich die 50 Jahresringe manchem auch durch den Blick auf den sich rasant beschleunigenden Wandel in der Modellpalette der deutschen PKW-Hersteller erschließen. NC28 Seite 8 NC28 Seite 9 Vielleicht findet mancher Chorsänger unter den gefundenen 68er Typen seinen Wa- gen, mit dem er mit D, ME, NE, W oder KR-Nummer zu den Proben gefahren kam.

Andere nutzten z.B. die DÜWAG-Straßen- bahn, die heute nur noch bei Nostalgie-Sonder- fahrten zu bewundern ist, damals aber schon fast ein Jahrzehnt und dann noch drei weitere den Nahverkehr bewältigte. Der im Dezember 2017 das Schneechaos souverän meisternde Gelenkzug der ehemaligen D-Bahn fuhr sogar mit Speisewagenabteil! Die ein Jahr später eröffnete Rheinkniebrüc- ke und das damals noch im Bau befindliche, nun nach Sanierung bald wieder zugängliche Schauspielhaus können nicht als stumme Zeit- zeugen herhalten, aber die Nähe ihrer damals bevorstehenden Fertigstellung regt zum Wei- terdenken des sich jetzt vollendenden vierten Halbjahrhunderts des Chores an.

Die Schiffe auf dem Count-up- Weg wurden bis 1918 immer grö- ßer – aber unsere „Heinrich Hei- ne“ ist im Vergleich zum Dampfer „Goethe“ ein Zwerg, (was aber nicht auf eine vergleichende Wertschätzung der Namenspa- trone schließen lässt). Auf jeden Fall aber wurde jede Dampfer- Generation moderner, wendiger und schneller. Wenn man heute die riesigen schwimmenden Hotels sieht, die sich fast so intensiv vermehren wie die sie vom Ufer aus beobachtenden Rheinwiesen-Kaninchen, dann sieht man auch hier die verkehrstechnische Akzeleration der fünf Jahrzehnte, die …

Die persönliche Bewertung zwischen Nostalgie und Realität darf getrost jedem in der Hoffnung auf in gutem Sinne demokratische Vielfalt überlassen sein – wo- mit wir wieder bei den 1968er Impulsen wären. NC28 Seite 10 NC28 Seite 11 1968: Wer kam - wer ging Im Jahr 150 des Musikvereins begehen wichtige Persönlich- keiten ihren 1. Geburtstag und zeigen uns, wie lang oder wie kurz sich die Zeitspanne des letzten Count ups anfühlt:

(1) (2) (3) (4)

Der spanische König Felipe VI, der britische James Bond-Dar- steller Daniel Craig (1), die internationalen Stars Celine Dion, Kylie

Minoque (2), Naomi Watts und Anastacia, die Schauspielerin So- 2018 phie von Kessel (3) und ihre männlichen Kollegen Michael „Bully“ Herbig, Jürgen Vogel, Erol Sander; die Fußballer Oliver Bierhoff, Thomas Strunz, Stefan Effenberg (4) und Mario Basler, der Rad- rennfahrer Rolf Aldag, der Formel1-Weltmeister Mika Häkkinen.

(5) (6) (7) (8) 1968 war das Todesjahr des ersten Kosmonauten der Welt, Juri Alexejewitsch Gagarin (5) (*1934), der Pianistin Elly Ney (6) (*1882), des Malers, Grafikers und Bühnenbildners John Hartfield (*1891), der Schauspielerin Lilian Harvey (7) (*1907), des Atom- physikers und Nobelpreisträgers Otto Hahn (*1879), des Schau- spielers Rudolf Forster (*1884), der Naturwissenschaftlerin Lise Meitner (*1878) und des US-amerikanischen Romanciers John Steinbeck (8) (*1902). NC28 Seite 10 NC28 Seite 11 FRAUEN IM HAUSE MENDELSSOHN Ute Büchter-Römer Lea, Dorothea, Henriette, Fanny , Rebecka, Cécile, Enole....! Wer waren die Frauen, die in der Familie Mendelssohn Männer, Brüder, Söhne, Neffen mit-bestimmten, mit ihnen lebten, diskutierten und keinesfalls auf ihr eigenes Leben verzichteten? Zwischen Anpassung und Rebellion, zwischen Selbstfindung und gelebter Famili- enarbeit bewegten sich die Frauen der unterschiedlichen Generationen der Mendels- sohns. Da flieht Dorothea ihre Ehe mit dem literarisch Berühmten, da gründet Henri- ette in eine Mädchenschule, subtil ironisch fordert Fanny ihre kompositorischen Veröffentlichungen ein, diskutiert Rebecka politisch und begleitet Enole den berühm- ten Geiger am Flügel. Begabte, spannende Frauen treten uns aus dieser Familie über Generationen entgegen. Angepasst oder revolutionär oder eben beides. Im Stammbaum zurück Bedeutung die- Auf Sarah Levy (1761-1854) sei beim ser Vorfahrin von Blick auf die Frauen im Hause Mendels- Felix und Fanny sohn die erste Aufmerksamkeit gelenkt. Mendelssohn ist Sie ist die jüngere Schwester von Bella Sa- somit nicht zu lomon, der Mutter von Lea Mendelssohn, unterschätzen der wir als Ehefrau von Abraham Mendels- und zeigt zudem sohn und Mutter von vier musisch hochbe- die außerge- gabten Kindern - Fanny, Felix, Rebecka wöhnliche Stel- und Paul - gleich begegnen werden. Sarah lung, auch in der Familie, die diese Frauen Levy hat einen musikalischen Grundstein einnahmen. gelegt, auf dem die leidenschaftliche und könnerhafte Beschäftigung der Mendels- sohns mit der Musik zu basieren scheint. Sie war Schülerin des Bach-Schülers Jo- hann Philipp Kirnberger und unterhielt persönlichen Kontakt mit Carl Philipp Emanuel Bach, auch als dieser mit seiner Familie in Hamburg lebte. In ihrem Besitz befanden sich eine Fülle von Autographen Lea Mendelssohn, geb. Salomon, hei- der Kompositionen von Johann Sebastian ratete erst mit 28 Jahren Abraham Men- und Carl Philipp Emanuel Bach, die sie be- delssohn. Sie kannte die Salonieren Hen- reits zu Lebzeiten an die Berliner Singaka- riette Herz und Rahel Levin wie auch be- demie, an Friedrich Zelter, gegeben hat. sonders Sarah Levy. Lea gilt als selbstbe- Abschriften der Kompositionen dienten wusst und unabhängig in ihrem Denken: der Verbreitung und damit dem Musizie- „Die Briefe, die sie in der Zeit von 1798 ren der bachschen Werke. Hier ist der Ur- bis 1800 an den schwedischen Diploma- sprung der Kenntnis Felix Mendelssohns ten Carl Gustav von Brinkmann schreibt, von Bachs Matthäus-Passion zu finden, sind die ausführlichsten Zeugnisse für die eine Bach-Rezeption war dort in Berlin Selbständigkeit und Unabhängigkeit ih- üblich, hier war Bach nicht vergessen. Die res Denkens. Sie tritt ihm gegenüber sehr NC28 Seite 12 NC28 Seite 13 selbstbewusst auf und lässt nichts davon Mann intellektuell überlegen gewesen zu erkennen, dass sie sich dem traditionellen sein. Sie besuchte regelmäßig den Salon Rollenbild der Frau unterordnet“, bemerkt ihrer Jugendfreundin und Hans-Günter Klein in den Mendelssohn lernte dort den Dichter Studien1. kennen und ging eine Liebesbeziehung mit dem Dichter ein. Dies galt als unsittlich Henriette Mendelssohn (1775-1831), und war letztlich nicht erlaubt, die Bezie- die Schwester Abraham Mendelssohns, hung wurde nur in der unmittelbaren Um- hat an den Diskussionsrunden in Berlin um gebung akzeptiert. Dorothea wandte sich Henriette Herz und Rahel Levin teilgenom- damit völlig gegen das traditionelle Rollen- men, wie sie auch Schleiermacher begeg- bild der Frau und war den unterschiedli- net ist. Sie entschied sich, unverheiratet chen Reaktionen der Familienmitglieder zu bleiben, übernahm zunächst die Erzie- ausgesetzt. Es gab einige, die sich von hung zweier Töchter eines Bekannten der ihr abwandten, andere, die sie unterstütz- Fanny von Arnstein in Wien, die ebenfalls ten. Die gesellschaftliche Diskriminierung zur weiteren Familie der Mendelssohns war deutlich. Dennoch ist es sehr überra- gehörte, ging aber dann nach Paris und schend, dass ihr Ehemann Simon Veit ihr gründete dort eine Mädchenschule. (vergl. nach der Scheidung 1799 den jüngeren Klein, a.a.O., S. 69) Ihre Briefe an die Fa- Sohn überließ und auch Unterhalt zahlte, milie in Berlin, an Lea und besonders auch allerdings unter der Bedingung, dass sie an deren Tochter Fanny verraten eine tiefe nicht wieder heirate, sich nicht taufen ließe Teilnahme an dem Leben der Schwägerin oder den Sohn christlich erzöge. Als der und der Nichte in Berlin, es finden sich Roman „Lucinde“ von Friedrich Schlegel Ratschläge, Kritiken und auch ein Bedau- erschien, wurde die gesellschaftliche Ab- ern darüber, nicht bei den vielen familiären lehnung noch größer. In diesem Roman Festen und auch Konzerten zugegen sein wird die Liebe in ihren Facetten erzählt, zu können. die körperlichen Freuden durchaus nicht verschwiegen, zugleich war kaum zu ver- Dorothea (Brendel) Mendelssohn bergen, dass es sich bei der Hauptperson (1764-1839) hat, dem Wunsch des Vaters im Roman um Dorothea selbst handelte. entsprechend und Das Paar zieht zunächst nach Jena, Do- gemäß den Gepflo- rothea übernimmt zum Erhalt der Familie genheiten der Zeit, Übersetzungsarbeiten, ohne ihren Namen den ihr bestimmten zu nennen. 1802 gingen Friedrich Schle- Bankier Simon Veit gel und Dorothea nach Paris, sie ließ sich geheiratet. evangelisch taufen, das Paar heiratete. In Das Paar hatte Köln konvertierten beide zum Katholizis- zwei Söhne. Do- mus. Als Friedrich Schlegel in Wien zum rothea Veit verfügte über gute französi- Hofsekretär berufen wird, geht sie mit ihm sche Sprachkenntnisse und scheint ihrem nach Wien und verbringt zwanzig Jahre 1 Hans-Günter Klein: Jenseits des geschlechts- dort. So wurde Österreich zu ihrer Heimat. spezifischen Rollenbildes - Frauen und Töchter Auch ihre Söhne, beide Maler, die der der Familie Mendelssohn in der zweiten Ge- christlich geprägten Nazarenergruppe an- neration, in: 250 Jahre Familie Mendelssohn, gehörten, ließen sich ebenfalls katholisch hrsg von Sebastian Panwitz und Roland Dieter Schmidt-Hensel, Hannover 2014, S. 67/68. Klein taufen. Dorothea Schlegel führte ihrem weist an dieser Stelle darauf hin, dass sich diese Mann den Haushalt und sah ihre Aufgabe Briefe unveröffentlicht in Privatbesitz befinden. auch darin, ihm die Ruhe für seine Arbeit NC28 Seite 12 NC28 Seite 13 zu schaffen. Damit akzeptierte sie später Am Ende des Briefes kündigt Dorothea das traditionelle Rollenbild, das sie zuvor noch die Sendung der Bilder ihrer Söhne abgelehnt hatte. Wie sehr sie sich der an, die aus Rom in Berlin eintreffen sol- Großzügigkeit Simon Veits bewusst war len, sie bemerkt dabei, dass es besonders und dies ihm auch mitteilte, wird aus dem schöne Bilder seien, das sie sagen kön- Brief erkennbar, den sie am 28. August ne, auch wenn man ihr Parteilichkeit nicht 1819 aus Rom an Simon Veit schreibt; dort abstreiten könne. Nach dem Tod Friedrich heißt es: „Mein wahrer, und hochgeehrter Schlegels geht Dorothea nach Freund! Wie soll ich wohl mit Worten aus- am Main, wo sie bei ihrem Sohn Philipp drücken, was Dein Schreiben - der unwi- Veit lebt, der Direktor des Frankfurter Stä- derlegliche Beweis Deiner Verzeihung und del-Museums geworden ist. treuen Freundschaft - für Empfindungen in Es scheint, als sei dies Frauenleben in mir erregt, wie tief mich Deine Worte ge- der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in rührt haben! Ich habe alles Gott zu Füßen seiner außergewöhnlichen Erscheinung gelegt im Gebete, ich kann ja nichts tun, Ausdruck eines Emanzipationsbestrebens nur Er allein im Himmel, der Ewig-Allmäch- eben jener spannenden Zeit der Roman- tige, kann geschehenes Unrecht, wenn wir tik, in der es vielen Frauen gelungen ist, es aufrichtig vor ihm bekennen, durch sei- sich ein eigenes Leben zu schaffen und ne Allmacht für die Ewigkeit ungeschehen sich zu behaupten. machen, kann Böses in Gu- tes verwandeln. Das ist meine Hoffnung! Eins nur beschwöre ich Dich – denn warum soll ich wagen, Dich zu heftig durch zu vieles Schreiben anzure- Im Hause Mendelssohn gen und Dir vielleicht zu schaden? Eins hatte die Musik eine wesentliche Bedeu- nur: klage Du Dich doch ja über nichts tung. Die begabten Kinder von Abraham an! Du kannst wohl ganz ruhig sein und und Lea Mendelssohn Bartholdy, Fanny, Dich in Deinen ohnehin großen Schmer- Felix, Rebecka und Paul erhielten eine zen und körperlichen Leiden des innern professionelle Musikausbildung, wobei Friedens im Bewußtsein Dich erfreuen, Fanny und Felix über den Klavierunterricht daß Du an nichts schuld bist! Ich weiß nur hinaus Kompositionsunterricht bei dem zu wohl, daß meine Starrköpfigkeit, mein Goethe-Freund Friedrich Zelter hatten. Eigensinn, meine Heftigkeit, Leidenschaft- Früh zeigte sich die Begabung von Fanny lichkeit, meine unseelige Unruh, Unzufrie- (1805-1847), die ebenso gefördert wurde denheit und Phantasterei, ein gewisses wie die des Bruders. Allerdings galt für sie sträfliches Treiben nach etwas Fremden, das Rollenbild der Frau im 19. Jahrhun- Unbekannten mich herumtrieb, und ich al- dert. Abraham Mendelssohn fasst dies in lein bin schuld an unserer Trennung, und seinem Brief an seine Tochter zu ihrem 23. an alles, was Gott mir verzeihen wolle, wie Geburtstag zusammen: „[...] Du bist gut in Du mir verziehen hast!“2 kiers, Künstler und Gelehrte. Unveröffentlichte 2 Dorothea von Schlegel an Simon Veit aus Briefe der Familie Mendelssohn aus dem 19. Rom am 28. August 1819, in: Felix Gilbert: Ban- Jahrhundert. Tübingen 1975, Seite 44/45). NC28 Seite 14 NC28 Seite 15 Sinn und Gemüt. Das Wort ist verdammt sen, um Dir etwas mitzuteilen. Da ich aber klein, aber es hat es hinter den Ohren, und von Anfang an weiß, daß es Dir nicht recht ich sage es nicht einem jeden. Aber Du ist, so werde ich mich etwas ungeschickt kannst noch besser werden! Du mußt Dich dazu anstellen, denn lache mich aus oder mehr zusammennehmen, mehr sammeln, nicht, ich habe mit 40 Jahren eine Furcht Du mußt Dich ernster und emsiger zu dei- vor meinen Brüdern, wie ich sie mit 14 vor nem eigentlichen Beruf, zum einzigen Be- meinem Vater gehabt habe, oder vielmehr ruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden. Furcht ist nicht das rechte Wort, sondern Die wahre Sparsamkeit ist die wahre Libe- der Wunsch, Euch Allen die ich liebe, es in ralität, wer Geld wegwirft, muß ein Geiz- meinem ganzen Leben recht zu machen, hals oder ein Betrüger werden. Der Frauen u wenn ich nun vorher weiß, daß es nicht Beruf ist der schwerste, die unausgesetzte der Fall sein wird, so fühle ich mich rather Beschäftigung mit dem Kleinsten, das Auf- unbehaglich dabei. Mit einem Wort, ich fangen eines jeden Regentropfens, damit fange an herauszugeben, ich habe Herrn er nicht in dem Sande verdunste, sondern Bock´s treuer Liebeswerbung um meine zum Bache geleitet, Wohlstand und Segen Lieder, u seinen vorteilhaften Bedingun- verbreite, […]...das, und alles, was Du Dir gen endlich ein geneigtes Ohr geliehn. dazu denken wirst, sind die Pflichten, die [...] Schande hoffe ich Euch nicht zu ma- schweren Pflichten der Frauen.“3 chen, da ich keine u leider gar kein junges Deutschland bin.“4 Dieser (1805-1847) hielt Brief verrät eine Wandlung der Kompo- sich zunächst an diese ihr zugedachten nistin. Sie fügt sich nicht mehr dem Pos- Rolle, nicht jedoch unter Verzicht auf die tulat, als Komponistin nur „zur Zierde des musikalische Tätigkeit. Sie komponierte Hauses“ zu komponieren. Zu herzlich und Klavierstücke und Lieder, eine Oratorium, ehrlich war die Anerkennung, die ihr in Ita- eine Ouvertüre. Ihr Ehemann, der Akade- lien gezollt wurde. Sie fand ihre „Nische“, miemaler Wilhelm Hensel, den sie nach ihre musikalische Aufgabe. Da Felix Men- längerer Prüfung heiraten durfte, unter- delssohn als Gewandhauskapellmeister in stützte ihre musikalische Arbeit, ermunter- Leipzig vollauf beschäftigt war, hatte sie te sie und wurde so zum idealen Partner die Leitung der halböffentlichen „Sonn- der Komponistin und begabten Pianistin. tagsmusiken“ auf der Leipziger Strasse 3 Der Italienaufenthalt der Familie Hensel in Berlin übernommen. Diese entwickelten 1839. 1840 brachte eine Veränderung in sich zu einem Treffpunkt Musik interessier- der Haltung Fanny Hensels zu ihrer Rolle. ter Menschen, die sich nicht nur aus Berlin In Rom traf sie auf Mitglieder der franzö- auch zu Diskussionen zusammenfanden. sischen Künstlerkolonie, darunter Charles Fanny Hensel hat diese Tätigkeit genos- Gounod, die sie animierten, zu komponie- sen. Wilhelm Hensel saß dabei und zeich- ren und zu musizieren. An Selbstbewusst- nete alle Gäste, und dokumentierte so, sein gewonnen, begann sie nach ihrer wer dort alles zu Gast war. Wie glücklich Rückkehr aus Rom in Berlin ihre Kompo- die Komponistin über diese Konzerte war, sitionen herauszugeben. Dazu schreibt geht aus einem Brief an ihre Schwester sie an ihren Bruder Felix: „Eigentlich soll- Rebecka vom 18. März 1844 hervor: „Vo- te ich Dir jetzt gar nicht zumuthen, diesen rigen Sonntag war bei uns die brillanteste Quark zu lesen, beschäftigt wie Du bist, Sonntagsmusik, die, glaube ich, noch je- wenn ich Dir nicht hätte schreiben müs- mals stattgefunden hat, sowohl was Aus- 3 in: Ute Büchter-Römer: Fanny Mendelssohn- 4 in: Ute Büchter-Römer: Fanny Mendelssohhn- Hensel, Reinbeck 2001, Seite 31. Hensel, Reinbeck 2001, Seite 48-49. NC28 Seite 14 NC28 Seite 15 führung und Publikum betraf. Wenn ich Dir mann. Er: Warum haben sie ihm keine sage, daß zweiundzwanzig Equipagen auf Muskete in die Hand gegeben, um die dem Hof und Liszt und acht Prinzessin- Schurken todtzuschießen. Ich: Welche? nen im Saal waren, wirst Du mir die nä- Er (verdutzt): Das kann doch wohl keine here Beschreibung des Glanzes in meiner Frage sein. Ich: Für mich nicht, ich glaube Hütte wohl erlassen.“5 aber, daß wir sehr verschiedener Meinung sind. Noch einige liebenswürdige Redens- Rebecka Mendelssohn Bartholdy arten hin und her und wüthender Aufbruch (1811-1858) erhielt ebenfalls, wie ihre seinerseits. Das ist das einzige Mal, so lan- Geschwister eine ge ich hier bin, daß ich mich mit so einem musikalische solch Gespräch gehabt habe. Ich kann Ausbildung. Im- nicht sagen, mit Andersdenkenden, denn mer wieder lobte ein Schlippenbach denkt nicht. [...].“ 6 ihr Bruder ihren Am 24 Juli 1836 schreibt Felix Mendels- Gesang. Sie war sohn Bartholdy an seine Schwester Re- eine der Ausfüh- becka: „Diese Zeit ist sonderbar. Ich bin renden bei den so entsetzlich verliebt, wie noch niemals Sonntagsmusiken. in meinem Leben und ich weiß nicht, was Nach dem Tod Fanny Hensels lebte Se- ich anfangen soll. Uebermorgen soll ich bastian Hensel, der einzige Sohn Fanny von Frankfurt abreisen, mir ist aber, als und Wilhelm Hensels, bei ihr. Ein umfang- kostete das den Hals, ich will in jedem Fall reicher Briefwechsel zeigt eine politisch vor Leipzig wieder hier sein, um dies gar ausgesprochen interessierte Frau, die zu nette Mädchen noch einmal zu sehen, ihre Gedanken frei äußerte. Rebecka war aber ob sie sich etwas aus mir macht, das sprachbegabt. Sie lernte schnell Franzö- weiß ich eben garnicht und was ich anfan- sisch, Englisch und Italienisch und beherr- gen soll, wie gesagt, auch nicht. Das ist sche Griechisch und Latein. Von diesen aber gewiss, dass ich die ersten recht fro- Kenntnissen profitierten ihr Sohn Walter hen Stunden dieses Jahres ihr verdanke und ihr Neffe Sebastian. Rebecka hatte und dass mir zuerst wieder ein wenig frei- die Fähigkeit, einer Aussage mit Ironie zu er zu Muthe geworden, als bisher.“ 7 begegnen. Sie verfügte über eine liberale Die junge Frau, in die sich Felix Mendels- Gesinnung, die sich an den Vorstellungen sohn Bartholdy so heftig verliebte, war die der französischen Demokratieentwicklung Tochter des früh verstorbenen Predigers orientierte. In den Briefen an Sebastian der französisch-reformierten Gemeinde Hensel finden sich eine Fülle politischer August Jeanrenaud. Gedanken. Immer wieder meint sie, sie wolle ja nicht über Politik reden, aber ge- 6 Ute Büchter-Römer:„Vergiß nicht deine Tan- nau das geschieht. So schreibt sie aus te...“. Aus den Briefen Rebecka Dirichlets an Heringsdorf, Anfang September 1849 an ihren Neffen . In: Mendels- sohn Studien 14. Hrsg von Hans-Günter Klein Sebastian Hensel: „[...] Doch muß ich Dir und Christoph Schulte. Berlin 2005. Seite 304) eine Conversation erzählen, die ich neu- Immer wieder reflektiert Rebecka die politische lich, den einzigen Abend, den ich in einem Situation um 1848, 1849. Die Briefe bilden ein sogenannten Conzert auf dem Gesell- interessantes Dokument des politischen Den- kens Rebecka Dirichlets, geb. Mendelssohn schaftshaus zubrachte, mit dem Grafen Bartholdys. Schlippenbach hatte. Er: Was wird denn 7 an Rebecka Dirichlet. der Sohn ihres Schwagers? Ich: Land- 24. Juli 1836, in: Eckart Kleßmann: Die Men- 5 in: Ute Büchter-Römer: Fanny Mendelssohn- delssohns. Bilder aus einer deutschen Familie. Hensel, Reinbeck 2001, Seite 87-88. Frankfurt am Main 1993, Seite 214/215. NC28 Seite 16 NC28 Seite 17 Cécile Charlotte Sophie Jeanrenaud Enole Mendelssohn war eine begabte (1817-1853) galt als eine schöne, sanfte Pianistin. Wie begabt, das zeigt sich an Frau. Das Paar hei- einer Begebenheit ratete am 28. März zum Geburtstag 1837. Cécile brach- des damals be- te Ruhe in das kanntesten Gei- Leben des Kom- gers Joseph Joa- ponisten, schaffte chims. Dessen 50. ihm in Leipzig ein Geburtstag wur- Zuhause, in das er de im Hause von sich zurückziehen Franz und Enole konnte. In seinen Erinnerungen an Cécile Mendelssohn gefeiert. Joseph Joachim und Felix Mendelssohn beschreibt er Cécile spielte dort Tartinis Teufelstrillersonate, und dadurch wird auch die Bedeutung dieser er wurde von Enole Mendelssohn beglei- Frau für Mendelssohn deutlich. Er schreibt: tet. Enole zeigte ein sicheres Urteil über „Cécile war schlank und schön gewachsen, Musik und Interpreten. Sie war befreundet ihre Züge ergreifend, dunkelblaue schwär- mit Clara Schumann und korrespondierte merische Augen unter schönen gewölbten mit ihr z.B. über das Spiel des russischen Augen-Brauen und dunkelbraunem Locken- Pianisten Anton Rubinstein. Im Haus der haar über der klaren Stirn zogen mächtig Mendelssohns auf der Jägerstraße 51 an, während der feine meist geschlossene wurde ein von vielen Musikern geschätz- Mund, wenn er sich öffnete, voll Liebe und ter Konzertsaal gebaut. Die Kinder des Sanftmuth war. Sie besaß daher die rechte Paares erhielten ebenfalls eine musikali- Gabe, die Stimmung ihres Mannes zu erhe- sche Ausbildung. Es wird berichtet, dass ben, aber auch zu beruhigen.“8 Nach dem sie zusammen mit den eingeladenen pro- unerwarteten frühen Tod Mendelssohns, ein fessionellen Musikern schwierige Stücke langer Bericht dieses letzten Tages von Fe- interpretieren konnten.9 lix gibt Aufschluss über ihre Empfindungen, suchte sie die Entscheidung über die Musi- Die Frauen im Hause Mendelssohn: kalien und deren Veröffentlichung zu behal- begabt, selbstbewusst, musikalisch, ten. Offensichtlich, so scheint es, als habe nachdenklich, sanft, ironisch. Scheinbar sie die Entscheidung über die Verwendung passten sie sich den Rollenvorstellungen des Nachlasses nicht freiwillig abgegeben. der Zeit an. Sie entwickelten eine eigene Die Witwe Mendelssohns zog mit ihren fünf Lebensvorstellung, der sie über die ihnen Kindern nach Frankfurt zurück, wo sie be- zugewiesene Rolle hinausführte, auch reits 1853 starb. innerhalb des familiären Bezugs und sei- ner Verpflichtungen. Letztlich hatten alle Marie Antoinette Enole Mendelssohn, das Glück, eine ungewöhnliche Erzie- geb. Biarnez (1827-1889) war die Tochter hung genossen zu haben, die den Män- des Weinhändlers Pierre Biarnez in Bor- nern gleichgestellt war, die sie dies Leben deaux. Ihre musikalische Begabung wur- entsprechend gestalten ließ, ein Weg aus de früh erkannt, zumal ihre Mutter eine dem 19. Jahrhundert in das 20. und 21. anerkannte Harfenistin war. Jahrhundert hinein. 9 vergl.: Karin Reyersbach: Die Musikkontakte 8 Christian Lambour: Erinnerungen an Cécile des Ehepaares Enole und Franz (von) Men- und Felix Mendelssohn Bartholdy von Eduard delssohn. In 250 Jahre Familie Mendelssohn. Souchay de la Duboissière, in: Mendelssohn Hrsg von Sebastian Panwitz und Roland Dieter Studien Band 16, Hannover 2009, Seite 211 ff. Schmidt-Hensel, Hannover 2014, Seite 227 ff. NC28 Seite 16 NC28 Seite 17 EIN REGERFEST Zum 52. Tonkünstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins (ADMV) 1922 in Düsseldorf Klaus Wolfgang Niemöller

Der Rahmen getretene Pause hatte politische Ursachen, In der 100-jährigen Geschichte des All- die auch für die Geschichte des Tonkünst- gemeinen Deutschen Musikvereins kommt lerfestes 1922 in Düsseldorf grundlegend dem 52. Tonkünstlerfest des ADMV am 3. waren. Noch unter dem Vorsitzenden Dr. bis 7. Juni 1922 eine besonderer Rang zu. Richard Strauss hatte 1920 in Weimar wie- Es galt, wenige Jahre nach dem Kriegsen- der ein Tonkünstlerfest stattgefunden, 1921 de ein Musikfest von nationaler Bedeutung folgte Nürnberg. auszurichten und zu gestalten. Nicht zuletzt wegen der Aufführungen von zwei Werken Erneut Düsseldorf Max Regers (1873 - 1916) wurde es in den Der neue Vorstand - Strauss blieb Ehren- Augen der musikalischen Fachpresse zu ei- vorsitzender - unter Strauss‘ Schulkamerad nem „Reger-Fest“. Bevor auf diesen Aspekt Dr. Friedrich Rösch, Komponist und Jurist in diesem Beitrag näher eingegangen wird, in Berlin, u.a. mit dem Münchener Akade- sind für das Verständnis und die Würdigung miedirektor Prof. Siegesmund von Hauseg- der Aufführungsfolge die Rahmenbedingun- ger, den Generalmusikdirektoren von Köln gen eines solchen Tonkünstlerfestes kurz und Aachen, Prof. Hermann Abendroth und darzulegen. Dr. Peter Raabe, leitete 1922 ein Tonkünst- Der 1861 in Weimar von Franz Liszt ge- lerfest, dessen Vergabe an Düsseldorf als gründete Allgemeine Deutsche Musikver- Ausrichtungsstadt auch der politischen Si- ein veranstaltete die Tonkünstlerfeste zur tuation geschuldet war. Die kulturelle Reak- Förderung des deutschen Musiklebens „im tion auf die Besetzung auch der rechts-rhei- Sinne einer fortschreitenden Entwicklung“. nischen Städte Duisburg und Düsseldorf Insbesondere sollten Werke junger Kom- durch alliierte Truppen am 6. März 1921 ponisten vorgestellt werden, die zuvor von als „Sanktionsgebiet“ zur Durchsetzung der einem Musikausschuss als Jury ausgewählt Reparationszahlungen war ein nationale wurden. Die Organisation der Feste orien- Identität stiftendes Musikfest. Die Aufnah- tierte sich an der der Niederrheinischen Mu- me von Kompositionen auch von auslän- sikfeste, deren erstes 1818 mit der Grün- dischen Komponisten war deshalb einer dung des Düsseldorfer Musikvereins eng der Spannungen erzeugenden Umstände. verbunden ist. Am 12./13. Oktober 1918 Nicht von ungefähr wird das umfangreiche hatte der Städtische Musikverein das Dop- „Programmbuch“, aus dem die Abbildungen peljubiläum durch „Jubiläums-Festkonzer- stammen, eingeleitet durch die Benennung te“ gefeiert, trotz Kriegszeiten, einen Monat der zahlreichen Mitglieder des „Ortsau- vor der Kapitulation. Das 90. Fest vor der schusse“, angeführt von Oberbürgermei- Zwangspause durch den 1. Weltkrieg hat- ster Dr. Emil Köttgen als Vorstand. Unter te 1914 noch der Musikverein Düsseldorf den elf Mitgliedern des „Verwaltungsaus- ausgerichtet. Zwar war die Festfolge mit schusses“ im Vorstand, ergänzt durch nicht Düsseldorfer Beteiligung 1920 in Aachen weniger als 40 „Sonstige Mitglieder“ waren wieder aufgegriffen worden, die 1923 ein- so als politische Repräsentanten mehrere NC28 Seite 18 NC28 Seite 19 Stadtverordnete, Regierungsbeamte, Pro- eine durch die Kriegszeit etwas veränderte fessoren der Kunstakademie. Unter ihnen Ausgabe der alten Niederrheinischen Mu- war der Landgerichtsrat Dr. Gustav Ophüls, sikfeste mit neuem Firmenschild“, verwun- selbst als Pianist auftretend und Brahms- derlicher Weise ohne Werke „unserer alten Kenner. Schon 1904 hatte er sämtliche von Meister“; das gewählte Pfingstfest war frei- Brahms vertonten Texte herausgebracht lich traditionell die Zeit der niederrheinischen und 1921 war sein Buch „Erinnerungen an Musikfeste. In Köln hatte Abendroth daher Johannes Brahms. Ein Beitrag aus dem das 92. Niederrheinische Musik mit Gastdi- Kreis seiner rheinischen Freunde“ erschie- rigent Hans Pfitzner auf 9., 11. und 13. Juli nen. Als er 1911 mit dem Frauenchor des verlegt. Ophüls spricht aber auch an, dass rheinischen Frauenklubs das Brahms‘sche trotz des opferwilligen Entgegenkommens op.44 aufführte, spiel- der Stadtverwaltung te der Geiger Adolf „unter dem Druck der Busch die Suite op.103 politischen und wirt- von Max Reger. Dem schaftlichen Verhält- „Programmbuch“ war nisse“ ein Wettbewerb auch ein „Geleitwort“ mit anderen Festen zum Tonkünstlerfest nicht möglich sei. Die von Ophüls beigege- „Not der schweren ben, das am 25. Mai Zeit“ erfordere die Zu- in den „Düsseldorfer billigung mildernder Nachrichten“ erschie- Umstände. Schon am nen war. Hier beklagt 23. November 1918 er, dass bei der Be- hatte der Herausgeber werbung für ein Ton- der Rheinische Musik- künstlerfest bisher 37 und Theater-Zeitung Städte Düsseldorf mit Dr. Gerhard Tischer Erfolg den Rang strei- gefragt, welche Stel- tig machen konnten: lung die Kunst und die „Woran mag das wohl Künstler in der neuen gelegen haben?“ So demokratischen Ge- führt er an: „Schon jah- sellschaft einnehmen relang haben wir hier werde, die derart durch ein selbst den schwie- Kriegsschulden bela- rigsten Ansprüchen stet sei, dass „für den gewachsenes großes Orchester und einen Genuß, für den Luxus, für jede Annehmlich- ebenbürtigen gemischten Chor von impo- keit des Daseins nicht mehr viel übrig bleibt.“ nierender Größe unter Leitung unseres im Da die Musik jedoch für die Deutschen kein In- und Ausland als virtuoser Dirigent an- Luxus sei, müsse sie gerade in schweren erkannten Generalmusikdirektor Professor Zeiten besonders gepflegt werden. Das Karl Panzner.“ lenkt die historische Aufmerksamkeit auf die 5. Rubrik des Ortsausschusses „För- Musik kein Luxus derer und Stifter“, darunter Bankdirektoren, Für die fortschrittliche Kunstgesinnung in Firmen-Besitzer mit heute noch klangvolle Düsseldorf weist er auch auf die gleichzeitig Namen (Haniel, Henkel, Mannesmann), stattfindende 1. Internationale Kunstaus- auch Salo Pfeffer in der Fa. Leonhard Tietz stellung des Expressionismus hin. Ophüls und Dr. Hans Franck der Fa. L. Schwann, trat auch der in Düsseldorf verbreiteten die das „Programmbuch“ druckte. Meinung entgegen, „das Tonkünstlerfest sei NC28 Seite 18 NC28 Seite 19 Zu neuen Ufern von 17 Komponisten aufgeführt, darunter 15 Zwei Persönlichkeiten der Düsseldorfer Uraufführungen einschließlich der Dramati- Musikwelt führen nun unmittelbar zur gro- schen Ballade „Anneliese“ des Berliners ßen Herausforderung, ein solches Musik- Carl Ehrenberg in der Oper. Sie dirigierte fest zu organisieren: „Flügelfabrikant Rudolf der später so berühmte Erich Kleiber, der Ibach“ und Constans Heinersdorff. Denn von der Oper Elberfeld–Barmen am 31. Juli abschließend werden alle Anfragenden auf 1921 zum Musikalischen Oberleiter berufen die „Geschäftsstelle des Tonkünstlerfestes worden war. Korrepetitor war Joseph Ney- im Ibach-Saal, Bleichstr. 23“ (Ecke Scha- ses, Dirigent des Bach-Vereins, der spätere dowstr. 36) verwiesen, der Filiale der alten Direktor des Robert-Schumann-Konserva- Klavier- und Orgelbaufirma in Barmen und toriums (seit 1932). Im Gegensatz zu Panz- Schwelm, und zwar ner gelang den selbst zu Händen von Herrn dirigierenden Kompo- Constans Heinersdorff. nisten nicht immer die Ibach und Heinersdorff Orchesterleitung, ob- (1874-1936) waren Ju- wohl z.B. Emil Peeters gendfreunde, Heiners- in Bochum Theaterka- dorff wurde 1906 Teil- pellmeister war. Alfred haber der Düsseldor- Heuß warf in der Zeit- fer Filiale des Klavier- schrift für Musik den geschäfts. 1910 wurde Programmgestaltern im hinteren Terrain des Tonkünstlerfestes des Ibach-Hause der 1922 vor, ihre Leute sy- „Ibach-Saal“ eröffnet, stematisch „nach links“ ein Kammermusiksaal zu hetzen und die gro- mit ca. 360 Plätzen. ße deutsche Vergan- Die programmati- genheit zu verleugnen. sche Ausrichtung der Dabei argumentierte Tonkünstlerfeste des er auch antisemitisch, ADMV hatte seit Be- indem er die speku- ginn der 1920er Jahre lative Loslösung von Konkurrenz bekom- der Tonalität vor allem men, 1921 durch die den jüdischen Kompo- „ “ D o n a u e s c h i n g e r nisten zuschrieb. So Kammermusikauffüh- ergäbe sich gewisser- rungen zur Förderung zeitgenössischer Ton- maßen von selbst, „daß Komponisten jüdi- kunst“, 1921 durch die Gründung der Kölner scher Abstammung in ungeahnter Menge Gesellschaft für Neue Musik, später eine in den Vordergrund treten konnten.“ In der Sektion der Internationalen Gesellschaft für Tat waren es mehrere junge Komponisten, Neue Musik (IGNM), die 1922 in Genf ihr die als Schüler von Franz Schreker in Wien, erstes Fest veranstaltete. Das Düsseldor- später in Berlin (Alois Hába, Jascha Horen- fer Tonkünstlerfest, dessen Aufführungen stein) und von Arnold Schönberg in Wien alle im großen „Kaisersaal“ der Städtischen (Karl Horwitz, Paul A. Pisk, Sándor Jemnitz) Tonhalle mit ihren 2.300 Sitzplätzen statt- zugleich eine kritisierte Internationalisierung fanden, übertraf sie an Aufführungszahlen mit sich brachten. Leider fehlen im Bestand und Vielfalt. Es wurden an den drei Tagen des ADMV im Goethe- und Schiller-Archiv des Pfingstfestes in zwei Orchesterkonzer- Weimar gerade die Listen für die meist hun- ten, zwei Kammerkonzerten, einem Chor- derte von eingesandten Kompositionen, konzert und einer Opernaufführung Werke die der „Musikausschuss“ 1921/22 auszu- NC28 Seite 20 NC28 Seite 21 wählen hatte. 1922 gehörten zu ihm u.a. wandte sich mehrfach gegen „die disso- die Münchener Komponisten Siegmund nanz-schnaubenden Musik-Revoluzzer“ von Hausegger und Joseph Haas, die Ber- und bedachte die neue 5. Sinfonie op. 46 liner E.N. v. Reznicek und Heinz Tiessen, des Rheinländers Ewald Strässer, die noch dazu der Dirigent Hermann Scherchen und „in G-Dur“ stand, demonstrativ mit einem der Musikwissenschaftler Dr. Georg Schü- „Beifallssturm“. Hermann Springer resümier- nemann in Berlin. Es verwundert so nicht, te in der Zeitschrift für Musikwissenschaft: dass in den Musikblättern des Anbruchs, „Düsseldorf war Spannung, Aktion, Kampf“. der Wiener Zeitschrift, die insbesondere Erst kürzlich hat sich im Zusammenhang für den Schönberg-Kreis eintrat, nicht nur des Tonkünstlerfestes aber herausgestellt, ein Bericht des Herausgebers Paul Stefan dass der Düsseldorfer Musikverein in diese erschien, sondern vor Spannungen konkret dem Fest ein Artikel einbezogen ist. Der „Düsseldorf als Fest- Schönberg-Schüler stadt“ mit anschließen- Anton von Webern den Selbstbiographi- hatte selbst die Urauf- en der Komponisten, führung seiner Passa- „die Wiener sind oder caglia op. 1 für großes mit Wien in Fühlung Orchester dirigiert. Die standen“. Als Autor autographierte Parti- hatte man den Musik- tur, aus der er dirigier- schriftsteller Dr. Gui- te, befindet sich heute do Bagier gewonnen, noch - bisher unbeach- der als ehemaliger tet - unter den Musika- Reger-Schüler 1923 lien des Musikvereins, sein Reger-Buch ver- die im Heinrich-Heine- öffentlichte. Bagier war Institut archiviert sind seit 1912 in Düssel- und durch den Katalog dorf nicht nur Kritiker von Susanne Cramer an den Düsseldorfer ausgewiesen sind. Bei Nachrichten, sondern der Webern-Gesamt- auch Leiter der Gesell- ausgabe der Öster- schaft der Musikfreun- reichische Akademie de am Rhein und in der Wissenschaft in Westfalen, die auf Be- Wien weiß man, dass treiben von Heinersdorff und Reger gegrün- das Orchester-Material nach Wien zurück- det worden war. Er war 1922 nach Berlin ging. Die Partitur ist auch für die Weber- übergesiedelt, wurde später als Pionier des Sammlung der Paul Sacher Stiftung in Tonfilms berühmt und starb 1967 in Mainz Basel eine wichtige neue Schaffensquelle. (Nachlass im Filmmuseum). Das 1. Konzert Die Aufführung des schweren Stückes, das dieser neuen Gesellschaft gab Reger am trotz ungenügender Probezeit „recht gut 11. November 1913 mit seiner Meininger ging“ und „recht warm“ aufgenommen wur- Hofkapelle im Kaisersaal. de (Webern), wird noch Anlass sein, Webers Reise nach Düsseldorf, die er unter starken Dissonanzen „Heimweh“ mit dem jüdischen Freund Paul Da also auf dem Tonkünstlerfest „die Pisk unternahm, näher zu beleuchten. Schüler von Schönberg und Schreker das erste Wort“ hatten, „platzten die Extreme aufeinander“. Das Düsseldorfer Publikum NC28 Seite 20 NC28 Seite 21 Reger persönlich unbekannt war. Natürlich war Reger nach Für den Musikverein und seinen Dirigen- Konzerten Gast in den Düsseldorfer Fami- ten Panzner waren jedoch zwei Werke von lien. Renée Heinersdorff erinnerte sich aus Reger von besonderer Bedeutung, die si- seiner Jugend an Reger, der als Gast 1915 cherlich auf ihre Veranlassung in das Fest- nach dem Konzert wie immer sehr üppig programm aufgenommen worden waren. aß und trank. Seine Mutter Miretta spielte Mit ihnen setzten sie einen eigenen Düs- als Pianistin in den Hauskonzerten des Se- seldorfer Akzent, der auf eine intensive und natspräsidenten Dr. Hugo Lenzberg, an die persönliche Aufführungstradition von Wer- sich auch Erika Ophüls erinnert. Die Tochter ken Regers als Vorgeschichte zurückgeht. Anne-Marie Neumann-Lenzberg hatte noch Es handelt sich um die posthume Urauffüh- am 28. März 1916 im Ibach-Saal von Reger rung des Klavierquin- begleitet sechs Lieder tetts in c-Moll (WoO gesungen, Reger starb II,9) und um den 100. am 11. Mai. Psalm für gemischten Auf dem Tonkünst- Chor, Orchester und lerfest 1922 sang die Orgel op. 106. Bereits Sopranistin Lieder von Musikdirektor Julius Jascha Horenstein, Buths (bis 1908) hatte begleitet vom Kompo- die Aufführungen von nisten, der dann 1929 Reger-Werken geför- Musikdirektor der Düs- dert und 1908 brachte seldorfer Oper wurde. sein Nachfolger Panz- Am 21. April 1905 ner bereits aus Bremen schrieb Reger an Buths, eine Reger-Tradition er sei „sehr stolz darauf aus persönlicher Be- mit Ihnen das Concert kanntschaft mit. Beide am 17. April gehabt zu Musikdirektoren waren haben“, in dem er mit geschätzte Freunde Buths an zwei Klavie- Regers, der Buths die ren die vierhändige Orchesterfassung der Fassung der Beetho- Beethoven-Variatio- ven Variationen op.86 nen op.86 widmete und spielte. Es war die III. Panzner die Böcklin- Kammermusik, die vom Tondichtung op. 128. Städtischen Musikver- Zeugnis für die persönlichen Verbindungen ein veranstaltet wurde. Auf Regers Bitte hin sind Postsachen Regers, bekannt sind ein hatte der Klavierfabrikant Max Ibach für ihn gutes Dutzend an Buths und ein knappes 1906 eine Konzertreise arrangiert, wandte Dutzend an Panzner. Auch Heinersdorff sich aber 1907 dagegen, seine Firma als stand in brieflichem Kontakt zu Reger. Des- eine Art Reger-Konzert-Agentur anzusehen. sen Postsachen wurden allerdings 2005 Am 22. Juni 1910 gab Reger seiner Freude bei Sotheby’s veräußert. Herrn Dr. Jürgen Ausdruck, dass Panzner auf dem nächsten Schaarwächter vom Max Reger Institut in Niederrheinischen Musikfest 1911 seinen Karlsruhe, wo alle bekannt gewordenen 100. Psalm aufführen wolle, „der sich ganz Briefe in Kopie gesammelt sind, konnte im besonders zu Musikfesten eignet“. Auf den Gegenzug zu seinen Auskünften die Kopie kammermusikalischen „Reger-Abenden“ des Reger‘schen Kondolenzschreibens an am 5. Oktober 1910 und am 5. Oktober 1911 Heinersdorff zum Tode seines Vaters vom 3. im Ibach-Saal saß der Komponist am Ibach- Mai 1914 übermittelt werden, das dort noch Flügel. Auch in Sinfonie-Konzerten wurden NC28 Seite 22 NC28 Seite 23 NC28 Seite 22 NC28 Seite 23 1910 bis 1912 durch Panzner immer wieder Werke Regers aufgeführt, zuletzt am 8. Ja- nuar 1916 die Mozart-Variationen op.132, Reger selbst spielte Klavier. Mit seinem Klavierquintett hatte der junge Reger 1898 dem ein Jahr zuvor verstorbe- nen Vorbild Johannes Brahms und seinem Klavierquintett op. 34 gehuldigt. Regers Frühwerk, als op.21 geplant, hatte sein Ver- lag nicht angenommen und wurde in Düs- seldorf aus dem Manuskript uraufgeführt. Es erregte umso mehr Aufmerksamkeit als Reger eigentlich durch sein Klavierquintett op.64 mit seiner orchestralen Klangfülle be- kannt war, das er 1903 in München urauf- geführt hatte. Auch in Düsseldorf spielte 1922 das re- Havemann-Quartett nommierte Streichquartett von Prof. Gustav Havemann aus Berlin „mit der temperament- des Psalms müssen nachher als ‚Relief‘ an voll ihren Ibach-Flügel meisternden Karin der Wand kleben; ich will, daß der Psalm Dayas“. Ihr Vater, der amerikanische Pianist eine niederschmetternde Wirkung be- William Humphrey Dayas, war 1893 auch kommt.“ Obwohl Panzner in zwei Kürzun- in Düsseldorf tätig gewesen. Das Quintett gen auch die abschließende große Chorfu- war als Abschluss des II. Kammermusik- ge gestrichen hatte, litt „die demonstrative Abends nach den modernen Werken „jetzt Aufnahme [im Publikum] unter allgemeiner der geradezu demonstrative Erfolg des Fe- Ermüdung“, „wegen der Hitze im Saal fehlte stes“, es hatte „einen Sensationserfolg“, wie dem Chor etwas Temperament“, urteilte ein die Fachpresse berichtet. Der 100. Psalm Rezensent. war 1908 entstanden und zum 350jährigen Jubiläum der Universität Jena, die Reger Von Rang und Namen die Ehrendoktorwürde verlieh, beim Fest- Das Programmbuch führt für den „Presse- gottesdienst in der Stadtkirche aufgeführt ausschuß“ nicht weniger als 13 Namen von worden. Den ergänzenden II. Teil der vier- Schriftleitern auf, die laut Musiker-Kalender sätzigen Chorsinfonie führte Reger 1910 in auch regionale Tageszeitungen vertraten. Chemnitz auf. Leider steht die Zeitungsausschnittsamm- Auf briefliche Ermunterung von Reger hin lung im Stadtarchiv wegen des schlechten führte Panzner den 100. Psalm am 5. Juni Erhaltungszustandes z.Zt. nicht zur Verfü- 1911 auf dem 87. Niederrheinischen Musik- gung. Für das große Aufsehen, das dieses fest auf. Der Psalm sei nicht leicht, „aber er Tonkünstlerfest in ganz Deutschland und geht im Tempo maestoso, sodaß alle Ko- Österreich hervorrief, sorgten sieben Be- loraturen (nicht Choleraturen) alle zu ma- richte in der musikalischen Fachpresse, von chen sind“, zudem werde der Chor immer der Allgemeinen Musik-Zeitung, dem Organ von der Orgel unterstützt. 1922 spielte der des ADMV, angefangen. Mehrfach konnte Organist der evangelischen Rochus-Kirche aus ihnen zitiert werden. Es waren immer Hubert Weisen die große Orgel von W. Sau- die Chefredakteure selbst, die zu diesem er (Frankfurt/O.) im Kaisersaal. Ein Pau- Großereignis nach Düsseldorf gekommen kenwirbel zum Orgel-Bass anschwellend waren. Besonders bemerkenswert ist der vom pp zum ff leitet die Unisono-Chorrufe Bericht von Paul Stefan in den Wiener Mu- „Jauchzet“ ein. Reger forderte: „Die Hörer sikblättern des Anbruchs. Er beginnt mit NC28 Seite 24 NC28 Seite 25 einem Dank: „Die Stadt berühmt als Kunst- Literatur-Auswahl (chronologisch): stätte, wie auch durch ihre gute, fröhliche Allgemeiner Deutscher Musikverein, Tonkünst- Geselligkeit, tat für ihre zahlreichen Gäste, ler-Fest. 52. Hauptversammlung Düsseldorf 3. was sie in der Not der Zeit und der Beset- bis 7. Juni 1922. Programmbuch, Druck von L. zung durch fremde Truppen tun konnte. Schwann in Düsseldorf (Stadtarchiv Düssel- dorf; Universitäts- und Landesbibliothek Düs- Es wurde insbesondere vornehmste Gast- seldorf, Mikrofiche-Ausgabe Dresden 2007) freundschaft geübt. – Die Seele aller Be- mühungen verkörperte sich den Festgästen Vereinigter Musiker-Kalender Hesse – Stern, 45. Jg., Berlin 1923 in Herrn Constans Heinersdorff, der denn auch der herzliche Dank vor jedem Bericht Günther Fröhlich, Dirigenten am Stadtthea- abzustatten ist.“ ter Düsseldorf (1875-1945), in: Beiträge zur Musikgeschichte der Stadt Düsseldorf, hrsg. Gemäß Programmbuch wurden die Mit- Julius Alf (= Beiträge zur rheinischen Musikge- glieder des ADMV am 1. Tag durch die schichte, H. 118), Köln 1977 Stadt Düsseldorf zu einem Imbiß in den Günther Weiß, Sechs unbekannte Briefe von Räumen der Gesellschaft „Verein“ einge- Max Reger an den Dirigenten Karl Panzner laden. Nach dem II. Kammerkonzert gab zur Widmung des Regerschen op. 86, in: Die es ein „Malkasten-Künstlerfest im Garten“, Musikforschung, Jg. 35, 1981 nach der Hauptprobe des Chorkonzertes Programme der Konzerte Max Regers, Teil 2, eine „Einladung von Jung-Rheinland zur zusammengestellt von Ingeborg Schreiber Großen Internationalen Kunstausstellung“ (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts in dazu eingerichteten Räumen des Kauf- 7,2), Bonn 1981 hauses Leonhard Tietz. Die Einladung der Rainer Großimlinghaus, Aus Liebe zur Musik. Fa. Albert Steinberg zum Tee ins Parkhotel Zwei Jahrhunderte Musikleben in Düsseldorf. kam ebenfalls aus dem Kreis der „Förderer Die Chronik des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf e. V. Konzertchor der Landeshaupt- und Stifter“ (Programmbuch). Dr. Gerhard stadt Düsseldorf 1818-1988, Düsseldorf 1989 Tischer (Köln) ergänzt in seiner Rheini- schen Musik- und Theater-Zeitung Einla- Dorothé Martha Weber, Der Städtische Mu- sikverein zu Düsseldorf und die Düsseldorfer dungen der Fa. Ibach und des Kabaretts Oper in der Zeit von 1890 bis 1923 (= Beiträge „Jungmühle“ sowie das Kartenangebot „zur zur rheinischen Musikgeschichte, H. 143), großen Kunstausstellung, zum Museum und Kassel 1990

den Städtischen Sammlungen, zur Galerie Die Familie Heinersdorff. Ein Beitrag zur Mu- [Alfred] Flechtheim und zum Zoologischen sikgeschichte und zum Musikleben der Stadt Garten“, alles auf Initiative des „unermüdli- Düsseldorf, hrsg. Jutta Scholl, Düsseldorf 1993; darin: Erika Ophüls, Musikalische Erin- chen und opferfreudigen Vaters des Festes, nerungen aus meiner Kindheit und Jugend in Herrn Constans Heinersdorff.“ Düsseldorf Erst wenn man die politischen Rahmen- Susanne Cramer, Die Musikalien des Düs- bedingungen, die Auseinandersetzungen seldorfer Musikvereins 1801-1929. Katalog um kompositorische Richtungen, die Bio- (= Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf. Archiv. graphik auch der Mitwirkenden sowie das Bibliothek. Museum, Bd.6), Stuttgart 1996 kulturelle Umfeld in der Musikstadt Düssel- Irina Lucke-Karminiarz, Die Tonkünstlerver- dorf näher ins Auge fasst, tritt die musikhi- sammlungen des ADMV – ein internationales storische Dimension des Tonkünstlerfestes Forum zeitgenössischer Musik?, in: Liszt und Europa, hrsg. Detlef Altenburg (= Weimarer in seinen vielfältigen Perspektiven hervor, Liszt-Studien, Bd. 5), Laaber 2008 - wozu auch sein spezifischer Charakter als Susanne Popp, Max Reger. Werk statt Leben, eines Reger-Festes gehört. Wiesbaden 2015

Wir danken Herrn Prof. Dr. Klaus Wolfgang Niemöller - emeritierter Direktor des. Musikwissen- schaftlichen Instituts der Universität Köln - für die Bereitstellung dieses Beitrages sowohl für die Druck- als auch für die Netzausgabe dieser Zeitschrift. NC28 Seite 24 NC28 Seite 25 Zum Tag der Archive

EINE AUSGRABUNG Udo Kasprowicz Seit einigen Jahren beteiligen sich staatliche wie kommunale, kulturelle wie kirchliche, Wirtschafts- wie VereinsArchive in Düsseldorf am bundesweit ausge- richteten „Tag der Archive“. Dazu luden sie in der Vergangenheit ins Foyer des Rathauses oder in das VHS Weiterbildungszentrum hinter dem Hauptbahnhof, in diesem Jahr wieder zum Besuch der eigenen Archivstandorte ein, wo sie den interessierten Gästen Alltägliches und Besonderheiten aus ihren gesammelten Beständen präsentieren. Sachkundige Mitarbeiter und Ehrenamtler erläutern ge- duldig die Bedeutung der oftmals unscheinbaren Kostbarkeiten. Manchmal ver- mischt sich dabei die Grenze zwischen Geschichtsschreibung und Archivierung, weil die Referate über die Zeitumstände die Gegenstände in den Hintergrund treten lassen. Zu den Archivalien des Musikver- Solisten ein Chronikblatt, das archiviert eins gehören Klänge. Mit Leidenschaft wird. Hinzu treten von bedeutender ringt Rainer Großimlinghaus in Berlin Hand kommentierte Notenausgaben um eine vollständige Sammlung aller und Konzertprogramme. Wenig spek- Konzertmitschnitte seit Erfindung und takulär, aber für die Vereinschronik Verwendung der Aufnahmetechnik in wichtig, sind die gesammelten Ver- Düsseldorf und den auswärtigen Auf- einsgeschäfte, die im wesentlichen aus trittsorten des Chores. Korrespondenzen im Zusammenhang Sehen lassen kann sich auch die Au- mit Auftritten bestehen. tographensammlung. Bei jedem Kon- Und dann geschieht etwas Unerwar- zert unterschreiben die Dirigenten und tetes. NC28 Seite 26 NC28 Seite 27 Dr. Herman Lohausen aus Kalkum, Ein Neffe und Patenkind von Profes- dem Düsseldorfer Verein für Familien- sor Lambert Lohausen namens Franz kunde e.V. als 2. Vorsitzender ebenso Ferdinand Lohausen, dessen Tauftag verbunden wie dem Musikverein als im Taufbuch von St. Lambertus mit 28. Leser dieser Zeitschrift, sendet uns ein Oktober 1809 geführt ist, zeichnet als Gedicht aus der Feder eines seiner Vor- Autor der Zeilen mit dem pathetischen fahren, der in den ersten Jahrzehnten Titel „Trost in Leiden“ verantwortlich. des 19. Jahrhunderts dem städtischen Das lyrische Subjekt klagt fern der Zivi- Musikverein nahe gestanden habe. Tat- lisation, in tiefer Einsamkeit, den Verlust sächlich finden sich 1809 zwei Lohau- von Freundschaft, Liebe und Hoffnung. sens im Mitgliederverzeichnis jener Mu- Auf dem Tiefpunkt des Lebensverdrus- sic-Academie, aus der 1818 anlässslich ses beschwört er Gott (den er ganz im des 1. Niederrheinischen Musikfestes Stile einer von der Säkularisation an- der Düsseldorfer Verein gegründet wird, gekränkelten Klassik „Gottheit“ nennt), der 2018 seinen 200. Geburtstag feiert! ihm den Glauben an eine andere Be- Mithilfe seines freundlichen Nachfahren stimmung zu erhalten als im Grabe zu können wir die beiden als Lambert und modern. Mit dem trotzigen Bekenntnis Franz Joseph Lohausen - Expeditor „Du Unerschaffener schufst nur zur bzw. Professor und General-Exculpator Freude mich.“ schließt das Gedicht. - identifizieren. Die Familien Lohausen Der Öffentlichkeit wurde es in ge- zählten im alten Reich (das heißt: im druckter Form 1856 als Liedtext be- Heiligen Römischen Reich Deutscher kannt, komponiert von Josef Kreutzer, Nation vor 1806) zum landständischen der - 1790 als Spross einer Musiker- Ministerialenadel und verstand sich im familie in Aachen geboren - seit 1805 letzten Jahrhundert des Reiches als bil- in Düsseldorf ansässig war. Hier stand dungsaffines Patriziat. Es gibt Belege der Komponist und Geiger in enger großzügiger Spenden und Kredite an Verbindung und Freundschaft mit Au- Düsseldorfer Künstler. gust Burgmüller, dessen Sohn Norbert

NC28 Seite 26 NC28 Seite 27 er Klavier- und Geigenunterricht erteilte. Auch versah er die Stelle TROST IN LEIDEN des Konzertmeisters des Thea- Im dunkelen Fichten Hayn terorchesters und wirkte in der hier, wo kein Wanderer weilt, Zeit, in der Felix Mendelssohn wo stille Einsamkeit mein traurend Herz erquickt, hier im Heiligthum der Empfindung Bartholdy Städtischer Musikdi- in Wehmuth Thränen sei Klage mein Gesang, rektor in Düsseldorf war (1833- hier fliesse ungestört von keinem Blick entweiht, 1835) auch unter dessen Lei- der Thränen köstlichste am Busen der Natur. Betrog‘ne Freundschaft, zerrissne Liebe tung an den Niederrheinischen verwelkte Hoffnung sei meiner Saiten Ton. Musikfesten des noch jungen Einst wieder auferstehehen, Musikvereins als Violinist und wenn dies auch Täuschung wär, Komponist mit. wenn nimmer wieder mir ein Funke Freude glimmt, im Grabe modern - ist dies Bestimmung? Besonders die Form der Über- Gerechte Gottheit halte mein Glauben auf. lieferung seiner Komposition als Nein, einstens dämmert uns im schönsten Purpurlicht, selbständige Veröffentlichung ein heller Morgen, den nie ein Gram umwölkt. unter dem Titel „Fantasie“ lässt Im Grabe modern ist nicht Bestimmung, nein, einstens dämmert uns im schönsten Purpurlicht, Zweifel zu an einer literarischen ein heller Morgen, den nie ein Gram umwölkt, Stilübung zum uralten Thema im Grabe modern ist nicht Bestimmung. der verlorenen Liebe, über die Du Unerschaffener schufst nur zur Freude mich, (schufst mir zu Freude mich - zur Freude Freude mich)! (die Widmungsträgerin?) in ge- radezu barocker Form mit Auf- Gedicht v. F. Lohausen erstehungshoffnung nach einem vertont als traurigen Dasein hinweggetrö- Eine Fantasie für Gesang stet wird. mit Begleitung des Piano Forte Hat diese Fantasie für Gesang componiert und vielleicht einen konkreten zeitge- I.K.H. der Prinzessin nössischen Bezug? Die dürftige FRIEDR. v. PREUSSEN Quellenlage erlaubt nicht mehr als einige Tastversuche. ehrfurchtsvoll gewidmet Über das Leben Ferdinand von Lohausens, des Dichters, findet Joseph Kreutzer op. 27 sich in den Familienpapieren der Lohausens in Kalkum nichts, das auf dann in den Jahren vor dem Todesda- die Bewältigung einer persönlichen Le- tum Kreutzers 1840. Aber auch wenn benskrise schließen ließe. Drückt hier es an Gelegenheiten zu einem Vortrag vielleicht in romantischer Verklärung in sehr privatem Rahmen nicht geman- des Mittelalters ein Ritter seiner Dame gelt haben wird, ist diese Möglichkeit sein Mitgefühl aus? Tatsächlich steht unwahrscheinlich, denn vor 1840 ist die der altadlige akademisch gebildete Pa- Prinzessin so gesund, dass sie Reprä- trizier gesellschaftlich auf Augenhöhe sentationspflichten in Düsseldorf auf mit der Prinzessin. Schloss Jägerhof und Benrath wahr- Dann wäre die Widmung geklärt und nimmt. Die persönliche Widmung eines die Vertonung ein Auftrag an Kreutzer. Gedichtes dieser Stimmung können wir Die Entstehungszeit des Liedes läge um diese Zeit ausschließen. NC28 Seite 28 NC28 Seite 29 Wenn nun die Widmungs- Liegt hier vielleicht der initiative nicht vom Dichter Grund für eine späte Dedica- Lohausen ausging, wenden tion? Der Dichter Ferdinand wir uns dem Komponisten Lohausen, der nach Kreutzers Kreutzer zu. Er hatte ein Tod die Verfügungsgewalt über Motiv, sich der Stimmung sein Gedicht zurückgewinnt, des Gedichtes auszulie- eignet es der Prinzessin zu, fern, denn er litt lange unter deren Zustand ihm aufgrund Lungentuberkulose, der er Luise von Anhalt-Bernburg, Prin- der Nähe, die er durch sei- zessin von Preußen, gemalt von 1840 erlag. Die Annahme, Friedrich Wilhelm von Schadow ne gesellschaftliche Stellung dass Lohausens Gedicht (1843) Foto: Wikipedia genoss, ans Herz ging. Mit ein Freundschaftsdienst war, ein dieser Theorie ist das Geheimnis des Fund- Trost anlässlich eines Krankenbe- stückes aus der Universitätsbibliothek nicht suches, steht im Raum; es gibt kei- geklärt, aber doch nachvollziehbar erklärt. nen Beleg dafür, allerdings spricht Damit aber „im Grabe moderen (.) nicht auch nichts dagegen. Bestimmung (ist)“, gelang es, die Soprani- Lässt man sich auf diese Spekula- stin Carolina Rüegg und die Pianistin Rie tion ein, bietet sich eine Erklärung für Sakei zu gewinnen, zur Eröffnung des Tages ein Publikationsdatum um 1856 und der Archive 2018 am 3. März im Hetjens- die Widmung an Wilhelmine Luise von Museum zur Freude der Besucher dem Preußen an. Ohne ihren Mann Prinz literarisch-archivierten Gesang den musika- Friedrich, der 1821 als Divisionskom- lischen Atem wieder einzuhauchen, wie Dr. mandeur nach Düsseldorf und 1848 Lohausen es uns ans Herz legt. zurück nach Berlin beordert war, lebt Auf diese Weise erklärt der Musikverein eine die als Gräfin von Anhalt-Bernburg Notenausgabe aus der Musikabteilung der 1799 in Ballenstedt geborene Prin- Universitätsbibliothek Düsseldorf als vitalisier- zessin seit 1855 zurückgezogen auf tes Gesangsstück zu seiner Archivalie, indem Schloss Eller, widmet sich hinge- er den kleinen Vortrag als Klangereignis in bungsvoll der von ihr geliebten Ma- sein Schallarchiv aufnimmt, um das künstle- lerei, kämpft mit einem chronischen rische Schaffen im Kreise seiner Mitglieder Nervenleiden und verstirbt hier 1882. im 19. Jahrhundert hörbar zu belegen.

NC28 Seite 28 NC28 Seite 29 DAS FESTIVAL UND SEIN LENKER Prof. Franz Xaver Ohnesorg im Portrait von Georg Lauer

Orchesterdirektor der Münchner Philharmoniker, Intendant der Kölner Phil- harmonie, Gründer der MusikTriennale Köln, Artistic Director der Carnegie Hall, Intendant der Berliner Philharmoniker, Geschäftsführer der Initiativkreis Ruhr- GmbH, Intendant des Klavier-Festivals Ruhr, Vorstand der Stiftung Klavier-Fe- stival Ruhr, Geschäftsführer der Klavier-Festival Ruhr Sponsoring und Service GmbH: Stationen eines Musikmanagers! 1948 komplett auf den Kopf gestellt hat. Und was meine Ausbildung zum Flötisten Lieber Herr Prof. Ohnesorg, angeht: Es war das große Glück mei- der einleitende Schnelldurchgang nes Lebens, dass ich als Vierzehnjäh- durch 40 Jahre Musik und Management riger meinem Lehrer Albert Müller, ein sagt noch nichts über den Menschen Mitglied der Münchner Philharmoniker, und die Persönlichkeit, die dahinter- begegnet bin. Er war ein höchst charis- steckt. Bitte erzählen Sie unseren Lese- matischer Lehrer, der bei Etüden stren- rinnen und Lesern etwas darüber, wie ge Disziplin eingefordert hat. Er war der 1948 in Weilheim geborene Bub den aber auch ein glänzender Pianist und Weg aus dem oberbayerischen Pfaffen- so folgten meinen Flötenstunden stets winkel in die großen Musikkulturzentren weitere Stunden, in denen wir Kammer- dieser Welt gegangen ist, in den aus- musik machten. Mein Unterricht dau- führlicheren Lebensläufen liest man erte so regelmäßig gut drei Stunden in etwas vom elterlichen Bäckergeschäft der Woche. und einer Ausbildung zum Flötisten! Beides stimmt. Mein ursprünglicher Bereits als Schüler sind Sie in die Plan war deshalb, dass ich das elter- Hauptstadt des Freistaates gezogen, liche Geschäft übernehmen würde. wo Sie auch Ihr Abitur ablegten. Hier Doch schon wenige Wochen nach Be- in München beginnen Sie ein Studium ginn meiner Konditorlehre wurde mir der Betriebswirtschaftslehre, der Mu- nach dem misslungenen Achteln von sik- und Theaterwissenschaften sowie Pistazien klar: Bei all den guten Ge- der Kunstgeschichte! Mit welcher Idee nen, die meine Eltern mir mitgegeben und ging das tatsächlich alles parallel haben, dieses Talent war nicht dabei. und mit gleicher Vertiefung? Und meine Eltern waren großzügig Das BWL-Studium war für mich vor genug, mir von jetzt auf sofort grünes allem in den ersten Semestern eine Licht für´s Abitur und zum Studium zu eher leichte Übung, denn Buchführung geben – obwohl dies die bis dahin ge- zum Beispiel hatte ich schon als Zwölf- fasste Lebensplanung meiner Eltern jähriger von meiner Mutter gelernt. NC28 Seite 30 NC28 Seite 31 Ich wollte eigentlich zuerst meine Doktorarbeit abschließen, doch die Zeit drängte, denn nach dem plötzlichen Tod Rudolf Kempes im Jahr 1976 war das Orchester verwaist. Ich hatte ziem- lich klare Vorstellungen von dem, wie die Münchner Philharmoniker zu führen wären, habe die Konzertstruktur verän- dert, Marketing und neue Formate ein- geführt und vor allem danach getrach- tet, einen wirklich prägenden General- musikdirektor zu finden.

Mit Sergiu Celibidache, der sein Amt Also nutzte ich die Zeit für ein Studi- als Generalmusikdirektor bereits acht um Generale, in dem ich Vorlesungen Monate nach Ihrem Start bei den Phil- in Kunstgeschichte und Musikwissen- harmonikern antrat, trafen Sie auf einen schaften besuchte und bei Ernst Wendt der interessantesten Pultstars des 20. einen Regiekurs belegte. Natürlich Jahrhunderts. War sein Umgang mit überschnitten sich einige Vorlesungs- dem Management vergleichbar „gna- termine. Mein jeweiliges Kriterium war denlos konsequent“ wie gegenüber sei- dann: Woran erinnerst du dich in fünf nen Musikern bei der Vermittlung sei- Jahren mehr? Also schwänzte ich die ner Klangvorstellung? VWL-Vorlesungen zur Volkswirtschaft- Celibidache war mein absoluter lichen Gesamtrechnung (das konnte Wunschkandidat, weil ich mir sicher war, man gut nachlesen) und kam erst zu dass er für die Münchner Philharmoniker den Vorlesungen zur Inflation wieder. zu einer echten Vaterfigur werden wür- So gewann ich u.a. die Zeit für einen de. Allerdings hatten mir nicht Wenige, dreisemestrigen Vorlesungszyklus zur die mit ihm eher schwierige Erfahrungen „Geschichte der Plastik des 20. Jahr- gemacht hatten, eindringlich abgeraten, hunderts nach Rodin“ an der TU Mün- mich ihm auszusetzen. Ich wusste also, chen. Davon zehre ich noch heute. was ich tat. Auch er selbst zögerte. Ich hatte seine Bindungsängste durchaus Den Abschluss Ihrer breit angelegten ernst genommen, und so konnte ich ihn akademischen Ausbildung machten Sie schließlich doch überzeugen, die Ver- 1973 als Diplomkaufmann. Womit ha- antwortung als Generalmusikdirektor zu ben Sie dann Ihr erstes Geld verdient? übernehmen. Zwei Spielzeiten ging zwi- Als Tourneeleiter – zum Beispiel für schen uns alles glatt, und im Vorfeld der Gidon Kremer und für Karl Richter. Und dritten wollte er unbedingt haben, dass als freier Musikjournalist für den Bayeri- wir uns von einem jungen Dirigenten schen Rundfunk. trennen, dessen Engagement schon vor Celibidaches Amtsantritt erfolgt war. Bis 1978 dahin hatte Celi zu diesem Fall gesagt „pacta sunt servanda“. Aber plötzlich galt Welche Vorstellung hatten Sie vom das nicht mehr. Kurzum: Celibidache ver- Beruf eines Orchesterdirektors, als Ih- kündete bei seinem nächsten München nen 1978 dieser Job bei den Münchner Aufenthalt, er würde sich zurückziehen, Philharmonikern angeboten wurde? weil er mit mir nicht mehr zusammenar- NC28 Seite 30 NC28 Seite 31 Die Tonhalle von 4/1978 bis 5/2005 Foto v.f.Porten

Die Tonhalle seit 11/2005 Foto Thomas Riehle beiten könne. Ich bot daraufhin meinen Klangraum und den Versuchen, seine Rücktritt an, um seine Flucht-Gedanken akustischen Eigenschaften zu verbes- (denn eigentlich wollte er – wie oft in sern? seinem Leben – vor der Verantwortung Mir war schon seit dem Jahr 1983, fliehen) ins Leere laufen zu lassen. Mit als ich die Kölner Baupläne zum ersten anderen Worten: Nun musste er bleiben! Mal sah, klar, dass nur einer der beiden Jahre später sah er ein, dass er der In- Säle akustisch gelingen könne: Entwe- trige eines Orchestermusikers aufgeses- der der Gasteig (wo die Saaldecke mit sen war, der ein Auge auf meine Position den Rängen ansteigt) oder die Kölner geworfen hatte. Er hatte Celibidache ge- Philharmonie mit einer planen, waage- genüber behauptet, ich hätte längst mit rechten Betondecke. Bis zur Eröffnung jenem jungen Dirigenten einen Plan B des Gasteigs im Jahr 1985 wusste ich für den Fall, dass Celibidache der Stadt jedoch nicht, welcher der beiden Säle München zu unbequem würde. Das war besser gelang. Als ich bei der Münchner vollständig erlogen, und als Celibidache Eröffnung mit Bruckner 5 in einem der das schließlich entdeckt hatte, entschul- mittleren Blöcke saß, war mir schnell digte er sich Jahre später für sein dama- klar, dass die gefaltete Holzdecke des liges Vorgehen – eine Geste, mit der ich Gasteigs für eine viel zu breit angeleg- nie im Leben gerechnet habe. Von da te Streuung der Schallwellen sorgt. Im an kam Celi mit seinen Philharmonikern Blick auf Köln war ich erleichtert, für regelmäßig nach Köln, dirigierte dort so München tat´s mir leid. Seit der Eröff- viele Konzerte wie nirgendwo sonst au- nung der Philharmonie de Paris bin ich ßerhalb Münchens und feierte den Tag jedoch davon überzeugt, dass akustisch seines 80. Geburtstags demonstrativ bei gesehen der Schlüssel für eine erfolgrei- „seinem Freund Ohnesorg“, wie er laut- che Sanierung des Gasteigs in der Pari- stark unter dem Applaus seines Orche- ser Lösung von Harold Marshall liegt. sters betonte. Sehen Sie sich heute näher bei den Kurz nach Ihrem Amtsantritt in Köln Münchner Standortverfechtern oder auf wurde 1985 in München das Kultur- der Seite der Neubaubefürworter wie zentrum Gasteig mit seinem großen Leonard Bernstein, der schon 1985 ins Konzertsaal eingeweiht. Welche Hör- Gästebuch der Philharmonie schrieb: erlebnisse verbinden Sie mit diesem „Burn it!“? NC28 Seite 32 NC28 Seite 33 Ich halte den Gasteig für rettbar, doch München braucht längst zwei gute Kon- zertsäle. Als Standort für einen neuen Saal hätte ich persönlich das von Ste- phan Braunfels dafür vorgeschlagene Landwirtschaftsministerium (ein mon- ströser Bau aus den Dreißiger Jahren) an der Ludwigstraße dem jetzt ange- dachten Standort eindeutig vorgezogen.

Was mit einem 1978 akustisch zu- nächst nicht vollkommen gelungenen Musikraum möglich ist, haben ja in Düsseldorf die Kulturverantwortlichen - Politiker, Manager wie Musiker und nicht zuletzt die Tonhallenfreunde - Nachdem ich die Philharmoniker 2005 durch eine innenarchitektonische verlassen hatte, wollte mir der dama- Veränderung des Raumes gezeigt, die lige Oberbürgermeister Erich Kiesl die dem Konzertsaal mit der historischen Leitung des Gasteigs anvertrauen. Das Kuppelform eines Planetariums die aber hatte der Münchner Kulturreferent besten Akustikeigenschaften eines verhindert, weil er die Leitung aus sei- „Schuhkartons“ schenkten. Wie dem nem Referat heraus selbst übernehmen auch sei, der Rhein ist nicht die Isar! wollte. Also nahm ich das Angebot aus Köln an, wobei mir August Everding 1983 – damals Generalintendant der Bay- erischen Staatstheater – bei meinem Welche Erfahrungen nahmen Sie als Münchener Abschied das Versprechen Musikmanager der Münchner Philhar- abnahm, bei einem künftigen Angebot moniker aus den Jahren Ihrer ersten ihn auf jeden Fall zu kontaktieren, denn beruflichen Festanstellung mit, als Sie er hatte mit mir Zukunftspläne für Mün- 1983 Ihre bayerische Heimat verließen chen und betonte immer wieder, ich und ins Rheinland nach Köln zogen? sei nach Köln nur ausgeliehen. Als ich Ich kannte viele Musiker aus meiner dann im Januar 1999 in New York vor Münchener Zeit und vor allem auch meiner Entscheidung stand, das Ange- durch Gidon Kremers Kammermusik- bot der Carnegie Hall anzunehmen, ist fest, das 1981 erstmals stattfand. Ab er tragischer Weise in der Nacht zuvor sofort konnte ich meine neu gewonne- gestorben. nen Freunde in die Kölner Philharmo- nie einladen und so kamen Gidon Kre- In Köln waren Sie erst Direktor, dann mer, András Schiff, Krystian Zimerman, Intendant der Philharmonie. Welche Martha Argerich (die ich schon seit mei- Unterschiede gibt es in den jeweiligen nem 20. Lebensjahr kenne) und vie- Aufgabengebieten im Allgemeinen und le andere, die mir bis heute die Treue vielleicht speziell in Köln? halten, schon in der ersten Spielzeit der Die Arbeit blieb die gleiche. Doch die Philharmonie nach Köln. Generalmusikdirektoren wechselten und als Conlon kam, war für meinen Was waren Ihre Motive für diesen Aufsichtsrat der Weg frei, mich zum In- Wechsel? Was der Anreiz? tendanten zu ernennen. NC28 Seite 32 NC28 Seite 33 Drei Jahre nach Ihrem Amtsantritt er- aufzuführen. Haben Sie nach mehr als lebten Sie abermals die Einweihung ei- 30 Jahren daran noch die ein oder ande- nes neuen Musiksaales: 1986 wird der re erwähnenswerte Erinnerung? lange geplante, unterirdisch in Rhein- Oh ja, vor allem an die Besuche Oli- und Hauptbahnhofnähe angelegte und vier Messiaens und seiner Frau Yvon- mit dem Museum Ludwig verbundene ne Loriod, die ich von da an regelmäßig neue Konzertsaal der Domstadt ein- zu den jährlichen Aufführungen seiner geweiht. Konnten Sie in der Planungs- Werke einladen konnte. endphase oder während der Errichtung Noch im gleichen Jahr treten die aus den Erfahrungen in München noch Düsseldorfer Symphoniker zusam- eigene Ideen in die Realisierung die- men mit den Damen des Chores ein ses großartigen, einem Amphitheater zweites Mal in der Philharmonie auf. nachempfundenen Konzertsaales ein- Im September 1987 interpretieren sie bringen? - diesmal unter der Leitung von David Ich konnte zum Beispiel den Einbau Shallon - Mahlers 3. Sinfonie. von optisch ziemlich missratenen soge- nannten „Elefantenohren“ als zusätzli- Auf der Suche nach einem neuen che Reflektoren in den oberen Reihen Generalmusikdirektor verpflichtet die verhindern und ließ stattdessen nach Stadt Köln 1989 den Musikdirektor des den Erfahrungen der ersten Monate Rotterdams Philharmonisch Orkest Ja- rund um den Glasreflektor oberhalb mes Conlon. Waren Sie an der Findung des Podiums seitliche Reflektoren ein- dieses Glückfalls für den Düsseldorfer bauen, um die Hörsamkeit auf dem Chor beteiligt? Podium zu optimieren. Und ich sorgte Sie haben Recht: Conlon war für Köln noch in der Planungsphase unter dem ein echter Glücksfall. Die Entscheidung Protest des Bau- und des Kulturde- traf das Gürzenich Orchester selbst. zernenten für ganz praktische Dinge: Meine Hilfestellung beschränkte sich Für den Einbau von Toiletten in den auf diskrete Hintergrundarbeit und auf Künstlergarderoben, für einen zweiten die Bekundung meines Willens, mit Abendkassenschalter sowie für eine Conlon auf´s Engste zusammen zu ar- Verbesserung bei den Behindertenplät- beiten. zen. Der damalige Oberstadtdirektor Der Musikverein leitete seine mehr als Kurt Rossa hatte dafür gesorgt, dass 10 Jahre währende Zusammenarbeit ich mich damit durchsetzen konnte. mit dem Gürzenichorchester ein, als 1990 zusammen mit Kölns Philharmo- Schon ein Jahr nach der Eröffnung nischem Chor Brittens „War Requiem“ des Konzertsaales sind die Düsseldorfer unter Sir John Pritchard aufgeführt Symphoniker zusammen mit dem Mu- wurde. Unter der Stabführung von Ja- sikverein und zahlreichen Gesang- und mes Conlon kam es ab 1992 in den Instrumentalsolisten nach Köln einge- folgenden acht Jahren zu mehr als 20 laden, um unter der Leitung von Bern- Konzertbegegnungen in Köln, Rotter- hard Klee das 6 Monate zuvor für das dam, Paris, Cinicinnati und auch Düs- 4. Messiaen-Fest einstudierte und in der seldorf, wo die CD-Einspielung von Tonhalle Düsseldorf dreimal zu Gehör Mendelssohns „Elias“ erfolgte gebrachte chorsymphonische Großwerk „La Transfiguration de Notre Seigneur Wie weit waren Sie als Intendant in Jesus-Christ“ des zeitgenössischen fran- die Programmgestaltung mit Werken zösichen Komponisten Olivier Messiaen von Mahler (2. / 8. Sinfonie), Brahms NC28 Seite 34 NC28 Seite 35 (Requiem), Beethoven (9. Sinfonie/ 1999 Missa solemnis) und vor allem Zemlin- ski (Frühlingsbegräbnis / Psalmverto- Ab 1999 geht es in Köln ohne Franz nungen) eingebunden? Xaver Ohnesorg weiter. Was waren Ihre Meine Aufgabe lag generell darin, Motive, sich aus dem heimisch gewor- optimale Bedingungen für die Auffüh- denen Rheinland in die Millionenme- rungen in der Philharmonie zu schaffen troploe New York zu stürzen? War es und darauf zu achten, dass sich alle ein bisschen der Anreiz, erster nicht- Musiker wirklich wohlfühlen konnten. amerikanischer Executive and Artistic Das galt selbstverständlich auch für Director der Carnegie Hall zu werden? alle Gastkonzerte – einschließlich aller Zunächst hatte ich Isaac Sterns Wer- privaten Veranstalter. Bei der Program- ben sogar zweimal abschlägig beschie- mierung der hauseigenen KölnMusik- den, weil ich mit meiner Arbeit in Köln Konzerte ging es mir vor allem um die weiter vorankommen wollte und meine Ergänzung der Angebote des Gürze- Frau ihr zweites Staatsexamen noch nich Orchesters, des WDR und eben nicht hatte. Beim dritten Mal kurz vor der Konzertdirektionen. In dieser Kom- dem Tod meiner New Yorker Kollegin plentärfunktion lag das eigentliche Er- gab ich nach – auch aus Bewunderung folgsgeheimnis der KölnMusik. für die amerikanische Philanthropie und auch, um mit Issac Stern als Präsiden- Können Sie uns in diesem Zusam- ten der Carnegie Hall zusammenarbei- menhang etwas über die Abstim- ten zu können. Diese Erfahrung möchte mungsverläufe verraten, die zwischen ich nicht missen, zumal ich dank Isaac der künstlerischen Seite einer Kultu- Stern noch eine Menge für meinen reinrichtung und den ökonomischen Beruf dazugelernt habe – ein großes Anforderungen auf der anderen Seite Glück für meinen künftigen Weg, denn ablaufen? Wie finden Sie die Balance immerhin war ich damals schon über zwischen den verantwortlichen Kul- 50 Jahre alt. turpolitikern, den künstlerischen Vorstellungen der leitenden Musi- ker und nicht zuletzt den Neigun- gen des Publikums? Für den Erfolg der Kölner Phil- harmonie war es entscheidend, dass die Stadt Köln gemeinsam mit dem WDR die erwähnte KölnMusik Betriebs- und Service GmbH gegründet hat und mein Aufsichtsrat im Rathaus für die er- forderlichen politischen Mehrhei- ten sorgte. Auf diese Weise konn- te ich mich auf meine eigentliche Arbeit konzentrieren und musste künstlerische und kaufmännische Fra- Diesem Ausflug in die neue Welt folgt gestellungen stets mit mir selbst aus- zweieinhalb Jahre später der Ruf des machen. Für diese Balance habe ich Berliner Senats zur Übernahme einer mich immer verantwortlich gefühlt. So nicht weniger ehrenvollen Aufgabe: Sie ist es übrigens auch heute noch. werden Intendant der Berliner Philhar- NC28 Seite 34 NC28 Seite 35 moniker! Zum Ende der Ära Claudio 2005 Abbado wirken Sie wie zu lesen u.a. maßgebend an der Umwandlung des Die Stiftungsidee findet sich seit 2011 Orchesters in eine Stiftung mit und be- auch in der Struktur des Klavier-Festi- reiten damit Sir Simon Rattle den Weg vals Ruhr, Ihrem aktuellen Aufgabenbe- in das Amt des Chefdirigenten der Ber- reich, wieder. Diesem weltweit größten liner Philharmoniker, das dieser 2002 Pianisten-Treffen sind Sie bereits seit für 16 Jahre antritt. Ist das Ihre Bestal- 1996 künstlerisch verbunden, seit 2005 lungsurkunde, die Sie auf dem Bild mit fungieren Sie hier zunächst als Ge- den beiden Stardirigenten in Händen schäftsführer des Initiativkreises Ruhr, halten? später dann als Stiftungsvorstand und Ja, und sie trug für den Senat die Un- als Intendant des Klavier-Festivals. terschrift meines langjährigen Freun- Was sind die Aufgaben dieser Insti- des aus Münchener Jahren, nämlich tutionen, wie arbeiten sie - damals und von Christoph Stölzl, der mich, als er heute - zusammen und ist es richtig, ziemlich überraschend zum Berliner dass die Wurzeln des vor 30 Jahren Kultursenator ernannt wurde, an sei- gegründeten Festivals auf die Gründer nem ersten Amtstag in meinem New des Essener Initiativkreises Bischof Yorker Büro anrief und mir den Satz Franz Hengsbach, Deutsche-Bank- zurief: „Xaver – ich brauch dich hier in Sprecher Alfred Herrhausen und auf Berlin!“. Meine Antwort war: „Wie stellst den VEBA-Vorsitzenden Rudolf von du dir das vor? Ich habe hier in New Benningsen-Foerder zurückgehen, die York gerade einen neuen Fünfjahres- den 1984 vom Klavierfabrikanten Jan vertrag unterschrieben.“ Nach sechs Thürmer ins Leben gerufenen „Bochu- Tagen war es dann soweit: Mein Board mer Klaviersommer“ stützen und ver- war mit der Auflösung meines Vertrags stetigen wollten? einverstanden und so konnte ich das Die genannten Persönlichkeiten, Berliner Angebot annehmen. die ich glücklicherweise alle drei noch persönlich kennenlernen konnte, han- Können Sie unseren Leserinnen und delten bei der Gründung des Initiativ- Lesern kurz erläutern, warum die Wand- kreises nach dem Leitmotiv – ich zi- lung des Orchesters in eine Stiftung als tiere: „Wir glauben an das Ruhrgebiet Voraussetzung für Rattles Dienstantritt und wir wollen nicht mehr und nicht beschrieben wird? weniger, als dass sich andere diesem Simon Rattle wollte die Dualität zwi- Glauben anschließen!“ Es ging mitten schen dem in der Trägerschaft des in der damaligen Kohle- und Stahlkri- Senats liegenden „Berliner Philhar- se darum, den notwendigen Struktur- monischen Orchester“ und dem als wandel des Ruhrgebiets zu befördern Verein existierenden „Berliner Phil- und zu gestalten. Das sollte nach dem harmoniker“ aufheben. Die öffentlich- Willen Alfred Herrhausens und nach rechtliche Institution war für die Kon- dem Motto des Folkwang-Gründers zerte zuständig, der private Verein Karl Ernst Osthaus „Kultur durch Wan- für die Aufnahmen und für die daraus del – Wandel durch Kultur“ ganz we- fließenden Tantiemen für die Musiker. sentlich auch mit den Mitteln der Kul- Beide Aufgabenstellungen wollte Si- tur geschehen. Und so entschieden mon Rattle in einer Institution zusam- die Gründerväter des Initiativkreises menführen. Ruhr schon in einer Sitzung am 16. Juli 1988, dass aus dem damaligen lo- NC28 Seite 36 NC28 Seite 37 kalen „Bochumer Kaviersommer“ das das Team in Ihrem Rücken, das dieses überregionale „Klavier-Festival Ruhr“ größte Festival seiner Art Jahr für Jahr werden sollte. mit rund 70 Konzerten auf über 30 Büh- nen auf die Beine stellt. Wie viele Mitar- Ging die Gründung der bereits er- beiter sind Ihnen 2018 für Planung und wähnten Stiftung Klavier-Festival Ruhr Durchführung verantwortlich? auf Ihre Initiative zurück, was ist der Mein Team umfasst ganzjährig neun Endzweck dieser Idee und wie haben feste Mitarbeiter in insgesamt vier Be- sich Aufgabenbereich und Zuständig- reichen: Künstlerische Planung, Dispo- keiten dadurch für Sie verändert? sition und Produktion, unsere Educati- Für diese Idee konnte ich im Kultur- on-Abteilung, Kommunikation, Marke- hauptstadt-Jahr 2010 einige führenden ting und Vertrieb, sowie nicht zuletzt Persönlichkeiten des Initiativkreises der Kaufmännische Bereich. Ruhr gewinnen, die sich für deren Ver- wirklichung tatkräftig einsetzten, denn Wie viel Vorlauf benötigt es, einen es ging darum, dem Klavier-Festival Pianisten wie Maurizio Pollini nach Ruhr als Stiftung eine auf Dauer an- Wuppertal zu holen? Gibt es auf Ihrer gelegte Struktur geben zu können. Pianistenwunschliste überhaupt noch Nachhaltigkeit zu generieren war ja eine leere Stelle, die Sie bisher noch die ursprüngliche Idee für die Europä- nicht mit einem der ganz großen Na- ischen Kulturhauptstädte. Somit konnte men füllen konnten? ich mit der durch die NATIONAL BANK Seit Maurizio Pollinis letztem Konzert AG vorgenommenen Gründung meine beim Klavier-Festival Ruhr sind inzwi- damalige Funktion als Geschäftsführer schen zehn Jahre vergangen. Das ist des Initiativkreises Ruhr zurücklegen, für uns aber eher untypisch. Denn Da- weil ich von nun an als Intendant des niel Barenboim zum Beispiel kommt ei- Klavier-Festivals Ruhr zugleich Stif- gentlich jedes Jahr zu uns. 2018 bereits tungsvorstand und Geschäftsführer der zum 27. Mal. Ebenso Martha Argerich, Klavier-Festival Ruhr Sponsoring und die am 9. März 2018 schon zum 19. Mal Service GmbH wurde. Ziel dieser Re- bei uns sein wird. Oder András Schiff strukturierung war es, das Klavier-Fe- und Elena Bashkirova, die bei unserem stival Ruhr als vollständig privat finan- 2. Stiftungskonzert an diesem Tag ihren ziertes Festival weiter zu stabilisieren 18. bzw. 21. Auftritt beim Klavier-Festi- und das ist uns allen gemeinsam auch val Ruhr haben. Generell war es immer bestens gelungen. Als Chef sind meine schon mein Ziel, die großen Pianisten Zuständigkeiten identisch geblieben. unserer Zeit in einer weltweit einmali- Allerdings habe ich neben der Sponsor- gen Dichte einladen zu können und er- Akquisition nun auch noch das Fundrai- lebbar zu machen. Und das soll auch sing, also das Einwerben von Spenden, künftig so bleiben. zu leisten. 2018 Das Festival beschränkt sich nicht al- Die Persönlichkeiten, die an der Spit- lein darauf, Klavierabende zu organi- ze der Stiftung Klavier-Festival Ruhr sieren, es lebt von einer außerordent- und des Aufsichtsrats Klavier-Festival lichen Vielfalt von Konzertangeboten, Ruhr Sponsoring und Service GmbH darunter Kammer- und Orchester- stehen, diejenigen, die das Kuratorium konzerte, Lieder- und Jazzabende; der Stiftung bilden, verraten nichts über sie werden aufgezeichnet und von NC28 Seite 36 NC28 Seite 37 Die Programmangebote haben schon seit einiger Zeit den Schumannsaal im Museum Kunstpalast in Düsseldorf erreicht, auch die Historische Stadthalle in Wuppertal bietet seit Jahren einen festlichen Rahmen für große Konzertabende. Ganz frisch hinzugekommen als neue Perle im Veranstaltungs- rahmen ist 2017 ein wunderbarer neuer Konzertraum mittlerer Größe: das Anneliese Brost Musikfo- rum Ruhr in Bochum. Mit der Nutzung dieser architektonisch bestens gelungenen Verbindung aus ehemaliem Kirchenraum als Foyer und dem harmonisch angebauten Konzertsaalneubau ist das Kla- vier-Festival Ruhr wieder da angekommen, wo es 1984 seinen Ausgang nahm. Fotos Musikverein Rundfunkanstalten übertragen! Zum und unserer Aufmerksamkeit beson- Nachhören und Dokumentieren wur- ders empfehlen? den inzwischen mehr als 100 Kon- Wir haben zum Beispiel für Kinder zertmitschnitte auf CD veröffentlicht, im Alter von zwei bis sechs Jahren die Junge Pianisten haben die Möglich- „Little Piano School“ ins Ruhrgebiet ge- keit, von etablierten Pianisten ange- holt und gemeinsam mit der Folkwang botene Meisterkurse zu besuchen, Universität zum „KlavierGarten“ weiter Studierende der Musikhochschulen entwickelt. Seit nunmehr zehn Jahren nehmen an aktuellen Meisterklassen nehmen rund 350 Kinder ganzjährig in und speziellen Events teil, bei denen 19 Kindergärten unter der Leitung von auch Jazzformationen zu erleben rund 20 in dieser methodisch speziell sind, und: es gibt schon seit einigen ausgebildeten Lehrerinnen dieses An- Jahren die Initiative gebot war. Diese Arbeit im nördlichen Ruhrgebiet findet großen Anklang. In „Education“! Duisburg-Marxloh wiederum haben Herr Prof. Ohnesorg, Sie beschäfti- wir in diesem Jahr erstmals sämtliche gen nicht nur Mitarbeiter zur Planung, Schulen, also die Grundschulen, eine Durchführung und Verstetigung des Hauptschule, eine Ganztagsschule, Klavierfestivals, Sie haben auch Frau- eine Förderschule und ein Gymnasi- en und Männer zur musischen Bildung um in unsere Projektarbeit einbezogen. an Grundschulen im Einsatz! Was für Dort leisten wir wichtige Entwicklungs- Düsseldorf und 16.000 Grundschulkin- arbeit auf dem Gebiet der Integration der das Musikvereinsprojekt „SingPau- und der Inklusion. Denn Musik eignet se“ ist, das ist für Sie und das Klavier- sich wie kaum eine andere Kunstform festival Education-Arbeit für Kinder und für die dort so dringend erforderliche Jugendliche. Können Sie uns Beispiele Vermittlungsarbeit insbesondere bei aus Ihrer Angebotspalette für ganz un- Kindern, die oft genug kein einziges terschiedliche Altersgruppen nennen Wort Deutsch sprechen und auch nie NC28 Seite 38 NC28 Seite 39 zwei Abenden mit Liedern von Claude Debussy und Camille Saint-Saëns auf Schloß Herten seinen 50. Auftritt beim Klavier-Festi- val Ruhr haben wird – ein weltweit einmaliger Rekord. Im Robert-Schumann-Saal dürfen sich unsere Düs- seldorfer Musikfreunde auf zwei hochkarätig besetzte Trio-Abende mit Daniel Ba- renboim und Igor Levit freu- Bewegung und Farbe als wichtige Elemente in der Little Piano School: en, auf einen höchst fanta- Klavier-Festival Ruhr/Mark Wohlrab sievoll gestalteten franzö- einen Kindergarten von innen gesehen sischen Abend mit dem herausragen- haben. Ich persönlich bin der Auffas- den Klavierduo Yaara Tal & Andreas sung: Wenn wir auf der einen Seite das Groethuysen und nicht zuletzt auf das Privileg haben, mit den weltweit besten Rezital mit dem jungen Senkrechtstar- Künstlern großartige Konzerte anbieten ter Lucas Debargue. Also auf echte zu können, dann haben wir die mora- Highlights unserer Spielzeit 2018! lische Verpflichtung, uns auch um den unteren Rand der Gesellschaft zu küm- Vielen Dank, Herr Prof. Ohnesorg, mern. Deshalb sind wir nach Marxloh dass sie sich die Zeit genommen haben gegangen. und so ausführlich auf unsere Fragen eingegangen sind. Freuen dürfen sich Werfen wir zum Schluss noch einen auch zwei Festival-Besucher, die als Blick auf das Programm der neuen Sai- Gewinner unseres Preisrätsels von Sei- son, das in diesen Tagen veröffentlicht te 62 in den Genuss eines gestifteten wurde. Gibt es wieder ein Jahresthema Konzertbesuchs kommen. Auch dafür und wollen Sie unsere Leserinnen und ein herzliches Dankeschön! Ihnen und Leser auf spezielle Abende aufmerk- Ihrem Klavier-Festival Ruhr für 2018, in sam machen, deren Besuch Ihnen be- dem auch der Musikverein viel zu feiern sonders am Herzen liegt? hat, alles Gute und: Glück auf! Wir nehmen den 100. Todes- Marxloher Schüler freuen sich über ihre gefeierte Präsentation in tag des großen französischen der Gebläsehalle Duisburg: Klavier-Festival Ruhr/Ursula Kaufmann Komponisten Claude Debussy und den 100. Jahrestag des En- des des Ersten Weltkriegs zum Anlass, unter dem Motto „Vive la France“ die deutsch-französi- sche Freundschaft zu feiern. Wir haben die besten französischen Pianisten eingeladen, aber na- türlich auch viele andere große Musiker unserer Zeit – so zum Beispiel auch den Liedpiani- sten Graham Johnson, der nach NC28 Seite 38 NC28 Seite 39 „EIN KLAVIER! EIN KLAVIER!“ Das Klavierhaus Schröder packt an weiß Georg Lauer zu berichten Lösen die vier Worte der Bei- tragsüberschrift auch bei Ihnen spontane Loriot-Assoziationen aus? Helga Panislowski muss die Klaviermöbelpacker sooft mit die- sem Ausruf konfrontieren, bis er zum geflügelten Wort wird, gene- rationsübergreifend! Genauso ging es den Besu- chern des Düsseldorfer Klavier- hauses an der Immermannstra- ße, als sie aus der Tiefe des Rau- mes den Antransport eines neuen Musikinstrumentes wahrnahmen, der sich durch das Erklingen des Türgongs ankündigte: Hausherr und Besucher hatten die gleiche Erinnerung und raunten sie sich gegenseitig synchron zu: „Ein Klavier! Ein Klavier!“ In der Tat wurde gerade ein größeres Teil von zwei kräftigen Männern durch die Tür bugsiert, obwohl das Ladenlokal doch bereits Klaviere in Hülle und Fülle beherbergt! Aber vielleicht fehlte ja noch eins, und nicht jedes Instrument, das hier zum Verkauf oder zur Reparatur steht, ist auch wirklich ein Klavier, wie der Name des Hauses eigentlich suggeriert. Manchmal ist ein Klavier eben doch kein Klavier, sondern ein Digitalpiano, ein Forte-Piano, ein Tafelklavier, oder gar ein Flügel, aber in jedem Fall ein Tasteninstrument. Und es gab einen triftigen Grund, uns im Hause umzusehen, und das kam so:

NC28 Seite 40 NC28 Seite 41 Die Chorproben des Musikvereins werden immer durch einen Korrepeti- tor unterstützt, der vom Klavier aus - im Probensaal der Tonhalle ist es ein Flü- gel der Firma Steinway - die Stimmen des Chores einzeln oder in ihrer Ge- samtheit begleitet, mal tonparallel, mal im Chor+Orchestersatz, mal stimmen- dominierend, mal verhalten im Hinter- grund, manchmal auch pausierend. Selbst bei getrennten Proben für Da- men (Sopran/Alt) und Herren (Tenor/ Bass) sind in der Regel jeweils zwei Stimmfraktionen anwesend, die in den Zur Lösung des Problems kam es ersten Proben einer Neueinstudierung zügig: Mobilität, Verstaubarkeit, Klang- phasenweise getrennt üben und mitun- kompromiss führten zu Empfehlung ter pausieren. und Erwerb eines Digitalpianos aus Stillstandszeiten sind nirgendwo dem Hause KAWAI. Es ist schon sehr beliebt, weder bei Sängerinnen und erstaunlich, welche Forte-Piano-Tonnä- Sängern, und schon gar nicht bei der he über die druckempfindliche Tastatur Leitung, die die Vorbereitung auf das zum Gehör der lernenden Choristen Konzertereignis verantwortet und das transportiert wird! pünktliche Erreichen des Zieles stets Seid kurzem kommt das Digitalpiano vor Augen hat. sogar zu klanglichem Synchroneinsatz Marieddy Rossetto, die seit 2001 die mit dem Flügel im Probensaal! Die Einstudierungen des Chores leitet, hat- Komplexität der Chorpartitur in Mahlers te die Idee: Wie wäre es, die Proben- 8. Sinfonie kann dadurch transparent phasen zeitweilig mit dem Korrepetitor gemacht werden, dass z.B. der Korre- zu teilen, um mit kleineren Sangesgrup- petitor den Steinway zur Wiedergabe pe in räumlicher Nähe parallel arbeiten des Orchestersatzes benutzt, während zu können? Dazu wäre allerdings ein die Chorleiterin ihr Instrument einsetzt, zweites Klavier sehr hilfreich. um einzelne Stimmen klanglich gezielt Es bot sich ein Gespräch mit dem zu unterstützen. Düsseldorfer Klavierhaus Schröder an, in dem Patrizia Schröder - anders als auf nebenstehendem Foto - mehr als eine Hintergrundfunktion einnimmt, mal laut, mal leise! Die Kommunikations- wissenschaftlerin hat nicht nur die kauf- männische Leitung des Unternehmens inne und eine Senior-Ausbildung als Klavierbauerin aufzuweisen, sie singt - und das ist eigentlich das beste! - im Alt des Musikvereinschores! NC28 Seite 40 NC28 Seite 41 sowie eine als „gläsern“ apostrophierte Werkstatt eingerichtet hat. Hier treffen wir - siehe unten - auch den Herrn, der als Klavier- und Cembalobauermeister die Techn. Leitung und ebenso den Verkauf verantwortet: „Ein Klavier - ein Klavier!“ ... Davon sehen uns in der Ausstellung prächtige Stücke an, zum Beispiel die- ses edle Stück aus dem Hause August Löbau in Sachsen: Es gab eine weitere Gelegenheit, die Sprache auf die mit dem Klavierhaus Schröder verbundenen Geschäftsfelder zu bringen, und abermals ging es um das Thema „Klavier und Transport“. Der Idee, das neue Zweitinstrument des Musikvereins mittels PKW-Trans- port auch außer Haus zum Einsatz zu bringen, zerstreute sich angesichts des die Rollfunktion stabilisierenden Un- terbaus, der nicht mehr wie erhofft so flugs vom Pianokörper zu trennen ist. Das auf der Rückreise von Chemnitz, wo der Chor am 3. Oktober 2017 bei Aber auch ande- der Aufführung von Beethoven-Neun re schöne Instru- beteiligt war, während einer Autobahn- mente mit großen Buspause erläuterte Vorhaben, beim Namen wie jene Tag der Archive 2018 eine historische aus dem Hau- Komposition Joseph Kreutzers mit der se Grotrian-Steinweg, das mit Sitz in Unterstützung einer Sopranistin und ei- Braunschweig seit 1835 seine Piano- nes Pianisten zum Klingen zu bringen, manufaktur ungebrochen fortführt. war nicht lange beerdigt! Die Instrumente der österreichischen Nur ein paar Tage später meldet sich Premium-Marke Bösendorfer, auf deren Patrizia Schröder wieder mit dem An- unverwechselbar berührenden Klang gebot, dem Ereignis dadurch Flügel zu Pianisten wie András Schiff oder Rudolf verleihen, dass sie ein Digitalpiano aus Buchbinder schwören, werden hier ge- den Beständen ihres Hauses zur Verfü- handelt. Auf dem Weg in die gläserne gung stellen könne, wohl nicht in weiß Werkstatt des Klavierhauses begegnen wie das Instrument des Musikvereins. wir noch diesem Schmuckstück, einem Die Redaktion vereinbart einen Orts- Tafelklavier von 1840 aus dem Hause termin an der Immermannstraße 9, wo Thomas Tomkison, Dean Streat - Soho, das Klavierhaus Schröder eine groß- das vor seiner Spielbereitschaft noch zügig bemessene Ausstellungsfläche gestimmt werden muss. NC28 Seite 42 NC28 Seite 43 Ein solcher Besuch war jedenfalls angedacht, um herauszufinden, ob das schwarze Digitalpiano von KAWAI - Schwester-Piano des weißen Tonhal- leninstruments - der Aufführung des historischen Notentextes wohl gewach- sen sein würde! Ja, aber: Der Gedanke, die von der Sopranistin Carolina Rüegg vorzutra- gende Fantasie für Gesang mit Beglei- Die neben dem Büro gelegene, äu- tung des Piano Forte - gewidmet der ßerst aufgeräumt wirkende Werkstatt, Prinzessin Friedr.v. Preußen - begleitet birgt mehrere auseinandergebaute von einem Digitalpiano (!) auf einem Flügel, die nach ihrer Reparatur wieder Tonträger festzuhalten, stieß beim Ver- auf ihren Zusammenbau warten. Da ist antwortlichen für Original-Klavierklang- der in Schwelm bei Ibach ausgebildete Akustik Martin Schröder auf Einspruch: Klavierbauermeister und Restaurator in das Ergebnis würde in jedem Fall Ent- seinem Element und erklärt dem stau- täuschung hervorrufen! Was nun? nenden Besucher die auseinanderge- Auch hierfür hatte das freundliche Kla- nommenen Einzelteile und die Beson- vierhaus-Schröder-Paar eine Lösung: derheiten der Instrumente. Wir bringen Ihnen ein echtes Klavier ins Hetjens-Museum, keinen Flü- gel, aber eins, was einen großen Raum mit Klang füllen kann! Da konnten die Organisatoren mit Helga Panislowski beim Abschied nur sagen: Ein Klavier! Ein Kla- vier! Großartig! Danke! Danke!

Zum Schluss des Rundgangs begegnen wir noch einmal dem schönen Tafelklavier. Ob der für seine Vorliebe für historische Instrumente bekannte Düsseldorfer Pianist Tobias Koch, der das erwähnte Joseph Kreutzerstück von 1836 am 3. März im Hetjensmuseum wieder- beleben wird, dieses Instrument bei einem Besuch hier wohl probieren dürfte? Natürlich dürfte er! NC28 Seite 42 NC28 Seite 43 DIE FLUT Die Opernmacher - ein Projekt der Jungen Oper am Rhein miterlebt von Karl-Hans Möller Die draußen steigende Flut bedroht genommenen das auf einer Anhöhe stehende Haus Verlust die einer rundum privilegierten Familie nur plötzlich emp- langsam. Der Vater weiß aber, dass die fundene Ver- bereits „absaufende“ untere Außenwelt a n t w o r t u n g eigentlich Hilfe braucht, die Mutter will für dessen schutzlose kleine Schwes- jedoch die vorm Hochwasser sicher ge- ter Lara. Diese erstmals erkannte Em- glaubte Villa vor den Zuflucht und Ret- pathie kontrastiert bei der Rückkehr in tung suchenden Flüchtenden schützen. die Villa mit der immer noch egoistisch Yannick, der gerade ins Teenager-Alter streitenden Familie, in der aber nun kommende Nerd-Sohn, bastelt an der beide Kinder mehr Entschlossenheit Konstruktion einer Rettungsmaschi- und naiven Weitblick entwickeln als ne, während sich die frühreife ältere die mit sich selbst beschäftigten El- Tochter Ophelia ausschließlich um ihre tern. Beim durch das Steigen der Flut Facebook-Likes, den gestörten Smart- erzwungenen Fluchtentschluss treffen phone-Empfang und ihr angesichts der sie auf einen verbitterten und harther- Isolation nicht zu „aktualisierendes“ zigen Kapitän, der nur gegen viel Geld modisches Outfit sorgt. zur Rettung der durch die Flut entwur- Aus dem eskalierenden Familienstreit zelten Menschen bereit ist. Als Lara heraus flieht die Tochter ins Abenteuer dem Kapitän als „Fahrgeld“ verzweifelt und begegnet nach einer ersten Wahr- ihr Püppchen anbietet, bricht die durch nehmung der existenziellen Not und den Härte kaschierte Verzweiflung des am daraus resultierenden sozialen Konflik- Tod seiner Familie schuldigen Schiffs- ten und Egoismen Luka und Lara, ei- eigners hervor. Der selbsternannte nem entwurzelten Geschwisterpaar mit „König einer kaputten Welt“ wirft den tragischer Vergangenheit. Die zögern- gerade erbeuteten Reichtum ins Was- de Annäherung durch ein gegenseitiges ser, klammert sich aber an Laras Pup- aufeinander Angewiesensein lässt bei pe und schließt sich im Steuerhaus ein. dem verwöhnt-egoistischen Mädchen Trotz der vergeblichen Versuche, die- vorsichtige Suche nach Nähe und die ses „Cockpit“ aufzubrechen, erschießt allmähliche Überwindung ihrer sozialen er sich und überlässt das führerlose Ausgrenzung anderer zu. Luka bezahlt Boot und seine Passagiere einem un- ihre Rettung aus der Flut mit seinem gewissen Schicksal. Leben, und die von ihm aus dem Was- Warum halte ich eine so umfangrei- ser gezogene Ophelia begreift durch che Darstellung des Inhalts für wich- den auch von ihr als Schmerz wahr- tig? NC28 Seite 44 NC28 Seite 45 Dimitra Kotidou (Ophelia) mit Jugendlichen Szene mit Beniamin Pop (Kapitän) aus dem Kinderchor am Rhein Szenen-Fotos „Flut“: S Diesner Die jungen Künstler, die wenige Tage Oper am Rhein war sicher eine sehr vor der Duisburger Premiere des Pro- emotional gefundene Anregung für das jekts vor der Presse und den Sponsoren Finale der Oper. Nichts wurde an- oder über ihren Arbeitsprozess berichteten, aufgepfropft, sondern im Miteinander haben glaubhaft dargestellt, dass sowohl zu einer Geschichte verwoben, die eine alle Ideen zum Thema des Werkes, als Vielzahl einzelner Kompositionsansätze auch die im vorgegebenen Rahmen der und deren verantwortliche und damit zur Verfügung stehenden Sänger gefun- auch persönlich nachweisbare Reali- denen Rollen und deren Charakteristik sierung ermöglichte. Die Einzelteile des und alle in dieser Besetzung möglichen Werks fügten sich bereits im Prozess Episoden von ihnen selbst und ohne auf des „Opernmachens“ zusammen und einen Topos zusteuernde Vororientie- wurden so wirklich zu einem Libretto rung gefunden und fixiert worden sind. und nicht zu einer Liedtextsammlung. Das von 6 Schülerinnen geschriebene Das große Lob, das den engagierten Libretto wurde - mit den jungen Kompo- Betreuern der jungen Künstlergruppen nisten bereits während des Entstehungs- zukommt, bezieht sich vor allem auf prozesses diskutiert - Grundlage für die das sensible Anleiten der Bewältigung Kompositionen und die musikmotivische der von den Schülern kommenden Ide- Charakteristik der jeweiligen Geschich- en, auf die Workshop-Begleitung des ten. Mich überraschte und begeisterte „Wie“, mit dem man das gefundene die Fähigkeit von Schülern, einen so „Was“ gestalten kann. Sascha Pransch- aktuellen Plot zu gestalten und das mit ke leitete die Libretto-Werkstatt und der ebenso logischen wie parabolischen Be- Betreuer der neun jungen Komponisten zügen zu bewegenden Fragen der Zeit: (zwischen12 und 18), von denen jeder zum globalen Klimawandel und seinen mindestens eine Szene musikalisch Folgen, zu vielleicht bereits persönlich verantwortete, war David Graham: Das erlebten oder erfahrenen sozialen Kon- musikalische Ergebnis machte mich be- fliktsituationen, zum aktuellen Thema geistert Staunen, denn die von der Oper der Hilfe für Flüchtende und auch zur besetzten und engagierten hochkaräti- Verarbeitung der Ohnmacht in Katast- gen Profis nahmen die Kinderkomposi- rophensituationen. Der vom Kopiloten tionen sehr ernst. Die Musiker zeigten herbeigeführte Flugzeug-Absturz mit z.B. bereits bei einer ersten Begegnung Düsseldorfer Opfern aus der Deutschen im Probenprozess, was die Instrumente NC28 Seite 44 NC28 Seite 45 Szene mit Bryan Lopez (Luka), Sarah Bock Szene mit Dimitra Kotidou (Ophelia), Monika (Lara) und Dimitra Kotidou (Ophelia) Rydz (Mutter), Bryan Lopez (Vater) (Flöte/Piccolo, Klarinette/Bassklarinette, vergleichbaren Publikum das Schicksal Horn, Posaune/Tuba, Percussion/Vib- brutal einsetzenden Desinteresses er- raphon, Akkordeon, Klavier, Violoncello litten. Aber ich kam aus dem Staunen und Kontrabass) zu leisten imstande gar nicht heraus, denn eine andersarti- sind und wurden damit auch zu Ide- ge Idee folgte der vorherigen, die sich engebern für die Instrumentalisierung. in wunderbarer Weise an den Spannun- aber keine „Melodielieferanten“. Auch gen in der kleinen Welt und den sie aus- hier bestand die Hilfe nur aus Impulsen, lösenden Katastrophen der größeren er- die dann frei zur Wahrnehmung und zur gaben und motivisch wie instrumentiert, Auswahl standen. leise eindringlich und mit Wucht ausbre- Bei den Aufführungen musizieren auf chend mir den Inhalt erschlossen oder der Bühne neun Musiker der von Patrick diesen gar antizipieren ließen. Ich ver- Francis Chestnut geleiteten Formati- mochte dabei nicht zu erkennen, welche on notabu. ensembe neue musik. Es der vielen sich andeutenden musikali- spielen und singen 4 Sängerinnen und schen Handschrift-Ansätze diejenigen Sänger der Deutschen Oper am Rhein: eines Vor-Teenagers oder eines 18jähri- Monika Rydz, Bryan Lopez Gonzales, gen an der Schwelle zum Musikstudium Dimitra Kotidou und Benjamin Pop so- waren. wie die Kindersolisten Johannes Graf/ Auch Regiekonzept und Ausstattungs- Justin Kucharski und die Kinderdarstel- idee entstanden unter Anleitung des lerin Sarah Bock sowie Mitglieder des erfahrenen Volker Böhm. Es gibt keine Kinderchores am Rhein und der Aka- fixierten Dekorationen, sondern die ex- demie für Chor und Musiktheater unter akt choreografierte offene Verwandlung Sabina López Miguez. der Bühne von der Villenwohnung in die Das Opernerlebnis war keines der Katastrophenlandschaft mit kippligem von talentierten Kindern und Jugendli- Steg oder in das ersehnte und blockierte chen nachempfundenen romantischen Rettungsschiff. Das alles geschieht mit „Fülle des Wohllauts“, es erklangen kei- grauen Dreiecken, die von den Spielern ne polyphon aufgebläht-folkloristische - musikalisch durch Motivvariationen Motive, aber es gab auch keine als begleitet - in großer Ruhe und Exakt- Kunst behauptete Anhäufung inhaltlich heit der neuen Bestimmung zugefügt unbegründeter Dissonanzen. All dies werden. Die Szenenwechsel und die hätte vor einem den Künstlern im Alter schnellen Umzüge des 6 Rollen spie- NC28 Seite 46 NC28 Seite 47 lenden Sängerquartetts verraten große Übersicht in der Regiearbeit, die auch kleine Gesten sehr wichtig nahm und dadurch beeindruckend sichtbar werden ließ. Laras inszenierter inniger Umgang mit ihrem Püppchen machte zum Bei- spiel den Flashback des Kapitäns erst so eindrücklich möglich, Yannicks Um- gang mit dem I-pad zeigt den minderjäh- rigen Erfinder mit erwachsenem Output Projektleiterin Anna-Mareike Vohn und der und Ophelias ständige Selbstkorrektur Betreuer der Komponisten, David Graham, des Outfit mit dem Smartphone-Spiegel mit den jungen Künstlern bringt sie ganz nah an ihre sich spiegeln- orientierter Förderung. Aber jedes Erle- den Altersgenossinnen im Publikum. ben eines solchen Kunstwerkes ermu- Das erstaunlich professionelle Ergeb- tigt viele Altersgenossen, sich vielleicht nis ist nicht nur ein begrüßens- und be- auch der Musik und dem Theaterspiel denkenswertes Theatererlebnis, durch als „selbst machbar“ zu öffnen oder zu- das sich die jungen Künstler unter sen- mindest durch Staunen die uns so eng sibler und hohes Niveau ermöglichen- verbundene Kunstform zu achten, zu der Anleitung entwickeln konnten. Na- schätzen und als etwas Besonderes türlich braucht es erstaunliche und weit wahrzunehmen, das „unplugged“ und über dem Durchschnittsniveau liegende live in unser Leben kommt und darauf Vorkenntnisse der Kinder aus musisch wartet, angenommen zu werden. EINE „FLUT“ VON IDEEN UND ANGEBOTEN Oper für Kinder, Oper von Kindern und Kinder in der Oper Karl-Hans Möller und Georg Lauer treffen Dr. Hella Bartnig

In der Reihe von Gesprächen der NC mit den das Kulturleben der Stadt prägenden Künstlern baten wir diesmal die Chef- dramaturgin der Deutschen Oper am Rhein, Dr. Hella Bart- nig, um einen Termin, dessen Inhalt sich vor allem mit dem intensiven Bemühen des Musiktheaters um junge Zuschauer befassen sollte. Vor dem Gespräch war Karl-Hans me durch ein den Künstlern „gleichalt- Möller ihrer Einladung gefolgt, die Ur- riges“ Publikum. Der Auftakt unseres aufführung des Projekts der Opernma- Gesprächs war dann auch der Erfah- cher zu besuchen. Er sah die zweite rungsaustausch des „Kritikers“ mit der Vorstellung am Tag nach der Premiere Dramaturgin des von Kindern konzi- und war – wie der vorstehende Bericht pierten, libettrierten, komponierten und zeigt – sehr beeindruckt: vom Werk, inszenierten musikdramatischen Wer- seiner Umsetzung und von der Aufnah- kes. NC28 Seite 46 NC28 Seite 47 Dem Lob für das Ergebnis der „Opern- zur ersten geschriebenen Note durch macher“ konnte Hella Bartnig gerne fol- Kompositions-Übungen, das Erlernen gen, denn sie bekennt - obwohl sie als von Motivvariationen oder das Erpro- Chefdramaturgin des großen Hauses ben instrumentaler Möglichkeiten zu selbst die dramaturgische Betreuung überbrücken. In beiden Künstlergrup- des Projektes übernommen hatte - wie pen musste auch die Bereitschaft zur begeistert sie über das künstlerische Kritik und deren Annahme sowie die ge- Ergebnis und vor allem über den Pro- genseitige Akzeptanz der altersspezifi- zess seines Zustandekommens war. schen Unterschiede in der Annäherung Sie leugnet nicht eine gewisse Skep- an den Stoff und seine erfahrungsbe- sis, als die Leiterin der Education Ab- dingte Umsetzung geschult werden. teilung, Anna Mareike Vohn, noch wäh- Auch deshalb freut sich Frau Bartnig rend der Proben zur modernen Hän- über das mit großer Begeisterung vom sel- und Gretel-Adaption „Lost in the Publikum angenommene Ergebnis, vor Forest“ (vgl. Besprechung in NC Nr. 26) allem aber über die ermutigenden Er- erklärte, beim nächsten Mal wolle man fahrungen mit den jungen Künstlern, „den Spieß umdrehen“ und Profis dazu die ihre eigenen Ideen verfolgen und gewinnen, eine von Kindern erdachte, sich nicht hinter klugen Ratschlägen getextete, komponierte und inszenierte verstecken wollten. Oper aufzuführen. Der Weg zum Ergebnis war Das Ausmaß der künstlerischen Frei- vielleicht das Wichigste heit, mit der die jungen Librettisten, Sehr angetan davon war sie, wie Komponisten und Regisseure umgin- sich die professionellen Künstler dem gen, hat selbst die sehr erfahrene The- natürlich durch viele Handschriften ge- aterfrau überrascht. Natürlich – bekennt prägten Opus angenommen und durch sie – haben sich in der einjährigen Ar- ihre Fähigkeiten bereichert haben. Auch beit Probleme gezeigt, auf die man ob beim Inszenierungsprozess kam es der Erst- und bisherigen Einmaligkeit darauf an, die Phantasie der jugend- des Vorhabens nicht vorbereitet sein lichen Co-Regisseure anzuregen und konnte. Ein aus einer erst zu finden- sie gleichzeitig auf die Möglichkeiten den Idee wachsendes Libretto braucht und Grenzen einer Experimentierbühne mehr Zeit als die Dialogfassung einer hinzuweisen. So manche Idee musste Vorlage. Die Komponisten konnten auf ihre Realisierbarkeit geprüft werden. daher erst relativ spät mit dem unmit- Ist es realistisch, eine Rolle mit einem telbaren Schaffensprozess beginnen. Kleinkind zu besetzen, wäre eine Puppe Während also Sascha Pranschke, der ein Äquivalent oder müsste eine ande- Leiter der Libretto-Werkstatt, die sen- re Lösung gefunden werden? Und wie sible Aufgabe hatte, die vielen Ideen konkret kann das Bühnenbild sein oder „einzuschmelzen“, zu raffen oder auch reicht auch ein Baukastensystem, um durch später Erdachtes ersetzen zu dem Publikum die Geschichte glaubhaft lassen und gleichzeitig eine metapho- zu vermitteln? Die Chefdramaturgin, rische Erzählebene anzuregen, hatte die an ganz großen Opernhäusern mit David Graham die Aufgabe, die Zeit bis namhaften Regisseuren, internationalen NC28 Seite 48 NC28 Seite 49 Stars und großen Orchestern zusam- sitzend „mittendrin“ fühlten. Ein Teil der mengearbeitet hat, unterscheidet nicht 12 – 14-jährigen Zuschauer war vorbe- zwischen großen und kleinen Aufgaben, reitet, andere wussten nur wenig darü- sondern sieht sich auch in der so wich- ber, was sie erwarten würde. Dennoch tigen Arbeit mit Kindern stark gefordert. folgten alle der Arbeit ihrer Altersgenos- Im Erfahrungsaustausch mit ihrem Be- sen mit Respekt und Neugier. Lediglich rufskollegen Möller sprechen die beiden nach etwa einer Stunde gab es bei den Dramaturgen auch über die erlebten Pu- die Konflikte reflektierenden Arien ein blikumsreaktionen in der zweiten „Flut“- Aufmerksamkeitsdefizit, das aber zum Vorstellung in Duisburg, zu der Schüler spannenden Finale wieder eingefangen – viele davon mit migrantischem Hinter- wurde. Ein großartiges, sehenswertes grund – auf die große Bühne gekommen Werk war entstanden, das seine außer- waren und sich zunächst fast ehrfurchts- gewöhnliche Qualität aber vor allem dem voll unter dem riesigen Schnürboden Prozess seiner Entstehung verdankt. Von Pleiße und Elster über Oder – Elbe – Isar an den Rhein Dr. Hella Bartnig - Chefdramaturgin der Deutschen Oper am Rhein

Hella Bartnig kommt aus Leipzig und wurde in der Schule für die Musik be- geistert. Ein sehr engagierter Musik- lehrer leitete einen außergewöhnlichen Schulchor, der zum Kinderchor der Leipziger Oper wurde. Hellas Einstieg war Puccinis „Tosca“, und der begann mit einem Unfall, denn in einer Büh- nenprobe stürzte sie vom Malergerüst des Cavaradossi und statt zur Premie- re ging es erst einmal ins Krankenhaus. Aber dennoch war sie vom Theater in- fiziert, was später ihren Berufswunsch Institut promovierte sie 1986 über ein beeinflusste. Sie wollte Gesang studie- Thema zum Schaffen Richard Wagners ren und wurde an der Hochschule für zum Dr. phil. Im gleichen Jahr kam sie Musik ihrer Heimatstadt immatrikuliert. als Dramaturgin an die „Semperoper“ Noch während des Studiums entdeckte in Dresden, wo sie 1994 zur Chefdra- sie die Vielseitigkeit von Theaterkunst maturgin der Sächsischen Staatsoper und folgte dem Rat ihrer Professorin, berufen wurde. ihre Ausbildung an der Leipziger Uni- 2002 wurde sie in gleicher Funktion versität im Fach Musik- und Theater- an die Bayerische Staatsoper München wissenschaften fortzusetzen. verpflichtet, die sie 2006 in Richtung Nach dem Examen bewarb sie sich Düsseldorf verließ, um seitdem Chef- als Dramaturgin. Ihr erstes Engage- dramaturgin der Deutschen Oper am ment führte sie an das Kleist-Theater Rhein zu sein. Als Dramaturgin beglei- in Frankfurt/Oder. An ihrem Leipziger tete sie die Inszenierungen namhafter NC28 Seite 48 NC28 Seite 49 Stationen: DIe Opernhäuser von Leipzig, Dresden und München... Regisseure wie Joachim Herz, Peter munikation mit dem Publikum, zu dem Konwitschny, Willy Decker, Andreas bekanntlich auch jenes der jüngsten Homoki oder David Alden. Bei den Adressaten der Kunst zählt. Bayreuther Festspielen 2003 war sie dramaturgische Mitarbeiterin zu Claus JUNGE OPER AM RHEIN Guths Inszenierung „Der fliegende Hol- An der Deutschen Oper am Rhein länder“. Mit dem gleichen Regisseur er- hatte Generalintendant Christoph arbeitete sie als Dramaturgin Wagners Meyer seit seinem Amtsantritt das jun- „Ring des Nibelungen“ für die Hambur- ge Publikum im Visier und engagierte gische Staatsoper und 2013 die Urauf- drei junge musiktheaterpädagogische führung von Helmut Oehrings „Sehn- Mitarbeiterinnen. Anna Mareike Vohn, SuchtMeer“ in Düsseldorf. Frau Dr. Krysztina Winkel und Anja Fürstenberg Bartnig erhielt in den Städten ihrer En- vermitteln seitdem die Welt des Musik- gagements mehrere Lehraufträge, z.B. theaters an Kinder, Jugendliche und an der Hochschule für Bildende Künste Familien, die auf diese Weise häufig und der Palucca-Schule in Dresden, zum ersten Mal mit Oper oder Ballett in an der Hochschule für Musik und der Berührung kommen. In zielgruppenspe- Theaterakademie „August Everding“ in zifischen Schul- und Freizeitangeboten München. entdeckt das Publikum aktiv und kreativ Als Chefdramaturgin ist sie nicht nur die Stücke des breit gefächerten Spiel- Leiterin ihrer Abteilung, sie ist in dieser plans“ – so die seit 8 Jahren durch viele Funktion Mitglied der Generalintendanz großartige Projekte bewährte Zielstel- und in diesem Gremium mitverantwort- lung der JUNGEN OPER AM RHEIN. lich für die künstlerisch ästhetische Allerdings musste man von Beginn der Ausrichtung des Hauses und die Kom- Situation Rechnung tragen, in den Häu-

... Düsseldorf und Duisburg NC28 Seite 50 NC28 Seite 51 sern in Düsseldorf und Duisburg keine JUNGE OPER RHEIN-RUHR kleine Spielstätte zu haben, die durch Es zeugt von großer Weitsicht, dass die Publikumsnähe einen intimen Cha- sich drei Intendanten von NRW-Theatern, rakter schafft und viel zur Begeisterung frei von künstlerischen Egoismen, ge- von Schulklassen oder noch jüngerer meinsam Uraufführungen angestrebten Kinder beiträgt. Die beiden großen und den neuen Stücken das meist vor- Bühnen waren daher eine besondere programmierte Schicksal ersparen, selten Herausforderung, zumal es abgesehen nachgespielt zu werden. Die Opernhäu- von dem auch am Rhein erlebbaren ser in Düsseldorf/Duisburg, Dortmund Dauerbrenner „Hänsel und Gretel“ und Bonn haben sich zugunsten der nur wenige geeignet Werke für die gro- Entdeckung und Entwicklung außerge- ße Bühne gab. Die Suche nach Kinder- wöhnlicher bzw. neuer Werke für junges und Familienopern war dennoch erfolg- Publikum zu einem Verbund in Sachen reich und brachte mit Frank Schwem- „Oper für Kinder“ zusammengefunden, mers „Robin Hood“ (2009/10), Xavier um effektiv Kräfte zu bündeln, viele Kin- Montsalvathes „Der gestiefelte Kater“ der und ihre Eltern zu erreichen und den (2010/11), Strawinskys „Nachtigall“ von ihnen ausgelobten Auftragswerken (2012/13) und Ernst Tochs „Die Prin- eine erweiterte Bewährungsmöglichkeit zessin auf der Erbse“ (2013/14) schon zu schenken. Das Projekt „Junge Opern vorhandene Stücke auf die Bühne und Rhein-Ruhr“ deckt einen großen dicht- erreichte damit pro Jahr in Düsseldorf besiedelten Raum ab und bietet somit und Duisburg über 30.000 vorwiegend sehr vielen jungen Zuschauern den Ein- junge Zuschauer. stieg in die Kunst des Musiktheaters. Die Diese erfolgreiche und mit großem in- erste durch diese Kooperation ermöglich- szenatorischen Aufwand zu „Ereignissen“ te Uraufführung war„Vom Mädchen, das gesteigerte Hinwendung der Deutschen nicht schlafen wollte“ (2014/15) von Oper am Rhein zu jungen Zuschauern ist Marius Felix Lange, eine Geschichte, die deutschlandweit beachtet. Aber die von nach Martin Baltscheits Libretto auch ein den Verlagen diesbezüglich angebotene so ernste Thema berührte wie die kindli- Musikdramatik ist vor allem für kleine Be- che Angst vor dem Tod. setzungen und kleine Bühnen geschrie- Das Glück des Wagemutigen hatte die ben. Deshalb wagte man den Schritt zu „Junge Oper Rhein-Ruhr“, als die Deut- Kompositionsaufträgen. sche Oper am Rhein die Rechte für den Auftrag zur Oper „Ronja Räu- bertochter“ (2015/16) bekam und damit dem Komponisten Jörn Arnecke und dem Librettisten Hol- ger Potocki einen sehr beliebten Stoff anbieten durfte. Alle der bis- her insgesamt fünf Auftragswerke machen nach ihrer Uraufführung „die Runde“ und werden dann Vom Mädchen das nicht schlafen wollte unter Nutzung der Ausstattung Alle Szenenfotos: Hans Joerg Michel (DOR) und des Inszenierungskonzepts NC28 Seite 50 NC28 Seite 51 Ronja Räubertochter sich die Kinder und Familien entlang der Rhein-Ruhr-Schiene demnächst freuen!

DIE OPER FÜR KINDER ÖFFNEN Hella Bartnig merkt man Stolz, Begei- sterung und Vorfreude auf weitere Pläne dieser beispielgebenden Kooperation an. Sie betont die Sorgfalt und Großzügig- keit, mit der diese Produktionen an allen Häusern behandelt werden. Letztendlich geht es darum, die Oper von dem Vorur- teil zu befreien, nur etwas für eine „musi- an den jeweils anderen Häusern nach- sche vorgebildete Elite“ zu sein, und den gespielt. So kommt Marius Felix Langes Reichtum aufzuzeigen, den sie jedem „Schneekönigin“ (2016/17) im näch- bietet, der bereit ist, die Besonderheit der sten Frühjahr nach Dortmund und Gerald Verbindung von Musik und Theater wahr- Reschs dort uraufgeführte Fa- Die Schneekönigin milienoper „Gullivers Reise“ (Libretto: John van Düffel) kann an der Deutschen Oper am Rhein bereits seit Oktober 2017 in Marcelo Diaz Inszenerung von Kindern ab 8 Jahren erlebt werden. Das Theater Bonn brachte im Dezember 2017 die Uraufführung der von dem US- Komponisten James Reynolds inszenierten Oper „Geister- ritter“ nach Cornelia Funkes zunehmen, zu genießen und für sich als Bedürfnis gleichnamigem Buch heraus. ästhetischen Erlebens zu entdecken. Damit – so Auch auf dieses Werk dürfen meint sie - kann man nicht früh genug anfangen – mit speziellen Projekten für Gullivers Reise Kinder und Familie, aber auch mit einem Opernrepertoire, das ein jugendliches Publikum erreichen kann: Barrie Koskys ob des phantastischen Zusam- menwirkens von Projektion, Be- leuchtung und Darstellern umju- belte „Zauberflöte“ wird in Fa- milienvorstellungen bereits von achtjährigen Kindern bestaunt. Gemeinsam mit der britischen Theatergruppe „1947“ hat er NC28 Seite 52 NC28 Seite 53 eine bislang einzigartige Bühnenästhetik Dramaturg zu sein ist nie langweilig entwickelt, die in dem Doppelabend „Pe- Hella Bartnig verweist zum Abschluss truschka / Les Enfant et les Sortilièges“ des Gesprächs darauf, dass das Span- eine Fortsetzung findet und sicher auch nende am Beruf des Dramaturgen sei, ein junges Publikum anspricht. Des- nie in Routine zu verfallen und selbst gleichen empfiehlt die Chefdramaturgin bei wiederholter Beschäftigung mit ei- Benjamin Brittens „Peter Grimes“. Die nem Stück neue Facetten zu entdecken, Problematik des Außenseiters und die weil sich mit der jeweiligen Konstellation daraus erwachsenden Konflikte dürften der Interpreten auch die Sicht auf das auch jungen Menschen nicht fremd sein. Werk verändert. Eines aber bleibt für die Aber auch andere Opern- und Ballettvor- ehemalige Gesangsstudentin konstant: stellungen können bei entsprechender die Hochachtung vor der Leistung ihrer Vorbereitung zu einem nachhaltigen Er- singenden Kollegen. Sie nennt als jüng- lebnis werden. stes Beispiel Alban Bergs „Wozzek“ in der Inszenierung von Stefan Herheim, SingPause als Basis die nicht nur sie in jeder Hinsicht absolut Bereits zu Beginn unseres Gesprächs überzeugt hat. fiel das Stichwort SingPause, das er- Beim Abschied fällt noch einmal das folgreiche Projekt, das im gleichen Jahr Stichwort CHOR, eine Leidenschaft, anlief, in dem Hella Bartnig von der Isar der sie neben ihrer Berufstätigkeit im- an den Rhein kam. Hier lernte sie diese mer treu geblieben ist. In Düsseldorf hat gerade mit dem Jugend-Kulturpreis 2017 sie sich der Gerresheimer Kantorei an- ausgezeichnete Initiative des Vorsitzen- geschlossen. Jetzt sind wir sozusagen den unseres Städtischen Musikvereins Kollegen, denn das Repertoire, das hier kennen, die ein gutes musische Klima gesungen wird, hat einige Parallelen zu in den Schulen bewirkt und durch die Ar- jenem, mit dem sich der Musikverein beit mit Schülern aus Düsseldorf erreicht, 200 Jahre lang befasst hat. dass sie keine Angst vor dem gemeinsa- men Singen haben, die Lust am Musi- zieren entdecken, keine Schwellenangst vor den „Tempeln der Hochkultur“ kennen und der Arbeit der Künstler mit Achtung begegnen. Diese allgemein spürbare Basisarbeit hat auch ihren nachhaltigen Einfluss auf die Qualität der Schulchöre, die jedes Jahr von der Deutschen Oper am Rhein zu einem gemeinsamen Chorkonzert in das Düsseldorf Opernhaus oder das Theater Duisburg eingeladen werden. „Sing together“ ist somit ein der Sing- Hella Bartnig im Gespräch mit Rolando Villazón Pause folgendes Angebot an jene Kinder, vor der Premiere zu dessen Inszenierung von die nach der Grundschule bei der singen- Donizettis „Don Paquale”. Die Oper steht weiter auf dem Spielplan 2018. den „Stange“ leiben. NC28 Seite 52 NC28 Seite 53 Die Düsseldorfer Symphoniker und ihre Instrumente:

Die Klarinette im Gespräch mit Wolfgang Esch und Georg Lauer Vorab: Mit Fagott und Oboe stellten wir in den beiden NC-Ausgaben 25 und 26 zwei Instrumente aus der Holzbläsergruppe der Düsseldorfer Symphoniker vor, die über ein sogenanntes „Doppelrohrblatt-Mundstück“ zum Klingen gebracht werden. Aus gegebenem Anlass unterbrachen wir die Rohrblattreihe mit der Be- trachtung des Horns, setzen sie nun hier mit der Vorstellung des Instrumentes fort, das mit nur einem Rohrblatt auskommt.

Bevor wir uns mit einem Fachmann verabreden, wollen wir etwas über Namen und Herkunft, Alter und Aufbau, Erfinder und Größe der Klarinette in Erfahrung bringen, das Netz half: Demnach gilt als Erfinder der Klarinette der deutsche Musikinstrumentenbauer Johann Christoph Denner (*13. August 1655 in Leipzig; † 20. April 1707 in Nürnberg), der das ältere, klappenlose Chalumeau1 (Bild rechts) so erweiterte, dass es überblasen werden konnte und so einen der zeitgenössischen Musik angemessenen Tonumfang erhielt. Der Name des Instruments (italienisch clarinetto = „kleines Clarino“) wird dar- auf zurückgeführt, dass sie im hohen Register ähnlich klingt wie die hohe Clarin-Trompete, deren Funktion sie im 18. Jahrhundert teilweise übernahm. Der Korpus der Klarinette besteht üblicherweise aus Grenadillholz, manch- mal auch aus Buchsbaum-, Ebenholz oder Kunststoff, selten aus Metall. Die Klappenmechanik ist in der Regel aus versilbertem Neusilber, selten aus Messing, Silber, Gold oder Nickel. Die Gesamtlänge der B-Klarinette beträgt ungefähr 66 cm (71 cm bei der A-Klarinette). Um einfacher hergestellt, trans- portiert und gewartet werden zu können, besteht die Klarinette aus fünf ge- trennten Teilen, die mit korkbelegten Zapfen ineinander gesteckt werden. 1 Das Chalumeau „Schalmei/Rohrblattinstrument“, ist ein Holzblasinstrument mit einfachem Rohrblatt. Es ist „nur“ verwandt mit der Klarinette, die aus dem Chalumeau entwickelt wurde. Der Tonumfang des historischen Chalumeau beträgt eine große None. Es wurde nicht überblasen, sondern für verschie- dene Stimmlagen in unterschiedlichen Größen in f/c-Stimmung gebaut. Das Chalumeau ist zu unter- scheiden von dem Doppelrohrblattinstrument Schalmei, dessen Name etymologisch verwandt ist. „Als ungleiche Schwester der Oboe darf man die Klarinette erkennen. Hat man die Oboe mit der herben Jungfrau verglichen, so zeichnet sich die „Schwester“ durch Weich- heit und Schmiegsamkeit aus. Kein anderes Blasinstrument besitzt in gleich hohem Maße die Fähigkeit der Klarinette, den Ton schwellen und schwinden zu lassen; hierin, wie auch in ihrer Klangfülle, ist sie der menschlichen Stimme am nächsten. Ihre Klangfarbe verbin- det sich im Orchester gut mit den anderen Holzblasinstrumenten sowie mit den Hörnern, unterscheidet sich aber ganz deutlich vom Streicherklang.“ 2

2 Friedrich Oberkogler „Vom Wesen und Werden der Musikinstrumente“ – 1976, 1985 Verlag Schaffhausen NC28 Seite 54 NC28 Seite 55 chen Rohrblattes (Klarinette und Saxo- phon) sind einfach sehr unterschiedlich. Hinzu kommt als fundamentaler Unter- schied zu den anderen Holzblasinstru- menten die konische Innenbohrung der Klarinette, die zum Überblasen in die Duodezime (= eine Oktave + eine Quin- te) führt. Es sind also auch physikalische Grundvoraussetzungen, die die Instru- mente unterschiedlich zum Schwingen bringen. Dass des Klarinettisten Ehrgeiz auch darin besteht, den sanften Klang zu nutzen und zu zeigen, so wie die Kompo- nisten das vielfach einsetzen, sei natür- lich nicht verschwiegen.

Wolfgang Esch (r.) mit seinem am 30.05.2017 Apropos Rohrblatt. Ihr Oboe spielender bei einem Verkehrsunfall verstorbenen Kolle- Kollege Manfred Hoth klärte uns über die gen Georg Stump, Foto S. Diesner frühe und andauernde Beschäftigung mit der Präparierung seiner Rohrblätter auf. Wir wollten vom 1. Solo-Klarinetti- Beschäftigt Sie das vom Material her und sten der Düsseldorfer Symphoniker werkzeugtechnisch in ähnlicher Weise? Wolfgang Esch wissen, ob diese Cha- Es gibt einige wenige Klarinettisten, rakterisierung seines Instrumentes so die ihre Blätter von Grund auf selber her- zutrifft: stellen, so wie unser vormaliger Kollege Hans Fischer, der Vorgänger von Nicole NC: Herr Esch, Sie sind 1957 in Bonn Schrumpf. Der Markt bietet, vor allem aus geboren und machten dort in dem Jahr Frankreich und Deutschland, aber aus- Abitur, in dem die Erstausgabe des Bu- reichend fertig produzierte Blätter an. Da ches erschien, aus dem wir gerade ei- muss ein Jeder seine Marke finden. Und nige Sätze zitiert haben. Finden Sie Ihr selbstredend ist dann immer noch nach- Instrument, die Klarinette, hier zutreffend zuarbeiten, vor allem zu schleifen. Das charakterisiert? Naturmaterial Rohrholz quillt ja schließ- WE: Hier werden zuallererst die Flexibi- lich bei jedem Kontakt mit Feuchtigkeit, lität und Bindungsfähigkeit des Klarinet- ohne die wiederum vermag es aber nicht tenklanges betrachtet, welche dem In- zu schwingen. strument zweifelsfrei eine entsprechende Rolle im Bläsersatz zuweisen. Aber eben- Haben Sie immer einige Ersatzblätter so, wie die als „herbe Jungfrau“ benannte in Bereitschaft und wie oft kommt es vor, Oboe, um im Bilde zu bleiben, genauso dass Sie im Konzert eines wechseln müs- gut „süßes Weib“ sein kann, gehört es sen? absolut auch zum Ausdrucksbereich der Ja, ich habe immer etwa drei Dutzend Klarinette, Profil zu zeigen, und das Or- Blätter dabei. Alte, neue, leichte, schwere chester strahlend zu übertönen. – je nach Wetter und Tag und Saal und Literatur werden die dann ausgewählt. Im Wie kann man denn den Ton „weich“ laufenden Konzert zu wechseln, versucht und „schmiegsam“ machen? Ist es ihr man zu vermeiden, dazu ist man auf das Atemdruck, oder eher die Anblastechnik, eigentlich ausgewählte Material zu sehr mit der der Körper Ihres schwarzen In- eingestellt. Aber es kann immer ein Blatt struments beim Anblasen des Rohrblatts kaputtgehen, oder man möchte unter- in Schwingung versetzt wird? schiedliche Literatur eines Programmes Die Einschwingvorgänge des Doppel- auf unterschiedlichem Material spielen. rohres (Oboe und Fagott) und des einfa- NC28 Seite 54 NC28 Seite 55 Die Klarinettengruppe der Düsseldorfer Symphoniker im Jahre 2014 v.l.n.r: Georg Stump, Markus Strohmeier, Wolfgang Esch, Nicole Schrumpf, Adolf Münten und Jochen Mauderer mit ihrem „Klarinetten-Wald“. Wir haben beobachtet, dass man das um erscheinen und warum. Rohrblatt am Mundstück mit Fäden an- Das sind viele Fragen auf einmal! binden oder mit einer Metallklammer a) In der noch jungen Geschichte des anschrauben kann. Geht beides oder ist Instrumentes in der Kunstmusik (erst das von Instrument zu Instrument ver- seit etwa 1770!) war eine mögliche schieden? Entwicklung, die Errungenschaften Die Entscheidung zwischen Schnur und von Theobald Boehm, der den Bau Klammer (von Beiden gibt es jeweils viele der Flöte sehr vorantrieb, auf die Kla- verschiedene Modelle) liegt im Ermessen rinette zu übertragen. Dies ist wegen des einzelnen Bläsers. Wie erreiche ich der Duodezim – Überblasung (s.o.) „meinen“ Klang? Wie habe ich die mir nur sehr eingeschränkt möglich, führte entsprechende Flexibilität bei der Befe- aber dazu, dass es heute im Wesent- stigung des Blattes? Mit welcher Schnur lichen zwei Bauweisen gibt: Boehm oder Klammer habe ich das größtmögli- – System, weltweit genutzt, und Deut- che Klangspektrum? sches System, vor allem im deutschen Sprachraum genutzt. Die Systeme un- Es gibt kleine, mittlere und große Mo- terscheiden sich in der Innenbohrung delle, Es, A- und B- Klarinetten, nach und der Griffweise, vor allem aber im dem „deutschen System“ oder nach dem Klang. „Boehm-System“ gebaute Instrumente. b) Wenngleich die Unterschiede zwischen Bitte bringen Sie uns etwas Licht in diese den beiden Systemen in den letzten Vielfalt und verraten uns, mit welchem In- drei Jahrzehnten wesentlich kleiner strument Sie vorzugsweise auf dem Podi- geworden sind - beide Seiten haben NC28 Seite 56 NC28 Seite 57 voneinander gelernt - so wird in den meisten deutschen Orchestern weit überwiegend das deutsche System gespielt. Wir sechs Klarinettistinnen und Klarinettisten bei den Düsseldorfer Symphonikern spielen alle deutsches System, und wollen das auch nicht ändern. Der dunklere Grundklang soll uns hier erhalten bleiben. c) Siehe vorige Frage: ursprünglich ge- hört zum deutschen System, das Blatt aufzubinden, und zum Boehm-System, eine Klammer zu verwenden, aber die Grenzen sind längst fließend. d) Die Klarinetten-Familie. Kein anderes Instrument existiert in so vielen Bau- weisen. Das reicht bei einem Orche- Mai 1989: Markus Strohmeier und Wolfgang Esch, Düsseldorfer Symphoniker und Musik- ster wie bei uns von der kleinen, hohen verein u.a. mit Mendelssohn's Lobgesang in Es-Klarinette über die gleichfalls ho- Berlin, Dresden und Leipzig. hen Instrumente in D und in C zu den „normalen“ Klarinetten in B und A, und setthorn, etwa bei Mozart. Das Spek- am tieferen Ende der Palette über das trum der Instrumentenbaumeister, spe- Bassetthorn und die Bassklarinette bis ziell für das Deutsche System, hat sich hin zur Kontrabassklarinette. (siehe in den vergangenen Jahrzehnten sehr Foto.) Zusätzlich gibt es, z.B. in der erfreulich erweitert, es gibt sehr viele Wiener Schramml-Musik, eine sehr gute Werkstätten und Produzenten. kleine Klarinette in Hoch-As, und in französischen Blasorchestern gibt es Nach einer Phase mit Klavierunterricht, Alt-Klarinetten in verschiedenen Stim- etwa ab dem 7. Lebensjahr, entwickelten mungen. Eine Symphonie, etwa von Sie mit 12 Jahren Ihre Vorliebe für das Beethoven oder Brahms, benötigt die kleinere schwarze Instrument. Ihr Lehrer B- und/oder A-Klarinette, das ist auch an der Jugendmusikschule in Bonn ent- unsere jeweilige Grundausstattung. fachte die richtige Begeisterung, förderte Je weiter die Musikgeschichte im 19., Ihr Talent und führte Sie zu Erfolgen bei 20. und 21. Jhdt. voranschreitet, umso „Jugend musiziert“. Als Sie auf Landes- mehr nutzen die Komponisten die un- und Bundesebene erste Preise erzielten, terschiedlichen Farben der Nebenin- waren Sie gerade 14 bis 16 Jahre alt. strumente. Unübertroffener Meister auf Hatten Sie da schon den Entschluss ge- diesem Gebiet bleibt Richard Strauss. fasst, Ihre Ausbildung an der Musikhoch- Zum „Rosenkavalier“ etwa gehen wir schule in Köln fortzusetzen, und konnten vier Klarinettisten mit insgesamt zwölf sich vorstellen, in einem Berufsorchester Instrumenten in den Orchestergraben. eine Anstellung zu finden? Strauss schreibt hier zwei Stimmen für Alle Förderung in dieser Zeit verdanke A-, B- und C-Klarinette, die dritte Stim- ich meinen Eltern, die dem entstehenden me für Es, D, B, und A, und schließlich Berufswunsch „Musiker“ durchaus mit eine Stimme für Bassetthorn und Bas- gesunder Skepsis begegneten, aber mir sklarinette. den Weg nicht verwehrten. Ich habe die e) Mein Satz A- und B-Klarinette ist gut 25 ersten beiden Semester in Köln parallel Jahre alt, aus dem in Deutschland im- zur Oberprima des Gymnasiums in Bonn mer noch führenden Hause Wurlitzer, absolviert, und sah diese Zeit auch als Neustadt/Aisch. Dienstlich spiele ich zu- Versuch an, ob ich denn innerlich und äu- sätzlich, je nach Auftrag der Partituren, ßerlich wohl in der Lage sei, diesen Beruf C-Klarinette, etwa bei Mahler, und Bas- zu ergreifen. NC28 Seite 56 NC28 Seite 57 Klarinette was von mindestens genauso unschätz- Jochen Mauderer barem Wert ist, als Akademist Teilhabe Jochen Mauderer studierte an der Kultur des Berliner Philharmoni- Klarinette an der Musikaka- schen Orchesters, mit allen berühmten demie Detmold. Bereits wäh- Dirigenten der damaligen Zeit. rend des Studiums wirkte der Stipendiat der Studienstiftung Im April verstarb in München der zwei des Deutschen Volkes in verschiedenen En- sembles (Detmolder Bläsersextett, Detmolder Jahre jüngere Schweizer Klarinettist und Bläserkreis) mit. Die künstlerische Reifeprü- Hochschullehrer Eduard Brunner. Haben fung legte er 1983 ab. Im selben Jahr wurde Sie ihn vielleicht kennengelernt und ver- er Klarinettist bei den Bochumer Symphoni- körperte er eine andere Schule? kern. 1986 wechselte er zu den Düsseldorfer Eduard Brunner durfte ich assistie- Symphonikern, deren Mitglied er bis heute ist. ren, als er eine Masterclass in Duisburg gab. Er war ein ausgesprochen feiner, Nach nur drei Jahren in Köln gingen gebildeter und humorvoller Mensch. Als Sie nach Berlin an die Orchester-Akade- Klarinettisten waren Brunner und Leister mie der Philharmoniker, wo Sie Karl Lei- jahrzehntelang quasi Antipoden der fran- ster unterrichtete. Dieser hochgeachtete zösischen und der deutschen Schule auf Künstler und Lehrer feierte im Juni seinen unserem Instrument. 80. Geburtstag! Wie erlebten Sie ihn als sein Schüler, was zeichnete ihn aus? stellv. Solo-Klarinette Karl Leister hat ohne Zweifel als der Gertraud Frank Gertraud Frank, geboren in Soloklarinettist der Ära Karajan stilbil- Lienz in Österreich, hat im dende und prägende Auswirkung für die Alter von 9 Jahren begonnen gesamte deutsche Klarinettenszene ge- Klarinette zu spielen. Seit habt, und noch heute bekommen viele August 2014 ist sie stellver- Klarinettisten leuchtende Augen, etwa tretende Solo-Klarinettistin bei den Düsseldor- bei der Erwähnung seiner Aufnahme des fer Symphonikern. Vorher war sie Stipendiatin Brahms’schen Quintettes op. 115 mit dem der Karajanakademie der Berliner Philharmo- Amadeus-Quartett. Als Lehrer ließ er kei- niker und erhielt Unterricht bei Wenzel Fuchs, nen Zweifel daran, was er denn für richtig Alexander Bader und Walter Seyfarth. Ihr Stu- dium hat sie an der Universität für Musik und oder falsch hielt, verstand dies aber je- darstellende Künste in Wien bei Prof. Johann weils sehr wohl zu begründen. Der Stu- Hindler abgeschlossen. Im Sommer 2010 und dent bekam eine klare Richtschnur, und, 2011 war sie Stipendiatin der Angelika-Pro- kopp Stiftung der Wiener Philharmoniker, 2012 Solo-Klarinette Mitglied des Gustav-Mahler Jugendorchesters. Nicole Schrumpf Als Mitglied eines Bläsertrios ist sie Stipendia- Die Klarinettistin Nicole tin der Live-Music-Now Stiftung. Schrumpf erhielt 1982 ersten Klarinettenunterricht bei Kurt Zurück zu Ihrer Karriere: Unmittelbar Karst und war von 1987-93 nach dem Ende Ihrer Studien 1980 fan- mehrfach bei "Jugend Mu- den Sie - erst 23-jährig! - für vier Jahre siziert" erfolgreich. 1990 wurde sie Mitglied des Landesjugendorchesters Rheinland-Pf­alz eine erste Anstellung als stellvertretender und studierte ab 1993 bei Hans Pfeifer an der Solo-Klarinettist im Orchester des Staats- Staatlichen Hochschule für Musik Heidelberg- theaters Kassel, und bereits seit 1984 Mannheim. Im Anschluss an ihr Studium haben Sie die Stelle als Solo-Klarinettist absolvierte sie ein einjähriges Praktikum beim bei den Düsseldorfer Symphonikern inne. SWR Sinfonieorchester Baden-Baden. Ab Wie ist eigentlich die prozentuale Auftei- 1997 war sie im Münchener Rundfunkorche- lung der Dienste dieses Orchesters ver- ster erst als stellvertretende Soloklarinettistin, teilt auf Oper und Tonhalle? dann als Soloklarinettistin angestellt. Seit 2005 WE: Etwa zwei Drittel unserer Proben hat sie diese Position bei den Düsseldorfer Symphonikern inne. und Aufführungen sind in der Oper zu ab- solvieren. NC28 Seite 58 NC28 Seite 59 Und wo liegen Ihre persönlichen musi- Solo-Klarinette kalischen Vorlieben? Gibt es „Lieblings- Wolfgang Esch stücke“? *1957 in Bonn, dort 1976 Es denke bitte niemand, einen Debussy Abitur, die Eltern Ärzte, oder Tschaikowsky oder die Neue Wiener drei (jüngere) Geschwi- Schule wüsste ich nicht zu schätzen, und ster. - Verheiratet seit 1980 freudig meinen Beitrag zu diesen Partitu- mit Sabine Esch, zwei ren zu geben. Aber die Frage nach „Lieb- inzwischen erwachsene Kinder. - Nur kurz Klavierunterricht. - Mit 11 Jahren Instrumen- lingsstücken“ hat eindeutige Antworten, talwunsch „Klarinette“, nicht wissend, wie so wie etwa eine Eroica, eine 4. Brahms, ein Ding aussieht und tönt. - 5 Jahre Unterricht oder eine 7. Bruckner auf dem Konzert- an der Jugendmusikschule in Bonn, mein podium, und ein Figaro, eine Bohéme, dortiger Lehrer, Michael Neuhalfen, weckte eine Walküre in der Oper. alle Begeisterung für die Musik. - Bei „Jugend musiziert“ auf Landes- und Bundesebene Kompensieren Sie Ihren Hang zur Oper Preise erhalten. - Studium drei Jahre an der dadurch, dass Sie Ensembles gründen Musikhochschule Köln, und zwei Jahre an und Kammermusik machen? der Orchester-Akademie der Berliner Philhar- Das ist ohne Zweifel so! Hier tauchen moniker. - Künstlerische Reifeprüfung 1980, Konzertexamen 1981, jeweils in Köln. - Vier gleich noch mehr Lieblingsstücke auf, wie Jahre stellvertretender Solo - Klarinettist im z.B. das bereits erwähnte h-moll-Quintett Orchester des Staatstheaters Kassel. - Seit von Brahms (Klarinette und Streichquar- August 1984 Solo-Klarinettist der Düsseldorfer tett) oder die großen Bläserserenaden Symphoniker. - An meinem Orchester schätze von Mozart, gipfelnd in der „Gran Partita“ ich auch heute noch den Reichtum des Auf- KV 361 für 12 Bläser und Kontrabass. gabenfeldes in Oper und Konzert. - 37 Seme- ster lang Lehrbeauftragter für Klarinette und Wie lief Ihr „Tonhallen-Heimspiel“ beim Kammermusik an der Folkwang-Hochschule „Sommernachtstraum“ mit Ennoch zu Duisburg und Essen. - Nach wie vor pädago- Guttenberg am 24. November im Orche- gische Tätigkeit in der Leitung von Ensembles und bei Kursen. - 1987 Gründungsmitglied der ster der „KlangVerwaltung“, dem Sie seit „Westdeutschen Sinfonia“ (Leverkusen, Dirk 1998 als festes Mitglied angehören? Joeres) . - 1995 Initiator der „Westdeutschen Die Zusammenarbeit mit Enoch zu Gut- Bläsersolisten“ – seit 1998 festes Mitglied des tenberg und seinen Ensembles ist eine, Orchesters „KlangVerwaltung“. - In der Freizeit die mich über bald zwanzig Jahre mit gro- ehrenamtliches Engagement in einer katholi- ßer Bereicherung und Dankbarkeit erfüllt. schen Pfarrgemeinde, sowie gleichermaßen So war auch das Düsseldorfer Konzert große Freude an einem Gedichtband (bunt ein spannendes, auf das ich hernach von gestreut durch alle Epochen) wie an einer vielen Besuchern angesprochen wurde. guten Flasche Wein (weit überwiegend rotem Bordeaux). Sie spielen ja nicht nur in großen Or- chestern und kleinen Ensembles, sie ge- in der Leitung von Ensembles und bei ben Ihr Wissen auch an Studenten weiter Kursen, u.a. für die Jeunesse musica- und pflegen eine pädagogische Tätigkeit les, und seit 2010 bei der Internationalen Sommerakademie Pommersfelden. Wie Klarinette / Bassklarinette schaffen Sie dieses berufliche Pensum Markus Strohmeier und bleibt da überhaupt noch Zeit für ein in Schönau im Schwarzwald Hobby? geboren, erhielt seine Aus- Definitiv ist das Pensum bisweilen hef- bildung am Richard-Strauss- tig, da aber meine Frau mein Engage- Konservatorium in München. ment mit trägt, verstehen wir die Arbeit in Sein erstes Engagement unser Leben einzubinden. Ein Hobby ist führte ihn an die Bayerische Staatsoper in immer unsere Familie mit zwei Enkelkin- München, seit 1983 ist er Mitglied der Düssel- dern, dazu seit Jahren schon das Ehren- dorfer Symphoniker. amt in einer katholischen Pfarrgemeinde, NC28 Seite 58 NC28 Seite 59 und für den Ruhestand gibt es eine Men- blieben. Vergnügtes und respektvolles ge Ideen. Hören gerne Ja, spielen können Andere das so gut, da braucht es meine Mitwir- Ihre zweifelsohne große Liebe zur Mu- kung absolut nicht. sik habe Ihre Eltern grundgelegt. Haben Abschließend ist es mir ein Anliegen, Sie Ihren beiden inzwischen erwachse- nach inzwischen bald 34jähriger Zuge- nen Kindern ähnliche Anregungen mitge- hörigkeit zu den Düsseldorfer Symphoni- ben können? kern, mit großer Dankbarkeit zu benen- Beide Kinder verfügen über musikali- nen, in welch gutem und hoffnungsvollen sche Begabung und Theater – Instinkt, Zustand das Orchester sich derzeit befin- sind aber beruflich ganz andere Wege det. Wir konnten im Laufe der Jahre wirk- gegangen. Wären sie mit dem Berufs- lich wunderbare Künstler als Kolleginnen wunsch „Musiker“ an uns herangetreten, und Kollegen gewinnen und sind derzeit wäre meine Antwort sicher sehr vorsichtig mit unseren beiden Chefdirigenten Adam ausgefallen, d.h. für die jungen Kollegen Fischer und Axel Kober (alphabetische heute ist es nicht leicht, zu einer Festan- Reihung!) in einer sehr guten Situation, stellung als Lebensperspektive zu finden. um die viele andere Orchester uns nur beneiden. Auch unsere beiden Spielstät- Eingangs war von der „Weichheit“ und ten, Opernhaus und Tonhalle, sind seit „Schmiegsamkeit“ Ihres Instruments die den jeweiligen Renovierungen sehr gute Rede. Diese Eigenschaften assoziieren Spielstätten. So bin und bleibe ich mit viele auch mit Musik aus dem Jazz-Be- großer Freude ein Mitglied der Düssel- reich. Haben Sie sich auch dieser Musik dorfer Symphoniker! schon genähert oder stellt z.B. Gershwins Rhapsody eine Grenze für Sie dar? Wieder einmal sagt die NC-Redaktion Das wunderbare Solo zu Beginn der einem Mitglied der Düsseldorfer Sympho- „Rhapsody“ durfte ich oft spielen, unver- niker ein herzliches Dankeschön für gedul- gessen ein Ballettabend, bei dem sich diges Zuhören und Antworten und wünscht zum einleitenden Glissando der Vorhang dem Solo-Klarinettisten Wolfgang Esch öffnete. - Unser Ausbildungsweg hier- und seinen Kolleginnen und Kollegen der zulande trennt „U-„ und „E-„ Musik sehr Klarinettengruppe ein schönes und erfolg- stark, so ist mir bedauernswerter Weise reiches Jahr 2018 in der Jubiläumsaison tieferer Einblick in den Jazz verwehrt ge- des Städtischen Musikverein von 1818! DIE DÜSSELDORFER MALERSCHULE Künstler zwischen Tradition und Moderne Das neue Buch von Christa Holtei gelesen von Konstanze Richter

Als Musikvereins-Mitglied ist man/frau Angefangen hat alles – wie könnte es ja in der Regel ein eher den holden Klän- in dieser Stadt anders sein – mit Jan gen zugeneigtes Wesen. Mit dem Sach- Wellem. Während der Regierungszeit buch „Die Düsseldorfer Malerschule“ des heute noch so beliebten Kurfürsten lohnt sich aber auch ein Blick über den Johann Wilhelm von der Pfalz entwickel- musikalischen Tellerrand auf die bilden- te sich die Residenzstadt am Rhein erst- den Künste. Hier zeichnet Christa Holtei mals zu einem kulturellen Zentrum in Eu- die bewegte kunst- und kulturhistorische ropa. Er baute nicht nur das erste Opern- Vergangenheit der Stadt anhand der Ent- haus der Stadt, sondern holte zahlreiche wicklung der Düsseldorfer Kunstakade- Künstler und Kulturschaffende an seinen mie von ihren Anfängen 1773 bis ins 20. Hof und schuf mit seiner Kunstgalerie Jahrhundert nach. einen der ersten, für die Öffentlichkeit NC28 Seite 60 NC28 Seite 61 zugänglichen Museumsbauten, womit er und prägendsten Künstlerpersönlichkei- den Grundstein für die Entwicklung Düs- ten. Die Autorin spannt den Bogen von seldorfs zur Kunstmetropole legte. der Kurpfälzischen Kunstakademie, die noch vor allem dem adeligen Gönner ver- Doch vor den Erfolg haben die Götter pflichtet ist, über die erste Blütezeit in der bekanntlich den Schweiß gesetzt. Und ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit auch davon gab’s reichlich in der wech- dem erwachenden Kunstinteresse des selvollen Geschichte der Kulturmetropole aufkommenden Bürgertums, über die Re- Düsseldorf. Denn kaum war Jan Wellem in volution 1848, dem Erstarken des Natio- der Andreaskirche zu Grabe getragen wor- nalismus und deren Auswirkungen auf die den, drohte die Stadt schon wieder in der Malerschule bis hin zur Abspaltung der politischen und vor allem kunstgeschichtli- „Freien Vereinigung Düsseldorfer Künst- chen Versenkung zu verschwinden. Einen ler“ und ihrem Aufbruch in die Moderne. Teil der Galerie-Bilder, die zu ihrer Mitgift Ein besonderes Augenmerk gilt allerdings gehört hatten, nahm die kurfürstliche Wit- den 100 bedeutendsten Jahren der Düs- we Anna Maria Luisa de‘ Medici mit in ihr seldorfer Malerschule zwischen 1819 bis Heimatland Italien. Die immer noch stolzen 1918. Kleine – aber deshalb nicht weni- Überreste der Sammlung wurden mehr- ger wichtige – Nebenrollen spielen dabei mals aus Düsseldorf geschafft, um sie vor auch immer die Musik, die rheinische Kul- Kriegen in Sicherheit zu bringen, bis sie tur und nicht zuletzt auch der Karneval. Maximilian Josef von Bayern Anfang des 19. Jahrhunderts nach München verfrach- Holtei schöpft als Erzählerin von ihrer tete. Dort bildete sie 1836 den Grundstock langjährigen Erfahrung mit Sachbüchern der Alten Pinakothek und den Beginn ei- für Kinder und Jugendliche. So gelingt nes Jahrzehnte dauernden Rechtsstreits. es ihr, die zahlreichen Details und histo- Es half nichts, die Düsseldorfer bekamen rische Fakten auch für erwachsene Laien ihre Kunstwerke nicht wieder – und mus- verständlich und kurzweilig zu vermitteln, sten sich eben eigene schaffen. ohne ins betulich-langweilige oder wis- Beste Voraussetzungen hierzu bot die senschaftlich-trockene abzugleiten. Auf- 1773 gegründete „Kurfürstlich-Pfälzi- gelockert wird dies noch von zahlreichen sche Akademie der Maler, Bildhauer Originalzitaten der Künstler sowie Abbil- und Baukunst“. Hier sollten die Schü- dungen der Werke, Portraits und Stadt- ler nach Willen des Akademiedirektors ansichten. Wenn überhaupt liegt hier das Peter Cornelius zu frei schaffenden und einzige Manko des Buches: Es hätten selbstständigen Künstlern gebildet wer- durchaus noch mehr Werke der Düssel- den – damals eine ungewöhnlich mo- dorfer Malerschule abgebildet sein kön- derne Idee, die die Hochschule in den nen. Nicht nur für Kunstinteressierte ist folgenden Jahren prägte. So bewegten dieses Buch eine sich die Künstler der Akademie stets im kleine Fund- Spannungsfeld zwischen Althergebrach- grube. Auch für tem und Moderne, zwischen Traditiona- jeden, der sich listen und Progressiven. Immer wieder über die Düssel- begehrten junge Künstler gegen überhol- dorfer Stadtge- te Strukturen auf – was einst revolutionär schichte und die war, wurde von der nächsten Generation kulturhistorische als starr und überholt abgelehnt. Entwicklung in- Holtei zeichnet die Entwicklung der Aka- formieren möch- demie anhand der Geschichte der Stadt te, ist es absolut und des Landes sowie der gesellschafts- lesenswert. politischen Veränderungen der Zeit nach. Abschnitte über allgemeine geschichtli- Christa Holtei Die Düsseldorfer Malerschule che Hintergründe wechseln sich ab mit Kunst – Geschichte - Leben 176 Seiten, ge- detaillierten Portraits der prominentesten bunden ISBN 978-3-7700-1598-6, 25 Euro NC28 Seite 60 NC28 Seite 61 Lorelei Bernadette Walwyn MIT DIESEM NAMEN HIER AM RHEIN - SINGE ICH GERN IM MUSIKVEREIN WITH THIS NAME HERE ON THE RHINE - SING I MERRILY IN MUSIKVEREIN Karl-Hans Möller „Ich hab' die gute Laune im Gepäck", Ouvertüre furioso diesen Text eines längst vergessenen Ich durfte Lorelei Bernadette Walwyn Schlagerliedchens aus dem Jahr 1960 zu dem dieses Portrait vorbereitenden reklamiert so mancher für sich, der Gespräch begrüßen und habe selbst- - vorab vollgeladen mit witzigen und verständlich auch auf ihr strahlendes spritzigen Ideen - in eine Gesellschaft Lächeln gewartet. Natürlich kam es springt, um dann meist an der Bereit- mit ihr und blieb auch, als kurz darauf schaft ebendieser zu scheitern, sich der Taxifahrer klingelte und ihr den im auf Belanglosigkeiten oder eine nach Wagen vergessenen Schlüssel brach- außen getragenen Hochstimmung ein- te. Auch er ging - herzlich und mit dem zulassen. bezaubernden Lächeln bedankt - fröh- Es gibt aber auch Menschen, deren licher, als er gekommen war. „Ist halt Erscheinen solch gute Stimmungswel- keine Katastrophe gewesen und das len einfach begleiten und sich dann „Problemchen" hatte sich zudem von über viele der so (an)getroffenen aus- selbst gelöst". Sie war nicht aus Be- breiten. Ich denke dabei nicht an den quemlichkeit mit dem Taxi gekommen, einfachen Heiterkeitsbegriff der „guten sondern weil sie das Treffen zugesagt Laune", eher an eine ansteckend opti- hatte, sich aber wegen einer vorgezo- mistische Erscheinung, die sich natür- genen Reise nach Belgien verspätete lich mit einem gewinnenden Lächeln und nur wenig Zeit hatte, diese letzt- und akustisch meist nicht gerade im mögliche Verabredung vor dem Redak- „pianissimo" ausbreitet. tionsschluss wahrzunehmen. Die Eile Um bei den uns vertrauten musikali- galt ihrem rechtzeitigen Erscheinen, schen Interpretationsbegriffen zu blei- beim Gespräch war aber von Ungeduld ben, treffen für die abgebildete Persön- oder Hektik nichts mehr zu merken, lichkeit aus dem Alt unseres Chores die sieht man einmal von dem „acceleran- folgenden Dynamikanweisungen zu: do" der Argumente ab, das aber nicht „capriccioso, der Uhr, sondern der Leidenschaft ihres accelerando, Hervorbringens geschuldet war. vivacissimo, stringendo, In der Musik baden … piu mosso Mit Vehemenz versuchte mich die appassionato, con fuoco „Amerikanerin in Deutschland" so- brioso", (aber gleich davon zu überzeugen, dass die immer „con Menschen hierzulande es eigentlich spirito!“) viel zu wenig zu schätzen wüssten, in NC28 Seite 62 NC28 Seite 63 einem hochkulturellen Schlaraffenland Lorelei kommt regelrecht ins Schwär- leben zu können. Als ob sie mich - den men, wenn sie die Chancen aufzählt, langjährigen Theatermann - von der die sich jedermann für vergleichswei- Tatsache überzeugen müsse, dass das se wenig Geld bieten, seine Kunstbe- deutsche Stadt- und Repertoirethea- dürfnisse als Erlebender, Genießender, tersystem großartig sei, zählte sie die Lernender und schöpferisch Ausüben- Möglichkeiten auf, von Düsseldorf aus der zu befriedigen. Sie nimmt die Mög- in 90 Minuten an 5 oder 6 Theatern lichkeiten passiv und aktiv sehr intensiv die ganze Breite des in Anspruch. Zur Zeit Opernrepertoires in täg- studiert sie mit „Kommili- lich wechselndem Spiel- tonen" zwischen 14 und plan erleben zu können, 70 an einer kirchlichen in Konzertsälen vieler Einrichtung das Orgel- Städte aus Angeboten spiel, Musiktheorie und einer Vielzahl toller Or- Chorleitung bei ehemali- chester auswählen zu gen Hochschulprofesso- dürfen … ren und absolviert damit Ich war gerührt und ihre C-Ausbildung für beeindruckt, dass von die kirchenmusikalische ihr diese für uns normale Gemeindebetreuung. Selbstverständlichkeit so Das „con spirito" der „appassionato und brio- energischen Beharrung so" als etwas Besonderes auf Dankbarkeit durch verteidigt wurde, das als Titel „Master of Laws" Inanspruchnahme des Erbe zu schützen und zu in Miami /Florida 1993 kulturellen Angebots bewahren ist. Ihr rutscht in ihrer Begeis- zeigte sich in der Mahnung der Juris- terung der Begriff MUSIKBADEWANNE tin, solchen Argumenten entgegenzu- heraus, die man mit so viel Vergnügen treten, die auch hierzulande dazu ra- immer und mit wechselnden Aromastof- ten, nach amerikanischem Vorbild die fen genießen könne. „In Kunst- und Kul- Kunstförderung zu privatisieren. Das tur baden" - das ist ein schönes Bild, das würde bedeuten, die Zuschüsse von jemand malt, der sich nach der Chance ökonomischen Bilanzen, von der scharf zu diesem Genuss lange gesehnt hat. kalkulierten Popularitätsanalyse und Ob die Behauptung, NRW habe mehr der tradiert einseitigen und konservati- Opernhäuser mit eigenem Ensemb- ven Publikumsantizipation abhängig zu le als die USA, nachweisbar ist, weiß machen. Solche die Freiheit der Kunst ich nicht, aber dass es in dem kleinen in Rentabilitätszwänge einschnürenden Deutschland ein gegenüber dem riesi- „Berechnungen" mochte Lorelei schon gen Amerika Vielfaches an Repertoire- während ihres zwar abgeschlossenen theatern gibt, ist selbst ohne Zahlen un- aber ungeliebten Bachelor-Studien- strittig. Ebenso der enorme Unterschied gangs in „Volkswirtschaft" nicht. Der zwischen der hier staatlichen und damit Begriff der „Infinitesimalrechnung" ist unabhängigen und dort privaten und da- ihr ein Grauen und mir sogar gänzlich mit Inhalte bestimmenden Förderung. unbekannt! NC28 Seite 62 NC28 Seite 63 Die ausgeschöpfte Windrose in den USA In der US-Hauptstadt Wa- shington D.C. geboren, hat sie mit ihren Wohn-, Studien und Arbeitsorten die Verei- nigten Staaten in kompletter Länge und Breite durchmes- sen. Sie lebte in New York im Osten, Michigan im Norden, California im Westen und Te- xas, Georgia sowie Florida im Süden, aber wenn man nach der Heimat fragt, so ist es Nashville, Tennessee, die Hauptstadt der Country Mu- Die Familie Walwyn in Nashville TN sic, in der sie zur Schule ging und mit Von Tennessee ins Rheinland dem Studium begann. Um diese zu sammeln, kam sie nach Als Neunjährige spielte sie Klavier, Köln und arbeitete dort in einer Kanzlei, die Musik wurde ihr ständiger Beglei- in der natürlich Englisch die Umgangs- ter und sollte eigentlich auch ihr Beruf und Verhandlungssprache war und das werden. An der Universität in Michigan intensive Erlernen der deutschen Spra- hatte sie sich bereits für Music-Major che zunächst zur Nebensache werden eingeschrieben, als sie ein Professor ließ. Das änderte sich erst, als sie 1998 vor der brotlosen Kunst als Beruf warn- ihren Mann kennenlernte. Der Jurist te und das düstere Bild der ständigen fi- aus Hagen hatte gerade ein praktisches nanziellen Abhängigkeit von den Eltern Jahr in den USA absolviert und dort die als Menetekel entwickelte. Als Tochter Mahnung seiner Mutter, sich nicht in der aus der Karibik eingewanderten eine Amerikanerin zu verlieben, befolgt. „Flüchtlinge" (die Mutter kam aus Cuba, Eine von jener an Lorelei völlig unab- der Vater aus Nevis) wollte sie alsbald hängige Einladung zu einer Hochzeit ihren Lebensunterhalt selbst verdienen in Südfrankreich "bestrafte" allerdings können und folgte dem professoralen seinen Gehorsam, denn mit Verspä- Rat zum Studium der Volkswirtschaft. tung verliebte er sich dort - in der alten Nur mit großer Disziplin hielt sie bis Welt in ein Mädchen aus der neuen! In zum Bachelor durch und wechselte Düsseldorf fand er Arbeit und sie hatte dann zur Juristerei. Ein Masterstudi- kein Problem aus dem immer noch ge- engang „internationale Beziehungen" liebten Köln in die Landeshauptstadt zu mit Schwerpunkt Russland schloss ziehen und in Deutschland zu bleiben. sich ihrem handelsrechlich orientierten Jurastudium an. In Miami (FL) erwarb Die musikalische Doppelweiche sie postgradual den LLM für Internati- Nirgendwo hat Lorelei länger gelebt onales Recht, eine Spezialdisziplin, die als am Rhein und keine Adresse hatte Auslandserfahrungen verlangte. sie länger als jene in Düsseldorf-Golz- NC28 Seite 64 NC28 Seite 65 heim. Dort lebt sie mit ihrem Mann und arbeitet als Übersetzerin juristischer Texte. Nach dem mehrfachen Durch- queren der USA ist sie diesseits des großen Teiches angekommen und ge- nießt u.a. den Luxus der leichten und vielfältigen Kunst- und Musikerreich- barkeit. Mit wiederum „furioser" Begeis- terung spricht sie über die Möglichkeit, in der Musikbibliothek einen riesigen Fundus von Noten durchstöbern zu können und im Gegensatz zu den USA Marieddy Rossetto und Lorelei Walwyn in nahezu jeder Stadt auch außerhalb dem „Internationalen Militär Tattoo" teil- der Universitäten und Hochschulen sol- zunehmen, suchte der WDR für seine che Einrichtungen gegen fast gar kein umfangreiche TV-Dokumentation des Geld nutzen zu können. „making of" ein „Gesicht" des Konzert- In ihrer neuen Heimat war ihr natür- chores, das den Moderator begleitend lich auch das persönliche Musizieren die besondere und von manchem von wichtig, für dessen Intensität an einem uns nicht vorurteilsfrei wahrgenomme- Abend die Weichen gleich doppelt ge- ne Aufgabe des Chores, mit 800 Mili- stellt wurden. Zu einem Abendessen tärmusikern Händels „Hallelujah" zu bei befreundeten Nachbarn eingeladen, singen, entdeckt und präsentiert. kam das Gespräch auch auf Musik und Wer letztendlich Lorelei als jene Re- ihre eigenen musikalischen Fähigkeiten. präsentantin vorgeschlagen oder aus- Ein Gast suchte gerade eine Klavierleh- gewählt hat, weiß ich nicht, aber viele rerin für seinen Sohn … und aus diesem von uns waren danach überzeugt, dass ersten Schüler wurden aufgrund des es eine geniale Wahl war. In der Probe sich rasch verbreitenden „guten Rufs nach der Erstsendung des „Making of“ der sensibel freundlichen Übungsleite- gratulierten viele Chormitglieder zu ih- rin" inzwischen viele – 6 bis 7 sind es rer sympathischen Lockerheit und der eigentlich immer. Gast war an diesem Kompetenz, mit der sie der musikali- Abend auch unser Chorbass Georg schen Qualität und Exaktheit der Mu- Todt, der begeistert von unserem Musik- sikcorps’ begegnete und sich zu unse- verein erzählte und die Neugier der aus rem Tattoo-Engagement bekannte. einer hervorragend „singenden Familie" stammenden Amerikanerin weckte. Seit dieser Anregung ist Lorelei eine begeis- terte „Sangesschwester", die nicht müde wird, ihre ansteckende Freude über das von ihr auch als Fortbildung durch Pro- fis angesehene gemeinsame Probieren chorischer Musikalität zu zeigen. Als der Musikverein im vergangenen Jahr erstmals eingeladen wurde, an NC28 Seite 64 NC28 Seite 65 Das ernste Lächeln Als Lorelei nach Deutschland kam, Ihre immerwährende Heiterkeit und wurde sie - die Akademikerin - in ihrem Freundlichkeit darf nicht darüber hin- Job und im sozialen Umfeld anerkannt. wegtäuschen, dass sie so manches mit Sie fragt sich aber manchmal, ob sie großen Ernst, mit Sorge, aber auch mit heute als nicht ausgebildeter Flüchtling in Gottvertrauen begründetem Optimis- eine Chance hätte und ob sie es mit ihrer mus sieht. Auf die für viele schockieren- Energie schaffen könnte, so willkommen de US-Präsidentenwahl angesprochen zu sein wie damals in Köln. Auch im kulti- sagte sie etwas sehr Nachdenkenswer- vierten Deutschland erlebt sie nur schwer tes: „Ihr schimpft auf Donald Trump! Er verstehbare Vorgänge. Natürlich meint hat sich aber nicht verstellt, sich auch im sie, dass ein Trump in einer Kulturnation, Wahlkampf nicht anders gegeben als er die mit Kunst zur Demokratie, zu Empa- ist. Seine Lügen und seine egoistischen thie und zur Mitverantwortung erzieht, Vereinfachungen waren schon vor der keine Chance hätte. Aber sie weiß wohl, Wahl hinlänglich bekannt „America first" dass es auch hierzulande Egoismen gibt, ist halt ein Versprechen für Egoisten … die mit christlicher Nächstenliebe wenig und solche, meint sie – gibt es nicht nur vereinbar sind. Sie ist in D angekommen in den USA. Mit Sorge betrachtet sie die und als Nachbarin angenommen, sie europäische Entwicklung, deren neue fühlt sich manchmal aber auch seltsa- Politgeografie durch Abschottungsten- merweise als „Unterstützerin“ einer sich denzen, Nationalismus und Fremden- einschließenden Enge angesprochen, feindlichkeit geprägt ist und sich vor die sie so nicht verteidigen kann und will allem am Umgang mit Flüchtlingen - als Christin und als Mensch. reibt. Als ihre Eltern in den 60er Jahren Ihr fällt ein Bibelwort ein, das sie mich in USA kamen, war es gerade für far- zu zitieren bittet: bige Einwanderer aus der Karibik nicht „Es ist das Herz ein trotzig und leicht, den „American Dream" anzustre- verzagtes Ding, wer kann es ben - aber sie schafften es. ergründen?!" Jeremia 17:9.

Das musikalische Herz ihrer Gemeinde Der Glaube und die Überzeugung, im Sinne göttlichen Auftrags zu handeln, bestimmt vieles in ihrem Leben. Seit mehreren Generationen gehört ihre Fa- milie zu der in den USA gegründeten freikirchlichen evangelischen Gemein- schaft der „Siebenten-Tags-Adventis- ten", deren Gemeinde in Düsseldorf sie sich angeschlossen hatte. Im be- nachbarten Krefeld drohte diese Glau- bensgemeinschaft ihr musikalisches Herz zu verlieren, denn da es keinen Pianisten gab, wurde der Gesang in NC28 Seite 66 NC28 Seite 67 den Gottesdiensten nicht mehr live begleitet. Lorelei kam über ihr gelegentliches Gast-Klavier- spiel zur Überzeugung, vor Ort als „musikalische Institution" der Gemeinde von größerem Nut- zen zu sein und bat Freunde und Bekannte aus Düsseldorf, die ein Instrument beherrschten, in Krefeld für willkommene mu- sikalische Erlebnisse zu sorgen. Nach einer Aufführung von Max Hier singen vier aus der NC-Portraitserie: Gabriela Faludi, Regers Kantate „Meinem Jesum Renate Madri, Lorelei Walwyn und Masato Kanzaki lass ich nicht" in der Düsseldorfer Ters- Werk auch einen Choral aus „Paulus" teegen-Gemeinde bat sie den dortigen zitiert, auf dessen Jubiläumsaufführung Kantor um Hilfe, dieses Johann Sebas- durch den 200 Jahre alten Chor des tian Bach gewidmete Meisterwerk auch Musikvereins sich Lorelei Bernadette in Krefeld zu Gehör zu bringen. Das Walwyn besonders freut. Dazu ein kräf- Zeitmanagement erlaubte das nicht, tiges Toi Toi Toi! aber der Musiker überließ ihr die No- ten, was Lorelei sozusagen als „himm- PS: Als ich der Mitsängern von mei- lischen" Auftrag verstand. Sie schaffte nem Vorhaben erzählte, das nächs- es mit Hilfe ihrer Freunde aus unserem te Portrait über Loreley zu schreiben, Musikverein einen 13-köpfigen Chor zu fragte man mich, ob ich denn überhaupt bilden, der dieses Werk einstudierte und wüsste, warum eine Amerikanerin aus zur bejubelten Aufführung brachte. Tennessee einen so deutschen Namen Vielleicht ist es Zufall, dass unter aus Düsseldorfer Feder trüge. Ich frag- den von ihr begeisterten Sängerinnen te sie also und erfuhr, dass der Name in und Sängern die drei Vorgänger dieser den USA ein durchaus gebräuchlicher Portraitreihe waren: Gabriella Faludi, sei, zumal viele die Rheinsage vor al- Renate Madry und Masato Kanzaki. lem auch aus Heines Gedicht kennen Sie singen auch weiterhin bei Projek- würden. Die Mutter kannte aber ein be- ten, um deren Entdeckung Lorelei nicht sonders niedliches Mädchen mit diesem müde wird, mit. Sie freut sich über die Namen und wollte ihre Tochter genau Partystimmung in ihrem Haus nach den deshalb so nennen. Für „unsere" Lore- Proben, die ebenso ernsthaft wie fami- lei ist jedoch „nomen" wirklich „omen", liär ablaufen und bereits enge Freund- vor allem weil die gern singende Frau schaften „geschmiedet" haben. inzwischen sogar am Rhein gelandet 2017 wurden durch den von ihr zu- ist. Wer fragt da noch: „Ich weiß nicht, sammengerufenen Kammerchor Teile was soll es bedeuten …" des Weihnachtsoratoriums gesungen. Ich bin nach dem Gespräch jedenfalls 2018 will sie mit den Freunden Men- alles andere als „traurig" gewesen - im delssohns „Wer nur den lieben Gott Gegenteil, denn Lachen und Optimis- lässt walten" einstudieren, wobei dieses mus sind ansteckend. NC28 Seite 66 NC28 Seite 67 K R E U Z W O R T - P R E I S R Ä T S E L

Das folgende Kreuzworträtsel möchte am Beginn des Jahres, in dem der diese Zeitschrift zweimal jährlich herausgebende Verein einen sehr besonderen Geburtstag feiert, seinen Leserinnen und Rätselfreunden Anreize liefern, nicht nur Konzerte in der Tonhalle zu besu- chen - darunter einige aus dem speziellen Jubiläumsangebot des Chores(!) - sondern auch die Kulturstätten in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung näher kennenzulernen. Nach vollständiger Lösung des Rätsels, hat man sich mindestens 33 Mal mit dem unter s61 gefragten Begriff beschäftigt, der sowohl ein durch Noten und Text fixiertes als auch ein als Theaterereignis inszeniertes Kunstwerk bezeichnen kann, das in einer zu diesem Zweck errichteten und betriebenen Immobilie aufgeführt wird. In Düsseldorf und Duisburg gibt es glücklicherweise zwei kooperierende s61n-Häuser, zu deren gegenwärtigem Repertoire man – das Ballett und Dhaus eingeschlossen – passende Lösungsworte finden kann.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

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NC28 Seite 68 NC28 Seite 69 Nachdem Sie die Rätselfragen richtig beantwortet haben, tragen Sie bitte in die nach- stehende Tabelle die 21 Titel der Stücke ein, die zu den jeweiligen Lösungsworten passen! Titelkürzungen, bei denen das Stück noch eindeutig erkennbar ist, sind dabei erlaubt. Als 22. Lösungswort fügen Sie bitte noch den sich in der Rätsel-Diagonale er- gebenden Zeitraum ein, der seit Gründung des Vereins, der Ihnen dieses Kreuzwort zur Lösung anbietet, vergangen ist. Kleiner Hinweis: Manchmal steckt der Titel bereits im Lösungswort, Mehrfachlösungen führen mitunter zum gleichen Stück! Waagerecht Senkrecht 1.) 1 12.) 3 2.) 11 13.) 5 (19) 3.) 28 (101/s21) 14.) 6 4.) 30(s48) 15.) 9 5.) 51 16.) 13 6.) 54 17.) 31 7.) 57 (74/s32) 18.) 43 8.) 69 19.) 58 9.) 99 20.) 70 10.) 100 (s68) 21.) 77 11.) 102 22.) Diagonale: Ihre Gesamtlösung senden Sie bitte bis zum 1. Juni 2018 an folgende Adresse: per Post an: Städtischer Musikverein zu Düsseldorf - Ehrenhof 1 - 40479 Düsseldorf er per Mail an: [email protected] . Zur Information über das reichhaltige Angebot und als Lösungshilfe empfiehlt die Redaktion die Lektüre der angebotenen Jahresvorschauhefte oder der alle Informationen enthaltenen websites: www.operamrhein.de www.ballettamrhein.de www.tonhalle.de www.dhaus.de Bei rechtzeitiger Einsendung und mit etwas Losglück winken Ihnen folgende Preise:

1. Zwei Eintrittskarten für die Deutschen Oper am Rhein: Pietro Mascagni - Cavalleria rusticana Ruggero Leoncavallo - Pagliacci Samstag 30. Juni 2018 / 19.30 - 22.30 Uhr

2. Zwei Eintrittskarten für das Klavier-Festival Ruhr mit Igor Levit, Ning Feng und Daniel Müller-Schott und Schubert-Trios am Dienstag | 26. Juni 2018 | 20:00 Uhr im Robert-Schumann-Saal | Museum Kunstpalast

3. Das in dieser NC-Ausgabe besprochene Buch von Christa Holtei: Die Düsseldorfer Malerschule: Kunst – Geschichte - Leben

4. / 5. Preis: DVD/CD- Produktionen aus dem Schallarchiv des Musikvereins

NC28 Seite 68 NC28 Seite 69 33 x s61 Waagerecht 1 Wunder bewirkendes Blasinstrument, das der s61 von Mozart den Titel gibt, die in Bar- rie Koskys Inszenierung in Kooperation mit der Komischen s61 Berlin am Düsseldorfer Musiktheater gespielt wird; 11 zur Eröffnung des Suez-Kanals komponiertes musikdra- matisches Werk von Giuseppe Verdi, das im Februar 2018 am Theater Duisburg wieder in den s61n- Spielplan aufgenommen wird; 14 mit dem Vornamen Ignaz verwendetes Pseudonym Kurt Tucholskys; 15 Abkürzung für zwischen europäischen Städten verkeh- rende Expresszugverbindungen mit Loktraktion; 17 zu Beginn der Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“ nennt Herzog Orsino die „Musik“ die „Stoffwechsel“-Anregung der „Liebe“; 20 Kapitän und Rekordspieler der Düsseldorfer „Fortuna“ (1972-87), der 440 mal in der Bundesliga und 4 x im DFB-Trikot für Deutschland spielte; 22 Befehl an einen Spürhund, mit der Arbeit zu beginnen; 24 elastisches Textilband, obligatorische PKW-Sicherheitsein- richtung; 25 einmastiges Segelschiff in den Ländern am Indischen Ozean; 26 Hauptstadt des Piemont am Oberlauf des Po, Sitz der italienischen Autoindustrie; 28 Wettergott in der nordgermanischen Mythologie, dem Richard Wagner in seiner s61-Tetralogie als Donner eine Baritonpartie zuweist; 30 von Pinkerton als „solches“ bezeichneter Gesang der Gei- sha Cio-Cio-San zur ihm begleitenden Verwandten in Puccinis s61; 33 inhaltlich vorberei- tete Ansprache; 34 KfZ-Kennzeichen der Geburtsstadt von Johannes Brahms, Standort der Elphi; 35 männliche Gesichtsbehaarung, die u.a. auf dem Theater und beim Karneval auch austauschbar ist und einer Titelfigur in Bela Bartokss61 einen „blauen“ Namen gibt; 36 in der TV-Kultserie „Vorstadtweiber“ als Nicoletta intrigierende österreichische Schau- spielerin mit Vornamen Nina; 39 die Grenze zwischen Europa und Asien bildender Fluss in Russland; 41 Film- und Theaterschauspielerin, die u.a. mit Reiner Werner Fassbinder, Margarethe von Trotta und Peter Zadek arbeitete und u.a.1987 den Darstellerpreis der Filmfestspiele von Cannes erhielt und 1983 zu Deutschlands Schauspielerin des Jahres gewählt wurde; 44 geführte Tour zur Großwildbeobachtung in w66; 45 Latein „ohne“ 47 älteste Stadt Mitteldeutschlands am Nordrand des Thüringer Waldes. Johann Sebastian Bach hatte dort von 1703 – 1707 seine erste Anstellung als Organist; 51 Eigenschaft, die sowohl Einfalt und Dummheit als auch Natürlichkeit und Ursprünglichkeit kennzeichnen kann und früher auf dem Theater als diese Bandbreite bedienendes weibliches Rollen- fach (z. B. Jungfer Anna in Otto Nicolais s61 über die Bestrafung von Sir John Falstaff besetzt wurde; 53 See, durch den der Panamakanal verläuft; 54 Titel des ersten Teils von „b.35“ des Balletts am Rhein, in dem der israelische Choreograf Ohad Naharin einen Stilbegriff mit dem ähnlich klingenden englischen Wort für Tanz verbindet; 56 im Begriffs- paar mit „hin“ auf den Standort zuweisende Präposition; 57 verfremdende Gesichtsbedec- kung, die für den titelgebenden Ball der Verdi-s61 über den schwedischen Königsmord Pflicht ist; 59 Restaurant in Budapest, das sowohl einem feurigen Tanz als auch einer Operettenfürstin von Emmerich Kalman den Namen gibt; 60 in zwei Staaten einer Na- tion geteilte Halbinsel, aus deren Südlicher Republik die den s16 des Städtischen Mu- sikverein unterstützenden und an Musikhochschulen in NRW studierenden Gastsänger kommen; 63 tschechische Stadt im wenige Kilometer breiten nordwestböhmischen Zipfel zwischen Hochfranken (Selb) und dem sächsischen Vogtland (Bad Elster); 64 im Taunus entspringender linker Nebenfluss der Lahn;66 Kontinent zwischen Atlantik und Indischem Ozean; 69 Schweizer Kanton, dessen Tänze dem von Martin Schläpfer choreografierten Teil von „b.34“ des Balletts am Rhein den Namen geben; 72 buchstäbliche Lautung des @ in Mailadressen; 74 Pagenfigur in Verdis s61 „Un ballo di Maschera“; 77 dem Wind abgewandte Seite bei Segelschiffen; 78 Schallereignis, dessen künstlerische Verknüp- NC28 Seite 70 NC28 Seite 71 fung die Kunst eines s16 bestimmt; 79 schwäbische Äußerung schwer entschlüsselbaren Inhalts; 82 Rufname einer erfolgreichen sächsischen „Eisprinzessin“; 83 ausgestorbene Wildrindart (Auerochse), auch Präfix zur Kennzeichnung des seit langer Zeit Existenten; 84 in Rollenform existierende hebräische Bibel, deren Hauptbestandteil die fünf Bücher Mose sind; 86 äußere Gestalt von Gegenständen; 87 japanische Comics, deren Figuren durch die Cosplayer zum Japantag in Düsseldorf präsentiert werden; 89 Kurzform des Namens der letzten weiblichen Pharaonin in Ägypten, deren Beziehungen zu Julius Cäsar und Markus Antonius die dramatische Literatur anregte; 91 KfZ-Kennzeichen eines links- rheinischen Kreises, in dessen Düsseldorf gegenüberliegender Hauptstadt ein Festival den Dramatiker feiert, der Stücke über die beiden benachbart erfragten Figuren schrieb; 92 schottischer König (1005 -1057), dessen von der Gemahlin angefachter Machthunger Inhalt eines 1606 geschriebenen Dramas von William Shakespeare und einer s61 von Gi- useppe Verdi ist; 94 unbetiteltes, meist unvollendetes Musikstück, auch Kennzeichen des US-Staates Idaho 95 Sammlung von Schriften des Philosophen Aristoteles, ein „kleines ….über das Theater“ existiert von Bertolt Brecht; 99 pejorativ gebrauchter Begriff für eine Prostituierte, Bertolt Brecht führt in seiner Dreigroschens61, die Andreas Kriegenburg am 11. November 2017 am Dhaus zur Premiere brachte, in deren Milieu; 100 textiles Gewebe aus einem oder mehreren Fäden, das s68 Theseus gab, um aus dem Labyrinth des Mino- taurus zurückzufinden (s61n von Georg Friedrich Händel, Richard Strauss und Bohuslav Martinu); 101 germanische Schlacht- und Schildjungfer, auch erster (auf den Vorabend „Rheingold“ folgender) Tag der Wagner-Tetralogie, deren Inszenierung 2018 von Dietrich Hilsdorf an der Deutschen s61 am Rhein vollendet wird; 102 Sultanspalast (u.a. Topkapi über dem Eingang des Goldenen Horns aus dem Bosporus), aus dem in Mozarts Sing- spiel im Repertoire der Rhein-s61 Blonde und Konstanze entführt werden. SENKRECHT 2 sumerisch mesopotamische Geburtsstadt Abrahams – Ort des ca. 5000 Jahre alten Gilgamesch-Epos, mit dem das Dhaus seine erste Spielzeit unter der Intendanz Wilfried Schulz‘ eröffnete; 3 englischer Sänger, Schauspieler und Komponist (1947-2016), des- sen letztes Musical „Lazarus“ im Februar 2018 auf der Baustelle des Düsseldorfer Schau- spielhauses seine deutschsprachige Erstaufführung erleben wird; 4 flach, ohne horizon- tale Veränderung; 5 österreichischer Komponist, dessen Familiens61 „s19s“ Reise“ als Auftragswerk der „Jungen s61 Rhein-Ruhr“ (D, DU DO, BN) in Dortmund seine Urauf- führung erlebte; 6 steigendes Hochwasser, Titel des Projekts „DIE OPERNMACHER“, in dem Schüler ein von Profis in Duisburg zur Uraufführung gebrachtes Werk kreierten, auch Name eines der „Lustigen Weiber“ in Otto Nicolais s61; 7 französischer Pluralartikel; 8 in der Breite das Gegenteil von „weit“; 9 Kondenzwasser infolge von Temperaturunter- schieden, in Engelbert Humperdincks Märchen s61 „Hänsel und Gretel“ der Name eines am Morgen erscheinenden Weck-Männchens; 10 Würde bzw. Wertschätzung des Men- schen, deren Durchsetzung oder Bewahrung Gegenstand u.a. der Verdi s61n Otello und Rigoletto ist; 11 biologisch: Spezies; vom lateinischen Kunst-Stammwort abgeleitetes Ma- gazin der Bildenden Kunst; 12 gesamte Erbinformation lebender Zellen; 13 Titel einer s61 von Igor Strawinsky, die gemeinsam mit Ravels „L‘Enfant“ im April 2018 seine Premiere in Düsseldorf erlebt; 14 die geografische Lage des Verbreitungsgebiets betitelnde Zeitung der Region; 16 vokaler Klangkörper. Der für die Konzerte in der Tonhalle „verantwortliche“ wird als Städtischer Musikverein zu Düsseldorf im Jahre 2018 200 Jahre alt; 18 ehema- liger langjähriger Oberbürgermeister der Stadt München; 19 in große und kleine Welten reisende Gestalt eines Romans von Jonathan Swift, die auch Held des von John von Düffel geschriebenen Librettos zur Familien-s61 von s5 ist; 21 Erdgöttin in Richard Wag- NC28 Seite 70 NC28 Seite 71 ners s61n-Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“; 23 Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung; 27 obergäriges, in der Düsseldorfer Altstadt gebrautes und getrunkenes Bier; 29 KfZ-Kennzeichen der sich als „Tor zur Schwäbischen Alb“ bezeichnenden Ge- burtsstadt des Eisenbahnpioniers Friedrich List (1789-1946); 30 Ortungssystem (Global Positioning System); 31 „Beruf“ der Titelfigur (Gildas Vater) am Hof des Herzogs zu Mantua in Verdis s61; 32 die Katastrophe verkündende Wahrsagerin in Verdis s61 „Ein w57n- Ball“ 37 Hinweis, Empfehlung, auch gewähltes Gremium oder Titel als Kennzeichen zu dessen Mitgliedschaft; 38 Gesangstonsilbe, Rettung bei Textverlust, Textbestandteil von Arien u.a. der Carmen in der gleichnamigen s61 von Georges Bizet; 40 in der Mytholo- gie - Gewässer der griechischen Unterwelt, auch Dämonin des Vergessens; 41 umge- nähte Stoffkante, Textilrand; 42 griechisches Gefäss, auch antikes römisches Hohlmaß; 43 Komponist der fantastischen Kinder-s61 „Wo die wilden Kerle wohnen“, die am 4. Februar 2018 in Düsseldorf Premiere hat; 46 mittelalterlicher Spassmacher, dessen volks- tümlicher deutscher Repräsentant Till Eulenspiegel ist; 48 aromatisches Getränk, dessen zeremonielle Zubereitung zu den Aufgaben einer Geisha gehört, deren Schicksal in der „japanischen“ Puccini-s61 zu erleben ist; 49 Hauptstadt von Ghana in w66; 50 von 1989 bis 2000 existierendes deutsches Luft- und Raumfahrtunternehmen; 52 Rufname des Bassisten der „Toten Hosen“, Andreas Meurer; 55 niederländischer LKW-Hersteller mit Sitz in Eindhoven; 58 mit lebensbedrohlichen Fragen konfrontierter Prinz in Puccinis s61 über die chinesische „Prinzessin mit dem eisumgürteten Herzen“, die in Huang-Hsiung Li‘s Inszenierung im Repertoire des Musiktheaters am Rhein gespielt wird; 61 Werk der Musikdramatik, Ort und Institution seiner Inszenierung und Präsentation; 62 Vorname des österreichischen Komponisten (1824-1896), dessen „Te Deum“ der s16 des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf unter Leitung von Mario Venzago zum Sternzeichenkonzert am 15., 17. und 18. Juni 2018 singen wird; 63 zu Portugal gehörende Inselgruppe im Atlantik; 65 KfZ-Kennzeichen Albaniens; 67 Gerät zur Reduzierung von Schadstoffen im Abgasbereich von PKWs; 68 auf eine griechisch-mythologische Gestalt bezogener Titel einer s61 von Bohuslav Martinu (D-Premiere am 22.4.2018), der auch der Personen-Teil eines musikdramtischen Werkes von Richard Strauss ist; 70 Vorname des Titelhelden einer s61 von Benjamin Britten im Düsseldorf/Duisburger Repertoire; 71 Widerhall durch Schallwellenreflexion, auch bedeutender Musikpreis in Deutschland; 73 Klangfärbung, deren Qualität für Mitglieder eines s16 wichtig ist; 74 Lautmalerische Umsetzung eines ironisch auf „Bedauern“ hinweisenden Staunausrufs, mit dessen Wiederholung der Re- frain des Trios im 1. Akt der Johann Strauß-s61ette „Die Fledermaus“ beginnt; 75 mit „Reizen“ beginnendes Kartenspiel, über dessen prinzipielle Streitigkeiten ein eigens da- für eingesetztes Gericht im ostthüringischen Altenburg verhandelt und entscheidet; 76 Die Verdoppelung des gesuchten Begriffs ergibt einen erotischen Pariser Tanz, der durch Jaques Offenbach den Weg auf die s61-Bühnen gefunden hat; 77 titelteiliger Vorname einer s61n-Figur in Gaetano Donizettis Dramma Tragico; 80 biblischer Archenbaumeister und Sintflutretter; 81 Unterwelt und deren Gott in römischer Mythologie; 85 Heilpflanze, deren echte (vera) Variante in vielen Produkten der Kosmetik zu finden ist; 87 die Konti- nente umschließendes Gewässer; 88 englisches Wort für Mädchen, das mit dem Attribut „Funny“ verbunden ein Filmmusical ergibt, in dem 1968 Barbara Streisand und Omar Sharif brillierten; 90 gebräuchlicher Begriff (englisch) für niedrig; 93 großer Knorpelfisch; 96 Top-Level Domain für Grönland; 97 Logo der täglichen Nachrichtensendung des DDR- Fernsehens; 98 Abkürzung für die Kennzeichnung der Zahl, die die Position in einer definierten Reihe angibt; 100 die Verdopplung der Silbe ergibt den Künstlernamen einer amerikanischen Superstar-Lady im Show-Business. K.H. M. 1/2018 NC28 Seite 72 NC28 Seite 73 The Düsseldorf Lyric Opera Ein neues Kulturformat für Düsseldorf

Der Anfang 2016 gegründete Verein Düsseldorf Lyric Opera e.V. (DLO) hat sich zur Aufgabe gemacht, talentierte Künstlerinnen und Künstler aus den Be- reichen Oper, Operette, Musical und Ballett zusammenzubringen. Den Mitwirkenden wird die Möglichkeit der Weiterbildung in Form von Auftrit- ten, Schulungen, Workshops und Meisterklassen geboten. Gesangsunterricht und regelmäßige Proben, die von verschiedenen Instrumentalisten begleitet werden, Sprachtraining und Diktionsübungen, die für die Einstudierung und Auf- führung von Werken in Originalsprache sehr hilfreich sind, tragen dazu bei, die Künstler in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Außerdem bietet die Düsseldorf Lyric Opera talentierten und passionierten Musikern professionelle Engage- ments sowie eine berufsbegleitende Beratung, u. a. beim Marketing und Net- working oder bei der Buchführung für selbstständige Musiker. Höhepunkte sind die gemeinsamen Darbietungen vor interessiertem Publikum im Rahmen der Konzertreihe des Vereines, den sog. „Spotlights“, die monatlich an verschiedenen Veranstaltungsorten stattfinden. Diese Vorstellungen helfen den Künstlern beim Vorbereiten und Ausprobieren des neuen Repertoires, und zwar in einer authentischen Konzertsituation, was sich als sehr unterstützend erwiesen hat. Den Zuschauern bieten diese Aufführungen ein unvergessliches Kulturerlebnis in einer beinah familiären Atmosphäre, in der man die Kunst, aber auch die Nähe zu den Künstlern genießt. Der lyrische Bühnenzauber am Rhein Wie die Zauberflöte der DLOpera den Geist des 18. Jahrhunders spiegelt von Melanie Brell „Ihr seht auf unsern deutschen Bühnen Probiert ein jeder, was er mag; Drum schonet mir an diesem Tag Prospekte nicht und nicht Maschinen. Gebraucht das groß' und kleine Himmelslicht, Die Sterne dürfet ihr verschwenden; An Wasse, Feuer, Felsenwänden, An Tier und Vögeln fehlt es nicht. So schreitet in dem engen Bretterhaus Den ganzen Kreis der Schöpfung aus, Und wandelt mit bedächt'ger Schnelle Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.“ NC28 Seite 72 NC28 Seite 73 So beginnt das Vorspiel auf dem Thea- Die Zauberflöte wurde 1791 im Wiener ter zu Goethes Faust. Vorstadttheater auf der Wieden, in dem In diesen wenigen Zeilen fasst Goe- der Librettist des Stückes, Emanuel the das gesamte Konzept der Barock- Schikaneder, Direktor war, uraufgeführt bühne zusammen - die große Illusion. – sicherlich ganz im Geiste des in Goe- Donner und Blitze sollen erscheinen, thes Worten beschriebenen Theaters der ganze Schöpfungskreis, die ganze voller Illusionen und Effekte. Welt soll auf der kleinen Holzbühne ab- Die Produktion der Düsseldorf Ly- gebildet werden, bunt, laut, phantasie- ric Opera arbeitet auf den ersten Blick voll, verschwenderisch. mit den einfachen Mitteln einer Wan- derbühne. Es gibt keinen großen Vor- Auch Mozart wuchs mit dieser Art von hang, kein großes Orchester, keine Theater auf, denn auch gut 150 Jahre ausgefeilte Bühnentechnik. Es wird nach Erfindung der Schiebekulissen war ein Rahmen aus Worten geschaffen: die barocke Bühnentechnik der Stan- ein Kind sitzt mit seinem Vater beim dard seiner Zeit in den festen Theatern, Camping in einem Zelt, und bitten ihn, und mit ihr die Weltsicht auf der Bühne: aus seinem Leben zu erzählen, statt der Mensch im Mittelpunkt, zwischen aus dem Märchenbuch vorzulesen. den Mächten des Himmels und der Höl- Der Vater, so stellt sich heraus, ist der le, dargestellt durch zahlreiche Flugge- Prinz Tamino höchst selbst, der nun rätschaften und Bühnenversenkungen. von seiner Geschichte berichtet, wie Gleichzeitig gab es aber auch noch ihn die Schlange verfolgte, vom selt- immer das Theater der Wandertrup- samen Vogelmenschen Papageno, der pen, die durchs Land zogen und wunderschönen Pamina und ihrer wü- die mit deutlich einfacheren Mitteln tenden Mutter, der Königin der Nacht, ebenfalls die ganze Welt darstell- und von Sarastro und den Priestern im ten, hier oft mit Worten statt Kulissen. Tempel der Weisheit. Aber warum sitzt der Prinz nun in ei- nem Zelt, statt ge- meinsam mit seiner Pamina im Tempel der Weisheit? War es vielleicht doch alles nur Traum und Illusion? Was wir in dieser Produktion sehen, ist ein Schnittpunkt aus Traum und Wirk- lichkeit, zwischen barockem Illusions- Szene aus Mozarts „Zauberflöte“ in der Inszenierung Fotos: theater und moder- der Düsseldorf Lyric Opera Julia Weiland ner (Schwarz-)Licht- NC28 Seite 74 NC28 Seite 75 Technik, zwischen damals und heute. Wir sehen phantasievolle Kostüme voller Details, voller Einflüsse ver- schiedenster Kulturen und Zeiten. Dann wird es dunkel und die Königin der Nacht erscheint als eine wahrlich düstere Gestalt mit leuchtenden Augen und leuchten- dem Kopfschmuck. Ein mystisches Nachtwesen - phosphoreszierend und so schön wie beängstigend. Auch hier geht es also im besten Sin- ne barock zu: bunt, laut, phantasie- voll, verschwenderisch. rungen auf großen internationalen Opern- Die Sängerinnen und Sänger dieser bühnen und müssen und dürfen sich auf Produktion haben durchweg Erfah- dieser kleinen Bühne ganz neu erfinden. Es gibt keinen trennenden Orchestergraben, das klei- ne Orchester sitzt seitlich der Bühne. Anders als im heute üblichen Regiethe- ater wurde vieles gemein- sam erarbeitet, entstanden Szenen im Dialog und im Zusammenspiel. Das tut dem Stück gut, und auch das rückt es nah an seinen Ursprung. So schreiten wir vom Himmel mit den drei engel- haften Knaben, die Tamino und Pamina leiten, durch die Welt mit Papageno und Papagena auf der einen, Sarastro und dem Weis- heitstempel auf der ande- ren Seite, zur Hölle mit der Schattenkönigin und ihrem Gefolge - durch alle Aspek- te des Lebens. Und das - ganz wie es Schikaneder und Mozart sich erhofft ha- ben mögen - mit dem größ- Mehr zu Programm und Terminen auf www.DLOpera.com ten Vergnügen. NC28 Seite 74 NC28 Seite 75 Nr. 28a Extra-Ausgabe eue mit dem Bericht, der nicht mehr in die Druckausgabe Chor reinpasste... Nszene Januar 2018... über die traditionelle Jahresreise der inaktiven, fördernden und auch aktiven Mitglieder des Städtischen Musikvereins vom 14. bis 19. September 2017 nach Bayreuth, Bamberg und Coburg von Freygerd Baffy und Gisela Eitel

Donnerstag, 14. September:

Am Haupteingang der Tonhalle ver- sammelten sich rechtzeitig inaktive und aktive Mitglieder des Städt. Musikver- eins sowie Verwandte und Freunde zur Reise nach Bayreuth und Umgebung. Die umfangreiche Planung der Reise und die Reiseleitung hat in diesem Jahr Franzis Hill von Gisela Kummert über- nommen, die ursprünglich die Initiatorin dieser Reisen war und alle bisherigen Reisen organisierte und leitete. Neu ist auch unser Busfahrer Thomas .

Pünktlich um 9 Uhr verlassen wir Düsseldorf, das oft gelobte Musikver- einswetter blieb leider aus, es gab un- terwegs einige Staus und leider auch Regen, so dass das Picknick nicht wie gewohnt auf einem Rastplatz stattfin- den konnte. Zunächst Besichtigung der ehemali- Kleine Änderung des Zeitplans wurde gen Zisterzienserabteikirche in Ebrach, erforderlich: des ersten rechtsrheinischen Zisterzi- enserklosters – ein mächtiger frühgo NC28 Seite 76 NC28 Seite 77 tischer Bau, Grundsteinlegung im Juni 1200 und Gesamtweihe im September 1285. Viele Altäre schmücken den riesi- gen Raum. Im Laufe der Jahrhunderte erfuhr die Kirche im Innern mehrfach Umgestaltungen, so im 18. Jahrhundert durch den Würzburger Hofstuckator Bossi, sie ist auf prunkvolle Dekorati- onswirkung ausgerichtet in leuchten- den Farben. Die Hauptorgel umfängt wirkungsvoll eine prächtige Fensterro- se. Das Kloster wurde 1803 aufgehoben, die Kirche wurde Pfarrkirche und das Klostergebäude wird als Gefängnis ge- nutzt. Nach der Besichtigung fand dann auf einem Parkplatz in der Nähe das Pick- nick statt – in diesem Jahr erstmals im Bus, serviert von Franzis Hill und ihren Fürstbischofs Lothar Franz von Schön- Helfern, Quiche und Kuchen, und na- born (1665-1729) – erbaut in den Jah- türlich wie immer Rotwein und andere ren 1711-16 - beeindruckte mit pracht- Getränke. voll ausgestatteten Räumen, durch die uns eine sehr engagierte Fremdenfüh- Um 19 Uhr erreichten wir dann unser rerin führte, wie z.B. das Spiegelkabi- Hotel Residenzschloss in Bayreuth mit nett, das Kurfürstliche Audienzzimmer, schönen geräumigen Zimmern. die Große Galerie, der Marmorsaal Der Abend blieb zur freien Gestal- oder das Kurfürstliche Speisezimmer. tung.

Freitag, 15. September:

Nach einem guten Früh- stück starteten wir zur Besichtigung des südlich von Bamberg in den Wie- sengründen des Steiger- waldes gelegenen Barock- schlosses Weissenstein in Pommersfelden.

Die original erhalte- ne Sommerresidenz des

NC28 Seite 76 NC28 Seite 77 Der Kurfürst hatte großes Interesse an der Malerei und entwickelte eine wahre Sammelleidenschaft, die trotz einiger Verluste im 19. Jahrhundert heute noch die größte private Barockgalerie Alter Meister wie Rubens oder van Dyck ge- blieben ist mit ca. 600 Gemälden, die in den Räumen ausgestellt sind. Großartig ist auch das Treppenhaus mit einem wunderbaren Deckenfresko. Das Schloss ist bis heute im Famili- enbesitz und ist Schauplatz von jährli- chen Konzertwochen. Nach dieser ausführlichen Besichti- gung ging die Fahrt weiter zur Basilika Vierzehnheiligen – dort angekommen blieb noch Zeit für eine Einkehr in den Goldenen Hirsch. Um 15 Uhr hörten wir zunächst ein Orgelkonzert zum Freitagsläuten in der Basilika mit Werken von Joh.S. Bach, Joh. Pachelbel und anderen. von Johann Michael Feichtmayr verlei- hen dem gesamten Kirchenraum einen Anschließend erläuterte uns ein Abt feierlichen Glanz. den Bau der berühmtesten Wallfahrts- kirche Frankens. Die zu Ehren der 14 Der Abend klang für viele aus im Nothelfer, die der Legende nach wie- Künstlerrestaurant „Die Eule“; an den derholt einem frommen Hirten erschie- Wänden des Lokals hängen sehr viele nen waren, errichtete Kirche ist das Fotos von Künstlern, die bei den Fest- Hauptwerk Balthasar Neumanns und spielen aufgetreten sind. seines Schülers Johann Michael Kü- Wir amüsierten uns über „Walküren- chel, entstanden in den Jahren 1742 brüstchen und Siegfriedschnitzel“ und bis 1772. ließen den schönen Tag fröhlich aus- Den Mittelpunkt der Kirche bildet der klingen. von einem zierlichen Baldachin über- dachte Gnadenaltar mit den 14 Nothel- Samstag, 16. September: fern. Er ist eine der kühnsten Schöp- fungen des Barocks. Der Altar konnte Der Samstag war ausschließlich Bay- aufgrund der Chorverkürzung nicht in reuth vorbehalten. die Vierung gesetzt werden. So zog Neumann ihn ins Langhaus und kreise Die ehemalige markgräfliche Resi- ihn in ein großes Oval ein, auf das er denzstadt erlangte Weltruhm durch die ganz Kirche ausrichtete. Die Dec- den Komponisten und die von ihm ins kengemälde und die Stukkatoren u.a. Leben gerufenen Festspiele.Zunächst NC28 Seite 78 NC28 Seite 79 Museumsneu- baus konnten wir eine einma- lige Sammlung von historischen Bühnenbildmo- dellen, originale Kostüme und bühnentechni- sche Appara- turen aus dem Bayreuther Fest- spielhaus be- sichtigen; auch handschriftli- che Arbeiten Wagners bis fuhren wir zum Haus Wahnfried, dem zur vollendeten originalen Partitur. Im ehemaligen Wohnhaus der Familie Klangstudio lag die originale Partitur Richard Wagners, erbaut in den Jahren des Rheingold aus und wir hörten das 1873-74. Vorspiel im Angesicht der goldenen Bü- Nach drei Jahren Sanierung ist das ste Wagners – auch die Museumsleute Richard Wagner Museum im Haus verstehen was von Inszenierungen“, Wahnfried wieder eröffnet. Bei einer man hätte noch stundenlang stöbern ausführlichen Führung erhielten wir ei- wollen. nen eindrucksvollen Einblick in die Zeit Die Führung schloss auch das Sieg- um 1880 und die Lebenswelt Richard fried-Wagner-Haus direkt neben Haus

Wagners und den Alltag der Familie. Das Haus Wahnfried war ein gastliches Haus, besonders zur Festspiel- zeit bevölkerten Künstler, Mäze- ne und Freunde den Salon, die Halle und den Konzertsaal. Im Unter- geschoss des NC28 Seite 78 NC28 Seite 79 Wahnfried mit ein, das Winifred Wag- entwürfen von Gottfried Semper von ner bis zu ihrem Tod 1980 bewohnte. Baumeister Otto Brückwald erbauten Dazu gehören z.B. denkmalgeschütz- Festspielhauses mit mystisch verdeck- te Kaminzimmer, das Speise- und das tem Orchestergraben und einem Zu- Gartenzimmer, in denen die Ideologie- schauerraum nach antikem Vorbild, ge- geschichte Wagners dargestellt wird, hört zu den besten der Welt und macht sowie die engen Beziehungen der die Festspiele zu einem einzigartigen Familie Wagner zum Regime der Na- Erlebnis. Davon konnten sich viele tionalsozialisten und zu Adolf Hitler per- Reiseteilnehmer schon selbst überzeu- sönlich. gen. Zum Abschluss besuchten wir das Sehr interessant war für uns die Be- Grab von Richard und Cosima Wagner sichtigung des Orchestergrabens. im Garten. Für die Zuschauer sind Orchester Anschließend fuhren wir zum Fest- und Dirigent unsichtbar. Für die Diri- spielhaus Bayreuth am „Grünen Hügel“ genten, die im Sitzen dirigieren müs- wo uns eine flotte Bayreutherin das sen, die Orchestermusiker, die Sänger Festspielhaus zeigte (inklusive Histör- und Chormitglieder stellt diese Form chen). des Orchestergrabens eine besondere Herausforderung dar, da der Dirigent Es gibt weltweit kein Opernhaus, das kaum Kontakt zu den Sängern und zum dem Werk nur eines Komponisten ge- Chor hat, so dass der Chor einen eige- widmet wäre und dessen Werke auch nen Dirigenten benötigt. nur jeweils im Sommer an ca. 30 Tagen Bei den im Sommer oft hohen Tem- aufgeführt werden. Für diesen kulturpo- peraturen können die Musiker in Frei- litischen Traum hat Wagner gekämpft. zeitkleidung musizieren! Die Akustik des in den Jahren 1872- Anschließend ging das Programm 1876 nach Wagners Plänen und Vor- weiter mit der Fahrt zum Schlosspark Eremitage – hier hatte Franzis Hill für eine Mit- tagspause ei- nen Raum im Schlossrestau- rant reserviert.

Das Schloss Eremitage er- hielt Markgrä- fin Wilhelmine, die kunstsinni- ge Schwester Friedrichs des Großen 1735 von ihrem Mann, NC28 Seite 80 NC28 Seite 81 dem Markgrafen Friedrich als Geschenk. Sie hat Bayreuth zahlreiche Schlösser mit außer- gewöhnlichen Parkanlagen und das wunderbare Markgräfliche Opernhaus geschenkt. Wir begannen unseren Rund- gang an der Grotte – hier beein- druckte der Fürst seine Gäste mit Wasserspielen, und unser Schlossführer hatte ebenfalls sei- nen Spaß daran. Weiter ging die Besichtigung durch den Damen- und Herrenflügel, mit jeweils gemäß ihrer Nutzung sehr unter- schiedlich gestalteten Räumen und einem schönen Marmorsaal! Danach blieb noch Zeit für ei- nen kurzen Rundgang durch die schöne Parkanlage, in der man viele Stunden verbringen könnte, bis uns der Bus zurück zum Hotel fuhr und der Abend in einem net- ten Lokal ausklingen konnte.

Sonntag, 17. September:

viele denkmalgeschützte Gebäude mit Am Sonntag stand Bamberg auf dem mittelalterlichem Charme und barocker Programm. Prachtarchitektur. Nach einem Regenschauer besserte Neben dem Dom erstrecken sich die sich das Wetter während der Fahrt und Alte Hofhaltung aus der Renaissance- in Bamberg schien die Sonne. zeit und die prächtige Neue Residenz, Am Sitz der Bamberger Symphoniker ein wuchtiger Barockbau, früher Sitz begannen wir unseren Stadtrundgang der Bamberger Fürstbischöfe. Sehr in zwei Gruppen mit einer kundigen reizvoll ist der hinter dem Hof der Neu- Stadtführerin. en Residenz gelegene Rosengarten, in dem noch viele Rosen blühten, sowie Das an der Regnitz gelegene Bam- Springbrunnen und heiteren Götterfigu- berg – mit heute ca. 70.000 Einwoh- ren. nern, davon vielen Studenten, hatte das Das originellste Gebäude des Bür- Glück, im Krieg unzerstört zu bleiben; gerviertels ist das auf Pfählen mitten in die historische Altstadt ist seit 1993 die Regnitz gesetzte Alte Rathaus mit Unesco-Weltkulturerbe, davon zeugen seiner bemalten Fassade. NC28 Seite 80 NC28 Seite 81 Nach dem ausführlichen Stadtrund- Nach soviel Kunstgenuss bot sich gang gab es eine gemütliche Schiffs- noch ein kurzer Gang durch den Ro- rundfahrt auf der Regnitz und einem sengarten an. Teil des Main-Donau Kanals, vorbei an dem Klein-Venedig genannten Viertel, Dann holte uns unser immer zuver- das sich zwischen dem ehemaligen Ha- lässiger Fahrer Thomas mit dem Bus fen „am Kranen“ und der Markusbrücke vom Domplatz ab zur Rückfahrt nach erstreckt. Die dicht gedrängt stehenden Bayreuth. Fischerhäuser entstanden im 17. Jahr- hundert. Der Abend klang wieder in gemütli- Bevor wir uns alle zur Führung durch chen Bayreuther Lokalen aus. den Bamberger Dom trafen, war noch Gelegenheit zu einem individuellen Montag, 18. September: Bummel und Kaffeepause. Mit seinen vier Türmen überragt der Am Montag ging die Fahrt zur Veste Kaiserdom die Dächer Bambergs und Coburg, am Rande des Thüringer Wal- ist die berühmteste Sehenswürdigkeit des. und Wahrzeichen der Stadt. Die heute Die Veste Coburg, wegen ihrer prächtige und mächtige Domkirche ist Schönheit und ihrer beherrschenden der dritte Bau an dieser Stelle, 1237 Lage auch die „Fränkische Krone“ ge- eingeweiht. Der große Innenraum nannt, erhebt sich mit ihren gewaltigen zeichnet sich durch Schlichtheit aus. Mauern und Türmen hoch über der Bedeutsam ist im Westchor das reich Stadt. Sie ist eine der größten und zählt verzierte Chorgestühl ausklappbaren zu den am besten erhaltenen Burganla- Sitzen. Die Schnitzereien zeigen Heili- gen Deutschlands. ge und Apostel. Hier liegt auch Papst Wir erlebten mit der uns schon be- Clemens II in einem Marmorgrab aus kannten Stadtführerin eine sehr infor- dem 13. Jh. Das einzige Papstgrab mative Führung durch die Bayerische nördlich der Alpen. Landesausstellung anlässlich des Re- Am Ostchor steht das Grab des Kai- formationsjubiläums 2017 „Ritter, Bau- serpaares Heinrich II und Kunigundes. ern, Lutheraner“. Das Marmorgrab selbst wurde von Til- man Riemenschneider, einem Bildhau- Von April bis Oktober 1530, hielt sich er der frühen Renaissance im 16. Jh. der unter Papstbann und Reichsacht geschaffen. stehende Luther im Schutz der Veste Ganz in der Nähe befindet sich an auf. Er arbeitete an seiner Bibelüber- einem Chorpfeiler der berühmte „Bam- setzung. Zugleich nahm er mit über berger Reiter“, ein prächtiges Kunst- hundert Briefen Einfluss auf die Ver- werk des Mittelalters, entstanden um handlungen des Augsburger Reichs- 1230, vermutlich ein Werk des Meisters tags und rückte damit Coburg unbeab- der gotischen Bauhütte. Das Geheim- sichtigt in das Zentrum der reformatori- nisvolle am Bamberger Reiter ist, das schen Bewegung. man nicht sicher weiß, wen er darstel- Gezeigt werden die historischen len soll. Stätten seines Wirkens sowie wertvolle NC28 Seite 82 NC28 Seite 83 Gemälde, Doku- mente zur Refor- mationsgeschich- te, eigenhändige Briefe, Drucke, Porträts, so auch das lebensgro- ße Lutherbild von Lucas Cranach dem Jüngeren (signiert und da- tiert 1575), Gobe- lins, Graphiken, Gläser, z.B. das berühmte „Hed- wigsglas“, ein Geschenk an Lu- ther von Kurfürst Johann Friedrich und die „Lutherzim- Dienstag, 19. September: mer“. Zum Gedächtnis an Martin Luthers Nach diesen sehr ausgefüllten Tagen Aufenthalt 1530 wird die Kapelle Lu- starteten wir kurz nach 9 Uhr zur Heim- therkapelle genannt. Ein Steinrelief mit reise nach Düsseldorf. dem Kopf des Kirchenreformators erin- Bei der Mittagspause am Rasthaus nert an seinen Aufenthalt. im Spessart konnte auch das beliebte Im Anschluss an die Besichtigung Picknick stattfinden, traditionell gab es legten wir in der Burgschänke eine Mit- heiße Würstchen vom Busfahrer berei- tagspause ein. tet und noch viel Köstliches vom Buffet Die anschließende Rückfahrt durch der edlen Spender wie Schwarzbrot mit die Fränkische Schweiz – von Herrn Schmalz, Gurken, Tomaten etc., Nus- Blank sehr ausführlich vorbereitet – secken und Getränken aller Art. wurde verkehrsbedingt etwas geändert, Auf der Weiterfahrt wurde noch ein da unser Bus für kleine Ortsdurchfahr- Geburtstagsständchen für Manfred Hill ten zu groß war. Thomas fuhr uns aber geprobt und dann für ihn gesungen. gekonnt durch schmale Waldwege und Bevor wir nach guter, problemloser kleine Dörfer und wir bekamen einen Fahrt um 16.30 Uhr wieder die Tonhal- guten Eindruck von der landschaftli- le Düsseldorf erreichten, gab es noch chen Schönheit und Vielfalt. eine Runde roten Genever! Unser herzlicher Dank für die ausge- Am Abend gab es dann ein gemein- zeichnete Organisation und Betreuung sames Essen im Restaurant des Ho- auf der Reise gilt Franzis Hill und ihrem tels, und zur Überraschung aller war Team und natürlich auch dem stets zu- das von Franzis Hill bestellte Buffet im verlässigen und freundlichen Fahrer Reisepreis enthalten! Thomas während der gesamten Reise! NC28 Seite 82 NC28 Seite 83 VOM GUTEN TON U D O KASPROWICZ UND DER LIEBEN NOT Guter Gewohnheit folgend, nicht tonangebend die erste Seite beanspruchend, sondern einen Schlusston setzend, mit dem unsere Zeitschrift kulinarisch aus- klingt, packt der Chronist die Gelegenheit beim Schopf, einen anderen Ton an- zuschlagen, als die im Brustton der Überzeugung verfassten Betrachtungen un- serer Zeitschrift vermitteln, und folgt damit den Erwartungen, den richtigen Ton für den Schlussakkord zu finden, kein Klagelied, kein Larifari oder Gedöns, kein Paukenschlag, sondern eben jene leisen Töne, mit denen uns ein gutes Konzert entlässt. Dazu muss man nicht alle Töne der Klaviatur beherrschen. Es reicht, wenn man den guten Ton wahrt und sich nicht im Ton vergreift. Vielen Dank für Ihre Geduld, liebe Le- zutreffenden Terminus technicus zu ser, aber der kleine Ausflug in die Mu- finden, sondern sich im gesellschaftli- sikmetaphern unseres sprachlichen All- chen Umfeld angemessen und erfolg- tages offenbart einen Wesenszug un- reich auszudrücken, zu bewegen, ja seres Chores. So wie die insgesamt zu verhalten. Sprache durchdrungen „Sich im Ton zu vergrei- ist von Musikmetaphern, fen“ stellt einen morali- mischen sich Laien und schen Verstoß dar, nicht Profis im Chor des Mu- bloß einen verzeihlichen sikvereins und bereichern Missgriff eines der zehn einander. So wie die aus- Finger auf der Klaviatur. gebildeten Sänger Tipps Wie sehr eine Gesell- und Tricks ihrer Gesangs- schaft auf den „guten technik an die anspruchs- Ton“, den selbstreflektier- vollen Freizeitsänger wei- ten Umgang miteinander tergeben, staunen die re- angewiesen ist, zeigt ein pertoiresicheren Solisten Blick auf die Anstandsbü- über das im akribischen cher. Man ist leicht ver- Fleiß erworbene Hinter- sucht anzunehmen, dass grundwissen zu den jeweiligen Kom- die Bücher über Wohlverhalten eine positionen, das dem Gesang der Laien Begleiterscheinung gesellschaftlicher zu so viel Leidenschaft und Ausdruck Umbrüche seien, wenn infolge eines verhilft. wirtschaftlichen Strukturwandels oder Aber die Metaphern geben noch et- einer sozialen Revolution Aufsteiger was anderes preis: Alle musikalischen gesellschaftliche Positionen erlangen, Bilder unserer Sprache betreffen die in denen sie Regeln erlernen mussten, sittliche Dimension der Sprache. Den von denen ihr Erfolg abhing. Dagegen „richtigen Ton treffen“ heißt ja nicht, et- spricht, dass schon im Mittelalter und was genauer zu bezeichnen oder einen der frühen Neuzeit Fürstensöhnen mit NC28 Seite 84 NC28 Seite 85 Anstandsbüchern höfische Lebensart ein Complimentirbuch schreiben, vermittelt wurde. Das bekannteste wur- sondern einige Resultate aus den de von Kaiser Maximilian I (dem letzten Erfahrungen ziehn, die ich ge- Ritter) 1517 unter dem Titel „Theuer- sammlet habe, während einer nicht dank“ verfasst und beschreibt den Le- kurzen Reihe von Jahren, in wel- bensweg eines vortrefflichen Ritters, chen ich mich unter Menschen aller an dem sich Fürstensöhne ein Beispiel Arten und Stände umhertreiben las- nehmen sollten. 1530 verfasst Eras- sen, und oft in der Stille beobachtet mus von Rotterdam eine Abhandlung habe. - Kein vollständiges System, „De civilitate morum puerilium“. Hier er- (…), aber Stoff zu weiterem Nach- teilt Erasmus Ratschläge in Fragen der denken.“ Höflichkeit und selbst der Hygiene (…) Die Erziehung zur Höflichkeit beein- Im bürgerlichen 19. Jahrhundert war flusst das Verhalten positiv, ihren tie- die Emanzipation des Bürgertums ab- feren Sinn erhält sie jedoch erst dann, geschlossen, ohne dass eine ange- wenn die Achtung vor der Person hinzu messene Teilhabe an der Gestaltung kommt.1 der öffentlichen, staatlichen Angele- Dem entspricht etwa die Grundhal- genheit damit verbunden gewesen tung Freiherrn Adolph Knigge, dessen wäre. Die erfolgreichen Bildungs- und Buch „Über Umgang mit Menschen“ Wirtschaftsbürger bildeten eine Paral- (1788) geradezu der sprichwörtliche lelgesellschaft mit einer Ethik, die sich Prototyp des Anstandsbuches ist. Der zwar ständig auf den aufgeklärten Frei- Wandel von Kaiser Maximilian über herrn Knigge berief, seine Anregungen Erasmus zu Knigge ist sicherlich an und Beispiele aber mehr und mehr als dieser Stelle nicht erschöpfend darzu- Vorschriften und Gesetze verstand und stellen. dementsprechend erweiterte, die man Dennoch: Kaiser Maximilian gibt An- kennen musste, um sich nicht im Ton weisung, wie man durch Nachahmung zu vergreifen. seines „Theuerdank“ zum idealen Ritter und damit Fürsten wird; Erasmus weiß In allen Bücherschränken stand ab genau, was den gebildeten Menschen, 1886 „Der gute Ton“ des Freiherrn Otto sei es Fürst oder Bürger, auszeichnet, von Berger, der nicht „Stoff zu weiterm“ sieht aber erfolgreiche Erziehung nur Nachdenken, sondern Regeln des im individuellen Eingehen auf den Ein- Wohlverhaltens enthielt. zelnen. Knigge schließlich leitet alles Wohlverhalten aus den Geboten der Eine Kostprobe: Vernunft ab. Er erklärt: Wenn eine Dame einem Herrn die Hand zum Gruße reicht, so gewährt „Indem ich aber von jenem Esprit sie ihm stets ein Zeichen offener de conduite rede, der uns leiten Vertraulichkeit, die zwar keine be- muß, bey unserm Umgange mit sonderen Rechte einräumt, jeden- Menschen(..), so will ich nicht etwa falls aber die Schranke des Fremd- 1 Halkin, Leon: Erasmus von Rotterdam. Zürich seins umstößt; die Dame muß 1989, S. 266 deshalb damit stets sehr vorsichtig NC28 Seite 84 NC28 Seite 85 sein – ein Herr aber darf die von ei- Oder ner Dame ihm dargereichte Hand unter keinen Umständen ausschla- „Für die Operettenpremiere ge- gen; das wäre eine Beleidigung nügen Smoking und ein kleines schwerster Art. Abendkleid, während laufende Drückt eine Dame einem Herrn die Vorstellungen ohne weiteres im Hand, so gibt sie ihm das Recht, dunklen Anzug oder ebensolchem bei ihr eine Zuneigung für ihn vo- Nachmittagskleid besucht wer- rauszusetzen. Ist diese Zuneigung den können. Mit dem Frack in der gegenseitig, dann verrät der Hän- Operette dagegen wird man in den dedruck das Geheimnis des Her- meisten Fällen „overdressed“ sein zens, und das Weitere gehört nicht (…) Eigentlich ist es schade, dass in den Kreis der Erörterungen in die jüngere Generation vielfach das dieses Buches.2 Gefühl dafür verloren hat, wie stark sich die Freude an einem künstle- Die Gesetze des „guten Tons“ pass- rischen oder auch nur unterhalt- ten sich im Laufe der Zeit den jeweili- samen Abend durch die Wahl der gen gesellschaftlichen Gegebenheiten passenden festlichen Kleidung stei- an, alte Regeln wurden stillschweigend gern lässt.“3 weggelassen, neue Regeln hinzuge- fügt. Die Protokollchefin des Bundes- So sehr man als Chorsänger mit sei- kanzleramtes unter Konrad Adenauer, nem publikumszugewandten Blick die- Erica Pappritz, veröffentlicht 1956 „Das ses Bedauern auch teilt, so mangelt es Buch der Etikette“, in dem sie den Ver- doch an Mut, sich öffentlich zu einem haltenskodex des Bürgertums aus dem festlichen, die Künstler ehrenden Auf- 19. Jahrhundert für die Gesellschaft der treten zu bekennen. Konsensfähig sind Bundesrepublik passend machte. Wir allenfalls Aussagen von solcher Un- begegnen Sätzen wie verbindlichkeit, dass sie einer Empfeh- „Handküsse gehören unter gar kei- lung zur „Haute couture der privatesten nen Umständen unter den freien Wohlfühlklamotten“ gleich kommen, die Himmel (…) Ausnahme: ein Gar- an manchen Konzertabenden dem Stil- tenfest: da dürfen Sie sich über empfinden einer unübersehbaren An- verheiratete Hände (als solche gel- zahl der Besucher bereits entspricht. ten auch jene, die einer unverhei- rateten, nicht mehr jungen Dame Wem anders als dem Musikverein, angehören, die eine Stellung im der sich den guten Ton im Konzert öffentlichen Leben innehat und den durch Streben nach Professionalität Titel „Frau“ führt) beugen, denn der verpflichtet weiß, fällt die Aufgabe zu, Himmel über einem Privatgarten ist den richtigen Ton für alle Lebenslagen, natürlich ebenfalls privat und gilt insbesondere der durch Musik be- als Bedeckung im Sinne des Hand- stimmten, zu finden? kuss.“ 3 Graudenz, Karl Heinz: das Buch der Etikette. 2 Berger, Otto Freiherr: Der gute Ton. Leipzig Unter Mitarbeit von Erica Pappritz. Marbach am 1886, S. 67. Neckar (1955), S. 285 NC28 Seite 86 NC28 Seite 87 Ein Anfang wurde bereits gemacht. Frau Rossetto eilte derweil durch den Am 11.12.2017 begab sich der gesamte Saal, hörte konzentriert zu und notier- Chor in den Mendelssohnsaal auf der te eifrig ihre Eindrücke. Im neuen Jahr, Suche nach dem guten Ton. Alle Tradi- in diesem Jahr, im Jubiläumsjahr wer- tionen wurden in Frage gestellt: Männer den wir erfahren, aus welcher Position und Frauen wechselten die Seiten. Die die freudenvolleren, die angenehme- Frauen wurden auf den Rang verbannt. ren Töne gesungen werden. Wir sind Die Männer versteckten sich im dritten sehr gespannt, denn „der Ton macht Parkett. Und jedes Mal erscholl der Ap- die Musik“ auch in den nächsten 200 pell „Mache Dich auf und werde Licht!“ Jahren.

Besondere stimmbildende Kraft wird in diesem Zusammenhang dem Ingwer zu- gesprochen und deshalb sei als leichte auf den Frühling vorausdeutende Mahlzeit für zwischendurch empfohlen: Erdbeerquark mit Ingwer Zimt und Honig 10.000 g Erdbeeren, möglichst frisch 7.500 g Quark (Magerquark) 100 EL Apfelsaft, ohne Zuckerzusatz 25 Msp. Ingwerpulver (frischen Ingwer schälen und zu Pulver verarbeiten) 100 EL Honig (Lindenblütenhonig oder eine andere wohlschmeckende Sorte) 25 Prise(n) Zimt 10.000 g süße Sahne 100 cl Cointreau Mit den angegeben Mengen lassen sich ca. 100 Portio- nen zubereiten! Seien Sie nicht ängstlich: der Chor tritt in der Regel in Oratorien- stärke auf! Für die Hauspor- tionierung empfiehlt sich ein Teiler von 25!

Impressum / Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V. Herausgeber: Geschäftsstelle Ehrenhof 1 - 40479 Düsseldorf E-Mail: [email protected] Internet: www.neue-chorszene.de / www.musikverein-duesseldorf.de V.i.S.d.P.: Georg Lauer - [email protected] Bankver- Stadtsparkasse Düsseldorf bindung: IBAN: DE 31300501100014000442 • BIC-SWIFT-CODE: DUSSDEDD Redaktion: Erich Gelf, Udo Kasprowicz, Georg Lauer, Karl-Hans Möller Textbilder: Städtischer Musikverein wenn nicht anders gekennzeichnet ISSN-Nr.: 1861-261X / Erscheineinungsweise: halbjährlich Druck/Auflage: Druckerei Preuß GmbH - Ratingen / 1.000 Hinweis: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Nachdruck - auch auszugsweise - oder sonstige Vervielfältigung nur mit schriftl. Genehmigung der Redaktion. NC28 Seite 86 NC28 Seite 87 200 Jahre Musikverein Sternstunden Der Chor des 200 Jahre Musikverein Städtischen Musikvereins Tonhallen-Konzerte 2018 probt regelmäßig um 19.25 Uhr im mit den Düsseldorfer Fr 20.04.2018 - 20:00 Uhr Helmut-Hentrich-Saal der Felix Mendelssohn Bartholdy: Tonhalle, Ehrenhof 1 - 40479 Düs- Symphonikern Paulus - Axel Kober seldorf, Eingang Rheinseite.

Sternzeichen Sternzeichen Gemeinschaftsproben für alle Stim- Fr 15./ So 17./ Mo 18.06.2018 Fr 06./ So 08./ Mo 09.07.2018 men finden i.d.R. dienstags statt. Proben mit chorischer Stimm- Joseph Hydn: Te Deum Gustav Mahler: bildung werden montags für die Anton Bruckner: Te Deum Symphonie Nr. 8 Es-Dur Herren und donnerstags für die Mario Venzago Adam Fischer Damen um 19 Uhr angeboten. Vorsitzender: Manfred Hill Sternzeichen Sternzeichen Tel.: 02103-944815 200 Jahre Musikverein Fr 07./ So 09./ Mo 10.12.2018 Chordirektorin: Marieddy Fr 14./ So 16./ Mo 17.09.2018 Leonard Bernstein: Rossetto Tel.: 0202-2750132 Joseph Haydn: Schöpfung Mass www.singpause.de www.neue-chorszene.de Adam Fischer NN www.musikverein-duesseldorf.de

Hermann Weber Feuerlöscher GmbH Feuerlöscherfabrik Herderstr. 38 40721 Hilden Ruf: 02103-9448-0 Fax: 02103-32272 E-Mail: [email protected]

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