Richtig Erwachsen 20 Jahre 20
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10/2014 20 Jahre Linux im Magazin Titelthema Richtig erwachsen 20 Jahre 20 22 Mei, is’ des groß g’worden! Das Linux-Magazin begleitet Linus Torvalds’ Baby bereits von Kindesbeinen an und hat auch die Flegeljahre überlebt. Versuch eines Durchmarschs. Kristian Kißling www.linux-magazin.de aus E-Mail-Diensten und FTP-Servern, auf denen die Software lagert. Das WWW nimmt gerade erst Fahrt auf. Immerhin: Im ersten Heft sucht ein Autor seine Software aus dem „InterNet“ (!) zusammen, das zweite führt eine Rubrik „Neues aus dem Internet“ ein. „Linux wäre ohne das Internet nicht denkbar und dürfte das erste Projekt in dieser Größe sein, dass auf diese Weise rea- lisiert wurde und wird“, schreibt das Linux-Magazin in einer kurzen Abhand- lung zu Linux und Linus. Letzteren bil- det die Redaktion eher unvorteilhaft ab (Abbildung 1). Das Internet wird ständige Referenz im Magazin, schon bald stellt ein Autor das © Jenzig, photocase.de WWW metaphorisch dem höchsten Gut der Deutschen zur Seite – der Autobahn: „First they ignore you, then they laugh es im März 1994 gestartet und es steuert „Das World Wide Web ist derzeit in aller at you, then they fight you, then you sogar einen Artikel zur Erstausgabe des Munde: kein Modembesitzer, der nicht win.“ Der bekannte Ausspruch zu den Linux-Magazins bei. schon einmal auf der vielbeschworenen Phasen der Entwicklung einer revoluti- Datenautobahn gewesen wäre – und sei onären Idee wird gern Mahatma Gandhi Phase 1 es mehr oder weniger auf der Standspur“, in den Mund gelegt. Der hat ihn so ver- kalauert ein Artikel. mutlich nie geäußert, aber er lässt sich Das erste Editorial des Gründers Rudolf Andere sehen Gefahren auf dem noch schön auf die Entwicklung von Linux Strobl sieht Linux im Herbst 94 noch jungen „Information Highway“ lauern: münzen, die das Linux-Magazin seit nun- in Phase 1 des erwähnten Zyklus – es „Bedenklich ist die zunehmende Verbrei- mehr zwei Jahrzehnten begleitet. wird ignoriert. Viele Leute halten Linux tung neuer Dienste im Internet, insbeson- Gut drei Jahre nachdem Linus Torvalds für eine weitere Share- oder Freeware, dere das World Wide Web. Hier werden sein „Hobbysystem“ angekündigt hat [1], wie es sie für Windows 98 häufig gibt. komplexe Programme und Protokolle erscheint im Oktober 1994 erstmals das Unix-Anbieter stecken da schon in Phase zum Datenaustausch verwendet, kaum Linux-Magazin. Die Kernelversion ist bei 2 und machen sich über den mangeln- jemand weiß genau, was hinter den Ku- 1.0 angelangt und die Hefte flattern zu- den Support für Linux lustig: „Ja wo ge- lissen passiert“, zitiert Ausgabe 06/95 nächst nur Mitgliedern der Deutschen hen Sie denn dann hin, wenn es keinen William Cheswick, den Sicherheitsbeauf- Linux User Group (DELUG) ins Haus. Verantwortlichen gibt?“ Support gibt es tragten von AT&T. Er empfiehlt Einweg- Verein und Vereinszeitschrift hat Rudolf zwar, doch findet der meist über das passwörter und warnt vor Passwortdieb- Strobl gegründet, Klaus Weidner küm- noch junge Internet statt. stählen über Telnet und Rlogin. mert sich um die technischen Artikel. Ab 1995 gibt es das Magazin dann für 98 Das Netz von 1994 Diskettenstapel D-Mark im Jahr im freien Verkauf. Früher dran als das Linux-Magazin ist Das besteht 1994 in Deutschland vor al- Doch viele frühe Linuxer können selbst nur das „Linux Journal“. Bob Young, der lem aus dem Usenet, dessen Nachrichten von den Schrecken des WWW nur träu- schon bald Red Hat mitgründen wird, hat der Kundige mit Newsreadern liest, sowie men, ihnen fehlt der Internetzugang. 10/2014 Titelthema Hier springt der Verlag ein: Der DELUG- nux-Distribution: Suse [6]. Von Roland Kopierservice der Articon GmbH, die Dyroff, Thomas Fehr, Burchard Steinbild das Linux-Magazin bis 1996 vertreibt, und Hubert Mantel im September 1992 verschickt mit dem Heft eine Monats- gegründet, basiert es anfangs auf SLS diskette, die „aktuelle Informationen aus (Softlanding Linux System), um später Jahre 20 dem Internet“ enthält. Ein weiterer Ge- auf Patrick Volkerdings Slackware [7] zu schäftsbereich bei Articon ist – neben wechseln und schließlich eine eigenstän- dem Heft – der Verkauf von Software. Wer dige Distribution zu werden. 23 will, kann sie postalisch bestellen, etwa GCC (35 DM), einen Kernel mit Patches Standort Deutschland (21 DM), Emacs (35 DM) oder Xfree86 mit Erweiterungen (70 DM). Tatsächlich sind noch heute einige der www.linux-magazin.de Kompilierunwillige finden im Anzei- Menschen im Linux-Bereich aktiv, die genteil Hilfe: Version 1.3 der Deutschen das Linux-Magazin bereits seit rund 20 Linux Distribution (DLD, [2]) vom Jahren publizistisch begleitet. Ihre Bio- Anbieter Delix (Abbildung 2), einem graphien spiegeln auch die bewegte Abbildung 2: Die Deutsche Linux Distribution bringt Vertriebspartner von Articon, ist in der Geschichte rund um Linux in Deutsch- unglaubliche 1,2 GByte an Software mit. Standardvariante für 129 DM zu bezie- land wider. So etwa Dirk Hohndel [8]: hen und enthält 1,2 GByte freie Software Seit 2001 ist der Deutsche Chief Linux Motorradunfall 2006 bleibt Haaga Ge- samt „menügeführter Installation“. DLD and Open Source Technologist bei In- schäftsführer von Red Hat Deutschland, basierte ursprünglich auf Slackware, wird tel und in dieser Position auf zahlrei- ist aber zugleich im Live Linux-Verband nun aber vom Hersteller selbst entwi- chen Linux-Konferenzen anzutreffen. Er sowie in der Linux Solutions Group (Li- ckelt. Das ist in den 90ern ein valides ist Kernelentwickler der ersten Stunde sog) aktiv, die 2011 zur Open Source Busi- Geschäftsmodell, übersteigen doch die (seit Linux 0.11), hat in Würzburg stu- ness Alliance [14] fusionieren. Einwahlkosten für den Riesendownload diert und grüßt zwischen 1995 und 2001 fast jene, die im Versand oder in den als CTO von Suse (Abbildung 5). Im Linux als Windows-Ersatz Buchhandlungen anfallen. Linux-Magazin taucht Hohndel zum ers- Der Anbieter Unifix (Abbildung 3, [3]) ten Mal im April 1995 auf, weil er auf Distributionen machen Linux nicht nur will offenbar die Unix-Nutzer unter den dem Linux-Kongress spricht. bei Privatanwendern populär, weil sie Lesern für Linux erwärmen, auch Ralf Der erwähnte Sebastian Hetze [9] ver- die Installation vereinfachen. Auch ei- Flaxa und Stefan Probst, die Macher von fasst ab 1992 das „Linux-Anwenderhand- nige Datei- und Druckserver in Firmen LST (Linux Support Team, [4]) schalten buch“, hält 1995 die Keynote auf dem laufen schon früh auf Linux-Basis, doch Anzeigen (Abbildung 4). Nur LSD fehlt Linux-Kongress und ist zudem Urheber Firmensupport ist kein großes Geschäft. – nicht die Modedroge der 60er, son- einiger Artikel im Heft. Zwischen 1995 Auch das Linux-Magazin backt zunächst dern die Lunetix Softwaredistribution. und 1997 arbeitet Hetze als Distributor kleinere Brötchen. Als Reibungsfläche Die Firma Lunetix verkauft LSD laut Ge- für die US-Firma Caldera [10], die mit bietet sich das übermächtige Windows schäftsführer Sebastian Hetze [5] bereits ihrer Distribution für einige Schlagzeilen an, entsprechend bringt das Heft zahlrei- Ende 1992 über Buchhandlungen. [11] sorgt (siehe Kasten „Die Caldera- che Artikel zu Dosemu und Wine, zeigt, Nicht zuletzt inseriert im Linux-Magazin Story“). Später gründet Hetze die Linux wie sich Windows-Rechner dank Samba auch bald Deutschlands populärste Li- Information Systems AG [12] mit, bevor ins Linux-Netz integrieren lassen, und er als Senior Solution interviewt den NTFS-Entwickler Martin Architect zu Red Hat von Löwis. [13] wechselt. Artikel zu Klassikern wie Emacs, Vi, La- Auch die Macher der tex und Postscript bedienen aber auch die oben erwähnten Deut- reine Linux- und Unix-Klientel, die unter schen Linux Distribu- anderem an Universitäten sitzt und sich tion sind dem Maga- wenig für Windows interessiert. Schon zin nicht unbekannt. Mitte 1995 sieht Optimist Strobl Linux am So etwa Dirk Haaga, Ziel: „Die großen grundsätzlichen Prob- der 1994 zusammen leme sind gelöst, von der Funktionalität mit Nils Mache und überragt Linux kommerzielle Betriebs- Jens Ziemann Delix systeme sowieso schon seit Langem, was gründet, DLD entwi- gibt es also weiter zu tun?!“ ckelt und die Firma Wie sich herausstellt, noch einiges. Zum © Linux-Magazin, 1994 © Linux-Magazin, im Jahr 1999 an Red Beispiel entsteht die erste Webseite, deren Abbildung 1: Linux, das legt dieses bereits 1994 verwendete Bild nahe, Hat verkauft. Bis zu früher Charme sich dank Archive.org [15] basiert nicht allein auf Code. seinem Tod bei einem noch reanimieren lässt (Abbildung 6). 10/2014 Titelthema 20 Jahre 20 24 www.linux-magazin.de Abbildung 5: Ex-Vorstand der Suse Linux AG (v.l.n.r.): Johannes Nussbickel, Roland Dyroff, Dirk Hohndel. Abbildung 3: Unifix peilt als Zielgruppe offenbar Unix-Nutzer an, kann sich aber am Markt langfristig Artikelserien gibt es einige. Sie beschäf- 04/ 96), bei Autoverleihern (02/ 97), nicht behaupten. tigen sich mit der Java Virtual Machine, im CAD (05/ 97), im High Performance Kryptographie, SQL oder TCP/IP und lau- Computing (08/97), in Filmproduktionen 1996 entsteht die Linux-Magazin GbR, fen über mehrere Ausgaben hinweg. Das (03/98), in Krankenhäusern (05/98) oder Rosie Schuster übernimmt die Geschäfts- ist noch heute so: Neben dem Perl-Work- in der Warenwirtschaft (08/ 98). leitung, Rudi Strobl widmet sich anderem. shop lassen sich unter anderem die Kern- Im Dezember 1998 krempelt Linux-Maga- technik oder die C++11-Reihe erwäh- zin-Chef Tom Schwaller höchstpersönlich In Serie nen. Auch mit Special Effects geizen die die Ärmel hoch, um einen spektakulären Macher Ende der 90er Jahre nicht: Egal Versuch umzusetzen: Zusammen mit Seit März 1996 betreut der Mathematiker ob Virtual Reality, virtuelle Sternwarten, vielen freiwilligen Helfern baut er für und Linux-Fan Tom Schwaller das Maga- Raytracer oder Notensatzprogramme – den Fernsehsender WDR im Rahmen der zin redaktionell. Er wählt Python als Multimedia ist ein heißes Thema und Computernacht einen Beowulf-Cluster Schwerpunkt seiner Erstausgabe, das garantiert auffällige Titelbilder. namens Clown mit 512 Linux-Knoten auf, Heft wird programmierlastiger. Über das der auf Platz 239 der Top-500-Supercom- Personal Home Page Construction Kit, Linux inside puter landet [17].