PERSPEKTIVE | FES

Ghana will den Wandel Sozialdemokratischer NDC kann bei den Wahlen nicht überzeugen

CHRISTOPHER FORST Januar 2017 n Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 7. Dezember 2016 haben der amtierende Präsident John Dramani Mahama und der von ihm angeführte sozialde- mokratische National Democratic Congress (NDC) eine herbe Niederlage einstecken müssen. Wahlgewinner wurde Oppositionsführer Nana Addo Dankwa Akufo-Addo, dessen New Patriotic Party (NPP) zudem über eine stabile Mehrheit im Parlament verfügen wird. Trotz spürbarer Verunsicherung im Vorfeld der Wahlen verlief der Wahltag fast überall friedlich. n Hohe Jugendarbeitslosigkeit, rückläufige Reallöhne und niedriges Wachstum haben das Vertrauen der Wähler_innen in den NDC erschüttert. Die zunehmende Abhän- gigkeit vom Internationalen Währungsfonds (IWF) infolge einer durch den allgegen- wärtigen Klientelismus vorangetriebenen Schuldenfalle hat die Handlungsfähigkeit der Regierung eingeschränkt. Mahamas Partei hat es zudem nicht vermocht, eine glaubwürdige sozialdemokratische Vision zu vermitteln. n Neben einem personellen Neuanfang werden frische programmatische Ideen nötig sein, um den NDC wieder attraktiv zu machen. Das Votum der Wähler_innen scheint sich dieses Mal offenkundig mehr an Themen und weniger an ethnischen und tra- ditionellen Faktoren orientiert zu haben als in der Vergangenheit. Dies wird auch durch die Klarheit des Ergebnisses deutlich. Um für eine bessere Lebenssituation der breiten Bevölkerung zu sorgen, werden sich die Akteure aus allen politischen La- gern nun vom Klientelismus verabschieden und Ideen für beschäftigungsorientiertes Wachstum entwickeln müssen. CHRISTOPHER FORST | GHANA WILL DEN WANDEL

Der Ausgang der Wahlen war unerwartet deutlich. Pro- chen Sektor, die zum klar überwiegenden Teil den ei- gnosen im Vorfeld hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen genen Unterstützer_innen zugute kam und somit als vorhergesagt. Doch schon die ersten Ergebnisse nach »Wahlgeschenk« betrachtet werden darf. Diese Praxis Schließung der Wahllokale ließen eine überraschend kla- hatte bereits die NPP-Vorrängerregierung etabliert; der re Tendenz erahnen. Die Mehrzahl der stimmberechtig- NDC scheint sie jedoch auf die Spitze getrieben zu ha- ten Ghanaer_innen hat das Motto der bis dato opposi- ben. Darüber hinaus wurden 2015 auf Druck des IWF die tionellen New Patriotic Party (NPP) ernstgenommen und Gebühren für Strom und Wasser drastisch angehoben, sich bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ein Einstellungsstopp verhängt und Kürzungen im öf- am 7. Dezember 2016 für einen »Wandel« ausgespro- fentlichen Sektor vorangetrieben. Diese Schritte waren chen. Bereits im ersten Wahlgang gaben knapp 54 Pro- nötig, um einen Sonderkredit zu bekommen, führten zent der Wähler_innen dem Präsidentschaftskandidaten jeoch dazu, dass der vermeintliche sozialdemokratische der NPP, Nana Addo Dankwa Akufo-Addo, ihre Stimme. Anspruch des NDC weiter an Glaubwürdigkeit verlor. Der bisherige Präsident, John Dramani Mahama, konnte nur etwas mehr als 44 Prozent der Stimmen auf sich ver- Der Status des Landes als »lower middle income country« einen. Im Parlament wird die NPP künftig voraussichtlich (Bruttonationaleinkommen pro Kopf von über 1.026 US- gar über 171 der 275 Sitze verfügen – für ghanaische Dollar im Jahr) reicht vielen Ghanaer_innen nicht aus, zu- Verhältnisse ein sehr eindeutiges Kräfteverhältnis. mal die Einkommen extrem ungleich verteilt sind und über 85 Prozent der Wirtschaftsleistung aus dem informellen Der Sieg der NPP ist in erster Linie auf eine tiefe Ent- Sektor stammen – eine prekäre Situation im Hinblick auf täuschung bezüglich der Regierungspolitik des National die soziale Absicherung weiter Teile der Bevölkerung. Vor Democratic Congress (NDC) und des bisherigen Präsi- allem viele Jugendliche sehen keine Perspektive: Laut denten zurückzuführen. Der sich als sozialdemokratisch Schätzungen der Weltbank ist fast jede_r Zweite zwischen bezeichnende NDC hat es in den vergangenen beiden 15 und 24 Jahren arbeitslos – und das in einem Land, in Legislaturperioden verpasst, ausreichende sozialpoliti- dem 60 Prozent der Bevölkerung jünger als 35 Jahre sind. sche Reformen auf den Weg zu bringen, die Wirtschaft zu diversifizieren und die Abhängigkeit von internatio- Die vor einem knappen Jahrzehnt entdeckten Ölvor- nalen Geldgeber_innen zu verringern. Die vermeintliche kommen haben sich angesichts geringer Fördermengen sozialdemokratische Identität des NDC wird von einem und niedriger Weltmarktpreise bisher nicht nennenswert Großteil der Wähler_innen angezweifelt. ausgewirkt und machen weniger als zehn Prozent des BIP aus. Ohnehin lässt sich die Arbeitslosigkeit mit Ölför- derung nur schwer flächendeckend bekämpfen, zumal Wirtschaftliche Misere statt Boom bestehende Gesetze zur ausgewogenen und nachhal- tigen Verwendung der Einnahmen bislang nicht einge- 2011 lag das reale BIP-Wachstum in Ghana auf einem Re- halten werden. Steigende Weltmarktpreise könnten das kordhoch von 14,05 Prozent. Ghana galt als Musterbei- Thema allerdings künftig wieder auf die Agenda bringen spiel für eine aufstrebende westafrikanische Wirtschafts- und der neuen Regierung in die Karten spielen. nation. Doch die optimistischen Erwartungen wurden enttäuscht. Seit 2014 werden nur noch Wachstumsraten Eine anhaltende Energiekrise hat die Wirtschaft zusätz- um vier Prozent erzielt; die Inflationsrate beträgt derzeit lich belastet – vor allem kleine Unternehmen. Präsident 15,8 Prozent. Das momentane Wachstum muss als bei Mahama hatte erst gegen Ende seiner Amtszeit zumin- Weitem nicht ausreichend bezeichnet werden, selbst dest kurzfristig wirksame Lösungen für die zuvor ständig wenn rund vier Prozent aus mitteleuropäischer Perspek- auftretenden Stromausfälle präsentiert. tive vorzeigbar erscheinen. Die Reallöhne sind rückläufig.

Eine Staatsverschuldung von über 70 Prozent, gemessen Falsche Wahlkampfstrategie des NDC am Bruttoinlandsprodukt, tut ihr Übriges. Sie hat den NDC in die Arme des IWF getrieben und damit seine Die wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosigkeit Handlungsfähigkeit gehemmt. Ein Hauptauslöser war waren die alles dominierenden Themen im Wahlkampf. zudem eine massive Erhöhung der Löhne im öffentli- Angesichts der ausbleibenden positiven Entwicklung

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waren letztlich einmal mehr »bread-and-butter issues« vater Investitionen sowie eine erfolgreiche Umsetzung entscheidend – also Themen, die sich im Alltag spürbar des vom IWF geforderten Schuldenabbaus. Zudem sol- auswirken. Der NDC hat dies jedoch verkannt. Wie die len auch Steuern zuverlässiger eingetrieben und die Kor- nun siegreiche NPP bereits 2008 scheiterte nun der NDC ruption bekämpft werden. Vor allem an Letzterem wird daran, mit glanzvollen Infrastrukturmaßnahmen zu wer- sich Akufo-Addo messen lassen müssen, denn nur wenn ben, von deren Realisierung viele Wähler_innen nicht Investitionen effizienter und nachvollziehbarer werden, direkt profitieren. In seinem Programm versprach der ist eine Realisierung zentraler Elemente seines Wahlpro- NDC nachhaltige Jobs durch Industrialisierung, während gramms möglich. man auf Wahlplakaten nur große Infrastrukturprojekte sah, die sich zudem auf wenige Regionen konzentrier- Trotz ihrer eindeutig neoliberalen Grundhaltung gilt die ten. Weder der mit prachtvollen Fontänen zu Ehren des NPP in manchen Kreisen als die »sozialdemokratischere Staatsgründers Nkrumah ausgeschmückte neue Ver- Partei« Ghanas. Unter ihrer Führung gelangen zwischen kehrsknotenpunkt »Kwame Nkrumah Interchange« in 2000 und 2008 – sicher auch angesichts eines allgemein Accra noch die Modernisierung eines Marktes in Kumasi günstigeren Wirtschaftsklimas zu dem äußere Faktoren sprachen einen Großteil der Ghanaer_innen an. Dabei ihren Teil beitrugen – wichtige sozialpolitische Reformen, hätte die Mahama-Kampagne durchaus immerhin auch etwa im Gesundheitsbereich und hinsichtlich der Be- auf den Bau neuer Schulen und Krankenhäuser verwei- kämpfung extremer Armut. Um diesem Ruf zumindest sen können. ein wenig gerecht zu werden, verspricht die NPP diesmal kostenlosen Zugang zum Sekundarschulwesen. Sie zieht damit auch Wähler_innen an, die ideologisch vermeint- Neoliberale Ideologie und »ein bisschen lich dem NDC näherstehen – sofern »Ideologie« in der soziale Gerechtigkeit« im NPP-Programm ghanaischen Politik überhaupt eine messbare Größe ist.

Die NPP hatte diesmal hingegen eine einfach zu verste- hende zentrale Nachricht, die bei den Menschen an- Friedliche Wahlen trotz Verunsicherung gekommen zu sein scheint: In jedem der 216 Distrikte Ghanas möchte man eine Fabrik bauen und somit Jobs Eines haben die ghanaischen Wähler_innen in jedem Fall schaffen. Durch den Bau von Staudämmen soll darüber geschafft: Die Wahlen sind erneut friedlich abgehalten hinaus der Norden des Landes unterstützt werden. Ob worden. Seit Einführung der Verfassung im Jahr 1992 diese Versprechen angesichts eines schlechten Investiti- haben nunmehr drei erfolgreiche Regierungswechsel onsklimas und teurer Kredite wirklich realisiert werden stattgefunden. Auch gestand seine Nie- können, bleibt abzuwarten. Auch über die Größe der derlage letztlich klaglos ein und sagte, er respektiere geplanten Fabriken gibt es keine genauen Angaben, den Willen des ghanaischen Volkes. aber viele Wähler_innen erhoffen sich dennoch mehr potenzielle Jobs vor ihrer Haustür. 300 mögliche Stand- Die Vehemenz, mit der im Vorfeld auf die Bedeutung orte hat die NPP angeblich bereits identifiziert. Die wirt- gewaltfreier Wahlen hingewiesen worden war, ließ sehr schaftliche Rentabilität der Betriebe soll im Vordergrund wohl die Frage nach den Gründen für die durchaus in stehen, um Fehler aus den Jahren nach der Unabhängig- der ghanaischen Öffentlichkeit vorhandene Angst zu. keit Ghanas zu vermeiden. Gestärkt werden soll insbe- Die oben beschriebene Unzufriedenheit mit der Regie- sondere auch der Agrarsektor. rungspolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung sowie eine sich daraus potenziell ergebende »Demokratiemü- Der bereits zum dritten Mal angetretene Nana Akufo- digkeit« könnten hierbei eine entscheidende Rolle ge- Addo bezeichnet sich selbst als überzeugten Kapitalis- spielt haben. ten. Das ideologische Fundament ist aufseiten der NPP momentan klarer zu erkennen als beim NDC, der zwar Insgesamt waren 81 der 275 Wahlkreise als potenzielle eine ähnliche neoliberale Politik betreibt, diese aber Gewaltherde eingestuft worden, deutlich mehr als noch nicht mit der gleichen Offenheit und Überzeugung ver- im Jahr 2012. Dennoch blieb es weitgehend friedlich. tritt. Steuersenkungen für Unternehmen gehören eben- Ausruhen sollte man sich hierauf allerdings nicht. Die so zum NPP-Programm wie eine stärkere Förderung pri- prekäre soziale Situation sowie die tiefe Spaltung des

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Landes in zwei rivalisierende politische Lager birgt aus- Sowohl Mahama als auch Akufo-Addo konnten ihre teils reichend Potenzial für etwaige Spannungen und scheint recht aufgebrachten Unterstützer_innen glücklicherwei- tendenziell zuzunehmen. Beleidigungen des politischen se beruhigen. Hinter den Kulissen waren aber wohl zähe Gegners waren im Wahlkampf an der Tagesordnung. Verhandlungen nötig, um die Situation unter Kontrolle Dass eine zweite Wahlrunde dieses Mal nicht nötig war, zu halten. wurde daher mit Erleichterung aufgenommen.

Mahamas Zukunft bleibt ungewiss Wahlkommission mit Licht und Schatten Der Wahlausgang erfordert nun einen Neuanfang auf- Im Vorfeld der Wahlen war die Rolle der Wahlkommissi- seiten der Verlierer_innen. Will sich der NDC neu aufstel- on ein wichtiges Thema. Die NPP hatte sie vielfach kriti- len und an Strahlkraft gewinnen, muss er zunächst ge- siert und gegen ihre Entscheidungen prozessiert. Die erst eint werden. Angesichts der ungewissen Zukunft John seit 2015 amtierende Vorsitzende der Wahlkommission, Mahamas drohen offene Flügelkämpfe. Mahama hatte Charlotte Osei, hinterließ einen sehr engagierten, aber direkt nach den Wahlen angekündigt, sich »zunächst« nicht immer glücklichen Eindruck. Zunächst hat es un- zurückziehen und für drei Monate erholen zu wollen. ter ihrer Führung eine gerichtliche Auseinandersetzung Mit einem NDC-Kongress zur Festlegung des weiteren hinsichtlich der Zusammensetzung des Wähler_innenre- Fahrplans wird daher frühestens im Juni 2017 gerechnet. gisters gegeben, bei der die NPP zumindest einen Teil- Dann könnte Mahama, allen Kritiker_innen zum Trotz, erfolg erringen konnte. Schließlich disqualifizierte die wieder die Führungsrolle beanspruchen. Mehrere NDC- Wahlkommission einen Großteil der (aussichtslosen) Kan- Politiker_innen, u. a. der stellvertrende Energieminister, didat_innen für die Präsidentschaftswahl aufgrund von haben sich bereits öffentlich für eine erneute Kandidatur Formfehlern, was erneut die Gerichte auf den Plan rief. Mahamas ausgesprochen.

Am Wahltag lief letztlich vieles erstaunlich reibungslos Einiges spricht jedoch dagegen. Nicht zuletzt sind in die- ab; die Wahlkommission hatte ihre Hausaufgaben of- sem Zusammenhang Korruptionsvorwürfe zu nennen, fensichtlich gemacht. Die Einrichtung zusätzlicher Wahl- die sicher auch ihren Teil zur verheerenden Wahlnieder- lokale und die gezielte Schulung von Wahlhelfer_innen lage beigetragen haben. Mahama geriet im abgelaufe- führte zu augenscheinlichen Verbesserungen. Zudem nen Jahr persönlich in die Kritik, weil er ein Fahrzeug von sorgte die Umsetzung einer neuen Wahlgesetzgebung einer Baufirma als Geschenk angenommen hatte, das für mehr Transparenz sowie höhere Hürden in Bezug auf vermeintlich mit der Vergabe eines Straßenbauprojektes Wahlbetrug. im Zusammenhang stand. Gerichte sprachen Mahama zwar von Korruptionsvorwürfen frei, kritisierten aber Die Verzögerung bei der Verkündung der Wahlergeb- ausdrücklich die Annahme des Geschenks. nisse schürte aber dennoch Ängste bei den NPP-An- hänger_innen, die Wahlkommission könne Fälschungen Dass sich Korruption unter Mahamas Administration aus- zugunsten des NDC vorantreiben. Nana Akufo-Addo gebreitet zu haben scheint, lässt sich auch an anderen verkündete seinen Sieg bereits einen Tag nach der Wahl, Fällen ablesen: Der frühere NDC-Justizminister und Ge- während die offiziellen Ergebnisse erst nach zwei vollen neralstaatsanwalt Martin Amidu wandte sich 2014 ge- Tagen vorlagen. Die Wahlkommission rechtfertigte die gen die Mahama-Administration, da diese sich weigerte, lange Wartezeit schließlich u. a. mit einer (letztlich erfolg- Bestechungen und Gefälligkeiten durch den Unterneh- losen) Cyberattacke, dem Ausbleiben von Unterschriften mer Alfred Woyome einzugestehen und entstandenen einzelner Parteivertreter_innen sowie Beschwerden über Schaden für die Staatskasse zurückzufordern. Auch der eine zu hohe Zahl abgegebener Stimmen. Zudem drück- Bruder John Mahamas steht immer wieder in der Kri- te sie ihren Unmut über eine unnötige Zuspitzung der tik, u. a. angesichts einer verdächtig erscheinenden Auf- Lage durch die frühzeitige Verkündung des Sieges durch tragsvergabe, von der er indirekt profitiert haben soll. die NPP aus. Die NPP spielte diesen Ball jedoch zurück Selbst eine strafrechtliche Verfolgung John Mahamas und machte die Wahlkommission sowie die unnötig lan- oder zumindest seines Bruders und dessen Frau ist für ge Wartezeit für einzelne Zwischenfälle verantwortlich. die Amtszeit Nana Akufo-Addos nicht auszuschließen.

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Personelle Alternativen des NDC Auch auf administrativer Ebene dürfte es beim NDC und der »Jerry-Faktor« Veränderungen geben. Weder der eigentlich hoch an- gesehene Generalsekretär Asiedu Nketia noch Wahl- Inhaltliche Auseinandersetzungen innerhalb des NDC kampfleiter Kofi Adams machten zuletzt eine glückliche scheint es kaum zu geben, vielmehr sind es machtpoliti- Figur. Beide übernahmen die Verantwortung für die sche und taktische Gründe, an denen John Mahama im Wahlniederlage. Neben einer schlechten Strategie soll, Falle einer weiteren Bewerbung um die NDC-Spitzenkan- so ist zu hören, auch die Veruntreuung von Kampag- didatur scheitern könnte. Parteigründer Jerry Rawlings nengeldern ausschlaggebend gewesen sein. Infolge- war mit Mahama zuletzt immer unzufriedener und trat dessen steht wohl ein Umbau parteiinterner Strukturen im Wahlkampf kaum in Erscheinung, was einige Stimmen bevor. gekostet haben dürfte. Die für ghanaische Verhältnisse geringe Wahlbeteiligung von unter 69 Prozent (2012: 79 Prozent) deutet zudem darauf hin, dass viele verdros- Neue programmatische Ansätze sene NDC-Anhänger_innen, vor allem in der Volta-Regi- dringend nötig on, aus der Rawlings stammt, zu Hause geblieben sind. Bislang haben die ghanaischen Wähler_innen seit 1992 Rawlings bescheinigte NPP-Kandidat Akufo-Addo sogar, alle acht Jahre für eine Ablösung der Regierungspartei »unbestechlich« zu sein und versetzte Mahama damit gesorgt. Viele erwarten nun, dass jetzt auch der NPP womöglich den finalen Dolchstoß. Er könnte nun einen acht Jahre Zeit gewährt werden. Das klare Wahlergebnis Alternativkandidaten zu Mahama durchsetzen und sich kann jedoch schnell zur Bürde werden. Die progressiven einmal mehr auf die Fahne schreiben, die Korruption Kräfte im Land, gleich welcher parteipolitischen Couleur, innerhalb des NDC beenden zu wollen. Einige einfluss- sollten die vier Jahre bis zur nächsten Wahl nutzen, um reiche NDC-Funktionär_innen hatten insbesondere nach eine Agenda für nachhaltiges Wachstum und dessen dem Regierungsantritt des im Amt verstorbenen Ex- gerechte Verteilung zu erarbeiten. Das »Winner takes it Präsidenten Atta-Mills im Jahre 2008 sowie unter dessen all«-System, d. h. die Bevorzugung der eigenen Klientel direkten Nachfolger Mahama unterschwellig an der »Dä- bei der Vergabe öffentlicher Ämter und Aufträge durch monisierung« von Rawlings gearbeitet, der das Land zu- die Wahlsieger, darf ebenso wenig als alternativlos an- nächst in einer Militärdiktatur und dann ab 1992 mit der gesehen werden wie der neoliberale Ruf nach Deregulie- Abhaltung freier Wahlen in die Demokratie geführt hat- rung und ungezügelter freier Marktwirtschaft. te. Rawlings hat aber weiterhin viele Unterstützer_innen. Kleine Parteien konnten leider erneut keinen signifi- Ausschließen lässt sich wohl eine Rückkehr der Ehefrau kanten Anteil des zu verteilenden Kuchens für sich be- von Jerry Rawlings, Nana Konadu Agyeman-Rawlings, in anspruchen, und derartige Tendenzen sind auch nicht die Führungsriege des NDC. Sie hatte die Partei im Streit abzusehen. Veränderung kann also auf absehbare Zeit um eine Kandidatur verlassen und 2012 die National De- nur von den beiden großen Blöcken ausgehen. Immer- mocratic Party (NDP) gegründet, mit der sie bisher jedoch hin: Die Klarheit des Votums der Wähler_innen scheint keine nennenswerten Erfolge verzeichnen konnte. Eine zu zeigen, dass diesmal einer großen Zahl der Ghana- wesentlich bessere Figur machte in der Vergangenheit er_innen inhaltliche Prioritäten und der Ruf nach einem der charismatische Arbeitsminister Haruna Iddrisu. Er echten Wandel wichtiger waren als ethnisch oder tra- ist vor allem in Gewerkschaftskreisen hoch angesehen. ditionell bedingte Wahlgewohnheiten. Sollte sich dieser Eine Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2020 könnte für Trend in Zukunft bestätigen, kann Ghana davon nur ihn jedoch noch zu früh kommen, zumal seine Herkunft profitieren. (er kommt wie Mahama aus dem Norden) sowie seine Loyalität zu John Mahama gegen ihn sprechen. Auch die Der NDC betonte in der Stunde der Niederlage seine Chancen von Handelsminister Ekwow Spio-Garbrah, der sozialdemokratischen Ideale. Der scheidende Präsident bereits im zurückliegenden Vorwahlkampf als Heraus- dankte »der Führung des NDC, all seinen Mitgliedern, forderer Mahamas im Gespräch war, gelten als fraglich. Wahlkampfhelfern und Sympathisanten für den Glauben So könnte letztlich ein momentan noch eher unbekann- in die Prinzipien der Sozialdemokratie und ihren Einsatz ter Kandidat das Ruder übernehmen. für die Vision des NDC«. Die Spezifika dieser Vision soll-

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ten nun sehr bald erarbeitet und machtpolitische Aus- In einem seltenen Moment im Wahlkampf lies der Chief einandersetzungen begraben werden. Eventuell kann of Staff, Julius Debrah, erahnen, dass ein Verständnis es dann gelingen, die programmatischen Unterschiede für sozialdemokratische Werte beim NDC durchaus vor- zur NPP wieder klar erkennbar zu machen. Im Vorfeld handen sei. Er verkündete, Präsident Mahama stehe für der Wahlen beschuldigten sich die beiden großen Partei- gleiche Möglichkeiten für alle, unabhängig von Rasse, en gar gegenseitig, ihre Wahlprogramme voneinander Farbe, Glaube oder politischer Zugehörigkeit. Er wolle abschreiben zu wollen. Kein Wunder in einem Land, in allen Ghanaer_innen helfen, ihre vollen Potenziale zu dem sich die vermeintlichen Sozialdemokrat_innen dem entfalten. Dazu bedürfe es einer angemessenen Regu- IWF-Mantra vollständig unterworfen haben. Die NPP hat lierung der Wirtschaft und strategischer Investitionen. die Zeit in der Opposition immerhin zur Kooperation mit Auch Julius Debrah werden Chancen auf eine wichtige einer Vielzahl von Think-Tanks genutzt. Ähnliches ist nun Rolle im »neuen NDC« zugestanden. Es bleibt zu hoffen, auch für den NDC denkbar und könnte dabei helfen, dass er und seine Parteigenoss_innen diesen Worten eine klarere programmatische Linie zu entwickeln. auch Taten folgen lassen werden.

5 Über den Autor Impressum

Christopher Forst ist seit Juli 2016 als Projektassistent im FES- Friedrich-Ebert-Stiftung | Referat Afrika Auslandsbüro Ghana tätig. Er hat einen Masterabschluss in EU- Hiroshimastr. 17 | 10785 Berlin | Deutschland Russia Studies von der Universität Tartu (Estland). Verantwortlich: Dr. Manfred Öhm, Leiter, Referat Afrika

Tel.: +49-30-269-35-7456 | Fax: +49-30-269-35-9217 http://www.fes.de/afrika

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