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Crackle of lice in seams; scutter of rats; snap of bones against bullet; stutter of machine-guns; thunder of distant explosions, lightning of nearer ones; ping of stones off tin helmets; flies buzzing over no man‘s land in summer... add the scream of horses; cracking of frozen mud; buzz of aircraft; tanks, churning in mud-holes; amputees, surfacing from the ether; belch of flame- throwers; squelch of bayonets in necks. European music is passionately savage, broken by long silences.“ David Mitchell >Cloud Atlas< 2 A v a n t g a r d e u n d A l l t a g „Aber ist es nicht ein elendes Projekt: endlich so sein wie der Kapitalismus immer schon war? Ich sage dazu: Todestrieb! Zwischen September 2000 und Mai 2004 hat DIEDRICH DIEDERICHSEN unter der Überschrift Musikzimmer 62 Kolumnen für den Berliner Tagesspiegel geschrieben und mit diesem Titel liegen sie nun zur allgemeinen Zweitverwertung zusammengefasst als KiWi Paperback vor. Diederichsen genießt mit Jahrgang 1957 den Vor- teil, zwischen den bemoosten 68er Altmännerrock- Veteranen und den infantil gewendeten 89er Jahrgängen das Sprechen auf Zwischen- & Metaebenen virtuos zu be- herrschen. Zwei Jahrzehnte lang hat der Hamburger es fertig gebracht, seine persönlichen Idiosynkrasien als Pop-Geschichtsschreibung zu vermitteln. Im Lauf der 90er verschob sich sein Fokus karrierebedingt von ‚Pop 1 & 2‘, sprich Popmusik und Alltag, auf ‚Texte zur Kunst‘. Die restbürgerlichen Qualitätsforen und Kongresspo- dien wurden ihm ebenso selbstverständliches Habitat wie Schöner Wohnen mit Stereoanlage und 2000-x Platten. Sein Stil nahm dabei zum Leidwesen der pabst- & stalin- treuen Sounds- & Spex-Halbwaisen zunehmend etwas Professorales an, das im verquasten Du mit Adorno und anderen Aliens die geschätzte popistische Süffig- und Griffigkeit von früher vermissen ließ. Für das >Musikzimmer<-Feuilleton, das so gut wie alle seine Äußerungen zu ‚Pop‘ seit der Jahr- tausendwende umfasst, erlaubte der Professor an der Merz Akademie Stuttgart sich nun wieder ein eher beiläufiges Schreiben und abschweifendes Denken von pointierter Suggestivität. Diede- richsen liebt den dialektischen Spagat. Wie zuletzt mit dem antithetischen Pärchen ‚Situation (Melodie)‘ vs. ‚Atmosphäre (Groove)‘ [in: Der lange Weg nach Mitte, KiWi 1999] wimmelt es im >Musikzimmer< von solchen Odd Couples wie ‚Bitch und Beckett‘, ‚Warm oder Walzer‘, ‚Grütze oder Raster‘, ‚Ströme gegen Schnitte‘, scheinbar willkürliche, oft widerstrebige, meist high-low gespreizte Fügungen, mit denen DD dann nonchalant jongliert. Seine Rolle dabei sieht er als die eines Konsuls „zwischen universalistischer Kunstkritik und dem Rezeptionstheater der Pop- Musik.“ Wobei er den Pop-Pol geschwächt sieht, zu schwach, um sich noch als zumindest symboli- scher Protest abzuheben von kapitalistischen Zwängen und der Langeweile der Büro-, Pluto- und Technokratie. Nur in seltenen Momenten habe Pop noch die Kraft, die Dinge durchlässig, passabel zu machen, um Übergänge ins Leben zu bahnen, um Zuflucht zu gewähren für eine merkwürdige Metaphysik des Individuellen (vs. Ideologien unmittelbarer Gemeinschaft), um als Reservoir zu taugen einer Politisierung jenseits bloßer Interessenvertretung. Pop als der Wunsch, absolutely contemporary zu sein, sei verkommen zum Zwang, das NOW! geil zu finden. In diesem Zustand fällt - so DD weiter in der SZ vom 21.10.05 (Neoliberal ist cool) - sogar die Ekel-Sperre gegen das neo- liberale Umarmen toffester Weltwirtschaftsunordnung, um sich als renegat gewendetes Not-Al- right-Sein zu gefallen, das mit popistischer Rebellengeste gegen linke Reste tritt und nach Mitte buckelt. Wobei sich der Ekel schlecht wegdiskutieren ließe, „denn dahinter steckt das zuverlässi- ge Wissen, dass ein Leben, das nicht auch gegen materielle Interessen gelebt wird, zum Sterben langweilig ist.“ Fazit: „...seit mindestens zehn Jahren reicht Pop allein nicht mehr. Um durch Le- bensstil zu formulieren, dass man sich auf ein bestimmtes anderes Leben hin von anderen unter- scheidet, musste es schon etwas anderes sein als Pop.“ (Zitty 12/05) 3 Vor diesem Horizont gelingt nun Die- Aber worüber spricht DD denn, wenn er im >Musikzimmer< derichsen der überfällige, aber den- spricht? - Das Namedropping umfasst zu 55% ein bad alche- noch so nicht unbedingt zu erwartende mystisches Sammelsurium: Animal Collective, Dave Burrell, Clou des Ganzen (auf den allenfalls der Cornelius Cardew, Alice Coltrane, Tony Conrad, Ekkehard Eh- Vorabdruck seines >Musikzimmer<- lers, John Fahey, Luc Ferrari, Guillermo Gregorio, Ryoji Ikeda, Intros in der Süddeutschen vorberei- Ronald Isley, Charles Ives, Sven-Åke Johansson, Mike Kelley, tete). Was der Klappentext anpreist als Kid 606, Bill Laswell, Larry Levan, Lizzy Mercier Descloux, aktuellen Versuch, das „Verhältnis von Grachan Moncur III, Max & Wolfgang Müller, Czeslaw Niemen, Pop-Musik und Leben auszuloten“, Niobe, Herrmann Nitsch, Charlemagne Palestine, Annette Pea- entpuppt sich als ein dezidiertes Be- cock, Marcus Schmickler, Alan Silva, Michael Small, Cecil Taylor, kenntnis zur Avantgarde (trotz alle- Vert, Scott Walker, Barry White... Insgesamt eine ebenso idio- dem). Deren neu erkannte Attraktivität synkratische wie avantbetonte, so illustre wie semiobskure liege darin, „die Möglichkeit und den Liste sympathischer Präferenzen, die Diederichsen insofern Rahmen zu bieten, überhaupt mit Nach- geschickt veralltäglicht, dass er fast durchwegs Besonderes auf druck betriebene Unterbrechungen der adult-oriented Ebene (Free Jazz, Fluxus, Minimalismus, von Alltagsbewusstsein und Aufmerk- Elektroakustik, Vierteltöner, Mille Plateaux Electronic u. samkeitsmanagement zuzulassen. Die- dergl.), aber auch Gemeingut wie Schlafzimmersoul, Pink Floyd, se Kraft der Unterbrechung, der Zäsur, Bob Dylan, George Harrison oder Neil Young, zum Anlass der Negation scheint mir heute oft nimmt, um mit der Freiheit des Feuilletonisten und eines wichtiger als die nun eher folgenlos Dschäss of Consciousness über alles Mögliche zu improvisie- gewordene Umarmung des Lebens ren. Über Musik in Flugzeugen und auf Modeschauen, Baustellen durch eine Pop-Musik, die gegen den als Musique Concrète, Charlotte Roche und Alexander Kluge, Versprechenscharakter der Ware nicht die Kraft der Negation, den Montag, Walzer als Sonic Fiction, mehr dessen mögliche Realisierung Copyright auf Stille, das Königreich Elgaland-Vargaland, MTV- setzt, sondern selbst nur noch ver- Kultur, Sängerknaben, Erinnerungen, Horden, Amerika als Pa- spricht, dass nichts passieren wird.“ thosformel, die „Scheußlichkeitskoalition von Schlager, Boh- Avantgarde ist Kunst, „und Kunst geht len, BMG, Universal und Rammstein, die von taz bis zur CDU alle an.“ reicht“ oder über Lebensentwürfe, die sich „an Gitarre, Miso- gynie und dem unerschütterlichen Glauben... orientieren, ich Hatte sich DD einst von der Überaffir- sei ganz selbstbestimmt, wenn ich so ausflippe, wie es der Chef mation des New Pop als notwendiger, von mir erwartet“. aber obsoleter Phase und mit der Pa- role „The kids are not alright“ vom sine Diederichsens Sensibilität zeigt sich besonders schön akzentu- qua non der Jugendlichkeit verab- iert, wenn er über die musikalischen Fähigkeiten von Schlitten- schiedet und seither sich eher defensiv, hunden parliert (‚Anthropologie des Hundes‘) oder wenn er ja geradezu, wenn auch im denkbar den weißen Freejazzpianisten Burton Greene gegen die elimi- anti-Poschardt‘schen Sinne, neokon- natorische Kritik des Black Music-Hohepriesters Amiri Baraka servativ auf die Abwehr von Essentia- in Schutz nimmt. In der identifikatorischen Solidarität mit einem lismus und Langeweile beschränkt, so Deplatzierten macht DD nicht zuletzt in eigener Sache die Op- hebt er nun einen weiteren Selbstwi- tion des ‚White Negro‘ und einer ‚Kl(/R)assenverrats-Ethik‘ derspruch auf, den impliziten zwischen noch einmal stark. Im Gegensatz zum dummdeutschen ‚Zusam- ‚Pop‘ und ‚Avantgarde‘, zwei Phäno- menbringen, was zusammen gehört‘ propagiert er durchwegs mene, die wohl in der Diederich- den antiessentialistischen Modus vivendi von Brüchen und Ge- sen’schen Praxis längst als Distinktio- gensätzlichkeiten, das alltägliche Arrangement von Differenzen nen des Alltags eng geführt sind. Wäh- und Polaritäten. Wenn Distinktion sich nicht auf Stil, sondern rend Pop mehr denn je mit Populismus lieber doch auf Brutalität und Klassenunterschiede stützt, wenn und Distanzlosigkeit harmoniert, be- zunehmend wieder konsensfähig ist, Unterschiede per Rasse, wahrte sich ‚Avantgarde‘, wenn nicht Kaufkraft, Gender und ‚Civilization‘ zu konstruieren, wenn Hip- per se, so doch per definitionem die & Sexyness sich vom ‚linken Outsider‘ aufs schicke In-Sein von Negationskraft des Minoritären, ohne zynischer Mitmacherei verschoben hat, dann ging DD mit der je den universalen Anspruch aufzuge- Frage, wie viele unterschiedliche