Ausgabe 08|2016 Dezember 2016

VENTIONEN INTERZeitschrift für Verantwortungspädagogik

SCHWERPUNKT RECHTSEXTREME TÄTER

Das „Lone-Wolf“- Countering Violent Jugendlicher Rechts­ Deadly Cycle part 2 Phänomen im Rechts­ Extremism in Prisons: extremismus und die terrorismus in Principles for Effective biographische Perspektive Skandinavien Programs and Interventions Armin Michaela Glaser / Pfahl-Traughber | S. 4 Christopher Dean | S. 18 Nils Schuhmacher | S. 28 Jan Buschbom | S. 34 Inhalt

SCHWERPUNKT: RECHTSEXTREME TÄTER

Armin Pfahl-Traughber: Das „Lone-Wolf“-Phänomen im Rechtsterrorismus in Skandinavien...... 4

TÄTERARBEIT

Christopher Dean: Countering Violent Extremism in Prisons: Principles for Effective Programs and Interventions...... 18

BIOGRAPHIEFORSCHUNG

Michaela Glaser/Nils Schuhmacher: Jugendlicher Rechtsextremismus und die biographische Perspektive...... 28

IDEOLOGIE & RADIKALISIERUNG

Jan Buschbom: The Deadly Cycle Part 2. ���������������������������������������������������������������� 34

VERANTWORTUNGSPÄDAGOGIK IN DER PRAXIS

Bundesregierung setzt deutliche Schwerpunkte: Ausbau der Radikalisierungsprä- vention und Deradikalisierung in Strafvollzug und Bewährungshilfe ������������������������ 45

REZENSION

Armin Pfahl-Traughber über Behnam T. Saids Buch „Hymnen des Jihads. Naschids im Kontext jihadistischer Mobilisierung“...... 46

IMPRESSUM

Interventionen Online-Ausgabe: Die Redaktion behält sich sinnwahrende Zeitschrift für Verantwortungspädagogik www.violence-prevention-network.de/ Kürzung eingereichter Artikel, einschließlich ISSN 2194-7732 interventionen der Leserbriefe, vor. Namentlich gekenn- zeichnete Artikel geben nicht in jedem Falle Herausgeber / V.i.S.d.P.: Fotos/Abbildungen: die Meinung der Redaktion wieder. Violence Prevention Network e. V. © Violence Prevention Network e. V. – Jan Buschbom wenn nicht anders vermerkt

Redaktion: Layout/Satz: Jan Buschbom [jb] Stephen Ruebsam

Anschrift Redaktion & Herausgeber: Lektorat: Violence Prevention Network e. V. Stefanie Barthold Alt-Moabit 73 10555 Berlin Tel.: +49 (0)30 917 05 464 Fax: +49 (0)30 389 35 284 E-Mail: jan.buschbom@violence- prevention-network.de EDITORIAL

Dezember 2016

Mit Urteil vom 17. Januar 2017 wies das che Stoffe, Herbeiführen einer Sprengstoff- Bundesverfassungsgericht einen gegen die explosion, Zerstörung von Bauwerken und NPD gerichteten Verbotsantrag ab. Zwar ähnliches ermittelt. bescheinigten die Richter den Nationalde- mokraten, dass ihr „politische[s] Konzept Eingebettet ist diese Gewalt in eine doppel- … auf die Beseitigung der freiheitlichen te gesellschaftliche Polarisierung, einerseits demokratischen Grundordnung gerich- die Zuspitzung auf „Einwanderungsbefür- tet“ ist. Auch eine „Wesensverwandtschaft worter“ vs. „Einwanderungsgegner“, ande- mit dem Nationalsozialismus“ erkannte rerseits antagonistische Feindbildradikali- das Gericht. Allerdings: „Ein Erreichen der sierungen: die „Nazis“ vs. die „Islamisten“. verfassungswidrigen Ziele der NPD mit Mit Blick auf die Radikalisierungspotentiale parlamentarischen oder außerparlamenta- auf beiden Seiten, die sich gegenseitig be- rischen demokratischen Mitteln erscheint feuern, muss die Entwicklung Sorge berei- ausgeschlossen“ (2 BvB 1/13), weswegen ten. Grund genug, mit dieser Ausgabe der der Verbotsantrag den Richtern unbegrün- Interventionen den Fokus auf rechtsextre- det schien. Beobachter sahen in dem Urteil me Täter zu legen. Armin Pfahl-Traughber die höchstrichterliche Bestätigung der Be- analysiert die Fälle von vier skandinavi- deutungslosigkeit der NPD. schen „Lone Wolf“-Tätern. Zwei von Ih- nen hatten eigenständig eine Ideologie Tatsächlich verändert sich seit dem Erstar- entwickelt, „die nicht mit der von heutigen ken von Pegida und AfD die rechtsextreme Anhängern des historischen Nationalsozi- Szenerie in der Bundesrepublik. Wesentlich alismus oder anderen Rechtsextremisten dazu beigetragen hatte die Einwanderung identisch war.“ Insgesamt macht unser von Flüchtlingen im Umfeld von Syrien- Autor Pfahl-Traughber mit Nachdruck deut- krieg und dem so genannten „Islamischen lich, dass auch Einzeltäter, die nicht oder Staat“ seit dem Herbst 2015. Trotz der sich nur sporadisch in rechtsextreme Umfelder abzeichnenden Schwäche des hergekom- eingebunden sind, „nicht losgelöst von der menen organisierten Rechtsextremismus gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und stellen die Sicherheitsbehörden zugleich der rechtsextremistischen Szene“ verstan- einen signifikanten Anstieg rechtsextremer den werden können. Personenpotentiale fest. So stieg 2016 die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten auf Auch Michaela Glaser und Nils Schuhma- 12.100 Personen (gegenüber 11.800 im cher betonen mit Blick auf die Forschung Vorjahr), nachdem diese Zahl viele Jahre zum Zusammenhang von Rechtsextremis- relativ stabil bei ca. 10.000 Personen lag. mus und Biographie die Bedeutung von Auch das Personenpotential im subkulturel- biografisch geprägten bzw. sozialisatorisch len Rechtsextremis stieg von 8.200 in 2015 erworbenen Deutungsmodi und Bewälti- auf 8.500 Personen. Seinen Niederschlag gungskompetenzen im Umgang mit Krisen fand das in einem dramatischen Anstieg und Belastungen – und damit die Einbet- rechtsextremer Gewalt, vor allem im Um- tung in gesellschaftliche Prozesse. Gleich- feld von Flüchtlingsunterkünften. In 2015 zeitig belegt die Forschung, „dass sich verzeichnete das Bundeskriminalamt 1.005 pädagogische Auseinandersetzungen mit Angriffe auf Asylunterkünfte, 901 Übergriffe diesen Jugendlichen lohnen.“ Christopher hatten einen eindeutig rechtsextremen Hin- Dean bilanziert die Erfahrungen aus mehr- tergrund. Im ersten Halbjahr 2016 konnten jähriger Arbeit mit extremistischen Gewalt- 194 Tatverdächtige an 95 gegen Flücht- straftätern in England und Wales. lingsunterkünfte gerichteten Delikten ermit- telt werden. In diesem Zeitraum wurde (und Wir wünschen Ihnen ertragreiche Lektüre, wird) in 199 Fällen wegen Tötungsdelikten, Körperverletzung, Brandstiftung, Verstößen Ihre gegen das Gesetz über explosionsgefährli- Judy Korn, Thomas Mücke, Jan Buschbom

Interventionen. 08 | 2016 3 DAS „LONE-WOLF“-PHÄNOMEN IM RECHTSTERRORISMUS IN SKANDINAVIEN

Eine vergleichende Betrachtung von Fallbeispielen aus Norwegen und Schweden

v o n A r m i n P f a h l -T r a u g h b e r

Fragt man nach aktuellen Organisations- und ohne Einbettung in eine Gruppe eine formen im Terrorismus, so fallen häufig terroristische Tat begeht. Derartige Fälle die Begriffe „Leaderless Resistance“ und gab es auch in den skandinavischen Län- „Lone Wolf“.1 Die erstgenannte Formu- dern, wofür John Ausonius mit Schüssen lierung meint das Bestehen von kleinen auf Migranten in Serie 1990/91, Peter Gruppen mit nur wenigen Personen, die Mangs mit Morden an und Schüssen auf ohne Anleitung von einer Hierarchie oder Migranten 2003 und 2009/2010, Anders Zentrale eigenständig Anschläge und Behring Breivik mit Massenmorden an Attentate durchführen. Demnach geht es Jugendlichen 2011 und Anton Lundin hier um mehrere Einzelpersonen, aber Pettersson mit Morden an einer Schule nicht um einen größeren Personenzu- mit Migranten 2015 stehen. Breivik beging sammenschluss. Die Bezeichnung „Lone seine Gewalthandlungen in Norwegen, Wolf“ meint demgegenüber eine Einzel- die anderen drei Fälle stammen aus person, die ohne Anleitung von Anderen Schweden.

4 Interventionen. 08 | 2016 pixelio.de/momosu

Diese vier Beispiele für Einzeltäter- und de mentale und politische Prägungen, „Lone Wolf“-Terrorismus können dem welche die Entwicklung hin zu dieser be- Rechtsterrorismus zugeordnet werden. sonderen Form von Gewaltanwendung Dabei stellt sich die Frage nach den Be- erklären. Auch darauf soll gesondert ein- sonderheiten, woraus für solche Täter gegangen werden. Denn entgegen häu- und Taten eine Typologie entwickelt wer- fig kursierender Auffassungen meint die den kann. Eine Antwort darauf setzt die Rede vom Einzeltäter oder „Lone Wolf“ Betrachtung von Fallbeispielen voraus, nicht, dass dabei Bedingungsfaktoren wobei es erstens um die Beschreibung aus der Gesellschaft oder dem Rechts- der Ereignisse, zweitens um die Dar- extremismus keine Rolle spielen. stellung der Person und drittens um die Erörterung des Kontextes gehen soll.2 Zunächst bedarf es aber einer Arbeits- Der letztgenannte Aspekt nimmt folgen- definition für den „Einzeltäter- und ‚Lone den Gesichtspunkt gesondert in den Wolf’-Terrorismus“ (2.), allein schon um Blick: Auch der Einzeltäter- und „Lone der erwähnten Fehldeutung entgegen Wolf“-Terrorist wird nicht als ein solcher zu wirken. Danach erfolgt eine Beschrei- geboren. Es gibt bereits zuvor bestehen- bung und Untersuchung der erwähnten

Interventionen. 08 | 2016 5 SCHWERPUNKT | RECHTSEXTREME TÄTER

counterjihadnews

Beispiele entlang der genannten drei Einwirkens auf die Bevölkerung durchge- Gesichtspunkte: des Falls „Josef Auso- führt werden und dabei die Möglichkeit nius“ (3.), des Falls „Peter Mangs“ (4.), des gewaltfreien und legalen Agierens des Falls „Anders Behring Breivik“ (5.) zu diesem Zweck als Handlungsoption und des Falls „Anton Lundin Pettersson“ ausschlagen sowie die Angemessenheit, (6.). Dem schließen sich Betrachtungen Folgewirkung und Verhältnismäßigkeit zu den Auffälligkeiten beim Blick auf die des angewandten Mittels ignorieren. Bei Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Definition wurden gegenüber einer (7.), eine Diskussion der politischen und Erstfassung3 zwei Veränderungen vorge- psychischen Bedingungsfaktoren (8.), nommen: Es heißt hier „nicht-staatliche eine Einschätzung zur Einbettung in den Akteure“ statt „nicht-staatliche Gruppen“, Rechtsextremismus und zum Einfluss geht es doch im Folgenden um Indivi- aus der Gesellschaft (9.) und eine Erör- duen. Das Phänomen „Einzeltäter“ und terung zur Bedeutung der Kommunika- „Lone Wolf“ fand in der Erstfassung nicht tion und zur Planung der Taten an. Der genügend Aufmerksamkeit. Und dann folgende Blick auf deutsche und skan- fehlt auch die Bezeichnung „gegen eine dinavische Fälle macht dann noch den staatliche Ordnung“, da sich insbesonde- Nutzen einer internationalen und län- re Rechtsterroristen gegen andere Teile derübergreifenden Perspektive deutlich der Gesellschaft wenden. Gleichwohl (11.), kann doch erst dadurch als Bilanz agieren sie damit auch gegen das Ge- für Täter und Taten eine Typologie (12.) waltmonopol des Staates. entwickelt werden. Bei dem Einzeltäter- bzw. „Lone Wolf“- Arbeitsdefinition: Einzeltäter- und Terrorismus4 handelt es sich dann um „Lone Wolf“-Terrorismus politisch motivierte Akteure im genann- ten Sinne, denen noch weitere Merkma- Am Beginn steht eine allgemeine Begriffs- le eigen sind: Sie agieren erstens allein bestimmung von „Terrorismus“. Es geht als Individuen, sie folgen zweitens keiner dabei um alle Formen von politisch moti- Gruppe und ihre Handlungen sind drittens vierter Gewaltanwendung, die von nicht- selbstbestimmt. Dabei fällt der Blick auf staatlichen Akteuren in systematischer die konkrete Tat, d.h. ein Einzeltäter kann Form mit dem Ziel des psychologischen durchaus Angehöriger einer Gruppe oder

6 Interventionen. 07 | 2016 DAS „LONE-WOLF“-PHÄNOMEN IM RECHTSTERRORISMUS IN SKANDINAVIEN

Mitglied einer Organisation gewesen oder Opfer geschossen hatte. Am 3. August „Sie agieren erstens noch sein. Der entscheidende Aspekt be- 1991 erfolgte ein erster Anschlag, dem allein als Individuen, steht darin, dass der Anschlag oder das bis zum 30. Januar 1992 noch weitere sie folgen zweitens Attentat als konkrete Handlung von ihm Taten folgen sollten. Ein Mensch wurde keiner Gruppe und ihre selbst ohne Einwirkung von Hierarchie dabei getötet, die anderen acht Opfer Handlungen sind drit­ oder Struktur umgesetzt wurde. Die Be- überlebten teilweise schwer verletzt. Bei tens selbstbestimmt. zeichnung „Lone Wolf“-Terrorist steht le- ihnen handelte es sich ausnahmslos Dabei fällt der Blick diglich für die konkrete Tatplanung. Sie um Personen mit dunkler Haar- und / bestreitet weder, dass die Akteure sich oder Hautfarbe, womit sie in der Wahr- auf die konkrete Tat, beispielsweise von Fremdenfeindlichkeit nehmung des Ausonius alle auch aus d.h. ein Einzeltäter in der Gesellschaft motiviert fühlen, noch, größerer Entfernung als Migranten wahr- kann durchaus Ange­ dass ihre einschlägige Gewalt- und Ideo- nehmbar waren. Die meisten Betroffenen höriger einer Gruppe logiefixierung eine Folge der Sozialisati- arbeiteten als Kioskbetreiber oder gehör- oder Mitglied einer on in der rechtsextremistischen Szene ten zu den Studenten in oder Organisation gewesen ist. Die Annahme, wonach ein Rechtster- Uppsala. Bei seinen Attentaten nutzte oder noch sein.“ rorist keine derartige Prägungen aufwei- der Täter zunächst das erwähnte La- se, wäre wirklichkeitsfremd.5 sergewehr, später auch einen Revolver. Demnach gab er die Schüsse sowohl Daher lässt sich bezogen auf Beein- aus einer gewissen Entfernung wie un- flussung durch oder Nähe zu rechtsex- mittelbarer Nähe ab. Durch mühevolle tremistischen Organisationen folgende Kleinarbeit, die mit der Prüfung eines be- idealtypische Stufung vornehmen: Es stimmten Fahrzeugstyps verbunden war, kann erstens ideologische Akzeptanzen gelang der Polizei die Verhaftung des geben, welche aber durch Einstellungen Täters. in der Gesellschaft und nicht durch Pro- paganda von Rechtsextremisten aufka- Dabei handelte es sich um den 1953 ge- men. Es kann zweitens mediale Kontakte borenen John Ausonius, der in seinem geben, die durch die Lektüre von Inter- bisherigen Leben bereits zweimal zuvor netseiten oder Publikationsorganen von seinen Namen gewechselt hatte. Da sei- Rechtsextremisten entstanden. Und es ne Eltern eine Deutsche und ein Schwei- kann drittens personelle Verbindungen zer waren, verfügte Ausonius selbst über geben, die die Aktivität oder Mitglied- einen Migrationshintergrund. Aufgrund schaft in Organisationen voraussetzen. seiner schwarzen Haare soll er nach Aus- Dabei lassen sich für den letztgenannten sagen vor Gericht bzw. gegenüber einem Fall zwei Formen unterscheiden, wobei Journalisten selbst als Ausländer in der der Einzeltäter jeweils gewaltbezogen Schule gehänselt worden sein. Bereits wie ideologisch in einer rechtsextremis- früh fielen seine Einsamkeit und Isolation tischen Organisation sozialisiert wurde: auf, welche psychiatrische Behandlun- Der Gemeinte gehört mangels Engage- gen nach sich zogen. Gleichwohl lernte ment einer solchen Gruppe nicht mehr an Ausonius im Rahmen seines Wehrdiens- und entschied sich im Lichte seiner Prä- tes den Umgang mit Waffen. Seit 1980 gungen allein zur Tat. Er kann aber auch beging er häufiger Betrugs- und Gewalt- noch Angehöriger einer solchen Gruppe delikte. Darüber hinaus führte Ausonius sein, ohne seine Handlungen deren Mit- mehrfach Banküberfälle durch, um seine gliedern kommuniziert zu haben. in Pfandhäusern anstehenden Schulden zu begleichen. Eine ausgeprägte Ge- Der Fall „John Ausonius“: Schüsse waltneigung war ihm nicht nur in dieser auf Migranten in Serie (1990/91 Lebensphase eigen. Selbst gegen seine ersten und dann auch seine zweiten bei- Der Fall „John Ausonius“6 wurde durch den Anwälte ging Ausonius gewaltsam die Bezeichnung „Lasermann“ in Literatur vor. 1994 wurde er von einem Gericht zu und Medien bekannt, weil der Täter zu- einer lebenslangen Freiheitsstrafe verur- nächst mit einem Lasergewehr auf seine teilt.

Interventionen. 07 | 2016 7 SCHWERPUNKT | RECHTSEXTREME TÄTER

Ausonius gehörte keiner politischen Or- Wohnhäuser, ohne dabei Menschen zu ganisation an. Er entwickelte aber schon verletzen. Indessen wurden in einem an- früh eine fremdenfeindliche Einstellung, deren Fall zwei Frauen in der Hand bzw. die ihn zu seinen Handlungen motivierte. im Rücken getroffen. Der Festnahme des Ausonius erklärte in den Gesprächen mit Täters erfolgte am 9. November 2010. einem Journalisten: Zunächst habe er kri- minelle Ausländer angreifen wollen, aber Dabei handelte es sich um den 1972 ge- solche nicht als potentielle Opfer gefun- borenen Peter Mangs, der 2012 für zwei den. Danach hätten sich seine Gewaltta- Morde und vier Mordversuche angeklagt ten gegen eher zufällig ausgewählte Mi- und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe granten gerichtet. Ausonius wähnte sich verurteilt wurde. Da seine Eltern sich früh dabei im Einklang mit einem Großteil der getrennt hatten, wuchs Mangs allein mit Menschen in Schweden. Auffällig waren seiner Mutter auf. Bereits früh entwickel- darüber hinaus seine Anmerkungen zur te er ein starkes Musikinteresse und ging damals aufstrebenden – als rechtspopu- nach dem Gymnasium an die Jazz-Ab- listisch geltenden – Partei „Ny demokrati“ teilung einer Volkshochschule. Danach („Neue Demokratie“), die mit fremden- begann Mangs eine Tischlerlehre, um so feindlichen Auffassungen einige Erfolge besser Musikinstrumente bauen zu kön- bei Wahlen erzielen und die Stimmung nen. Zwischen 1996 und 1999 lebte er in im Land mitprägen konnte: Er habe sie den USA bei seinem Vater und versuchte gewählt, gehörte ihr aber nicht an. Für die dort eine Karriere im Musikbereich. Da neonazistische und rassistische Szene diese letztlich trotz Aufnahmen für einen war Ausonius ein Held. Bei Demonstra- Tonträger scheiterte, kehrte Mangs nach tionen der damaligen „Sverigedemokra- Schweden zurück, um sich ab 2002 in terna“ („Schwedendemokraten“) riefen der Krankenpflege ausbilden zu lassen. Anhänger: „Lasermann, schieß, um zu Er wurde auch Mitglied in einem Schüt- töten!“. zenverein und erwarb eine Waffenlizenz. 2004 bekam Mangs eine Anstellung als Der Fall „Peter Mangs“: Morde an zahntechnischer Assistent. Mittlerweile und Schüsse auf Migranten (2003 und hatte er seinen ersten Mord begangen, 2009/10) war aber aufgrund des Fehlens von An- haltspunkten für eine Schuld nicht auf- Bei dem Fall „Peter Mangs“7 geht es um gefallen. Die Tat blieb zunächst unaufge- Mordversuche in Serie, die in Malmö klärt. meist auf Menschen mit Migrationshin- tergrund erfolgten: Eine erste Tat ereig- Bei der Serie von Schüssen, die zwi- nete sich bereits am 13. Juni 2003, als schen Oktober 2009 und Oktober 2010 Kooros Effatian mit einem Brustschuss erfolgten, sahen die Polizeibehörden tot auf seinem Sofa gefunden wurde. Die anfänglich keine Verbindung. Eine Ge- Aufklärung des Tathintergrundes erfolgte meinsamkeit gab es indessen doch: erst Jahre später. Am 10. Oktober 2009 Alle Betroffenen waren bis auf das ers- begann eine Serie an Schüssen mit ei- te bzw. zweite Mordopfer dunkelhäutige nem großkalibrigen Gewehr, wobei der Menschen. Mangs’ fremdenfeindliche Schütze zunächst auf ein Auto feuerte. Motive führten zu den Schüssen. Er Dabei wurde die gebürtige Schwedin selbst behauptete gegenüber der Polizei Trez West Persson getötet und ihr dun- in den späteren Verhören, kein Rassist kelhäutiger Begleiter schwer verletzt. Bis zu sein. Gleichwohl hatte Mangs einige zum 30. Oktober 2010, also ein ganzes Publikationsorgane aus dem rechtsext- Jahr lang, kam es zu weiteren Vorfällen remistischen Spektrum abonniert und in dieser Art. Dabei erhielten zwei Männer Internetforen antisemitische und frem- einen Bein- bzw. Brustschuss, überlebten denfeindliche Kommentare hinterlassen. aber. Bei anderen Gelegenheiten erfolg- Er gehörte allerdings keiner politischen ten Schüsse auf eine Moschee oder auf Organisation an und handelte offenkun-

8 Interventionen. 07 | 2016 THE “I” OF ISIS

pixelio.de/Dietmar Meinert

dig eigenständig. Mangs, der bei seiner norwegischen Sozialdemokraten statt. Entdeckung bzw. Verhaftung 38 Jahre alt Als Polizist verkleidet erweckte der Tä- war, soll am Asperger Syndrom leiden. ter zunächst den Eindruck, er wolle über Dabei handelt es sich um eine besondere den Anschlag in der Hauptstadt Norwe- Form von Autismus, die im Kommunika- gens informieren. Danach schoss er auf tions- und Kontaktverhalten auch in ein- die Anwesenden und tötete in über einer geschränkten und stereotypen Aktivitäten Stunde insgesamt 69 Menschen. Nur kur- zum Ausdruck kommt. Gleichwohl wurde ze Zeit vor seiner Ankunft hatte die frühe- Mangs vom Gericht als voll schuldfähig re norwegische Ministerpräsidentin Gro verurteilt. Halem Brundland die Insel verlassen. Es handelte sich bei dem Täter um den Der Fall „Anders Behring Breivik“: 1979 geborenen Anders Behring Breivik, Massenmorde an Jugendlichen (2011) der demnach als 32jähriger die Morde be- gangen hatte. Bei der Gerichtsverhand- Bei dem Fall „Anders Behring Breivik“8 lung wurde bekannt, dass er als Kind als handelt es sich um einen Massenmord anstrengend und verhaltensauffällig galt. an Jugendlichen, dem noch ein anderer Seine alleinerziehende Mutter bat mehr- Anschlag vorausgegangen war: Am 22. fach eine Familienberatungsstelle um Hil- Juli 2011 stellte ein Mann einen Klein- fe und lies ihr Kind von einem Psychiater transporter im Regierungsviertel von behandeln. Breivik verließ das Gymnasi- Oslo ab. Kurz danach explodierte die um ohne Abschluss und gründete einige darin enthaltene Bombe, wodurch acht wirtschaftlich wenig erfolgreiche Firmen. Menschen ums Leben kamen. Das Fahr- Darüber hinaus begann er mit Betrüge- zeug stand direkt an dem Gebäude, an reien und Geldwäsche eine kriminelle dem der damalige norwegische Minis- Karriere. Außerdem verlor Breivik bei terpräsident Jens Stoltenberg sein Büro Aktienspekulationen einen großen Anteil hatte. Anschließend fuhr der Täter zu von seinem Vermögen. Anschließend einem Binnensee in der Nähe von Oslo zog er wieder zu seiner Mutter. 2009 und setzte mit einer Fähre auf die Insel gründete Breivik ein eigenes Agrarunter- Utoya über. Dort fand an diesem Tag eine nehmen mit Eintrag im Handelsregister, Konferenz der Jugendorganisation der wofür zwei Monate vor den Anschlägen

Interventionen. 07 | 2016 9 SCHWERPUNKT | RECHTSEXTREME TÄTER

sechs Tonnen Kunstdünger gekauft wur- Independence“) enthielt. Darin bekun- den. Das darin enthaltene Ammoniumni- dete der Autor, dass ein Kampf gegen trat nutzte er, um die Bombe für die Ex- die „Kulturmarxisten“ – womit die „Mul- plosion in Oslo zu bauen. Breivik wurde tikulturalisten“ gemeint waren – geführt zu 21 Jahren Haft mit anschließender werden müsse. So erklärt sich auch die Sicherungsverwahrung verurteilt. Auswahl der Opfer, machte Breivik doch die damalige sozialdemokratische Regie- Er handelte bei der Durchführung und rungspartei und damit auch ihre Jugend- Planung des Anschlags und der Morde organisation für die beklagte Entwicklung allein. Breivik hatte zwar zuvor seit 1999 verantwortlich. der fremdenfeindlich orientierten „Frems- krittspartiet“ („Fortschrittspartei“) ange- Der Fall „Anton Lundin Pettersson“: hört, trat indessen in 2006 wieder aus, Morde an einer Schule mit Migranten weil ihm die Partei zu gemäßigt schien. (2015) Danach war Breivik nicht mehr Mitglied einer politischen Organisation, engagier- Der Fall „Anton Lundin Pettersson“9 mün- te sich jedoch im Internet als Kommen- dete in zwei Morden und zwei Körperver- tator auf fremden- und islamfeindlichen letzungen an einer Schule in Schweden: Seiten. Kurz vor dem Anschlag verschick- Am 22. Oktober 2015 betrat ein verklei- te er an über 1000 Empfänger per E-Mail deter Mann die „Kronan“-Grundschule in eine Datei, die einen 1.500seitigen eng- Trollhättan, die für einen besonders ho- lischsprachigen Text mit dem Titel „2083. hen Anteil von Kindern aus Migrantenfa- Eine Europäische Unabhängigkeitserklä- milien bekannt ist. Die Person trug einen rung“ („2083: A European Declaration of Helm, eine Maske und einen Umhang,

pixelio.de/Renate Hermesmeier

10 Interventionen. 07 | 2016 DAS „LONE-WOLF“-PHÄNOMEN IM RECHTSTERRORISMUS IN SKANDINAVIEN

ganz nach der Art der „Darth Vader“-Fi- jahung von Hasspropaganda einher. So gur aus den „Star Wars“-Filmen. Außer- besuchte er auch Internet-Seiten, die dem hatte er ein scharfes Schwert dabei. offen zur Anwendung von Gewalt gegen Zunächst hielten die Kinder den Mann für Migranten aufriefen. Pettersson agierte eine Spaßfigur, entstanden doch Handy- – was die Existenz des Abschiedsbriefs, Fotos mit ihm. Danach betrat die verklei- die Form der Kleidung und die Nutzung dete Person die Schule und tötete einen eines Schwertes belegen - nicht spon- Referendar und einen Schüler. Außer- tan, sondern systematisch. Er nahm dem verletzte er zwei weitere Menschen sich dabei als Akteur einer politischen lebensgefährlich. Alle Betroffenen hatten Bewegung gegen Migranten wahr. Die einen Migrationshintergrund, was für die Anregung zu den Morden kam von au- fremdenfeindliche Motivation des Täters ßen, die Entscheidung zu den Taten aber stand. So war etwa der getötete Schüler von innen. Laut den Erkenntnissen des drei Jahre zuvor aus gekom- staatlichen Medienrates können die von men. Erst durch das Eingreifen der Poli- Pettersson konsumierten Internet-Seiten zei konnte der Täter gestoppt werden, er deutlich mehr Zugriffe verzeichnen als erlag den Folgen von Schussverletzun- die aller etablierten schwedischen Partei- gen noch am gleichen Tag. en zusammen. So fanden sich dort nach dem Anschlag auch mehrere Kommenta- Es handelte sich um den 1994 gebore- re, die Pettersson als den „schwedischen nen Anton Lundin Pettersson, der als Anders Breivik“ feierten. Praktikant in einem Unternehmen in Trollhätten arbeitete. Nach Aussagen Auffälligkeiten beim Blick auf die Ge- seines persönlichen Umfeldes galt er als meinsamkeiten und Unterschiede ruhig und lebte zurückgezogen. Petters- son habe häufig im Internet gesurft und Bei der Betrachtung der vier Fälle in der lautstarke Hiphop-Musik verabscheut. Gesamtschau fällt auf: Es gibt eine Fül- Einer politischen – insbesondere rechts- le von Gemeinsamkeiten, aber auch von extremistischen Organisation – gehör- Unterschieden. Zunächst kann man fest- te er nicht an. Gleichwohl bewegte sich stellen, dass es sich bei den Tätern nur Pettersson häufig im Internet auf Seiten um Männer handelt.10 Allgemein besteht mit fremdenfeindlichen und rechtsextre- bei Gewalttaten politischer wie nicht-po- mistischen Inhalten: Dazu gehörten etwa litischer Motivation ein überdurchschnitt- glorifizierende Darstellung von Hitler und lich hoher Männeranteil. Eine Ausnahme dem Nationalsozialismus oder Filme über bildete im Bereich des Terrorismus die ein behauptetes „multikulturelles Höllen- „zweite Generation“ der „Rote Armee projekt“. Darüber hinaus unterstützte er Fraktion“, wo der Frauenanteil größer als eine Kampagne der „Schwedendemo- der Männeranteil war. Den dafür bedeut- kraten“ zur Durchführung einer Volksab- samen Gründen soll hier aber angesichts stimmung zur Flüchtlingsfrage. Die Tat- einer anderslautenden Themenstellung planung geht nicht nur aus der Wahl der nicht nachgegangen werden. Darüber Kleidung, sondern aus einem Brief in der hinaus besteht eine Gemeinsamkeit, die Wohnung hervor. Darin hatte Pettersson jedoch ohnehin konstitutiv für die Wahl seine Abscheu vor der schwedischen Mi- der Fallbeispiele war, in der Bereitschaft grationspolitik betont und die Notwendig- zur und Praxis von Gewalt sowie in der keit seiner folgenden Taten beschworen. nach der Ideologie erfolgten Opferaus- wahl. John Ausonius, Peter Mangs und Der 21jährige Täter hat demnach al- Anton Lundin Pettersson wählten jeweils lein gehandelt, ist dabei aber sehr wohl Menschen mit Migrationshintergrund als geplant vorgegangen. Er radikalisierte Tatopfer, während Anders Behring Breivik sich selbst durch die Lektüre einschlä- gegen politische Akteure Gewalt ausüb- giger Internet-Seiten. Die Ablehnung der te, die sich direkt oder indirekt für Migran- Flüchtlingspolitik ging dabei mit der Be- ten eingesetzt hatten.

Interventionen. 07 | 2016 11 SCHWERPUNKT | RECHTSEXTREME TÄTER

Demnach ergibt sich die politische Mo- Festnahme reduziert, was für die hier ge- tivation der Täter aus der konkreten nannten Täter wohl nicht so wichtig war. Opferauswahl, da die Betroffenen den typischen Feindbildgruppen von Rechts- Einschätzung von politischen und extremisten zugeordnet werden können. psychischen Bedingungsfaktoren Entweder vor oder nach den Anschlägen und Attentaten formulierten sie einschlä- Eine weitere Auffälligkeit und Gemein- gige Bekundungen, die eben die Eigen- samkeit macht der Blick auf die Lebens- schaften der Opfer als motivierend für wege der Einzeltäter- und „Lone Wolf“- die Handlungen nannten. Dabei kam der Terroristen deutlich: Denn bei einigen Fremdenfeindlichkeit der höchste Stel- bestanden psychische Auffälligkeiten be- lenwert zu. Die Angriffe auf politische reits in der Jugend. Darüber hinaus han- „Demnach ergibt sich Akteure hatten denn auch diesen Hinter- delt es sich meist um beruflich geschei- die politische Moti­ grund, da das Engagement für Migran- terte wie sozial isolierte Personen: John vation der Täter ten bei der Opferwahl entscheidend war. Ausonius war bereits in jungen Jahren in aus der konkreten Bezogen auf die Einbindung bzw. die psychiatrischer Behandlung und beging Opferauswahl, da Mitgliedschaft in eine politische Organi- Betrügereien und Gewalttaten; Peter die Be­troffenen den sation existieren bei den genannten vier Mangs kam aus einer zerrütteten Familie Fällen weitere Gemeinsamkeiten: John und konnte seine beruflichen Pläne nicht typischen Feind­ Ausonius, Peter Mangs und Anton Lunin verwirklichen; Anders Behring Breivik er- bildgruppen von Pettersson gehörten zuvor keiner rechts- hielt ebenfalls bereits als Jugendlicher Rechts­extremisten extremistischen Gruppe oder Partei an. eine psychiatrische Betreuung und schei- zuge­ordnet werden Anders Behrng Breivik war Mitglied der terte mit mehreren eigenen Firmengrün- können“ „Fremskrittspartiet“, die zwar eine frem- dungen; Anton Lundin Pettersson lebte denfeindliche, aber keine gewaltorientier- auffällig isoliert und sozial zurückgezo- te Position vertritt. Außerdem hatte Brei- gen. Da keiner der Genannten einer po- vik lange zuvor mit ihr gebrochen. litischen Gruppe angehörte, kommt ihrer Persönlichkeit ein hoher Stellenwert zu. Und dann bestehen noch einige Gemein- Bestimmte frühkindliche Prägungen dürf- samkeiten hinsichtlich der Auswahl der ten zu den Faktoren späteren Scheiterns jeweiligen Mittel: Nur bei Anders Behring zu zählen sein, wobei die Enttäuschun- Breivik kam beim ersten Anschlag in Oslo gen in Berufs- und Privatleben die Ent- noch ein aus der Entfernung gezündeter wicklung hin zu den Taten vorantrieben. Sprengsatz zum Einsatz. Danach beging Daher stellt sich hier die Grundsatzfra- er seine Morde mit einer Schusswaffe in ge: Welchen Einfluss haben politische einer Situation von Angesicht zu Ange- und welchen Einfluss haben psychische sicht. John Ausonius und Peter Mangs Bedingungsfaktoren für die jeweiligen schossen aus größerer Entfernung mit Taten? Die Anwälte der Beschuldigten einem Gewehr. Ausonius bediente sich stellten häufig auf die letztgenannten As- später aber auch eines Revolvers, womit pekte ab, um die Frage der Schuldfähig- er aus kürzerer Distanz schoss. Demge- keit in einem strafmindernden Interesse genüber nutzte Anton Lundin Pettersson zu thematisieren. Dies soll indessen hier eine Hieb- und Stichwaffe und töte bzw. keine nähere Aufmerksamkeit finden, verletzte seine Opfer ebenfalls in einer geht es doch um die Dimension des Po- Situation von Angesicht zu Angesicht. Ein litischen bei den Taten. Angesichts der derartiges Agieren ist bei terroristischen allgemein wie exemplarisch erwähnten Attentaten eher die Ausnahme, muss psychischen Besonderheiten der Ein- doch zuvor eine Hemmschwelle für die zeltäter wie auch deren beruflichen oder Tötung von Menschen überwunden wer- sozialen Scheiterns kommt jedoch mitun- den. Häufig werden solche Taten auf grö- ter die Deutung auf, es gehe hier jeweils ßere Distanz begangen, sei es durch ein um persönliche Dispositionen der Täter Gewehr oder einen Sprengsatz. Dadurch und es handele sich nur scheinbar um wird auch die Gefahr der Erkennung und eine politische Motivation. Derartige In-

12 Interventionen. 07 | 2016 DAS „LONE-WOLF“-PHÄNOMEN IM RECHTSTERRORISMUS IN SKANDINAVIEN

terpretationen erblicken im Ausdruck von Mitgliedschaft bestehen, die zu Einflüs- „Jedes der diskutier­ Fremdenfeindlichkeit oder Politikerhass sen durch Gewaltbereitschaft und Ideo- ten Beispiele macht lediglich die ideologische „Bekleidung“ logisierung führte. Auch dies lässt sich deutlich, dass es einen einer Tat, die in erster Linie durch die be- für keinen der erwähnten Täter belegen. konkreten Grund sonderen individual- wie sozialpsycholo- Zwar dürfte Anders Behring Breivik in der politischer Art für die gischen Rahmenbedingungen des Täters „Fremskrittspartiet“ eine Bestätigung für Auswahl der Opfer verursacht sei. seine fremdenfeindliche Einstellung er- bzw. der Opfergruppen halten haben. Deren Auffassungen wa- Gegen solche Auffassungen soll hier ren ihm aber zu gemäßigt, sodass er aus gab“ folgendes geltend gemacht werden: Der der Partei wieder austrat. Darüber hinaus Einfluss von politischen Faktoren spricht handelt es sich dabei nicht um eine ge- nicht notwendigerweise gegen den Ein- waltbefürwortende politische Organisati- fluss von psychischen Faktoren. Da die on. Motive und Ursachen auf unterschiedli- chen Ebenen angesiedelt sind, muss das Die Kategorie „mediale Kontakte“ meint, eine nicht zwangsläufig das andere aus- dass Einzeltäter- und „Lone Wolf“-Terro- schließen. Darüber hinaus besteht bezo- risten in den Rechtsextremismus hinein gen auf zwei Aspekte jeweils Erklärungs- keine personellen Verbindungen haben. bedarf für die hier geschilderten Fälle: Indessen bestehen einseitige - also nur die Gewaltanwendung wie die Opferaus- von den späteren Tätern ausgehende wahl. Bei der Bereitschaft zu Gewaltta- - Beziehungen durch die Lektüre ein- ten kommt den psychischen Faktoren schlägiger Internetseiten und Publikati- sicher eine herausragende Bedeutung onsorgane. Dabei lässt sich die Bedeu- zu. Dadurch erklärt sich aber nicht die tung neuer Kommunikationsmittel kaum konkrete Opferauswahl, für die es jeweils überschätzen: Bevor es das Internet ideologische Motive gibt. Denn ansons- gab, konnten Extremisten ihre politischen ten würden sich (Einzel)Täter je nach Auffassungen nur geringen Teilen in der Gelegenheit willkürlich und zufällig ihre Gesellschaft zugänglich machen. Dafür Ziele suchen. Genau dies ist aber nicht waren in der Regel eben „personelle Ver- der Fall: Jedes der diskutierten Beispiele bindungen“ nötig. Umso gewaltgeneigter macht deutlich, dass es einen konkreten und konspirativer rechtsextreme Zusam- Grund politischer Art für die Auswahl der menschlüsse agierten, desto schwieriger Opfer bzw. der Opfergruppen gab. waren Informationsvermittlung und Kon- taktaufnahmen. Das Internet macht dem- Einbettung in den Rechtsextre­ gegenüber einen problemlosen Zugang mismus und Einfluss aus der möglich. Anders Behring Breivik und An- ­Gesellschaft ton Lundin Pettersson stehen beispielhaft dafür. Der private Computer erlaubt den Dazu stellt sich hier die Frage nach der direkten Kontakt in die Medienwelt der Einbettung in den Rechtsextremismus Rechtsextremisten, wodurch eine Politi- und dem Einfluss aus der Gesellschaft. sierung und Radikalisierung ohne „perso- Bezogen auf den erstgenannten Bereich nelle Verbindungen“ erfolgte. soll noch einmal an die erwähnte Diffe- renzierung bzw. Typologisierung von Und schließlich sei auf die „ideologischen „ideologischen Akzeptanzen“, „medialen Akzeptanzen“ als Form der Einbettung Kontakten“ und „personellen Verbindun- nicht nur in den Rechtsextremismus ver- gen“ erinnert werden. Die engste Bezie- wiesen. Dabei kommt dem Blick auf die hung zum Rechtsextremismus besteht Gesamtgesellschaft hohe Bedeutung in der Mitgliedschaft in rechtsextremen zu, denn auch dort finden sich Frem- Organisationen zur Tatzeit. Dies war bei denfeindlichkeit und Rassismus als Ein- keinem der beschriebenen Fälle nach- stellungspotentiale und Mentalitäten in weisbar. Eine andere Form „personeller relevantem Ausmaß. Einschlägige Aver- Verbindungen“ würde in einer früheren sionen deuten Täter als Bestätigung für

Interventionen. 07 | 2016 13 SCHWERPUNKT | RECHTSEXTREME TÄTER

„Es lässt sich fast ihre Auffassungen und Handlungen. Da- naus bedurfte es einer geplanten und ­immer ein bestimm­ her meinen sie bei der Begründung für zeitaufwendigen Beschaffung der Mittel tes Kalkül aus­ ihre Gewalthandlungen, im Interesse der für Sprengsätze. Dies gilt auch - aber mit machen, das bezogen „schweigenden Mehrheit“ des Volkes zu geringerer Dimension - für den Gebrauch auf die konkreten sprechen. Dies gilt bei genauer Betrach- von Schusswaffen. Zwar hatte John Aus- Anschläge und Atten­ tung auch für die genannten Fälle: John onius seine diesbezüglichen Kompeten- Ausonius und Peter Mangs begingen ihre zen während der Ausbildung im Rahmen tate in einer länger­ Anschläge auf Migranten während des des Wehrdienstes oder Peter Mangs fristigen logistischen Anstiegs eines fremdenfeindlichen Kli- durch Mitgliedschaft und Übungen in Vorbereitung zum mas in der schwedischen Gesellschaft; Schützen- und Waffenvereinen erwor- Ausdruck kommt: auch Anders Behring Breivik agierte im ben. Gleichwohl bedingt zunächst der be- Alle Personen Kontext einer wachsenden Islam- und absichtigte und dann erfolgte Erwerb von ­wussten bereits beim Muslimenfeindlichkeit in der norwegi- Gewehren, Pistolen oder Revolvern ei- Frühstück, dass sie schen Öffentlichkeit; und Anton Lundin nen geplanten Gebrauch, der angesichts die Taten im Laufe Pettersson sah sich durch die zunehmen- der konkreten Handlungsbereitschaft und des Tages begehen de Aversionen gegen die Flüchtlingspoli- politischen Identität der Personen dann würden.“ tik in Schweden motiviert. in jeweils ihre rechtsterroristischen Taten mündete. Bedeutung der Kommunikation und Planung der Taten Und schließlich soll noch die Bedeutung der Kommunikation der „Lone Wolf“- Ein weiterer Gesichtspunkt, der für den Terroristen thematisiert werden. Es sei dezidiert politischen Charakter der er- daran erinnert, dass ein konstitutives wähnten Fälle von Einzeltäter- und „Lone Merkmal derartiger Gewalthandlungen Wolf“-Terrorismus spricht, kann im hohen in ihrer Funktion als „Kommunikations- Grad von Organisation und Planung ge- strategie“ besteht.11 Die Anschläge und sehen werden. Darin besteht auch die Attentate sollen Angst und Schrecken Differenz von eher spontanen zu eindeu- verbreiten und damit längerfristig im tig terroristischen Gewaltakten. Berück- Sinne des Täters zu einem politischen sichtigt man dazu die psychischen Auffäl- Wandel führen. Dies setzt voraus, dass ligkeiten vieler der beschriebenen Täter, Tatabsichten in der Öffentlichkeit erkannt kommt diesem Aspekt für die Gesamtbe- und entsprechend vom Täter kommu- wertung des Phänomens ein hoher Stel- niziert werden. Solche Kommunikation lenwert zu. Bei den erwähnten Anschlä- kann unterschiedlich erfolgen: Während gen und Attentaten lässt sich fast immer Linksterroristen in der Vergangenheit ein bestimmtes Kalkül ausmachen, das häufig ausführliche Begründungen er- bezogen auf die konkreten Anschläge stellten, verzichteten Rechtsterroristen und Attentate in einer längerfristigen lo- meist auf solche Bekennerschreiben. gistischen Vorbereitung zum Ausdruck Demnach handelt es sich bei dem von kommt. Man könnte hier das Bild nut- Anders Behring Breivik unmittelbar vor zen: Alle Personen wussten bereits beim seinen Taten verschickten 1.500seitigen Frühstück, dass sie die Taten im Laufe „Manifest“ eher um eine Ausnahme. Für des Tages begehen würden. Auch Anton Rechtsterroristen ergibt sich die Bot- Lundin Pettersson scheint hier keine Aus- schaft meist aus der Tat selbst. Bei den nahme gewesen zu sein, bedurfte doch von John Ausonius und Peter Mangs die Wahl einer besonderen Kleidung und durchgeführten Attentaten auf Migranten einer ungewöhnlichen Waffe einer gewis- bedurfte es für die fremdenfeindliche Bot- sen Vorbereitung. schaft keiner Kommunikation.

Ansonsten bestanden in allen anderen Deutsche und skandinavische Fälle Fällen längerfristige Planungen oder re- im Vergleich gelmäßig ausgeführte Taten: Bei Anders Behring Breivik scheint die Tatplanung Die vorstehenden Ausführungen bezo- gar um mehrere Jahre in Anspruch ge- gen sich nur auf vier Fälle in skandinavi- nommen zu haben. Allein die Erstellung schen Ländern. Allein daraus lassen sich seines „Manifests“, das zur Legitimation die Besonderheiten des Einzeltäter- und der Morde dienen sollte, musste lang- „Lone Wolf“-Phänomens im Rechtster- wierig aus unterschiedlichen Texten rorismus nicht ableiten, bedarf es dazu zusammengestellt werden. Darüber hi- doch noch der Analyse von Fällen in an-

14 Interventionen. 08 | 2016 DAS „LONE-WOLF“-PHÄNOMEN IM RECHTSTERRORISMUS IN SKANDINAVIEN

deren Ländern. Als Anstoß dazu sollen germeisterkandidatin Henriette Reker in hier komparative Betrachtungen mit vier Köln durch Frank S. hatte indessen eben- Beispielen aus Deutschland erfolgen: falls ein fremdenfeindliches Motiv, da die dem Fall „Josef Bachmann“ mit dem An- verletzte Politikerin für ihr Engagement schlag auf Rudi Dutschke 196812, dem für Flüchtlinge bekannt war. Bei den an- Fall „Uwe Behrendt“ mit dem Mord an deren Fällen in Deutschland kam indes- einem jüdischen Verleger 198013, dem sen dem Hass auf Juden und Linke grö- Fall „Kay Diesner“ mit dem Anschlag auf ßere Bedeutung zu: Uwe Behrendt tötete einen Buchhändler 199714 und dem Fall einen jüdischen Verleger und seine Le- „Frank S.“ mit dem Anschlag auf eine bensgefährtin, Josef Bachmann schoss Bürgermeisterkandidatin 201515. Als Ge- auf einen linken Aktivisten und Kay Dies- meinsamkeiten mit den Gewaltakten aus ner auf einen linken Buchhändler. den skandinavischen Ländern lässt sich festhalten: Auch diese Einzeltäter hat- Ein noch bedeutsamerer Unterschied ten bereits in ihrer Kindheit und Jugend besteht darin, dass bei den deutschen psychische Probleme, sie galten ange- Fällen alle Täter zuvor Mitglied in einer sichts von Arbeitslosigkeit und Arbeits- gewaltorientierten rechtsextremistischen platzwechsel als beruflich gescheitert Gruppierung waren, bei den skandinavi- und rechtsextremistische Feindbilder be- schen Fällen gehörte indessen kein Täter stimmten jeweils die Opferwahl. einer solchen Organisation an. Für die erwähnten Beispiele aus der Bundesre- Gleichwohl lassen sich bereits im letzt- publik Deutschland greift denn auch die genannten Aspekt bei genauerem Blick erwähnte Differenzierung bzw. Typolo- durchaus Unterschiede konstatieren. gisierung hinsichtlich der „personellen Denn bei den behandelten Fällen in den Verbindungen“: Uwe Behrendt und Kay skandinavischen Ländern spielte allein Diesner gehörten während ihrer Gewalt- die Fremdenfeindlichkeit eine Rolle. handlungen einer rechtsextremistischen Auch der Anschlag und die Morde von Gruppierung an, Josef Bachmann und Breivik, die gegen Angehörige einer so- Frank S. hatten sich früher in einer sol- zialdemokratischen Jugendorganisation chen Organisation engagiert und waren und Gebäude der sozialdemokratischen durch sie politisch sozialisiert worden. Regierung gerichtet waren, hatten die- Demnach lassen sich mit Blick auf die sen ideologischen Hintergrund. Bei den vier Fälle in den skandinavischen Län- erwähnten Fällen in Deutschland waren dern allein die Besonderheiten des „Lone in keinem Fall jeweils Migranten die Op- Wolf“-Phänomens im Rechtsterrorismus fer. Der Anschlag auf die damalige Bür- nicht wahrnehmen. Es bedarf einer in-

Interventionen. 08 | 2016 15 SCHWERPUNKT | RECHTSEXTREME TÄTER

ternationalen, also länderübergreifen- dagegen, vom „Lone Wolf“-Terrorismus den Perspektive. Deren Aufmerksamkeit zu reden, da damit lediglich der alleinige müsste sich auch auf Fälle aus anderen Beschluss und die eigenständige Durch- Ideologiebereichen des Terrorismus rich- führung der Tat gefasst wird. ten. Und schließlich können Differenzierun- Schlusswort und Zusammenfassung gen und Typologisierungen hinsichtlich der Strategie erfolgen, wobei zunächst Beim Blick auf die beschriebenen Fälle ein absichtsvolles Agieren bezogen auf und komparativen Reflexionen stellt sich „die konkrete Tat“ und hinsichtlich „der po- die Frage, welche Besonderheiten des litischen Wirkung“ unterscheidbar ist. Bis Einzeltäter- und „Lone Wolf“-Terrorismus auf drei Fälle – dem Anschlag von Josef im Sinne einer Typologisierung unter- Bachmann auf Rudi Dutschke, dem Mord schieden werden können. Als allgemei- von Uwe Behrendt an Shlomo Lewin und ne Kriterien dazu bieten sich die „Kern- dem Attentat von Franz S. auf Henriette stücke“ des E-IOS-W-Schemas16, also Reker – richteten sich die Gewalttaten „Ideologie“, „Organisation“ und „Strate- nicht gegen besonders ausgewählte kon- gie“ an. Bezogen auf den erstgenannten krete Menschen, sondern gegen situativ Gesichtspunkt soll hier von einer „eigen- und daher zufällig gewählte Personen. ständig entwickelten“ und einer „inhaltlich Dabei gingen die Täter durchaus geplant übernommenen Ideologie“17 die Rede und gezielt vor. Erkennbar sollte bei den sein. Dabei ist die Einteilung nicht ein- Fällen in den skandinavischen Ländern fach, weil Bekennungen nur in wenigen eine bestimmte politische Botschaft im Fällen von den Täter vorgenommen wur- fremdenfeindlichen Sinne vermittelt wer- den. Aktivisten früherer oder gegenwärti- den: „ihr gehört nicht hierher“ oder „ver- ger Neonazi-Gruppen wie Uwe Behrendt schwindet von hier“. Indessen gab es und Kay Diesner übernahmen deren ein- nur in wenigen Fällen dezidiertere Aus- schlägige Auffassungen. Demgegenüber sagen zur beabsichtigen politischen Wir- handelte es sich bei John Ausenius und kung. Am deutlichsten formulierte Anders Anders Behring Breivik um Protagonisten Behring Breivik seine politische Absicht, einer „eigenständig entwickelten Ideolo- der binnen einer Stunde mehr Menschen gie“, die nicht mit der von heutigen An- tötete als die deutsche RAF in den 28 hängern des historischen Nationalsozia- Jahren ihrer Existenz. lismus oder anderen Rechtsextremisten identisch war.

Bei Einzelpersonen lässt sich bezogen AUTOR auf „Organisation“ als Personenzusam- Prof. Dr. phil. Armin Pfahl- menschluss nichts sagen. Gemeint ist Traughber, hier auch die bereits ausführlicher er- Politikwissenschaftler und Sozio- läuterte Differenzierung „ideologische loge (Jg. 1963), ist hauptamtlich Akzeptanzen“, „mediale Kontakte“ und Lehrender an der Hochschule „personelle Verbindungen“, welche das des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl jeweilige Ausmaß von individueller Nähe mit den Arbeitsschwerpunkten Politischer Extre- zu rechtsextremistischen Organisationen mismus und Politische Ideengeschichte. Er gibt erfassen will. Gerade dies macht deutlich, dort auch das „Jahrbuch für Extremsmus- und dass von einem Einzeltäter- und „Lone Terrorismusforschung“ heraus. Wolf“-Terrorismus nicht losgelöst von der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und der rechtsextremistischen Szene gesprochen werden kann. Auch wenn ______die jeweiligen Akteure vom Entschluss 1 Vgl. Jeffrey Kaplan/Helene Lööw/Leena Kalkki (Hrsg.), über die Planung bis zur Umsetzung al- Lone Wolf and Autonomous Cell Terrorism, Abingdon 2015; George Michael, Lone Wolf Terror and the Rise of lein aufgrund ihrer Entscheidung und un- Leaderless Resistance, Nashville 2012. abhängig von Weisungen handelten, so 2 Damit der Fußnotenapparat nicht vom Umfang her können befördernde Einflüsse auf den gesprengt wird, erfolgen bei der Darstellung der jeweiligen Fälle zu Beginn lediglich zwei Literaturhinweise. unterschiedlichsten Ebenen durch die 3 Vgl. Armin Pfahl-Traughber Extremismus und Terrorismus. erwähnte Typologie verdeutlicht werden. Eine Definition aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: Ders. (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terroris- Derartige Erkenntnisse sprechen nicht musforschung 2008, Brühl 2008, S. 9-33, hier S. 33.

16 Interventionen. 08 | 2016 DAS „LONE-WOLF“-PHÄNOMEN IM RECHTSTERRORISMUS IN SKANDINAVIEN

4 Vgl. Jeffrey D. Simon, Lone Wolf Terrorism. Understan- LITERATURVERZEICHNIS ding the Growing Threat, New York 2013: Ramón Spaaij, Understanding Lone Wolf Terrorism. Global Patterns, Motivations and Prevention, Dordrecht 2012. Balzter, Sebastian (2015): Hassparolen aus dem Internet, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. Oktober, S. 4. 5 Dies behauptet die Definition von Einzeltäter- und „Lone Wolf“-Terrorismus gar nicht, woraus dann Behauptungen Bangstad, Sindre (2014): Anders Breivik and the Rise of Isla- mit Fehldeutungen und Missverständnisse bis hin zur mophobia, Zed Books, London. Unterstellung von Relativierungen und Verharmlosungen führten und führen. Eine derart enge Definition erklärt Benedict, Laura (1998): Sehnsucht nach Unfreiheit. Der Fall auch, warum die folgende Analyse den „Lone Wolf“-Terro- Kay Diesner und die rechte Szene. Ermittlungen am Ort rismus für einen Mythos hält: Gerry Gable/Paul Jackson, des Geschehens, Edition Ost, Berlin. Lone Wolves: Myth or Reality? A Searchlight Report, Ilford o. J. Borchgrevink, Aage Storm (2012): En norsk tragedie. Anders Behring Breivik og veiende til Utoya, Gyldendal, Oslo. 6 Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Manifestes Hassbild. Der „Lasermann“ Anfang der 90er Jahre in Schweden – ein Bühring, Agnes (2012): Der Prozess gegen Peter Mangs Vorbild für den NSU-Terror? (25. Mai 2012), in: www.bnr. befeuert die Debatte über rechtsradikale Strömungen in de; Gellert Tamas, Der Lasermann. Vom Eliteschüler zum Schweden (16. Juli), in: www.deutschlandradiokultur.de. Serientäter. Ein Buch über Schweden, Leipzig 2007. Erb, Najdja (2013): Kay Diesner und der Rechtsextremismus: 7 Vgl. Agnes Bührig, Vernetzte Einzeltäter. Der Prozess Einmal Nazi, immer Nazi? (21. Feburar), in: www.fr-online. gegen Peter Mangs befeuert die Debatte über rechtsra- de. dikale Strömungen in Schweden (16. Juli 2012), in. www. deutschlandradiokultur.de.; Joakim Palmkvist, Äventyr i Gable, Terry/Jackson, Paul (o.J.): Lone Wolfs: Myth or Rea- Svenssonland: Seriemördaren Peter Mangs, Stockholm lity? A. Searchlight Report, Eigenverlag von Searchlight, 2015. Ilford. 8 Vgl. Sindre Bangstad, Anders Breivik and the Rise of Jaschke, Hans-Gerd/Rätsch, Birgit/Winterberg, Yury (2001): Islamophobia, London 2014; Aage Storm Borchgrevink, Nach Hitler. Radikale Rechte rüsten auf, Bertelsmann, En norsk tragedie. Anders Behring Breivik og veiende til München. Utoya, 2012. Kaplan, Jeffrey/Lööw, Helene/Kalkki, Leena (Hg.) (2015): Lone Wolf and Autonomous Cell Terrorism, Routledge, 9 Vgl. Sebastian Balzter, Hassparolen aus dem Internet, in: Abingdon. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. Oktober 2015, S. 4; Ohne Autor, Ensamvargarna lever inte i ett vakuum (25. Litschko, Konrd (2015). Er wusste, was er tat, in: taz vom 22. Okober 2015), in: www.expo.se. Oktober, S. 12.

Maegerle, Anton/Röpke, Andrea/Speit, Andreas (2013): Der 10 Auch bei den Fällen von Einzeltäter- und „Lone Wolf“- Terror von rechts 1945 bis 1990, in. Röpke, Andrea/Speit, Terrorismus mit anderen ideologischen Vorzeichen Andreas (Hg.): Blut und Ehre. Geschichte und Gegenwart handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um Männer. rechter Gewalt in Deutschland, Ch. Links, Berlin, S. 23-60. 11 Vgl. Peter Waldmann, Terrorismus. Provokation der Macht, München 1998, S 12f. Michael, George (2012): Lone Wolf Terror and the Rise of Lea- derless Resistance, Vanderbilt University Press, Nashville.

12 Vgl. Anton Maegerle/Andrea Röpke/Andreas Speit, Der Mohr, Reinhard (2009): Enthüllung über Dutschke-Attentäter: Terror von rechts – 1945 bis 1990, in: Andrea Röpke/ Schrecken aus dem braunen Sumpf, Spiegel Online (6. Andreas Speit (Hrsg.), Blut und Ehre. Geschichte und Dezember), in: www.spiegel.de. Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland, Berlin 2013, S. 23-60, hier S. 34f.; Reinhard Mohr, Enthüllung über Ohne Autor (2015). Ensamvargarna lever inte I ett vacuum Dutschke-Attentäter: Schrecken aus dem braunen Sumpf, (25. Oktober), in: www.expo.se Spiegel Online (6. Dezember 2009), in: www.spiegel.de. Palmkvist, Joakim (2015). Aventyr I Svenssonland: Seriemör- daren Peter Mangs, Albert Bonniers Förlag, Stockholm. 13 Vgl. Hans-Gerd Jaschke/Birgit Rätsch/Yury Winterberg, Nach Hitler. Radikale Rechte rüsten auf, München 2001, Pfahl-Traughber, Armin (2008): Extremismus und Terroris- S.36-42; Hans-Wolfgang Sternsdorff, „Chef, ich habe den mus. Eine Definition aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: Vorsitzenden erschossen“, in: Der Spiegel, Nr. 44/1984, Pfahl-Traughber, Armin (Hg.): Jahrbuch für Extremismus- S. 71-82. und Terrorismusforschung 2008, Eigenverlag der Fach- hochschule des Bundes, Brühl, S. 9-33. 14 Vgl. Laura Benedict, Sehnsucht nach Unfreiheit. Der Fall Pfahl-Traughber, Armin (2012a): Extremismusinensität, Ideo- Kay Diesner und die rechte Szene. Ermittlungen am Ort logie, Organisation, Strategie und Wirkung. Das E-IOS- des Geschehens, Berlin 1998; Nadja Erb, Kay Diesner W-Schema zur Analyse extremistischer Bestrebungen, in: und der Rechtsextremismus: Einmal Nazi, immer Nazi? Pfahl-Traughber, Armin (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- (21. Februar 2013), in. www.fr-online.de. und Terrorismusforschung 2011/2012, (I), Eigenverlag der Fachhochschule des Bundes, Brühl, S. 7-27. 15 Vgl. Konrad Litschko, Er wusste, was er tat, in: taz vom 22. Oktober 2015, S. 12; Armin Pfahl-Traughber, Der Pfahl-Traughber, Armin (2012b): Manifests Hassbild. Der „La- Anschlag auf Henriette Reker – ein Fall von „Lone Wolf“- sermann“ Anfang der 90er Jahre in Schweden – ein Vorbild Terrorismus. Eine Auseinandersetzung mit den Besonder- für den NSU-Terror? (25. Mai), in: www.bnr.de. heiten im Lichte der Terrorismusforschung (3. November 2015), in: www.bpb.de Pfahl-Traughber, Armin (2015): Der Anschlag auf Henriette Reker – ein Fall von “Lone Wolf”-Terrorismus. Eine Ausein- andersetzung mit den Besonderheiten im Lichte der Terro- 16 Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Extremismusintensität, rismusforschung, (3. November), in: www.bpb.de. Ideologie, Organisation, Strategie und Wirkung. Das E- IOS-Schema zur Analyse extremistischer Bestrebungen, Simon, Jeffrey D (2013): Lone Wolf Terrorism. Understanding in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für Extremis- the Growing Threat, Prometheus Books, New York. mus- und Terrorismuforschung 2011/2012 (I), Brühl 2012, S. 7-27. Spaaij, Ramón (2012): Understanding Lone Wolf Terrorism. Global Patterns, Motivations and Prevention, Springer, 17 „Ideologie“ ist hier in einem allgemeinen und weiten Sinne Dordrecht. gemeint. Meist handelte es sich um eine Ansammlung von Tamas, Gellert (2007): Der Lasermann. Vom Eliteschüler zum Fragmenten, die nicht Bestandteile eines geschlossenen Serientäter. Ein Buch über Schweden, Militzke, Leipzig. Weltbildes waren. Waldmann, Peter (1998): Terrorismus. Provokation der Macht, Gerling Akademie, München.

Interventionen. 08 | 2016 17 TÄTERARBEIT

COUNTERING VIOLENT EXTREMISM IN PRISONS: PRINCIPLES FOR EFFECTIVE PROGRAMS AND INTERVENTIONS1

b y c h r i s t o p h e r d e a n

There is considerable international literature over recent decades.7 The key helping us better understand and man- interest in programs that seek to reha- what-works principles are risk, need, age terrorist behavior.10 bilitate and reintegrate violent extremist and responsivity. In summary, programs offenders (VEOs) and prevent prisoners should (1) target those who are deemed This policy brief focuses on a particular from becoming radicalized.2 There are a of higher risk of reoffending and of program, the Healthy Identity Interven- number of reasons for this interest, inclu- committing serious harm (risk principle), tion, which was specifically designed to ding the high social and political impact (2) target factors that directly contribute prevent extremist offenders from reof- of terrorism, ongoing concerns about to offending (need principle), and (3) be fending and was based on general what- prisons and prisoners being especially delivered in a way and style that maximi- works principles.11 It centers on the opin- vulnerable to radicalization to violent ex- zes learning for individuals (responsivity ions, reflections, and experiences of the tremism, accounts of VEOs who initially principle). Programs that are in accord author, who designed, developed, and became interested in extremism while with all three principles have been found implemented this intervention across the in prison, and the increasing numbers to be more effective than those that are Prison and Probation Services of Eng- of incarcerated VEOs in certain states, not.8 land and Wales. It therefore provides a many of whom will at some point be re- unique perspective on the issues raised leased into wider society. Identifying and Consideration of similar principles for and specifically outlines: (1) insight into designing so-called deradicalization or programs aimed at preventing and coun- the apparent generalizability and utility disengagement programs – or perhaps tering violent extremism (P/CVE) has of what-works principles for P/CVE pro- more appropriately risk-reduction pro- been previously advocated, but seeming- grams, (2) insight into specific program grams3 – that are proven to be impact- ly not further developed.9 This is possibly components or issues that may con- ful and understanding why remains a because such programs have typically tribute to or undermine efficacy, and (3) considerable challenge.4 In light of these been developed by those who are less suggested what-works principles to spe- challenges, finding alternative ways to familiar with research and approaches cifically inform effective P/CVE programs. identify and establish effective programs typically adopted in many Western cor- The main intention is to provide a set of (or components of programs) is required. rectional services (e.g., the United King- transparent working principles to help in- dom, the United States, Canada, and form the design and delivery of programs Attention has been given to how the effi- Australia) or by those who may perceive that can hopefully be examined and test- cacy of such programs can be evaluated P/CVE programs as requiring entirely ed over time to help refine our knowledge more robustly, such as by using mea- distinct approaches. Given that research and understanding. Without such princi- sures of recidivism or proxy measures and knowledge about how to intervene to ples, our ability to know and understand indicative of desistance.5 However, one prevent other types of offending (or man- with confidence which programs work, for aspect of this debate that has received age risk of offending) is considerable, it is whom, why, when, how, and under what less attention is the extent to which surprising that this research and knowl- circumstances will continue to remain un- research and knowledge about pro- edge has been given relatively little con- certain and unknown. grams proven to prevent different types sideration regarding lessons that can be of offenders from reoffending is also learned to prevent violent extremism. As Background applicable to VEOs.6 So-called what- both John Horgan and Max Taylor have works principles underlying programs acknowledged, learning from both foren- Whether programs to reduce the risk of to prevent other forms of offending sic psychology and programs to prevent violent extremist offending are effective behavior have been established in the and manage other forms of offending continues to be the topic of much debate criminological and forensic psychological behavior may be particularly valuable in in the literature.12 One of the key issues

18 Interventionen. 07 | 2016 COUNTERING VIOLENT EXTREMISM IN PRISONS

Foto: Sven Klages

is our ability to evaluate and measure the The Healthy Identity Intervention (HII), What Works: Effective Programs to impact of programs on reoffending (as op- developed by the National Offender Man- Prevent Reoffending posed to other factors or circumstances) agement Service in England and Wales, and to do so with a robust level of confi- is structured largely in accordance with It has been argued that although aspects dence, ideally based on empirical and the what-works literature and its associ- of programs used with violent extremist statistical evidence.13 Although appro- ated principles.14 This intervention is pri- offenders may differ from those used with priate attention is being focused on how marily used on a one-to-one basis with other offenders, the underlying principles more robust outcome evaluations can be convicted violent extremist offenders to – or similar ones – behind programs that established in this field, significant ques- prevent recidivism, although it has also have proved successful in reducing re- tions remain regarding the design and been used with offenders for whom there cidivism among other offenders are likely implementation of effective programs, are significant concerns regarding their to still apply and should be used as the such as: How should programs be de- interest and involvement in extremist basis for such programs.17 In addition to signed, developed, and delivered in order groups, causes, or ideologies.15 The inter- the three key what-works principles previ- to be effective? What have we learned vention has been delivered over a num- ously outlined, other variables associated about what makes programs effective to ber of years in the prison and probation with effective programs have been identi- prevent other forms of offending behav- services of England and Wales with those fied under the umbrella of organizational ior, and how can we apply this learning who have committed extremist offenses principles within the field of corrections. to programs to prevent violent extremist affiliated with a variety of groups, caus- These cover the role that factors such as offending? What unique components or es, and ideologies (e.g., the Islamic State intervention settings, staffing, and man- features may be significant for programs of Iraq and the Levant, al-Qaida, the Far agement can play in contributing to ef- with extremist offenders that may not be Right, the Kurdistan Workers Party). The fective programs, notably in maintaining significant for programs with other offend- underlying theory, content, structure, and intervention integrity (i.e., that they are ers? And what emerging – albeit tentative delivery mechanisms for this intervention delivered how they were designed and in- – principles can be identified to shape the are outlined in detail elsewhere.16 It is dif- tended to be delivered). Many correction- evolution of these specific programs? It is ficult to locate other programs in this field al services (particularly in Europe, North these questions that this policy brief ex- that have been explicitly designed along America, and Australasia) implement plores in more detail. these principles. programs based on these principles with

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the associated infrastructure to monitor, quality assure, and evaluate delivery.18

Outlined below are the author’s reflec- tions, observations, and opinions on how significant and appropriate each of the what-works principles appears to be for effectively intervening to prevent extrem- ist offending. There are also further in- sights into how these principles may need to be nuanced in this field and sugges- tions for additional distinct components and principles for effective programs aimed at violent extremist offenders. The author acknowledges that personal opin- ions and experiences clearly have their limitations. Therefore, he does not claim that these suggested principles are inher- ently true, proven, or necessary for effec- tive programs in this field.

1. Risk Principle: Matching Interven- tion Intensity to an Individual’s Level of Risk

In the author’s experience, the intensity of an intervention should be calibrated to the risk posed by the individual offend- er. Intensity in this context relates to the Foto: Sven Klages amount of program sessions completed and how personally challenging or de- have only been peripherally or opportun- gagement and willingness to offend and manding this work is. Clearly a signifi- istically involved (and therefore arguably allow flexibility in the amount, type, and cant challenge to this principle, in this poses a lower risk) is that the person’s focus of intervention content delivered field, is the absence of data on how ef- sense of having an extremist identity can can help to ensure appropriate interven- fectively existing assessments accurate- actually be developed and/or reinforced tion intensity. ly measure risk of extremist reoffending. rather than reduced. This may similar- This arguably limits the extent to which ly apply to those who may have already Suggested principles: we can match intervention intensity with made significant steps to disengage or individual risk. However, experience sug- indeed disidentify.20 A danger of providing • The intensity of intervention work gests this may be appropriately achieved programs that are less intensive in the delivered should reflect an individual’s through assessing an individual’s past face of a stronger commitment or risk is past and current engagement (or and current levels of engagement and that they are insufficient to have a mean- disengagement) with a violent extre- identification with an extremist group, ingful impact on disengagement or de- mist group, cause, or ideology, the cause, or ideology, as well as his or her sistance.21 Similarly, for those individuals individual’s willingness to offend on its willingness to support or commit harm who are criminally diverse, providing pro- behalf, and the individual’s capability on its behalf (dimensions that are also grams that are only focused on address- to offend (including his or her criminal deemed to bear on risk).19 Various issues ing their extremist offending are unlikely networks). may arise, if intervention intensity is not to be sufficient to target all their risks matched appropriately to these dimen- and needs, and reduce their likelihood of • Programs should be designed to sions. committing future offenses. Based on the accommodate flexibility in the type, author’s experience, designing and deliv- amount, frequency, and intensity of A danger of providing programs that are ering programs that can accommodate content delivered. too intensive for an individual who may differences between an individual’s en-

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2. Need Principle: Robust Assess- ly, such as sex offender treatment pro- offenders as for other offender groups. ment and Targeting Criminogenic grams structured to target risk and need Responsivity typically refers to employ- Needs areas identified in associated assess- ing dynamic intervention approaches ment protocols.23 Experience suggests that are effective at changing behavior, To effectively reduce the risk of recidi- that facilitators and participants typically typically those that employ behavioral, vism, it is also necessary to address the find program content more relevant and cognitive behavioral, and social learning circumstances that are common contribu- meaningful because it directly addresses approaches (the so-called general re- tors to reoffending. Here, robust assess- issues – identified through assessment sponsivity principle). In addition, it refers ment plays an important role in identifying – associated with participants’ engage- to employing approaches that respond to appropriate programs; tailoring programs ment and disengagement, offending, and the particular needs and circumstances to an individual’s specific risks, needs, desistance. However, it is acknowledged of individuals to enable them to maximize and circumstances; helping to identify that given limitations in our understand- their participation, learning, and personal the appropriate intensity and duration ing of the factors associated with violent change (the specific responsivity princi- of intervention work; and monitoring an extremist offending, questions remain re- ple). This includes responding to features individual’s progress and change (i.e., garding whether intervention content may such as age, gender, personality, learning measuring intervention efficacy). Asses- be inappropriate or ineffective, if wrongly ability, and cultural circumstances. sors can also use this process to moti- targeted. Developing our understanding vate intervention participation, build trust, about which factors and circumstances General Responsivity and initiate or consolidate doubts about may be more criminogenic than others previous or current interest or involve- (or which contribute to disengagement Empirical research indicates that pro- ment in violent extremist groups, causes, and desistance) will be important in the grams to prevent reoffending that are or ideas. Robust assessment appears development of effective programs. cognitive-behavioral in nature and teach to help participants understand the rel- prosocial skills and attitudes tend to be evance of particular sessions or issues Suggested principles: most effective.24 Such programs typical- covered in intervention work to their own ly address thinking and behavior that particular lives and circumstances, which • Programs should be informed by a has contributed to past offending, devel- can reduce unnecessary resistance or comprehensive violent extremism risk op participant strengths and a prosocial provocation relating to topics addressed assessment that identifies factors and identity (such as the so-called Good Lives during programs. It can also provide the circumstances contributing to both Model of offender rehabilitation, which opportunity for agencies to communicate individual engagement and offending, emphasizes the need to enable offenders that they are interested in understanding and disengagement and desistance. to fulfill their needs and values through individual stories and accounts, rather prosocial means), and teach new ways than communicating they perceive violent • Programs should explicitly target – of thinking and behaving that support de- extremist offenders as one homogenous through their content and delivery – sistance.25 It is acknowledged that there is group that will be managed as such. This factors and circumstances that directly some overlap in the goals and approach- can have an impact on how individuals contribute to an individual’s engage- es typically associated with so-called de- engage with the authorities, participate ment and offending. radicalization programs and those used in programs, and perceive certain groups to prevent other forms of offending.26 For in stereotypical and homogenized ways. • Where possible, dynamic assess- example, both can focus on addressing Assessments that accommodate dynam- ments should be delivered at the start attitudes, beliefs, or ways of thinking that ic (changeable) risk and protective fac- of and throughout the intervention justify, entitle, and support harming oth- tors are particularly beneficial in serving process to inform the baseline, assess ers. This is similar for so-called disen- some of these functions. progress, and inform changes to the gagement interventions that, like other content and delivery of programs. offending behavior programs, emphasize The HII targets and addresses areas of changes in behavior, including relation- risk and need that are specifically iden- ships with other people.27 However, there tified and assessed by the Extremism 3. Responsivity Principle: Adopting are also differences between many of Risk Guidelines (ERG 22+), an extrem- Robust Approaches and Adapting to those who commit extremist violence and ism risk-assessment framework devel- Individual Circumstances the nature of extremist violence when oped in-house by the National Offender compared with other offenders or forms Management Service.22 This is consist- Ensuring that programs are delivered re- of offending. This raises questions about ent with how other assessments and sponsively appears to be as important for whether features of programs that are ef- programs have been developed recent- effective programs with violent extremist fective with other offender groups can be

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simplistically generalized to programs for relapse. In addition, a more integrated Suggested principles: those who commit extremist violence. approach appears to have contributed to significant behavioral changes consid- • Programs should integrate approa- One key difference between such pro- ered to represent indicators of efficacy. ches proven to be effective in reducing grams is the apparent role of engagement Some participants appear to have ended or preventing reoffending with ap- and identification in the process individuals or reduced their contact with codefend- proaches that target distinct features take toward committing violent extremist ants and more proactively resisted peer of violent extremist offending and offenses (and the equivalent role of dis- pressure from others involved in violent desistance. engagement and disidentification in the extremist groups. Others appear to have desistance process). The importance of improved their ability to manage feeling • Programs should identify proxy indi- an individual’s relationship with a group, threatened by other groups by using cators of efficacy, including behavioral cause, or ideology in relation to the in- different coping strategies. Certain indi- measures. dividual’s offending or desistance is not viduals have even taken active steps to considered pertinent for most other forms develop new relationships, interests, and • Programs should seek to provoke co- of offending (with the possible exception occupations, apparently reducing their gnitive dissonance through exposing of other group-based offending). Focusing attraction to and/or dependence on ex- inconsistencies in participant beliefs, on, challenging, and renegotiating identifi- tremist groups, causes, or ideas to meet values, actions, and self-image. cation and/or engagement with a particu- their needs. Changes have also been lar group, cause, or ideology is arguably observed in participants strengthening • Programs should be positively focused a more desirable and important approach their relationships with professionals and on a beneficiary’s current and future than for other offending behavior programs choosing to assist other agencies in their functioning where possible, enabling and more akin with disengagement ap- investigations and work. As in programs insight and changes to be practiced, proaches typically delivered in this field.28 with other offender groups, one of the expressed, and demonstrated in his Similarly, given that in many – but not all key processes in instigating changes has or her everyday life. This includes en- – cases, violent extremist offenders do not been facilitating cognitive dissonance. suring support is in place to maintain share similar backgrounds to those who This is where individuals are confront- learning and change when programs typically commit other forms of offenses ed with inconsistencies, discrepancies, are completed. (with regard to educational achievement, or contradictions between their extrem- social functioning, employability, stable up- ist values, beliefs, ideas, relationships, Specific Responsivity bringing, etc.), a focus on addressing skills and activities on the one hand and other deficits and enhancing skills per se may be values that are important to them on the As with programs for other offender less relevant for many among this group of other – for example, where individuals groups, how programs are delivered offenders. In light of these types of differ- have to consider that their involvement in to accommodate individual differences ences, the HII was designed to integrate extremist violence contradicts the value among extremist offenders appears sig- important features of programs to prevent they may place on protecting innocent nificant in how effective they are. A num- other forms of reoffending with those dis- people. ber of aspects are deemed particularly tinct features of programs to prevent ex- important with this group. Outlined below, tremist violence. A key feature that appears to character- they include the level of engagement/dis- ize more successful interventions is an engagement, mental health, idiosyncrat- Experience indicates that this integrat- emphasis on current and future behav- ic motives, cultural and religious issues, ed approach appears to have impacted ior and identity, rather than over analysis and timing. violent extremist offenders in a number of past behavior and circumstances. A of ways with regard to changing their balance between understanding past is- One of the differences between violent engagement or identification, as well as sues and problems while translating this extremist offenders and other offenders their willingness to support or commit into commitments to change current and (with the exception of those who offend offenses. It has enabled some partici- future attitudes and behavior appears on behalf of criminal groups) is the influ- pants to express openly for the first time particularly important. This is reflected ence that the processes of engagement troubling thoughts and feelings related in the importance of actively producing and identification with a particular group, to their offending and to question the behavioral changes during programs to cause, or ideology play in their offending. legitimacy and productiveness of their reinforce new commitments while having When planning how to intervene with ex- offending. It has also helped some gain professional support in place to facilitate tremist offenders, giving due regard to the a sense of “moving on” and develop a them. Similarly, it may be important for intensity and nature of an individual’s en- more-robust, resilient, and/or prosocial some individuals to provide further boost- gagement appears important in terms of identity less vulnerable to indoctrina- er sessions after intervention to maintain intervening appropriately and effectively. tion. It has helped some develop insight changes and commitments, especially for For example, approaching an individual into why they became interested in and participants who may experience signifi- for intervention who is highly identified involved with extremism and chose to cant pressure from others, or experience with a violent extremist cause as though offend and how these circumstances significant grief through the disengage- that individual is simply involved for op- can be changed or managed to prevent ment process. portunistic reasons is likely to have a

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counterproductive impact on the partic- decades, there has been a shift from in- that account for these issues in different ipation in, motivation for and efficacy of terpreting violent extremist offenses as ways. For some individuals, programs the intervention. Similarly, approaching the result of a terrorist personality (there- that specifically address mental health an individual who has already shown sig- fore essentially pathologized) to behavior issues may in themselves prevent further nificant progress toward disengaging or committed by those who are seemingly offending. For others, a combination of disidentifying from a particular ideology as normal and well adjusted.30 Experience intervention work that addresses mental if that individual remains highly engaged suggests that the role of mental health is health issues and extremist offending and identified with the extremist cause is far more complicated once individual ac- may be most appropriate. Programs that also likely to impact negatively on partici- counts and lives are considered closely. seek to accommodate how mental issues pation, motivation, and efficacy. Effective This may be particularly the case for so- may impact their delivery are also likely programs appear to be those that are de- called lone actors who commit extremist to be more responsive, as are those that livered responsively and sensitively to the offenses in relative isolation from other target these issues specifically in relation past and current relationship an individu- individuals. There seem to be many of- to broader areas of change being ad- al has with a particular group, cause, or fenders who do not suffer from any ap- dressed (e.g., identity issues and group ideology, with an eye toward the desired parent mental health issues, although conflict). future outcome. Some programs may they may still present emotional and per- need to focus on consolidating changes sonal vulnerabilities. There are also those Intervention work has also revealed var- in thinking or behavior that have already for whom mental health issues do seem ious idiosyncratic factors and circum- occurred, reinforcing and developing ex- to have played a role, either through mo- stances that may contribute to an indi- isting disaffection; other programs may tivating interest and engagement or ena- vidual’s engagement and offending that need to focus on challenging offenders to bling them to support or commit offenses. may not be apparent or emphasized in reconsider their actions for the first time. For example, violent extremist ideolo- the literature, for example, a desire to in- For those who are reluctant to participate, gies can propose simple, concrete, and itiate or maintain romantic relationships, programs may focus at a rudimentary lev- certain ways of responding to the world an opportunity to demonstrate expertise el to slowly build trust and begin a pro- that can be particularly attractive to those and be recognized for it (such as infor- cess of personal examination. with autism-type conditions. Similarly, in- mation technology skills), or a desire to volvement in groups that explicitly claim “get one over” on the authorities. There- Debate continues about the role of men- superiority over other groups can be fore, programs and assessments need to tal health (including personality disorder) particularly attractive to those who have be able to account for such idiosyncratic in causing individuals to become inter- narcissistic personalities, since they also factors and circumstances appropriately. ested and involved in violent extremism typically lack empathy toward others and It is important that the often-nuanced, and in committing extremist offenses.29 have little remorse about harming them. complex, and unique circumstances that The literature suggests that over recent Effective programs appear to be those influence individual lives are appropriate-

Foto: Sven Klages

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ly accommodated. Similarly, the explana- tions individuals initially provide for their involvement and offending may not remain the same or necessarily reflect reality. For example, participants may state that they wanted to contribute to global change (a significant aspiration), but over time they may disclose they were actually involved because of the excitement it brought them (a more-mundane explanation). Being re- sponsive to these issues and not ignoring or dismissing such motives and explana- tions is, therefore, an important considera- tion. Similarly, one-to-one programs can be used with a diverse spectrum of offenders when they are designed to be flexible and accommodate differences between indi- viduals within an evidence-based frame- Foto: Sven Klages work. This includes differences in gender, age, religion, group/cause/ideologies, and may increase if they do not think programs 4. Organizational Principles: Suppor- types of offense. are simply going to focus on removing their tive Settings, Staffing, and Manage- cherished beliefs but that they also respect ment In the author’s experience, programs their identity and values. Identifying the based on addressing psychological and primary goal of programs as seeking to Effective programs are those based on social issues and processes may comple- prevent harm rather than change beliefs organizational principles focused on pro- ment certain religious programs and can and values also appears to be beneficial viding appropriate intervention settings, strengthen overall efficacy. This may occur for building trust, engagement, and moti- staffing, and management. Important fea- in a number of ways. First, some theologi- vation. tures include programs being based on a cal concepts align with psychological con- strong theoretical basis; employing struc- cepts that can be used to address involve- Suggested principles: tured assessments; utilizing highly skilled ment or identification with violent extremist facilitators who can build strong therapeu- ideas, groups, or causes. For example, the • Programs should recognize and be tic relationships; delivered in a rehabilita- value of moderation in Islam is consistent responsive to mental health issues tion-supportive environment that are effec- with the psychological concept of having (including personality disorders) with tively managed (e.g., provide appropriate a balanced identity (or identities) to lead regard to how they may have contri- staff training and supervision programs) a healthy and constructive life. Second, buted to individual engagement and and appropriately documented (including multiple voices coming from different per- offending, may influence participation their aims, models of change, intended spectives but carrying a similar message and learning and may impact disenga- outcomes, and relevant exercises); and are arguably more effective in enabling gement and desistance. that are effectively quality assured and personal change than voices and perspec- evaluated. Experience suggests that these tives in isolation. This can be particularly • Programs should accommodate and principles are also important for interven- powerful when facilitating or encouraging be alert and responsive to addressing ing with violent extremist offenders. disillusionment, demonstrating shared idiosyncratic motives and circumstan- commonalities among different people, ces contributing to engagement, offen- Settings and in strengthening extremist resilient ding, disengagement, and desistance. identities informed by spiritual and psycho- Participants appear more likely to consid- logical understanding. Third, psychosocial • Programs can be delivered to a diver- er and commit to personal change when programs that seek to respect religious se set of participants if designed to they feel safe and secure to do so. Such identity can reduce mistrust, challenge the accommodate these differences, and change is unlikely to be a priority if basic myth that programs are focused on remov- to target risks, needs, and objectives needs are not being met and person- ing or deprogramming religious values and for change that overlap across these al safety and security are threatened. In beliefs, and reinforce the idea that religious differences. custodial settings particularly, participa- identity can help protect against future re- tion in intervention programs for violent offending. It is acknowledged that theolog- • Programs based on addressing extremist offenders can present challeng- ical intervention may only be required for psychological and social issues and es in relation to group and peer pressure, some types of violent extremist offenders, processes can be delivered alongside intimidation, and threats. The very act of although some of these points may have those addressing theological issues participation may signal disloyalty or dis- wider applicability. For example, motivation where content and goals are comple- trust to a shared identity that may trigger and engagement in extremist offenders mentary. group reprisals. In custodial settings, it is

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more difficult to distance oneself from such setting with similar individuals), and (4) role in the extent to which the participant pressures as well as participate discreetly. allowing them to be tailored more flexibly engages, learns, and progresses during Because of these anxieties, some partici- and responsively to the needs of the indi- programs. This relationship not only ap- pants may also choose not to demonstrate vidual. This appears to mitigate some of pears to enable participants to learn from changes (in attitudes, behavior, or commit- the issues previously outlined. However, it the content being delivered but provides ments) outside of intervention sessions. would be premature to suggest that one-to- a vehicle through which key issues can Their overriding concern to survive in cus- one programs are the only delivery method be addressed directly, such as challeng- tody may take priority over their desire to for such programs, and there remain valid ing “us and them” thinking, modeling in- openly and successfully disengage. This arguments for why group programs may tegrated thinking, and communicating can have various consequences, includ- be effective and appropriate under certain tolerance. This relationship can be more ing individuals not being able to fully make circumstances and for particular aims. difficult to establish when facilitators are behavioral changes, individuals not openly also legally responsible for participants, and actively expressing changes in their Given that the focus of many programs will such as probation officers who may have commitments to groups, causes, or ideas be on disengagement (to facilitate desist- the power to recall participants to custo- (which could reinforce such changes in ance), those responsible for developing dy. commitments), and limiting and distorting and delivering these programs need to observed progress in daily activities. There consider how this objective can be effec- Management are additional challenges, such as manag- tively achieved. Indeed, the goal of some ing individuals who may participate on be- programs may be to actually encourage The provision of comprehensive manuals half of their group with their own agenda, individuals to disidentify from violent ex- and training to deliver programs appears managing those who participate simply to tremist groups, causes, or ideas that have to increase facilitator confidence and get a prison transfer without any desire to come to define who they are as a person competence to deliver this type of work. change their personal commitments, and and the lives they lead. In the author’s ex- Manuals and training that include infor- the potential costs of transferring between perience, it is highly unlikely that programs mation on the theoretical background un- prisons those who “go public” about their can incentivize participants to change their derlying an intervention, its intended aims wish to disengage, where their ongoing relationship to violent extremist groups, and outcomes, guidance for specific ses- presence in certain prison settings may in- causes, or ideologies unless attractive al- sion delivery, and suggested exercises spire others to make similar choices. ternatives that can also meet their needs, appear to provide structure and direction are available. The magnitude of this chal- to programs while empowering facilitator Experience suggests that programs are lenge should not be underestimated. Pro- flexibility and discretion. Ongoing super- more likely to be effective when partici- grams seem to be most effective when vision and support seem to help ensure pants feel safe and secure in their partic- they (1) help participants understand why intervention integrity (i.e., that programs ipation, participation can take place dis- establishing alternative identity commit- are being delivered as intended). It can creetly, facilitators are responsive to and ments may be beneficial to them, (2) facili- also help facilitators understand the lim- considerate of participant safety, partici- tate opportunities (often in partnership with its of their competence, check bounda- pants have other support networks in their other stakeholders) for fresh commitments ries and prevent offender manipulation lives, and arrangements can be made to to be developed, (3) provide opportunities of practitioners, address gaps in knowl- offer protection or support participant resil- that meet the personal needs that involve- edge, and develop professional skills. ience when required. In addition, settings ment in extremism fulfilled (e.g., belong- However, when participants are few in that can, over time, communicate that ing, significance/status, and self-worth), number and dispersed across multiple genuine benefits and progress can result and (4) empower individuals to use these locations, challenges include limitations from participation and reinforce changes opportunities. A significant challenge for in practitioners being able to develop facilitated by programs while undermining offenders serving sentences in both custo- practice experience, establishing sus- myths about what programs will involve, dy and community is that if restrictions on tainable support and supervision struc- will be more successful in encouraging liberty (to maintain security) are too draco- tures, and monitoring ongoing delivery. and maintaining meaningful participation nian, this can inadvertently limit opportuni- Programs appear most effective when and progress. ties or incentives for participants to identify facilitators are provided with sufficient re- elsewhere. Arguably, such conditions at sources and time to prepare and deliver Therefore, one-to-one programs for violent best may maintain an individual’s levels of programs, actively involve themselves in extremist offenders carry various bene- engagement and at worst increase them. supervision or support sessions, and are fits, including (1) encouraging openness The most effective and appropriate pro- given opportunities to deliver programs and confidence in disclosure, (2) enabling grams are those that seek to maintain se- with multiple participants (to help develop participants to reengage with their per- curity and allow opportunity. experience and competence). sonal identity rather than exclusively with the shared or social identity of the violent Staffing Suggested principles: extremist group, (3) minimizing reinforce- ment and maintenance of extremist val- A consistent observation is that the • Programs should be delivered in ues, beliefs, and ways of thinking which strength of the relationship between fa- settings that meet their basic needs, would arguably be more likely in a group cilitator and participant plays a crucial provide a sense of safety and security

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(and are sensitive to ongoing partici- principles need to be examined, tested, authored a number of papers and book chapters pant anxieties regarding these issues), and refined to potentially move the field in his areas of expertise. He is an associate and reinforce and reward participation toward a position where we can develop a fellow of the British Psychological Society and a and steps toward disengagement. more-confident understanding of not only Chartered Scientist. what works, but with whom, when, why, • Programs should be considerate of and how.31 Arguably, without a transpar- whether delivery in a group or one-to- ent and testable set of principles based one setting is most likely to be appro- on learning from and experience of inter- priate and effective given the partici- vention delivery (as well as wider empiri- ______pants, aims, and intended outcomes of cal knowledge and research), systematic 1 This paper was originally published as Christopher Dean, “Addressing Violent Extremism in Prisons and Probation, an intervention. efforts to develop effective programs in Principles for Effective Programs and Interventions,” Global Center on Cooperative Security, Policy Brief, this field are likely to remain limited. September 2016, http://www.globalcenter.org/wp-content/ • Programs focused on disengagement uploads/2016/09/16Sep_Dean_Addressing-Violent-Extre- mism-in-Prisons-and-Probation_FINAL.pdf. should seek to facilitate opportunities 2 See for instance Global Counterterrorism Forum, Rome that can meet similar needs (e.g., INFO Memorandum on Good Practices for Rehabilitation and Reintegration of Violent Extremist Offenders, 2012, http:// significance/status, purpose, self- About the Global Center (UK) www.thegctf.org/documents/10295/19359/Rome+Memora ndum+on+Good+Practices+for+Rehabilitation+and+Reint worth, and security) in alternative ways The Global Center (UK) is a registered charity in egration+of+Violent+Extremist+Offenders; European Com- through new relationships, occupa- the United Kingdom that works closely with its mission Radicalisation Awareness Network, Dealing With Radicalisation in a Prison and Probation Context, RAN tions, and interests. They should also U.S. counterpart on criminal justice, countering P&P–practitioners working paper, 2015, http://ec.europa. eu/dgs/home-affairs/what-wedo/networks/radicalisation_ educate participants in understan- violent extremism, corrections, and rule of law awareness_network/about-ran/ran-p-andp/docs/201510_ ding why such opportunities may be programming that promotes responsive, fair, and ran_p-and-p_practitioners_working_paper_en.pdf; Peter Neumann, Prisons and Terrorism Radicalisation and beneficial for them and empower them accessible justice and security systems to help De-Radicalisation in 15 Countries, International Centre for the Study of Radicalisation and National Consortium for to develop, use, and maintain these address a range of complex security challenges, the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, 2010, opportunities. safeguard human rights, and promote sustaina- http://icsr.info/wpcontent/uploads/2012/10/1277699166Pri sonsandTerrorismRadicalisationandDeradicalisationin15C ble development. Together, the Global Center ountries.pdf. • Programs should utilize the power of offices work with governments, international 3 John Horgan, “Fully Operational? The Ongoing Challenges of Terrorist Risk Reduction Programs,” E-International the facilitator-participant relationship to organizations, and civil society actors worldwide Relations, 2013, http://www.e-ir.info/2013/07/29/fully-ope- to develop and implement comprehensive and rational-the-ongoingchallenges-of-terrorist-risk-reduction- facilitate personal change. programs/. viable responses to these multifaceted issues 4 See for example John Horgan and Kurt Braddock, • Programs should be delivered as through collaborative policy research, context- “Rehabilitating the Terrorists: Challenges in Assessing the Effectiveness of Deradicalization Programs,” Terrorism intended (to preserve their integrity) sensitive programming, and capacity develop- and Political Violence 22 (2010): 267–291; Horgan, “Fully Operational?”. by using appropriate intervention ment. By these efforts, the Global Center fosters 5 See for example Horgan and Braddock, “Rehabilitating the manuals, supervision, monitoring, and stronger multilateral partnerships and convenes Terrorists.” resourcing. key stakeholders to support integrated and in- 6 Horgan, “Fully Operational?”. 7 See for example Don Andrews and James Bonta, The Psy- clusive security policies at the national, regional, chology of Criminal Conduct, 5th ed. (New Providence, NJ: and global levels. LexisNexis, 2010), 45–77; James McGuire, “‘What Works’ to Reduce Re-Offending 18 Years on,” in Leam Craig, Conclusion Louise Dixon, and Theresa Gannon, eds., What Works in Offender Rehabilitation: An Evidence-Based Approach to Assessment and Treatment (Oxford: John Wiley and Sons, In light of enduring limitations in our ability AUTOR 2013), 20–49. 8 Andrews and Bonta, Psychology of Criminal Conduct, to empirically test the efficacy of risk-re- Christopher Dean 45–77. duction programs to prevent extremist re- is a Senior Fellow for the Global 9 Sam Mullins, “Rehabilitation of Extremist Terrorists: Lear- offending, identifying alternative ways to Center (UK), a chartered and ning From Criminology,” Dynamics of Asymmetric Conflict 3, no. 3 (2010): 162–193. measure efficacy and principles to devel- registered forensic psychologist, 10 John Horgan and Max Taylor, “Disengagement, De-radi- op effective programs is an important en- and director of Identify Psycho- calization, and the Arc of Terrorism: Future Directions for Research,” in Rik Coolsaet, ed., Jihadi Terrorism and the deavor. This policy briefing has indicated logical Services Ltd., providing specialist psy- Radicalisation Challenge (Farnham, UK: Ashgate, 2011). that broad principles used to design and chological services to counter violent extremism. 11 The Healthy Identity Intervention (HII) is a psychologically informed program that primarily seeks to reduce or manage deliver programs to prevent other groups From 2008 to 2015, he was a member and the risk that offenders may present in committing extremist offenses (including extremist violence) in custody and of offenders from reoffending also appear then head of a specialist team in the National in the community. This focus on reducing and managing to have currency with violent extremist Offender Management Service of England and is consistent with the purpose of equivalent programs used with other offender groups. To achieve this, the offenders. However, some distinct chal- Wales, which has pioneered the development of intervention specifically focuses on the twin goals of reducing an individual’s preparedness to offend on behalf lenges, issues, and features associated innovative, evidence-based assessments and of an extremist group, cause, or ideology, and changing the with extremist offending and offenders interventions to counter violent extremism. He individual’s relationship with an extremist group, cause, or ideology (especially those aspects that contribute to harm). require such principles to be nuanced for has developed and informed policies, processes, Addressing and working with identity issues is central to the intervention. The HII incorporates components that are this particular group. This brief outlined and research to identify and address prison both similar to and distinct from components in programs some suggested principles that may ten- radicalization, effectively manage extremist that are used to prevent other types of offending. To encourage consistent and effective delivery, the program tatively be considered to inform the on- offenders, and successfully reintegrate them uses manuals that outline the aims, delivery principles, underlying theory, suggested session plans, manage- going design, development, delivery, and into society. He has provided consultancy and ment processes, etc. It is delivered by psychologists and evaluation of programs intended to pre- training for government departments, agencies, probation officers who tailor the intervention’s content to the specific assessed risks, needs, strengths, and vent violent extremist reoffending. Such and correctional services and academia, and has circumstances of each participant. Whether the program is deemed successful is based on the extent to which the

26 Interventionen. 08 | 2016 COUNTERING VIOLENT EXTREMISM IN PRISONS

risk has changed or protective factors are identified for 19 See for example Monica Lloyd and Christopher Dean, “The whether disengagement may be required for prolonged each individual. Examples of areas the intervention focuses Development of Structured Guidelines for Assessing Risk or lifelong (secondary) desistance, which, among other on include supporting personal identity issues, facilitating in Extremist Offenders,” Journal of Threat Assessment and things, may require identity change. For more information, disillusionment with involvement, managing feelings asso- Management 2, no. 1 (March 2015), 40–52. see Fergus McNeil, “A Desistance Paradigm for Offender ciated with identification and group conflict, and challenging 20 The concept of identification (as distinct from engagement) Management,” Criminology and Criminal Justice 6, no. 1 the legitimacy of violence to achieve political and social acknowledges that the relationships individuals can have (2005): 39–62. change. with violent extremist groups, causes, or ideologies vary 22 Her Majesty’s Government, National Offender Management 12 Dianne van Hemert, Helma van de Berg, Tony van Vliet, significantly, ranging from superficial or peripheral enga- Service, Extremism Risk Guidelines: Structured Professi- Maaike Roelofs, and Mirjam Huis in’t Veld, Synthesis gement to significant and deeply personal identification. onal Guidelines for Assessing Risk of Extremist Offending Report on the State-of-the-Art in Evaluating the Effec- Disidentification refers to the process by which people’s (ERG22+) (London: Ministry of Justice Publications, 2011). tiveness of Counter-Violent Extremism Interventions, involvement or affiliation with a group, cause, or ideology 23 Helen Wakeling, Anthony Beech, and Nick Freemantle, Impact Europe, 2014, http://impacteurope.eu/wp-content/ becomes less or no longer important to their sense of self, “Investigating Treatment Change and Its Relationship to uploads/2015/02/D2.2-Synthesis-Report.pdf; Allard Feddes how they define themselves, and how they live their daily Recidivism in a Sample of 3773 Sex Offenders in the UK,” and Marcello Gallucci, “A Literature Review on Methodolo- lives. Disidentification can be thought of as a particular Psychology, Crime and Law 19, no. 3 (2013): 233–252. gy Used in Evaluating Effects of Preventative De-Radicali- form of disengagement. 24 Andrews and Bonta, Psychology of Criminal Conduct. sation Interventions,” Journal for Deradicalization 5 (Winter 21 The HII is specifically not referred to as a “deradicaliza- 2015): 1–27. tion” or “disengagement” program because of concerns 25 Tony Ward and Claire Stewart, “Criminogenic Needs and 13 Horgan and Braddock, “Rehabilitating the Terrorists.” around the helpfulness of such labels. Such labels are Human Needs: A Theoretical Model,” Psychology, Crime and Law 9, no.2 (2003): 125–143. 14 See Christopher Dean, “The Healthy Identity Intervention: not applied to define programs for other types of offender The UK’s Development of a Psychologically Informed (typically referred to as offending behavior programs). The 26 Hamed El-Said, “Deradicalising Islamists: Programs and Intervention to Address Extremist Offending,” in Andrew primary goal of HII is to facilitate and support desistance, Their Impact in Muslim Majority States,” Developments in Silke, ed., Prisons, Terrorism and Extremism: Critical which may require changes to or management of personal Radicalisation and Political Violence, International Centre Issues in Management, Radicalisation and Reform (Oxon, identity, thinking (including offense-supportive beliefs and for the Study of Radicalisation and Political Violence, 2012. attitudes), behavior, and relationships. This is entirely UK: Routledge, 2014). 27 For example, see Tore Bjørgo, Japp Van Donselaar, consistent with programs that seek to facilitate desistance 15 and Sara Grunenberg, “Exit From Right-Wing Extremist The term extremist offending, rather than violent extremist from other forms of offending behavior. Addressing beliefs, Groups: Lessons From Disengagement Programmes in offending, acknowledges that not all extremist offenses are attitudes, or ways of thinking that can contribute, directly Norway, and ,” in Tore Bjorgo and John inherently violent in nature, for example, illegal occupation or indirectly, to offending behavior is a common focus for Horgan, eds., Leaving Terrorism Behind: Individual and of buildings or criminal damage to influence social or po- other offending behavior programs and commensurate with Collective Disengagement (London: Routledge, 2009). litical actions. However, most extremist offenses either di- what can be termed deradicalization approaches. It is ack- rectly or indirectly contribute to the commission of violence, nowledged, however, that seeking to change an individual’s 28 Ibid. including those that involve financing terrorist activities or relationship (engagement) with a particular group, cause, 29 John Horgan, The Psychology of Terrorism, 2nd ed. (Oxon: the distribution of publications that incite terrorist activities. or ideology is considered more significant in facilitating Routledge, 2014). 16 desistance from violent extremist offending than from other See Dean, “Healthy Identity Intervention.” 30 types of offending behavior (with the possible exception See Andrew Silke, “Cheshire-Cat Logic: The Recurring 17 See for example Feddes and Gallucci, “Literature Review,” of gang-related offending). Disengagement is, therefore, Theme of Terrorist Abnormality in Psychological Research,” and Mullins, “Rehabilitation of Extremist Terrorists.” seen as both a useful term and goal as it relates to specific Psychology, Crime and Law 4, no. 1 (1998): 51–69, and 18 See for example Devon Polaschek “An Appraisal of the changes to an individual’s relationship with a violent extre- Horgan, Psychology of Terrorism. Risk, Need and Responsivity Model of Offender Rehabili- mist group, cause, or ideology that may directly or indirectly 31 Gemma Harper and Chloe Chitty, The Impact of Correc- tation and Its application in Correctional Treatment,” Legal facilitate desistance. Disengagement is not considered tions on Re-Offending: A Review of “What Works,” 3rd ed. and Criminological Psychology 17 (2012): 1–17; McGuire, necessary for desistance to occur, especially temporarily (London: Home Office, 2005). “‘What Works.’”. (so-called primary desistance). However, it is less clear

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Die neue Zeitschrift für alle, die sich gegen Menschenfeindlichkeit und für Demokratie stark machen. Interventionen. 08 | 2016 www.demokratie-gegen-menschenfeindlichkeit.de27 BIOGRAPHIEFORSCHUNG

JUGENDLICHER RECHTSEXTREMISMUS UND DIE BIOGRAPHISCHE PERSPEKTIVE

Darstellung und Diskussion vorliegender Forschungsbefunde1

v o n M i c h a e l a G l a s e r u n d N i l s S c h u h m a c h e r

Wenn von rechtsextremen Orientierungen oder Affinitäten Jugendlicher die Rede ist, tut sich für die pädagogische Praxis seit jeher ein Spannungsfeld auf. Es eröffnet sich, weil Aufgaben und Ziele pädagogi- scher Arbeit nicht unbedingt deckungs- gleich sind mit gesellschaftlichen Erwar- tungen, die an sie herangetragen werden – Erwartungen, die häufig um die Abwehr von Gefährdungen durch diese Jugendli- chen kreisen.

Die pädagogische Arbeit kennt zwar die Aufgabe der Gefährdungsabwehr. Kernan- liegen ist hierbei jedoch, junge Menschen selbst – dem Schutzauftrag der Jugend- hilfe entsprechend – vor gefährdenden Einflüssen zu schützen. Mit dieser Schutz- prämisse verknüpft sich der pädagogische Auftrag, „strukturelle und kontextuelle Möglichkeiten und Voraussetzungen da- für zu schaffen, dass selbstbestimmte Le- bensentwürfe tatsächlich realisiert werden können“ (Böllert 2014: 1230) und konkrete Unterstützung zur Begründung selbstver- antworteter Lebensentwürfe zu geben (vgl. dies.). Verstehens- und Bekämpfungsper- spektiven treffen in diesem Kontext ge- nauso aufeinander wie unterschiedliche Verständnisse von und Erwartungen an Prävention und Intervention.

Will pädagogische Praxis einen produkti- ven Umgang mit diesem Spannungsfeld finden, benötigt sie angemessene Kon- zepte und Strategien. Um diese entwickeln zu können, ist nicht nur Orientierungswis- sen darüber nötig, was unter „Rechtsext- remismus“ verstanden werden kann und welche Konturen er besitzt. Es braucht

28 Interventionen. 08 | 2016 JUGENDLICHER RECHTSEXTREMISMUS UND DIE BIOGRAPHISCHE PERSPEKTIVE

auch Wissen darüber, warum und unter kungen sprechen, da diese Arbeiten be- 2.1 Frühe Erfahrungen welchen Bedingungen sich (junge) Men- stimmte Schwerpunktsetzungen bzw. schen rechtsextremen Deutungs- und Zu- Begrenzungen aufweisen: Auch wenn Um Hinwendungen zum Rechtsextremis- gehörigkeitsangeboten zuwenden. Damit die Relevanz einer biografischen Pers- mus zu erklären (und ihnen pädagogisch rücken Sozialisationsprozesse, biografi- pektive mittlerweile breite Anerkennung adäquat zu begegnen), ist auch von Inte- sche Erfahrungen und ihre Verarbeitungen findet, werden selten Gesamtbiografien resse, ob und inwiefern frühen, vor allem in den Blick und es eröffnet sich der für pä- in den Blick genommen. Studien konzen- im familialen Nahfeld gemachten Erfah- dagogisches Handeln so zentrale Zugang trieren sich häufig auf die Jugendphase rungen hier eine Bedeutung zukommt – in zu einer Verstehensperspektive. und hier vor allem auf Peer-Kontexte. Nur dem Sinne, dass sie spätere Entwicklun- selten wird systematisch die Verbindung gen möglicherweise vorstrukturieren (vgl. Der folgende Beitrag geht der Frage nach, mit anderen Sozialisationsbereichen (wie Hopf u.a. 1995). was über biografische Hintergründe und Familie, Schule und Ausbildung, Milieus) deren Verarbeitung sowie über sozialisato- hergestellt. Noch seltener bzw. häufig nur Ein solcher möglicher Einfluss wird frühen rische Erfahrungen von jungen Menschen oberflächlich wird auf frühkindliche Erfah- Erfahrungen vor allem in zweierlei Hinsicht bekannt ist, die sich rechtsextremen Ideo- rungen und ihren Stellenwert für spätere zugesprochen: Zum einen in Form emoti- logien und/oder rechtsextremen Gruppen ‚Affinität’, aber auch ‚Distanziertheit‘ ge- onaler Belastungen und Überforderungen, zuwenden.2 Er gibt einen Überblick über blickt. die – so die Annahme – eine besondere den (bundesdeutschen) Forschungsstand Empfänglichkeit für die Orientierungs-, und zeigt gut belegte Zusammenhänge, Zudem liegt insgesamt ein deutlicher Zugehörigkeits- und Selbstaufwertungs- aber auch notwendige Differenzierungen Schwerpunkt auf (männlichen) Straf- bzw. angebote rechtsextremer Botschaften sowie Forschungslücken auf. Gewalttätern (mit häufig eher diffusen und Gruppierungen konstituieren; zum ideologischen Bezügen) und Angehörigen anderen durch die Übernahme bestimm- Im Folgenden wird zunächst die zu diesen devianter Jugendcliquen. Kaum werden – ter, für spätere rechtsextreme Haltungen Fragen existierende Forschung charakteri- sicherlich auch wegen schwierigerer Feld- anschlussfähiger, Orientierungen, Erfah- siert (1). Sodann werden zentrale Befunde zugänge – Partei- und Kameradschafts- rungsdeutungen und Verhaltensweisen, zu den hier relevanten Sozialisationspha- mitglieder, Kader und Führungskräfte in die im familiären Alltag erlebt werden („Ler- sen und -instanzen vorgestellt (2.1 und den Blick genommen. nen am Modell“) (vgl. Rieker 2008). 2.2), um vor diesem Hintergrund Attrak- Hinzukommt, dass neuere Entwicklungen tivitätsmomente und (Radikalisierungs) des (stark im Wandel begriffenen) jugend- Es stellt sich deshalb die Frage, ob sich bei Dynamiken rechtsextremer Gruppierungs- lichen Rechtsextremismus und seiner rechtsextremen und entsprechend affinen prozesse zu diskutieren (3.). Abschließend Randbereiche (etwa „Identitäre Bewe- jungen Menschen Häufungen von in dieser werden die vorgestellten Einflussfaktoren gung“ und ähnliche) wie auch die gewach- Hinsicht als problematisch zu erachtenden noch einmal im Lichte vertiefender Studien sene Relevanz medialer Sozialisationsein- Erfahrungen zeigen. In der Gesamtschau in ihrem möglichen Zusammenspiel be- flüsse bislang kaum empirisch untersucht ergeben die vorliegenden Befunde hier fol- trachtet (4.). wurden. gendes Bild:

1. Forschungslage Diese Einschränkungen vorangestellt, las- Emotionale Belastungen sen sich einige (vorläufige) Forschungs- Sowohl bei fremdenfeindlichen und rechts- Die bundesdeutsche Rechtsextremismus- ergebnisse zu biografischen Erfahrungen extremen Gewalttätern als auch bei An- forschung der ersten Jahrzehnte kon- von rechtsextrem orientierten bzw. invol- gehörigen rechtsorientierter, devianter zentrierte sich noch stark auf die Epoche vierten jungen Menschen festhalten, die Cliquen konstatieren Studien eine Häu- des Nationalsozialismus sowie – was im Folgenden vorgestellt werden. fung sog. „broken-home“-Situationen, d.h. zeitgenössische Phänomene betraf – auf von Konstellationen, die – sei es aufgrund ideengeschichtliche und organisatori- 2. Biografische Erfahrungen: Stand der von Tod, Sucht, Krankheit oder Trennung/ sche Aspekte. Ab Mitte der 1980er Jahre Forschung Scheidung – durch eine formale Unvoll- avancierte allerdings der organisationsfer- ständigkeit des klassischen Eltern-Erzie- ne jugendliche Rechtsextremismus zum Erfahrungen und Lebensbedingungen, die hungsarrangements geprägt sind. Dabei zentralen Forschungsgegenstand. Neben für rechtsextreme Hinwendungs- und Ra- wird insbesondere die Abwesenheit bzw. Studien, die sich jugendkulturellen Praxen dikalisierungsprozesse junger Menschen der frühe Verlust von Vaterfiguren betont und Selbststilisierungen widmen, ist hier als bedeutsam erachtet werden, lassen (vgl. etwa Günter 2004; Özsöz 2008). auch eine Reihe von Forschungsarbeiten sich im Wesentlichen in zwei Lebenspha- Für sich genommen gilt eine solche ‚Un- entstanden, die sich mit den Aufwachs- sen verorten: einmal der Phase früher, im vollständigkeit’ zwar nicht als Risikofaktor; bedingungen und Erfahrungshintergrün- Kindesalter gemachter Erfahrungen (2.1) allerdings gelten diverse Folgeprobleme den junger Menschen befassen, die sich und zum anderen der (frühen und mittle- (Erkrankung oder Überforderung eines rechtsextremen Inhalten und Strukturen ren) Adoleszenz als jener Phase, in der Elternteils, finanzielle Probleme, fehlende zuwenden (vgl. dazu Frank/Glaser i.E.) sich ein politisches Bewusstsein ausbildet Rollenvorbilder) als wahrscheinlicher, wes- und konkrete Annäherungen an rechtsex- halb sie vielfach als möglicher Hinweis auf Von einer guten Forschungslage lässt sich treme Positionen und Strukturen erfolgen ein „dysfunktionales“ Familiensystem ge- dennoch nur mit deutlichen Einschrän- (2.2). wertet werden.3 Angehörige beider Grup-

Interventionen. 08 | 2016 29 BIOGRAPHIEFORSCHUNG

pen haben in ihrer Kindheit außerdem In einer Untersuchung zu fremdenfeind- Darüber hinaus fungiert Familie in dieser häufig Gewalttätigkeit durch den (Stief-) lichen Jugendlichen zeigte sich zudem, Phase auch als Raum zunehmend be- Vater erlebt. V.a. bei Gewalttätern werden dass diese in ihrer Kindheit einen fami- wusst erlebter politischer bzw. politisch zudem Erfahrungen mangelnder Konti- liären Umgang mit „Verschiedenheit“ er- relevanter Prägung. Seltener sind hier nuität und Verlässlichkeit identifiziert (vgl. lebt hatten, der durch ausgeprägte, mit Studien zufolge direkte Beeinflussungen Frindte/Wahl 2001; Özsöz 2008). Diese Abwertung und Ausgrenzung verbunde- in Richtung rechtsextremer Positionen re- Erfahrungen ähneln denjenigen, die unpo- ne Eigen- und Fremdgruppen-Differen- levant; vor allem wird auf Einflüsse durch litische Gewalttäter und deviante Jugendli- zierungen sowie eine starke Orientierung Ablehnungshaltungen, insbesondere ge- che aufweisen (vgl. Marneros/Steil/Galvao an Eigengruppeninteressen geprägt war genüber ‚AusländerInnen’, hingewiesen, 2003). Für stärker ideologisierte Kader und (Rieker 1997) . die – den Jugendlichen zufolge – in vielen Führungskräfte zeigen sich diese Zusam- Familien offen kommuniziert werden (vgl. menhänge allerdings nicht in derselben 2.2 Adoleszenz etwa v. Wensierski 2003; Gabriel 2005). Deutlichkeit – wobei zu diesen nur wenig Entsprechende elterliche Einflüsse zeigen Empirie verfügbar ist. Während frühe Erfahrungen sich in der sich jedoch in erster Linie dort, wo die (be- Regel allein auf das familiale Nahfeld richtete) Eltern-Kind-Beziehung von positi- Als ein alle genannten Gruppen übergrei- beziehen, gewinnen mit der beginnen- ver Qualität ist (vgl. etwa Grob 2005).4 fendes Muster werden hingegen Erfah- den Ablösung von der Herkunftsfamilie rungshintergründe erkennbar, die durch weitere (sekundäre) Sozialisationsinstan- Diverse Studien verweisen zudem darauf, eine gewisse emotionale Kälte (v.a. der zen an Bedeutung und es treten Fragen dass dort, wo elterliche Erziehungsperso- Väter) sowie einen eher auseinanderset- der Repräsentation als eigenständige nen ausfallen oder keine gute Beziehung zungsarmen Erziehungsstil geprägt sind Person und der Integration (in subjektiv zu ihnen besteht, verschiedentlich auch (vgl. Schiebel 1992; Frindte/Wahl 2001). ‚passende’ peer-Zusammenhänge, Par- Großeltern – in der Retrospektive der Ju- Übergreifend zeigen sich zudem Auffällig- tizipationskontexte, Schule und ggf. Ar- gendlichen – für entsprechende Beeinflus- keiten dahingehend, wie familiale Erfah- beitsmarkt etc.) mehr und mehr in den sungen verantwortlich zeichnen. rungen erinnert bzw. geschildert werden: Vordergrund. Befunde zu den Zusam- Hier dominieren entweder ein abwehrend- menhängen zwischen hier gemachten Neben diesen stärker politischen Einflüs- vermeidender Umgang mit familialen Erfahrungen und der Hinwendung zu sen sind zudem jugendkulturelle Einflüsse Prägungen und Konflikterfahrungen oder rechtsextremen Deutungs- und Zuge- zu nennen, die Wege in rechtextreme Sze- Verstrickungen, kaum wird jedoch von hörigkeitsangeboten liegen – in unter- nen öffnen. In vielen Fällen kommt älteren sicher-autonomen Beziehungen berichtet schiedlicher Dichte – zu verschiedenen Geschwistern hier die Rolle des Türöffners (vgl. etwa Schiebel 1992; Hopf u.a. 1995; Dimensionen vor. zu. Eine neue Entwicklung ist, dass Eltern auch Bohnsack u.a. 1995). selbst etwa Angehörige der rechtsextre- Familiärer Kontext men Skinhead-Szene waren oder sind und Vorbildlernen Die familialen Beziehungen von Jugendli- entsprechende Impulse weitergeben (vgl. Aus einer zweiten, damit eng verbunde- chen im Hinwendungsprozess sind diver- etwa Möller/Schuhmacher 2007). nen, Perspektive stellt sich die Frage nach sen Studien zufolge weiterhin durch ge- frühen verhaltens- und wert- bzw. normen- minderte emotionale Nähe (vor allem zum Charakteristisch ist zudem, dass Eltern bezogenen Prägungen in Form familiär Vater), fehlende verständigungsorientier- auf beginnende Hinwendungen zumeist vorgelebter Verhaltensweisen, Wertorien- te Kommunikation sowie, auf Seiten der in spezifischer Weise reagieren. Neben tierungen und Deutungsmuster. In den Jugendlichen, affektive Verstrickungen Desinteresse werden als verbreitete Reak- – allerdings nur sehr wenigen – Studien, charakterisiert. Es schreiben sich somit tionsmuster inkonsistente, wenig verstän- die diesen Fragen vertiefend nachgehen, Erfahrungen fort, die in Studien zu frühen digungsorientierte und autoritäre Reak- zeigen sich diesbezüglich verschiedene Einflüssen als charakteristisch für diese tionen identifiziert. In den meisten Fällen Zusammenhänge mit späteren Ausprä- Jugendlichen identifiziert wurden. Ty- gelten diese Reaktionen auch weniger den gungen rechtsextremer Syndromfacetten. penübergreifend weisen Befunde zudem politischen Haltungen der Kinder als den auf Zusammenhänge zwischen familiär befürchteten Konsequenzen abweichen- Konstatiert wird etwa ein engerer Zusam- verortbaren „biographisch relevanten“ den Verhaltens. menhang sich später ausbildender frem- Krisen (Schiebel 1992), daraus resultie- denfeindlicher und rassistischer Orientie- renden Verunsicherungen und Hinwen- Systemische und soziale rungen mit autoritären Erziehungsstilen dungsprozessen zu rechtsorientierten Integrationskontexte und als Normalität erlebten gewalthaltigen Cliquen und Szenen hin. Scheidungen Ein weiteres in der Forschung diskutiertes Konfliktlösungsmustern (vgl. Gabriel 2005; und Verluste zentraler Bezugspersonen Bündel an Risikofaktoren bezieht sich auf Rieker 1997). In Bezug auf Autoritarismus können solche biographischen Wende- sogenannte „benachteiligte Lebenslagen“, ist allerdings die Frage, inwieweit es sich punkte darstellen, da sie nicht selten mit d.h. eine defizitäre Einbindung in den Bil- hier um Lernerfahrungen handelt oder es schulischen Problemen, mit Rückzügen dungs-, Ausbildungs- und Erwerbssek- nicht vor allem die oben genannten Zu- aus vorhandenen sozialen Einbindungen tor und daraus resultierende Defizit- und wendungsdefizite sind, die den Aufbau sowie mit (sich intensivierenden) Konflik- Nichtzugehörigkeitserfahrungen. Eindeu- solcher Orientierungen begünstigen (vgl. ten insbesondere im Schulkontext korre- tig fällt auch hier das Bild in Bezug auf Hopf u.a. 1995). spondieren. (Mehrfach- und Intensiv-)Gewalttäter aus:

30 Interventionen. 08 | 2016 JUGENDLICHER RECHTSEXTREMISMUS UND DIE BIOGRAPHISCHE PERSPEKTIVE

Studien zeigen bei ihnen starke Problem- verdichtungen in Form niedriger formaler Bildungsniveaus, einer erhöhten Zahl an Schulabbrüchen, Schwierigkeiten bei Aus- bildungs- und Berufsfindung, unsicherer oder fehlender Beschäftigungsverhältnis- se und damit verbundener, subjektiv so auch interpretierter Scheiterns- und Miss- erfolgserfahrungen bei zugleich hohen Ansprüchen und Erwartungen (Marneros/ Steil/Galvao 2003; für Angehörige gewalt- tätiger Cliquen auch Eckert/Reis/Wetzstein 2000). Entsprechende Problemkonstellati- onen liegen bei einem großen Teil bereits vor der Hinwendung vor, bei einem ande- ren Teil gehen sie einher mit den bereits er- wähnten biografischen Krisen, die zu Leis- tungsabfall, Rückzug oder aggressivem Auftreten führen (vgl. etwa Günter 2004; Özsöz 2008) und damit eine ‚Desintegra- photocase/kamirika tionsspirale’ in Gang setzen.

Allerdings sind von diesem Gesamtbild freiwilligen Position des nach ‚Sinn‘ su- rungen lassen sich Attraktivitätsmomente Abstriche in Bezug auf „Mitläufer“, Ange- chenden Einzelgängers, die in den Studi- und Funktionen, die rechtsextreme Ange- hörige nicht gewalttätiger Cliquen als auch en und Darstellungen zu Führungsperso- bote für manche junge Menschen besit- Führungspersonen zu machen, für die eine nen durchscheint. Hinwendungen, so ein zen, wie auch damit verbundene Entwick- deutlich größere Bandbreite diesbezüg- weiterer Befund, vollziehen sich auch nicht lungsdynamiken genauer fassen. licher (Des)Integrationserfahrungen und nur vor dem Hintergrund individuellen Aus- Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass es Statusbedingungen registriert wird. Deut- grenzungserlebens, sondern auch als kol- den jugendlichen Rechtsextremen (bzw. lich wird im Gesamtbild auch, dass soziale lektive Anschlüsse sich als marginalisiert die jugendliche Rechtsextreme) nicht gibt. und systemische Desintegrationserfahrun- empfindender Cliquen (vgl. Groffmann Entsprechende Typologien unterscheiden gen keineswegs nur und keineswegs im- 2001). bereits mit Blick auf das Feld des jugend- mer Vorbedingung der Hinwendung son- kulturell-expressiven Rechtsextremismus dern auch ihr möglicher Nebeneffekt sind, Ob Hinwendungen als individuelle Suche Typen wie „Mitläufer“, „Schläger“ bzw. „Ag- weil diese mit Prozessen der offensiven nach Anschluss oder als kollektive Einfin- gressive“, „Deviante“, „Cliquenzentrierte“, Abgrenzung, der Stigmatisierung durch dung in eine Szene erfolgen: peer groups „Ethnozentristen“ sowie „Ideologisierte“. Dritte und eines eigenen „Stigmakults“ nehmen in diesem Prozess eine zentrale Auch von dem einen Bündel an motivati- (Hafeneger/Jansen 2001) verbunden ist. Rolle ein. Sie sind Schleusungspunkt für onalen Hintergründen lässt sich deshalb szenische Annäherungen und für den Auf- nicht sprechen. Gemeinschaftliche Integrationskontexte bau, die Vertiefung und Systematisierung Eine dritte Dimension von Erfahrungen rechtsextremer Haltungen (vgl. Möller/ Deutlich wird im Gesamtbild ebenfalls, bezieht sich auf jenseits von Familie an- Schuhmacher 2007). dass auch Hinwendungen und Gruppen- gesiedelte Gemeinschaftkontexte –, hier bildungen in rechtsextremen Kontexten zum einen auf persönliche Erfahrungen Deutlich werden hierbei zwei Spezifika jugendtypischen Logiken des sozialen An- der Nichtanerkennung und Abwertung (in rechtsextremer Vergemeinschaftung: Zum schlusses und der Stilbildung folgen und Gleichaltrigen-Kontexten, im sozialem einen kommt es zu Identifizierungen, Ab- dass sie allgemeine Funktionen von Grup- Umfeld), zum anderen auf Zugehörigkeits- grenzungen und kollektiven Inszenierun- penbildung – die Befriedigung von Bedürf- angebote und -erfahrungen in rechtsextre- gen, die (in unterschiedlichen Graden) mit nissen nach Freundschaft, Zugehörigkeit, men Szenen. Für die Phase vor der Hin- politischen Elementen aufgeladen sind. Anerkennung, Zusammenhalt – überneh- wendung lässt sich hier typübergreifend Zum anderen nehmen auch Interaktionen men. Ein spezifisches Moment dabei ist feststellen, dass ein nicht geringer Teil der mit Dritten zunehmend politischen Cha- jedoch, dass sich von diesen Szenen – ne- untersuchten Jugendlichen Außenseiter- rakter an und tragen so zu Verfestigungen ben stark konformitätsorientierten Jugend- erfahrungen gemacht hat bzw. sich in der und Vereindeutigungen bei. lichen, die sich im Sozialraum (vermeint- Außenseiterrolle wähnt. Je nach Typ sind lich) dominierenden Gruppen anschließen diese Erfahrungen jedoch unterschiedlich 3. Attraktivitätsmomente und (vgl. dazu Möller/Schuhmacher 2007) – in konturiert: Sie reichen von der (mehr oder Gruppendynamiken hohem Maße Jugendliche angesprochen weniger) unfreiwilligen Außenseiterpositi- fühlen, die anderweitig Anschlussproble- on, etwa aufgrund aggressiv-gewalttätigen Vor dem Hintergrund der dargestellten bio- me haben und bei denen Gefühle fehlen- Auftretens, bis zur (mehr oder weniger) grafischen bzw. sozialisatorischen Erfah- der Unterstützung (in unterschiedlichsten

Interventionen. 08 | 2016 31 BIOGRAPHIEFORSCHUNG

Sozialisationsbereichen) dominieren (vgl. Zu Attraktivitätsmomenten und Integrati- auch nicht isoliert, als „abweichende“ in- etwa Eckert/Reis/Wetzstein 2000; Hafe- onsmechanismen von explizit politischen dividuelle Entwicklungspfade betrachtet neger/Jansen 2001; v. Wensierski 2003). Gruppen existieren allerdings kaum Be- werden können. Rechtsextreme Gruppen fungieren hier funde, weshalb sich das hier entworfene als „Kompensationsagenturen“ für an- Bild v.a. auf ‚proto’-politische, expressiv- Insbesondere mit Blick auf die Segmente dernorts unbefriedigte Bedürfnisse und als jugendkulturelle Cliquen bezieht. des jugendkulturell-expressiven und ge- „Ersatzheimat“ (vgl. Frindte/Wahl 2001, v. waltorientierten Rechtsextremismus ist so Wensierski 2003), in der vermisste „biogra- 4. Schlussbetrachtung festzuhalten, dass sich die Dynamik der phische Stabilität“ (Inowlocki 2000: 295) Hinwendung – vor dem Hintergrund von gewährleistet scheint. Die vorgestellte Empirie weist im Gesamt- biografischen Erfahrungen, die Affinitäten bild darauf hin, dass jugendliche Hinwen- vorkonturieren – im Zusammenspiel zwi- In Studien zum gewalttätigen und expres- dungen zum Rechtsextremismus weder schen einer „ausgeprägte[n] Adoleszenz- siv-jugendkulturellen Rechtsextremismus allein auf genau benennbare psychosozi- krise“ (Bohnsack u.a. 1995; auch bereits wird zudem deutlich, dass vor allem männ- ale Grundmuster von „inneren Zuständen“ Hennig 1982), bzw. „biografisch relevanten liche Jugendliche von den Versprechen eines bestimmten Personenkreiseses ver- Krisen“ (Schiebel 1992: 74), dem Fehlen körperlicher Durchsetzungskraft und eines weisen, noch mit „Verlockungen“ rechts- sozialisatorisch erworbener Bewältigungs- darüber erfolgenden Statusaufbaus an- extremer „Rattenfänger“ zu erklären sind, mittel, günstigen Gelegenheiten (des gesprochen werden. Gewaltaffinität und denen Jugendliche „auf den Leim gehen“. Kontakts zu rechtsextremen Szenen) und Freund-Feind-Dichotomisierungen erwei- Vielmehr wird deutlich, dass die Frage kollektiven Dynamiken in Gruppen und mit sen sich hierbei, gerade bei länger in der nach den Attraktivitätsmomenten von und anderen (etwa Instanzen sozialer Kontrol- Szene Verbleibenden, als Resultat sowohl den Motiven für Hinwendungen nicht los- le, Öffentlichkeit, Gegner, potenziell Sym- kollektiver Verständigungsprozesse und gelöst zu beantworten ist von biographi- pathisierende) entfaltet. Dynamiken als auch sozialisatorisch er- schen Erfahrungen und sozialisatorisch er- worbener ‚Dispositionen’. Über Inszenie- worbenen Mustern der Lebensgestaltung, Dabei ist dieser Prozess weder determi- rung kollektiver (körperlicher) Stärke und aus denen heraus sie für das Individuum nistisch zu denken noch in geradlinig an- über geteilte Einstellung wird individuelles subjektive Plausibilität und Funktionalität gelegten Karrieremodellen abbildbar. Die Stigma-Erleben zu neutralisieren versucht besitzen. in der Forschung sich zeigende Mehrdi- (vgl. Groffmann 2001: 107). Das Politische mensionalität, Vielschichtigkeit und auch fungiert hier als Integrations- und Initiati- Dabei zeigen die vorliegenden Studien, Diskontinuität jugendlicher Hinwendungen onsmechanismus (v. Wensierski 2003), dass sich die Attraktivität rechtsextremer zum Rechtsextremismus verweist viel- weil es die Gruppe einer höheren (natio- Ideologie- und Gruppenangebote aus mehr auf die prinzipielle Offenheit mögli- nalen) Aufgabe zuordnet und die Gegner Mangelerfahrungen und -wahrnehmun- cher Verläufe: So wie Erfahrungen aus un- im Alltag in ein Freund-Feind-Raster ein- gen speisen kann, die in unterschiedlichen terschiedlichen Sozialisationsphasen und sortiert. Lebensphasen und Sozialisationsberei- -sphären in einer spezifischen Weise inei- chen ihren Ursprung haben. Sie machen nander greifen können (und müssen), um Hinsichtlich der Bedeutung ideologischer gleichzeitig deutlich, dass für Hinwendun- Hinwendungsprozesse voranzutreiben, Motive im Hinwendungsprozess zeigen gen nicht einzelne Risiko- und Belastungs- können anders gelagerte Erfahrungen die die vorliegenden Befunde, dass sich bei faktoren verantwortlich zeichnen, sondern Dynamik des Prozesses an jedem Punkt dem Gros rechtsextrem orientierter Ju- sich diese stets in einem Zusammenspiel der individuellen Entwicklung auch wieder gendlicher Hinwendungen nicht zuerst unterschiedlicher, sich wechselseitig er- in eine andere Richtung beeinflussen. über die Orientierung an ideologischen gänzender und verstärkender, Faktoren Inhalten vollziehen. Allerdings wird auch vollziehen. Für pädagogische Arbeit stellt diese deutlich, dass „Politik“ in wie fragmentierter Komplexität und Diversität jugendlicher Form auch immer einen Referenzrahmen Studien, die diese Zusammenhänge ver- Hinwendungsprozesse insofern eine darstellt, auf den sich bereits in den ersten tiefend in den Blick nehmen, zeigen dar- spezifische Herausforderung dar, als in Schritten der Hinwendung bezogen wird: über hinaus, dass für eine Vulnerabilität der Arbeit mit diesen Jugendlichen stets „Das [...] politische Orientierungsmuster gegenüber rechtsextremen Ideologie- und ein genauer, dem Einzelfall Rechnung ist vor allem eine Selbstetikettierung eige- Gruppenangeboten weniger der Umstand tragender Blick gefragt ist. Standardi- ner Orientierungen und Handlungsmuster (zurückliegender oder akuter) Desinteg- sierte „Risikogruppen“-Definitionen und als politisches Handeln im Sinne des so- rations- und Krisenerfahrungen an sich „Gefährdungs“-Checklisten geben hier zialen Bezugsystems der rechten Szene“ entscheidend ist. Von zentraler Bedeutung keine Handlungssicherheit und sind nur (v. Wensierski 2003: 469). Im weiteren erweisen sich vielmehr die – ebenfalls bio- um den Preis möglicher Stigmatisierungen Verlauf, moderiert durch die einsetzenden grafisch geprägten bzw. sozialisatorisch einerseits, von Wahrnehmungslücken und Verständigungen in der Gruppe, wird mit erworbenen – Deutungsmodi und Bewäl- „blinden Flecken“ andererseits zu haben. Hilfe politischer Kategorien der Alltag als tigungskompetenzen im Umgang mit die- Daraus folgt auch, dass es für die Arbeit ‚rechter’ Jugendlicher gedeutet. Bestätigt sen Belastungen. mit diesen Jugendlichen flexible und di- wird diese Selbstsicht nicht zuletzt auch Erkennbar wird zudem, dass Hinwendun- versifizierte Vorgehensweisen braucht, da durch die Konfliktinteraktionen mit Dritten gen stets Bestandteil und Resultat sozia- unterschiedliche Typen unterschiedliche (Polizei, Gegnern, sozialer Umwelt). ler Interaktionsprozesse sind und insofern Konzepte und Schwerpunktsetzungen in

32 Interventionen. 08 | 2016 JUGENDLICHER RECHTSEXTREMISMUS UND DIE BIOGRAPHISCHE PERSPEKTIVE

Günter, Michael (2004): Gruppenidentität und Idealisierung des AUTOREN Bezug auf Integrationsförderung, Kompe- Aggressors. Gibt es Spezifika rechtsradikaler jugendlicher tenzstärkung, Erfahrungsvermittlung und Gewalttäter? In: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Ju- Michaela Glaser, Jg. 1966, gendhilfe 15 (1), 15-19. -verarbeitung sowie inhaltliche Auseinan- Soziologin M.A., Projektleiterin Hafeneger, Benno/Jansen, Mechtild M. (2001): Rechte Cliquen. dersetzung erfordern. Alltag einer neuen Jugendkultur, Weinheim – München. der »Arbeits- und Forschungs-

Heitmeyer, Wilhelm/Buhse, Heike/Liebe-Freund, Joachim/Möl- stelle Rechtsextremismus und So schwierig es sich häufig erweist, dem ler, Kurt/Müller, Joachim/Ritz, Helmut/Siller, Gertrud/Vossen, Radikalisierungsprävention« des Johannes (1992): Die Bielefelder Rechtsextremismus-Stu- komplexen Zusammenspiel der hier skiz- die. Erste Langzeituntersuchung zur politischen Sozialisation Deutschen Jugendinstituts (DJI). Arbeitsgebiete: zierten Faktoren in Falleinschätzungen männlicher Jugendlicher. Bielefeld. Forschung und Wissenstransfer zur pädagogi- und pädagogischen Strategien adäquat Hennig, Eike (1982): Neonazistische Militanz und Rechtsextre- schen Auseinandersetzung mit Rechtsextremis- mismus unter Jugendlichen. Schriftenreihe des Bundesin- und erfolgreich Rechnung zu tragen: Die nenministeriums, Bd. 15. Stuttgart: Kohlhammer. mus und gewaltorientiertem Islamismus sowie zu Relevanz sozialer Erfahrungen sowie die Hopf, Christel/Rieker, Peter/Sanden-Marcus, Martina (1995): Hinwendungs- und Radikalisierungsprozessen Familie und Rechtsextremismus. Familiale Sozialisation und (Erfahrung)offenheit von Hinwendungs- rechtsextreme Orientierungen junger Männer. Weinheim – junger Menschen. prozessen verweisen nicht zuletzt darauf, München. Kontakt: [email protected]; www.dji.de/afs dass sich pädagogische Auseinanderset- Inowlocki, Lena (2000): Sich in die Geschichte hineinreden. Bio- graphische Fallanalysen rechtsextremer Gruppenzugehörig- zungen mit diesen Jugendlichen lohnen – keit. a.M. Dr. Nils Schuhmacher, Dipl. und dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten Kleeberg-Niepage, Andrea (2012): Zur Entstehung von Extre- Politikwissenschaftler, Dipl. Krimi- einer „Radikalisierungskarriere“ Distanzie- mismus im Jugendalter: Lässt sich richtiges politisches Den- nologe; bis Ende 2016 wissen- ken lernen? Journal für Psychologie, 20 (2), 1-30. rungsprozesse möglich sind, die durch pä- schaftlicher Miterarbeiter an der Marneros, Andreas/Steil, Bettina/Galvao, Anja (2003): Der so- dagogische Interventionen sinnvoll beglei- ziobiographische Hintergrund rechtsextremistischer Gewalt- Hochschule Esslingen, Projekt täter. In: Monatsschrift fur Kriminologie und Strafrechtsreform tet und unterstützt werden können. 5, 364-372 ‚Rückgrat!‘. Forschungs- und Publikationsschwer- ______punkte: Rechtsextremismus, Protest und Gewalt Menschik-Bendele, Jutta/Ottomeyer, Klaus u.a. (1998): Sozial- 1 Dieser Aufsatz ist eine leicht überarbeitete Fassung von psychologie des Rechtsextremismus. Entstehung und Ver- Nils Schuhmacher/Michaela Glaser: Biographische Pers- im Überschneidungsbereich von politischer und änderung eines Syndroms. Opladen. pektiven auf jugendlichen Rechtsextremismus, erschienen jugendkultureller Sozialisation. in Forum Jugend¬hilfe, 3, 2016, S. 34-41. Möller, Kurt/Schuhmacher, Nils (2007): Rechte Glatzen. Rechts- 2 Wir sprechen in diesem Zusammenhang bewusst nicht extreme Orientierungs- und Szenezusammenhänge - Ein- allein von ‚Radikalisierung’, da mit diesem Begriff nicht die stiegs-, Verbleibs- und Ausstiegsprozesse von Skinheads. soziale und motivbezogene Mehrdimensionalität abgedeckt Wiesbaden. wird, die Annäherungen an rechtsextreme Ideologien und Özsöz, Figen (2008): Hasskriminalität. Auswirkungen von Haf- Gruppierungen zugrundeliegt bzw. mit diesen einhergeht. terfahrungen auf fremdenfeindliche jugendliche Gewalttäter. 3 Unter der Perspektive potenziell hinwendungsfördern- Freiburg. der „Belastungsfaktoren“ ist der Topos „broken home“ Rieker, Peter (1997): Ethnozentrismus bei jungen Männern, allerdings als problematisch zu erachten, da er neben Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus und die Bedingun- unstrittig belastenden Konstellationen auch Familienmodel- gen ihrer Sozialisation, Weinheim – München le umfasst, die die Aufwachsbedingungen eines Großteils heutiger Kinder prägen – und die von sehr unterschiedli- cher Qualität sein können. Rieker, Peter (2008): Zum Zusammenhang von familiärer Sozi- 4 Sehr deutlich ist hier der - an frühkindliche Verstrickung alisation, Gewalttätigkeit und Rechtsextremismus. In: Benz- - anschließende Befund, dass die Jugendlichen in Bezug ler, Susanne (Hg.): Strategien gegen Rechtsextremismus. auf (ihre) Familie zu idealisierenden Überzeichnungen Jugendpolitische Daueraufgabe zwischen alten und neuen tendieren. So wird auch plausibel, warum Bezüge auf die Perspektiven. Rehburg-Loccum, 25-40. (vorgebliche) Meinung der Eltern auch dann vorgenom- men werden, wenn sich das Verhältnis als sehr schlecht Schiebel, Martina (1992): Biographische Selbstdarstellungen darstellt. rechtsextremer und ehemals rechtsextremer Jugendlicher, in: Psychosozial, 15.Jg., H.3, 66-77. LITERATUR v. Wensierski, Hans-Jürgen (2003): Jugendcliquen und Jugend- biographien. Biografische und ethnografische Analysen der Mitgliedschaft in Jugendcliquen am Beispiel ostdeutscher Böllert, Karin (2014): Prävention und Intervention. In: Otto/ Jugendlicher. Halle. Thiersch (Hg.) (2014): Handbuch Soziale Arbeit. 5., erweiter- te Auflage. München – Basel, 1227-1232.

Böhnisch, Lothar (2012): Sozialpädagogik der Lebensalter. Eine Einführung. 6. überarb. Auflage. Weinheim – München: Beltz Juventa.

Bohnsack, Ralf/Loos, Peter/Schäffer Burkhard u.a. (1995): Die Suche nach Gemeinsamkeit und die Gewalt der Gruppe. Hooligans, Musikgruppen und andere Jugendcliquen. Op- laden.

Eckert, Roland/Reis, Christa/Wetzstein, Thomas A. (2000): „Ich will halt anders sein wie die anderen“. Abgrenzung, Gewalt und Kreativität bei Gruppen Jugendlicher. Opladen.

Frank, Anja/Glaser, Michaela: Biographie und Rechtsextremis- mus: In: Lutz, Helma/Schiebel, Martina/Tuider, Elisabeth (Hg.): Handbuch Biografieforschung. Wiesbaden: Springer VS (i.E.)

Frindte, Wolfgang/Wahl, Klaus u.a. (2001): Biografische Hin- tergründe und Motivationen fremdenfeindlicher Gewalttäter. In: Wahl, Klaus (Hg.): Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rechtsextremismus. Drei Studien zu Tatverdächtigen und Tätern. Berlin, 162-315.

Gabriel, Thomas (2005): Familienerziehung und Rechtsextre- mismus. Analyse der biografischen Genese rassistischer Deutungs- und Handlungsmuster junger Menschen. Zürich.

Groffmann, Anne Claire (2001): Das unvollendete Drama. Ju- gend- und Skinheadgruppen im Vereinigungsprozeß. Opla- den.

Interventionen. 08 | 2016 33 IDEOLOGIE & RADIKALISIERUNG

THE DEADLY CYCLE

The entangled Psycho-Social Dynamics of Ideologisation and Radicalisation

A life outside the role structure of the community lies far beyond the imagination of its members; IS propaganda material, Dabiq 10, p. 14.

b y j a n b u s c h b o m IV. The „Rubber Fence“ closes up et al. these defensive role structures are distinguished by four characteristics: Diverging messages that cannot be Part 2: The Cycle Closes: “Pseudo-mu- brought in line with the hegemonic inter- 1. “A persistent sameness of the role tuality,” “Rubber Fence” and “Double pretations of the ideological group threat- structure of the family, despite phys- Bind” en to destroy the relationship network ical and situational alterations in the within the pseudo-community. To prevent life circumstances of the family mem- In an attempt to develop a text-book the articulation of individual needs and bers, and despite changes in what is model of the psycho-social dynamics of to defend the pseudo-community from going on and being experienced in ideologisation and radicalisation part 1 of ”truths“ brought into the pseudo-com- family life.” the article (see Interventionen 7, 2016: munity from outside, whether through 2. “An insistence on the desirability and 19-31), described the impact of individu- individual experiences from the social appropriateness of this role structure.” al experiences on the ideological occur- environment or through external actors 3. “Evidence of intense concern over rence, how ideologicalised interpretation that approach the pseudo-community, possible divergence or independence regimes are forged and take over the an extremely rigid role structure is de- from this role structure.” scope of perception of everyday life and, veloped with which every social action is 4. “An absence of spontaneity, novelty, last not least, why and how the impor- regulated, both inwardly and outwardly. humour, and zest in participation tance of ideologicalised groups increase. According to the observations of Wynne together.” (Wynne et al 1958: 209)

34 Interventionen. 08 | 2016 THE DEADLY CYCLE 2

The rigid pseudo-community role struc- battle within. The enemy within. Not the provider of security, warmth, social ac- tures serve as a defence against “cha- IRA. It was a question of: Is my right-hand tivity and meaning. From the experience otic, empty, and frightening experience man an informant? Is my third man down of Violence Prevention Network, among by providing a role structure in which an informant? Is one of my footsoldiers the most concerning warning signs for the person can pseudo-mutually exist an informant? That was my fight. I had escalating radicalisation processes are without having developed a valued and to put trust in the men but I also knew it massive changes in behaviour and rela- meaningful sense of identity …” From the was the British Intelligence’s job to recruit tionship breaks. A young man, whose life perspective of the individual, it pushes it- these men. It was my job to realize that revolved around football, turned his back self ahead of self-awareness and the de- one of these men could be very well re- on sport, left his beloved club and wanted velopment of a feeling of self-worth: “[…] cruited today, tonight, tomorrow…” (Hor- nothing more to do with his old friends; the family role structure is experienced gan 2009: 105.) The interpretation regime book worms or music lovers that give up as all-encompassing“ (Wynne et al 1958: follows the level of excitement (and at the on their hobbies, or even judge them to 210f.) – a life outside the role structure of same time influences it mightily); the in- be haram; school grades that massively the community lies far beyond the imagi- terplay between ideological narrative and slump, and so on. The thought of cutting nation of its members. excitement has a central function: without all previous social contacts, including the it the rigid, and for exactly this reason, most intimate family ones, and withdraw- In the literature, these pseudo-communi- unstable role structure threatens to col- ing to an ideal community also stretches ty mechanisms, as developed by Wynne lapse. The functioning and preservation far back to the thinking of the founding et al. in a completely different context, of the group constantly runs the risk of father of Islamism. In his “Milestones“, are surprisingly precise descriptions of unravelling in its activities and with its Sayyid Qutb describes the fellowship of radicalised groups. In his examination social environment. Neither is the narra- the prophet as the “unique Qur’anic gen- of distancing and exiting processes from tive of an external enemy endeavouring eration,“ that should be emulated: terrorist milieus, the psychologist John to infiltrate the group plausible without Horgan interviewed, for example, a pre- the pseudo-community and its rigid role „When a person embraced Islam during vious commander of the Ulster Freedom structure, nor can the level of excitement the time of the Prophet … he would im- Fighters, which surpassed even the Pro- be explained without the ideologeme of mediately cut himself of from Jahiliyyah visional IRA in assassinations, the outer and inner enemies. Any possi- [approximately: a state of ignorance; a and casualties under his command (Hor- bility of leaving the group is initially flatly society without the knowledge of the Ko- gan 2009: 100). In an interview “Doug“ denied: “Once you’re committed, once ranic epiphan; a faithless society]. When spoke about the inner life of the group you take that oath, you’re there until obvi- he stepped into the circle of Islam, he and described his task as commander ously, you’re dead…“ (Horgan 2009: 106) would start a new life, separating him- in maintaining the role structure. Accord- In response to Horgan‘s further enquiry, self completely from his past life under ing to Horgan, part of this task was “to he later acknowledged two possible exit ignorance of the Divine Law. He would screen different people for potentially scenarios, piety and old age. Doug also look upon his deeds during his life of different roles“, or, in Doug‘s words: “… flatly banished dissent to the realm of the ignorance with mistrust and fear, with a it’s the headmaster’s job to see the weak- impossible: “Well, no. If you don’t agree feeling that these were impure and could ness and strength of his pupils.” (Horgan with them you’ll be sidelined. […] I can not be tolerated in Islam! […] Thus, there 2009: 105). These roles are not typically only speak for [my] brigade, and we were would be a break between the Muslim’s assigned based upon rational decisions, all as one.”(Horgan 2009: 107) present Islam and his past Jahiliyya, and but follow intuition and feelings: “… you this after a well thought out decision, as can just sense it, if you’ve been there As ideological group truths become in- a result of which all his relationships with for such a long time […] And you can creasingly significant, the ability to tol- Jahiliyya would be cut off and he would see it in a guy’s eyes. You can see it in erate emotions, behaviours and convic- be joined completely to Islam, …”(Qutb their heart, and you can feel it in them, tions that differ from the social interaction 1993: 19f.) if they’re up to it.” (Horgan 2009: 105). forms hegemonic within the group, sinks. Maintaining the role structure was his first Contact to the outer world is thus lost to The (mostly) young men and women de- battle every morning, against the enemy such an extent that the group becomes scribed as Salafists today already carry within; also the constant stress, without increasingly non-complementary to the these ideas in their name. The first three which the group threatens to implode, be- social environment, further raising the Muslim generations were honoured as comes extremely graphic in Doug‘s de- significance of the ideological group for salafs (approx: predecessors), especial- scription: “Every time I opened my eyes the fulfilment of the most basic of psy- ly those alive at the time of the Prophet in the morning I looked around me. The cho-social needs. It moves in a rapidly in- Mohammed and those that fought along- first fight, the first battle that I had was the tensifying process to being the exclusive side him; they represent the personifi-

Interventionen. 08 | 2016 35 IDEOLOGIE & RADIKALISIERUNG

cation of the “original“ and “true“ Islam. ing the schizophrenic family system, Just as the fellowship of the prophet left stretches to include that which can be its home of Mecca together with Moham- interpreted as complementary and con- med to create the ideal Muslim state in tracts to extrude that which is interpreted (what was to become) Medina, so real as non-complementary. This continuous Muslims today should also be required but elastic boundary we have called the to do hidschra (approx: flight, emigration, rubber fence. This metaphor is a way of exodus). Dabiq, the newspaper of the so- summarizing the effects of family pseu- called Islamic State, for example, advises do-mutuality and the reinforcing shared wives to leave their husbands and do the family mechanisms in establishing a sit- „hijra,“ should their husbands prove to be uation in which the person feels that he unyielding and arrogant: cannot trust his own perceptions and from which there seems no escape.” “And know that there are two options be- (Wynne et al. 1958: 211). fore you, with no third. You advise your husband and make him fear Allah … “The ego“, as Ernst Cassirer precisely and remind him of Him. If he desists and describes in his observation of mythi- repents, then that is the grace of Allah, cal collectivisation (see Interventionen which He bestows upon whom He wills. 7, 2016: 26f.), „[t]he ego only feels and If, however, he shows arrogance and his knows itself provided it comprehends it- pride in his sin takes hold of him, then it’s “To do hidschra” (approx: flight, emigration, self as part of a community, provided it upon you to abandon him in the dunyā exodus) means to break completely with the sees itself affiliated with others in the un- so that you may succeed in the Hereafter. past. Propaganda material of the Islamic ion of a clan, a tribe or a social collec- And here I call on you to make hijrah to State: Dabiq 10, p. 38. tive. It owns itself only in it and through us here in the lands of the blessed Islam- it; its own personal existence and life is ic State! Do you not love Allah and His in every one of its utterances, as if tied Messenger? Do you not desire to live in with invisible magic ribbons to the life of a land over which no rule is established In order to describe the network of re- the surrounding whole“ (my emphasis, other than the rule of Allah …? Then lationships more precisely, the clinical J.B.). It is no coincidence that the Hag, come, make your way to dārul-islām. And researchers around Wynne use the met- the fence that walls in the village and I remind you of the individual obligation aphor of the rubber fence. The “normal“ thereby the community with it, plays an on every Muslim and Muslimah to make organisation of family is aware of the important role in Germanic mytholo- hijrah from dārul-kufr to dārul-islām.” needs of its individual members and that gy. This is where the German word for (Dabiq 10, 2015: 47). the family itself can not completely fulfil witch, „Hexe“, finds its root, a construc- these needs; a “meaningful participation tion from the words Hag – fence – and Such steps however mark just the end in the larger society“ is therefore always Zussa – woman; Hagazussa is, accord- point of a development, which has its or- necessary. Usually parents support their ing to the ethnologist Hans Peter Duerr, igin in the persuasive power of evidence children to grow out of the family core the Zaunweib, the fence woman. She sits that is hegemonic within the group . To and into their social environment. “The astride the Hag, between civilisation and the extent in which the myths nurtured normal pattern of organization of family wilderness, between security and order in the groups, as well as the ideology of roles and relations constitutes a differen- on the one side of the fence, and chaos, the collective victimhood and the hostile tiated subsystem of a society rather than inscrutability and threat beyond the bor- outside world, appear plausible, so close- a self-sufficient, complete social system.” der of the village and community on the ness, social action, meaning and sense (Wynne et al. 1958: 211). In contrast, the other (Duerr 1982: 62). Still, the fact that can noticeably only be drawn in and from members of pseudo-communities act community and individual would implode the group. It is an emotional vicious cir- as if the community is a truly self-suf- without any contact whatsoever with the cle, in which maintaining the community ficient social system with a completely outer world is reflected in the structure structure becomes an existential ques- encircling boundary. In extreme cases, of mythical tales. It is the witch sitting on tion. Lyman Wynne et al. observed this the members of such collectives are no the fence between the wilderness and the connection in pseudo-community family longer able to differentiate between in- community, who quasi mediates between systems: dividual and social role. The drawing of both spheres. Many archaic initiation rites boundaries – to be more exact: the con- also construe the crossing of the border “A very general kind of mechanism, …, is sciousness of the boundaries around the into social practice. The border is not im- the creation of a pervasive familial subcul- pseudo-community – shifts in such cases pregnable, according to Duerr, but must ture of myths, legends and ideology which and sinks into obscurity. (Wynne et al. “even be ripped down at certain times.“ stress the catastrophic consequences of 1958: 211). openly recognized divergence from the „He who wants to consciously live with- fixed family role structure.” (Wynne et al. “The unstable but continuous boundary, in the fence must have left the enclosure 1958: 211). with no recognizable openings, surround- at least once in his life, must have ram-

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bled through the woods as a wolf, as a ten traditional mythical text of European ways – the strangest and most repugnant ‚savage‘, or to use a more modern turn spiritual history: the creatureliness of way being that it aches and bleeds and will of phrase; he must have experienced the man is set aside in myth and finds its ne- decay and die. Man is literally split in two: wilderness, his animal nature, within him- gation in self-deification. This is brought he has an awareness of his own splendid self.“ (Duerr 1982: 62; emphasis in the about by the levelling of all differences. uniqueness in that he sticks out of nature original).1 The overcoming of magical perceptions with a towering majesty, and yet he goes of the world and the development of sym- back into the ground a few feet in order However, where Duerr, in distinction to the bolic composition through the registering blindly and dumbly to rot and disappear demand of modern philosophy for critical of the special are however, both central to forever.” (Becker 1997: 26) self-reflexion, insists upon noting “that ar- becoming human, for the individual as for chaic man still held the view that one had the history of mankind, and lead to a par- The paradox is plainly the conditio hu- to leave his world to be able to recognise adox, which is lucidly put in a nutshell by mana; every gain of awareness is, to it“, his dichotomous statement is reminis- Ernest Becker as individuality in finitude: use Blumenberg‘s formulation, “work on cent of the affirmation of a pre-modern myth,“ and thus asking what role commu- golden age. Archaic man, continues Du- “Man has a symbolic identity that brings nities grant the individual, how they deal err, therefore still held the view “that one him sharply out of nature. He is a symbolic with his singularity and his social com- could only become ‚tame‘ if one had pre- self, a creature with a name, a life histo- position, becomes the crucial question. viously been ‚wild‘, or that one was only ry. He is a creator with a mind that soars in a position to live in the full sense of out to speculate about atoms and infinity, As residues of archaic collectivisation, the word, if one had shown willingness to who can place himself imaginatively at a ideological community and pseudo-com- die.“ (Duerr 1982: 58).2 Rather the “inner point in space and contemplate bemusedly munity displace the fears accompanying wilderness“, of which Duerr speaks, only his own planet. This immense expansion, non-complementarity into the spiritual do- appears meaningful as a metaphor for this dexterity, this ethereality, this self-con- main of the occult, where they are (at least fearfulness. In other words, only he who sciousness gives to man literally the status in the case of the ideological community) faces his fears and their triggers can find of a small god in nature, […] all the more compulsively played out. Ador- himself and his place in the community, no and Horkheimer come to speak of this which gives order, protection, comfort Yet, at the same time […] man is a worm connection between supressed individual- and meaning. In this sense, self-aware- and food for worms. This is the paradox; ity and projection when they trace anti-Se- ness is a function of the enclosure of he is out of nature and hopelessly in it; he mitic forms of behaviour back to situations fears. Myth and ritual in contrast shroud is dual, up in the stars and yet housed in „where blinded men robbed of their subjec- this relationship between I and commu- a heart-pumping, breath-gasping body that tivity are set loose as subjects“ (Horkheim- nity, between inner and outer, more than once belonged to a fish and still carries the er, Adorno 1997: 171): they are in a position to shed light on its gill-marks to prove it. His body is a material dialectics and collectivisation. Accord- fleshy casing that is alien to him in many “Anti-Semitism is based on a false projec- ing to Cassirer, “The Dionysos cult, like tion. It is the counterpart of true mimesis, all major vegetation cults, senses in the and fundamentally related to the repressed ego only the violent cutting loose from the form; in fact, it is probably the morbid ex- general original meaning of life, and what pression of repressed mimesis. Mimesis it desires is the return to it, the ‚ecstasy‘ imitates the environment, but false projec- through which the soul of the body and tion makes the environment like itself. For the individuality are demolished in order mimesis the outside world is a model which to unite again with the living whole. Indi- the inner world must try to conform to: the viduality is thereby only registered here alien must become familiar; but false pro- as the one moment, the moment of trag- jection confuses the inner and outer world ic separation...“ (Cassirer 2010: 232).3 and defines the most intimate experienc- René Girard stresses the fragility of the es as hostile. Impulses which the subject community (also using the example of the will not admit as his own even though they Dionysos-cult); for this reason it must be are most assuredly so, are attributed to the preserved from all changes, which threat- object – the prospective victim. The actual en it at the core, perhaps even mortally paranoiac has no choice but to obey the (Girard 2013: 136). When the muses pre- laws of his sickness. But in this sented Hesiod with the wand of knowl- behavior is made political; the object of edge, inspiring him with “Godly song,“ the illness is deemed true to reality; and they opened with a salutation of the ‚the mad system becomes the reasonable poet, which appears strange at first sight: norm in the world and deviation from it a “Shepherds of the wilderness, wretched neurosis. The mechanism which the total- things of shame, mere bellies...” (Hesiod In the oldest traditions the witch rides a fence itarian order uses is as old as civilization. 1999: 5f.) With this, the driving force of post. Illustration: Martin Le France, Le cham- The same sexual impulses which the hu- mythology is named in the oldest writ- pion des dames, 1451, source: Wikipedia. man species suppressed have survived

Interventionen. 08 | 2016 37 IDEOLOGIE & RADIKALISIERUNG

and prevailed — in individuals and in na- moans, the Frankfurter Zeitung repeats whom the claim of a supposed Jewish tions – by way of the mental conversion of again and again that these are forgeries. shiftiness and evilness is (subjectively) the ambient world into a diabolical system. This alone is evidence in favour of their au- self-evident– it is obvious how little ef- The blind murderer has always seen his thenticity. What many Jews unconscious- fect the factual information of the “Pro- victim as a persecutor against whom he ly wish to do is here clearly set forth. It is tocols of the Elders of Zion“ being just must defend himself, and the strongest not necessary to ask out of what Jewish fiction has against the “rubber fence,“ and wealthiest individuals have always felt brain these revelations sprang; but what is within which ideology draws the cogni- their weakest neighbours to be an intoler- of vital interest is that they disclose, with tive abilities of those caught up inside. able threat before they fell upon them to an almost terrifying precision, the mentality destroy them. Rationalization was a pre- and methods of action characteristic of the When looking at the „simple member,“ far tence, but at the same time inescapable. Jewish people and these writings expound too often their cognitive inadequacy is posi- The person chosen as an enemy was al- in all their various directions the final aims tioned against the highly ideological proph- ready seen as an enemy. The disturbance towards which the Jews are striving.”(Hitler ets and leaders. Extreme right-wing violent lies in the failure of sensory impressions is 1939: 174) criminals rarely possess, and in many a legacy of our animal prehistory, an [sic] cases “not even slightly“ possess, a “gno- extraneous share in the projected materi- siologically founded ideology,“ states, for al.” (Horkheimer, Adorno 1997: 187) example, a study from Andreas Marnero et al. from 2003 (Marnero et al. 2003: 383f). The obsession with secrets and conspira- Research results like these dominate the cies, but also the compulsion to disguise academic engagement with right-wing ex- even the greatest banality and make it tremist violence to date. One gets to such secretively unrecognisable (see Wynne a “level of deficient research“ (Logvinov et al. 1958: 213); the impulse to want to 2013: 35) when one looks at the socio-bio- get to the bottom of everything oneself, to graphical factors of right-wing violence on spy on family members as well as the so- the one hand and prefers to understand cial environment (see Wynne et al. 1958: ideology as an ensemble of pieces of 213);9from all the resulting mistrust against knowledge on the other. Marnero et al. thus everything and everyone, within and with- asked about knowledge of historical facts out, as well as the sheer intolerability that and social-political content with a stand- a member of the community could devel- ardised catalogue of questions (Marnero et op independence (see Wynne et al. 1958: al. 2003: 383). The answers given by those 213); the significance of black sheep and questioned appeared so “bizarre“ to them scapegoats (see Wynne et al. 1958: 214); that the researchers denied, in most cases, the formalisation and the ritual of conflicts that they possessed an ideology. From this (see Wynne et al. 1958: 214) – all these they concluded, “that right-wing extremist features of social behaviour in the pseu- Der wandernde Ewige Jude, farbiger Holz- violent criminality is embedded within gen- do-community closely match social inter- schnitt von Gustave Doré, 1852 eral violent criminality and indistinguisha- actions within ideological communities. In ble from the remaining general criminality“ an almost textbook fashion, this feeling and (Marnero et al. 2003: 384). Such research thinking of the world in terms of conspiracy The circular reasoning of Hitler‘s “evi- results demonstrate a striking lack of un- theories is put into practice to such a level dence“ is obvious: The Jews are proven derstanding of ideology and the ideological that conspiracy theories are effectively al- to be evil and devious by the “Protocols of group. Ideology is plainly not an ensem- most the conditio sine qua non of ideologi- the Elders of Zion“ and the “alleged“ falsifi- ble of knowledge and understanding. On cal communities. When at the beginning of cation of these protocols is an expression the contrary, it aims towards preventing the 1920s several researchers simultane- of Jewish deviousness. Here is a telling insight, which would endanger the exist- ously pointed out that the central “source“ example of how the ideological thinker im- ence of the ideological pseudo-community. of anti-Semitic conspiracy theories, name- munises himself from reality: The evidence ly the so-called “Protocols of the Elders of that the Protocols are made up (and there- Also, where for instance, the group leader Zion,“ was a fabrication (see Sammons fore a forgery) is annulled with reference to is used as an apology for the simple mem- 1998: 21ff.; see also Cohn 2005), for Adolf what the Protocols are principally striving ber, the relationship between the agitator Hitler as well as other notorious anti-Sem- to prove. It does not matter whether they and group must be sounded out with Er- ites, this was merely further evidence of are indeed an authentic meeting transcript nest Becker. The agitator is not simply the the malicious trickiness of the Jews: from the heart of the world conspiracy or seducer of the innocent; rather the relation not; even in the case that they were purely between group and agitator works the oth- “How much the whole existence of this a product of fantasy, the spirit of Jewish de- er way. The group seeks out any agitator people is based on a permanent falsehood viousness would speak from them, even if who accurately fits the fulfilment of their is proved in a unique way by The Protocols subconsciously; it would have plainly been requirements and drives; he is simultane- of the Elders of Zion, which are so violently a specifically Jewish fantasy at work. ously a creation of the group and of their repudiated by the Jews. With groans and underlying psycho-social rejection, as he This logic only makes sense to those for 38 Interventionen. 08 | 2016 THE DEADLY CYCLE 2

loses his individuality to the same extent The elements “speech,“ “thinking in terms ask what the cause of the outrage was and as the simple group member does (Beck- of images of enemies“ and “circularity“ what they were actually talking about. We er 1997: 136f.). In his text “Education and were mentioned. The mood of the six par- agreed that I would, contrary to the plan, Worldview“ from 1933, Otto Rank points ticipants was good; the subject interested give a quick history of the foundation of the towards the special dialectics of “Führer“ the young people and the workshop as state of Israel. and “society.“ The “Führer“ belongs to one such was a break from the grey routine of of the “extreme borderline cases“ in which prison. They had just spoken about “circu- [...] there is almost no difference between the larity“ and both the workshop coaches had psychology of the individual and his role in attempted to show the structure of circu- The following situation remained – to put it society (see Rank 1933: 97).4 Actually, what lar arguments using transcripts of witch carefully – very emotional. The participants sets him apart from all the other members trials from the early modern period. Then could not accept that Jews had legally of society is almost his lack of any special it was time to introduce a new example. bought land in Palestine. They also did not skill; his talent “aurally encounters the var- The quoted extract from “Mein Kampf“ was want to accept the number of Jews living ious collective needs and trends, which, read out. In this teaching unit, the task of there in 1948. In the course of the discus- by virtue of their own, then capture awak- the young men was to work out Hitler‘s sion on both of these points, [R.] stated that ened community feeling and finally, by way argument structure and write it down. Be- this was just one opinion against another. I of their own individual dynamic, then de- fore that could take place, the participants, objected that my account was not an opin- velop into a new ideological type.“ (Rank who purported not to know of them, had to ion but based upon hard facts, which can 1933: 120) What however distinguishes be informed of what the “Protocols of the be verified. The participants fundamental- him from the other members of the group Elders of Zion“ are. During the following ly doubted the credibility of the numbers: is the contagious charisma of personal- conversation about the explanation by the ‚such figures are easily manipulated.‘ ity unburdened of doubt, conscience and workshop leader, the participants abruptly guilt. (Becker 1997: 135).5 This affords him changed the subject. They were now talk- Towards the end of the discussion [Col- an initiating act with which he summons ing about Palestine and Israel, discharging league B] managed to inquire about the risk and guilt upon himself. What then fol- a hot tempered anti-Semitic outburst, es- reasons for the indignation of the Muslim lows is “true magic,“ according to Becker, pecially the four participants with a Muslim participants, who evidently felt vilified in namely the charging of everyday life with cultural background. their identity as Arabs, Palestinians and/or the aura of holiness: Muslims by my portrayal of ‚the Jews.‘ Excerpts from the transcript of the “[T]he one who initiates the act takes upon meeting:­ Just before the end of the meeting, I himself both the risk and the guilt. The brought the description of Hitler‘s circular result is truly magic: each member of the “At this point the discussion drifted onto reasoning to an end – most of all because group can repeat the act without guilt. They how one could know that the Protocols I did not want to leave the sentence “The are not responsible, only the leader is. Redl are a forgery. I shared with them that in the life of the Jews is based upon a lie“ uncom- calls this, aptly, ‘priority magic.’ But it does 1920s the texts were found from which the mented upon, as it was [already] there on something even more than relieve guilt: it Protocols are plagiarised, and that these the board. Astonishingly these few minutes actually transforms the fact of . This texts were from novels, therefore fiction. had an effect. It was even noted that the crucial point initiates us directly into the The participants, especially R., objected previous discussion followed the same phenomenology of group transformation of that the novels themselves could have pattern and also that such an argument the everyday world. If one murders without been based upon facts; they asked how gave ‚the Jews‘ no chance.“6 guilt, and in imitation of the hero who runs one knows that they were fictive novels. I the risk, why then it is no longer murder: it answered with a counter question of how It is initially conspicuous in the practice re- is ‘holy aggression. For the first one it was one knew that Karl May or Superman were port that all fundamental features of mythi- not’ [Redl, J. B.]. In other words, participa- fictive literature. cal truth can be found within it. For a start, tion in the group redistills everyday reali- how little factual information was able to ty and gives it the aura of the sacred …“ Somewhere during the course of this dis- challenge the own truth. (Becker 1997: 135f.). cussion the participants changed the sub- ject and were now ‚discussing‘ the Middle This resistance to facts is further connect- The transcript of a session with violent East / Palestine and ‚the Jews.‘ It should ed to the inability to differentiate between youth criminals in prison in which they be stressed that this change of subject was the various logical levels and modes of talked about Hitler‘s explanation of the initiated by the participants themselves communication: the evidence of plagiarism “Protocols of the Elders of Zion“ quoted and that the moderation gave them no rea- is ineffective in both cases, there could above illustrates that ideological horizons son to do so. Actually, what then occurred however be an element of truth to it. The of perception and meaning are not exclu- cannot be described as a ‚discussion‘ at transcript writer anyway ascertained at an- sive characteristics of ideologues. Theme all. Rather, the participants became very other point in the protocol that “the nature of the presentation was the mediation of loud and began verbally airing their dis- of the discussion at this point uncannily arguments and the resolution of ideologi- gust. After I had refused to accept such a resembled Hitler‘s pattern of argument.“ cal disagreements in particular. First of all tone, pointing out that I would otherwise In the eyes of one of the youth it was also they spoke about what ideology actually is. end the sitting, [colleague B] managed to “opinion against opinion,“ whilst the tran-

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script writer insisted that his factual infor- nects them to powerful images, which lead what I want to believe.“ (Rank 1929: 45)8 It mation was based upon verifiable facts far off from what was originally said. It is is not a problem of content, and the differ- and precisely not an opinion. a thought that is ever determined to con- ence that Rank makes can be expressed firm itself anew. Every impulse, whether in the usage of the article. It is not about The community supporting function of ide- remote or meaningless, is read through determining “what the truth is, but what ological truth can also be well described powerful interpretation regimes and feeds truth is.“ Similar to how affect forms as the from the minutes. The young people state into the ideological narrative. At the same shifting of feelings into volition, truth is not that their anger was triggered by the por- time, this way of thought is not able to de- purely a “subjective term and therefore a trayal of “the Jews,“ because they felt cipher its own graphic quality. Each image psychological problem, but is a feeling, like aggrieved in their collective self-image as that appears eruptively before the inner its counterpart doubt, which has long been „Muslims.“ The portrayal of Jews – “the eye is not interpreted as a metaphor, but, recognised as such. Both have nothing Jews“ - outside the anti-Semitic grand no matter how raw, warped and grotesque to do with reality, apart from that they are narrative is enough among the young in- it may be, is seen intuitively as given, as both opposites to it: Truth is what I believe, mates to challenge their self-definition of truth. The affects that accompany that are affirm […]“ (Rank 1929: 45).9 As doctrines being “Muslim.“ Anyway, the workshop highly demanding on pedagogical method in need of affirmation, so formed terms of moderation explicitly only reported about and professionalism. truth are related to affect; as a shifting into the “Protocols of the Elders of Zion,“ and volition they follow at the same moment the Middle East conflict was at no point In as far as the moderators agreed to the cultural stamp, or, as Ernest Becker part of the discussion until the participants break with the plans and have a short accurately names them, the hero systems, themselves changed the subject in that di- section on the subject of “Israel,“ to some thus the culturally widely applied causa- rection. extent, it fell into the fact trap. According sui-projects. The goal is negating the only to the minutes, the discussion on the sub- universal human truth. Thus, they demand This eruptive change of subject, which was ject – at least at the time of the workshop the Denial of Death. neither intended nor predicted, and ac- – neither contributed towards calming the companied by strong emotions, surprised heated tempers, nor did it mean the young All the aforementioned characteristics of the the minute-taker a great deal. In his com- men left the sitting with more understand- failed course of the discussion are to be in- ments on the events he considered it pos- ing and knowledge. For example, in the terpreted through this background: The ina- sible “that merely mentioning ‚Hitler‘ and excitable atmosphere it would have surely bility to distinguish between logical modes of ‚the Jews‘ in the same sentence evokes been more suitable to break off the discus- communication, between statement of fact, such a powerful image of the Jews as sion by noting that it was straying from the lie and opinion; the inability to form or solve victims that the affected participants were actual topic. syllogisms and the circularity of thoughts unable to accept it. During the course of subordinated to feelings; the high associa- the dispute, the participants remarked re- That the sitting can however still be viewed tivity of ideological communication process- peatedly that it was unthinkable that Arabs a success was apparent in the following es that idiosyncratically intimately connect had sold land to Jews. Evidently it was meeting, as the events were recapped with the inability to decipher metaphors as impossible for them to even consider the with the participants. The impression noted images; the obsessive clinging to literal lan- idea that Jews came to own the land by by the minute taker at the end of his tran- guage; the inaccessibility of these feelings any means other than robbery and theft. script from the first sitting was confirmed and thoughts for factual information; the vol- In short: Jews that are not culprits are un- a week later, as the young men remem- atility of failing communication – all these el- imaginable to them.“ A second factor the bered it as a notable and overall positive ements are linguistic expressions of affect, minute-taker found plausible was “that learning experience to have discovered which displays them and have already been challenging arguably the most important for themselves their own circular argument comprehensively described as the charac- anti-Semitic text of the 20th century could patterns, which they had been introduced teristics of mythical feelings and thoughts have been a reason for the fierce reactions to earlier in the witch trials and the rantings about the world, not only by Cassirer and of the participants, because it at the same of Hitler. Blumenberg, but also in clinical research. In time challenges a widely shared historical 1956, Gregory Bateson et. al. published a view in the Arab world that wants to see Otto Rank describes affect as “a form of research paper on the way “Toward a Theo- the State of Israel as a central instrument defence of emotion“, a “path of return to ry of Schizophrenia“. in the realisation of plans for world domina- the sphere of intention“: “Rage, anger, hate tion. For this reason an important element are confirmations, exaggerations of our Based upon their examination of the com- in the identity formation of many a Muslim negative volition, striking back against the municative behaviour of schizophrenic pa- would have been disturbed.“ emerging softening of feeling, by removing tients, this research group also described into the sphere of intention.“ (Rank 1929: all the named elements of failing commu- Eruptive changes of subject are quite 43).7 Against this background, the idea of nication. They presented the reader a com- typical for ideological debates. The work truth developed by Rank must be looked munication model of mutually contradictory example therefore illustrates one of the at in order to understand the young in- signals, expressions and behaviour, which challenges in working with ideological per- mates‘ anti-Semitic fits of rage. “True is“, they termed the double bind (Bateson 2000: sons. It is an associative form of thinking according to Rank, “what I want, that is 206-212): that eagerly looks for triggers and con- what I make the truth, or, to put it tritely, “We hypothesize that there will be a break- 40 Interventionen. 08 | 2016 THE DEADLY CYCLE 2

down in any individual‘s ability to discrim- transition to the metaphorical brings them images are raw, grotesque and fantastic. inate between Logical Types whenever a safety: “As an answer to the double bind sit- But for exactly these reasons, they are double bind situation occurs. The general uation, a shift to a metaphorical statement intelligible for uncivilised people, because characteristics of this situation are the fol- brings safety. However, it also prevents they can give him an interpretation of the lowing: the patient from making the accusation life of nature and of his own inner life.“ he wants to make. But instead of getting (Cassirer 1985: 66)10 1. When the individual is involved in an over his accusation by indicating that this intense relationship; that is, a relation- is a metaphor, the schizophrenic patient V. The cycle closes up: Ideological truths ship in which he feels it is vitally im- seems to try to get over the fact that it is a and concepts of the enemy become portant that he discriminate accurately metaphor by making it more fantastic. […] constituent to forming reality what sort of message is being com- The pathology enters when the victim him- municated so that he may respond self either does not know that his respons- The quoted clinical literature is agreed appropriately. es are metaphorical or cannot say so.” that they describe social areas and pro- 2. And, the individual is caught in a situ- (Bateson 2000: 210). It suffices to envis- cesses, which are neither themselves al- ation in which the other person in the age the spiral with which, for instance, the ready pathological, nor necessarily have to relationship is expressing two orders conspiracy theorist reacts to objections, for lead towards a pathological development. of message and one of these denies example, by postulating a conspiracy be- Wynne et. al. signify this already in their the other. hind the conspiracy and embellishes their choice of the term pre-schizophrenic (fam- 3. And, the individual is unable to com- reply even more fantastically than the orig- ily) structures and stress “we do not mean ment on the messages being ex- inal claim, in order to also recognise a sim- to imply … that pseudo-mutuality in itself pressed to correct his discrimination ilarity within it. The ideologised personality is productive of schizophrenia, but we do of what order of message to respond structures (social) reality with literal use of hypothesize of that it is major feature of the to, i.e., he cannot make a metacom- metaphor, as described by Ernst Cassirer: kind of setting in which reactive schizophre- municative statement.” (Bateson “Real myth does not possess this philo- nia develops when other factors are also 2000: 208). sophical freedom [of platonical myths]; for present.“ Bateson et al. also make it clear the images in which it lives are not known that the double-bind situation ” also occurs Just as ideological personalities, people to be images. They are not viewed as sym- in normal relationships“; furthermore, in that see themselves constantly confront- bols, but as reality. […] [E]ven here feel- their eyes the reaction to the double bind is ing a double bind are not able to recognise ings are not simply felt. They are ‚intuitive‘; not specifically pathological: “When a per- metaphors as such, but simultaneously the they are ‚transformed into images‘. These son is caught in a double bind situation he

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will respond defensively in a manner similar mament was “merely the inevitable conse- with (marital) love. The National Socialist to the schizophrenic.” (Bateson 2000: 209) quence of the mental rearmament that the regime, in dissolving this connection, re- Far more central than the question of political myths had induced.“ The first step places it with a perhaps stronger tie to a pathologies is the diagnosis that there are was made with a “change in the function political end.” (Marcuse 1998: 85) constellations of failed communications, of language”, namely from the semantic to which produce comparable worlds of feel- the magical use of word. “But the magical This example illustrates the redesign of a ings and thoughts, not only throughout hu- word has a prevalent and overwhelming social form adopting double bind under the man history, but also in extremely different influence in primitive societies. It does not hermetical exclusive rule of the “political social areas. What they all share is name things; it attempts to generate effect myth.“ To this date, the unfurling tense re- and to change the cause of nature. “ (Cas- lationship between the individual promise • the deeply affective anchorage of such sirer 1985: 368)12 of happiness of Western societies and ex- worlds of feelings and beliefs, and, periences of marginalisation, deprivation connected to that, “This change of meaning results from the and discrimination has untold effect upon • their function of constitution, main- fact that those words that were used earlier the individual and the victim community. tenance and defence of the victim in a descriptive, logical or semantic sense Such social constellations are more com- community, without which the deeply are now used as magical words, ordained plex and harder to solve for the (mostly insecure personality would lose itself to perform certain impressions and certain adolescent) individuals, if jointly competing to complete chaos in the face of the affects. Our common words are loaded offers of meaning step up to the intrinsic delimited social horizon; with meanings; but these newly-formed contradictions of meaning forming agents • the tendency to cultivate a language words are loaded with feelings and fervour. (family, school, peers...). Islamic radicalisa- that pushes itself before the forming of “ (Cassirer 1985: 369)13 tion of so-called home grown terrorists can “meaning and value nuances, which be interpreted as an attempt to solve this emboss knowledge in their notion of ob- The adjustments in the societal structure balancing act, which the second and third ject and enable a strict division between of the self-proclaimed 1,000 year Nazi em- generations of migrant youth have to over- different types of object, to reach a pire that corresponded with these chang- come. Balancing traditional cultural limita- border between the world of ‚truth‘ and es were already put under the magnifying tions, which especially in tradition domi- the world of ‚make believe‘,” as Cassirer glass during the Second World War by nated milieus are placed upon the children put it. By doing so, such constellations Herbert Marcuse in his analysis for the and children‘s children (see Toprak 2013), prevent the individual trapped within American foreign secret service, the Of- and the Western duties and promises, is them from forming a realistic interpreta- fice of Strategic Services (OSS). Thus the often not easy for the individual. For some tion of the relationships he has with his social scientist from the Frankfurt School youth there then only appears to be one social environment. of Social Studies described, for example, possible source of authority that can be a positive erotic libertinage under the rule placed above family and group interests in Double Bind and Pseudo-community mu- of the National Socialists, which was later traditionalistic milieus. This form of radical- tually strengthen and enable one another emphatically confirmed by the research of isation solves the conflict with the parental reciprocally. Thus Wynne et al. state, refer- Dagmar Herzog (see Herzog 2005). The milieu through the return to Islam – albeit ring specifically to the works of Bateson et Nazis however tore the people‘s signifi- admittedly from a theological understand- al., that the shared and jealously guarded cantly released drives and impulses from ing that stands out differently from the usu- social mechanisms always then obstruct their ancestral place, the private life, and al traditional understanding of the religion. the ability to realise meaning if contradicto- linked them to the, for them, external ends For example, Islamist thinking condemns ry expectations are communicated (Wynne of the National-Socialist reign of terror: so-called “forced marriages,“ viewing et al. 1958: 210). This observation extends marriages arranged by parents thus as way beyond families or exclusively patho- “The drives and impulse thus released are non-Islamic and as impure through imports genic communities. fastened to an external end and are thus from other pre-Islamic cultures. Important muzzled and deprived of their dangerous from this viewpoint is that both bride and The lack of ability to (re)construct seman- force. For their threat to society derived groom are Muslims, not where they come tic meaning is also the key not only to the from the fact that they offered a satisfac- from or who the marriage was arranged by. understanding of social formations, which tion and happiness with which the social Mohammad Sidique Khan, the brains and go back beyond historical memory from a agencies and standards could least inter- ringleader of the 07/07-bombings in Lon- human social perspective, but is also still fere, and that they thus constituted a realm don in 2005, was, for instance, absolutely one of the most virulent threats through of individual freedom segregated from and determined to marry out of love, which led social processes altogether, leading to the alien to the realm of social conformity and to a deep conflict with his family and the ideological radicalisation cycle. “Actual re- frustration. And this satisfaction and free- community he grew up in. This conflict was armament began with the emergence of dom was conditioned upon the fact that ultimately one between a Western and a the political myths,“11 Ernst Cassirer wrote these essentially ‘private’ relations were traditional lifestyle and it drove the later in 1949 about the “Kampfzeit“ (period of not aiming at a ‘social need’, but were assassin towards Islamism. “[T]he Mullah struggle), as national socialism called the an end in themselves. The traditional ta- boys were armed with faith,“ the British establishment of the “movement“ in the boos served to substitute another end for journalist Shiv Malik wrote after long con- years of the Weimar Republic. Military rear- them by connecting sexual satisfaction versations with Sidique Khan‘s brother. “As

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______long as the marriages were between Mus- visibly constitutive in the establishment of 1 „Wer mit Bewusstsein innerhalb des Zauns leben wollte, der musste zumindest einmal im Leben diese Einfriedung lims, they didn’t care about tribal tradition. meaning, and ideological truths provide verlassen haben, der musste als ein Wolf, als ‚Wilder‘ durch And since the outsiders all converted to the equivalents of (re)action and of the in- die Wälder geschweift sein, oder moderner ausgedrückt: er musste die Wildnis in sich selber, seine Tiernatur, erlebt Islam before the marriages, the older gen- terpretation regimes, meaning the impuls- haben.“ eration’s insistence that their young marry es and motives for ideological violence.“ 2 “Entgegen dem, was heutzutage die Philosophen lieben und was sie ‘kritische Selbstreflexion‘ nennen, eine Technik, die their cousins was simply ignored.” (Malik (Buschbom 2013b: 323) es angeblich möglich macht, unseren Horizont von innen 2007: 32). But this offer of an Islamist iden- heraus, aus sich selbst verständlich zu machen, hatten die archaischen Menschen noch die Einsicht, dass man seine tity not only provided the youth of the sec- Against this background, ideologicalisation Welt verlassen musste, um sie erkennen zu können, dass man nur ‚zahm‘ werden konnte, wenn man zuvor ‚wild‘ ond and third generation a solution for the must be regarded as a process in which gewesen war, oder dass man nur dann in der Lage war, im conflict with their families and their back- the mythical narratives of the collective vollen Sinne des Wortes zu leben, wenn man die Bereitschaft gezeigt hatte, zu sterben.“ ground milieu: “If you are a member and victim dominating the ideological group 3 „Der Dionysos-Kult empfindet wie alle großen Vegetati- part of the worldwide Umma,“ so their mes- take control through their evidence and onskulte, im Ich nur die gewaltsame Losreißung von dem allgemeinen Urgrund des Lebens, und was er erstrebt, ist sage, “then it does not matter where you significances. They are an expression of die Rückkehr in ihn, die ‚Ekstase‘, durch die die Seele des come from and where you live.“ The more the distressed balance of affect and ex- Leibes und der Individualität sprengt, um sich dem Alleben wieder zu vereinen. Hier wird an der Individualität somit nur militant the thinking acts as the last and un- ert powerful influence upon the individual das eine Moment, das Moment der tragischen Vereinzelung movable truth, the more effective the offer in an idiosyncratic entanglement. Radi- erfasst…“ 4 „Was den Führer betrifft, so scheint er mir zu jenen extremen of identity with which Islamism solves the calisation on the other hand means the Grenzfällen zu gehören, ja geradezu den Typus derselben dilemma of the competing offers of mean- increasing significance of ideology and darzustellen, bei denen zwischen der Psychologie des Individuums und seiner Rolle in der Gesellschaft fast kein ing between cultural background and the group for the behaviour and actions of the Unterschied besteht.“ wider society. The sense of belonging is individual. Biographical experiences are 5 „… so kommt man in Bezug auf diejenigen Berufstypen, als deren soziale Auswirkung wir im vorigen Abschnitt die felt more intensely, the more militantly the preliminary processes of both, which lead Führerrolle bezeichnet haben, zu demselben Schluss: dass group defines itself and the more important into a “psychology of misery“ (Löwenthal). es nämlich in der Gemeinschaft immer eine Anzahl Begabter gibt, die sich gerade durch einen Mangel an irgendeiner enemy images are to the cohesion of the In turn, this “emotional substratum“ makes Sonderbegabung auszeichnen und deren Begabung daher im wesentlichen darin besteht, die jeweiligen kollektiven Be- group. At the same time, the ideologised people susceptible to the social, affective dürfnisse und Strömungen zu erlauschen, die sie kraft ihrer individual feels at the mercy of these very and emotional, as well as cognitive mech- eigenen, nun erwachten Gemeinschaftsgefühle erfassen und schließlich mittels ihrer eigenen Individualkraft in einem enemy images. Islamism becomes a form anisms potent in pseudo-communities. neuen ideologischen Typus verwirklichen. Ihre besondere Fähigkeit ist also gerade darin gelegen, diese ihre latente of “liberation theology,“ which can offer the These are tightly entwined and mostly re- Führerbegabung in den Dienst der jeweils herrschenden key to highly contradictory living environ- main completely in the dark for the individ- Krise zu stellen.“ ments of its addressers. “At the heart of ual, chaining him seemingly unavoidably to 6 Protokoll: 3. Sitzung: 28. September 2009; das Protokoll liegt dem Verfasser vor, J. B. this tragedy is a conflict between the first the (ideological) group. The impenetrability 7 „Denn was wir Affekt heißen, ist eine Art Abwehr des Gefühls and subsequent generations of British Pa- of social complexity is therefore confronted eigentlich seine Rückleitung in die Willensphäre als psychi- sche Aktion, während das Gefühl passiv ist. Zorn, Ärger, kistanis – with many young people using by sub-complex social forms of communi- Hass sind Bekräftigungen, Übertreibungen unseres negati- Islamism as a kind of liberation theology cation that cement the immaturity of their ven Willens, der sich gegen die aufkommende Erweichung des Gefühls mittels dessen Abfuhr in die Willenssphäre zur to assert their right to choose how to live,” members, meaning they prevent their in- Wehr setzt.“ writes Shiv Malik. “It is a conflict between dividuation. 8 „Wie nun der Zweifel den bewussten Gegenwillen repräsen- tiert, so repräsentiert die Wahrheit intelektuell den Willen. tradition and individuality, culture and reli- Grob gesprochen könnte man sagen: Wahr ist, was ich will, gion, tribalism and universalism, passivity Translated by Andrew Laight d. h. was ich zur Wahrheit mache, oder banal gesprochen, was ich glauben will. Auch hier ist das Problem kein inhaltli- and action.” (Malik 2007: 41) ches, nämlich zu entscheiden, was die Wahrheit ist, sondern was Wahrheit ist.“ 9 „Die Wahrheit ist aber nicht nur ein subjektiver Begriff und The ideological radicalisation cycle closes daher ein psychologisches Problem, sondern sie ist ein Ge- if competing offers of ideas of meaning de- fühl, wie ihr Gegenstück der Zweifel, von dem man das lange schon erkannte. Beide haben mit der Wirklichkeit nichts scend into exclusivity, if therefore not only zu tun, außer dass sie beide im Gegensatz zu ihr stehen: Wahrheit ist, was ich glaube, bejahe, Zweifel ist Verleugnung, family, friends, school, club, but also alter- Verneinung.“ native offers of information are completely 10 „Echter Mythus besitzt diese philosophische Freiheit [der lost to the ideological and radicalised com- platonischen Mythen] nicht; denn die Bilder, in denen er lebt, sind nicht bekannt als Bilder. Sie werden nicht als Symbole, munity as authorities of socialisation and sondern als Realitäten betrachtet. [...] [S]elbst hier werden Gefühle nicht einfach gefühlt. Sie werden ‚intuiert‘; sie meaning: werden ‚in Bilder gewandelt‘. Diese Bilder sind roh, grotesk, phantastisch. Aber gerade aus diesem Grunde sind sie verständlich für den unzivilisierten Menschen, weil sie ihm “The lower the understanding drops for the eine Interpretation des Lebens der Natur und seines eigenen forms of communication in the surround- inneren Lebens geben können.“ 11 „Die wirkliche Wiederaufrüstung begann mit der Entstehung ing (adult) society, the more powerless the AUTHOR der politischen Mythen…“ ideological personality becomes in contact Jan Buschbom 12 „Aber in primitiven Gesellschaften hat das magische Wort ei- with it. It is a vicious cycle: powerlessness is historian, founding member, nen vorwiegenden und überwältigenden Einfluss. Es benennt nicht Dinge; es versucht, Wirkungen hervorzubringen und confirms what the ideological personality member of executive board and den Lauf der Natur zu ändern.“ believes they know; powerlessness fuels scientific consultant of Violence 13 „ Dieser Bedeutungswandel folgt aus der Tatsache, dass jene Worte, die früher in beschreibendem, logischem oder seman- victim narratives, enemy images and vio- Prevention Network tischem Sinne gebraucht wurden, jetzt als magische Worte lence myths. The significance of group and www.violence-preventionnetwork.de gebraucht werden, die bestimmt sind, gewisse Wirkungen und gewisse Affekte aufzuführen. Unsere gewöhnlichen Wor- violence in establishing potency and pow- jan.buschbom@violence-prevention- te sind mit Bedeutungen geladen; aber diese neugeformten Worte sind mit Gefühlen und Leidenschaften geladen.“ er rises, the ideological narrative becomes network.de

Interventionen. 08 | 2016 43 IDEOLOGIE & RADIKALISIERUNG

SOURCES & LITERATURE

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44 Interventionen. 08 | 2016 VERANTWORTUNGSPÄDAGOGIK IN DER PRAXIS

BUNDESREGIERUNG SETZT DEUTLICHE SCHWERPUNKTE Ausbau der Radikalisierungsprävention und Deradikalisierung in Strafvollzug und Bewährungshilfe

Violence Prevention Network war vor Anfänglich undenkbar schien es, dass des Bundesministeriums für Familie, Se- 15 Jahren der erste zivilgesellschaftli- sich Teile der jugendlichen Bevölkerung nioren, Frauen und Jugend wider. che Träger, der gezielte Maßnahmen in Deutschland einmal in eine völlig an- zur Radikalisierungsprävention und dere Richtung radikalisieren würden. Der Seit 2015 ist Violence Prevention Net- Deradikalisierung von extremistisch religiös begründete Extremismus war da- work vom Bundesfamilienministerium motivierten oder gefährdeten Straftätern mals noch eine Chimäre, die aber schon damit betraut, das Themen- und Struk- im Strafvollzug entwickelt und umgesetzt erkennbar ihre Schatten vorauswarf. turfeld „Deradikalisierung im Strafvollzug“ hat. Von Beginn an hat er auch auf der auf- und auszubauen. Die finanzielle Auf- politischen Ebene dafür gesorgt, die Violence Prevention Network musste sich stockung des Bundesprogramms auf 100 Themen Radikalisierungsprävention und ab 2007 vermehrt auch mit solchen Tätern Mio. € in 2017 ermöglicht es nun - nach Deradikalisierung im Strafvollzug in die befassen, die erkennbar durch islamisti- 15 Jahren Überzeugungsarbeit in Bund Debatte einzubringen. Angetreten im sche Ideologisierung beeinflusst oder ge- und Ländern - einen im europäischen Bereich Rechtsextremismus veränderten fährdet waren. Als die große Reisewelle Vergleich einmaligen Schritt zu tun: In sich die Anforderungen über die Jahre in den Zehnerjahren dieses Jahrhunderts den kommenden drei Jahren werden hinweg. Eine der aktuellen Herausforde- begann, konnte Violence Prevention Net- zahlreiche zivilgesellschaftliche Orga- rungen heißt: RückkehrerInnen aus dem work daher auf die notwendige Expertise nisationen in Deutschland Ansätze der sog. „Islamischen Staat“. zurückgreifen, um auch mit denjenigen Radikalisierungsprävention und Deradi- zu arbeiten, die als sog. Foreign Fighters kalisierung in Strafvollzug und Bewäh- Angesichts von über 1.000 Angriffen auf in Kriegsgebiete ausreisen wollten bzw. rungshilfe umsetzen, weiterentwickeln Asylbewerberunterkünfte allein 2015 ge- von dort zurückkehrten. und neu konzipieren. rät in Vergessenheit, dass Deutschland schon einmal eine Welle der Gewalt ge- Zugleich war es Violence Prevention Net- Violence Prevention Network wird im gen Menschen, die als fremd empfunden work weiterhin ein Anliegen, das Thema Rahmen seiner Rolle als bundesrele- werden, erfahren hat. In den 90er Jahren Extremismusprävention und Deradikali- vanter Träger in diesem Themen- und des letzten Jahrhunderts waren es Namen sierung sowohl in die politische als auch Strukturfeld zudem die Aufgabe haben, wie Mölln, Solingen und Rostock-Lichten- in die gesellschaftliche Debatte einzu- gemeinsam mit den neuen Trägern im hagen, die sich ins kollektive Gedächtnis bringen. Stieß man noch 2011 trotz des Strukturfeld in den beteiligten Bundes- gebrannt haben. So wie heute Heidenau Aufdeckens der NSU-Terrorzelle bei der ländern Qualitätsstandards für die Radi- oder Clausnitz. Politik auf eher taube Ohren, so änderte kalisierungsprävention und Deradikalisie- sich dies spätestens nach den Anschlä- rung im Strafvollzug zu erarbeiten. Damals wurden die Gewalttäter bestraft gen von Paris und Brüssel, die erstmals und eingesperrt. Innerhalb des Strafvoll- grundlegend vor Augen führten, dass ein Ebenso engagiert wird Violence Preven- zuges gab es keine gezielt auf diese Ziel- Zusammenhang zwischen Radikalisie- tion Network auch weiterhin an die ak- gruppe zugeschnittenen Maßnahmenpro- rung und Inhaftierung existiert. tuellen Herausforderungen angepasste gramme. Diese Lücke wollten die späteren Maßnahmen zur Extremismusprävention GründerInnen von Violence Prevention In jahrelanger Lobbyarbeit und mit der und Deradikalisierung in Strafvollzug und Network schließen. Aus einem Modellpro- ausdauernden Hilfe einiger prominenter Bewährungshilfe umsetzen. jekt, das 2001 in Brandenburger Jugend- UnterstützerInnen ist es Violence Pre- gefängnissen begann, wurde Violence vention Network gelungen, das Thema Prevention Network, ein Verbund von Ex- Deradikalisierung im Gefängnis auf einen pertInnen, die sich seither mit großem Ein- der vorderen Plätze der politischen Agen- satz der Deradikalisierung von Straftätern da zu bringen. Das spiegelt sich auch im im Vollzug verschrieben haben. Bundesprogramm „Demokratie leben!“

Interventionen. 08 | 2016 45 REZENSION

Hymnen des Jihads

Wer Internet-Seiten von jihadistischen tatsächliche oder vermeintliche gesell- Organisationen aufruft, wird dort häufig schaftliche und politische Ungerech- auch mit Musik konfrontiert. Dabei tigkeiten sowie persönliches Schicksal handelt es sich meist um Gesänge mit ursächlich hervorgerufen werden kann. instrumentaler Begleitung, die eine Art Dass ein Naschid hingegen losgelöst von „Soundtrack“ für terroristisches Agieren all diesen Faktoren eine Radikalisierung darstellen. Denn meist erklingen die so auslösen kann, wird als eher unwahr- genannten „Naschids“ als Begleitmusik scheinlich eingeschätzt“ (S. 155). Nur zu Filmen mit politischer Propagan- kurz verweist der Autor in diesem Kontext da. Angesichts der nachvollziehbaren auf die Musik im Rechtsextremismus. Fixierung auf die gewalttätigen Akte von Auch dort können damit insbesondere Jihadisten fanden derartige kulturelle junge Männer mobilisiert werden. Um Hintergründe bislang kaum Interesse. diese Dimension für die Naschids noch Der Islamwissenschaftler Behnam T. zu verdeutlichen, präsentiert Said einige Said, der 2014 die erste deutschsprachi- Textbeispiele für Kampf-, Lob-, Märtyrer- ge Buchveröffentlichung zum „Islami- und Trauerlieder. Derartige Musik kursiert schen Staat“ vorgelegt hat, widmete nicht nur in arabischer, sondern auch in sich auch diesem Thema. Eine erste deutscher Sprache, was ebenfalls an- Gesamtdarstellung dazu ist enthalten in hand von Textbeispielen veranschaulicht seiner Dissertationsschrift „Hymnen des wird. Sie stehen für eine „kulturelle Bin- Jihads. Naschids im Kontext jihadisti- dekraft“, die er mit die „Anziehungskraft scher Mobilisierung“. Darin macht er be- des Jihadismus“ (S. 317) erklärt. reits zu Beginn deutlich, dass es solche DAS BUCH Gesänge nicht nur in diesem politischen Behnam T. Said Said legt mit „Hymnen des Jihads“ eine Kontext gibt. Es existieren auch populär- Hymnen des Jihads: Naschids im Kontext Forschungsarbeit zu einem Thema vor, religiöse Naschids mit einer alltagskultu- jihadistischer Mobilisierung (Mitteilungen das bislang mit wenigen Ausnahmen wie rellen Verankerung. Gerade dies macht zur Sozial- und Kulturgeschichte der isla- etwa von Tilman Seidensticker kaum Be- sie für politische Zwecke wichtig. mischen Welt (MISK)) Taschenbuch – 1. achtung gefunden hat. Anhand einer Fül- Auflage, 29. Januar 2016, Ergon le von Beispielen macht er am konkreten Said konzentriert sich indessen auf die Würzburg 2015, 361 S. Text auch die Funktionen und Inhalte die- jihadistische Nutzung und rechnet die ser Musik deutlich. Damit erweitert Said Musikform der „Soft Power“ der „salafisti- den Blick der Islamismusforschung auf schen Kultur“ zu. Nach Ausführungen zur die kulturelle Ebene. Auch wenn er ihr Begriffsdefinition und zum Forschungs- anhand der Naschids große Bedeutung stand liefert er zunächst eine Geschich- zuschreibt, gehen damit keine monokau- te der islamistischen Naschids und geht salen Postulate einher. Der Autor belegt deren Wirkung in Afghanistan, Palästina das Ineinandergreifen unterschiedlicher und Saudi-Arabien nach. Dem folgend Wirkungsfaktoren. Dabei kommt den geht es um das Spannungsverhältnis Gesängen eine bedeutende, aber nicht von Musik, Islam und Islamismus, denn entscheidende Rolle zu. Darauf aufmerk- manche Salafisten haben grundsätzlich sam gemacht zu haben, ist das Verdienst ein Problem mit Musik aufgrund ihrer seiner Arbeit. Eine genauere Anlage der emotionalen Wirkung. Indessen: „Jiha- Fragestellung wäre sicherlich noch wün- disten verfolgen bezüglich Naschids ... schenswert gewesen. Gleichwohl liefert eine eher pragmatische Linie, was über- Funktion, Eskapismus- und Copingfunkti- Said auch so wichtige Informationen zu raschen mag, hätte man doch annehmen on, Informationsfunktion und soziale und einem unterschätzten Thema. Denn er können, dass Jihadisten noch puristi- symbolische Funktionen (vgl. S. 141). hebt die funktionale Dimension dieser scher sind als nicht-jihadistische Salafis- Gesänge hinsichtlich Gruppenzugehö- ten und Wahhabiten“ (S. 116). Der Grund Die größte Bedeutung kommt der Musik rigkeit und Identität, Radikalisierung und dafür liegt in ihrem funktionellen Nutzen, aber bei der Radikalisierung zu: „Na- Wirkung zutreffend hervor. wobei Said sechs Aspekte unterscheidet: schids stellen die ‚Begleitmusik’ zu einer Hintergrundmusik, Unterhaltungsfunkti- Radikalisierung dar, die durch Ideolo- on, Erregungs- und Moodmanagement- gie, Gruppendynamik, wahrgenommene Armin Pfahl-Traughber

46 Interventionen. 08 | 2016 www.violence-prevention-network.de

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